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449. Nacht

Sobald die Prinzen alt genug dazu waren, gab der Aufseher
der Gärten ihnen einen Lehrmeister im Lesen und Schreiben. Die Prinzessin, ihre
Schwester, welche bei ihren Lehrstunden zugegen war, bezeigte auch eine so
große Lust, lesen und schreiben zu lernen, obwohl sie jünger als ihre Brüder
war, dass ihr Pflegevater, voll Freuden über diesen Trieb, ihr denselben
Lehrmeister gab. Durch ihre Lebhaftigkeit zum Wetteifer gereizt, vermöge ihres
durchdringenden Geistes, wurde sie in kurzer Zeit ebenso geschickt, wie die
Prinzen, ihre Brüder.

Seitdem hatten die Brüder und die Schwester nur dieselben
Lehrmeister, in den schönen Künsten, in der Dichtkunst, in der
Erdbeschreibung, Geschichte und den andern Wissenschaften, und selbst in den
geheimen Wissenschaften. Da sie nirgends Schwierigkeiten fanden, machten sie
darin so bewunderungswürdige Fortschritte, dass die Lehrmeister darüber
erstaunten, und bald unverhohlen bekannte, die Kinder würden noch weiter darin
gelangen, als sie selber gekommen waren, wenn sie irgend darin fortführen. In
den Erholungsstunden lernte die Prinzessin auch die Tonkunst, singen und
verschiedene Instrumente spielen.

Als die Prinzen reiten lernten, wollte sie ihnen auch
diesen Vorzug nicht einräumen: Sie nahm an ihren übungen Teil, so das sie mit
derselben Geschicklichkeit reiten, mit dem Bogen schießen, und den Schaft oder
den Speer werfen konnte, und oft übertraf sie ihre Brüder im Wettlauf.

Der Aufseher der Gärten war auf dem Gipfel der Freude,
seine Pfleglinge so ausgebildet in allen Vollkommenheiten des Geistes und des
Leibes und den gemachten Aufwand für ihre Erziehung weit über seine Erwartung
hinaus belohnt zu sehen, und machte nun ihretwegen noch einen viel
ansehnlicheren Aufwand.

Bisher hatte er sich mit der Wohnung in dem Garten des
Palastes begnügt, und ohne ein Landhaus gelebt: Jetzt kaufte er eins, ganz in
der Nähe der Stadt, mit großem Zubehör von Ländereien, Wiesen und Gehölz.
Und da das Wohnhaus ihm weder schön noch bequem genug schien, so ließ er es
niederreißen, und sparte nichts, es zum prächtigsten der ganzen Umgegend zu
erheben. Er ging selber täglich hin, um durch seine Gegenwart die Menge von
Arbeitern, welche er dabei in Tätigkeit gesetzt hatte, anzutreiben. Sobald eine
Wohnung im Haus fertig war, zog er hinein, und blieb öfter mehrere Tage
hintereinander dort, so viel seine Geschäfte und Amtspflichten es ihm irgend
erlaubten. Durch diese Betriebsamkeit wurde endlich das Haus vollendet, und
während es eben so rasch eingerichtet, und mit dem reichsten, der Pracht des
Gebäudes entsprechenden Hausgerät versehen wurde, ließ er an dem Garten
arbeiten, nach der von ihm selber entworfenen Zeichnung, und in der Art, wie sie
bei den großen Herren von Persien gebräuchlich war. Er fügte daran einen Park
von weitem Umfang, welchen er mit einer guten Mauer einschließen ließ, und mit
allen Arten von Rotwild besetzte, damit die Prinzen und die Prinzessin sich nach
Gefallen mit der Jagd ergötzen könnten.

Als das Landhaus ganz vollendet und in wohnlichem Stande
war, ging der Aufseher der Gärten hin und warf sich dem Sultan zu Füßen.
Nachdem er ihm seine lange Dienstzeit und die Schwäche seines Alters
vorgestellt hatte, bat er ihn, zu erlauben, dass er sein Amt in die Hände
Seiner Majestät niederlegte und sich zurückzöge.

Der Sultan bewilligte ihm diese Gnade umso lieber, als er
mit seinen langen Diensten, sowohl unter der Regierung seines Vaters, als
seitdem er selber den Thron bestiegen hatte, sehr zufrieden war. Indem er sie
ihm gewährte, fragte er ihn, was er sonst noch zu seiner Belohnung tun könnte.