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562. Nacht

Als ich nun saß, fing die Dame an, mit mir zu reden, und
sagte zu mir: „Was sagt Ihr zu meinem Aussehen und zu meiner Schönheit?
Haltet Ihr mich Eurer Liebe wert? Wollt Ihr mein Gatte und soll ich Eure Gattin
sein?“ Als ich diese Worte gehört hatte, entgegnete ich: „Wie darf
ich, verehrte Frau, ich, der ich nicht würdig bin, Euer Diener zu sein, nach
solcher Ehre streben?“ – „Junger Mann,“ sagte sie hierauf,
„meine Worte haben gar nichts Verfängliches. Scheue Dich nicht, mir zu
antworten, denn mein Herz ist gegen Dich in Liebe entbrannt.“ Ich sah nun
wohl, Herr, dass die Dame wirklich die Absicht hatte, mich zu heiraten, konnte
aber noch immer nicht begreifen, weshalb, oder wie sie dazu kam, etwas von mir
zu wissen. Sie fuhr fort, mir so manche freundliche Aufmerksamkeit zu bezeigen,
dass ich endlich so dreist wurde, ihr zu sagen: „Verehrte Frau, wenn Eure
Worte ernstlich gemeint sind, so ist nach dem Sprichwort keine Zeit so günstig
als die gegenwärtige.“ – „Es kann,“ erwiderte sie, „für
unsere Vereinigung keinen glücklicheren Tag geben,“ worauf ich erwiderte:
„Wie kann ich Euch eine angemessene Morgengabe geben?“ – „Das
kann nicht genügen,“ versetzte ich. „Es soll nichts weiter
hinzukommen,“ rief die Dame aus, „und es ist meine Absicht,
augenblicklich nach dem Kadi und nach Zeugen zu senden, damit sie uns ohne
Aufschub verbinden. Wir wollen unsere Hochzeit noch diesen Abend feiern, aber
nur unter einer Bedingung.“ – „Und was ist das für eine?“,
erwiderte ich. Sie antwortete: „Dass Du Dich verpflichtest, Dich niemals an
eine andere Frau zu wenden und Dich mit ihr zu unterhalten.“ Herr, ich war
begierig, ein so schönes Weib zu besitzen, und sagte ihr also, dass ich ihr
Begehren erfüllen und niemals, weder durch Worte noch durch Taten, gegen sie
fehlen würde. Sie sandte nun nach dem Kadi und den Zeugen, und die Heirat wurde
beschlossen. Nach der Feierlichkeit ließ sie Kaffee und Sorbet auftragen,
bezahlte die Zeugen, und diese empfahlen sich.

Ich war in Staunen versunken und sagte zu mir selbst:
„Träum‘ ich, oder wach‘ ich?“ Sie gab hierauf den Mädchen Befehl,
mir ein Bad zu bereiten, in welches sie mich durch Verschnittene führen ließ.
Diese brachten mich in ein Zimmer, dessen Zierlichkeit schwer zu beschreiben
ist.

Sie breiteten Teppiche von verschiedenen Farben aus, auf
denen ich mich entkleidete und mich sodann in das Badebecken begab, wo mich von
allen Seiten her köstliche Wohlgerüche überströmten. Mit wohlriechenden
Seifen, Salben und Essenzen so gerieben, bis mein Leib hell wie Silber glänzte,
wurde ich königlich bekleidet und sodann mit Kaffee, Zuckerwerk und Sorbet von
verschiedenen Gattungen bewirtet.

Hierauf verließ ich das Badezimmer mit meinen Begleitern,
die mich in den großen, mit prachtvollen Kissen und Teppichen belegten Saal
führten. Hier fand ich die Dame in einem neuen, noch kostbareren Anzug, als der
war, in dem ich sie zuvor gesehen hatte.

Strahlend von Schmuck und Schönheit, setzte sie sich
neben mich und lächelte mich so bezaubernd an, dass ich mein Entzücken nicht
länger zu mäßigen vermochte. Sie entfernte sich, kam aber bald, noch reicher
als vorher gekleidet, wieder zurück. Ich umarmte sie nochmals, und um es kurz
zu machen, wir blieben zehn Tage auf dem Gipfel des Glückes und Genusses
beisammen. Nach Verfluss dieser Zeit gedachte ich meiner Mutter und sagte zu
meiner Frau: „Es ist nun schon lange, das ich von Hause und von meiner
Mutter entfernt bin. Sie wird sich gewiss über mein Außenbleiben sehr
ängstigen. Willst Du mir erlauben, sie zu besuchen und nach meinem
Warengewölbe zu sehen?“ – „Daran soll nichts Dich hindern,“
erwiderte sie, „Du kannst Deine Mutter täglich besuchen und täglich in
Deinem Gewölbe verkehren, aber die alte Frau muss Dich hin und zurück
begleiten!“ Dazu gab ich meine Einwilligung.

Die alte Frau trat hierauf ins Zimmer, verband mir die
Augen wider mit einem Tuch, führte mich an den Ort, an welchem sie mich zuerst
verbunden hatte, und sagte: „Ihr werdet zur Zeit des Abendgebetes wieder
hier sein und mich zur Stelle finden.“