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436. Nacht

Als der Prinz Achmed hörte, dass die Fee Pari Banu einen
Pavillon holen ließ und zwar den größten Pavillon aus ihrem Schatz, so
glaubte er, dass sie seiner spotten wolle, und die Spuren seines Befremdens
verrieten sich in seinen Mienen und Gebärden. Pari Banu, die es bemerkte,
lachte laut auf und rief:

„Wie, Prinz, ihr glaubt also, dass ich eurer bloß
spotten wolle? Ihr werdet bald sehen, dass ich keine Spötterin bin.
Nurdschihan,“ sagte sie zu ihrer Schatzmeisterin, indem sie den Pavillon
aus den Händen des Prinzen nahm und ihn ihr wieder gab, „geh, und spanne
ihn aus, damit der Prinz abnehmen kann, ob sein Vater, der Sultan, ihn nicht so
groß finden wird, als er ihn verlangt hat.“

Die Schatzmeisterin ging aus dem Palast, und entfernte
sich so weit, dass beim Ausspannen das eine Ende desselben gerade bis an den
Palast reichte. Als sie dies nun getan, fand ihn der Prinz Achmed nicht nur
nicht zu klein, sondern so groß, dass zwei Heere, wenn sie auch ebenso
zahlreich wären als das des Sultans von Indien, darunter Platz gehabt hätten.

„Meine Prinzessin,“ sagte er jetzt zu Pari Banu,
„ich bitte euch tausend Mal um Verzeihung wegen meines Unglaubens. Nach
dem, was ich jetzt gesehen, glaube ich dass unter allem, was ihr irgend
unternehmen mögt, nichts ist, wobei ihr nicht zum Ziel zu kommen
vermöchtet.“

„Ihr seht,“ erwiderte die Fee, „dass der
Pavillon größer ist als nötig war. Jedoch ihr werdet bemerken, er hat die
Eigenschaft, dass er größer oder kleiner wird, je nach dem Maß dessen, was
darunter Platz finden soll, ohne dass man dabei irgend Hand anzulegen
braucht.“

Die Schatzmeisterin legte den Pavillon wieder zusammen,
brachte ihn in seine vorige Lage, und gab ihn dann in die Hände des Prinzen.
Der Prinz Achmed nahm ihn, und den folgenden Tag schon setzte er sich, ohne
länger zu zögern, zu Pferd und eilte in Begleitung seines gewöhnlichen
Gefolges von dannen, um ihn dem Sultan, seinem Vater zu überreichen.

Der Sultan, welcher geglaubt hatte, ein Pavillon, wie er
ihn verlangt hatte, könne gar nicht gefunden werden, war über die schnelle
Wiederkehr seines Sohnes nicht wenig erstaunt. Er empfing den Pavillon, und
nachdem er die Kleinheit desselben bewundert hatte, geriet er in Erstaunen,
wovon er sich kaum erholen konnte, als er ihn in der oben erwähnten Ebene
ausspannen ließ und sah, dass zwei Heere, so groß als das seinige, darunter
reichlich Platz hatten. Da er diesen Umstand leicht als etwas überflüssiges
hätte betrachten können, das beim Gebrauch sogar unbequem sein könnte, so
unterließ der Prinz Achmed nicht, ihn aufmerksam zu machen, dass diese Größe
sich stets der Stärke seines Heeres anpassen würde.

Dem äußern Schein nach bezeigte der Sultan von Indien
dem Prinzen seine Dankbarkeit, indem er ihn bat, der Fee Pari Banu in seinem
Namen dafür herzlich zu danken, und um ihm zu zeigen, wie hoch er es schätzte,
befahl er es in seiner Schatzkammer sorgfältig aufzuheben. Allein in seinem
Herzen fasste er darüber eine weit ärgere Eifersucht, als ihm seine
Schmeichler und die Zauberin zuvor eingeflößt hatten, indem er überlegte,
dass sein Sohn mit Hilfe der Fee Dinge ausführen könnte, die weit über die
Grenzen seiner eigenen Macht und seines Vermögens hinausgingen. Dadurch nur
noch mehr aufgereizt, alles aufzubieten, um ihn zu Grunde zu richten, fragte er
die Zauberin um Rat, und diese riet ihm, den Prinzen aufzufordern, dass er ihm
Wasser aus der Löwenquelle bringen solle.