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538. Nacht

Die Gelegenheit dazu säumte nicht, sich darzubieten. Die
jungen Nymphen entkleideten sich, und der verliebte Muselmann sprang nach dem
Gewand seiner Schönen und schwenkte es in die Luft. Die übrigen stürzten
erschrocken und im Gedränge nach ihren Kleidern, und entflohen mit lautem
Geschrei. Die eine von ihnen, welche gefangne zurück blieb, begann bitterlich
ihre Eltern und ihre Heimat zu beweinen: Aber nichts konnte den Vogelsteller
bewegen, seine reizende Beute wieder fahren zu lassen. Er bemühte sich, durch
seine Aufmerksamkeit und Höflichkeit sein gewalttätiges Betragen zu
entschuldigen.

Durchdrungen von dem Gedanken der Gefangenschaft, welche
ihr bevorstand, und von dem Verlust ihrer Verwandten und Freunde, stieß sie die
zärtlichsten Bemühungen Asems und seiner Freundinnen zurück. Sie bewogen sie
jedoch endlich, sich in den Palast führen zu lassen, wo Asem sich zurückzog
und seine Angebetete dem Schutz der liebenswürdigen Herrin des Palastes
überließ, welche, mit Hilfe ihrer Schwester allmählich einen besänftigenden
Einfluss auf die junge Gefangene ausübte. Diese konnte bei der Zärtlichkeit,
welche man ihr bezeigte, nicht länger gleichgültig bleiben. Die
Liebenswürdigkeit und äußere Anmut Asems vollendeten, ihm ihre Zuneigung zu
gewinnen. Bald empfand sie für ihn die zärtlichste Liebe, und nach Verlauf
einiger Monate, war er der Gatte der schönen Prinzessin von den Fliegenden
Inseln. Prächtige Feste wurden zur Feier dieser Hochzeit angestellt, und die
freundliche Sorgfalt der beiden Schwestern erhöhte noch das Glück dieses
seligen Paares.

Indessen wurde die Glückseligkeit Asems manches mal durch
das Andenken an seine Mutter getrübt. Er konnte endlich dem Verlangen, sie
wieder zu sehen, nicht länger widerstehen, und bat seine Beschützerin um die
Erlaubnis sie verlassen und mit seiner Gattin in sein Geburtsland heimkehren zu
dürfen. Die Prinzessinnen, obwohl betrübt über diese Bitte, konnten jedoch
nicht umhin, seine kindliche Liebe zu bewundern, und bestimmten selbst den Tag
seiner Abreise.

Als die Stunde der Trennung gekommen war, schlugen die
Prinzessinnen auf eine Zaubertrommel, und in demselben Augenblick standen
mehrere Kamele, mit Geschenken aller Art beladen, vor den Toren des Palastes,
samt einem zahlreichen Gefolge von Sklaven, für Asem und seine Gemahlin. Er
ließ sie in eine zierliche und bequeme Sänfte steigen, und bestieg selber ein
reich aufgeschirrtes Kamel. Beim Abschied von seinen großmütigen
Wohltäterinnen vergoss er Tränen, und versprach, sie eines Tages wieder zu
besuchen.

Endlich reisten sie ab: Bei ihrer Ankunft an der Küste
fanden sie ein segelfertiges Schiff, und ein günstiger Wind brachte sie in
kurzer Zeit nach Balsora, wo Asem das Glück hatte, seine Mutter wieder zu finden.

Nichts vermöchte die Freude zu schildern, welche sie
empfand, als sie ihren geliebten und so lange verloren geglaubten Sohn
wieder sah. Sie umarmte mit Entzücken ihre Schweigertochter, die ihr von
bezaubernder Schönheit erschien; und ihre Hände gen Himmel streckend, dankte
sie Gott für die Glückseligkeit, welche er ihr in ihrem Alter aufbewahrt
hatte.

überschüttet von den Gaben der Liebe und des Glücks war
Asem damals einer der reichsten und glücklichsten Einwohner von Balsora. Zwei
liebliche Söhne machten seine Glückseligkeit vollkommen, und drei Jahre waren
schnell verflogen, seitdem er den Palast der beiden Schwestern verlassen hatte.

Endlich erinnerte er sich des ihnen gegebenen
Versprechens, sie zu besuchen, machte alle Anstalten zu seiner Reise, und
nachdem er seiner Gattin Lebewohl gesagt, gab er ihr Zaubergewand seiner Mutter
in Verwahrung, mit dem ausdrücklichen Befehl, nicht zuzulassen, dass sie es
anzöge, aus Furcht, dass etwa eine unwiderstehliche Anwandlung sie verleite,
nach ihrer Heimat zu fliegen, denn er hatte oft bemerkt, dass sie, obwohl sie
sich vollkommen glücklich bei ihm befand, dennoch Sehnsucht fühlte, die
ihrigen wieder zu sehen. Nachdem Asem von seiner Mutter alle erwünschten
Versprechungen erhalten hatte, reiste er unverzüglich ab.