Zweites Kapitel.

Zweites Kapitel.

Die Stateninsel.

Die Stateninsel – auch Statenland genannt – liegt am äußersten südöstlichen Ende des Neuen Kontinents. Sie bildet das letzte und östlichste Stück Land der magellanischen Inselgruppe, die von den Erschütterungen der plutonischen Epoche in der Nähe des fünfundfünfzigsten Breitengrades, kaum sieben Grade vom antarktischen Polarkreise, launenhaft verstreut wurde. Gebadet von dem Wasser der beiden Ozeane, wird sie zuweilen von den Schiffen aufgesucht, die aus dem einen nach dem andern steuern, ob diese nun, nach Umseglung des Kaps Horn, von Nordosten oder von Südwesten hierherkommen.

Die im 17. Jahrhundert von dem holländischen Seefahrer Le Maire entdeckte gleichnamige Meerenge trennt die Stateninsel von dem fünfundzwanzig bis dreißig Kilometer entfernten Feuerlande. Diese Wasserstraße bietet den Schiffen einen kürzern und mehr gesicherten Weg, da sie damit dem mächtigen Wogenschwalle aus dem Wege gehen, der immer an die Küste der Stateninsel donnert. Diese begrenzt sie im Westen etwa in der Länge von zehn Seemeilen (ungefähr 19 Kilometer) vom Kap Sankt-Anton bis zum Kap Kempe und Dampf- oder Segelschiffe sind hier weniger gefährdet, als wenn sie im Norden der Insel vorüberführen.

Die Stateninsel mißt fünfunddreißig Seemeilen (etwa 65 Kilometer) von Westen nach Osten, vom Kap Sankt-Barthelemy bis zum Kap Sankt-Johann, und in der Breite elf Seemeilen (20½ Kilometer) zwischen den Kaps Colnett und Webster.

Die Küste der Insel ist ungemein zerrissen. Sie besteht aus einer Reihe von Golfen, Baien und Buchten, zu denen der Zugang nicht selten durch eine Kette von Eilanden und Klippen erschwert, manchmal gesperrt ist. Wie viele Schiffbrüche haben sich auch schon ereignet an diesen unwirtlichen Küstenstrecken, die hier von fast lotrechten Steilufern begleitet, dort von ungeheuern Felsen umschlossen sind, an denen das Meer selbst bei ruhigem Wetter mit unbeschreiblicher Gewalt anbrandet.

Die Insel war unbewohnt, doch vielleicht nicht ganz unbewohnbar, wenigstens in der schönen Jahreszeit, d. h. in den vier Monaten November, Dezember, Januar und Februar, die in dieser hohen Breite der südlichen Hemisphäre den Sommer bilden. Tierherden hätten gewiß hinreichende Nahrung gefunden auf den weiten Ebenen des Innern, vorzüglich in der Gegend östlich vom Parry-Hafen zwischen der Conwayspitze und dem Kap Webster. Sobald die dicke Schneedecke von den Strahlen der antarktischen Sonne geschmolzen ist, sprießen Gras und Kräuter üppig grün aus dem Boden, der bis zum Winter seine heilsame Feuchtigkeit bewahrt. Wiederkäuer, die in den magellanischen Gebieten akklimatisiert sind, würden hier jedenfalls gut gedeihen. Mit dem Eintritt des Frostes wäre es freilich nötig, die Tiere nach etwas mildern Gegenden zu schaffen, die sich in Patagonien, ja vereinzelt auch schon im Feuerlande finden.

Übrigens leben hier in wildem Zustande einige Trupps Guanakos, eine Lamaart von sehr zäher, widerstandsfähiger Natur, deren Fleisch, gebraten oder geröstet, recht gut mundet. Wenn diese Tiere in der langen Winterszeit nicht Hungers sterben, liegt das daran, daß sie unter dem Schnee das Moos und die Wurzeln zu finden wissen, womit ihr Magen sich in dieser Fastenzeit begnügen muß.

In der Mitte der Insel dehnen sich da und dort ziemlich große Ebenen aus, einige Gehölze spreizen ihr dürftiges Geäst aus und tragen leicht abfallendes, mehr gelbliches als grünes Laub. Meist enthalten sie antarktische Buchen, deren Stämme zuweilen sechzig Fuß Höhe erreichen und deren Äste wagerecht hinausstehen, ferner Sauerdorngebüsche, die jeder Wetterunbill trotzen, und Winterrinden, die ähnliche Eigenschaften haben wie der echte Zimt.

Die erwähnten Ebenen und Gehölze nehmen freilich nur den vierten Teil der Oberfläche der Stateninsel ein. Das Übrige besteht aus felsigen Hochebenen, vorherrschend aus Quarz, aus tiefen Schlünden, langen Reihen erratischer Blöcke, die sich infolge lange zurückliegender vulkanischer Umwälzungen abgelöst hatten. Heutzutage würde man in diesem Teil der Tierra del Fuego oder des Feuerlandes vergeblich nach Kratern erloschener Vulkane suchen. Nach dem Mittelpunkt der Insel hin nehmen die ausgedehnten Ebenen das Aussehen von Steppen an, wenn eine Bodenerhebung die sie bedeckende tiefe Schneeschicht unterbricht. Je weiter man dann nach Westen kommt, desto vielgestaltiger zeigt sich das Relief der Insel, desto höher und steiler erheben sich die felsigen Uferwände. Hier streben zahlreiche Gipfel empor, Spitzberge, die bis dreitausend Fuß über die Meeresfläche hinausreichen und von denen der Blick das ganze Gebiet der Insel umfassen könnte. Es sind das die letzten Glieder der wunderbaren Andenkette, die vom Norden bis zum Süden das Rückgrat des Neuen Kontinents bildet.

Natürlich beschränkt sich unter so ungünstigen klimatischen Verhältnissen mit ihren rauhen Winden und verheerenden Stürmen die Pflanzenwelt der Insel auf sehr wenige Arten, die wiederum kaum wo anders als in der Nachbarschaft der Magellanstraße oder auf der hundert Seemeilen von der Küste des Feuerlandes entfernten Inselgruppe der Maluinen gedeihen. Es sind Pantoffelblumen, Bohnenbäume, Pimpinellen, Traspen, Ehrenpreis und eine Stipaart (Pfriemengras), bei denen allen sich der Farbstoff nur sehr wenig entwickelt. Unter dem Laubdach der Bäume und zwischen den Grashalmen der Wiesen leuchten die Blütenköpfe der blassen Blumen hervor, die sich fast schon wieder schließen, wenn sie sich kaum entfaltet haben. Am Fuße der Uferfelsen und an ihren mit ein wenig Humus bedeckten Abhängen könnte der Naturforscher noch einige Moose finden, und unter dem Schutze der Bäume einzelne eßbare Wurzeln, z. B. die einer Azalee, deren sich die Pescherähs an Stelle des Brotes bedienen, die aber nur wenig nahrhaft sind.

Einen richtigen Wasserlauf würde man auf der Stateninsel vergeblich suchen. Aus dem steinigen Erdboden brechen keine, einen Fluß bildende Bäche hervor. Dagegen häuft sich der Schnee darauf zu einer mächtigen Schicht an, die acht Monate im Jahre unverändert erhalten bleibt, und in der warmen – richtiger in der weniger kalten – Jahreszeit schmilzt sie langsam unter den schrägen Strahlen der Sonne und verleiht dem Boden eine andauernde Feuchtigkeit. Dann bilden sich da und dort kleine Lachen oder Teiche, deren Wasser sich bis zum Wiedereintritt des Frostes hält. So kam es, daß zu der Zeit, wo unsre Erzählung beginnt, Wasserströme von den Anhöhen in der Nähe des Leuchtturmes herunterrieselten, die sich nach wiederholtem Aufschlagen in dem kleinen Landeinschnitt der Elgorbucht verloren oder dem Hafen Sankt-Johann zuflossen.

Ist nun die Fauna und Flora der Insel nur sehr dürftig entwickelt, so wimmelt es an ihrem Ufer geradezu von Fischen. Trotz der ernsten Gefahren, die ihren Fahrzeugen beim Passieren der Le Mairestraße drohen, kommen doch die Feuerländer öfters hierher, wo sie ergiebige Fischzüge machen. Fische gibt es hier mancherlei: Schellfische, Dorsche, Stinte, Schmerlen, Boniten, Goldbrachsen, Meergrundeln und Meeräschen. Auch die Hochseefischerei könnte wohl zahlreiche Fahrzeuge hierherlocken, denn Celaceer, Wal- und Pottfische, Seehunde und Walrosse, tummeln sich, wenigstens in der schönern Jahreszeit, gerne in den hiesigen Gewässern. Diesen Seebewohnern ist mit solcher Rücksichtslosigkeit nachgestellt worden, daß sie sich jetzt in die antarktischen Meere geflüchtet haben, wo die Schiffahrt ebenso gefährlich wie beschwerlich ist.

Es erscheint nur natürlich, daß sich am ganzen Umfange der Insel, wo flacher Strand, Einbuchtungen und Felsenbänke einander folgen, Schneckenarten und Muscheltiere, zweischalige und andre, in erstaunlicher Menge vorfinden; vorzüglich gibt es darunter Miesmuscheln, Austern, Schüsselschnecken, Fissarellen und Trompeterschnecken, die zu vielen Tausenden an den Klippen und Uferfelsen nisten.

Was die Vogelwelt betrifft, ist diese ungemein zahlreich vertreten, unter andern durch schwanenweiße Albatrosse, Becaninos, Regentaucher, Strandläufer, Meerlerchen, sowie durch gewöhnliche und durch die lärmenden Raubmöven.

Aus dieser Beschreibung der Stateninsel darf man aber keineswegs den Schluß ziehen, daß das Stückchen Land die Begehrlichkeit Chiles oder der Argentinischen Republik erweckt hätte. Im ganzen ist sie doch weiter nichts, als ein fast unbewohnbarer Felsblock. Wem gehörte sie nun zu Beginn unsrer Erzählung?… Das kann man nur dahin beantworten, daß sie einen Bestandteil des Magellanischen Archipels bildete, der damals zwischen den beiden Republiken am Südende des amerikanischen Festlandes noch nicht geteilt war. [Fußnote] In der schönen Jahreszeit kommen die Fuegier oder Pescherähs zuweilen hierher, wenn sie wegen schweren Wetters Schutz suchen müssen. Von den Handelsschiffen ziehen es die meisten vor, in die Magellanstraße einzulaufen, die auf den Seekarten mit peinlichster Genauigkeit eingezeichnet ist und der sie ohne Gefahr folgen können, ob sie nun von Westen oder von Osten kommen, um – dank den Fortschritten der Dampfschiffahrt – schnell von dem einen Ozean nach dem andern zu gelangen. Nur die Fahrzeuge, die das Kap Horn entweder umschifft haben oder es umschiffen wollen, kommen in Sicht der Stateninsel.

Es verdient gewiß Anerkennung, daß die Republik Argentina die glückliche Initiative ergriffen hatte, jenen Leuchtturm am Ende der Welt zu errichten, und dafür sind ihr alle Nationen Dank schuldig. Vorher glänzte kein Feuer in den Gewässern von Magellansland, vom westlichen Eingange der Magellanstraße, vom Kap der Jungfrauen am Atlantischen Ozean, bis zu ihrem Ausgange beim Kap Pilar am Stillen Ozeane. Der Leuchtturm der Stateninsel mußte der Schiffahrt in diesen gefährlichen Meeresteilen unschätzbare Dienste leisten. Es gibt nicht einmal ein Leuchtfeuer am Kap Horn, und ein solches hätte doch viele schwere Unfälle verhüten können, indem es den aus dem Großen (Stillen) Ozean heransegelnden Schiffen größere Sicherheit zum Einlaufen in die Le Mairestraße geboten hätte.

Die argentinische Regierung hatte sich also zur Erbauung des neuen Leuchtturmes im Hintergrunde der Elgorbucht entschlossen, und nach einjähriger, glücklich vollendeter Arbeit war dieser am 9. Dezember 1859 in Betrieb genommen worden.

Hundertfünfzig Meter landeinwärts von dem kleinen Einschnitt, der das innere Ende der Bucht bildete, lag eine Bodenerhebung von vier- bis fünfhundert Quadratmetern Oberfläche und etwa dreißig bis vierzig Metern Höhe. Eine Mauer aus trocknem Gestein umschloß diesen Raum, diese Felsenterrasse, die dem Leuchtturm als Untergrund dienen sollte.

Der Turm erhob sich in der Mitte der Nebenbauten, eines Wohnhauses und der Schuppen oder Niederlagen.

Die Nebengebäude enthielten: 1. das Schlafzimmer der Wärter mit Betten, Schränken, Tischen und Stühlen, sowie mit einem Ofen, dessen Rohr den Rauch über das Dach hinausführte, 2. ein gemeinschaftliches Zimmer, ebenfalls ausgestattet mit einer soliden Heizvorrichtung, in der Hauptsache zum Eßzimmer bestimmt, mit einem Tisch in der Mitte, an der Decke hängenden Lampen und eingemauerten Schränken mit verschiednen Instrumenten, wie Fernrohren, Barometer und Thermometer, und dazu mit Lampen, die bestimmt waren, die der Laterne bei deren zufälligem Unbrauchbarwerden zu ersetzen. Endlich befand sich an der Seitenmauer noch eine Pendeluhr mit Gewichten. 3. Die Magazine mit dem Proviant, der für ein Jahr berechnet war, obwohl eine neue Sendung von solchem mit jeder Ablösung, also immer nach drei Monaten, erfolgen sollte.

Die Vorräte bestanden aus den verschiedensten Konserven, aus Salzfleisch, Corned-beef, Speck, Dörrgemüsen. Schiffszwieback, Tee, Kaffee, Zucker, nebst mehreren Tönnchen Whisky und Branntwein, und den für den Hausgebrauch unentbehrlichsten Arzneimitteln.

4. Den Ölvorrat für die Lampen der Leuchtturmlaterne. Das Magazin mit einer hinreichenden Menge Heizmaterial für die Bedürfnisse der Wärter und ausreichend für einen ganzen antarktischen Winter.

Das war also der Gesamtbestand der Baulichkeiten, die sich, kreisförmig angeordnet, auf dem Hofraum erhoben.

Der Turm war außerordentlich fest und nur aus Baumaterial von der Insel selbst errichtet. Die sehr harten und durch eiserne Anker verbundenen Steine waren sehr sorgfältig bearbeitet und einer dem andern mit einer Art Schwalbenschwanz eingefügt; so bildeten sie eine Wand, die auch heftigen Stürmen, ja den schrecklichsten Orkanen widerstehen mußte, die hier an der weltfernen Grenzscheide der beiden größten Ozeane der Erde oft mit unbeschreiblicher Gewalt auftreten. Wie Vasquez gesagt hatte: Diesem Turme wird kein Unwetter etwas anhaben können. Er würde als Feuerwarte hinausleuchten, bedient von ihm und seinen Kameraden, und sie würden dafür gut Sorge tragen, trotz aller magellanischen Stürme und Wetter.

Der Turm maß in der Höhe zweiunddreißig Meter und rechnete man dazu noch die Erhebung des Baugrundes, so befand sich das Feuer zweihundertdreiundzwanzig Fuß über der Meeresfläche. Es hätte danach vom Meere aus schon aus der Entfernung von fünfzehn Meilen, der Strecke, bis zu deren Ende der Sehkreis von einer solchen Höhe aus reicht, bemerkbar sein müssen. Tatsächlich betrug seine Leuchtweite aber nur zehn Seemeilen.

Jener Zeit war noch keine Rede von Leuchttürmen mit karburiertem Wasserstoffgas oder mit elektrischem Lichte. Übrigens erschien es für diese entlegne Insel, bei ihrer beschwerlichen Verbindung selbst mit den nächstgelegnen Ländern, doppelt angezeigt, sich an das einfachste Beleuchtungssystem zu halten, das die wenigsten Reparaturen zu verlangen versprach. Man hatte sich hier deshalb für einfache Öllampen entschieden, diese aber mit allen Verbesserungen ausgestattet, die Wissenschaft und Technik damals an die Hand gaben.

Im ganzen erschien die Sichtbarkeit auf zehn Seemeilen auch völlig genügend. Den von Nordosten, Osten oder Südwesten kommenden Schiffen blieb dabei allemal noch hinreichende Seeräumte übrig, den richtigen Kurs nach der Le Mairestraße einzuschlagen oder den Weg im Süden um die Insel einzuhalten. Alle Gefahren blieben ausgeschlossen, wenn die auf Veranlassung des Ober-Seeamtes veröffentlichten Vorschriften genau befolgt wurden, dahingehend, daß man im letzten Falle den Leuchtturm im Nordnordwesten, in den beiden ersten Fällen im Südsüdwesten liegen ließ. An der Sankt-Johannspitze und am Kap Several oder Fallows hatte man so vorüberzusegeln, daß man dieses an Backbord, jenes an Steuerbord behielt, und so mußte beizeiten gesteuert werden, um sich von Wind und Strömung nicht nach der Küste verschlagen zu lassen. In den sehr seltenen Fällen, wo ein Schiff sich genötigt sah, in die Elgorbucht einzulaufen, mußte es den Weg in diese leicht genug finden, wenn es sich nur von dem Leuchtturme leiten ließ. Bei ihrer Rückkehr konnte die ›Santa-Fé‹ also ohne Schwierigkeiten, selbst in der Nacht, in dem kleinen Landeinschnitte vor Anker gehen. Da die Bucht bis zum äußersten Punkte des Kaps Sankt-Johann etwa drei Seemeilen lang war, die Sichtbarkeitsgrenze des Feuers aber in zehn Meilen Entfernung lag, hatte der Aviso immer noch sieben Meilen vor sich, ehe er die Küste der Insel erreichte.

Früher waren die Leuchttürme mit parabolischen Spiegeln ausgerüstet, die den schweren Nachteil hatten, mindestens die Hälfte des erzeugten Lichtes zu verschlucken. Der Fortschritt sprach aber auch hier sein Machtwort, wie bei allen andern Dingen. Man benutzte von da an dioptrische Spiegel, die das Licht der Lampen nur wenig schwächen.

Natürlich hatte der Leuchtturm am Ende der Welt ein sogenanntes festes (d. h. nicht irgendwie veränderliches) Feuer. Es war ja nicht zu befürchten, daß der Kapitän eines Schiffes es mit einem andern verwechseln könnte, weil es in dieser Gegend, auch wie erwähnt am Kap Horn, kein solches gab. Man hatte also nicht nötig, das Feuer zu »differenzieren« (von andern unterscheidbar zu machen), weder durch Verstärkung und Abschwächung seiner Leuchtkraft, noch durch deren Unterbrechung, so daß es nur zeitweilig oder nur blitzartig aufleuchtete, und das ersparte die Benützung eines oft sehr empfindlichen Mechanismus, der auf der nur von drei Wärtern bewohnten Insel schwerlich zu reparieren gewesen wäre.

Die Laterne war also mit Lampen für doppelte Luftzuführung und mit kreisförmigen, einander mit geringem Zwischenraume umschließenden Dochten ausgestattet. Die Flamme, die, obwohl sie nicht sehr groß war, doch einen ungemein hellen Schein verbreitete, konnte überdies fast genau in den Brennpunkt der Linsen gebracht werden. Das Öl floß ihr in reichlicher Menge und in ähnlicher Weise wie in den Carcel- oder den genannten Moderateurlampen zu. Was den dioptrischen Apparat im Innern der Laterne betraf, so bestand dieser aus staffelförmig angeordneten, im Durchschnitt dreiseitigen Linsenkreisen mit einer größeren Linse von gewöhnlicher Form in der Mitte, die also von einer Reihe mäßig dicker Ringe umgeben war, welche mit ihr zusammen denselben Brennpunkt hatten. Auf diese Weise wurde das zylindrische Bündel einander paralleler Strahlen, das die Linsen erzeugten, unter den besten Bedingungen der Sichtbarkeit nach außen geworfen. Da der Kapitän des Avisos die Insel bei klarem Wetter verließ, konnte er sich überzeugen, daß die Einrichtung und die Leistungsfähigkeit des neuen Leuchtturmes nichts zu wünschen übrig ließ.

Es liegt auf der Hand, daß die gute Lichtwirkung zum großen Teil von der Aufmerksamkeit und der Sorgfalt der Wärter abhing. Wurden die Lampen immer tadellos in stand gehalten, die Dochte rechtzeitig und sorgsam erneuert, die Zuführung des Öles in der gewünschten Menge überwacht, der Luftzug durch Verlängerung oder Verkürzung der die Flammen umgebenden Zylinder nach Bedarf geregelt, und wurde das Feuer endlich stets pünktlich mit dem Untergange der Sonne angezündet und mit deren Aufgange gelöscht, so war dieser Leuchtturm berufen, der Schiffahrt in den entlegnen Teilen des Atlantischen Ozeans die schätzbarsten Dienste zu leisten.

Der gute Wille und der Pflichteifer des Oberwärters Vasquez und seiner beiden Kameraden war übrigens gar nicht in Zweifel zu ziehen. Nach strenger Auswahl unter einer großen Zahl von Bewerbern, hatten ja alle drei in ihren frühern Stellungen genügende Beweise für ihre Zuverlässigkeit, ihren Mut und ihre Ausdauer geliefert.

Hierbei braucht wohl gar nicht besonders betont zu werden, daß die Sicherheit der drei Wärter völlig gewährleistet war, so vereinzelt die Stateninsel auch im Meere lag und sie fünfzehnhundert Seemeilen von Buenos-Ayres trennten, woher ihnen allein Proviant und sonstige Hilfe kommen konnte. Die wenigen Fuegier oder Pescherähs, die in der schönen Jahreszeit zuweilen hierher kamen, hielten sich niemals lange auf, und diese armen Teufel sind obendrein ganz harmloser Natur. Nach Beendigung ihres Fischzuges beeilten sie sich allemal, durch die Le Mairestraße zurückzufahren und die Küste des Feuerlandes oder eine Insel des dazu gehörigen Archipels zu erreichen. Andre Fremdlinge waren hier so gut wie noch niemals aufgetaucht. Die Küsten der Insel waren bei den Seefahrern viel zu sehr gefürchtet, als daß ein Schiff nur den Versuch gemacht hätte, hier eine Zuflucht zu finden, die es sichrer und leichter an verschiednen Punkten von Feuerland gefunden hätte.

Dennoch hatte man keine Vorsichtsmaßregeln versäumt für den Fall, daß in der Elgorbucht verdächtiges Gesindel auftauchen sollte. Die Nebengebäude waren mit festen, von innen zu verriegelnden Türen abgeschlossen, und durch die stark vergitterten Fenster der Magazine und des Wohnhauses hätte niemand eindringen können. Außerdem verfügten Vasquez, Moriz und Felipe über Gewehre und Revolver, und an Munition fehlte es ihnen auch nicht.

Am Ende des Ganges, wo dieser sich am Fuße des Turmes anschloß, war noch eine eiserne Tür angebracht, die keiner hätte zertrümmern oder eindrücken können. Und wie wäre es dann anders möglich gewesen, in den Turm einzudringen, als höchstens durch die kleinen Lichtpforten der Treppe, die wieder durch feste Eisenkreuze gesichert waren. Die Galerie des Turmes hätte einer nur erreichen können, wenn er an dem Drahtseile des Blitzableiters hinaufkletterte.

Das waren also die wichtigen Arbeiten und Einrichtungen, die auf Betrieb der Regierung der Republik Argentina auf der Stateninsel unternommen und zu einem guten Abschluß geführt worden waren.

Drittes Kapitel.

Drittes Kapitel.

Die drei Wärter.

In der jetzigen Zeit des Jahres, vom November bis zum März, ist die Schiffahrt auf den Meeren des Magellanslandes am lebhaftesten. Mildert auch nichts die mächtige Dünung, die hier aus beiden Ozeanen heranrollt, so hält sich doch die Atmosphäre mehr im Gleichgewicht, und nur schnell vorübergehende Stürme wühlen sie zuweilen bis in die höchsten Schichten auf. In dieser Periode freundlicherer Witterung wagen es Dampfer und Segelschiffe eher, das Kap Horn am südlichen Ausläufer der Neuen Welt zu umschiffen.

Das Vorüberkommen von Fahrzeugen, ob auf dem Wege durch die Le Mairestraße oder im Süden der Stateninsel, genügte freilich nicht, die Eintönigkeit der langen Tage dieser Jahreszeit vergessen zu lassen. Dazu sind es der Schiffe zu wenige und ihre Zahl hat noch weiter abgenommen, seitdem die Entwicklung der Dampfschiffahrt und die Verbesserung der Seekarten die an und für sich kürzere und bequemere Fahrt durch die Magellansstraße noch gefahrloser gemacht haben.

Die von dem Leben auf den Leuchttürmen allemal untrennbare Eintönigkeit wird jedoch von den zu ihrem Dienste fast auferzogenen Wärtern nicht so schwer empfunden. Meist sind es ja alte Matrosen oder frühere Fischer und schon deshalb keine Leute, die ungeduldig die Tage und die Stunden zählen, sondern die sich immer zu beschäftigen und zu zerstreuen wissen. Ihr Dienst beschränkt sich übrigens nicht darauf, für die Unterhaltung des Lichtes vom Untergange bis zum Aufgange der Sonne zu sorgen. Vasquez und seinen Kameraden war auch aufgetragen worden, die Umgebung der Elgorbucht im Auge zu behalten, sich wöchentlich mehrmals nach dem Kap Sankt-Johann zu begeben und die Küste bis zur Severalspitze zu besichtigen, ohne sich dabei aber weiter als drei bis vier Seemeilen zu entfernen. Ferner hatten sie das »Leuchtturm-Tagebuch« zu führen und darin alle irgendwie bemerkenswerten Vorkommnisse aufzuzeichnen, wie die Passage von Segel- und von Dampfschiffen, deren Nationalität und – wenn die betreffenden Signalflaggen erkennbar waren – deren Heimathafen und Namen. Außerdem waren die Richtung und Stärke des Windes, der Witterungscharakter, die Dauer der Niederschläge, die Häufigkeit der Gewitterstürme, der höchste und der tiefste Tagesstand des Barometers, die Lufttemperatur gewisser Stunden, kurz, in dazu vorgesehene Tabellen alle Erscheinungen einzutragen, die für die Ausarbeitung einer meteorologischen Übersichtskarte dieser Gegend irgendwie von Bedeutung waren.

Vasquez, ebenso wie Felipe und Moriz, ein Argentinier von Geburt, hatte die Obliegenheiten eines Oberwärters des Stateninsel-Leuchtturms zu erfüllen. Er war jetzt siebenundvierzig Jahre alt, kräftig, von unerschütterlicher Gesundheit und nie versagender Ausdauer, wie sich’s einem Seebären geziemt, der wiederholt über den größeren Teil der hundertachtzig Breitengrade hinweggefahren war. Rasch von Entschluß und tatkräftig in der Ausführung, sowie vertraut mit Gefahren aller Art, hatte er sich unter Umständen, die, wie man sagt, ihm an Kopf und Kragen zu gehen drohten, immer aus der Schlinge zu ziehen verstanden. Doch nicht nur seinem reifern Alter hatte er seine Wahl zum Vorgesetzten des Wärterpersonales zu danken, sondern auch seinem ausgeglichenen, festen Charakter, der auf den ersten Blick Vertrauen einflößte. Ohne in seiner frühern Stellung einen höhern Grad als den eines Oberbootsmannes der Kriegsflotte der Republik erreicht zu haben, hatte er doch den Dienst hochgeachtet von allen quittiert, und als er sich um die neuzuschaffende Stelle auf der Stateninsel bewarb, hatte die Regierung nicht gezögert, sie ihm zu übertragen.

Felipe und Moriz waren ebenfalls zwei »befahrene« Seeleute, der eine vierzig, der andre siebenunddreißig Jahre alt. Vasquez kannte ihre Familien schon lange und er hatte sie der Regierung für den Posten hier in Vorschlag gebracht. Der erste war, wie er selbst, noch Junggeselle. Von den Dreien war nur Moriz, doch kinderlos, verheiratet, und seine Frau, die er nach drei Monaten wiedersehen sollte, diente inzwischen bei einer Zimmervermieterin im Hafen von Buenos-Ayres.

Nach Verlauf der drei Monate sollten sich Vasquez, Felipe und Moriz wieder auf der ›Santa-Fé‹ einschiffen, die dann drei andre Wärter nach der Stateninsel brachte, welche sie nach weitern drei Monaten wieder ablösen sollten.

Ihren Dienst würden sie dann für die Monate Juni, Juli und August, das heißt im tiefsten Winter, aufs neue auszuüben haben. Während sie nun in ihrer ersten Dienstperiode nicht besonders von Witterungsunbilden zu leiden gehabt haben würden, erwartete sie nach ihrer Rückkehr nach der Insel ein desto beschwerlicheres Leben, eine Aussicht, die trotzdem nicht geeignet war, ihnen eine Beunruhigung einzuflößen. Vasquez und seine Kameraden hatten sich dann ja schon ziemlich an das hiesige Klima gewöhnt und sie vertrugen voraussichtlich ungestraft die bitterste Kälte, die tollsten Stürme und überhaupt die schlimmste Unbill des antarktischen Winters.

Von diesem Tage, dem 10. Dezember an, begann nun der regelmäßig geordnete Wachdienst. Jede Nacht leuchteten die Lampen unter Obhut eines im Turmzimmer weilenden Wärters, während die beiden andern im Wohnhause der Ruhe pflegten. Am Tage wurden dann die verschiednen Apparate besichtigt, gesäubert, die Lampen wenn nötig mit neuen Dochten versehen und in den Stand gebracht, von Sonnenuntergang an ihre mächtigen Strahlen zu entsenden.

Von Zeit zu Zeit begaben sich, je nachdem der regelmäßige Dienst es zuließ, Vasquez und seine Kameraden längs der Elgorbucht bis ans Meer hinaus, entweder zu Fuß auf dem einen oder dem andern Ufer oder in dem den Wärtern zur Benützung überlassenen Boote, einer halbgedeckten Schaluppe mit einem Maste und einem Klüverbaume, die in einem kleinen Einschnitte lag, wo sie nichts zu fürchten hatte, da sie gegen die hier einzig gefährlichen Ostwinde durch hohe, steile Uferwände geschützt war.

Wenn Vasquez, Felipe und Moriz einen solchen Ausflug unternahmen, blieb selbstverständlich allemal einer von ihnen auf der obern Galerie des Leuchtturmes als Wachtposten zurück. Es war ja jederzeit möglich, daß ein Schiff in Sicht der Insel vorüberkam und seine Nummer im allgemeinen Schiffsregister angeben wollte, und schon deshalb war es notwendig, daß einer der Wärter stets Umschau hielt. Vom Hofe aus übersah man das Meer nur nach Osten und Nordosten. Nach den andern Seiten hemmten höhere Uferwände den Blick schon einige hundert Toisen jenseits der Einfriedigung; daher die Notwendigkeit, fortwährend auf der Turmgalerie oder in dem Zimmer unter der Laterne bei der Hand zu sein, um sich mit den Schiffen draußen in Verbindung setzen und verständigen zu können.

In den ersten Tagen nach der Abfahrt des Avisos ereignete sich nichts Bemerkenswertes. Das Wetter blieb schön und die Luftwärme verhältnismäßig hoch. Das Thermometer zeigte zuweilen zehn Grad Celsius. Der Wind wehte vom Meere her, zwischen Auf- und Untergang der Sonne meist als leichte Brise, schlug gegen Abend aber zum Landwind, d. h. zu einem Nordwest um, der von der weiten Ebene Patagoniens und des Feuerlandes herkam. Dann und wann gab es auch einige Stunden Regen, und da die Wärme weiter zunahm, waren für die nächste Zeit Gewitter und damit ein Umschlag der atmosphärischen Verhältnisse zu erwarten.

Unter der Einwirkung der Sonnenstrahlen, die sich auch hier lebenerweckend erwiesen, begann die Pflanzenwelt in bescheidnem Maße aufzublühen. Von ihrem weißen Wintermantel vollständig befreit, bedeckte sich die Prärie rings um die Einfriedigung mit blassem Grün. Ja in dem Gehölz antarktischer Buchen hätte man gemächlich unter dem jungen Laubdache ruhen können. Der reichlich genährte Bach floß, bis zum Uferrande gefüllt, laut plätschernd in die Bucht. Moose und Flechten keimten am Fuße der Bäume auf und tapezierten die Wände der Felsen im Verein mit dem bei skorbutischen Erkrankungen so heilsamen Löffelkraut. Kurz, wenn es jetzt hier nicht Frühling war – dieses hübsche Wort hat im Magellanslande kein Bürgerrecht – so war es wenigstens Sommer, der noch für einige Wochen am äußersten Ende des amerikanischen Festlandes herrschte.

Am Nachmittage und noch vor dem Zeitpunkte, wo das Licht des Turmes angezündet werden mußte, saßen Vasquez, Felipe und Moriz beieinander auf dem kleinen Balkon, der die Laterne ringförmig umschloß. Sie »spannen ein Garn«, wie sie es gewöhnt waren, und natürlich trug der Oberwärter meist die Kosten der Unterhaltung.

»Na, Kameraden, begann er, nachdem er seine Pfeife sorgsam gestopft hatte – welchem Beispiele die beiden andern getreulich folgten – na, sagt einmal, dieses neue Leben… findet ihr euch schon einigermaßen damit ab?

– Ei gewiß, Vasquez, antwortete Felipe. In der kurzen Zeit bis jetzt kann man sich ja nicht schon gelangweilt oder ermüdet fühlen.

– Natürlich nicht, stimmte Moriz ein, unsre drei Monate werden wohl schneller verstreichen, als ich es je geglaubt hätte.

– Ja, Kamerad, sie werden dahingehen wie eine Korvette, die bei gutem Winde alle Leinwand aufgesteckt hat.

– Da du von einem Schiffe sprichst, fuhr Felipe fort… heute haben wir kein einziges gesehen, nicht einmal draußen am Horizonte.

– Das wird noch kommen, Felipe, wird schon noch kommen, antwortete Vasquez, der dabei seine zusammengebogene Hand gleich einem Fernrohre vor die Augen hielt. Es lohnte sich doch wahrlich nicht der Mühe, auf der Stateninsel einen so schönen Leuchtturm erbaut zu haben, einen Turm, der seine Strahlen zehn Seemeilen weit hinaussendet, wenn kein Schiff davon Vorteil haben sollte.

– Übrigens ist unser Leuchtturm noch ganz neu, bemerkte Moriz.

– Freilich, freilich, alter Junge, erwiderte Vasquez, es wird noch einige Zeit vergehen, bis alle Kapitäne erfahren haben, daß diese Küstenstrecke jetzt ein Licht hat. Wissen sie das einmal, dann werden sie schon näher an dieser vorbeifahren, um in die Meerenge einzulaufen, da sie damit ja an Weg sparen und manche Gefahren vermeiden. Es ist aber nicht genug, zu wissen, daß jetzt hier ein Leuchtturm steht, sie müssen sich auch darauf verlassen können, daß er allemal vom Untergange bis zum Aufgange der Sonne seinen Lichtschein ausstrahlt.

– Nun, sagte Felipe, das wird ja nach der Rückkehr der ›Santa-Fé‹ nach Buenos-Ayres bald allgemein bekannt sein.

– Richtig, Kamerad, erklärte Vasquez; sobald der Kommandant Lafayate seinen Bericht abgestattet hat, wird das Seeamt sich beeilen, die Kreise der Seefahrer davon zu unterrichten. Übrigens müssen auch schon jetzt viele Schiffer Kenntnis von dem erhalten haben, was hier unten entstanden ist.

– Was unsre ›Santa-Fé‹ betrifft, begann Moriz, die doch erst vor fünf Tagen abgefahren ist, so dauert deren Heimreise…

– Meiner Ansicht nach, unterbrach ihn Vasquez, voraussichtlich eine Woche. Das Wetter ist ja schön, das Meer ruhig und es weht ein für den Aviso günstiger Wind. Er hat den Tag und Nacht vom offenen Meere her in den Segeln, und nimmt er dann noch seine Maschine zu Hilfe, so sollt‘ es mich doch wundern, wenn er nicht seine neun bis zehn Knoten liefe.

– Augenblicklich, sagte Felipe, muß er an der Magellanstraße vorbei und über das Kap der Jungfrauen wenigstens schon fünfzehn Meilen hinaus sein.

– Gewiß, Kamerad, bestätigte Vasquez. Jetzt segelt er längs der Küste Patagoniens hin, und den Pferden der Patagonier ist er an Schnelligkeit überlegen. Doch der Himmel weiß, wie da zu Lande Menschen und Tiere fast laufen können wie die beste Fregatte vor gutem Winde!«

Es liegt wohl auf der Hand, daß die Erinnerung an die ›Santa-Fé‹ den wackern Leuten noch frisch vor Augen schwebte; war es doch wie ein Stückchen Heimatland, das sie eben verlassen hatte, um dahin zurückzukehren, und in Gedanken folgten sie dem Schiffe bis zum Ziele seiner Fahrt.

»Hast du denn heute mit Erfolg gefischt? nahm Vasquez, sich an Felipe wendend, wieder das Wort.

– Das will ich meinen, Vasquez. Mit der Angel hab ich ein paar Dutzend Meergrundeln gefangen, und mit der Hand einen reichlich dreipfündigen Taschenkrebs, der zwischen den Steinen am Ufer umherkroch.

– Gut gemacht, antwortete Vasquez, du brauchst auch nicht zu befürchten, die Bucht zu entvölkern. Je mehr Fische man wegfängt, so sagt man ja, desto mehr drängen sich herbei, und das wird uns gestatten, unsre Vorräte an trocknem Fleisch und geräuchertem Speck zu schonen. Was die Gemüse angeht…

– O, fiel da Moriz ein, ich bin draußen bis zum Buchenwalde gewesen, wo ich mehrere Wurzeln ausgehoben habe. Wie ich’s dem Oberkoch vom Aviso, der sich darauf versteht, abgesehen habe, werd ich‘ euch eine gut schmeckende Schüssel davon bereiten.

– Die uns sehr willkommen sein wird, erklärte Vasquez, denn von Konserven, und wären es die besten, soll man nie zu viel genießen. Die ersetzen doch niemals, was frisch erlegt, frisch geangelt und frisch eingesammelt ist.

– Ei, rief Felipe, wenn uns noch aus dem Innern der Insel ein paar Wiederkäuer zuliefen, vielleicht ein Guanakopärchen oder andre…

– Ich sage nicht, daß ein Lendenbraten oder ein saftiges Stückchen Keule vom Guanako zu verachten wäre, antwortete Vasquez, mit der Zunge schnalzend. Für ein leckeres Stückchen Wild hat sich der Magen allemal pflichtschuldigst zu bedanken. Wenn sich davon etwas zeigt, wollen wir es ja zu erbeuten suchen, doch wohl zu merken, daß sich deshalb, ob’s nun ein großes oder kleines Tier gilt, niemand zu weit von der Einfriedigung entfernt. Also immer Achtung auf unsre Instruktionen, immer in der Nähe des Leuchtturms bleiben, außer wenn es sich darum handelt, zu beobachten, was in der Elgorbucht oder draußen zwischen dem Kap Sankt-Johann und der Diegosspitze vorgeht.

– Ja, fiel Moriz, der die Jagd besonders liebte, ein, wenn aber ein frisches Stück Wild in Schußweite käme…

– Ach, auf zwei- oder dreifache Schußweite, antwortete Vasquez, darauf kommt’s nicht an. Ihr wißt aber, daß das Guanako zu wilder Natur ist, sich in die Nähe von guter – das heißt natürlich: von unsrer – Gesellschaft zu wagen, und es sollte mich sehr wundernehmen, wenn wir nur ein Hörnerpaar über den Felsen hinter dem Buchenwalde erblickten oder wenn sich so ein Bursche gar bis an die Einfriedigung verirrte.«

Tatsächlich hatte sich seit Beginn der Bauarbeiten kein Tier in der Umgebung der Elgorbucht erblicken lassen. Der Obersteuermann der ›Santa-Fé‹, ein leidenschaftlicher Nimrod, hatte wiederholt versucht, ein Guanako zu erlegen, doch obgleich er dabei wohl fünf bis sechs Meilen ins Innere der Insel wanderte, waren alle Bemühungen vergeblich gewesen. Fehlte es hier auch nicht an Hochwild, so hielt es sich doch stets in zu großer Entfernung, als daß es hätte geschossen werden können. Hätte der Obersteuermann die nächsten Höhenzüge überstiegen und sich bis zum Parryhafen, womöglich bis zum andern Ende der Insel begeben, so wäre er jedenfalls glücklicher gewesen; doch da, wo nach der Westseite zu steile Berggipfel aufragten, mußte ein Vordringen ungemein schwierig werden, und so war weder er noch sonst einer von der Besatzung der ›Santa-Fé‹ bis in Sicht des Kaps Saint-Barthelemy gekommen.

Als Moriz in der Nacht vom 16. zum 17. Dezember von sechs bis zehn Uhr auf dem Turme die Wache hatte, blinkte im Osten, sechs bis sieben Meilen draußen auf dem Meere ein schwaches Licht auf. Offenbar kam es von der Laterne eines Schiffes, des ersten, das sich seit der Vollendung des Leuchtturms im Gewässer der Insel gezeigt hatte.

Moriz glaubte mit Recht, daß das seine Kameraden, die noch nicht schliefen, interessieren würde, und er ging also hinunter, um sie davon zu benachrichtigen.

Vasquez und Felipe stiegen mit ihm sofort wieder hinauf und stellten sich, Fernrohre in der Hand, an das geöffnete Fenster der Ostseite.

»Es ist ein weißes Licht, sagte Vasquez.

– Und folglich, setzte Felipe hinzu, kein solches einer Positionslaterne, da es weder grün noch rot leuchtet.«

Diese Bemerkung war richtig: es war keines der vorschriftsmäßigen Positionslichter, die nach Sonnenuntergang, das rote an Back-, das grüne an Steuerbord der Seeschiffe, geführt werden.

»Und da es weiß ist, fuhr Vasquez fort, muß es am Stagseile des Fockmastes hängen, und das bezeichnet einen Dampfer, der vor der Insel liegt.«

Hierüber bestand kein Zweifel. Es handelte sich unbedingt um einen Dampfer, der sich dem Kap San Juan näherte, und die Wärter fragten sich nur, ob er in die Le Mairestraße einlaufen oder im Süden von ihnen vorbeikommen würde.

Sie beobachteten also die Fahrt des sich immer mehr nähernden Schiffes, und nach Verlauf einer halben Stunde waren sie sich über seinen Kurs im Klaren.

Der Dampfer ließ den Leuchtturm an Backbord südsüdwestlich liegen und steuerte geraden Weges auf die Meerenge zu. Als er vor dem Hafen Sankt-Johann vorüberglitt, wurde auch sein rotes Licht kurze Zeit sichtbar, doch verschwand das Fahrzeug bald in der zunehmenden Dunkelheit.

»Das wäre also das erste Schiff, das den Leuchtturm am Ende der Welt gesichtet hat! rief Felipe.

– Es wird aber nicht das letzte sein!« versicherte Vasquez.

Am frühen Morgen des nächsten Tages meldete Felipe einen großen Segler, der am Horizonte heraufkam. Das Wetter war klar, die Luft durch einen mäßigen Südostwind von allen Dunstmassen befreit, und so konnte man das Fahrzeug schon in einer Entfernung von mindestens zehn Seemeilen erkennen.

Vasquez und Moriz begaben sich, als sie davon gehört hatten, nach der Galerie des Leuchtturmes. Von hier aus sahen sie das Schiff über die äußersten Felsenwände des Ufers hinweg und ein wenig zur Rechten von der Elgorbucht zwischen der Diegos- und der Severalspitze.

Unter allen Segeln glitt das Fahrzeug schnell und mit einer Geschwindigkeit dahin, die wenigstens auf zwölf bis dreizehn Knoten zu schätzen war. Es lief dabei mit Backbordhalsen ziemlich mit Rückenwind. Da es jetzt aber fast in gerader Richtung auf die Stateninsel zu hielt, ließ sich noch nicht entscheiden, ob es diese im Norden oder im Süden passieren würde.

Als Seeleute, die für solche Fragen stets Interesse haben, sprachen sich Vasquez, Felipe und Moriz über die vorliegende aus. Schließlich behielt Moriz recht, der von Anfang an behauptet hatte, der Segler werde nicht in die Meerenge einzulaufen suchen. Als dieser nur noch anderthalb Seemeilen von der Küste entfernt war, luvte er an, um mehr. in den Wind zu kommen und die Severalspitze zu umschiffen.

Es war ein sehr großes Fahrzeug, wenigstens von achtzehnhundert Tonnen, mit drei Masten und einer Klippertakelage, wie sie für die in Amerika gebauten schnellsegelnden Schiffe dieser Art gebräuchlich ist.

»Mein Fernrohr soll sich doch gleich zu einem Regenschirm verwandeln, rief Vasquez, wenn der da nicht aus den Werften Neuenglands hervorgegangen ist!

– Vielleicht will er uns auch Nummer und Namen signalisieren, sagte Moriz.

– Das wäre auch nicht mehr als seine Pflicht und Schuldigkeit«, meinte der Oberwärter

Das geschah denn auch, als der Klipper bei der Severalspitze wendete. Nach der Gaffel des Besanmastes stiegen vier kleine Flaggen empor, Signale, die Vasquez sofort übersetzte, als er das im Wachzimmer aufbewahrte Signalbuch eingesehen hatte.

Das Schiff war der ›Montank‹, beheimatet im Hafen von Boston Neuengland, Vereinigte Staaten von Amerika. Die Wärter antworteten ihm durch Hissung der argentinischen Flagge an der Fangstange des Blitzableiters, und sie folgten dem Fahrzeuge mit den Augen, bis dessen Masttoppen an der Südküste der Insel hinter den Höhen des Kap Webster verschwanden.

»Und nun, sagte Vasquez, glückliche Fahrt dem ›Montank‹, und gebe der Himmel, daß er vor dem Kap Horn nicht gar zu grobe See findet.«

In den nächstfolgenden Tagen blieb das Meer so gut wie ganz leer; kaum waren ein oder zwei Segel weit draußen am östlichen Horizont zu erspähen. Die Fahrzeuge, die gegen zehn bis zwölf Seemeilen vor der Stateninsel hinsegelten, beabsichtigten offenbar nicht, sich der Küste Amerikas zu nähern. Nach der Meinung des Oberwärters Vasquez mußten das Walfänger sein, die sich nach den Fangplätzen der antarktischen Gewässer begaben. Wie zur Bestätigung tauchten auch bald einzelne Spritzwale auf, die aus höhern Breiten kamen. Sie hielten sich auf dem Wege nach dem Großen Ozean aber alle in reichlicher Entfernung von der Severalspitze.

Bis zum 20. Dezember war, außer den meteorologischen Beobachtungen, nichts zu notieren. Das Wetter war mehr veränderlich geworden, mit Windstößen, die zwischen Nordost und Südost wechselten. Wiederholt kam es zu starken Regenfällen, die zuweilen – ein Zeichen einer gewissen elektrischen Spannung der Atmosphäre – mit leichtem Hagel vermischt niederprasselten.

Das deutete auch auf bevorstehende Gewitter, die, besonders zu dieser Jahreszeit, recht schwer werden konnten.

Am Morgen des 21. schlenderte Felipe rauchend auf dem Hof umher, als er nach der Seite des Buchengehölzes ein Tier zu bemerken glaubte.

Erst sah er einige Augenblicke in dieser Richtung hinaus, dann holte er aber ein Fernrohr aus der gemeinschaftlichen Wohnstube.

Felipe erkannte jetzt leicht ein großes Guanako. Das bot vielleicht Gelegenheit zu einem glücklichen Schusse.

Vasquez und Moriz, die er herbeigerufen hatte, traten sofort aus einem der Nebengebäude und eilten auf ihren Kameraden zu.

Alle stimmten überein, schnellstens zur Jagd aufzubrechen. Gelang es, das Guanako zu erlegen, so bedeutete das einen Gewinn an frischem Fleisch, das in den gewöhnlichen Speisezettel eine angenehme Abwechslung bringen mußte.

Man einigte sich also dahin, daß Moriz, mit einem Gewehr ausgerüstet, hinausgehen und das Tier, das sich jetzt ganz ruhig verhielt, möglichst unbemerkt umschleichen und es dann nach der Seite der Bucht treiben sollte, wo ihm Felipe schußbereit auflauern würde.

»Nehmt euch aber gut in acht, Jungens! ermahnte sie Vasquez. Das Viehzeug hat ein sehr feines Gehör und einen scharfen Geruch. Sobald das da draußen Moriz selbst in großer Ferne sieht oder wittert, läuft es so schnell davon, daß ihr weder darauf schießen, noch es überholen könnt. Laßt’s dann unbelästigt, sehr weit kann es ja nicht entfliehen. Verstanden?

– Natürlich«, antwortete Moriz.

Vasquez und Felipe stellten sich am Rande des Hofes auf und erkannten mit Hilfe des Fernrohrs, daß das Guanako sich noch immer auf dem kleinen offenen Platz befand, wo es zuerst bemerkt worden war. Sie behielten jetzt also vor allem Moriz im Auge.

Dieser schlich sich auf das Buchengehölz zu. Von diesem gedeckt, konnte er vielleicht die Felsen in der Nähe erreichen, ohne das Tier zu erschrecken, und ihm dann von rückwärts her näher kommen, um es nach der Seite der Bucht fortzujagen.

Seine Kameraden konnten ihm mit den Blicken folgen, bis er das Gehölz erreichte, unter dem er verschwand.

Jetzt verlief etwa eine halbe Stunde. Das Guanako hielt sich noch immer unbeweglich, und Moriz mußte ihm jetzt nahe genug sein, darauf schießen zu können.

Vasquez und Felipe erwarteten also jeden Augenblick, einen Knall zu hören und das Tier mehr oder weniger schwer verletzt zusammenbrechen oder es in aller Hast entfliehen zu sehen.

Es fiel aber kein Schuß, und zu Vasquez‘ und Felipes größtem Erstaunen streckte sich das Guanako, statt davonzulaufen, mit schlaff herabhängenden Beinen und zusammengesunkenem Leibe auf dem steinigen Boden aus, als fehlte es ihm an Kraft, sich länger aufrecht zu halten.

Fast gleichzeitig erschien Moriz, dem es gelungen war, sich hinter den Felsblöcken heranzuschleichen, und ging auf das still daliegende Guanako zu. Er beugte sich darüber, betastete es mit der Hand und hob es ein Stück in die Höhe. Dann wendete er sich der Einfriedigung zu und machte dahin ein nicht mißzuverstehendes Zeichen, womit er seine Kameraden aufforderte, zu ihm herzukommen.

»Da liegt etwas besondres vor, sagte Vasquez, komm‘ mit, Felipe.«

Beide eilten von dem hochgelegenen Hofe hinunter und liefen auf den Buchenwald zu.

Schon in zehn Minuten hatten sie die Strecke bis dahin zurückgelegt.

»Nun… das Guanako? fragte Vasquez.

– Hier liegt es, antwortete Moriz und wies auf das Tier zu seinen Füßen.

– Ist es tot? fragte Felipe.

– Ja… tot, erwiderte Moriz.

– Also vor Alter eingegangen?

– Nein, infolge einer Verwundung.

– Verwundung?… Es ist verwundet worden?

– Ja, durch eine Kugel in die Seite.

– Wie… durch eine Kugel?« entfuhr es Vasquez.

Kein Zweifel; nachdem das Guanako von einer Kugel getroffen worden war, hatte es sich bis zu dieser Stelle geschleppt und war hier tot zusammengebrochen.

»Dann sind also Jäger auf der Insel?« murmelte Vasquez, und still und nachdenklich blickte er rund auf die Umgebung hinaus.

Viertes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Kongres Räuberbande.

Hätten Vasquez, Felipe und Moriz einmal den äußersten Westen der Stateninsel besucht, so würden sie gesehen haben, wie auffallend sich hier die Küste von der unterschied, die sich zwischen dem Kap Sankt-Johann und der Severalspitze hinzog. Hier erhoben sich nur steile, oft bis zweihundert Fuß hohe Uferwände, die meist wie glatt abgeschnitten erschienen und ebenso tief ins Wasser hinabreichten, unablässig, selbst bei ruhigem Wetter, gepeitscht von einer schweren Brandung. Vor den nackten Felswänden, deren Risse, Zwischenräume und Klüfte unzählige Seevögel beherbergten, dehnten sich noch zahlreiche Klippenbänke aus, von denen einzelne bei Tiefwasser bis zwei Seemeilen weit hinausreichten. Dazwischen verliefen enge, gewundene Kanäle, meist gar nicht oder doch nur für flachgehende Boote befahrbare Rinnen. Da und dort tauchte auch etwas Strand auf, aus dessen feuchtem Sande verschiedene magere Seepflanzen aufkeimten, und dazwischen lagen Muscheln verstreut, die vom Wogenschlag zerbrochen waren. Im Innern der Uferwände fehlte es nicht an Aushöhlungen, an tiefen, trocknen, dunkeln Grotten mit schmalem Eingange, die weder von den Stürmen belästigt, noch von dem schäumenden Wasserschwalle, selbst in der gefährlichen Zeit der Tag- und Nachtgleichen, erreicht wurden. Man gelangte dahin auf steinigen, unsichern Stegen, über Felsengeröll, das von der Flut nicht selten durcheinander geworfen wurde. Schwer zu erklimmende Schluchten vermittelten den Zugang zum Kamme der Uferhöhen, doch um die Hochebene des Inselinnern zu erreichen, hätte man auf einer ziemlich fünfzehn Seemeilen langen Strecke Bergrücken von mehr als neunhundert Metern Höhe übersteigen müssen. Im ganzen zeigte die Westküste also einen viel wildern, ödern Charakter als die ihr entgegengesetzte, an der die Elgorbucht sich öffnete.

Obgleich der Westen der Stateninsel durch die Berge des Feuerlandes und der magellanischen Inseln gegen die Nordwestwinde geschützt war, herrschte hier doch ein ebenso heftiger Seegang wie in der Umgebung des Kaps Sankt-Johann von der Diegos- bis zur Severalspitze. War nun ein Leuchtturm an der atlantischen Seite errichtet worden, so würde für die Schiffe, die um das Kap Horn herumkamen und den Kurs nach der Le Mairestraße einschlugen, ein zweiter an der Seite nach dem Stillen Ozean ebenso notwendig gewesen sein. Vielleicht hatte die chilenische Regierung sich jetzt auch schon vorgenommen, dem Beispiele Argentiniens zu folgen.

Wären diese Arbeiten aber gleichzeitig auf beiden Ausläufern der Stateninsel in Angriff genommen worden, so wäre dadurch eine Räuberbande, die in der Nachbarschaft des Kaps Saint-Barthelemy hauste, arg ins Gedränge gekommen.

Mehrere Jahre vorher war diese Verbrecherrotte am Eingange zur Elgorbucht ans Land gestiegen und hatte hier am steilen Ufer eine tiefe Höhle entdeckt. Diese bot den Burschen eine gute Zuflucht, und da niemals ein Schiff die Stateninsel anlief, befanden sie sich hier in vollkommener Sicherheit.

Die etwa aus einem Dutzend Männern bestehende Rotte hatte als Anführer einen gewissen Kongre, dem als zweiter ein gewisser Carcante zur Seite stand.

Die Rotte war aus verschiednen Eingebornen Südamerikas zusammengewürfelt. Fünf davon waren argentinischer oder chilenischer Nationalität. Die übrigen, wahrscheinlich geborne Feuerländer, die Kongre angeworben hatte, hatten nur über die Le Mairestraße zu setzen brauchen, um die Bande hier auf der Insel zu vervollständigen, die ihnen bekannt war, da sie sie in der schönen Jahreszeit schon wiederholt des Fischfanges wegen besucht hatten.

Von Carcante wußte man weiter nichts, als daß er von chilenischer Herkunft war, es wäre aber sehr schwierig gewesen, zu sagen, in welcher Stadt oder welchem Dorfe der Republik seine Wiege gestanden hätte oder welcher Familie er eigentlich angehörte. Zwischen fünfunddreißig und vierzig Jahre alt, mittelgroß, eher etwas mager, aber ganz Nerv und Muskel, und folglich ungemein kräftig, dazu von heimtückischem Charakter und hinterlistigem Sinne, schrak er gewiß niemals vor der Ausführung eines Raubes oder der Begehung eines Mordes zurück.

Von der Vergangenheit des ersten Anführers war so gut wie gar nichts bekannt. Über seine Nationalität hatte er selbst nie ein Wort fallen lassen, ja niemand wußte sogar, ob er wirklich Kongre hieß. Übrigens ist dieser Name unter den Eingebornen des Magellan- und des Feuerlandes sehr verbreitet. Bei Gelegenheit der Weltreise der ‚Astrolabe‘ und der ‚Zélée‘ nahm der Kapitän Dumont d’Urville, als er an der Magellanstraße im Hafen von Peckett vor Anker lag, einen Patagonier, der diesen Namen führte, auf. Es blieb aber zweifelhaft, ob Kongre von Geburt Patagonier war oder nicht. Er hatte nicht das oben mehr schmale, am untern Teile breitere Gesicht der Urbewohner Patagoniens, auch nicht die abfallende Stirn, die länglichen Augen, die etwas eingedrückte Nase und die gewöhnlich hohe Gestalt, die diese auszeichnet. Ebenso fehlte seinem Gesicht der Ausdruck von Sanftmut, den man bei den meisten Vertretern dieser Volksstämme findet.

Kongre war von heftigem und höchst energischem Temperament. Das erkannte man leicht an den wilden, durch einen dichten, schon etwas ergrauenden Bart nur schlecht verdeckten Zügen des Mannes, der übrigens erst einige vierzig Jahre zählte. Es war ein richtiger Bandit, ein furchtbarer, schon mit allen Verbrechen behafteter Übeltäter, der nirgends anders hatte eine Zuflucht finden können, als auf dieser Insel, von der ihm nur die Küste einigermaßen bekannt war.

Wie hatten nun Kongre und seine Spießgesellen, seitdem sie sich nach der Stateninsel geflüchtet hatten, ihr Leben fristen können? Das möge im nachfolgenden kurz geschildert werden.

Als Kongre und sein Komplize Carcante infolge von Verbrechen, wegen der ihnen der Galgen oder die Garotte (das Erwürgtwerden) drohte, aus Punta Arenas, dem Haupthafen an der Magellanstraße, entflohen waren, hatten sie sich nach dem Feuerlande durchgeschlagen, wo es sehr schwierig gewesen wäre, sie weiter zu verfolgen. Hier lebten sie nun in Gesellschaft von Pescherähs, hörten aber bald, wie häufig sich Schiffbrüche an der Stateninsel ereigneten, die damals noch nicht durch den Leuchtturm am Ende der Welt kenntlich gemacht war. Jedenfalls mußten die Ufer hier mit Trümmern und Seetriften aller Art bedeckt sein, wovon viele ja von hohem Werte sein mochten. Da kam Kongre und Carcante der Gedanke, mit zwei oder drei verwegenen Gesellen ihres Schlages, die sie im Feuerlande kennen gelernt hatten, und denen sich etwa noch zehn Pescherähs anschließen sollten, die ebenfalls keinen Heller mehr wert waren… eine richtige Räuberrotte zu bilden. Auf einem der hier landesüblichen Boote setzten sie nach der andern Seite der Le Mairestraße über. Obwohl aber Kongre und Carcante von Beruf Seeleute waren und lange Zeit die gefährlichen Gewässer am Großen Ozean befahren hatten, konnten sie dabei einen Unfall doch nicht verhindern. Ein heftiger Wind verschlug sie weiter nach Osten, und das wild aufgeregte Meer zertrümmerte ihr Boot an den Felsen des Kaps Colnett, gerade als sie sich bemühten, in das ruhige Wasser des Parry-Hafens einzulaufen.

Vom genannten Kap aus erreichten sie zu Fuß die Elgorbucht. In ihren Erwartungen sollten sie nicht getäuscht werden. Das Strandgebiet zwischen dem Kap Sankt-Johann und der Severalspitze war mit den Trümmern früherer und neuerlicher Schiffbrüche bedeckt. Da lagen noch ganz unverletzte Ballen, Kisten mit Proviant, die die Ernährung der Bande für viele Monate sicherstellen mußten, ferner fanden sich Waffen, Revolver und Flinten, die leicht wieder in Stand zu setzen waren, gut erhaltene Munition in metallenen Kasten, Gold- und Silberbarren von hohem Werte, die wohl aus reichen Schiffsladungen von Australien herstammen mochten, dazu noch Möbel, Planken und Bretter, Holz aller Art, und dazwischen endlich Reste von menschlichen Skeletten, doch keinen Überlebenden von diesen Seeunglücksfällen.

Die so gefährliche Stateninsel war den Seefahrern übrigens hinreichend bekannt. Jedes Schiff, das vom Sturme an ihre Küste verschlagen wurde, war rettungslos mit Mann und Maus dem Untergange geweiht.

Kongre suchte für sich und seine Genossen einen Schlupfwinkel nicht im Hintergrunde der Bucht, sondern nahe an ihrem Eingange, da ihm das geeigneter für seine Pläne erschien, vor allem das Kap Sankt-Johann zu überwachen. Ein Zufall ließ ihn eine Höhle entdecken, deren Eingang durch dicht wuchernde Seepflanzen, meist Blättertange und Seegras, verdeckt wurde, die aber geräumig genug war, die ganze Bande aufzunehmen. An der Rückseite der Vorberge der Küste gelegen, war sie auch gegen die Winde von der Seeseite vortrefflich geschützt. Dorthin wurden nun alle die Überreste von frühern Schiffbrüchen geschafft, die zur wohnlichen Ausstattung der Höhle dienen konnten: Bettwäsche, Kleidungsstücke, nebst einer Menge Fleischkonserven, Kisten mit Schiffszwieback und Fäßchen mit Wein und Brantwein. Eine zweite, neben der ersten gelegene Grotte diente zur Lagerung der Seetriften von besonderm Werte, wie von Gold, Silber und kostbaren Schmucksachen, die auf dem Strande gefunden worden waren. Gelang es Kongre später, sich eines durch falsche Signale nach der Bucht irregeführten Schiffes zu bemächtigen, so wollte er es mit der gesamten Beute beladen und nach den Inseln des Stillen Ozeans. dem Schauplatze seiner bisherigen Räubereien, zurückkehren.

Bis jetzt hatte sich dazu keine Gelegenheit geboten und die Übeltäter hatten die Stateninsel noch nicht wieder verlassen können. Im Verlauf von zwei Jahren war ihre reiche Beute aber immer mehr gewachsen, denn es kamen in dieser Zeit wiederholt Schiffbrüche vor, die sie sich zunutze machen konnten. Wie die Strandräuber an gewissen gefährlichen Küstenstrecken der Alten und der Neuen Welt, wußten sie gelegentlich selbst solche Unfälle herbeizuführen. Tauchte in der Nacht und bei schwerem Oststurme ein Fahrzeug in der Nähe der Insel auf, so lockten sie es durch Feuerzeichen nach den Klippen heran, und gelang es ausnahmsweise einem der Schiffbrüchigen, sich aus den tobenden Wellen zu retten, so wurde er ohne Bedenken ermordet. Das war die ganze Tätigkeit dieser Banditen, von denen bisher niemand etwas wußte.

Immerhin blieb die Rotte auf der Insel so gut wie gefangen. War es Kongre auch gelungen, mehrere Schiffsverluste herbeizuführen, so konnte er doch kein Fahrzeug in die Elgorbucht hereinlocken, wo er versucht hätte, es in seine Gewalt zu bekommen. Auch von selbst war keines in die, den Kapitänen wenig bekannte Bucht eingelaufen, und dann wär‘ es ja noch immer darauf angekommen, daß seine Besatzung nicht stark genug gewesen wäre, einen Angriff der fünfzehn Raubgesellen abzuschlagen.

Die Zeit verstrich, die Höhle erstickte fast unter der Menge wertvoller Beute. Natürlich wurden Kongre und die übrigen allgemach ungeduldig und wetterten über das Mißgeschick, nicht fortkommen zu können. Das bildete auch unausgesetzt den Gegenstand des Gesprächs zwischen Carcante und dem Haupte der Bande.

»Zum Teufel, auf dieser traurigen Insel zu sitzen wie ein an der Küste gestrandetes Schiff! rief er ärgerlich. Und dabei könnten wir eine Ladung im Werte von hunderttausend Piastern mit nach Hause nehmen!

– Ja freilich, antwortete Kongre, von der Insel hier müssen wir fort, es koste, was es wolle.

– Wann aber und wie?« erwiderte Carcante, eine Frage, die jedoch stets ohne Antwort blieb.

»Unser Proviant wird schließlich zu Ende gehen, fuhr Carcante fort. Liefert auch der Fischfang einigen Zuschuß, so ist doch die Jagd wenig erfolgreich. Und dann die entsetzlichen Winter, die man auf dieser Insel aushalten muß. Alle Teufel, wenn ich an die denke, die wir vielleicht noch ertragen müssen!«

Was hätte Kongre zu dem allen sagen können? Er sprach gewöhnlich nicht viel und war überhaupt nicht mitteilsamer Natur… und doch wallte die Wut in ihm auf angesichts der Ohnmacht, wozu er sich verurteilt sah.

Nein, er konnte nichts tun… nichts! Wenn kein Schiff hier Anker warf, dessen sich die Bande durch Überrumpelung hätte bemächtigen können, so wäre das Kongre doch gegenüber einem Boote aus dem Feuerlande möglich gewesen, wenn sich ein solches nur bis nach der Ostseite der Insel hinausgewagt hätte. Wenn nicht er selbst, so würde sich Carcante oder einer der Chilenen darauf eingeschifft haben, und einmal in der Magellanstraße mußte sich leicht Gelegenheit bieten, Buenos-Ayres oder Valparaiso zu erreichen. Mit dem Gelde, woran es ja nicht fehlte, wäre dann dort ein Schiff von hundertfünfzig bis zweihundert Tonnen gekauft und von Carcante mit Hilfe einiger Matrosen nach der Bucht gesteuert worden.

Lag das dann erst in dem Landeinschnitte, so hätte man sich der neuen Mannschaft kurzer Hand entledigt… dann wäre die ganze Bande mit ihren Schätzen an Bord gegangen und hätte sich nach den Salomonsinseln oder den Neuen Hebriden zurückgezogen.

Das war die Lage der Dinge, als fünfzehn Monate vor dem Beginn unsrer Erzählung darin eine unerwartete Änderung eintrat.

Anfang Oktober 1858 erschien plötzlich ein Dampfer unter argentinischer Flagge in Sicht der Insel und manövrierte offenbar in der Weise, in die Elgorbucht einzulaufen.

Kongre und seine Genossen hatten ihn sofort als ein Kriegsschiff erkannt, gegen das sie nichts unternehmen konnten. Nachdem sie jede Spur ihrer Anwesenheit sorgsam verwischt und den Eingang beider Höhlen noch mehr verdeckt hatten, zogen sie sich nach dem Innern der Insel zurück, um da die Wiederabfahrt des Schiffes abzuwarten.

Es war das die von Buenos-Ayres eingetroffene ›Santa-Fé‹, die einen mit der Errichtung eines Leuchtturmes beauftragten Ingenieur an Bord hatte, der zunächst einen für das Bauwerk geeigneten Platz aussuchen sollte.

Der Aviso ankerte nur wenige Tage in der Elgorbucht und fuhr wieder ab, ohne den Schlupfwinkel Kongres und seiner Genossen entdeckt zu haben.

Carcante, der sich in der Nacht bis an den Landeinschnitt herangeschlichen hatte, war es gelungen, zu erlauschen, zu welchem Zwecke die ›Santa-Fé‹ nach der Stateninsel gekommen war. Im Hintergrunde der Elgorbucht sollte ein Leuchtturm erbaut werden! Damit schien der Bande nichts mehr übrig zu bleiben, als der Insel schleunigst den Rücken zu kehren, und das wäre gewiß auch geschehen, wenn… ja, wenn es nur möglich gewesen wäre.

Kongre kam infolgedessen zu dem einzigen Entschlusse, der hier angezeigt schien: er kannte schon den Westen der Insel in der Umgebung des Kaps Barthelemy, wo ihm andre Höhlen voraussichtlich Unterschlupf gewähren konnten. Ohne einen Tag zu zögern – der Aviso mußte gewiß bald und dann mit einer Anzahl Arbeiter zurückkehren, um die Arbeiten in Angriff zu nehmen – betrieb er die Überführung alles dessen, was notwendig erschien, den Lebensunterhalt der Räuberrotte auf ein Jahr zu sichern, in der begründeten Überzeugung, daß er so entfernt vom Kap Sankt-Johann nicht Gefahr liefe, aufgespürt zu werden. Immerhin hatte es ihm an Zeit gefehlt, beide Höhlen auszuleeren; er mußte sich deshalb darauf beschränken, den größten Teil des Proviants, Fleischkonserven, Getränke, Bettzeug, Kleidungsstücke und einige besonders wertvolle Kostbarkeiten fortschaffen zu lassen. Nach sorgfältiger Verschließung der Eingänge mit Gestein und trocknem Gestrüpp wurde alles übrige dann einstweilen seinem Schicksale überlassen.

Fünf Tage nach dem Verschwinden der Bande erschien die ›Santa-Fé‹ früh morgens wieder vor dem Eingange zur Elgorbucht und ging bald in dem kleinen Einschnitt vor Anker. Die Arbeiter, die sie an Bord hatte, wurden gelandet und das mitgebrachte Material ausgeladen. Da die Baustelle auf dem etwas höher liegenden Plateau schon bestimmt war, wurden die Arbeiten sofort begonnen und, wie wir wissen, schnell ausgeführt.

Infolgedessen war die Kongresche Räuberbande also genötigt gewesen, nach dem Kap Saint-Barthelemy zu flüchten. Ein von der Schneeschmelze gespeister Bach lieferte ihr das notwendige Wasser. Der Fischfang und in gewissen Grenzen auch die Jagd ermöglichte es, an dem von der Elgorbucht mitgenommenen Proviant ein wenig zu sparen.

Mit welcher Ungeduld erwarteten aber Kongre, Carcante und deren Gefährten die Vollendung des Turmbaues und die Abfahrt der ›Santa-Fé‹, die dann erst, wenn sie eine Ablösung brachte, nach drei Monaten wiederkommen sollte.

Selbstverständlich hielten sich Kongre und Carcante immer von allem unterrichtet, was im Hintergrunde der Bucht vorging. Indem sie sich entweder an der Küste von Süden nach Norden heranschlichen, sich vom Inselinnern her näherten oder endlich von den Anhöhen, die den Neujahrshafen einrahmten, hinabspähten, konnten sie den Fortgang der Arbeiten beobachten und sich ein Urteil bilden, wann diese abgeschlossen sein würden. Dann gedachte Kongre einen längst gehegten Plan zur Ausführung zu bringen. War denn nicht zu vermuten, daß nach Eröffnung der Beleuchtung der Insel weit eher ein Schiff in die Elgorbucht einlaufen würde, ein Schiff, dessen er sich nach Überrumpelung und Niedermetzelung der Besatzung bemächtigen könnte?

Kongre glaubte nicht, daß er einen gelegentlichen Ausflug der Offiziere des ‚Avisos‘ nach dem äußersten Westen der Insel zu befürchten habe. Niemand würde es, wenigstens dieses Jahr, in den Sinn kommen, etwa bis zum Kap Gomez vorzudringen, was nur über nackte, hohe Felsenebenen, über fast unpassierbare Schluchten hinweg und überhaupt durch ein schwer zugängliches Berggebiet mit ungeheuern Schwierigkeiten möglich gewesen wäre. Freilich konnte der Befehlshaber des Avisos auf den Gedanken kommen, eine Rundfahrt um die Insel zu unternehmen, doch auch dann würde er schwerlich an der von Klippen durchsetzten Küste zu landen suchen, und jedenfalls würde die Räuberrotte Maßregeln ergreifen, eine Entdeckung zu verhindern.

Zu einem solchen Zwischenfalle kam es indessen nicht und es wurde Dezember, als die Einrichtung des Leuchtturms vollendet war. Dessen Wächter blieben dann allein zurück, was Kongre daraus abnehmen konnte, daß die Laterne ihre Strahlen zum ersten Male in die Nacht hinaussandte.

Im Laufe der letzten Wochen legte sich auch einer oder der andre von der Bande auf die Lauer auf einem der Berggipfel, von denen aus man den Leuchtturm in der Entfernung von sieben bis acht Seemeilen erblicken konnte, und das immer mit dem Befehl, sofort zurückzukehren, sobald das Licht zum ersten Mal aufblitzte.

Diese Meldung überbrachte Carcante in der Nacht vom 9. zum 10. Dezember nach dem Kap Saint-Barthelemy.

»He, rief er, als er Kongre in der Höhle antraf, der Teufel hat es fertig gebracht, das Licht anzuzünden, das der Teufel auch wieder auslöschen möge!

– Ja, wir brauchen es nicht!« antwortete ihm Kongre, der die Faust drohend nach Osten ausstreckte.

Einige Tage vergingen ohne besondre Zwischenfälle. Zu Anfang der zweiten Woche schoß da Carcante, als er in der Umgebung des Parryhafens auf der Jagd war, ein Guanako mit einer Kugel an. Der Leser weiß schon, daß das verletzte Tier ihm entkam und erst auf der Stelle zusammenbrach, wo es von Moriz am Felsenrande nahe bei dem Buchenwalde gefunden wurde. Von diesem Tage an überwachten nun Vasquez und seine Kameraden, da sie die Überzeugung gewonnen hatten, nicht die einzigen Bewohner der Insel zu sein, die Umgebung der Elgorbucht mit erhöhter Aufmerksamkeit.

Inzwischen war der Tag gekommen, wo Kongre sich rüstete. das Kap Saint-Barthelemy wieder zu verlassen und nach dem Kap Sankt-Johann zurückzukehren. Von Lebensmitteln sollte dabei nur der Bedarf für drei bis vier Marschtage mitgenommen werden, da der Bandit schon auf die beim Leuchtturm lagernden Vorräte rechnete. Das übrige Material ließ man in der schwer auffindbaren Höhle an der Westküste zurück. Es war jetzt der 22. Dezember. Mit dem Morgenrot aufbrechend, gedachte die Bande auf einem ihr genügend bekannten Wege durch das bergige Gebiet der Insel am ersten Tage den dritten Teil der Strecke zurückzulegen. Nach dieser etwa zehn Seemeilen betragenden Etappe durch bergiges Terrain sollte entweder unter dem Schutze von Bäumen oder vielleicht in einer Aushöhlung Rast gemacht werden.

Am nächsten Tage wollte Kongre noch vor Sonnenaufgang aufbrechen und etwa dieselbe Strecke wie am Tage vorher zurücklegen, und am übernächsten hoffte er am Abend die Elgorbucht mit seiner Bande zu erreichen.

Kongre nahm an, daß nur zwei Wärter zur Bedienung des Leuchtfeuers zurückgelassen worden wären, während es deren doch drei waren. Das machte jedoch keinen weitern Unterschied. Vasquez, Moriz und Felipe würden doch der ganzen Bande, deren Anwesenheit in der Nähe der Umfriedigung niemand ahnte, keinen erfolgreichen Widerstand leisten können. Zwei davon mußten wohl in der Wohnung leicht zu überwältigen sein, und mit dem dritten, der sich voraussichtlich in der Wachstube auf dem Turme befand, konnte das auch keine besondern Schwierigkeiten machen.

Kongre würde danach der Herr des Leuchtturmes sein und konnte dann mit Muße das vorläufig beim Kap Saint-Barthelemy zurückgelassene Material heranschaffen und in der Höhle am Eingange zur Elgorbucht niederlegen lassen.

Das war der Plan, den der gewissenlose Bandit für die nächste Zeit entworfen hatte und an dessen Gelingen kaum zu zweifeln war. Doch ob das Glück die Räuber dann auch noch weiter begünstigte, das erschien wohl weniger sicher.

Der fernere Verlauf der Dinge hing ja nicht allein von ihnen ab, denn dazu gehörte es, daß wirklich ein Schiff in der Elgorbucht vor Anker ging. Nach der Rückfahrt der ›Santa-Fé‹ mußte freilich den Schiffern dieser geschützte Platz bald mehr und mehr bekannt werden. Es war deshalb ja nicht unmöglich, daß ein Fahrzeug, wenigstens eines von geringerm Tonnengehalt, lieber in der von letzt ab durch einen Leuchtturm bezeichneten Bucht Schutz suchte, als daß es bei stürmischem Wetter wagte, durch die Meerenge oder im Süden um die Insel zu steuern. Kongre war fest entschlossen, dann das erste beste Schiff in seine Gewalt zu bringen, das ihm damit die lang herbeigewünschte Möglichkeit böte, nach dem Stillen Ozean zu flüchten und dort ungestraft die Ausbeute von seinen Raubzügen zu genießen.

Dazu war es freilich nötig, daß alles in dieser Weise verlief, ehe der Aviso mit einer Ablösung für die Wärter zurückkehrte. Hatten Kongre und seine Spießgesellen die Insel bis zu diesem Zeitpunkte noch nicht verlassen, so mußten sie nochmals nach dem Kap Saint-Barthelemy flüchten. Dann waren die Verhältnisse aber nicht mehr dieselben. Wurde dem Kommandanten Lafayate das Verschwinden der drei Wärter bekannt, so konnte er nicht daran zweifeln, daß diese entweder gewaltsam weggeschleppt worden oder als Opfer eines Mordanschlages gefallen wären. Dann veranlaßte er aber jedenfalls Nachforschungen auf der ganzen Insel, und der Aviso fuhr in keinem Falle eher wieder ab, als bis diese von einem Ende bis zum andern sorgsam abgesucht worden wäre. Wie hätte sich die Räuberbande aber solchen Nachsuchungen entziehen können, und wie gefährdet war für sie der weitere Lebensunterhalt, wenn diese Sachlage längere Zeit anhielt! Im Notfalle schickte die argentinische Regierung ja gewiß auch noch andre Schiffe hierher. Selbst wenn es Kongre gelang, sich eines Bootes der Pescherähs zu bemächtigen – wozu nur wenig Aussicht war – würde die Meerenge scharf überwacht werden und es ihm unmöglich sein, nach dem Feuerlande überzusetzen. Würde ein glücklicher Zufall nun wirklich die Banditen so weit begünstigen, daß sie von der Insel entwischen konnten, so lange es dazu noch Zeit war?

Am Abend des 22. ergingen sich Kongre und Carcante im Gespräch vorn auf dem Ausläufer des Kaps Barthelemy, und nach Gewohnheit der Seeleute beobachteten sie Himmel und Meer. Das Wetter war leidlich gut. Am Horizont lagerten einige Wolken und von Nordosten wehte eine mäßig steife Brise.

Es war jetzt halb sieben Uhr abends. Kongre und sein Begleiter wollten eben nach ihrem Schlupfwinkel zurückkehren, als Carcante noch sagte:

»Es bleibt also dabei, daß wir unser Material hier am Kap Saint-Barthelemy zurücklassen?

– Jawohl, antwortete Kongre. Es wird ja leicht genug sein, alles später holen zu lassen… später, wenn wir da unten erst die Herren sind und wenn…«

Er vollendete den Satz nicht. Die Augen nach dem Meere hinausgerichtet, blieb er stehen und sagte:

»Carcante… sieh doch… dort… da draußen… nicht weit vom Kap…«

Carcante blickte in der angedeuteten Richtung nach der offnen See hinaus.

»Wahrhaftig, rief er, nein… ich täusche mich nicht… ein Schiff!…

– Das sich der Insel zu nähern scheint, fuhr Kongre fort. Es kreuzt mit kleinen Schlägen, denn es hat den Wind von vorn.«

In der Tat lavierte eben ein Fahrzeug unter vollen Segeln etwa zwei Seemeilen vor dem Kap Saint-Barthelemy.

Obgleich es Gegenwind hatte, kam es doch langsam näher, und wenn es auf die Meerenge zusteuerte, mußte es noch vor der Nacht in diese eingelaufen sein.

»Das ist eine Goelette, sagte Carcante.

– Ja… eine Goelette von hundertfünfzig bis zweihundert Tonnen,« antwortete Kongre.

Kein Zweifel: die Goelette suchte mehr die enge Wasserstraße zu erreichen, als das Kap Saint-Barthelemy zu umschiffen. Vor allem kam es nun darauf an zu wissen, ob sie auf dessen Höhe noch vor dem Eintritt tiefer Dunkelheit anlangte. Lief sie bei dem mehr und mehr abflauenden Winde nicht Gefahr, von der Strömung nach dem Klippengürtel getrieben zu werden?

Jetzt hatte sich die ganze Bande draußen auf dem Kap versammelt.

Seit sie hier weilte, war es nicht das erste Mal, daß sich ein Schiff in so geringer Entfernung von der Insel zeigte. Wir wissen, daß es die Räuberbande dann durch bewegliche Feuerzeichen nach der Felswand zu verlocken suchte; auch jetzt wurde der Vorschlag laut, zu diesem teuflischen Mittel zu greifen.

»Nein, widersetzte sich dem Kongre, diese Goelette darf nicht zugrundegehen, wir wollen uns lieber bemühen, sie in die Hände zu bekommen. Wind und Strömung stehen ihr entgegen… Die Nacht wird ganz finster werden, so daß es unmöglich sein wird, in die Meerenge einzulaufen. Noch morgen liegt das Schiff gewiß nahe vor dem Kap, und dann wollen wir sehen, was zu tun ist.«

Eine Stunde später war das Schiff in der tiefen Dunkelheit verschwunden und kein Signallicht verriet seine Lage draußen auf dem Meere.

In der Nacht wechselte der Wind seine Richtung und sprang nach Südwesten um.

Als Kongre und seine Genossen am andern Morgen mit Tagesanbruch nach dem Strande hinausgingen, sahen sie die Goelette liegen… gestrandet auf den Klippen vor dem Kap Saint-Barthelemy.

Fünftes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Die Goelette ›Maule‹.

Kongre war eigentlich kein richtiger Seemann mehr. Hatte er überhaupt ein Schiff geführt und auf welchen Meeren? Nur Carcante, ein Seemann wie er und schon früher sein Helfer auf seinen Irrfahrten, wie noch jetzt auf der Stateninsel… nur er hätte das sagen können. Er ließ jedoch darüber nichts verlauten.

Jedenfalls verleumdete man die beiden elenden Burschen nicht, wenn man ihnen den Namen ‚Seeräuber‘ ins Gesicht schleuderte. Diese verbrecherische Existenz mußten sie offenbar schon in der Gegend der Salomonsinseln und der Neuen Hebriden geführt haben, wo jener Zeit häufig Überfälle auf Schiffe vorgekommen waren. Und als es ihnen dann noch glückte, sich der vom Vereinigten Königreiche, von Frankreich und Amerika in jenem Teile des Großen Ozeans organisierten Verfolgung zu entziehen, hatten sie sich nach der Magellanschen Inselgruppe und später nach der Stateninsel geflüchtet, wo die Piraten nun zu Strandräubern geworden waren.

Fünf oder sechs Genossen Kongres und Carcantes waren ebenfalls als Fischer oder Matrosen auf Kauffahrteischiffen gefahren und folglich mit dem Meere und den Pflichten niederer Seeleute vertraut. Endlich würden die Feuerländer die Besatzung vervollständigen, wenn es der Bande gelang, sich der Goelette zu bemächtigen.

Diese Goelette konnte, nach ihrem Rumpfe und den Masten zu urteilen, nicht mehr als hundertfünfzig bis hundertsechzig Tonnen groß sein. Eine stürmische Bö aus Westen hatte sie auf eine mit Felsblöcken durchsetzte Sandbank geworfen, wo sie recht leicht in Trümmer gehen konnte. Ihr Rumpf schien jedoch nicht besonders gelitten zu haben. Nach Backbord übergeneigt und den Steven schräg zur Erde gewendet, lag ihre Steuerbordseite frei nach dem Meere hinaus. Infolgedessen konnte man das Deck von der Schanze am Vorderteile bis zum Reff auf dem Hinterteile vollständig übersehen. Die Bemastung war unbeschädigt, der Fockmast ebenso wie der Großmast und das Bugspriet mit allem Takelwerke und den halb aufgegeiten Segeln, mit Ausnahme des Fock-, des Oberbram- und des Topsegels, die fest eingebunden waren.

Als die Goelette am gestrigen Abend vor dem Kap Saint-Barthelemy auftauchte, kämpfte sie, sich sehr dicht am Winde haltend, gegen einen ziemlich steifen Nordost an und versuchte mit Steuerbordhalsen den Eingang zur Le Mairestraße zu erreichen. Gerade als Kongre und seine Gefährten sie dann bei der zunehmenden Dunkelheit aus den Augen verloren hatten, zeigte der Wind Neigung abzuflauen und wurde bald so schwach, daß ein Schiff dabei keine bemerkbare Fahrt mehr machen konnte.

Es lag folglich nahe anzunehmen, daß die Goelette, von der Strömung nach den Klippen zu getragen, diesen schon zu nahe gewesen wäre, als daß sie hätte wieder freies Wasser gewinnen können; in der Nacht schlug dann der Wind mit der hier gewöhnlichen Launenhaftigkeit vollständig um. Die gebraßten Rahen ließen erkennen, daß die Besatzung alles getan hatte, gegen den Wind aufzukommen. Jedenfalls war es dazu aber zu spät gewesen, denn später lag das Fahrzeug gestrandet auf der Sandbank.

Was dessen Kapitän und Mannschaft anging, war man nur auf Vermutungen angewiesen. Höchst wahrscheinlich aber hatten sie, als sie sich durch Wind und Strömung auf eine gefährliche, klippenreiche Küste zu getrieben sahen, das große Boot aufs Meer gesetzt, in der Annahme, daß ihr Schiff an den Felsen zerschellen würde und sie also Gefahr liefen, bis zum letzten Mann elend unterzugehen. Ein beklagenswerter Irrtum. Wären sie an Bord geblieben, so wären der Kapitän und seine Leute heil und gesund davongekommen. Jetzt war aber gar nicht zu bezweifeln, daß sie umgekommen waren, da ihr Boot zwei Seemeilen weit im Nordosten kieloben schwankte und vom Winde nach der Franklinbai getrieben wurde.

Da das Meer eben noch sank, bot es keine Schwierigkeiten, zur Goelette zu gelangen. Vom Kap Saint-Barthelemy aus konnte man von einem Felsblock zum andern bis zu der kaum eine halbe Seemeile entfernten Strandungsstelle vordringen. Das taten denn auch Kongre und Carcante in Begleitung zweier ihrer Gefährten. Die übrigen blieben am Fuße des Steilufers auf Beobachtung zurück, um zu sehen, ob sie vielleicht einen Überlebenden vom Schiffe entdeckten.

Als Kongre und seine Begleiter die Sandbank betraten, lag die Goelette vollständig auf dem Trocknen. Da das Wasser bei der nächsten Flut aber um sieben bis acht Fuß steigen mußte, wurde das Fahrzeug voraussichtlich wieder flott, wenn es nicht unten am Rumpfe geborsten war.

Kongre hatte sich nicht getäuscht, als er die Tragfähigkeit des Schiffes etwa auf hundertsechzig Tonnen abschätzte. Er ging darum herum und las, vor dessen Stern tretend, den Namen ›Maule Valparaiso‹.

Ein chilenisches Fahrzeug war es also, das in der Nacht vom 22. zum 23. Dezember an der Stateninsel gestrandet war.

»Na, das kommt uns ja recht gelegen! rief Carcante.

– Vorausgesetzt, daß die Goelette kein Leck im Bauche hat, meinte einer der Leute.

– Ob ein Leck oder eine andre Havarie… das läßt sich allemal ausbessern,« begnügte sich Kongre zu antworten.

Er besichtigte darauf den Rumpf an der freiliegenden Seite. An den Plankenfugen schien dieser nicht gelitten zu haben. Der in den Sand etwas eingesunkene Vordersteven zeigte ebenfalls keine Beschädigung, so wenig wie der Hintersteven, und an diesem hing auch das Steuerruder noch in seinen Angeln. Über den auf der Sandbank ruhenden Teil, der ja nicht unmittelbar besichtigt werden konnte, ließ sich vorläufig freilich nichts sagen. Wenn die Flut zwei Stunden lang gestiegen war, würde Kongre schon erkennen können, wie es mit diesem stand.

»An Bord!« sagte er kurz.

Wenn die stark geneigte Lage des Schiffes auch ein Erklettern an Backbord erleichterte, so verhinderte sie es doch, über das Deck hin zu gehen, so daß sich alle, nur an der Reling festhaltend, hinziehen mußten. Kongre und die übrigen gelangten so bis an die Rüsten des Großmastes, wo sie zunächst stehen blieben.

Die Strandung konnte kaum mit einem heftigeren Aufschlagen erfolgt sein, denn außer einigen nicht festgebundnen Spieren war alles an seinem Platze. Die Goelette, die nicht besonders feine Linien und wenig hervortretende Bauchstücke hatte, lag gar nicht übermäßig schief und mußte sich bei Hochwasser allein aufrichten, wenn sie an den lebenswichtigen, d. h. bis zur Schwimmlinie eintauchenden Teilen kein Leck hatte.

Kongres erste Sorge war es nun, bis zum Deckhause vorzudringen, dessen Tür er ohne Schwierigkeiten öffnete. In der gemeinsamen Kajüte fand er die Kabine des Kapitäns. Gegen die Wand gestemmt, betrat er den kleinen Raum, holte die Schiffspapiere aus dem Schubkasten eines Wandschrankes und ging nach dem Deck zurück, wo Carcante ihn erwartete.

Beide besichtigten die Mannschaftsrolle und erfuhren daraus, daß die im Hafen von Valparaiso beheimatete Goelette ›Maule‹ von hundertsiebenundfünfzig Tonnen, Kapitän Pailha, sechs Mann Besatzung gehabt hatte, und am 23. November unter Ballast mit der Bestimmung nach den Falklandsinseln ausgelaufen war.

Nach glücklicher Umschiffung des Kaps Horn wollte die ›Maule‹ also in die Le Mairestraße einsegeln, als sie auf dem klippenreichen Strande der Stateninsel verunglückte. Weder der Kapitän Pailha noch einer seiner Leute hatten sich bei dem Schiffbruche retten können, denn wenn auch nur einer von ihnen mit dem Leben davongekommen wäre, hätte er unbedingt auf dem Kap Barthelemy Zuflucht gesucht. Seit den zwei Stunden, wo es jetzt schon wieder hell war, war aber noch keiner wieder sichtbar geworden.

Wie erwähnt, führte die Goelette keine Ladung, da sie sich unter Ballast nach den Maluinen begeben wollte. Die Hauptsache war aber doch, daß Kongre ein Fahrzeug in die Hände bekam, auf dem er die Insel mit seinen geraubten Schätzen verlassen konnte, und diese Gelegenheit war ihm ja nun geboten, wenn es gelang, die ›Maule‹ wieder flott zu machen.

Um den Frachtraum zu besichtigen, wäre es nötig gewesen, den Ballast von einer Stelle zur andern zu schaffen.

Dieser Ballast bestand aus Stücken alten Eisens, die ohne Ordnung in den Raum hinuntergeworfen waren. Ihn ganz zu beseitigen, hätte eine gewisse Zeit beansprucht und die Goelette wäre doch zu schutzlos gewesen, wenn der Wind von der Seeseite her auffrischte. Zunächst erschien es daher angezeigt, sie von der Sandbank abzubringen, sobald sie schwimmen würde. Die Flut mußte sich bald bemerkbar machen und nach wenigen Stunden würde schon Hochwasser sein.

So sagte Kongre denn zu Carcante:

»Wir wollen alles bereit machen, die Goelette wegzubugsieren, sobald genug Wasser unter dem Kiel steht. Möglicherweise hat sie gar keine Havarie erlitten und nimmt kein Wasser ein..

– Darüber werden wir sehr bald klar sein, erwiderte Carcante, denn die Flut fängt schon an zu steigen. Doch dann, was machen wir dann, Kongre?

– Wir schleppen die ›Maule‹ bis über den Klippengürtel hinaus und bringen sie dann längs des Kaps in die Pinguinbucht hinein bis vor die Felsenhöhlen. Dort wird sie, selbst bei tiefster Ebbe, nicht auf Grund liegen, da sie nur sechs Fuß Tiefgang hat.

– Und dann?…

– Dann verladen wir darauf alles, was von der Elgorbucht dorthin geschafft worden war.

– Schön. Nachher aber?…

– Nachher?… Das wird sich ja finden,« gab Kongre einfach zur Antwort.

Man ging also an die Arbeit, und zwar sofort, um die nächste Flut noch ausnützen zu können, denn andernfalls hätte sich die Flottmachung um volle zwölf Stunden verzögert. Um jeden Preis sollte die Goelette zu Mittag in der Bucht verankert liegen. Dort konnte sie den Grund nicht berühren und würde, wenn das Wetter nicht gar zu ungünstig wurde, verhältnismäßig in Sicherheit sein.

Zunächst ließ Kongre durch seine Leute den Anker aus dem Kranbalken an Steuerbord ausheben und ihn draußen vor der Sandbank unter dem Nachschießenlassen seiner Kette auslegen. Auf diese Weise wurde es, sobald der Kiel nicht mehr im Sande begraben lag, möglich, die Goelette bis an eine Stelle heranzuziehen, wo sie hinreichend tiefes Wasser fand. Bevor dann das Hochwasser wieder zu verlaufen anfing, hatte man Zeit genug, die Bucht zu erreichen, und am Nachmittage sollte endlich eine eingehende Besichtigung der Wände des Laderaumes vorgenommen werden.

Die erwähnten Vorbereitungen wurden so schnell ausgeführt, daß sie schon beendet waren, als sich die Flut zuerst bemerkbar machte. Die Sandbank wurde da in ganz kurzer Zeit vom Wasser überdeckt.

Kongre, Carcante und ein halbes Dutzend ihrer Genossen stiegen wieder an Bord, während sich die übrigen nach dem Ufer zurückbegaben.

Jetzt hieß es nun einfach: abwarten. Bei ansteigender Flut frischt der Seewind häufig ziemlich kräftig auf. Gerade das war aber vor allem zu fürchten, denn dadurch wäre die ›Maule‹ leicht weiter in den Sand der nach der Küste zu sich verbreiternden Bank getrieben worden. Jetzt war fast Nipptid, d. h. niedrigster Wasserstand, und vielleicht stieg das Meer nicht einmal hoch genug, die Goelette wieder flott zu machen, wenn sie, und wär’s nur um eine halbe Kabellänge, weiter nach der Küste getrieben wurde.

Doch nein, es schien, als ob die Umstände Kongres Pläne begünstigen wollten. Die Brise wurde etwas stärker, wehte aber von Süden und unterstützte so das Abheben der ›Maule‹.

Kongre und die andern standen auf dem Vorderteile, das eher schwimmen mußte als das Hinterteil. Konnte die Goelette erst auf ihrer Hieling (hinterm Kielende) schwenken, so brauchte man nur das Gangspill zu benutzen, den Vordersteven nach dem Meere hin zu drehen, und dann mußte das Fahrzeug an der hundert Faden langen Kette so weit hinausgezogen werden, bis es wieder in seinem Elemente war.

Das Wasser stieg langsam höher. Zuweilen verriet schon ein leises Erzittern des Rumpfes, daß sich die Flut an ihm bemerkbar machte. Draußen wogte eine sanfte Dünung, bei der sich keine Welle überstürzte. Günstigere Verhältnisse hätte man sich gar nicht wünschen können.

Wenn Kongre jetzt überzeugt war, daß es gelingen werde, die Goelette flott zu machen und sie in einer der Einbuchtungen der Franklinbai in Sicherheit zu bringen, so beunruhigte ihn doch nicht wenig ein andrer Gedanke, der, ob die ›Maule‹ nicht an der Backbordflanke beschädigt wäre, die auf dem Sande lag und deshalb nicht hatte besichtigt werden können. Befand sich da ein Leck, so würde man nicht Zeit genug haben, es unter dem Ballast zu suchen und, wenn auch nur notdürftig, zu verschließen. Dann erhob sich das Schiff nicht aus seiner Suhle (der Vertiefung im Sande) und lief noch weiter voll Wasser. Dann mußte man es an dieser Stelle liegen lassen, wo es der nächste Sturm zu zertümmern drohte. Das war ja eine ernste Sorge. Mit welcher Ungeduld verfolgten auch Kongre und seine Genossen das Anwachsen der Flut! Wenn eine Planke eingedrückt war, wenn sich irgendwo nur die Kalfaterung gelockert oder ganz gelöst hatte, dann mußte das Wasser in den Frachtraum eindringen und die ›Maule‹ konnte sich nicht aufrichten.

Nach und nach schwand aber diese Sorge. Die Flut wuchs weiter an; jede Minute tauchte der Rumpf etwas höher aus dem Wasser auf, das an den Seiten emporstieg, ohne ins Innere einzudringen.

Einige stärkere Erschütterungen wiesen darauf hin, daß der Rumpf unbeschädigt war, und das Deck kam allmählich in horizontale Lage.

»Kein Leck! rief Carcante freudig. Der Rumpf hat kein Leck!

– Achtung! Zum Antreten am Spill!« befahl Kongre.

Die Kolderstöcke (dicke Pfähle zum Drehen des Spills) waren schon bereit; die Leute erwarteten nur den Befehl, sie in Bewegung zu setzen.

An die Schanzkleidung gelehnt, beobachtete Kongre die Flut, die nun schon seit dritthalb Stunden im Steigen war. Der Vordersteven wurde allmählich gehoben und auch der vordere Teil des Kiels lag nicht mehr auf dem Grunde auf. Die Hieling tauchte allerdings noch in den Sand ein und das Steuer ließ sich noch nicht frei bewegen. Jedenfalls ging noch eine Stunde darüber hin, ehe das Hinterteil des Fahrzeugs flott wurde.

Kongre wünschte die Abschleppung möglichst zu beschleunigen, und während er auf dem Vorderdeck stehen blieb, rief er:

»Ans Spill! Drehen… drehen!«

So fest sich die Leute aber auch gegen die Kolderstöcke stemmten, so vermochten sie dadurch doch nur, die Kette straffer zu spannen, der Steven wendete sich jedoch noch nicht dem Meere zu.

»Fest! Fest drücken!« mahnte Kongre.

Die Befürchtung lag nahe, daß der Anker dadurch ausgehoben werden könnte, und es mußte jetzt schwierig sein, ihn wieder einzusenken.

Die Goelette hatte sich inzwischen völlig aufgerichtet, und Carcante, der durch den ganzen Frachtraum ging, überzeugte sich, daß kein Wasser dahin eingedrungen war.

War also irgendeine Havarie vorhanden, so hielten doch die Planken an dem eintauchenden Teile des Rumpfes fest zusammen. Das ließ auch hoffen, daß die ›Maule‹ weder bei der Strandung selbst, noch in den zwölf Stunden, wo sie auf dem Sande gelegen hatte, ernstlicher beschädigt worden wäre. Unter diesen Umständen konnte der Aufenthalt in der Pinguinbucht nicht von langer Dauer werden.

Am Nachmittag sollte das Fahrzeug beladen werden und am folgenden Tag würde es klar sein, wieder in See zu gehen. Der Wind versprach die Fahrt der ›Maule‹ zu begünstigen, ob diese nun in die Le Mairestraße einlief oder an der Südküste der Stateninsel hin steuerte, um nach dem Atlantischen Meere zu kommen.

Gegen neun Uhr sollte der höchste Wasserstand erreicht sein, zur Zeit der Mondviertel ist die Fluthöhe aber, wie früher erwähnt, immer nur eine mäßige. Da die Goelette aber geringen Tiefgang hatte, ließ sich annehmen, daß sie doch flott werden würde. Wirklich fing das Hinterteil gegen acht Uhr an, sich langsam zu erheben. Die ›Maule‹ drehte sich, ohne jede Gefahr, bei dem ruhigen Meere auf der Sandbank noch einmal festzulaufen.

Nach Prüfung der Sachlage meinte Kongre, daß das Abschleppen unter den jetzigen günstigeren Umständen wieder versucht werden könnte. Auf seinen Befehl hin begannen die Leute nochmals, das Gangspill zu drehen, und als sie etwa ein Dutzend Faden Kette eingezogen hatten, wendete sich der Vorderteil der ›Maule‹ endlich dem Meere zu. Der Anker hatte gut gehalten. Seine Klauen hatten sich fest in Zwischenräume der Felsblöcke eingezwängt und wären jedenfalls eher gebrochen, als dem Zuge des Spills nachzugeben.

»Nun fest dran, Kinder!« rief Kongre, die Leute anfeuernd.

Alle griffen tüchtig zu, selbst Carcante griff mit an, während Kongre, über die Reling hinausgebeugt, das Heck der Goelette im Auge behielt.

Noch ging die Sache etwas langsam von statten; die hintere Kielhälfte knirschte noch laut beim Streifen über den Sand.

Kongre und die andern fühlten sich dadurch nicht wenig beunruhigt. Das Wasser stieg nur noch zwanzig Minuten lang an, und die ›Maule‹ mußte entweder vorher ganz frei schwimmen oder sie blieb an dieser Stelle bis zur nächsten Flut festgebannt. Noch weitere zwei Tage nahm aber die Fluthöhe ein wenig ab; erst nach achtundvierzig Stunden sollte sie wieder langsam anwachsen.

Jetzt war der Augenblick für eine letzte Anstrengung gekommen. Man wird sich wohl vorstellen können, wie ärgerlich, ja wie wütend die Leute wurden, sich bisher zur Ohnmacht verurteilt zu sehen. Ein Schiff unter sich zu haben, nach dessen Besitz sie schon so lange begierig waren, das ihnen Freiheit bringen, vielleicht Straflosigkeit gewährleisten sollte, und das nicht von einer Sandbank losreißen zu können!

Da wetterten und fluchten sie in gottloser Weise, während alle am Gangspill arbeiteten, mit der Befürchtung, daß der Anker brechen oder herausgerissen werden könnte. Mußte in diesem Falle doch die Ebbe am Nachmittage abgewartet werden, um den Anker aufs neue anzulegen und ihm vielleicht einen zweiten hinzuzufügen. Wer konnte aber wissen, was dann in vierundzwanzig Stunden geschah und ob die atmosphärischen Verhältnisse dann noch so günstig wie jetzt wären?

Im Nordosten zogen schon einzelne, ziemlich dicke Wolken herauf. Hielten sie sich auch ferner auf dieser Seite, so wurde die Lage des Schiffes nicht verschlechtert, da die Sandbank unter dem Schutze des steilen Felsenufers lag. Das Meer konnte aber immerhin stark aufgewühlt werden, und der Wogenschlag vollendete dann vielleicht, was die Strandung in der vergangnen Nacht begonnen hatte.

Nordostwinde erschwerten aber, selbst wenn sie nur als schwache Brise auftraten, die Fahrt in der ziemlich engen Wasserstraße. Statt mit voll geschwellten Segeln dahin zu gleiten, mußte sich die ›Maule‹ vielleicht mehrere Tage dicht am Winde halten, und bei jeder Seefahrt kann eine Verzögerung immer die ernstesten Folgen haben.

Das Meer hatte jetzt fast den höchsten Stand erreicht und binnen wenigen Minuten mußte die Ebbe einsetzen. Augenblicklich war die ganze Sandbank überflutet, nur der oberste Teil einzelner Klippen ragte über die Wasserfläche auf. Vom Kap Saint-Barthelemy war die äußerste Spitze nicht mehr sichtbar, und am Ufer lag nur die letzte, von der Flut angespülte Sandlinie trocken.

Da machte sich der Unmut der Leute aufs neue in Flüchen und Verwünschungen Luft. Erschöpft und außer Atem wollten sie schon einen Versuch aufgeben, der zu nichts zu führen versprach. Wütenden Blickes und schäumend vor Zorn stürmte Kongre auf sie zu. Eine Axt schwingend, drohte er jeden niederzuschlagen, der seinen Platz verlassen würde, und die Leute wußten nur zu gut, daß er nicht zögern würde, es zu tun.

Noch einmal packten alle die Kolderstöcke und unter ihren vereinten Kräften spannte sich die Ankerkette zum Zerreißen und schälte teilweise die Metallauskleidung der Klüsen ab.

Endlich ließ sich ein Geräusch vernehmen. Die Palle (der Sperrkegel) des Spills fiel in eine der Kerben ein. Die Goelette drehte sich ein wenig nach der Seeseite zu. Die Pinne des Steuers war beweglich geworden, ein Beweis, daß das Fahrzeug sich allmählich aus dem Sande hob.

»Hurra!… Hurra!« schrien die Leute, als sie bemerkten, daß die ›Maule‹ frei war. Ihre Hieling bewegte sich in dem Sandlager. Die Drehbarkeit des Gangspills wurde leichter, und nach wenigen Minuten schwamm die an den Anker herangeschleppte Goelette jenseits der Sandbank.

Sofort eilte Kongre an das Steuer. Die Kette wurde loser und der Anker bald aufgehißt und auf den Kranbalken gelegt. Nun galt es nur noch, das Schiff vorsichtig durch die enge Wasserstraße zwischen den Klippen zu steuern, um nach der Franklinbai zu kommen.

Kongre ließ das große Bramsegel beisetzen, das genügen mußte, langsam Fahrt zu machen. Draußen auf dem Meere war überall genug Wasser. Eine halbe Stunde später lag die Goelette, nachdem sie vorsichtig die äußersten Felsblöcke längs des Küstensaumes umschifft hatte, zwei Seemeilen hinter dem Ausläufer des Kaps Barthelemy in der Pinguinbucht ruhig vor Anker.

Erstes Kapitel.

Erstes Kapitel.

Am ersten Tage des Betriebes.

Die Sonne versank allmählich hinter den Anhöhen, die die Aussicht im Westen begrenzten.

Das Wetter war schön. An der andern Seite spiegelten vereinzelte Wölkchen über dem Meere, das im Osten und Nordosten zusammenfloß, die letzten Strahlen wieder, die aber auch bald in den Schatten der unter der hohen Breite von fünfundfünfzig Graden der südlichen Erdhälfte ziemlich langen Dämmerung verlöschen sollten.

In dem Augenblicke, wo von der Sonnenscheibe nur noch die obere Hälfte sichtbar war, donnerte ein Kanonenschuß an Bord des Avisos ›Santa-Fé‹ und, im Winde sich entfaltend, wurde die Flagge der Argentinischen Republik an der Gaffel des Briggsegels gehißt.

Genau zu derselben Zeit blitzte dem Schiffe gegenüber ein glänzender Lichtschein auf, der von dem obersten Teile eines in Flintenschußweite vom Ufer der Elgorbai befindlichen Leuchtturmes hinausstrahlte, der Bai, worin die ›Santa-Fé‹ verankert lag. Zwei Wächter und eine Gruppe Arbeitsleute am Ufer, sowie die auf dem Vorderteile des Fahrzeuges versammelte Mannschaft begrüßten mit lautem Zuruf das erste an dieser weltentlegenen Küste entzündete Leuchtfeuer.

Zwei weitere und von dem scharfen Echo der Umgebung noch mehrfach wiederholte Kanonenschüsse antworteten darauf; dann wurde, entsprechend den für Kriegsschiffe geltenden Vorschriften, die Flagge wieder eingeholt, und nun wurde es still auf der Stateninsel hier an der Stelle, wo die Gewässer des Atlantischen und des Stillen Ozeans einander begegnen. (Diese Stateninsel ist also nicht mit dem Staten Island im Hafenbereich von New York zu verwechseln.)

Die Arbeiter begaben sich sofort an Bord der ›Santa-Fé‹ und am Lande blieben nur drei Wächter zurück, von denen sich einer schon auf dem Turme auf seinem Posten befand.

Die zwei andern suchten ihre Wohnstätte noch nicht sogleich auf, sondern gingen plaudernd längs des Ufers hin.

»Na, Vasquez, begann der Jüngere von beiden, morgen geht der Aviso nun wieder in See….

– Jawohl, Felipe, antwortete Vasquez, und ich hoffe, er wird keine schlechte Heimfahrt haben.

– O, es ist eine etwas weite Strecke, Vasquez!

– Ach was, der Rückweg ist nicht länger, als es der Herweg war.

– Das möcht‘ ich doch ein bißchen bezweifeln, erwiderte Felipe lachend.

– Zuweilen, Kamerad, fuhr Vasquez fort, braucht man sogar mehr Zeit zu der Ausreise als zu der Rückfahrt, wenigstens wenn man für die zweite einigermaßen günstigen Wind hat. Übrigens sind fünfzehnhundert Meilen (etwa 2800 km) doch keine so große Sache, wenn ein Schiff eine gute Maschine hat und reichlich Segel führt.

– Ja freilich, Vasquez, und dazu kennt der Kommandant Lafayate den Weg ganz genau.

– Nun, der ist ja ganz gerade, alter Junge. Auf der Fahrt hierher ist er nach Süden gesteuert, auf der Heimreise wird er einen Kurs nach Norden einhalten, und wenn der Wind auch weiter vom Lande her stehen bleibt, dann hat der Kapitän den Schutz der Küste und er segelt wie auf einem Flusse hin.

– Nun ja, meinte Felipe, doch auf einem Flusse, der nur ein einziges Ufer hat.

– Das ist gleichgültig, wenn’s nur das ‚gute‘ ist, und das ist’s allemal, so lange man Landwind hat.

– Ganz recht, gab Felipe zu; der Wind hat aber seine Launen, und wenn er nun ins Gegenteil umschlägt….

– Dann hat man eben Pech, Felipe, ich hoffe aber, das werde der ›Santa-Fé‹ erspart bleiben. In vierzehn Tagen kann sie die fünfzehnhundert Meilen recht gut zurückgelegt haben und schon auf der Reede von Buenos-Ayres vor Anker liegen. Freilich, wenn’s dem Winde einfiele, von Osten her zu blasen….

– Dann fände das Schiff weder am Lande noch nach der Seeseite zu einen Schutzhafen.

– Ganz recht, Kamerad. Feuerland oder Patagonien, nirgends ein sicherer Platz! Da heißt’s: hinaus aufs hohe Meer, um nicht gegen die Küste geworfen zu werden.

– Meiner Meinung nach scheint das gute Wetter aber von Dauer zu sein, Vasquez!

– Das glaub‘ ich auch, Felipe. Wir stehen ja erst am Anfang der schönen Jahreszeit. Drei Monate vor sich zu haben, das ist schon etwas.

– Und die Arbeiten, flocht Felipe ein, sind auch zur richtigen Zeit beendet worden.

– Das weiß ich, Kamerad, das weiß ich, mit Anfang Dezember, und das heißt für Seeleute drüben im Norden soviel wie Anfang Juni. Zu der Zeit kommt ja selten so ein Hundewetter, das ein Schiff hin und her zu schleudern ebensowenig Umstände macht, wie es dir die Mütze vom Kopfe reißt. Liegt die ›Santa-Fé‹ aber einmal im Hafen, dann mag es blasen und wehen und drauf losstürmen, wie’s dem Teufel Spaß macht! Für unsre Insel samt ihrem Leuchtturm ist auch nicht zu fürchten, daß sie dabei unterginge.

– Gewiß nicht, Vasquez. Wenn er dann da unten alles über die hiesigen Verhältnisse pflichtschuldigst berichtet hat und der Aviso mit der Ablösung zurückkehrt….

– Erst nach drei Monaten, Felipe.

– Nun ja…. dann wird er die Insel noch an der alten Stelle finden.

– Und uns darauf, Felipe, antwortete Vasquez, der sich die Hände rieb, nachdem er einen kräftigen Zug aus seiner Pfeife getan hatte, so daß er von einer dichten Wolke umhüllt war. Vergiß nicht, Kamerad, wir befinden uns hier nicht an Bord eines Schiffes, das der Sturm jetzt hierhin und dann dorthin verschlägt, oder wenn es ein Schiff wäre, so liegt es doch fest vertäut am Ende von Amerika, und es wird auch nicht vor Anker treiben. Die hiesige Gegend ist ja verrufen, und ich gebe zu, auch mit Recht. Die Meere um Kap Horn, nun ja, die stehen verdientermaßen in schlechtem Ansehen. Daß man die Schiffbrüche an diesen Küsten gar nicht mehr richtig zählt, und daß Seeräuber sich gar kein besseres Feld für ihre verbrecherische Tätigkeit wählen können, das will ich auch ohne Widerrede zugeben. Alles das wird sich aber ändern, Felipe! Hier haben wir nun die Stateninsel mit ihrem Leuchtturme, und dessen Licht wird kein Orkan, und wenn er aus allen Strichen der Windrose pfiffe, zu verlöschen imstande sein. Die Schiffe draußen werden es zeitig genug sehen, ihren Kurs danach bestimmen zu können. Sie werden sich nach dem Feuer richten und selbst in finstrer Nacht nicht mehr Gefahr laufen, an die Uferfelsen des Kaps Sankt Johann, der Landzunge von San-Diegos oder der Fallowspitze anzulaufen. An uns ist es, das Leuchtfeuer zu unterhalten, und was an uns liegt, das wird geschehen!«

Man hätte Vasquez so sprechen hören müssen, mit der Lebhaftigkeit, die auch einen Eindruck auf seinen Kameraden nicht verfehlte. Felipe blickte wohl nicht so leichten Herzens den langen Wochen entgegen, die er auf dieser einsamen Insel zubringen sollte, und auf der er bis zu dem Tage, wo die ersten drei Wächter abgelöst werden würden, außer aller Verbindung mit andern Menschen blieb.

Vasquez schloß seine Rede noch mit den Worten:

»Siehst du, Kamerad, seit vierzig Jahren bin ich als Schiffsjunge, Leichtmatrose, Vollmatrose und Bootsmann ein bißchen auf allen Meeren der Alten und der Neuen Welt umhergefahren. Jetzt, wo nun das Alter herangekommen ist, wo man daran denkt, sich zur Ruhe zu setzen, jetzt kann ich mir gar nichts Besseres vorstellen, als Wärter auf einem Leuchtturm und obendrein auf einem wie dem unsrigen, zu sein… auf dem Leuchtturm am Ende der Welt!«

In der Tat rechtfertigte er diesen Namen wegen der Lage am Ende dieser Insel, die sich hier, so weit von allen bewohnten und bewohnbaren Gebieten der Erde, aus dem stets unruhigen Meere erhob.

»Wie war’s doch, Felipe, nahm Vasquez noch einmal das Wort, indem er seine ausgerauchte Pfeife ausschüttelte, um welche Zeit wirst du Moriz ablösen?

– Um zehn Uhr.

– Schön; da werd‘ ich also um zwei Uhr nachts an deine Stelle treten und bis zum Tagesanbruch wachen.

– Wie da sagst, Vasquez. Für jetzt haben wir aber alle beide nichts Gescheiteres zu tun, als schlafen zu gehen.

– Ja ja, zu Bett, Felipe, zu Bett!«

Vasquez und Felipe wandten sich hiermit der kleinen Einfriedigung zu, in deren Mitte der Leuchtturm aufragte, und sofort betraten sie ihre Wohnung, deren Tür sich hinter ihnen schloß.

Die Nacht war still. Sobald sie zu Ende ging, löschte Vasquez die seit zwölf Stunden brennenden Flammen.

Die Gezeiten, die im Großen Ozean, vorzüglich längs der Küsten Amerikas und Asiens, nur ziemlich schwach auftreten, sind im Gegenteil im Atlantischen Ozean sehr stark und machen sich an den weltfernen Küsten von Magellansland sehr heftig fühlbar.

Da die Ebbe heute morgen um sechs Uhr eintrat, hätte der Aviso, um sie zu benutzen, mit Tagesanbruch auslaufen müssen. Dazu waren aber noch nicht alle Vorbereitungen beendigt, und der Kommandant rechnete nur darauf, die Bucht von Elgor mit Eintritt der zweiten Ebbe dieses Tages zu verlassen.

Die ›Santa-Fé‹, ein Schiff der argentinischen Kriegsflotte, maß nur zwölfhundert Tonnen, hatte eine Maschine von hundertsechzig Pferdekräften und wurde von einem Kapitän und einem zweiten Offizier geführt, die mit den Bootsleuten eine Besatzung von fünfzig Mann unter sich hatten. Das Fahrzeug war eigentlich zur Überwachung der Küsten von der Mündung des Rio la Plata bis zur Le Maire-Enge am Atlantischen Ozean bestimmt. Jener Zeit hatte die Schiffsbaukunst noch keine schnellaufenden Fahrzeuge geliefert, wie die heutigen Kreuzer, die Torpedoboote und andre. Mit Hilfe ihrer Schraube konnte die ›Santa-Fé‹ in der Stunde etwa neun Seemeilen zurücklegen, das genügte aber für die Handhabung der Polizei an den Küsten Patagoniens und der Tierra del Fuego (des Feuerlandes), die ja nur von Fischerfahrzeugen aufgesucht wurden.

Dieses Jahr hatte der Aviso aber die Aufgabe, die Arbeiten beim Bau des Leuchtturms zu beaufsichtigen, den die argentinische Regierung gegenüber der Le Maire-Enge errichten ließ. Das Personal und alles zum Bau notwendige Material war an Bord des Schiffes hierher befördert worden, wo die Arbeiten nach den Plänen eines geschickten Ingenieurs von Buenos-Ayres eben nach Wunsch zu Ende geführt worden waren.

Jetzt hatte die ›Santa-Fé‹ mehrere Wochen im Hintergrunde der Elgorbucht verankert gelegen. Nach Ausladung des für vier Monate nötigen Proviantes und nachdem er sich überzeugt hatte, daß es den Wärtern des neuen Leuchtturmes bis zum Eintreffen der Ablösungsmannschaft an nichts fehlen würde, wollte der Kommandant Lafayate nun die nach der Stateninsel entsandten Arbeiter wieder mit nach Hause befördern. Hätten nicht einige ganz unvorhergesehene Hindernisse die Vollendung des Baues etwas verzögert, so wäre die ›Santa-Fé‹ sicherlich schon seit einiger Zeit in ihrem Heimathafen zurück gewesen.

In der ganzen Zeit seines hiesigen Aufenthalts hatte der Kommandant übrigens im Hintergrunde der gegen Nord-, Süd- und Westwinde gut geschützten Bucht nichts zu fürchten. Nur sehr rauhes Wetter von der offenen See her hätte ihn belästigen können. Der Frühling hatte sich jedoch sehr milde gezeigt, und jetzt, zu Anfang des Sommers, konnte man mit Recht erwarten, daß in den magellanischen Gewässern nur vorübergehende Störungen der Atmosphäre eintreten würden.

Gegen sieben Uhr war es, als der Kapitän Lafayate und sein zweiter Offizier aus ihren unter dem Hinterdeck des Avisos und ganz nahe bei dem Deckhäuschen gelegenen Kabinen traten. Die Matrosen waren noch mit dem Abwaschen des Decks beschäftigt, und das Wasser aus den letzten von den Leuten geleerten Kübeln lief eben durch die Speigatten ab. Gleichzeitig traf der erste Bootsmann schon die ersten Anordnungen, daß alles fix und fertig wäre, wenn die Stunde der Abfahrt herankam. Sollte diese auch erst am Nachmittage erfolgen, so wurden doch bereits die Segelhüllen abgenommen, die Luftzuführungsrohre gesäubert und der kupferne Teil des Kompaßhäuschens und der vergitterten Oberlichter geputzt. Das große Boot brachte man auf seinen Ausholer, und nur das kleine blieb zum Borddienst noch im Wasser.

Als die Sonne aufging, stieg die Landesflagge nach der Gaffel des Briggsegels empor.

Dreiviertel Stunden später schlug es an der Glocke des Vorderteiles vier Glas, und die dadurch zur Wache gerufenen Matrosen traten ihren Posten an.

Nach einem gemeinsamen Frühstück begaben sich die beiden Offiziere nach dem Deck, besichtigten den vom frühzeitigen Landwinde schon ziemlich rein gefegten Himmel und gaben dem Bootsmann Befehl, sie nach dem Ufer übersetzen zu lassen.

An diesem Morgen wollte der Kommandant ein letztes Mal den Leuchtturm und dessen Nebengebäude, das Wohnhaus der Wärter und die Schuppen inspizieren, worin das Heizmaterial und die Mundvorräte aufgestapelt waren, und sich endlich überzeugen, daß alle Apparate tadellos funktionieren.

Er betrat also in Begleitung des Offiziers das Land und begab sich nach der Einfriedigung des Leuchtturms.

Auf dem Wege beschäftigten sich beider Gedanken mit den drei Männern, die nun allein in der traurigen Einöde der Stateninsel zurückbleiben sollten.

»Das ist freilich eine harte Aufgabe, sagte der Kapitän. Immerhin ist dabei nicht zu vergessen, daß die armen Burschen, meist alte Seebären, von jeher ein beschwerliches Leben geführt haben. Für sie ist der Leuchtturmdienst eigentlich ein Ruheposten.

– Ja gewiß, stimmte ihm Riegal zu. Es ist aber doch ein ander Ding, Leuchtturmwärter in einer belebten Gegend und mit leichter Verbindung mit dem Lande zu sein, als hier auf einer öden Insel, die die Schiffe nur peilen, und auch das so weit von ihr entfernt wie möglich…

– Das ist freilich wahr, Riegal. In drei Monaten trifft hier ja eine Ablösung ein, und Vasquez, Felipe und Moriz versehen den ersten Dienst in der mildern Jahreszeit.

– Jawohl, Herr Kapitän; von dem schrecklichen Winter am Kap Horn werden die Drei noch nichts zu leiden haben.

– Ja, der ist hier schrecklich, bestätigte der Kapitän. Seit einer Rekognoszierungsfahrt, die wir vor einigen Jahren in der Meerenge und längs der Küsten von Feuerland und Desolationsland, nach dem Kap der Jungfrauen und dem Kap Pilar, ausgeführt hatten, da hab‘ ich’s kennen gelernt, was tolle Stürme sind! Unsre Wächter aber haben ja eine feste Wohnstätte, die auch kein Orkan zerstören kann. An Lebensmitteln und Kohlen wird’s ihnen nicht fehlen, sollte sich ihre Dienstzeit auch um zwei Monate verlängern. Wir lassen sie hier in gutem Gesundheitszustande zurück und werden sie ebenso wiederfinden. Bläst hier die Luft auch scharf, so ist sie doch rein, wo sich der Atlantische und der Große Ozean begegnen. Übrigens vergessen Sie nicht das eine, Riegal: als das oberste Seeamt Wärter für den Leuchtturm am Ende der Welt verlangte, da hatte es nur die Qual der Wahl.«

Die beiden Offiziere waren inzwischen an die Einfriedigung herangekommen, wo Vasquez und seine Kameraden sie erwarteten. Die Tür sprang auf und sie standen kurze Zeit still, nachdem sie den vorschriftsmäßigen Gruß der drei Männer erwidert hatten.

Ehe der Kapitän Lafayate ein Wort an sie richtete, musterte er die Wärter von den mit schweren Wasserstiefeln bekleideten Füßen an bis zum Kopfe, der von der Kapuze des Wachstuchrockes bedeckt war.

»In der Nacht ist alles gut gegangen? fragte er darauf, an den Oberwärter gewendet.

– Ganz gut, Herr Kommandant, antwortete Vasquez.

– Ihr habt kein Schiff draußen auf dem Meere gesichtet?

– Keines, und da der Himmel ganz dunstfrei war, hätten wir ein Licht noch auf drei bis vier Meilen bemerken können.

– Die Lampen sind immer in Ordnung gewesen?

– Ohne Unterbrechung, Herr Kommandant, bis zum Aufgang der Sonne.

– Oben im Wachzimmer habt ihr auch nicht von der Kälte zu leiden gehabt?

– Nein, Herr Kommandant, das ist überall gut geschlossen, und durch die Doppelfenster kann auch kein Wind eindringen.

– Wir wollen erst einmal eure Wohnung besichtigen und dann den Turm ersteigen.

– Zu Befehl, Herr Kommandant«, antwortete Vasquez.

Dicht neben dem Fuße des Turmes stand das Wohnhaus der Wärter. Es hatte dicke Mauern, die auch dem Ungestüm der Windstöße des magellanischen Gebietes trotzen mußten. Die beiden Offiziere besuchten darin sämtliche, sehr zweckmäßig ausgestattete Räume. Hier drin war nichts zu fürchten, weder vom Regen oder der Kälte, noch von den Schneestürmen, die unter dieser fast antarktischen Breite oft mit entsetzlicher Gewalt auftreten.

Die einzelnen Räume trennte ein schmaler Gang, an dessen Ende sich die Tür befand, durch die man nach dem Innern des Turmes gelangte.

»Wir wollen hinausgehen, sagte der Kapitän Lafayate.

– Zu Befehl, erwiderte Vasquez.

– Es genügt, wenn Sie allein uns begleiten.«

Vasquez gab seinen Kameraden ein Zeichen, im Gange zurückzubleiben. Darauf öffnete er die Tür zur Treppe und die beiden Offiziere folgten ihm nach.

Die schmale Wendeltreppe mit ihren in die Wand eingefügten steinernen Stufen war gar nicht dunkel. Zehn schießschartenähnliche Öffnungen beleuchteten sie von Stockwerk zu Stockwerk.

Als sie das Wachzimmer erreicht hatten, über dem nun unmittelbar die Laterne und die Leuchtapparate lagen, setzten sich die beiden Offiziere auf eine in der Mauer befestigte Rundbank. Durch die vier Fenster dieses Zimmers konnte man den Horizont nach allen Richtungen bequem überblicken.

Obwohl nur ein mäßiger Wind wehte, blies er hier oben doch recht tüchtig, doch ohne den scharfen Schrei der Möwen oder das Gekreisch der Fregattvögel und Albatrosse zu übertönen, die mit mächtigem Flügelschlag vorüberzogen.

Um einen noch freiern Ausblick über die Insel und das sie umgebende Meer zu gewinnen, erstiegen Kapitän Lafayate und sein zweiter Offizier noch die Leiter, die nach der die Laterne des Leuchtturmes umschließenden Galerie führte.

Der ganze Teil der Insel, der sich nach Westen hin vor ihren Augen ausdehnte, war ebenso öde und verlassen wie das Meer, von dem sie von Nordwesten bis Süden ein großes Stück überblicken konnten, dessen Fläche nur im Nordosten durch die Anhöhen am Kap Johann unterbrochen war. Am Fuße des Turmes lag die Elgorbucht vor ihnen, am Ufer jetzt belebt von zahlreichen Matrosen der ›Santa-Fé‹. Auf dem hohen Meere kein Segel, keine Rauchsäule… nichts als der unbegrenzte, schimmernde Ozean.

Nach einviertelstündigem Verweilen auf der Galerie des Leuchtturmes stiegen die beiden Offiziere, denen Vasquez folgte, wieder hinunter und begaben sich sofort zurück an Bord.

Nach einem zweiten Frühstück ließ sich der Kapitän Lafayate mit seinem zweiten Offizier noch einmal ans Land setzen. Sie wollten die letzten Stunden vor der Abfahrt noch zu einem Spaziergange längs der Nordküste der Elgorbucht benutzen.

Schon mehrere Male war der Kapitän am Tage, doch ohne Lotsen – einen solchen gab es auf der Stateninsel natürlich nicht – hier eingelaufen und hatte seinen gewohnten Ankerplatz in einem kleinen Landeinschnitt am Fuße des Leuchtturms aufgesucht. Aus Vorsicht unterließ er es jedoch niemals, einen neuen Teil des noch wenig oder schlecht bekannten Terrains genauer zu besichtigen.

Die beiden Offiziere wanderten also am Strande hin.

Nach Überschreitung der kurzen Landenge, die das Kap Sankt-Johann mit dem Ende der Insel verbindet, besichtigten sie das Hafenbecken gleichen Namens, das an der andern Seite des Kaps eine Art Pendant zur Elgorbucht darstellt.

»Dieser Hafen von Sankt-Johann, bemerkte der Kommandant, ist immerhin sehr wertvoll. Er hat auch für die tiefstgehenden Schiffe stets genug Wasser; zu beklagen ist dabei nur, daß er eine so schwierige Einfahrt hat. Ein wenn auch noch so bescheidenes Leuchtfeuer, das in gewissem Verhältnisse zu dem Leuchtturm von Elgor stände, würde es allen Fahrzeugen ermöglichen, darin bequem Zuflucht zu finden.

– Obendrein ist das der letzte Hafen, den man beim Austritt aus der Magellanstraße findet«, setzte der Leutnant hinzu.

Um vier Uhr waren die beiden Offiziere zurück und gingen an Bord, nachdem sie sich von Vasquez, Felipe und Moriz, die nun am Strande auf die Abfahrt des Avisos warteten, freundlich verabschiedet hatten.

Um fünf Uhr fing die Dampfspannung im Kessel des Schiffes an zu steigen; aus dem Schornstein wirbelten dichte Rauchmassen empor. Die Gezeiten mußten bald zum Stillstand kommen, und die ›Santa-Fé‹ sollte die Anker lichten, sobald die Ebbe bemerkbar wurde.

Dreiviertel sechs gab der Kommandant Befehl, die Maschine Probe laufen zu lassen. Sofort zischte der überschüssige Dampf aus dem Abblaserohr hervor.

Auf dem Vorderteile überwachte der zweite Offizier die nötigen Vorbereitungen; bald war der Anker mittels des Spills aus dem Grunde gebrochen, dann wurde er vollends emporgehoben und auf den Kran ausgepentert.

Begrüßt von den Abschiedsrufen der drei Wärter, setzte sich die ›Santa-Fé‹ langsam in Bewegung. Und was auch Vasquez darüber denken mochte… wenn er und seine Kameraden das Schiff nicht ohne eine innere Erregung davonfahren sahen, die Offiziere und die Mannschaft der ›Santa-Fé‹ fühlten es noch tiefer, die drei Männer auf dieser Insel am Ende Amerikas zurückzulassen.

Nur mit mäßiger Schnelligkeit glitt das Schiff längs des nordwestlichen Ufers der Elgorbucht hin; erst gegen acht Uhr kam es aufs offne Meer hinaus. Nach Umschiffung des Kaps Sankt-Johann verließ es unter Volldampf die Meerenge im Westen, und als es völlig dunkel war, schimmerte das Feuer des Leuchtturms am Ende der Welt nur noch wie ein Stern am fernen Horizonte.