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494. Nacht

Ein Strauchdieb, der in der Gegend umherschweifte,
belauerte ihn, als er gerade mit dieser Arbeit beschäftigt war, und ging eilig
hin, seinen Gesellen diese Entdeckung mitzuteilen. Sie kamen mit gesamter Macht,
überwältigten den Wehrlosen, plünderten ihn ohne Erbarmen aus, und entflohen
mit ihrem Raub.

So unangenehm dieses Abenteuer war, doch tröstete sich
der Kaufmann noch mit den zwei Perlen, welche er sorgfältig im Mund behalten
und dadurch den Nachsuchungen der Räuber entzogen hatte. In der ersten Stadt,
welche er betrat, übergab er sie sogleich einem Ausrufer, mit dem Auftrag, sie
zum höchstmöglichen Preise zu verkaufen.

Aber unglücklicherweise waren gerade einem der Juweliere
dieser Stadt zehn, denen vom Kaufmann ausgebotenen ganz gleiche Perlen gestohlen
worden. Dieser Juwelier, welcher in denselben sein Eigentum zu erkennen wähnte,
wurde in solchem Verdacht noch mehr durch den Anblick der elenden Kleidung
bestärkt, welche den Verkäufer bedeckte. Um seine Zweifel aufzuklären, fragte
er ihn, ohne eine Absicht dabei merken zu lassen, was aus den acht anderen
Perlen geworden wäre. Der Kaufmann antwortete unbefangen, er hätte sie in sein
Kleid vernäht gehabt, aber Räuber hätten sie ihm genommen. Bei diesen Worten
war der Juwelier überzeugt, seinen Mann gefunden zu haben, ergriff ihn, und
schleppte ihn vor den Kadi.

„Herr,“ sprach er zu dem Richter, „ich
bringe euch hier den Dieb meiner Perlen. Hier sind zwei davon, welche er dem
Ausrufer zum öffentlichen Verkauf übergeben hat. Jetzt eben hat er mir
gestanden, dass man ihm die acht anderen geraubt hat.“

Der Polizeirichter, welcher die Rechtschaffenheit des
Juweliers kannte, ließ dem Kaufmann von Balsora ungeachtet aller Beteuerungen
und Erklärungen seiner Unschuld, die Bastonade geben, und warf ihn ins
Gefängnis, worin er ein ganzes Jahr lang blieb.

Eines Tages sah er in diesem so traurigen und langwierigen
Aufenthalt mehrere von den Fischern eintreten, welche ihn so edelmütig
unterstützt hatten, und jetzt aus Neugier die Gefängnisse der Stadt besuchten.
Sie waren sehr erstaunt, ihn an diesem Ort wieder zu finden: „Ei,
wie!“, sprachen sie zu ihm, „euch, dessen Glück wir in einem Augenblick
gemacht hatten, euch finden wir an diesem Ort ebenso elend wieder, als, da wir
euch zum ersten Male sahen?“

„Ach!“, antwortete ihnen der Kaufmann,“ wen
das Unglück verfolgt, der sieht stets die glücklichsten Veränderungen wieder
zu seinem Unglück ausschlagen. Ihr wolltet mein Glück machen: Aber gerade ihr
seid die Ursache, dass ich jetzt hier eingekerkert bin, ohne dass meine Klagen
gehört werden.“ Und hierauf erzählte er ihnen alle Umstände seines
traurigen Abenteuers.

„Tröstet euch,“ sagten zu ihm die Fischer,
„sobald wir von hier hinaus gehen, werden wir für euch auftreten und euch
Gerechtigkeit widerfahren lassen.“

Sie hielten Wort, und gleich aus dem Gefängnis gingen sie
zu dem König, brachten vor ihm die von dem Kaufmann erlittenen Unbilden an, und
erklärten ihm, wie derselbe das Opfer eines zufälligen Zusammentreffens von anklagenden
Umständen geworden wäre. Der König befahl sogleich, den Gefangenen in
Freiheit zu setzen, und zur Entschädigung für die Ungerechtigkeit der Menschen
und die Verfolgung des Schicksals, gab er ihm ein Jahrgehalt und eine Wohnung
nahe bei seinem Palast.