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474. Nacht

„Woher kommt dieses wunderbare Wasser, welches einen
so schönen Anblick gewährt? Wo ist die Quelle desselben? Und durch welche
Kunst hat man einen so außerordentlichen Springbrunnen daraus gemacht,
desgleichen es, wie ich glaube, nicht mehr in der Welt gibt? Ich will dieses
Wunder näher beschauen.“

Mit diesen Worten trat er näher. Die Prinzessin führte
ihn dann weiter nach der Stelle, wo der singende Baum gepflanzt war.

Indem der Sultan sich ihm nahte, hörte er ein Konzert,
desgleichen er noch nie gehört hatte, und suchte mit den Augen, wo es herkäme.
Da er niemand in der Nähe sah, jedoch das Konzert so deutlich hörte, dass er
davon bezaubert war, sprach er, indem er sich zu der Prinzessin Parisade wandte:

„Meine Schöne, wo sind denn die Musikanten, welche
ich höre? Sind sie unter der Erde? Oder sind sie unsichtbar in der Luft? Mit so
schönen und bezaubernden Stimmen würden sie nichts dabei wagen, sich sehen zu
lassen: Im Gegenteil, sie würden auch so Vergnügen machen.“

„Herr,“ antwortete die Prinzessin lächelnd,
„es sind nicht Musikanten, welche das Konzert machen, das ihr hier hört,
es ist der Baum, welchen Euer Majestät vor sich sieht, und wenn ihr euch noch
vier Schritte näher heran bemühen wollt, so werdet ihr nicht daran zweifeln,
und die Stimmen noch deutlicher hören.“

Der Sultan trat näher, und war von der süßen Harmonie
des Konzerts so bezaubert, dass er nicht müde werden konnte, es zu hören.
Endlich fiel es ihm ein, dass er auch das tanzende Wasser in der Nähe sehen
müsste. Er unterbrach also das Stillschweigen, und sprach zu der Prinzessin:

„Meine Schöne, sagt mir, ich bitte euch, befindet
sich dieser wunderbare Baum zufällig in eurem Garten? Oder ist es ein Geschenk,
welches man euch gemacht hat? Oder habt ihr ihn aus einem fernen Land kommen
lassen? Er muss sehr weit herkommen: Sonst würde ich, der ich so neugierig nach
Seltenheiten der Natur bin, davon reden gehört haben. Welchen Namen gebt ihr
ihm?“

„Herr,“ antwortete die Prinzessin, „dieser
Baum hat keinen anderen Namen, als „der singende Baum,“ und er wächst
nicht in diesem Land. Es wäre zu lang zu erzählen, durch welches Abenteuer er
sich hier befindet. Diese Geschichte hängt mit dem tanzenden Wasser und dem
sprechenden Vogel zusammen, welchen wir damit zugleich bekommen haben, und den
Euer Majestät auch sehen kann, nachdem ihr das tanzende Wasser so nahe als ihr
wünscht, beschaut habt. Wenn es euch genehm ist, so will ich euch die
Geschichte erzählen, nachdem ihr in Ruhe seid, und euch von den Anstrengungen
der Jagd erholt habt, welche ihr noch durch diesen mühevollen Gang in der
Sonnenhitze vermehrt.“

„Meine Schöne,“ fuhr der Sultan fort, „ich
fühle nicht die Mühe, von welcher ihr redet, so sehr ist die durch die
wunderbaren Dinge belohnt, welche ihr mich sehen lasst. Sagt vielmehr, dass ich
der Mühe vergesse, welche ich euch verursache. Drum, lasst uns eilen, und das
tanzende Wasser schauen. Ich brenne schon vor Verlangen, den sprechenden Vogel
zu sehen und zu bewundern.“

Als der Sultan an den Springbrunnen des tanzenden Wassers
kam, blieben seine Augen lange auf die Wassergarbe geheftet, welche
unaufhörlich in die Luft emporsteigt und wieder ins Becken sinkend, eine
wundervolle Wirkung machte.

„Nach eurer Rede, meine Schöne,“ sprach er,
stets zu der Prinzessin gewandt, „hat dieses Wasser keine Quelle, und kommt
nicht etwa durch unterirdische Röhren von einem Ort in der Gegend umher: Ich
begreife nur so viel, dass es ebenso wunderbar ist, wie der singende Baum.“