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493. Nacht

Voll Verzweiflung über den unglücklichen Erfolg dieser
Unternehmung bedachte der arme Kaufmann, dass ihm noch eine Hilfsquelle übrig
bliebe, welche er benutzen, und ungesäumt die Zeit wahrnehmen müsste: Er
verkaufte sein Haus, das er noch hatte, und schiffte sich samt einigen anderen
Gefährten ein, mit dem Entschluss, sein Glück auf dem Meer zu versuchen.

Er segelte also mit einem Schiff ab: Am dritten Tag der
Fahrt wurde der Wind widrig, der Himmel verdunkelte sich plötzlich, die Wogen
schwollen ungeheuer an, und das Schiff erlitt Schiffbruch. Die meisten Leute
darauf ertranken. Der Kaufmann indessen und einige seiner Reisegefährten
retteten sich auf einem Brett, und erreichten das feste Land. Nackt und schier
verschmachtend irrte er in einer Wüste umher. Schon war er mehrere Meilen
gegangen, als er in einiger Entfernung einen Menschen erblickte. Erfreut zu
sehen, dass das Land bewohnt war, und er Mittel finden würde, seinen quälenden
Hunger und Durst zu stillen, ging er auf ihn zu, und entdeckte bald darauf ein
wohl bevölkertes Dorf, von Bäumen umgeben und von lieblichen Bächen
bewässert.

Das Oberhaupt dieses Dorfes, welchen er zuerst erblickt
hatte, war ein gar großmütiger und reicher Mann, der in der Gegend ein sehr
angenehmes Landhaus hatte bauen lassen, wo er damals wohnte. Dieser Mann trug
dem armen Schiffbrüchigen an, bei ihm in Dienst zu treten, und bot ihm täglich
sechs Drachmen für die Aufsicht bei den Arbeiten, welche er auf seinem Landgut
vornehmen ließ. Der Kaufmann nahm it Freuden ein so edelmütiges Erbitten an.
Er wünschte alle Segnungen des Himmels auf das Haupt seines Wohltäters
hernieder, und trat auf der Stelle in Dienst. Er übernahm die mannigfaltige
Besorgung der Landwirtschaft, und vertrat bald seinen Herrn in allen Geschäften
des Hauses.

Alles ging ein Jahr lang gut, aber als die Zeit der Ernte
kam, und sie dem Eigentümer sollte überliefert werden, befürchtete der
Kaufmann, dass ihm sein Gehalt nicht bezahlt würde, und kam auf den Gedanken,
einen Teil des eingeernteten Getreides beiseite zu tun. um sich die
Entschädigung für seine Arbeit zu sichern. Er sonderte also eine gewisse
Anzahl Getreidesäcke ab, verbarg sie sorgfältig, und überlieferte das übrige
seinem Herrn. Dieser säumte nicht, ihm einen seinen Diensten angemessenen Teil
davon darzubieten, und versprach ihm für die Zukunft ebenso bereite Zahlung.
Der Kaufmann, welchen die gewissenhafte Handlungsweise seines Herrn, gegen den
er einen so niedrigen Verdacht gehabt hatte, mit Scham erfüllte, lehnte das ihm
Angebotene ab. Als er aber wieder nach dem Ort ging, wo er das Getreide
verborgen hatte, musste er zu seinem großen Herzensleid sehen, dass Räuber es
gestohlen hatten. Er konnte seinen Verdruss über diesen Verlust nicht
verbergen, und war genötigt, die Ursache seiner Betrübnis seinem Herrn zu
bekennen, welcher, erzürnt über dieses Betragen, ihm die lebhaftesten
Vorwürfe machte, und ihn aus seinem Haus jagte.

Der unglückliche Kaufmann von Balsora irrte abermals
umher, ohne zu wissen, was er anfangen sollte. Da begegnete er Leuten, welche
auf die Perlenfischerei gingen. Als diese ihn so betrübt sahen, erkundigten sie
sich nach der Ursache seines Kummers, und waren von seiner bejammernswürdigen
Lage so gerührt, dass sie ihm die Hälfte der ersten Ausbeute ihrer Fischerei,
zur Entschädigung für seine Unglücksfälle, versprachen.

Sie tauchten hinab, und waren so glücklich, zehn Muscheln
herauf zu bringen, deren jede zwei dicke Perlen enthielt. Sie hielten ihr
Versprechen, gaben ihm zehn davon, mit dem Rat, sie zu verkaufen, und das daraus
gelöste Geld zu benutzen. Der Kaufmann war wieder auf dem Gipfel der Freude. Er
nahm zwei Perlen in den Mund, und beschloss, die acht übrigen in sein Kleid zu
vernähen.