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560. Nacht

Der verbrecherische Geist, der von einem verruchten und
halsstarrigen Geschlecht war, geriet bei diesen Worten in heftige Leidenschaft
und rief auf unverschämte Weise aus: "Ich will das Armband nicht
herausgeben, denn kein anderer als ich soll die Prinzessin besitzen." Als
er dies gesagt hatte, versuchte er fortzueilen, aber vergeblich.

Der Sultan der Geister befahl nun seinen Begleitern, den
Verbrecher in Ketten zu legen, was sie taten und ihm, nachdem sie ihm das
Armband mit Gewalt entrissen hatten, den Kopf abhieben.

Der Sultan gab mir nun den Talisman, der kaum in meinen
Händen war, als alle Geister aus meinem Gesicht verschwanden und ich mich
wieder in dem reichen, mir von dem jungen Mann geschenkten Anzug befand. Ich
begab mich wieder in die Stadt, und als ich zum Palast gelangte, wurde ich von
den Wachen und Hofleuten erkannt, welche in freudiger Entzückung ausriefen:
"Unser verlorener Fürst ist endlich heimgekehrt!" Sie begrüßten
mich, und ich begab mich in das Zimmer der Prinzessin, die ich in einem tiefen
Schlaf fand, in welchem Zustand sie seit meiner Abreise verbleiben war. Als ich
ihr das Armband wieder anlegte, erwachte sie. Wir lebten hierauf miteinander
sehr glücklich bis zu dem Tod ihres Vaters, der mich, da er keinen Sohn hatte,
zu seinem Nachfolger ernannte, so dass ich wurde, was ich noch heute bin."

Als der Sultan von Kairo seine Erzählung beendigt hatte,
drückte der entthronte Fürst seine Verwunderung über diese Abenteuer aus,
worauf der Sultan sagte: "Wundere Dich nicht über die Fügungen des
Allmächtigen, denn er wirkt im Verborgenen, und wenn es ihm gefällt, offenbart
er seine Geheimnisse. Da Du Deinem Königreich entsagt hast, so sollst Du, wenn
Du willst, mein Wesir werden, und wir wollen als Freunde und Brüder zusammen
leben.

"Dein Wille ist mir Gesetz," erwiderte der
Fürst. Der Sultan machte ihn hierauf zum Wesir, bekleidete ihn mit einem
Ehrenkleid, übergab ihm sein Siegel und die anderen Insignien seines Amtes und
beschenkte ihn mit einem herrlich eingerichteten Palast, zu welchem auch große
Gärten gehörten. Der Wesir trat sein neues Amt sogleich an, hielt täglich
zwei Mal Ratsversammlung und entschied in allen vor ihn gebrachten
Rechtshändeln so gerecht, dass der Ruf seiner Gerechtigkeit und
Unparteilichkeit sich bald und weit verbreitete, so dass, wer irgend eine
Rechtssache hatte, sie vor ihn brachte, sich willig seiner Entscheidung
unterwarf, sich dabei beruhigte und für sein Glück und Leben betete. In diesem
Zustand blieb er mehrere Jahre, da der Fürst mit ihm zufrieden und er unter
dessen Schutz glücklich war, so dass es ihn nicht gereute, seine Krone
abgetreten zu haben.

Es begab sich eines Abends, dass Der Sultan
niedergeschlagen war, worauf er nach dem Wesir sandte und sich, als er kam, bei
ihm darüber beklagte, dass sein Gemüt so voll Missmut wäre, dass nichts ihn
zu zerstreuen vermöchte. "Geh," erwiderte der Minister, "in Dein
Kabinett und besieh Deine Juwelen, deren Beschauung Dich vielleicht unterhalten
wird." Der Sultan folgte diesem Rat, aber ohne Erfolg, und da er meinte, in
seinem Palast könnte nichts ihm Vergnügen verschaffen, so schlug er dem Wesir
vor, verkleidet auszugehen. "Dein Wille ist mir Gesetz," sagte der
Wesir.

Sie begaben sich hierauf in ein abgelegenes Zimmer, und
nachdem sie sich als arabische Derwische verkleidet hatten, durchstrichen sie
die Stadt, bis sie zu einem Hospital für Wahnsinnige gelangten, in welches sie
eintraten. Hier sahen sie zwei Männer, den einen lesend, und den anderen
zuhorchend. Der Sultan, der sich darüber verwunderte, wandte sich an die beiden
Männer und fragte sie, ob sie denn wirklich toll wären, worauf sie erwiderten:
"Wir sind nicht toll, aber unsere Geschichten sind so wunderbar, dass sie
verdienten, in Erz gegraben zu werden, um andern zum Beispiel zu dienen." –
"Lasst sie uns hören!", sagte der Sultan, worauf der Mann, der
gelesen hatte, ausrief: "Höre die meinige zuerst," und
folgendermaßen begann: