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460. Nacht

Bei dieser Beleidigung vergaß der Prinz Perwis aller
Warnungen des Derwisches, er legte die Hand an den Säbel, zückte ihn, und
drehte sich um, sich zu rächen: Aber kaum konnte er noch sehen, dass niemand
ihm folgte, als er schon in einen schwarzen Stein verwandelt wurde, er und sein
Pferd.

Seit der Abreise des Prinzen Perwis hatte die Prinzessin
Parisade keinen Tag versäumt, den von ihm empfangenen Rosenkranz an der Hand zu
tragen, und wenn sie nichts anderes zu tun hatte, ihn abzubeten, indem sie die
Perlen eine nach der andern durch die Finger laufen ließ. Sie hatte ihn diese
ganze Zeit hindurch sogar nicht des Nachts von sich gelassen. Jeden Abend, beim
Schlafengehen, hatte sie ihn sich um den Hals gelegt, und am Morgen gleich beim
Erwachen hatte sie mit der Hand danach gegriffen, um zu fühlen, ob die Perlen
noch immer daran beweglich wären. An dem Tag endlich, und in demselben
Augenblick, wo der Prinz Perwis dasselbe Schicksal hatte, wie der Prinz Bahman,
und in schwarzen Stein verwandelt wurde, indem sie, wie gewöhnlich, den
Rosenkranz in der Hand hielt und ihn betete, fühlte sie plötzlich, dass die
Perlen sich nicht mehr bewegen ließen, und zweifelte nicht, dass dieses ein
sicheres Zeichen von dem Tod des Prinzen, ihres Bruders, wäre.

Da sie auf diesen Fall schon ihren Entschluss gefasst
hatte, so verlor sie keine Zeit damit, ihren Schmerz äußerlich zu bezeigen.
Sie tat sich Gewalt an, um ihn ganz in sich selbst zurückzudrängen. Gleich am
folgenden Morgen, nachdem sie sich als Mann gekleidet, bewaffnet und gerüstet,
und ihren Leuten gesagt hatte, sie würde in wenigen Tagen wiederkommen, stieg
sie zu Ross und ritt hinweg, auf derselben Straße, welche die beiden Prinzen,
ihre Brüder, geritten waren.

Die Prinzessin Parisade, welche von ihren
Jagdbelustigungen des Reitens gewohnt war, ertrug die Beschwerden der Reise
leichter, als andere Frauen vermocht hätten. Nachdem sie dieselben Tagesreisen
gemacht hatte, wie die Prinzen, ihre Brüder, so traf sie auch am zwanzigsten
Tag den Derwisch. Als sie nahe bei ihm war, stieg sie ab, hielt ihr Ross am
Zügel, und setzte sich neben ihm nieder, und nachdem sie ihn begrüßt hatte,
sprach sie zu ihm:

„Guter Derwisch, ihr erlaubt wohl, dass ich mich
einige Augenblicke bei euch ausruhe, und habt wohl die Güte, mir zu sagen: Ob
ihr nicht davon gehört habt, dass hier in der Gegend umher ein Ort ist, wo sich
der sprechende Vogel, der singende Baum und das tanzende Wasser befinden?“

Der Derwisch antwortete:

„Edles Fräulein, weil, ungeachtet eurer Verkleidung,
eure Stimme mir euer Geschlecht verrät, und ich euch so nennen muss, ich danke
euch für euren Gruß und empfange mit Vergnügen die Ehre, welche ihr mir
erweist. Ich weiß den Ort, wo die von euch genannten Dinge sich befinden, aber
in welcher Absicht fragt ihr mich danach?“

„Guter Derwisch,“ fuhr die Prinzessin Parisade
fort, „man hat mir so viel davon gerühmt, dass ich vor Verlangen brenne,
sie zu besitzen.“

„Edles Fräulein,“ versetzte der Derwisch,
„man hat euch die Wahrheit gesagt: Ja, diese Dinge sind noch erstaunlicher
und wunderbarer, als man sie euch vorgestellt hat. Aber man hat euch die
Schwierigkeiten verschwiegen, welche zu übersteigen sind, um zu ihrem Genuss zu
gelangen. Ihr würdet euch nicht in eine so mühselige und gefährliche
Unternehmung eingelassen haben, wenn man euch recht davon unterrichtet hätte.
Folgt meinem Rat, und reitet nicht weiter, sondern kehrt wieder um, und erwartet
nicht, dass ich zu eurem Untergang beitragen werde.“

„Guter Vater,“ erwiderte die Prinzessin,
„ich komme von fern her, und es würde mir sehr leid tun, unverrichteter
Sache wieder heimzukehren. Ihr sprecht mir von großen Schwierigkeiten und
Lebensgefahren, aber ihr sagt mir nicht, welche die Schwierigkeiten sind, und
worin diese Gefahren bestehen: Dieses wünschte ich nun zu wissen, um zu
überlegen, ob ich in meinem Entschluss beharren, und meinem Mut und meinen
Kräften vertrauen soll, oder nicht.“