LII.


LII.

Am 25. Januar. – Die Nacht vom 24. zum 25. war dunstig, ich weiß nicht aus welchem Grunde eine der schwülsten, und der Nebel wahrhaft erstickend. Man sollte meinen, daß ein Funke hinreichen müßte, die Luft wie einen explosiven Körper zu entzünden und den ganzen Weltraum in Brand zu setzen. Das Floß bewegt sich nicht nur nicht fort, sondern unterliegt sogar überhaupt keinerlei Bewegung, so daß ich mich manchmal frage, ob es denn noch schwimme.

Wahrend dieser Nacht versuchte ich zu zählen, wie viel wir noch sind. Es scheint mir, als ob wir noch elf Personen wären, aber ich habe Mühe, die nöthigen Gedanken zu dieser Zählung zu sammeln. Einmal finde ich zehn, das andere Mal zwölf. Wir müssen wohl unserer elf sein, da der Neger Jynxtrop umgekommen ist. Morgen können es nur noch zehn sein, denn bis dahin bin ich gestorben.

Ich fühle es recht wohl, daß ich mich dem Ende meiner Qualen nähere, denn mein ganzes vergangenes Leben zieht durch meine Erinnerung, und es ist mir vergönnt, mein Vaterland, meine Freunde, meine Familie zum letzten Male im Traume zu sehen!

Gegen Morgen bin ich erwacht, wenn man die krankhafte Betäubung, in der ich lag, noch Schlaf nennen darf. Gott verzeihe mir, doch ich denke nun ernstlich daran, diesem Zustande ein Ende zu machen! Diese Idee setzt sich in meinem Gehirn immer fester, und es gewährt mir eine Art Freude, mir zu sagen, daß meine Leiden ein Ende haben werden, so bald ich es will.

Ich habe Robert Kurtis von meinem Entschlusse in Kenntniß gesetzt und ihm davon mit einer ganz auffallenden Ruhe des Geistes gesprochen. Der Kapitän begnügt sich, mir durch ein zustimmendes Zeichen zu antworten. Dann aber sagt er:

»Was mich betrifft, so werde ich mich nicht selbst tödten, das hieße meinen Posten verlassen, und das darf ich nicht. Wenn der Tod mich nicht vor den Anderen ereilt, so werde ich bis zuletzt auf dem Flosse ausharren!«

Der Nebel dauert fort, wir schwimmen mitten in einer weißgrauen Atmosphäre; man sieht fast die Wasserfläche gar nicht mehr. Wie eine dichte Wolke erhebt sich der Dunst aus dem Ocean, aber man fühlt es recht gut, daß über ihm die Sonne brennt, die in kurzer Zeit all‘ diesen Wasserdampf aufgesaugt haben wird.

Gegen sieben Uhr glaube ich Vogelgeschrei über meinem Kopfe zu vernehmen. Robert Kurtis, welcher aufmerksam lauscht, hört die Töne, welche sich dreimal wiederholen, ebenfalls.

Beim dritten Male nähere ich mich ihm und höre, wie der Kapitän mit dumpfer Stimme murmelt:

»Vögel! … Aber dann … dann müßte ja das Land nahe sein! …«

Robert Kurtis glaubt also überhaupt noch an das Land? Ich nicht mehr! Nein, es giebt keine Continente, keine Inseln mehr, und der ganze Erdball ist wiederum nur jene flüssige Kugel, wie zur Zeit der zweiten Schöpfungsperiode!

Dennoch erwarte ich das Aufsteigen des Nebels mit erklärlicher Spannung, nicht deshalb, weil ich mir schmeichelte, dann vielleicht Land zu erblicken, sondern weil es mich drängt, den absurden Gedanken, den eine unerfüllbare Hoffnung mir vorspiegeln wollte, schnell los zu werden.

Erst gegen elf Uhr beginnt der Dunst sich zu zerstreuen, und während seine dichten Wolken über die Oberfläche des Wassers gleiten, sehe ich an manchen Stellen durch dieselben den Himmel hindurchschimmern. Glänzende Strahlen dringen bis zu uns nieder und treffen uns wie weißglühende, metallene Pfeile. Doch die Condensation der Dünste vollzieht sich in den oberen Schichten, und noch kann ich den Horizont nicht wahrnehmen.

Eine halbe Stunde lang umhüllen diese Nebel das Floß und zertheilen sich bei der absoluten Windstille nur sehr schwierig.

Robert Kurtis, der sich auf die Schanzkleidung der Plateform stützt, sucht diesen dicken Nebelvorhang mit den Augen zu durchdringen.

Endlich glänzt die Sonne mit ihrer vollen Pracht über die Oberfläche des Oceans; der Nebel weicht zurück, ein großer Kreis um uns wird sichtbar und der Horizont erscheint…

Doch, es ist derselbe Horizont, wie seit sechs vollen Wochen… Eine ununterbrochene runde Linie, in der Himmel und Wasser in einander übergehen!

Nachdem Robert Kurtis sich überall umgesehen hat, verharrt er in tiefem Schweigen. Ach, ich bedaure ihn wirklich, denn von uns Allen ist er der Einzige, der nicht das Recht hat, zu endigen, wann es ihm beliebt. Ich, ich werde morgen sterben, und wenn der Tod nicht kommt, mich abzulösen, so werde ich ihm entgegengehen. Was meine Gefährten betrifft so weiß ich gar nicht, ob sie noch am Leben sind, und es scheint mir, als wären viele, viele Tage verflossen, seit ich sie zum letzten Male gesehen habe.

Die Nacht ist gekommen, doch habe ich keinen Augenblick schlafen können. Gegen zwei Uhr quälte mich der Durst so furchtbar, daß ich laut aufschreien mußte. Wie? Vor dem Tode sollte ich nicht noch einmal die Wollust genießen, das Feuer zu löschen, das meine Brust verzehrt?

Und doch! Ich werde mein eigenes Blut trinken, wenn ich das der Anderen nicht habe. Das wird mir zwar nichts nützen, ich weiß es, doch ich werde mein Leiden betrügen!

Kaum ist dieser Gedanke in mir aufgestiegen, so schreite ich auch schon zu seiner Ausführung. Es gelingt mir, mein Messer zu öffnen. Mein Arm ist entblößt, und mit raschem Stoße zerschneide ich eine Vene. Nur tropfenweise quillt das Blut heraus, und so stille ich meinen Durst an der eigenen Quelle alles Lebens! Dieses Blut kehrt ja wieder in mich zurück, und ich besänftige einen Augenblick meine wilden Schmerzen. Dann stockt es ganz; ihm fehlt die Kraft, zu fließen!

Wie lange dauert es doch, bis jenes morgen kommen will!

Wiederum hat sich am Horizont ein dicker Nebel angehäuft, der den Gesichtskreis, dessen Mittelpunkt das Floß einnimmt, beschränkt; aber dieser Nebel ist glühend, wie die Wolken, die aus einem Schmelzofen ausströmen.

Das ist heute der letzte Tag meines Lebens.

Bevor ich sterbe, würde ich glücklich sein, die Hand meines Freundes zu drücken. Robert Kurtis ist da, nicht weit von mir. Ich schleppe mich zu ihm hin und ergreife seine Hand. Er versteht mich, er weiß, daß das ein Abschied ist, doch es hat den Anschein, als wolle er mich durch einen letzten Gedanken an Hoffnung zurückzuhalten suchen! Das ist vergebens.

Ich hätte auch die Herren Letourneur, Miß Hervey gern noch einmal gesehen … Ich wage es nicht! Das junge Mädchen würde meinen Entschluß mir aus den Augen lesen! Sie würde mir von Gott sprechen, und von dem anderen Leben, das man ergeben erwarten solle! Erwarten! Gott sei mir gnädig, aber ich habe den Muth dazu nicht mehr.

Ich krieche auf dem Flosse hin, und mit der letzten Kraftanstrengung gelingt es mir, mich am Maste aufzurichten. Zum letzten Male lasse ich meine Augen über dieses unerbittliche Meer hinweg schweifen und über den Horizont, der sich nie und nimmer verändert. Wenn mir jetzt ein Land erschiene, oder ein Segel sich über den Wellen erhöbe, so würde ich glauben, der Spielball einer Illusion zu sein … doch das Meer ist öde und verlassen!

Es ist jetzt zehn Uhr Morgens. Der Augenblick, meinen Qualen ein Ende zu machen, ist gekommen. Das Zerren des Hungers und das Stacheln des Durstes zerreißt mich mit erneuter Heftigkeit und der Trieb der Selbsterhaltung erlischt in mir. In einem Augenblicke habe ich aufgehört zu leiden! Gott erbarme sich meiner!

In diesem Moment erhebt sich eine Stimme, ich erkenne die des Zimmermanns.

Daoulas steht neben Robert Kurtis.

»Kapitän, sagt er, wir wollen nun loosen.«

Im Begriffe mich in’s Wasser zu stürzen, halte ich doch ein. Warum? Ich weiß es selbst nicht, doch ich schleppe mich nach dem Hintertheile des Flosses zurück.

XLVII.


XLVII.

Am 18. Januar. – Ich erwarte den Tag mit einer ganz eigenthümlichen Angst! Was wird Hobbart sagen? Mir scheint, er habe ein Recht dazu, mich zu denunciren! Doch nein! Das ist absurd. Wenn ich das Vorgefallene erzählen wollte, wenn ich sagte, wie gut Hobbart lebte, während uns der Hungertod angrinste, wie er sich so lange Tage ohne unser Wissen genährt hat, seine Gefährten würden ihn ohne Erbarmen zerfleischen.

Und doch… ich wünschte, es wäre erst heller Tag.

Augenblicklich ist mein hungriger Magen befriedigt worden, trotzdem, daß das Stückchen Speck nur klein, nur »ein Bissen«, der letzte war, wie der Unglückliche sagte. Indessen, ich leide jetzt nicht mehr, und doch, ich gestehe es offen, mache ich mir fast Vorwürfe, den erbärmlichen Rest nicht mit meinen Unglücksgefährten getheilt zu haben. Ich hätte an Miß Herbey, an André, an seinen Vater denken sollen… und ich habe nur an mich gedacht!

Der Mond steigt langsam nieder, und bald folgt ihm das erste Morgenlicht. Schnell wird es Tag werden, denn wir befinden uns unter jenen niedrigen Breiten, die weder Morgen- noch Abenddämmerung kennen.

Ich habe kein Auge zuthun können; sobald es einigermaßen hell wird, scheint es mir, als schwanke eine unförmliche Masse in halber Höhe am Maste.

Was mag das sein? Noch vermag ich es nicht zu erkennen und verbleibe ausgestreckt auf meinem Segelbündel.

Doch endlich streifen die ersten Sonnenstrahlen über das Meer, und bald sehe ich einen Körper, der an einem Stricke hängt und den Bewegungen des Flosses folgt.

Eine schreckliche Ahnung überschleicht mich fröstelnd und ich nähere mich dem Maste…

Es ist ein Erhängter; und dieser Erhängte ist – der Steward Hobbart, dieser Unglückliche, und ich, ja ich, habe ihn zum Selbstmorde getrieben!

Ich stoße einen Schreckensschrei aus. Meine Gefährten erheben sich, sehen einen Körper und stürzen auf ihn zu. Ob noch ein Fünkchen Leben in ihm schlummere, darnach fragt Niemand!… Uebrigens, Hobbart ist wirklich todt und sein Körper schon erkaltet.

In einem Augenblicke wird der Strick zerschnitten. Der Hochbootsmann, Daoulas, Jynxtrop, Falsten, noch Andere sind bei der Hand, fallen über den Leichnam her…

Nein! Ich habe nichts gesehen! Ich habe nichts sehen wollen – ich nehme keinen Antheil an dieser entsetzlichen Mahlzeit! Weder Miß Herbey, noch André Letourneur oder sein Vater haben eine Erleichterung ihrer Leiden mit diesem Preise bezahlen wollen!

Robert Kurtis? – Das weiß ich nicht… ich habe nicht gewagt, ihn darüber zu fragen.

Die Anderen aber… o, der Mensch verwandelt sich so leicht in ein Raubthier… es ist schrecklich!

Die Herren Letourneur, Miß Herbey und ich, wir haben uns unter das Zelt verkrochen, um nichts mit ansehen zu müssen! Es war schon mehr als zu viel, was wir hörten!

André Letourneur wollte sich auf die Kannibalen stürzen und ihnen die grauenvollen Ueberreste entreißen, so daß ich Noth hatte, ihn davon zurückzuhalten.

Und übrigens, es war ja ihr Recht, das Recht der Unglücklichen! Hobbart ist ja todt; sie haben ihn nicht gemordet! Und wie eines Tages der Hochbootsmann sagte, »es ist besser, von einem Todten zu essen, als von einem Lebendigen«!

Wer weiß aber, ob dieser Auftritt nicht die Einleitung zu noch schrecklicheren sein wird, welche das Floß mit Blut besudeln könnten!

Ich theile André Letourneur meine Gedanken mit, aber ich vermochte das Entsetzen nicht zu unterdrücken, das bei ihm seinen Höhepunkt erreicht und alle seine Qualen verstummen läßt.

Indeß, man bedenke, wir sterben vor Hunger, und acht unserer Gefährten können nun diesem grausamen Tode vielleicht entgehen!

Hobbart war, Dank seinen versteckten Vorräthen, der Wohlgenährteste von uns. Keine organische Krankheit hat sein Körpergewebe verändert, in voller Gesundheit ist er durch einen Gewaltstreich aus dem Leben geschieden! …

Doch zu welcher entsetzlichen Schlußfolgerung läßt sich mein Geist hinreißen? Wohin gerathe ich? Flößen mir jene Kannibalen jetzt mehr Vergnügen oder mehr Abscheu ein?

In diesem Augenblicke erhebt einer derselben seine Stimme. Es ist Daoulas, der Zimmermann.

Er spricht davon, Meerwasser zu verdampfen, um Salz zu gewinnen.

»Und das Übrigbleibende salzen wir ein, sagt er.

– Ja«, antwortet der Hochbootsmann.

Dann wird es still. Der Vorschlag des Zimmermanns ist ohne Zweifel angenommen worden, denn ich höre nichts mehr. Ein tiefes Schweigen herrscht wieder an Bord des Flosses, und ich schließe daraus, daß meine Gefährten schlafen.

Sie haben jetzt keinen Hunger mehr.

XLVIII.


XLVIII.

Am 19. Januar. – Während dieses Tages derselbe Himmel, dieselbe Temperatur, und auch die Nacht kommt heran, ohne eine Aenderung in diesem Zustande herbei zu führen. Nicht einige Stunden habe ich schlafen können.

Gegen Morgen höre ich Zornesrufe an Bord.

Die Herren Letourneur und Miß Herbey, die mit mir unter demselben Zeltdache verweilen, erheben sich. Ich schlage die Leinwand zurück und sehe nach, was vorgeht.

Der Hochbootsmann, Daoulas und die anderen Matrosen sind in furchtbarer Aufregung. Robert Kurtis, der im Hintertheile sitzt, springt auf und sucht Jene, nachdem er sich nach der Ursache ihres Zornes erkundigt hat, zu beruhigen.

»Nein! Nein! Wir müssen wissen, wer uns das angethan hat, ruft Daoulas und schleudert wilde Blicke um sich herum.

– Ja, fällt der Hochbootsmann ein, es ist ein Dieb hier, da unsere Ueberbleibsel verschwunden sind.

– Ich war es nicht! – Ich auch nicht!« antworten die Matrosen Einer nach dem Anderen.

Ich sehe die Unglücklichen alle Ecken durchsuchen, die Segel aufheben, die Planken der Plateform verschieben. Ihre Wuth wächst nur, je länger sie vergeblich suchen.

Der Hochbootsmann kommt auf mich zu.

»Sie müssen den Dieb kennen, sagt er.

– Den Dieb von was? Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen,« habe ich ihm geantwortet.

Daoulas und einige andere Matrosen nähern sich.

»Wir haben das ganze Floß durchwühlt, sagt Daoulas, jetzt ist nur noch dieses Zelt zu untersuchen…

– Niemand von uns hat dieses Zelt verlassen, Daoulas.

– Wir müssen nachsehen.

– Nein, laßt die in Ruhe, welche nahe daran sind, vor Hunger zu sterben!

– Mr. Kazallon, sagt der Hochbootsmann in ruhigem Tone zu mir, wir beschuldigen Sie nicht… wenn Einer von Ihnen sich seinen Theil genommen hätte, den er gestern verschmähte, so wäre das ja sein Recht. Aber Alles ist abhanden gekommen, Alles, Sie verstehen mich!

– Untersuchen wir das Zelt!« ruft Sandon.

Die Matrosen dringen vor, und ich vermag den Unglücklichen, die der Zorn verblendet, nicht zu wehren. Eine schreckliche Furcht erfaßt mich… sollte Mr. Letourneur nicht für sich, doch für seinen Sohn das vielleicht gethan haben?… Wenn es der Fall ist, werden diese Furien ihn zerreißen.

Ich sehe Robert Kurtis an, wie um von ihm Schutz zu erbitten, und der Kapitän stellt sich an meine Seite. Er hält beide Hände in den Taschen, doch vermuthe ich, daß er darin eine Waffe habe.

Inzwischen haben Miß Herbey und die Herren Letourneur auf Anordnung des Hochbootsmannes das Zelt verlassen müssen, das man bis in die geheimsten Winkel durchsucht – doch zum Glück vergebens.

Offenbar sind die Reste Hobbart’s, da man sie nirgends findet, in’s Meer geworfen worden.

Der Hochbootsmann, der Zimmermann und die Matrosen überlassen sich der wüthendsten Verzweiflung.

Doch wer hat das gethan? Ich sehe Miß Herbey an, Mr. Letourneur, und ihre Blicke antworten mir, daß sie es nicht sind.

Meine Augen schweifen zu André, der einen Moment den Kopf wegwendet.

Der unglückliche junge Mann! Sollte er es gewesen sein? Und wenn dem so ist, hat er sich die Folgen seiner That vergegenwärtigt?

XLIX.


XLIX.

Vom 20. bis 22. Januar. – Während der folgenden Tage haben Diejenigen, welche an der schauderhaften Mahlzeit am 18. Januar Theil nahmen, nur wenig gelitten, da sie ihren Hunger und Durst gestillt hatten.

Doch was Miß Herbey, Andre Letourneur, sein Vater und ich leiden, kann das eine Feder schildern? Sind wir nicht zu bedauern, daß jene Reste verschwunden sind, und wenn Einer von uns mit Tode abgeht, werden wir dann auch noch zu widerstehen vermögen? …

Der Hochbootsmann, Daoulas und die Anderen haben nun auch wieder Hunger bekommen und sehen uns mit verwirrten Blicken an. Betrachten sie uns als sichere Beute?

In der That, wovon wir am meisten leiden, das ist nicht der Hunger, sondern der Durst. Gewiß, hätten wir zwischen einigen Tropfen Wasser und einem Stück Zwieback zu wählen, wir würden nicht im Zweifel sein. Von Schiffbrüchigen in denselben Verhältnissen wie wir ist das wiederholt ausgesprochen worden und verhält sich auch wirklich so. Man leidet vom Durst noch empfindlicher, als vom Hunger, und stirbt an jenem schneller.

Und, o abscheulicher Spott, rings um sich hat man das Wasser des Meeres, das dem Trinkwasser ja so ähnlich sieht! Wiederholt habe ich versucht, einige Tropfen davon zu genießen, aber es erzeugt mir einen unüberwindlichen Ekel und nur noch heftigeren Durst.

O, das ist zu viel! Seit zweiundvierzig Tagen haben wir nun das Schiff verlassen! Wer von uns kann sich noch einer Illusion für die Zukunft hingeben? Sind wir nicht verdammt Einer nach dem Andern langsam hinzusterben, und das durch eine der schrecklichsten Todesarten?

Ich fühle, wie sich mein Gehirn allmälig umnebelt. Wie ein Wahnsinn erfaßt es mich, und ich habe Mühe, mich bei Verstand zu erhalten. Dieser Zustand erschreckt mich! Wohin wird er mich noch führen? Werde ich stark genug sein, meine Vernunft zu bewahren? …

Ich bin wieder zu mir gekommen, nach wie viel Stunden, vermag ich nicht zu sagen. Meine Stirn fand ich mit Compressen bedeckt, die Miß Herbey sorgfältig mit Seewasser tränkte, doch ich fühle, daß ich nur noch kurze Zeit zu leben habe.

Heute, am 22., spielt eine entsetzliche Scene. Der Neger Jynxtrop, der plötzlich toll geworden ist, läuft heulend auf dem Floß umher. Robert Kurtis versucht ihn aufzuhalten, doch vergeblich. Er wirft sich auf uns, um uns zu zerfleischen, so daß wir Mühe haben, uns gegen die Angriffe dieses wilden Thieres zu wehren. Jynxtrop hat einen Hebebaum ergriffen, und wir können seinen Schlägen nur schwer ausweichen.

Plötzlich wendet er sich, als flackere der Wahnsinn auf’s Neue auf, gegen sich selbst und zerreißt sich mit den eigenen Zähnen, zerkratzt sich mit den Nägeln und spritzt uns sein Blut in’s Gesicht mit dem Rufe:

»Da trinkt! Trinkt doch!«

Dann stürzt er sich über die Brüstung, und ich höre seinen Körper in’s Meer fallen.

Der Hoochbotsmann, Falsten und Daoulas eilen nach vorn, um den Körper womöglich zu erhaschen, aber sie sehen nur noch einen blutigen Kreis, in dessen Mitte sich die Haifische herumtreiben.

L.


L.

Am 22. und 23. Januar. – Nur elf sind wir noch an Bord, und mir erscheint es unmöglich, daß nicht jeden Tag ein neues Opfer hinzu käme. Das Ende des Dramas, es sei wie es will, kommt nun heran. Vor Ablauf einer Woche müssen wir entweder an’s Land gestoßen oder von einem begegnenden Schiffe aufgenommen worden sein, oder aber der letzte Ueberlebende des Chancellor hat aufgehört, zu athmen.

Am 23. hat sich das Aussehen des Himmels auffallend verändert und die Brise ist merklich stärker geworden. Der Wind ging im Laufe der Nacht nach Nordosten. Das Segel des Flosses hat sich wieder aufgebläht, und ein langes Kielwasser beweist uns, daß wir nicht unerheblich vorwärts treiben. Der Kapitän schätzt unsere Bewegung auf drei Meilen in der Stunde.

Robert Kurtis und der Ingenieur Falsten befinden sich offenbar noch am besten unter uns, und obwohl auch sie im höchsten Grade abgemagert erscheinen, so ertragen sie doch alle Entbehrungen mit erstaunlicher Ausdauer. Wie sehr die arme Miß Herbey angegriffen ist, vermag ich gar nicht zu schildern. Sie ist nur noch ein Geist, aber ein wachsamer Geist, der ganz und gar in ihren Augen zu wohnen scheint, welche ganz außerordentlich leuchten. Sie lebt mehr im Himmel, als auf der Erde!

Auch der Hochbootsmann, der sonst eine so große Energie zeigte, ist doch jetzt vollkommen erschlafft. Man erkennt ihn nicht mehr. Sein Kopf sinkt ihm auf die Brust, seine langen, knochigen Arme hängen schlotternd herab, und spitzig treten die Knieschneiben unter seinen abgenutzten Beinkleidern hervor, – so sitzt er unbeweglich in einem Winkel des Flosses und erhebt kaum seine Augen. Wie unähnlich ist er der Miß Herbey, er, der nur in und mit dem Körper lebt, und dessen Bewegungslosigkeit eine so vollkommene ist, daß ich manchmal auf den Gedanken komme, er sei schon gestorben.

Kein Wort, keinen Seufzer mehr hört man auf dem Flosse. Rings herrscht Grabesruhe. Nicht zehn Sylben werden den Tag über gewechselt, und die wenigen Worte, die unsere vertrockneten und verhärteten Lippen hätten aussprechen können, wären nicht einmal zu verstehen gewesen. Das Floß trägt nur noch blasse, blutlose Gespenster, die nichts Menschliches mehr an sich haben!

VI.


VI.

Vom 8. bis 13. Oktober. – Der Wind weht mit einer gewissen Heftigkeit aus Nordosten, und der Chancellor hat mit gerefften Marssegeln und den Focksegeln beilegen müssen.

Die See geht hoch, und das Schiff arbeitet schwer. Die Zwischenwände der Cabinen seufzen mit einem nervenerschütternden Geräusche. Die Passagiere halten sich in der Hauptsache unter dem Deck auf.

Ich allein ziehe es vor, auf dem Verdeck zu bleiben. Aus der »frischen Brise« ist die Bewegung der Luftschichten in die der »scharfen Windstöße« übergegangen. Die Bramstangen sind herabgelassen. Der Wind legt jetzt in der Stunde fünfzig bis sechzig Meilen (d. h. gegen dreißig Meter in der Secunde) zurück. Seit zwei Tagen fahren wir so dicht als möglich am Winde. Trotz der guten Eigenschaften des Chancellor weicht das Schiff merklich ab und treiben wir mehr nach Süden. Der durch Wolken verdunkelte Himmel gestattet keine Aufnahme der Sonnenhöhe, und da man die Lage des Schiffes demnach nicht zu bestimmen vermag, so muß man sich mit einer Schätzung derselben begnügen.

Meinen Reisegefährten, gegen die sich der zweite Officier nicht ausgesprochen hat, ist es völlig unbekannt, daß wir einen ganz unerklärlichen Weg verfolgen. England liegt im Nordosten und wir segeln nach Südosten!

Robert Kurtis vermag sich die Hartnäckigkeit des Kapitäns nicht zu deuten, der doch mindestens versuchen sollte, nordwestlich zu steuern, um günstige Strömungen zu erreichen! Seitdem der Wind nach Nordosten gegangen ist, treibt der Chancellor mehr und mehr nach Süden.

Heute, als ich mich mit Robert Kurtis allein auf dem Oberdeck befand, sprach ich ihn darum an.

»Ist Ihr Kapitän von Sinnen? fragte ich.

– Das möchte ich Sie fragen, Herr Kazallon, antwortete mir Robert Kurtis, da Sie ihn aufmerksam beobachtet haben.

– Ich weiß nicht recht, was ich Ihnen darauf antworten soll, Herr Kurtis, doch gestehe ich, daß seine ganz eigenthümliche Physiognomie, seine verstörten Augen … fahren Sie zum ersten Male mit ihm?

– Ja, er war mir früher unbekannt.

– Und Sie haben ihm Ihre Bemerkungen über den von uns eingeschlagenen Weg nicht vorenthalten?

– Gewiß nicht, doch er entgegnete mir, daß das der richtige sei.

– Herr Kurtis, fuhr ich fort, was denken aber Lieutenant Walter und der Hochbootsmann darüber?

– Sie denken wie ich.

– Und wenn Kapitän Huntly das Schiff nach China führte?

– So würden sie gehorchen wie ich.

– Der Gehorsam hat aber seine Grenzen?

– Nein, so lange die Führung des Kapitäns das Schiff nicht in Gefahr bringt.

– Wenn er aber geisteskrank wäre?

– Ja, wenn er das ist, Herr Kazallon, dann werde ich sehen, was zu thun ist!«

An solche Verhältnisse hatte ich freilich nicht gedacht, als ich mich auf dem Chancellor einschiffte.

Inzwischen ist das Wetter immer schlechter geworden; über den Atlantischen Ocean braust ein vollkommener Sturm. Das Schiff war gezwungen, mit dem großen Bramsegel und dem kleinen Focksegel beizulegen, d. h. es bietet dem Winde seine Breitseite. Trotzdem weicht es mehr und mehr ab, und immer weiter gelangen wir nach Süden.

Darüber kann kein Zweifel mehr sein, nachdem der Chancellor in der Nacht vom 11. zum 12. in die große Sargasso-See gelangt ist.

Diese Sargasso-See, welche der warme Golfstrom angehäuft hat, ist eine weite Wasserstrecke, bedeckt mit Varecpflanzen, welche die Spanier »Sargasso« nennen, und über welche die Schiffe des Columbus bei ihrer ersten Fahrt über den Ocean nur sehr schwer hinwegkamen.

Bei anbrechendem Tage bietet uns das Meer einen ganz eigenthümlichen Anblick, der auch die Herren Letourneur veranlaßt, trotz des brausenden Windes, der auf den metallenen Strickleitern spielt, als wären es Harfensaiten, auf Deck zu kommen. Unsere Kleider sind fest und eng an den Körper gebunden, und würden zerrissen werden, wenn sie der Wind irgendwo erfassen könnte. Das Schiff schwankt auf diesem durch die fruchtbaren Fucus-Familien verdeckten Wasser, einer weiten Fläche von niederen Gewächsen, durch welche sich der Kiel wie eine Pflugschaar hindurch arbeitet, furchtbar hin und her. Manchmal treibt der Wind lange Faserschlingen hoch empor, die sich um die Takelage wickeln und gleich grünen Guirlanden von einem Maste zum anderen hängen. Einige dieser oft mehrere hundert Fuß langen Algen umschlingen die Maste bis zu den Spitzen. Mehrere Stunden lang hat man gegen diesen wahrhaften Sturmangriff der Varecs anzukämpfen, und nachmals muß der Chancellor mit seinem von Hydrophyten und sonderbaren Lianen bedeckten Strickwerk mehr einem wandelnden Bosquet in einer ungeheuren Wiese ähnlich gesehen haben.

XL.


XL.

Am 7. Januar. – >Seit einigen Tagen spült das Meer fast unaufhörlich über die Plattform des Flosses hinweg, und hat nach und nach die Füße einiger Matrosen wund gemacht. Owen, den der Bootsmann seit der Revolte im Vordertheil gefesselt hält, ist in bejammernswerthem Zustande, und seine Bande werden auf unsere Bitten hin gelöst. Auch Sandon und Burke haben durch das ätzende Salzwasser mehr oder weniger gelitten, und sind wir Andern nur deshalb davon verschont geblieben, weil das Hintertheil des Flosses den Wellen weniger ausgesetzt ist.

Heute hat sich der Hochbootsmann in wüthendem Hunger auf das Segelzeug, so wie auf Holzstücke gestürzt, und noch immer höre ich seine Zähne diese Stoffe zermalmen. Der Unglückliche sucht nur seinen Magen zu füllen, um die Schleimhäute desselben wieder einmal auszudehnen. Zuletzt findet er an einem der Maststücke, welche die Plattform tragen, ein Stück Leder. Dieses Leder ist ja eine thierische Materie, deren er sich bemächtigt, sie verzehrt, und mit welcher er sich doch einige Erleichterung zu verschaffen scheint. Alle thun es ihm nach. Ein Hut von gummirtem Leder, die Sturmriemen der Mützen, jede animalische Substanz wird angenagt. Uns treibt ein bestialischer Instinct, dem Niemand zu widerstehen vermag. Einen Augenblick scheint es, als ob wir aller menschlichen Eigenschaften beraubt wären, und niemals werde ich diese Scenen vergessen!

Wenn auch der Hunger nicht eigentlich zu stillen war, so ist doch sein Drängen eine Zeit lang unterdrückt. Einige unter uns konnten diese Art Nahrung freilich nicht einmal vertragen und fingen darauf an, an Uebelkeiten zu leiden.

Man verzeihe mir diese Einzelheiten! Ich mag Nichts verhehlen, was die Schiffbrüchigen des Chancellor zu leiden hatten! Man wird aus diesen Berichten erfahren, welches moralische und physische Elend menschliche Wesen zu ertragen im Stande sind! Das verleihe diesem Tagebuche seinen Werth! Ich werde nichts verschweigen, und leider ahnet mir, daß wir unsere Leiden noch nicht erschöpft haben!

Eine Beobachtung, die ich während der oben erwähnten Scene zu machen Gelegenheit hatte, bestärkt mich in meinem Verdacht gegen den Steward. Trotzdem daß Hobbart sein Jammern nicht unterbrach, ja es wo möglich noch übertrieb, hat er sich bei jener Scene nicht betheiligt. Wenn man ihn hört, sollte man glauben, daß er schon Hungers sterbe, und wenn man ihn sieht, scheint er allein von den allgemeinen Qualen verschont zu sein. Besitzt dieser Heuchler noch einen geheimen Vorrath? Ich habe ihn schon überwacht, aber noch nichts entdecken können.

Die Hitze ist immer bedeutend und sogar unerträglich, wenn die Brise sie nicht mäßigt. Unser Wasservorrath ist gewiß unzureichend, aber der Hunger ertödtet in uns den Durst. Und wenn ich mir nun gar noch sage, daß die Entbehrung des Wassers uns noch mehr foltern wird, als die der festen Nahrung, so kann ich es kaum glauben, oder mir wenigstens nicht augenblicklich vergegenwärtigen. Doch steht diese Thatsache unzweifelhaft fest, und Gott wolle es verhüten, daß wir auch das noch auskosten sollen!

Zum Glück enthält die halb zerbrochene Wassertonne noch immer einige Pinten Wasser, und die andere ist ja noch unversehrt. Trotzdem sich unsere Anzahl vermindert hat, so hat der Kapitän dennoch, entgegen dem Widerspruche von manchen Seiten, die täglichen Rationen auf eine halbe Pinte herabgesetzt. Ich stimme ihm hierin vollständig bei.

Vom Branntwein haben wir nur noch eine Viertel-Gallone übrig, die auf dem Hintertheile des Flosses an sicherer Stelle untergebracht ist.

Heute, am 7., gegen ein halb acht Uhr Abends, hat wieder Einer von uns aufgehört zu leiden. Wir sind nur noch vierzehn! Der Lieutenant Walter hat sein Leben in meinen Armen ausgehaucht, und weder die Sorgfalt Miß Herbey’s, noch die meinige hat ihm nützen können … er hat überstanden!

Wenige Minuten vor seinem Tode hat der Lieutenant Miß Herbey und mir mit einer kaum noch zu verstehenden Stimme seinen Dank ausgesprochen.

»Mr. Kazallon, flüsterte er und ließ einen zerknitterten Brief aus seiner zitternden Hand gleiten, dieser Brief … von meiner Mutter …, ich habe keine Kräfte mehr … der letzte, den ich erhielt … sie schreibt mir: »Ich erwarte Dich, mein Kind, ich will Dich wiedersehen!« Nein, Mutter, Du wirst mich nicht mehr wiedersehen! Mr. … diesen Brief … legen sie ihn dahin, auf meine Lippen, da … dahin, ihn küssend will ich sterben … meine Mutter … mein Gott! …«

Ich habe den Brief aus Lieutenant Walter’s schon erkalteter Hand genommen und ihn auf seine Lippen gelegt. Noch einen Augenblick schien sein Auge aufzuleuchten, und wir hörten ein schwaches Geräusch, wie von einem Kusse!

Er ist todt, der Lieutenant Walter! Gott sei seiner Seele gnädig!

V.


V.

Am 7. October. – Wir haben Charleston vor zehn Tagen verlassen, und wie mir scheint, gute Fahrt gemacht. Ich plaudere häufig mit dem zweiten Officier, und es hat sich zwischen uns eine gewisse Vertrautheit ausgebildet.

Heute meldet mir Robert Kurtis, daß wir uns nicht weit mehr von den Bermuden-Inseln, d. h. gegenüber dem Cap Hatteras, befinden. Die Beobachtung hat 32º 20′ nördliche Breite und 64º 50′ westliche Länge von Greenwich ergeben.

Wir werden die Bermuden, und speciell die Insel St. Georg, noch vor Nacht in Sicht bekommen, sagte mir der zweite Officier.

– Wie, habe ich ihm geantwortet, wir steuern auf die Bermuden? Ich war der Meinung, daß ein von Charleston nach Liverpool segelndes Schiff nach Norden halten und dem Golfstrome folgen müsse.

– Gewiß, Mr. Kazallon, antwortete Robert Kurtis, gewöhnlich schlägt man diese Richtung ein, es scheint aber, als habe der Kapitän für dieses Mal die Absicht, davon abzugehen.

– Warum?

– Das weiß ich nicht, er hat aber befohlen nach Osten zu steuern, so geht der Chancellor nach Osten!

– Haben Sie ihm aber nicht bemerkt, daß…

– Ich habe ihm bemerkt, daß das nicht der gebräuchliche Weg sei, und er hat mir geantwortet, daß er schon wisse, was er zu thun habe.«

Bei diesen Worten zog Robert Kurtis mehrmals die Augenbrauen zusammen, strich mit der Hand über die Stirn und schien mir nicht Alles auszusprechen, was er sagen wollte.

»Inzwischen, Mr. Kurtis, habe ich ihm gesagt, wir sind schon am 7. October, und das scheint mir keine geeignete Zeit, neue Schiffswege versuchsweise zu befahren. Wenn wir noch vor Eintritt der schlechten Jahreszeit in Europa anlangen wollen, haben wir keinen Tag zu verlieren.

– Nein, Mr. Kazallon, nicht einen Tag!

– Halten Sie mich für indiscret, Mr. Kurtis, wenn ich die Frage an Sie richte, was Sie von Kapitän Huntly halten?

– Ich denke, antwortete mir der zweite Officier, ich denke, daß … er mein Kapitän ist!«

Diese ausweichende Antwort konnte nicht zu meiner Beruhigung dienen.

Robert Kurtis hatte sich nicht getäuscht. Gegen drei Uhr meldete der auslugende Matrose: Land in Sicht im Nordosten! Noch ist dasselbe freilich nur wie eine Dunstschicht sichtbar.

Um sechs Uhr begab ich mich mit den beiden Herren Letourneur auf das Verdeck, und wir betrachteten die im Allgemeinen sehr flachen Bermuden-Inseln, welche eine Kette gefährlicher Riffe umschließt.

»Da liegt also der reizende Archipel, beginnt André Letourneur, die pittoreske Gruppe, welche Ihr heimatlicher Dichter, Thomas Moore, in seinen Oden gepriesen hat! Schon im Jahre 1643 lieferte der verbannte Walter eine enthusiastische Beschreibung derselben, und wenn ich nicht irre, wollten englische Damen eine Zeit lang keine anderen Hüte tragen, als solche, die aus gewissen Blättern einer bermudischen Palme geflochten waren.

– Sie haben recht, lieber Andrè, antwortete ich, der Bermuden-Archipel war im siebenzehnten Jahrhundert sehr in Mode; jetzt ist er indessen ganz in Vergessenheit gerathen.

– Uebrigens, Herr Andrè, sagte da Robert Kurtis, die Dichter, welche mit Enthusiasmus von diesem Archipel sprechen, stimmen mit den Seeleuten keineswegs überein; denn das Land, dessen Anblick so verführerisch erscheint, ist zu Schiffe sehr schwierig zu erreichen, und der Klippengürtel, der sich halbkreisförmig in der Entfernung von zwei bis drei Stunden um dasselbe zieht, wird von den Seefahrern mit Recht gefürchtet. Was die ewige Heiterkeit des Himmels betrifft, die von den Bewohnern der Bermuden so gern hervorgehoben wird, so unterbrechen dieselbe ziemlich häufig gerade die heftigsten Stürme. Ueber diese Inseln rasen die Ausläufer der Wirbelstürme, die in den Antillen oft so viel Unheil anrichten, ja, und eben jene Ausläufer sind, ebenso wie der Schweif des Walfisches, am meisten zu fürchten. Ich für meinen Theil möchte aber Seefahrern auf dem Atlantischen Oceane nicht rathen, den Berichten eines Walter oder Thomas Moore zu viel Glauben beizumessen.

– Herr Kurtis, hebt da lächelnd Andrè Letourneur an, Sie mögen wohl recht haben. Die Dichter gleichen häufig den Sprichwörtern, das eine widerspricht immer dem anderen. Hat Thomas Moore und Walter diesen Archipel als einen wundervollen Aufenthalt gepriesen, so hat dagegen der größte Ihrer Dichter, Shakespeare, der ihn ohne Zweifel besser kannte, die schrecklichsten Scenen seines »Sturmes« dahin verlegen zu sollen geglaubt.«

In der That sind die Umgebungen des Bermuden-Archipels eine sehr gefährliche Gegend. Die Engländer, denen die Inselgruppe seit ihrer Entdeckung gehört, benutzen sie nur als einen zwischen den Antillen und Neu-Schottland eingeschobenen Militärposten.

Uebrigens scheint jener, und zwar in großem Maßstabe, zu wachsen bestimmt. Mit der Zeit – dem Principe, dem die größten Schöpfungen der Natur ihre Entstehung verdanken – dürfte dieser Archipel, der jetzt schon über hundertundfünfzig Inseln zählt, deren eine noch weit größere Menge aufweisen, denn unablässig sind die Sternkorallen thätig, neue Bermuden aufzubauen, die sich nach und nach unter einander verbinden, und wohl einen neuen Kontinent zu bilden berufen sind.

Weder die drei anderen Passagiere, noch Mrs. Kear haben sich die Mühe genommen, das Verdeck zu besteigen, um den merkwürdigen Archipel zu betrachten. Was Miß Herbey angeht, so war diese nur auf dem Oberdeck erschienen, als sich schon die näselnde Stimme der Mrs. Kear vernehmen ließ und das junge Mädchen wieder neben ihrer launischen Herrin Platz zu nehmen nöthigte.

XLI.


XLI.

Am 8. Januar. – Die ganze Nacht über bin ich neben dem todten Körper geblieben, und Miß Herbey hat wiederholt Gebete für sein Seelenheil verrichtet.

Bei Anbruch des Tages ist der Leichnam völlig erkaltet. Ich hatte Eile … ja! Eile, ihn in’s Meer zu werfen, und ersuchte Robert Kurtis, mir in diesem traurigen Geschäfte beizustehen. Nach Einhüllung in seine Kleidungsstücke werden wir ihn den Wellen übergeben, und ich hoffe, daß er bei seiner außerordentlichen Magerkeit sich nicht schwimmend erhalten wird.

Mit Tagesgrauen treffen wir, Robert Kurtis und ich, gewisse Vorsichtsmaßregeln, nicht gesehen zu werden, und entnehmen den Taschen des Lieutenants noch einige Gegenstände, welche dessen Mutter zugestellt werden sollen, wenn Einer von uns am Leben bleibt.

Eben als ich den Leichnam in die Kleidungsstücke bringen will, die ihm als Bahrtuch dienen sollen, kann ich eine Bewegung des Entsetzens nicht unterdrücken.

Der rechte Fuß fehlt, das Bein ist nur noch ein blutiger Stumpf!

Wer ist der Urheber dieser Schändung? Ich bin also doch wohl in der Nacht einmal der Ermüdung erlegen, und Jemand hat sich meinen Schlummer zu Nutzen gemacht, diesen Körper zu verstümmeln. Aber wer, wer hat das gethan?

Robert Kurtis sieht rings umher, und seine Augen sprühen Flammen. An Bord bemerkt man nichts Ungewöhnliches, nur einige Jammerlaute unterbrechen das Stillschweigen. Vielleicht belauert man uns! Eilen wir, die Ueberreste in’s Meer zu bringen, um noch schrecklichere Auftritte zu vermeiden.

Nach einem kurzen Gebete des Kapitäns lassen wir den Leichnam in die Fluthen gleiten, in denen er sofort versinkt.

»Donnerwetter! Die Haifische werden gut gemästet!«

Wer sprach das? Ich drehe mich um. Es war der Neger Jynxtrop.

Der Bootsmann stand gleichfalls in meiner Nähe.

»Vermuthen Sie, sage ich zu ihm, daß jene Unglücklichen diesen Fuß …

– Diesen Fuß … ah, ja! erwidert mir der Hochbootsmann. Im Uebrigen war das ihr Recht.

– Was? Ihr Recht? rufe ich erstaunt.

– Herr, entgegnet der Hochbootsmann, es ist besser, einen Todten zu verzehren, als einen Lebendigen!«

Diese frostige Antwort läßt mich verstummen, und ich gehe, um mich zu sammeln, nach dem Hintertheile des Flosses.

Gegen elf Uhr überrascht uns ein glücklicher Zufall. Der Hochbootsmann, der schon seit dem Morgen seine Angelschnuren wieder hat nachschleppen lassen, erzielt einen Erfolg, – er hat drei Fische gefangen. Es sind drei ziemlich große Schellfische von vierundzwanzig Centimeter Länge und zu der Art gehörig, welche getrocknet unter dem Namen »Stockfisch« bekannt ist.

Kaum hat der Hochbootsmann die drei Fische an Bord gezogen, so stürzen sich die Matrosen auf dieselben. Der Kapitän Kurtis, Falsten und ich werfen uns dazwischen, und die Ordnung ist bald wieder hergestellt. Es ist freilich wenig, drei Schellfische für vierzehn Verhungerte, doch es bekommt Jeder seinen Theil. Die Einen verschlingen die Fische roh, man möchte sagen, noch lebend, und das thun die Meisten. Robert Kurtis, André Letourneur und Miß Herbey haben die Ueberwindung, zu warten. Auf einer Ecke des Flosses entzünden sie mittels einiger Stückchen Holz ein Feuer und rösten ihren Antheil. Ich habe nicht denselben Muth gehabt und verzehre das Fleisch noch blutend!

Mr. Letourneur ist nicht weniger ungeduldig gewesen, als ich und die meisten Anderen. Wie ein ausgehungerter Wolf stürzte er sich auf das ihm zukommende Stück Fisch. Wie vermag dieser unglückliche Mann, der so lange Zeit nichts genossen hat, nur überhaupt noch zu leben? – Ich begreife das nicht.

Ich erwähnte die große Freude des Bootsmannes, als er seine Angelleinen einzog, und diese Freude steigert sich fast bis zum Wahnwitz. Wenn der Fischfang noch weitere Beute liefert, ist es sicher, daß er uns vor einem grauenvollen Tode rettet.

Ich spreche deshalb mit dem Hochbootsmann und treibe ihn an, seine Versuche zu wiederholen.

»Ja wohl! antwortet er mir, ja … gewiß … ich werde es thun! …

– Und warum legen Sie die Schnuren nicht schon wieder ein?

– Jetzt nicht! erwidert er ausweichend. Die Nacht ist günstiger als der Tag zum Fange der größeren Fische, und wir dürfen auch den Köder nicht verschwenden, denn vorhin haben wir Dummköpfe auch nicht ein Stückchen übrig gelassen, um es zum nächsten Fischfang zu verwenden!«

Das ist wahr, und der Fehler vielleicht nicht wieder gut zu machen.

»Indessen, werfe ich ein, da es Ihnen das erste Mal gelang ohne Lockspeise …

– Ich hatte welche.

– Eine gute?

– Eine ausgezeichnete, Herr, da jene Fische darauf anbissen!«

Ich sehe den Bootsmann an, dessen Blick auch auf mir haftet.

»Haben Sie auch noch etwas für Ihre Angelhaken übrig? frage ich.

– Ja wohl«, antwortete der Seemann mit leiser Stimme und wendet sich ohne ein weiteres Wort weg.

Die dürftige Nahrung hat uns aber doch einige Kräfte gegeben und neue Hoffnungen erweckt. Wir sprechen von dem Fischfange des Hochbootsmannes und können es gar nicht glauben, daß dieser nicht wiederholt von Erfolg sein werde. Sollte das Geschick endlich satt sein, uns zu prüfen?

Ein unwiderleglicher Beweis dafür, daß in unserem Geiste eine Veränderung vor sich gegangen ist, liegt für mich darin, daß wir anfangen, von der Vergangenheit zu reden. Unsere Gedanken sind nicht einzig und allein auf die martervolle Gegenwart gerichtet oder auf die furchtbare Zukunft, die uns doch drohend bevorsteht. Die Herren Letourneur, der Ingenieur Falsten, der Kapitän Kurtis und ich erinnern uns der einzelnen Vorkommnisse seit dem Schiffbruche, lassen die Bilder der Umgekommenen an uns vorüberziehen, die Details der Feuersbrunst, die Strandung des Fahrzeugs, das Ham-Rock-Eiland, den Leck, die schreckliche Fahrt in den Mastkörben, das Floß, den Sturm, alle jene Zufälle, welche uns jetzt so fern zu liegen scheinen. Ja! Alles das hat uns betroffen, und doch leben wir noch!

Wir leben! Aber kann man diesen Zustand wirklich ein »Leben« nennen? Von achtundzwanzig sind wir nur noch vierzehn übrig, bald vielleicht nur noch dreizehn.

»Eine böse Zahl! sagt der junge Letourneur, doch würden wir wohl große Mühe haben, einen Vierzehnten1 für uns zu finden!«

In der Nacht vom 8. zum 9. hat der Hochbootsmann seine Leinen auf’s Neue ausgelegt und ist selbst auf dem Hintertheile des Flosses geblieben, da er die Ueberwachung jener Niemandem anvertrauen wollte.

Am Morgen gehe ich auf ihn zu. Kaum graut der Tag, und mit den brennenden Augen sucht der Angler schon die Dunkelheit des Wassers zu durchdringen. Er hat mich weder schon gesehen, noch kommen hören.

Ich berühre leise seine Schulter; er wendet sich halb erschrocken um.

»Nun, wie steht’s, Bootsmann?

– Die verdammten Haifische haben mir den Köder weggeschnappt! antwortet er mit tonloser Stimme.

– Und sie haben keinen mehr?

– Nein! Und wissen Sie, was damit bewiesen ist? fügt er hinzu und drückt mir den Arm. Damit ist bewiesen, daß man nichts blos halb thun soll …«

Ich lege meine Hand auf seinen Mund; ich habe ihn verstanden!

Armer Walter! …

  1. In Paris leben eine Anzahl Leute von dem sonderbaren Erwerbe, bei Gesellschaften, welche zufällig nur aus dreizehn Personen bestehen, zur Aushilfe als »Vierzehnte« einzuspringen.

XLII.


XLII.

Am 9. und 10. Januar. – Heute herrscht in der Atmosphäre um uns wieder vollkommene Ruhe. Die Sonne brennt, die Brise schweigt ganz und gar und keine Furche unterbricht die langen Wellen des Meeres, das sich unmerklich hebt. Wenn keine Strömung vorhanden ist, deren Richtung wir nicht zu bestimmen im Stande sind, so muß das Floß ganz unbeweglich fest stehen.

Ich sagte, daß die Hitze heute unerträglich sei; unser Durst ist aber in Folge dessen noch weit unerträglicher. Zum ersten Male leiden wir ganz entsetzlich von dem Mangel an Wasser, und mir wird es nun deutlicher, daß die Qualen des Durstes noch schrecklicher sind, als die des Hungers. Schon hat sich bei den Meisten von uns der Mund, der Schlund und der Kehlkopf vor Trockenheit zusammengeschnürt, und die Schleimhäute verhornen fast durch die warme Luft, welche das Athmen ihnen zuführt.

Auf meine Bitte geht der Kapitän für dieses Mal von dem gewohnten Régime ab. Er erlaubt eine doppelte Wasserration, und wir haben an diesem Tage unseren Durst vier Mal, wohl oder übel, stillen können. Ich sage »wohl oder übel«, denn dieses auf dem Boden der Tonne befindliche Wasser ist trotz der Bedeckung mit einem nassen Segel ganz lauwarm geworden.

Alles in Allem ist heute ein böser Tag, und von Neuem verfallen die Matrosen unter den Qualen des Hungers der Verzweiflung.

Auch bei Aufgang des Mondes hat sich die Brise nicht wieder erhoben. Da aber die Nächte in den Tropen immer etwas frisch sind, so gewährt das uns doch einige Erleichterung; während des Tages aber bleibt die Temperatur ganz unerträglich, und diese so auffällige Erhöhung derselben unterstützt die Meinung, daß wir weiter nach Süden getrieben sind.

Nach dem Lande auszulugen, hat man jetzt ganz aufgegeben. Der ganze Erdball scheint nur noch eine Wasserkugel zu sein – immer und ewig der grenzenlose Ocean!

Am 10. dieselbe Ruhe, dieselbe Hitze. Der Himmel gießt nur einen Feuerregen auf uns herab, und wir athmen glühende Luft. Unser Bedürfniß zu trinken wächst ohne Maß, und wir vergessen fast die Pein des Hungers; mit solcher Gier erwarten wir den Augenblick, bis Robert Kurtis die wenigen Tropfen unserer Wasserrationen austheilt. O, könnten wir uns nur einmal satt trinken, könnten wir unseren Vorrath erschöpfen und dann sterben!

In diesem Augenblicke, – es ist jetzt Mittag, – wird einer unserer Gefährten von den heftigsten Schmerzen ergriffen, die ihm manchen gräßlichen Schrei auspressen. Es ist der elende Owen, der im Vordertheil liegend sich unter schrecklichen Convulsionen krümmt.

Ich schleppe mich zu ihm hin. Was er auch verbrochen haben mag, die Menschlichkeit gebietet es, zu versuchen, ob ihm einige Hilfe zu bringen ist.

Aber gleichzeitig stößt der Matrose Flaypol einen lauten Schrei aus; ich drehe mich um.

Flaypol ist am Maste in die Höhe geklettert, und seine Hand zeigt nach Osten gegen den Horizont.

»Ein Schiff!« ruft er.

Schnell sind Alle auf den Füßen. Eine Todesstille herrscht an Bord. Auch Owen vergißt seine Schmerzen und hat sich mit erhoben.

Wirklich ist in der von Flaypol bezeichneten Richtung ein weißlicher Punkt sichtbar. Aber ändert er denn seine Stelle? Ist es ein Segel?

Was denken die Seeleute darüber, welche ja dafür ein so scharfes, geübtes Auge haben?

Ich beobachte Robert Kurtis, der mit gekreuzten Armen den weißen Punkt in’s Auge faßt, seine Wangen springen vor, alle Theile seines Gesichtes sind in Folge der Zusammenziehung der kreisförmigen Augenmuskeln emporgedrängt, seine Augenbrauen runzeln sich, seine Lider sind halb geschlossen, und er concentrirt in seinem Blicke alle ihm zu Gebote stehende Sehkraft. Wenn jener weiße Punkt ein Segel ist, wird er sich darüber nicht täuschen.

Doch nein, er schüttelt den Kopf, seine Arme fallen schlaff herab.

Ich sehe dorthin. Der weiße Punkt ist nicht mehr vorhanden. Es war kein Schiff, es war irgend ein Reflex, ein schäumender Wellenkamm, oder, wenn es ein Schiff gewesen ist, so ist es eben wieder verschwunden.

Welch‘ eine Niedergeschlagenheit folgt diesen Momenten der Hoffnung! Alle haben wir unseren gewohnten Platz wieder eingenommen. Robert Kurtis verharrt unbeweglich, aber er mustert den Horizont nicht mehr.

Da wiederholen sich Owen’s Schmerzensschreie heftiger als zuvor. Sein ganzer Körper windet sich unter der qualvollen Pein, und sein Anblick ist wahrhaft erschreckend. Seine Kehle schnürt ein spasmodischer Krampf zusammen, seine Zunge ist trocken, der Leib aufgetrieben, der Puls klein, schnell und unregelmäßig. Der Unglückliche leidet an convulsivischen Bewegungen und selbst an tetanischem Zucken.

Diese Symptome lassen keinen Zweifel übrig: Owen ist durch ein Kupferoxyd vergiftet.

Wir haben kein Gegenmittel, um die Wirkung des Giftes zu neutralisiren, doch kann man wohl Erbrechen hervorrufen, um den Mageninhalt des Kranken fortzuschaffen. Warmes Wasser muß diesen Erfolg erzielen, und ich bitte also Robert Kurtis um etwas Wasser. Der Kapitän sagt es mir zu. Doch die Flüssigkeit der ersten Tonne ist zu Ende gegangen, und ich will meinen Bedarf also aus der zweiten noch unberührten entnehmen, als Owen sich auf die Knie erhebt und mit einer Stimme, welche kaum noch eine menschliche zu nennen ist, ausruft:

»Nein! Nein! Nein!«

Warum dieses Nein? Ich kehre zu Owen zurück und erkläre ihm, was ich vorhabe. Noch entschiedener widersetzt er sich aber, von diesem Wasser zu trinken.

Ich versuche demnach durch Kitzeln des Schlundes bei dem Unglücklichen Erbrechen zu erzeugen, und bald giebt er auch bläuliche Massen von sich. Es ist nur zu gewiß, daß Owen mit einem Kupfersulfat, mit Kupfervitriol vergiftet ist, und was wir auch vornehmen, Owen ist verloren!

Aber auf welche Weise hat er sich vergiften können? Das Erbrechen hat ihm einige Erleichterung verschafft, und er vermag endlich zu sprechen. Der Kapitän und ich, wir fragen ihn…

Ich mag es gar nicht versuchen, den Eindruck zu schildern, den die Antwort des Unglücklichen auf uns machte!

Owen hat, von unbezähmbarem Durst getrieben, einige Pinten Wasser aus der noch unberührten Tonne gestohlen, und das Wasser aus derselben ist vergiftet!