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437. Nacht

Als der Sultan am Abend, wie gewöhnlich, seine Hofleute
um sich versammelt hatte, und der Prinz Achmed sich ebenfalls zugegen befand,
redete er diesen mit folgenden Worten an:

„Mein Sohn, ich habe dir schon gesagt, zu welchem
Dank ich mich wegen des Pavillons, den du mir verschafft hast, und den ich als
das kostbarste Stück meines Schatzes betrachte, dir verpflichtet fühle. Du
musst mir zu Liebe noch etwas anderes tun, das mir nicht minder angenehm sein
wird. Ich höre nämlich, dass deine Gemahlin, die Fee, sich eines gewissen
Wassers aus der Löwenquelle bedient, welches alle Arten von Fieber heilt. Da
ich nun vollkommen überzeugt bin, dass meine Gesundheit dir sehr teuer ist, so
rechne ich mit Gewissheit darauf, dass du von ihr ein Gefäß voll dergleichen
Wassers dir erbitten und mir es dann bringen wirst, als ein Universalmittel, das
ich jeden Augenblick bedürfen kann. Erzeige mir also auch noch diesen wichtigen
Dienst, und setze dadurch deiner kindlichen Liebe gegen mich die Krone
auf.“

Der Prinz Achmed, welcher geglaubt hatte, der Sultan, sein
Vater, werde sich mit dem Besitz eines so einzigen und brauchbaren Pavillons,
als er ihm soeben überbracht hatte, begnügen, und ihm nicht einen neuen
Auftrag aufbürden, der ihn bei der Fee Pari Banu in Ungunst setzen könnte, war
bei dieser zweiten Aufforderung, die an ihn gemacht wurde, ganz verwirrt,
ungeachtet die Fee ihn versichert hatte, sie werde ihm alles gewähren, was
irgend in ihrer Macht stände. Nach einem Stillschweigen von einigen
Augenblicken erwiderte er:

„Herr, ich bitte Euer Majestät versichert zu sein,
dass ich alles zu tun und zu unternehmen bereit bin, um euch alles zu
verschaffen, was irgend zur Verlängerung eures Lebens beitragen kann. Indessen
ich wünschte bloß, dass es ohne die Vermittlung meiner Gemahlin geschehen
könnte. Aus diesem Grund wage ich denn auch nicht, Euer Majestät zu
versprechen, dass ich dies Wasser bringen werde. Alles was ich tun kann, ist,
euch zu versichern, dass ich eine Bitte deshalb tun werde, obwohl mit demselben
Widerwillen, wie damals bei Gelegenheit des Pavillons.“

Als der Prinz Achmed den folgenden Tag zu der Fee Pari
Banu zurückgekehrt war, stattete er ihr einen aufrichtigen und treuen Bericht
von allem ab, was am Hof seines Vaters bei überreichung des Pavillons
vorgegangen war, den der Sultan mit vielem Dank gegen sie aufgenommen hatte, und
er unterließ nicht, ihr die neue Bitte, die er in seinem Namen ihr zu machen
beauftragt war, vorzutragen, und schloss mit den Worten:

„Meine Prinzessin, ich teile euch dies bloß als
einen einfachen Bericht über das mit, was zwischen meinem Vater und mir
vorgefallen. übrigens steht es ganz in eurem Belieben, seinen Wunsch zu
erfüllen oder nicht, ich werde mich gar nicht darin einmischen, sondern will
bloß das, was ihr wollt.“

„Nein, nein,“ erwiderte die Fee Pari Banu,
„es ist mir sehr lieb, dass der Sultan von Indien erfahre, dass ihr mir
nicht gleichgültig seid. Ich will seinen Wunsch befriedigen, und welche
Ratschläge ihm auch immer die Zauberin eingeben mag, denn ich sehe wohl, dass
er nur auf sie hört, wir wollen uns wenigstens nie von ihm auf eine Blöße
betreffen lassen. Es liegt in seiner diesmaligen Forderung etwas boshaftes, wie
ihr aus meinem Bericht bald ersehen werdet. Die Löwenquelle befindet sich
nämlich mitten in dem Hof eines großen Schlosses, dessen Eingang von vier
ungeheuren Löwen bewacht wird, wovon immer zwei abwechselnd schlafen, während
die andern wachen. Indessen das darf euch nicht in Schrecken setzen. Ich werde
euch ein Mittel an die Hand geben, vermöge dessen ihr ohne Gefahr mitten durch
sie hindurch gehen könnt.“