Project Description

428. Nacht

Der Prinz ging im Vertrauen auf die Redlichkeit des
Ausrufers auf diesen Vorschlag ein. Er schloss den Kauf unter der erwähnten
Bedingung ab, und trat mit Erlaubnis des Kaufmanns in den Hintergrund des
Ladens. Der Ausrufer breitete da den Teppich aus, beide setzten sich darauf, und
kaum hatte der Prinz den Wunsch, in das Zimmer seines Kans versetzt zu werden,
geäußert, so befanden sie sich auch schon dort, und zwar in derselben Lage. Da
er nun weiter keiner Versicherung für die Kraft des Teppichs mehr bedurfte, so
zahlte er dem Ausrufer die Summe von vierzig Beuteln in Gold aus, und fügte
noch für ihn insbesondere ein Geschenk von zwanzig Goldstücken hinzu.

So war denn nun der Prinz Hussain Besitzer des Teppichs
und hatte die Freude, gleich bei seiner Ankunft in Bisnagar ein so seltenes
Stück an sich gebracht zu haben, das, wie er nicht zweifelte, ihm den Besitz
der Prinzessin Nurunnihar verschaffen musste. In der Tat hielt er es für
unmöglich, dass seine beiden jüngeren Brüder etwas von ihrer Reise mitbringen
könnten, das mit demjenigen in Vergleich kommen könnte, was er so glücklicher
Weise hier angetroffen hatte. Er hätte jetzt, ohne sich länger in Bisnagar
aufzuhalten, sich durch das bloße Hinsetzen auf den Teppich nach dem
verabredeten Zusammenkunftsort hin versetzen können, allein er hätte dann zu
lange warten müssen, und darum beschloss er, da er ohnehin neugierig war, den
König von Bisnagar und seinen Hof zu sehen, und die Streitkräfte, Gesetze,
Sitten, die Religion und die Verfassung des Reichs kennen zu lernen, einige
Monate auf Befriedigung dieser Neugierde zu verwenden.

Der König von Bisnagar hatte zur Gewohnheit, wöchentlich
einmal den fremden Kaufleuten Zutritt zu seiner Person zu gestatten. Unter
dieser Benennung sah der Prinz Hussain, der durchaus nicht für einen Prinzen
gelten wollte, ihn mehrere Mal, und da der Prinz, der übrigens sehr
wohl gebildet von Person war, auch noch viel Verstand und Feinheit besaß,
wodurch er sich vor den übrigen Kaufleuten, die mit ihm vor dem König
erschienen, auszeichnete, so pflegte der König sich vorzugsweise immer an ihn
zu wenden, wenn er sich nach den Sultan von Indien und nach den Streitkräften,
den Reichtümern und der Verwaltung seines Reichs erkundigte.

Die übrigen Tage verwendete der Prinz dazu, um die
Merkwürdigkeiten der Stadt und Umgegend zu besehen. Unter andern sehenswerten
Dingen sah er auch einen Götzentempel, dessen Bau dadurch in seiner Art einzig
war, dass er ganz aus Bronze erbaut war. Seine Grundfläche betrug zehn Ellen
ins Gevierte, und seine Höhe fünfzehn Ellen. Die größte Schönheit darin war
ein Götzenbild in menschlicher Größe aus gediegenem Gold, dessen Augen zwei
Rubine waren, und zwar so künstlich angebracht, dass es allen, die es ansahen,
sie mochten nun auf einer Seite stehen, wie sie immer wollten, stets vorkam, als
richtete es die Augen auf sie. Dann sah er noch einen, der nicht minder
bewunderungswürdig war. Dieser war in einem Dorf. Es war da nämlich eine Ebene
von etwa zehn Morgen Land, die aus einem einzigen, köstlichen, mit Rosen und
andern anmutigen Blumen übersäten Garten bestand, und dieser ganze Raum war
mit einer kleinen Mauer von der Höhe eines Geländers umgeben, um zu
verhindern, dass kein Tier demselben zu nahe käme. Mitten in der Ebene erhob
sich eine Terrasse, die so künstlich mit ineinander gefügten Steinen
überkleidet war, das sie wie ein einziger großer Stein aussah. Der Tempel,
welcher mitten auf der Terrasse stand und eine Kuppelform hatte, war fünfzig
Ellen hoch, so dass man ihn von mehreren Orten ringsum sehen konnte. Seine
Länge betrug dreißig und seine Breite zwanzig Ellen. Der rote Marmor, woraus
er erbaut war, hatte eine außerordentliche Politur. Das Gewölbe der Kuppel war
mit drei Reihen sehr lebendiger und geschmackvoller Gemälde geschmückt, und
der ganze Tempel war durchaus mit so vielen andern Gemälden, halb erhobenem
Bildwerk und Götzenbildern angefüllt, dass es keinen Ort darin gab, der nicht
voll davon war.

Früh und Abends beging man in diesem Tempel
abergläubische Zeremonien, auf welche Spiele, Musik, Tanz, Gesang und Feste
folgten, und die Diener des Tempels so wie die Einwohner des Ortes leben bloß
von den Opfergaben, welche die zahlreichen Pilger von den entferntesten Gegenden
des Reichs dahin bringen, um ihre Gelübde zu erfüllen.