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526. Nacht

Nach Abschluss dieses Handels wollte Rusbeh sich wieder
entfernen, aber der König fühlte sich von so inniger Zuneigung zu ihm
durchdrungen, dass er ihn bat, in seinem Palast zu bleiben und ihn nimmer ohne
seine Erlaubnis zu verlassen. Rusbeh trat also in die Dienste des Königs, der
ihm täglich neue Beweise seiner Gewogenheit gab.

So lebte er einige Zeit an dem Hof, als ein Krieg
ausbrach. Der König hielt diesen Krieg nicht für so wichtig, dass es seine
Gegenwart bei dem Heer erforderte. Er schickte seine Truppen ab, um den Angriff
des Nachbarn zurückzuschlagen, und blieb in seiner Hauptstadt, wo er mit Rusbeh
ergötzliche und vergnügliche Tage verlebte.

Eines Abends saß er mit ihm auf einer Terrasse beim
Trunke und berauschte sich dermaßen, dass er nicht imstande war, in den Palast
zurückzugehen, und die Nacht draußen zubringen musste. Er streckte sich also
hin und schlief ein. Als Rusbeh sah, dass niemand von der Leibwache des Fürsten
seinen Dienst zu versehen kam, so übernahm er selber dieses Amt, zog seinen
Säbel und blieb als Schildwacht die ganze Nacht bei ihm.

Am folgenden Morgen mit Anbruch des Tages erschienen die
Wachthabenden, und als sie einen Menschen mit gezücktem Säbel bei dem König
erblickten, stürzten sie über ihn her und entwaffneten ihn. Von dem Getöse
dieses Handgemenges erwachte der König und fragte nach der Ursache dieses
Lärmens, worauf die Wachthabenden antworteten, sie hätten ihm eben das Leben
gerettet, und wären sie einige Augenblicke später gekommen, so würde er von
Rusbeh ermordet worden sein.

In der Wut über diesen vorgeblichen Verrat hätte der
König auf der Stelle seinen Bruder verdammt, wenn in demselben Augenblicke
nicht die Muessims die Gläubigen zum Gebet gerufen hätten. Und kaum hatte der
König sein Gebet verrichtet, als eine Botschaft in aller Eile anlangte und
verkündigte, seine Gegenwart im Lager wäre unerlässlich und durchaus
notwendig, das königliche Banner wehen zu lassen, weil sich die Feinde
beträchtlich verstärkt hätten und die Anwesenheit des Königs allein den Sieg
sichern könnte.

Wie sehr nun auch Behrus den Schuldigen zu bestrafen
verlangte, so war die Aufforderung seines Heeres doch zu dringend, als dass er
seine Abreise hätte aufschieben können. Er bedachte, dass es unmöglich wäre,
sich in der kurzen Zeit, die er noch bleiben konnte, genügsam von der Wahrheit
des angeschuldigten Verbrechens zu überzeugen, und gab Befehl, den Rusbeh bis
zu seiner Rückkehr von dem Heer im Gefängnis zu bewahren.

Noch denselben Tag begab er sich auf den Weg. Seien
Ankunft machte die beste Wirkung auf die Truppen, welche ihn mit allen
möglichen Freudenbezeigungen empfingen. Gleich am folgenden Tag wurde ein
Schlacht geliefert und der Feind völlig geschlagen und zerstreut, so dass er
gezwungen war, um Frieden zu bitten.

Nach dieser glücklichen Abwehr des feindlichen Einfalls,
welcher sein Königreich bedrohte, zog der Fürst im Triumph wieder in seine
Hauptstadt ein, wo er sein bisheriges lustiges Leben fortsetzte: Darüber hatte
er schon Rusbeh, der im Gefängnis schmachtete, gänzlich vergessen.

Unterdessen waren der Vater und die Mutter dieses jungen
Mannes, als sie ihn nicht zurückkommen sahen und keine Nachricht mehr von ihm
empfingen, ein Raub der tödlichsten Unruhe. Sie beschlossen, einen getreuen
Boten mit einem Brief an die Handelsfreunde des Juweliers in der Stadt
abzuschicken, wo Rusbeh wohnen musste, und sie um einige Auskunft über sein
Schicksal zu ersuchen.

Der Bote machte sich sogleich auf den Weg, er begab sich
zu den Kaufleuten, an welche er empfohlen war, und zog die Erkundigungen ein,
welche ihm aufgetragen waren. Man berichtete ihm, dass Rusbeh anfangs sich des
höchsten Glücks erfreut hätte, aber nachmals, verfolgt von seinem
Missgeschick, in einen Abgrund von Unglück gestürzt wäre; und dabei erzählte
man ihm alle Umstände, welche den Fall des jungen Mannes begleitet hatten.