Project Description

276. Nacht

Mit diesen Worten gab Abdallah dem König Beder zwei
Kuchen in die Hand, und hieß ihn sie bewahren, um folgenden Gebrauch davon zu
machen: „Ihr habt mir gesagt,“ fuhr er fort, „dass die Zauberin
diese Nacht einen Kuchen gebacken hat: Es geschah, um euch davon essen zu
lassen, zweifelt nicht daran, aber hütet euch wohl, ihn zu kosten. Unterlasst
zwar nicht, es anzunehmen, wenn sie euch etwas davon darbietet, aber anstatt es
in den Mund zu stecken, esst dafür einen von den beiden Kuchen, die ich euch
gebe, ohne dass sie es gewahre. Wenn sie nun glaubt, dass ihr von dem ihrigen
gegessen habt, so wird sie nicht ermangeln, euch in irgend ein Tier verwandeln
zu wollen. Es wird ihr nicht gelingen, und nun zur Belustigung getan, und euch
einen kleinen Schreck hätte einjagen wollen, obschon sie sich in der Seele
darüber ärgern und sich einbilden wird, sie habe bei der Zubereitung des
Kuchens etwas versehen. Hierauf macht ihr mit dem andern Kuchen ein Geschenk,
und dringt in sie davon zu essen. Sie wird davon essen, und wäre es auch nur,
um euch zu zeigen, dass sie euch nicht misstraue, nachdem sie euch Anlass zum
Misstrauen gegen sie gegeben hat. Sobald sie davon gegessen, so nehmt ein wenig
Wasser in die hohle Hand, und indem ihr es ihr ins Gesicht spritzt, sprecht zu
ihr:

„Verlass diese Gestalt, und nimm die Gestalt dieses
oder jenes Tieres (welches ihr wollt) an!“

Kommt dann mit dem Tier hierher, und ich werde euch sagen,
was ihr weiter tun müsst.“

Der König Beder bezeugte dem alten Abdallah in den
lebhaftesten Ausdrücken, wie sehr er ihm dafür verbunden wäre, dass er es
sich so angelegen sein ließe, eine so gefährliche Zauberin an der Ausübung
ihrer Bosheit gegen ihn zu verhindern. Nachdem er sich noch einige Zeit mit ihm
unterredet hatte, verließ er ihn, und kehrte nach dem Palast zurück.

Bei seiner Ankunft vernahm er, dass die Zauberin ihn im
Garten mit großer Ungeduld erwartete. Er ging hin, sie aufzusuchen, und die
Königin Labe hatte ihn nicht sobald bemerkt, als sie mit großer Hast auf ihn
zukam.

„Lieber Beder,“ sprach sie zu ihm, „mit
großem Recht sagt man, dass nichts besser die Stärke und das übermaß der
Liebe erkennen lässt, als die Entfernung des geliebten Gegenstandes. Ich habe
keine Ruhe gehabt, seitdem ich euch aus den Augen verloren, und es dünken mich
Jahre zu sein, dass ich euch nicht gesehen habe. Wärt ihr nur noch ein wenig
länger ausgeblieben, so wäre ich selber gekommen, euch aufzusuchen.“

„Herrin,“ erwiderte der König Beder, „ich
kann Euer Majestät versichern, dass ich nicht weniger Ungeduld empfunden habe,
wieder bei euch zu sein. Aber ich habe einem Onkel, den ich liebe, und der mich
so lange nicht gesehen hat, eine kurze Unterhaltung nicht versagen können. Er
wollte mich noch länger aufhalten, aber ich habe mich seiner Zärtlichkeit
entrissen, um dahin zu eilen, wohin die Liebe mich rief. Von dem Mahl, welches
er mir bereitet, habe ich mich mit einem Kuchen begnügt, welchen ich euch
mitbringe.“

Der König Beder, welcher einen der beiden Kuchen in ein
sehr sauberes Tuch gewickelt hatte, zog ihn hervor, und bot ihn dar mit den
Worten:

„Da ist er, Herrin, ich bitte euch, ihn freundlich
anzunehmen.“

„Ich nehme ihn herzlich gern an,“ versetzte die
Königin, indem sie ihn nahm, „und ich werde euch zu Liebe davon essen,
aber zuvor verlange ich, dass ihr mir zu Liebe auch von diesem hier esst, den
ich während eurer Abwesenheit gebacken habe.“

„Schöne Königin,“ sagte hierauf der König
Beder, indem er ihn ehrerbietig annahm, „solche Hände, wie die Euer
Majestät, können nur Vortreffliches machen, und ihr erweist mir eine Gnade,
wofür ich euch meine Dankbarkeit nicht genug bezeugen kann.“

Der König Beder vertauschte geschickt den Kuchen der
Königin mit dem, welchen der alte Abdallah ihm gegeben hatte, brach ein Stück
davon ab, und steckte es in den Mund. „Ah, Herrin,“ rief er aus, indem
er es aß, „ich habe niemals etwas Köstlicheres gegessen!“

Da sie nahe bei einem Springbrunnen waren, und die
Zauberin bemerkte, dass er den Bissen verschluckt hatte, und eben noch einen
essen wollte, so schöpfte sie mit der hohlen Wasser aus dem Becken, und
spritzte es ihm ins Gesicht mit den Worten:

„Elender, verlass diese Menschengestalt, und nimm die
Gestalt einer einäugigen und hinkenden Schindmähre an!“