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559. Nacht

Ich eilte nach Hause, um meinen Freund zu benachrichtigen,
der mir befahl, nächstens, wenn ich allein mit ihr sein würde, ein Armband,
welches sie um den rechten Arm trüge, von ihr zu verlangen und es ihm zu
bringen, worauf ich dann die Ehe mit ihr vollziehen könnte. Ich erwiderte:
"Dein Wille ist mir Gesetz!", und ich sagte am nächsten Abend, als
ich in das Zimmer meiner Frau trat: "Wenn Du wünschest, dass wir recht
glücklich zusammen leben sollen, so gibt mir Dein rechtes Armband." Sie
tat es augenblicklich. Ich brachte es dem jungen Mann und schlief, in den Palast
zurückgekehrt, wie ich voraussetzte, bis zum andern Morgen bei der Prinzessin.

Denk Dir aber mein Erstaunen, als ich mich beim Erwachen
in meiner ersten schlechten Wohnung fand, meiner reichen Kleider beraubt und in
meinen vormaligen schlechten Anzug, nämlich eine alte Decke, ein Paar
zerrissene Hosen und einen gleich einem Sieb durchlöcherten Turban, auf der
Erde erblickend. Als ich wieder etwas zu mir selber gekommen war, zog ich die
Lumpen an und ging in schwermütiger Stimmung aus, indem ich mein verlorenes
Glück beweinte und nicht wusste, wie ich es wiedererlangen sollte.

Als ich in die Nähe des Palastes kam, sah ich auf der
Straße einen Zauberer sitzen, der einige beschriebene Zettel vor sich liegen
hatte und den Umstehenden ihr Los warf. Ich trat zu ihm, grüßte ihn, was er
freundlich erwiderte, und nachdem er mich aufmerksam betrachtet hatte, rief er:
"Was! Hat der verruchte Elende Dich betrogen und Dich von Deinem Weib
gerissen?" Ich erwiderte mit Ja. Hierauf verlangte er, ich sollte ein wenig
warten, und ließ mich neben sich sitzen. Als sich die Neugierigen entfernt
hatten, sagte er zu mir: "Freund, der Affe, den Du für zehn Silberstücke
gekauft hast, und der bald nachher in einen jungen Mann verwandelt worden,
gehört nicht zum Menschengeschlecht, sondern ist ein Geist und in die
Prinzessin, die Du geheiratet hast, heftig verliebt. Er konnte ihr jedoch nicht
nahen, weil sie das mit einem mächtigen Zauber begabte Armband trug, und um
dieses zu erhalten, brauchte er Dich. Er ist nun bei ihr, aber ich will sogleich
seine Vernichtung bewirken, dass Geister und Menschen künftig vor seiner
Schändlichkeit sicher sind; denn er ist einer von den aufrührerischen und
verfluchten Geistern, die unserm Herrn, dem Salomon, dem Sohn Davids, ungehorsam
waren."

Hierauf schrieb der Wahrsager einen Zettel, den er mir,
als er überschrieben und gesiegelt war, einhändigte, worauf er zu mir sagte:
"Geh an den in dieser Aufschrift bestimmten Ort, warte dort und gib acht,
wer sich Dir naht. Fasse Mut, und wenn Du eine vornehme Person mit einem großen
Gefolge kommen siehst, so übergib ihr dies Briefchen, und sie wird Dein
Begehren erfüllen."

Ich nahm das Briefchen, machte mich auf den Weg nach dem
Ort, welchen mir der Wahrsager bezeichnet hatte, erreichte ihn, nachdem ich Tag
und Nacht gereist war, und setzte mich nieder, um auf die Dinge zu warten, die
da kommen sollten.

Es war Abend, und als etwa der vierte Teil der Nacht
vergangen war, bewegte sich aus einiger Entfernung ein großer Lichtglanz auf
mich zu, und als er näher kam, bemerkte ich Personen, die Fackeln und Laternen
trugen, auch ein zahlreiches Gefolge, welches einem mächtigen Sultan
anzugehören schien. Mein Gemüt wurde unruhig, aber ich fasste mich und
beschloss zu bleiben, wo ich war. Ein großer Zug ging bei mir je zwei und zwei
vorüber, und endlich erschien ein Sultan der Geister, von einem zahlreichen
Gefolge umgeben, worauf ich mich so dreist, als es mir möglich war, ihm
näherte, mich vor ihm niederwarf und ihm das Briefchen übergab, welches er
öffnete, las, und welches folgendermaßen lautete:

"Wisse, o Sultan der Geister, dass der überbringer
dieser Zeilen in großer Not ist, aus welcher Du ihn durch Vernichtung seines
Feindes retten musst. Solltest Du ihm nicht beistehen, so sorge für Deine
eigene Sicherheit. Lebe wohl!"

Als der Sultan der Geister das Briefchen gelesen hatte,
rief er einen von seinen Eilboten und befahl ihm, den Geist, welcher die Tochter
des Sultans von Kairo bezaubert hatte, unverzüglich herbeizuholen. "Dein
Wille ist Gesetz," erwiderte der Eilbote, und sogleich verschwindend, war
er etwa eine Stunde abwesend, nach deren Verlauf er mit dem Schuldigen
zurückkehrte und ihn vor den Sultan stellte, welcher ihm zurief:
"Verruchter Elender, hast Du diesen Mann misshandelt!"

"Mächtiger Herrscher," erwiderte der Geist,
"mein Verbrechen entstand aus Liebe zu der Prinzessin, deren Armband einen
Zauber enthielt, durch welchen ich verhindert wurde, mich ihr zu nähern,
weshalb ich mich dieses Mannes bediente. Er brachte mir den Talisman, und die
Prinzessin ist nun in meiner Gewalt; aber ich liebe sie zärtlich und habe sie
nicht beleidigt."

"Gib das Armband sogleich zurück," erwiderte
der Sultan der Geister, "damit der Mann seine Frau wiedererhalte, oder ich
will dem Scharfrichter befehlen, Dir den Kopf abzuschlagen."