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525. Nacht

Nun traf es sich, dass denselben Tag der Juwelier, der
einen Sklaven brauchte, auf den Markt gegangen war, sich einen zu kaufen. Sobald
er Rusbeh erblickte, fühlte er sich durch eine besondere Regung zu ihm
hingezogen. Er handelte um ihn, und als man über den Preis einig geworden war,
bezahlte er ihn und führte ihn sogleich weg.

Als er mit ihm heimgekommen war, beeilte er sich, ihn
seiner Frau zu zeigen: Aber wie groß war sein Erstaunen, als er sie bei dessen
Anblick einen lauten Schrei ausstoßen und in Ohnmacht sinken sah. Sobald sie
wieder zu sich kam, drückte sie ihren Sohn an ihren Busen und sprach zu ihrem
Gatten: „O mein lieber Mann, der Himmel begnadigt uns augenblicklich, weil
er uns unsern Rusbeh wiedergibt: Der, den Du mir hier bringst, ist kein Sklave,
sondern Dein eigener Sohn.“

Bei diesen Worten fiel der Juwelier voller Freuden seinem
Sohn um den Hals und umarmte ihn bei aller väterlichen Herzlichkeit, dann
fragte er ihn, durch welchen glücklichen Zufall er dem fast gewissen Tod
entgangen wäre. Als Rusbeh ihnen hierauf seine Abenteuer erzählt hatte,
dankten sie Gott und fühlten in sich die Hoffnung wieder aufleben, dass sie
einst auch Behrus noch wiederfinden würden.

Der Juwelier beschäftigte sich nun damit, seine Kunst
auch seinen Sohn zu lehren, und in kurzer Zeit machte er ihn ebenso geschickt
darin, als er selber war. Er gab ihm alle nötigen Anweisungen zum Handel und zu
den Geschäften, welche dieses Gewerbe erfordert, so dass Rusbeh ein
vollkommener Kaufmann wurde.

Seine Handelsverbindungen dehnten sich so weit aus, dass
er den Vorsatz fasste, sich an die benachbarten Höfe zu begeben, um dort die
zahlreichen Kleinode zu verkaufen, mit welchen er Handel trieb. Er sprach also
eines Tages zu seinem Vater: „Ich habe viel von der Gerechtigkeit, der
Großmut und den ausgebreiteten Kenntnissen eines der benachbarten Könige
gehört. Man sagt, er nehme die Fremden mit großen Wohlwollen auf: Ich habe
Lust, nach seiner Hauptstadt zu reisen, um dort meine Kleinode zu verkaufen oder
gegen Waren seines Landes umzutauschen, welche uns hier in dem unsrigen
unfehlbar einen großen Gewinn abwerfen werden.“

„Mein Sohn,“ antwortete der Juwelier, „ich
willige gern in die Reise, welche Du zu unternehmen wünschst: Aber ich bitte
Dich, verlängere Deine Abwesenheit nicht zu sehr, denn Du weißt, wie
schmerzlich sie nicht allein für mich, sondern auch für Deine Mutter sein
wird.“

Auf diese Erlaubnis seines Vaters beschäftigte sich
Rusbeh gleich mit den Anstalten zu seiner Reise; und wenige Tage darauf begab er
sich nach der Hauptstadt des Königs, welchen er kennen zu lernen wünschte, und
der kein anderer als sein Bruder war.

Am Tag nach seiner Ankunft säumte er nicht, ihm
prächtige Geschenke zu übersenden und um Gehör zu bitten, welches er auch
sogleich erhielt. Als er vor dem König erschien, hatte die Gestalt der beiden
Brüder sich so verändert, dass sie sich nicht erkannten. Jedoch fühlten sie
sich durch eine zärtliche Neigung zueinander hingezogen. Der König empfing
Rusbeh auf die freundlichste Weise, und nachdem er ihn neben sich hatte
niedersitzen lassen, fragte er ihn welche Angelegenheiten ihn nach seiner
Hauptstadt geführt hätten. Der junge Kaufmann antwortete ihm, er wäre in der
Absicht gekommen, seinen Handel mit köstlichen Kleinoden zu treiben und
zugleich zeigte er ihm etliche davon vor. Der König fand sie so schön, dass er
sie alle für den von ihm geforderten Preis kaufte.