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55. Nacht

Scheherasade, um ihrer Schwester Genüge zu leisten,
welche neugierig war, die Folge aller dieser Verwandlungen zu erfahren, rief ihr
ins Gedächtnis zurück, wo sie in ihrer Erzählung stehen geblieben war, und
sagte, indem sie nun ihr Wort an den Sultan richtete: „Herr, der zweite
Kalender setzte seine Geschichte folgendermaßen fort:

„Der Hahn warf sich in den Kanal und verwandelte sich
in einen Hecht, der den kleinen Fisch verfolgte. Beide blieben zwei ganze
Stunden unter Wasser, und wir wussten nicht, was aus ihnen geworden war, als wir
ein schreckliches Geschrei hörten, das uns zittern machte. Kurze Zeit nachher
sahen wir den Geist und die Prinzessin ganz in Feuer. Sie spieen Flammen
gegeneinander, bis sie handgemein wurden. Hierauf vermehrten sich die beiden
Feuer, von welchen sich ein dicker und entflammter Rauch sehr hoch erhob. Wir
fürchteten mit Grund, dass er den ganzen Palast entzünden könnte, aber wir
hatten bald einen dringenderen Grund zur Furcht: Denn der Geist, der sich von
der Prinzessin losgemacht hatte, kam bis an die Galerie, wo wir uns befanden,
und blies uns Wirbelwinde von Feuer zu. Es war um uns geschehen, wenn die
Prinzessin, die uns zu Hilfe eilte, ihn nicht durch ihr Geschrei genötigt
hätte, sich zu entfernen und sich vor ihr zu hüten. So schnell wie sie aber
auch war, konnte sie doch nicht verhindern, dass dem Sultan der Bart verbrannt
und das Gesicht beschädigt, dass das Oberhaupt der Verschnittenen erdrückt und
auf der Stelle von den Flammen verzehrt wurde, und dass ein Funkten in mein
rechtes Auge flog und mich einäugig machte. Der Sultan und ich, wir erwarteten
den Tod; aber bald hörten wir schreien: „Sieg, Sieg!“, und wir sahen
plötzlich die Prinzessin in ihrer natürlichen Gestalt und den Geist in einen
Aschenhaufen verwandelt.

Die Prinzessin näherte sich uns, und um keine Zeit zu
verlieren, verlangte sie eine Schale voll Wasser, welches ihr der junge Sklave
brachte, der vom Feuer nicht beschädigt worden war. Sie nahm die Schale, und
nachdem sie einige Worte darüber gesprochen hatte, besprengte sie mich mit dem
Wasser und sagte: „Bist du ein Affe durch Bezauberung, so verändere deine
Gestalt und nimm die eines Menschen an, die du früher hattest.“ Kaum hatte
sie diese Worte gesprochen, so wurde ich ein Mensch, wie ich vor meiner
Verwandlung gewesen war, bis auf ein Auge.

Ich schickte mich an, der Prinzessin zu danken, aber sie
ließ mir keine Zeit dazu. Sie wandte sich an den Sultan, ihren Vater, und sagte
zu ihm: „Herr, ich habe den Sieg über den Geist davon getragen, wie Euer
Majestät es sehen kann; aber es ist ein Sieg, der mir teuer zu stehen kommt.
Wir bleiben nur noch einige Augenblicke zu leben übrig, und ihr werdet nicht
die Freude haben, die von euch beabsichtige Heirat zu schließen. Das Feuer hat
mich in diesem schrecklichen Kampf durchdrungen und ich fühle, dass es mich
nach und nach verzehrt. Das würde mir nicht begegnet sein, wenn ich den letzten
Kern des Granatapfels bemerkt und ihn, gleich den anderen, verschluckt hätte,
als ich mich in einen Hahn verwandelt hatte. Der Geist hatte sich in diesen
Kern, als in seine letzte Verschanzung geflüchtet, und hiervon hing der Erfolg
des Kampfes ab, der glücklich und gefahrlos für mich geendet hätte. Dieser
Fehler hat mich genötigt, meine Zuflucht zum Feuer zu nehmen, um mit diesen
mächtigen Waffen zu kämpfen, wie ich es zwischen Himmel und Erde und in eurer
Gegenwart getan habe. Ungeachtet der Gewalt seiner furchtbaren Kunst, und
ungeachtet seiner Erfahrung hab‘ ich dem Geist gezeigt, dass ich mehr wisse als
er, ich habe ihn besiegt und in Asche verwandelt. Aber ich kann dem
herannahenden Tode nicht entrinnen …“

Hier unterbrach Scheherasade die Erzählung des zweiten
Kalenders, und sagte zum Sultan: „Herr, der anbrechende Tag ermahnt mich,
nicht weiter zu erzählen; wenn aber Euer Majestät die Gnade haben will, mich
noch bis morgen leben zu lassen, so werdet ihr das Ende dieser Geschichte
erfahren. „Schachriar willigte ein, und stand, seiner Gewohnheit nach, auf,
um die Angelegenheiten seines Reichs zu besorgen.