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507. Nacht

Folgendes war endlich der verruchte Anschlag, bei welchem
er stehen blieb. „Kamkar,“ sprach er bei sich selber, „wird mir
nimmer seine Tochter geben wollen, es gibt für mich also nur ein Mittel, sie zu
erlangen: sobald der König von der Jagd zurückkommt, will ich ihm die
Schönheit der Tochter seines Wesirs so anpreisen, dass er sie zur Gemahlin
begehren wird. Nach der Hochzeitfeier wird es mir nicht schwer fallen, durch
eine falsche Anklage der Untreue den König zu ihrer Verstoßung zu vermögen:
Er wird mir auftragen, sie umzubringen, und ich werde diese Wendung schon zu
meinem Vorteil und zur Ausführung meiner Absicht benutzen.“

Als der König zurück kam, befahl er Kardar, ihm von der
Verwaltung des Reichs während seiner Abwesenheit Rechenschaft abzulegen, und
ihm zu berichten, was sich unterdessen Wichtiges zugetragen hätte. Der Wesir
antwortete ihm: „Herr, all‘ Eure treuen Untertanen sind den Geboten Euer
Majestät gehorsam gewesen, und ich habe Euch nichts Wichtiges vorzutragen. Aber
ich habe in Eurer Abwesenheit etwas so reizendes und außerordentliches gesehen,
dass es die ganze Aufmerksamkeit Euer Majestät verdient. Nämlich eine
Schönheit, deren Augen den Glanz des Vollmondes haben, deren Wuchs so schlank
ist, wie eine Zypresse, deren Locken die Wohlgerüche Arabiens und den Moschus
der Tatarei ausduften. Ihre Zartheit erinnert an das furchtsame Rebhuhn, Ihr
Schmuck gleicht einem vollen Blumenbeet: Mit einem Wort, sie ist eine Göttin in
Menschengestalt, denn sie vermag auf gleiche Weise die Menschen und die Götter
zu besiegen.

Diese Worte Kardars erregten heftig die Begierde des
Königs, welcher sich dringend nach den Mitteln erkundigte, einen so reizenden
Gegenstand zu erlangen.

„Herr,“ antwortete der Wesir, „ihr braucht
nicht erst durch eine Gesandtschaft, noch durch reiche Geschenke um sie zu
werben: Ihr dürft nur Kamkar rufen lassen und ihm Eure Absicht kund tun, denn
die, von welcher ich Euch gesagt habe, ist seine Tochter.“

„Lass ihn auf der Stelle zu mir kommen,“ sprach
der König.

Kardar beeilte sich, seinen Genossen davon zu
benachrichtigen und dieser begab sich sogleich zu dem König, und drückte ihm
durch seine Gebärden all‘ die Ehrfurcht aus, womit er für ihn durchdrungen
war.

Der König ließ ihn neben sich nieder sitzen, und sprach
zu ihm: „Kamkar, ich habe vernommen, dass Du eine Tochter hast, die mit
unvergleichlicher Schönheit und allen erdenklichen guten Eigenschaften begabt
ist: Willst Du sie meinem Harem überlassen, so verspreche ich Dir die
schmeichelhaftesten und glänzendsten Belohnungen dafür: Ich will Dich mit
Ehren und Reichtümern überhäufen und über die mächtigsten Fürsten und
größten Herren meines Reichs erheben, denn ich will Deinen Händen meine ganze
Macht und Ansehen anvertrauen.“

„Herr,“ antwortete Kamkar, „der Antrag,
dessen Euer Majestät mich würdigt, ist zu glänzend und zu verführerisch, als
dass ich ihn nicht mit Vergnügen annehmen sollte. Wenn der Himmel mir hundert
Töchter geschenkt hätte, so würde ich mir es zum Vergnügen machen, sie euch
darzubieten. Ich bitte Euch gleichwohl, mir Zeit zu vergönnen, damit ich
diejenige, der ihr eine so hohe Ehre zugedacht habt, davon unterrichten und
alles zu der Feierlichkeit vorbereiten kann, welche den Gesetzen des Hofes
gemäß vollzogen werden muss.“

„Du hast Recht,“ sprach der König, „geh
ohne Zeitverlust hin, Deiner Tochter meine Absicht kund zu tun, und beendige
schleunig diese Angelegenheit.“