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554. Nacht

Er erwiderte: „Durch die Schärfe meines
Gesichts.“ Der Sultan ließ ihn nun frei und befahl, ihn zu seinen Genossen
zurückzuführen und ihm täglich einen Anteil an Fleisch und Brot mehr zu
geben.

Einige Zeit nachher langte aus einer der Provinzen ein
Tribut an, der zum Teil aus einem schönen schwarzen Füllen bestand, dessen
Farbe so schwarz war wie die schwärzeste Nacht. Der Sultan ergötzte sich sehr
an dem Tier und brachte ganze Tage damit zu, es zu bewundern. Endlich fiel ihm
der Gauner ein, der sich für einen Pferdegenealogisten ausgegeben hatte, und er
ließ ihn zu sich kommen. Als er kam, sagte der Sultan: „Bist du ein Kenner
von Pferden?“ Er erwiderte: „Ja, Herr!“, worauf der Sultan
ausrief: „Wohlan! Ich schwöre bei dem, der mich zum Aufseher meiner
Untertanen machte und zu dem Weltall sagte: ‚Werde!‘, und es ward, dass, wenn
ich Deine Erklärung unwahr finde, ich Dein Haupt abschlagen will.“ Der
Mann antwortete: „Dein Wille ist mir Gesetz.“ Hierauf wurde das
Füllen vorgeführt, damit er es betrachten könnte.

Der Gauner bat den Stallknecht, das Füllen zu besteigen,
um es ihm vorzureiten, was er nun vor- und rückwärts tat, während das stolze
Tier sich sträubte und bäumte. Endlich sagte der Genealogist: „Es ist
genug,“ und rief, sich zum Sultan wendend, aus: „Herr, dieses Tier ist
von außerordentlicher Schönheit und von echter Rasse, seine Verhältnisse sind
richtig, sein Schritt ist edel: Es hat nur einen Fehler. Könnte man es von dem
befreien, so würde es ganz vollkommen sein und unter allen auf Erden lebenden
Pferden nicht seines Gleichen haben.“ – „Was für ein Fehler wäre
das?“, sagte der Sultan. „Sein Vater,“ fuhr der Genealogist fort,
„war von echtem Blut, seine Mutter aber von einer anderen Tiergattung, und
wenn Du befiehlst, so will ich Dir sagen, von welcher.“ –
„Sprich,“ sagte der Sultan. „Die Mutter dieses schönen
Füllens,“ fuhr der Genealogist fort, „war eine Büffelkuh.“

Als der Sultan dies hörte, geriet er in heftige Wut und
befahl dem Nachrichter, dem Gauner den Kopf abzuschlagen, indem er ausrief:
„Verfluchter Hund! Wie konnte eine Büffelkuh ein Füllen werfen?“ –
„Herr,“ erwiderte der Gauner, „der Scharfrichter ist bereit,
Deinen Befehl zu vollziehen: Aber sende zu der Person, welche Dir das Füllen
gebracht hat, und Du wirst von ihr die Wahrheit erfahren. Sind meine Worte wahr,
so wird meine Geschicklichkeit bestätigt sein. Ist aber, was ich behaupte,
falsch, so lass meinen Kopf für meine Zunge büßen.“ Hierauf sandte der
Sultan nach dem Herrn des Füllens.

Als dieser nun gekommen war, fragte ihn der Sultan, ob er
es von jemand gekauft oder selbst gezogen hätte, worauf der Mann erwiderte:
„Herr, ich will Dir nichts als die reine Wahrheit sagen. Die Erzeugung
dieses Füllens ist merkwürdig. Sein Vater gehörte mir und war von dem echten
Geschlecht der Seepferde. Er wurde immer in einer besondern Umzäunung gehalten,
weil ich fürchtete, es möchte ihm etwas zustoßen. Es begab sich aber an einem
Frühlingstag, dass der Stallknecht ihn auf freiem Feld frische Luft schöpfen
ließ. Zufällig kam eine Büffelkuh auf denselben Fleck, der Hengst wurde wild,
zerriss die Stricke, womit seine Füße gebunden warnen, verfolgte die
Büffelkuh und belegte sie. Nach der gewöhnlichen Trächtigkeitsdauer brachte
sie zu unserm großen Erstaunen dies Füllen zur Welt.“

Der Sultan war über diese Erzählung erstaunt. Er befahl,
den Genealogisten herbeizuholen, und sagte bei seiner Ankunft: „Deine Worte
haben sich als wahr beweisen, und Deine wundersame Kenntnis der
Pferdgeschlechter ist bestätigt: Aber an welchem Zeichen konntest Du erkennen,
dass die Mutter dieses Fühlens eine Büffelkuh war?“ Der Mann erwiderte:
„Herr, das Zeichen ist an dem Füllen selbst sichtbar. Es ist bekannt, das
der Huf der Pferde beinahe rund, aber der des Büffels dick und länglich wie
der dieses Füllens ist. Daraus schloss ich nun, dass die Mutter dieses Füllens
notwendigerweise eine Büffelkuh gewesen sein müsste.“ Hierauf entließ
ihn der Sultan freundlich und befahl, ihm täglich einen doppelten Anteil
Fleisch und Brot zu geben.