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432. Nacht

Der Prinz Achmed hatte unterdessen seinen Weg nach
Samarkand genommen, und gleich am folgenden Tag nach seiner Ankunft hatte er es
wie seine beiden Brüder gemacht und war nach dem Besasthan gegangen. Kaum war
er hinein getreten, als ein Ausrufer in seine Nähe hintrat, mit einem künstlich
gemachten Apfel in der Hand, den er zu dem Preis von fünfunddreißig Beuteln
ausrief. Er hielt den Ausrufer an und sagte zu ihm:

„Zeigt mir diesen Apfel und sagt mir, welche so
außerordentliche Kraft oder Eigenschaft er wohl hat, dass ihr ihn zu einem so
hohen Preis ausbietet?“

Der Ausrufer gab ihm den Apfel in die Hand, damit er ihn
in Augenschein nehmen möchte, und sagte dann zu ihm:

„Herr, dieser Apfel, wenn man ihn bloß äußerlich
betrachtet, ist wirklich etwas sehr unbedeutendes, doch wenn man die
Eigenschaften und Kräfte desselben und den bewunderungswürdigen Gebrauch, den
man davon zum Wohl der Menschen machen kann, in Erwägung zieht, so muss man
sagen, dass er eigentlich unschätzbar ist, und dass derjenige, der ihn besitzt,
an ihm offenbar einen seltenen Schatz besitzt. In der Tat es gibt keinen
Kranken, er mag mit einer tödlichen Krankheit behaftet sein, mit welcher er nur
immer will, mit anhaltendem Fieber, mit rotem Friesel, Seitenstechen, Pest und
andern Krankheiten der Art, der nicht, und läge er auch schon im Sterben,
dadurch geheilt würde und seine Gesundheit so vollständig wieder erhielte, als
wäre er niemals krank gewesen, und das auf die leichteste Art von der Welt,
nämlich durch das bloße Reichen daran.“

„Wenn man euch glauben darf,“ erwiderte der
Prinz Achmed, „so ist das freilich ein Apfel von wunderbarer Kraft, ja man
kann sagen, er ist unschätzbar. Allein, wodurch kann denn ein rechtlicher Mann
wie ich, der ihn gern kaufen möchte, sich überzeugen, dass bei eurer
Lobpreisung des Apfels keine Verstellung oder übertreibung statt findet?“

„Herr,“ erwiderte der Ausrufer, „die Sache
ist in der ganzen Stadt Samarkand bekannt und bewährt, und ohne erst weit zu
gehen, könnt ihr ja alle hier versammelten Kaufleute befragen und zusehen, was
sie euch sagen werden, und ihr werdet darunter mehrere finden, die – wie sie es
selber euch versichern werden – heute nicht mehr am Leben sein würden, wenn sie
nicht dieses treffliche Mittel gebraucht hätten. Es ist die Frucht der Studien
und Nachtwachen eines sehr berühmten Philosophen dieser Stadt, der sich sein
ganzes Leben hindurch auf die Erforschung der Kräfte der Pflanzen und
Mineralien gelegt hatte und endlich auf den Punkt gelangt war, daraus diese
zusammengesetzte Masse zu bereiten, die ihr hier seht, wodurch er in dieser
Stadt so erstaunliche Kuren bewirkt hat, dass sein Andenken hier nie in
Vergessenheit kommen wird. Vor kurzem raffte ihn der Tod so plötzlich hin, dass
er selber nicht mehr so viel Zeit hatte, um von seinem Universalmittel Gebrauch
zu machen, und seine Witwe, welcher er nur ein sehr geringes Vermögen und eine
große Anzahl unerzogener Kinder hinterlassen, hat sich endlich entschlossen,
diesen Apfel verkaufen zu lassen, um sich und ihre Familie etwas bequemer
einrichten zu können.“

Während der Ausrufer ihn von den Eigenschaften des
künstlichen Apfels unterrichtete, blieben mehrere Personen stehen und umringten
sie. Die meisten bestätigten das Gute, das er von demselben sagte, und da einer
derselben anzeigte, er habe einen Freund, der so gefährlich krank sei, dass man
an seinem Aufkommen verzweifle, und dies sei folglich eine sehr bequeme
Gelegenheit, um einen Versuch damit zu machen, so nahm der Prinz Achmed das Wort
und sagte zu dem Ausrufer, er wolle ihm vierzig Beutel dafür geben, wenn der
Kranke durch das bloße Riechen daran geheilt würde.

Der Ausrufer, welcher Befehl hatte, ihn um diesen Preis zu
verkaufen, sagte zu dem Prinzen:

„Herr, wir wollen diesen Versuch machen, und der
Apfel ist somit euer, denn es ist gar kein Zweifel, dass er nicht diesmal ebenso
gut seine Wirkung tun sollte, als die früheren Male, wo man so oft Kranke, die
schon aufgegeben waren, durch ihn wieder von den Pforten des Todes
zurückrief.“