Project Description

438. Nacht

Die Fee Pari Banu war damals eben mit Nähen beschäftigt,
und da sie in ihrer Nähe mehrere Zwirnknäule liegen hatte, nahm sie eines
davon, überreichte es dem Prinzen Achmed und sagte:

„Zuerst nehmt dieses Knäuel. Ich werde euch bald den
Gebrauch anzeigen, den ihr davon machen könnt. Zweitens, lasst euch zwei Pferde
anschirren, eines um selber darauf zu reiten, das andere, um es neben euch her
als Handpferd zu führen, beladen mit einem in Vierteile zerhackten Hammel, der
heute noch geschlachtet werden muss. Drittens verseht euch mit einem Gefäß,
das ich euch werde geben lassen, damit ihr morgen dasselbe dort voll Wasser
schöpfen könnt. Ganz früh setzt euch dann zu Pferd, und führt das andere
Pferd am Zügel neben her, und sobald ihr aus der eisernen Tür hinaus seid, so
werft das Zwirnknäuel vor euch her. Dies wird dann anfangen zu rollen und so
immer fort rollen bis an das Tor des Schlosses. Folgt demselben bis dahin nach,
und wenn es stillstehen und das Tor sich öffnen wird, so werdet ihr die vier
Löwen erblicken. Die beiden wachenden werden durch ihr Gebrüll die beiden
andern schlafenden sogleich wecken. Fürchtet euch indessen nicht, sondern werft
einem jeden ein Hammelviertel hin, ohne vom Pferd abzusteigen. Ist dies
geschehen, so spornt ohne Zeitverlust euer Pferd, und reitet im gestreckten
Galopp zur Quelle hin, füllt dann euer Gefäß, ohne abzusteigen, und eilt dann
mit derselben Schnelligkeit wieder zu demselben zurück. Die Löwen werden da
noch mit Essen beschäftigt sein und euch einen freien Ausweg gestatten.“

Der Prinz Achmed reiste am folgenden Morgen um die Stunde,
welche die Fee Pari Banu ihm bestimmt hatte, ab und vollzog pünktlich, was sie
ihm vorgeschrieben hatte. Er kam an dem Tor des Schlosses an, verteilte die Hammelviertel
unter die vier Löwen, und nachdem er unerschrocken durch sie hindurch geritten
war, drang er bis zu der Quelle vor, und schöpfte da Wasser ein. Sowie er das
Gefäß gefüllt hatte, drehte er um und gelangte wohlbehalten und gesund wieder
aus dem Schloss hinaus. Als er etwas davon entfernt war, sah er sich um, und
erblickte zwei Löwen, die gerade auf ihn losrannten. Ohne zu erschrecken zog er
seinen Säbel und setzte sich zur Wehr. Doch da er unterwegs bemerkte, dass der
eine in einiger Entfernung seitwärts ablenkte, und mit Kopf und Schweif zu
verstehen gab, dass er nicht komme, um ihm etwas zu Leide zu tun, sondern bloß,
um vor ihm her zu laufen, und das der andere hinter ihm her folgen würde, so
steckte er seinen Säbel wieder ein, und setzte so seinen Weg bis nach der
Hauptstadt von Indien fort, wo er in Begleitung der beiden Löwen ankam, die ihn
nicht verließen, bis an die Tür des Palastes des Sultans. Dort ließen sie ihn
hineingehen, und kehrten sodann denselben Weg wieder zurück, den sie gekommen
waren, zum großen Entsetzen des Volkes und aller derer, die sie erblickten, die
sich entweder versteckt, oder rechts und links ab ihnen aus dem Weg flüchteten,
obwohl sie in gleichmäßigen Gang vorwärts schritten, ohne irgend ein Zeichen
von Wildheit von sich zu geben.

Mehrere Palastbeamte, welche sogleich erschienen, um dem
Prinzen Achmed vom Pferd herab zu helfen, begleiteten ihn bis an das Zimmer des
Sultans, wo dieser sich eben mit seinen Günstlingen unterhielt. Hier näherte
er sich dem Thron, setzte das Gefäß zu den Füßen des Sultans, küsste den
reichen Teppich, welcher die Stufen desselben bedeckte, stand dann wieder auf
und sagte: