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420. Nacht

Als der Prinz Achmed den folgenden Tag vor seinem Vater,
dem Sultan, der sich eben mit seinen Günstlingen unterhielt, erschien, und
neben ihm Platz genommen hatte, ließ dieser sich durch seine Gegenwart nicht
abhalten, sein Gespräch über allerlei gleichgültige Gegenstände noch eine
Weile fortzusetzen. Hierauf nahm der Sultan das Wort, wendete sich zum Prinzen
Achmed und sagte zu ihm:

„Mein Sohn, als du erschienst und mich von der tiefen
Traurigkeit, worin mich deine lange Abwesenheit versenkt hatte, befreitest,
machtest du mir ein Geheimnis aus dem Ort, den du dir zum Aufenthalt gewählt
hattest, und in der ersten Freude, dich wieder zu sehen, und dich mit deinem
Schicksal zufrieden zu erblicken, wollte ich nicht weiter in dein Geheimnis
eindringen, sobald ich erfuhr, dass du es nicht gern habest. Ich weiß indessen
nicht, welchen Grund du haben magst, um so gegen deinen Vater zu handeln, der
damals, so wie jetzt, den größten Anteil an deinem Glück genommen haben
würde. Ich kenne jetzt dieses dein Glück, freue mich dessen und billige deine
Wahl, dass du eine Fee geheiratet, die so liebenswürdig, so reich und mächtig
ist, wie ich dies von guter Hand weiß. So mächtig ich bin, so würde es mir
doch nicht möglich gewesen sein, dir eine Gemahlin der Art zu verschaffen. In
dem hohen Rang, zu welchem du jetzt erhoben bist, und den dir jeder andere als
dein Vater beneiden könnte, bitte ich dich, dass du nicht bloß, wie du bisher
stets getan, mit mir fortwährend im guten Einverständnis bleiben, sondern auch
deinen ganzen Einfluss, den du bei deiner Fee haben magst, aufbieten mögest, um
mir in Fällen der Not ihren Beistand zu verschaffen, und du wirst mir erlauben,
dass ich diesen deinen Einfluss noch heute auf die Probe stelle. Du weißt, mit
welchen ungeheuren Kosten – um von den Schwierigkeiten zu schweigen – meine
Heerführer, Offiziere und ich selber, so oft ich in Kriegeszeiten ins Feld zu
ziehen genötigt bin, Pavillons und Zelte, so wie auch Kamele und andere
Lasttiere zu Fortbringung derselben, uns anschaffen müssen. Wenn du nun den
Gefallen, den du mir dadurch erweisen würdest, berücksichtigst, so weiß ich,
dass du ohne Schwierigkeit es bewirken wirst, dass deine Fee dir einen Pavillon
verschafft, der gerade in einer Hand Platz hat, und unter welchem dennoch mein
ganzes Heer Obdach finden kann, zumal wenn du ihr sagst, dass er für mich
bestimmt sei. Die Schwierigkeit der Sache wird dir gewiss keine abschlägige
Antwort zuziehen, es ist ja bekannt, welche macht die Feen haben, um selbst noch
weit außerordentlichere Dinge zu bewerkstelligen.“

Der Prinz Achmed hatte sich dessen gar nicht versehen,
dass der Sultan, sein Vater, von ihm eine Sache der Art verlangen würde, die
ihm gleich vornherein sehr schwierig, wo nicht gar unmöglich schien. In der
Tat, obwohl ihm die Macht der Geister und Feen nicht ganz unbekannt war, so
zweifelte er doch, dass diese sich so weit erstrecke, um ihm einen Pavillon der
Art zu verschaffen, wie verlangt wurde. überdies hatte er bisher von Pari Banu
noch nie etwas ähnliches verlangt, sondern er begnügte sich mit den Beweisen,
die sie ihm fortwährend von ihrer Liebe gab, und unterließ nichts, was sie
überzeugen konnte, dass er ihrer Neigung von ganzem Herzen entspreche, ohne
dabei irgend einen andern Zweck zu haben, als den, sich in ihrer Gunst zu
erhalten. Er war daher wegen der Antwort, die er jetzt geben sollte, in nicht
geringer Verlegenheit.

„Herr,“ erwiderte er endlich, „wenn ich
Euer Majestät aus dem, was mir nach Auffindung meines Pfeils begegnet ist und
welchen Entschluss ich damals gefasst, ein Geheimnis gemacht habe, so geschah es
bloß darum, weil ich glaubte, es könne euch an einer näheren Auskunft
darüber wenig liegen. Auf welchem Weg euch dies Geheimnis kund geworden ist,
weiß ich nicht. Indessen kann ich euch nicht verhehlen, dass der Bericht, den
man euch darüber abgestattet hat, vollkommen wahr ist. Ja, ich bin Gemahl der
Fee, von der man euch gesagt hat, ich liebe sie und bin überzeugt, dass sie
mich ebenfalls liebt. Doch was meine Einfluss bei ihr anbetrifft, wie Euer
Majestät anzunehmen scheint, so weiß ich davon nichts zu sagen. Ich habe
diesen nicht nur niemals versucht, sondern noch nicht einmal daran gedacht, ihn
zu versuchen, und ich hätte wohl gewünscht, dass Euer Majestät mir diesen
Versuch erlassen und mich im Besitz des Glücks zu lieben und geliebt zu werden
gelassen hätte, und zwar in jener Anspruchslosigkeit und Uneigennützigkeit,
die ich mir zum Gesetz gemacht hatte. Indessen der Wunsch eines Vaters ist
Befehl für einen Sohn, der wie ich sich es zur Pflicht macht, in allen Stücken
zu gehorchen. Obwohl höchst ungern und nur mit unbeschreiblichem Widerwillen,
werde ich dennoch nicht unterlassen, meiner Gemahlin die bitte, die Euer
Majestät verlangt, vorzutragen, aber ich kann euch nicht versprechen, dass sie
mir wirklich erfüllt werden wird, und sollte ich daher aufhören, vor euch zu
erscheinen, und euch meine Ehrerbietung zu beweisen, so wird dies ein Zeichen
sein, dass ich nichts ausgerichtet habe, und ich bitte daher im voraus, dass ihr
mir es dann verzeihen und erwägen mögt, dass ihr mich selber in die
Notwendigkeit versetzt habt.“

Der Sultan von Indien antwortete dem Prinzen:

„Mein Sohn, es würde mir sehr leid tun, wenn mein
gegenwärtiges Verlangen mich jemals des Vergnügens, dich zu sehen, berauben
sollte. Ich sehe schon, dass du die Gewalt nicht kennst, die ein Mann über
seine Frau hat. Die deinige würde beweisen, dass sie dich wenig liebe, wenn sie
bei der Macht, die sie als Fee hat, dir eine so geringfügige Sache abschlagen
wollte, als die ist, um die ich sie durch dich bitten lasse. Lass deine
Furchtsamkeit fahren. Sie rührt bloß daher, dass du glaubst, sie liebe dich
nicht so sehr, als du sie liebst. Geh, bitte sie nur, und du wirst sehen, dass
die Fee dich weit mehr liebt, als du es glaubst, und bedenke zugleich, dass,
wenn man nicht bittet, man sich größer Vorteile beraubt. Bedenke, dass, so wie
du aus Liebe zu ihr gewiss ihr nichts abschlagen würdest, um was sie dich
bäte, sie gewiss ebenso wenig dir deine Bitte abschlagen wird, weil sie dich
liebt.“