Kapitel 15

 

15

 

Trainor wollte gerade weiterreden, als ein so schrilles Klingeln durch das Haus schallte, daß alle erschrocken auffuhren.

 

»Was war das?« fragte Hurley Brown schnell.

 

»Die Einbrecherglocke, Sir«, keuchte Miller und deutete durch die offene Tür nach dem Schlafzimmerfenster.

 

Wieder schrillte die Klingel.

 

»Die Einbrecherglocke? Was meinen Sie damit?«

 

»Sie ist an der Feuerleiter angebracht … Eine Alarmvorrichtung zum Schutz gegen Einbrecher. Wenn jemand das untere Stück der Leiter herunterzieht, was er tun muß, wenn er heraufklettern will, wird ein Kontakt hergestellt und der Alarm ausgelöst.«

 

Trainor rannte ins Schlafzimmer, riß die Balkontür auf und blickte von dem kleinen eisernen Balkon aus in den Hof hinunter. Undeutlich sah er eine Gestalt, die eben von den letzten Stufen der Leiter heruntersprang, einen Moment strauchelte und im nächsten Augenblick in der Dunkelheit verschwunden war.

 

Die andern waren ihm ins Schlafzimmer gefolgt. Trainor drehte sich um, und sie standen sich ratlos gegenüber.

 

»Merkwürdig, daß die Glocke nicht ging, als ich vorhin hinunterstieg«, murmelte er kopfschüttelnd.

 

Die Lösung des Rätsels brachte der Portier, der in diesem Augenblick ins Zimmer gestürzt kam.

 

»Ich habe vor zehn Minuten das untere Ende der Feuerleiter mit der Taschenlampe untersucht, Sir, weil ich daran dachte, daß vielleicht jemand auf diesem Weg in das Haus eingedrungen sein könnte. Zufällig leuchtete ich dabei an die Stelle, an der die Leitungen für die Alarmvorrichtung ein Stück weit offen liegen. Ein Draht war zerschnitten …«

 

»Und Sie haben die Leitung gleich wieder geflickt?« nickte Trainor.

 

»Ich hielt das in Anbetracht der Umstände für besser«, antwortete der Portier. »Natürlich wollte ich es Ihnen noch melden.«

 

»Damit ist der Fall erledigt«, seufzte Brown. »Natürlich war der Draht noch zerschnitten, als Trainor das erste Mal hinunterstieg, und der Portier hat ihn geflickt, kurz bevor der Fremde hier heraufwollte. – Ich glaube nicht, Doktor, daß man uns hier jetzt noch weiter benötigt. Wir überlassen den Fall Inspektor Trainor. Rufen Sie den Polizeiarzt an, Inspektor?«

 

»Er ist krank«, antwortete der Beamte. »Statt dessen kommt Dr. Lane vom Paddington-Distrikt. – Was meinen Sie – ich halte Miller am besten unter Beobachtung?« fragte er mit gedämpfter Stimme Hurley Brown.

 

»Auf jeden Fall, Inspektor. Ich glaube zwar nicht, daß er etwas mit dem Morde zu tun hat, aber Sie könnten ihn immerhin beobachten lassen. Prüfen Sie auch genau nach, was er gestern abend gemacht hat und wo er sich aufhielt.«

 

Die beiden Herren verabschiedeten sich und überließen Trainor seiner Arbeit.

 

Dieser holte vor allen Dingen aus dem immer noch zitternden Miller eine möglichst genaue Beschreibung des Besuchers, der am Abend über den Lieferantenaufgang gekommen war, heraus. Die Morgenblätter des nächsten Tages, die die Geschichte des Verbrechens ihren Lesern auftischten, brachten die Personenbeschreibung des Verdächtigen folgendermaßen:

 

 

Unter Mordverdacht gesucht: Ein Mann, genannt ›Charlie‹, etwa 1,70 Meter groß, schmächtig. Er trug einen dunkelbraunen Anzug und einen beigen Mantel, dazu einen braunen Hut, schwarze Lackschuhe, gelbe Handschuhe und einen grauen Seidenschal. Alter ungefähr 32. Die Hautfarbe ist dunkel, der Mann geht etwas vornübergebeugt und hat eine heisere Stimme.

 

 

Um drei Uhr morgens kamen noch weitere Beamte der Mordkommission, die Inspektor Trainor halfen. Um fünf Uhr erschien der übermüdete Distriktsarzt, der nach kurzer Untersuchung die Überführung des Toten ins Leichenhaus anordnete.

 

Trainor, der die ganze Nacht damit beschäftigt gewesen war, die Papiere des Ermordeten zu sichten, übergab nun die Aufsicht einem Unterbeamten und fuhr in die Edwards Street 903. Er läutete an der Haustür, und gleich darauf öffnete ihm eine müde aussehende junge Dame.

 

»Sind Sie Miss Martin?« fragte Inspektor Trainor.

 

»Ja«, antwortete Beryl.

 

»Ich bin Polizeiinspektor und möchte mit Ihnen sprechen hier – ist mein Ausweis.«

 

Es kam ihm so vor, als hielte sich die junge Dame nur mit Mühe aufrecht.

 

»Kommen Sie herein«, sagte Beryl schwach.

 

Sie drehte jetzt erst das Licht in der Diele an, und er bemerkte, daß sie einen weitärmeligen Morgenrock trug. Anscheinend war sie eben aus dem Bett aufgestanden … Aber sie mußte vollkommen wach gewesen sein, als er geläutet hatte. Die Schnelligkeit, mit der sie auf sein Klingeln hin die Tür geöffnet hatte, sprach dafür.

 

»Ich fürchte, ich habe eine schlechte Nachricht für Sie, Miss Martin«, sagte er, als sie ihn in das kleine Wohnzimmer geführt hatte.

 

»Betrifft es Mr. Louba?« fragte sie schnell.

 

Er nickte ernst.

 

»Ist er …?«

 

»Er ist tot«, antwortete der Detektiv sachlich. »Ermordet.«

 

Sie stand von dem Stuhl auf, den sie sich an den Tisch herangezogen hatte, und starrte ihn stumm an.

 

»Tot!« wiederholte sie und legte die Hand vor die Augen. »Ist das wirklich wahr?«

 

»Es tut mir leid, Miss, aber es ist so, wie ich sage. Wann sahen Sie Mr. Louba das letzte Mal? Soviel ich weiß, sind Sie mit ihm verlobt?«

 

Sie stand da wie gelähmt. Erst nach einer Weile antwortete sie ihm mit gepreßter Stimme.

 

»Tot? Sind Sie sicher? Ja, ich bin mit Mr. Louba verlobt – das heißt, ich war es.«

 

»Kennen Sie diese Scheine?« Er nahm ein kleines Bündel Papiere aus der Tasche und legte sie auf den Tisch.

 

Sie nickte.

 

»Es sind Schuldscheine über eine sehr große Summe, Miss Martin. Würden Sie mir sagen, wie sie in Mr. Loubas Hände kamen?«

 

»Ich habe das Geld beim Bridgespielen verloren, und Mr. Louba legte es für mich aus«, erklärte sie stockend.

 

»War das, bevor Sie verlobt waren?«

 

Sie nickte wieder.

 

»Diese Schuldscheine sind doch der eigentliche Grund, warum Sie Loubas Antrag annahmen, wie?« fragte Trainor.

 

»Ja, ich glaube, so ähnlich war es wohl.«

 

»Wann hatten Sie die entscheidende Unterredung mit Mr. Louba, Miss Martin?«

 

Sie fuhr sich mit zitternder Hand über die Lippen.

 

»Gestern abend«, entgegnete sie, und der Schweiß trat ihr auf die Stirn.

 

»Sie waren vorher mit einem anderen Herrn verlobt, nicht wahr?«

 

»Nein, nein … das stimmt nicht«, erwiderte sie mit verzweifeltem Trotz.

 

»Ich dachte immer, Sie wären mit Mr. Leamington verlobt gewesen?«

 

»Wir waren befreundet und standen uns sehr nahe«, sagte sie. »Aber wir waren nicht – wir waren nicht verlobt.«

 

»Wann verlobten Sie sich mit Mr. Louba?«

 

»Ich sagte es Ihnen doch schon, gestern abend!«

 

»Wann sahen Sie Mr. Leamington das letzte Mal?«

 

Eine lange Pause, in der Beryl krampfhaft nach einer Antwort suchte.

 

»Ebenfalls gestern abend«, sagte sie dann. »Er fuhr mich nach Hause.«

 

»Wußte Mr. Leamington, daß Sie Louba heiraten wollten?«

 

»Ja.«

 

»War er überrascht?«

 

Beryl schaute hilflos im Raum umher, als ob sie diesem Kreuzverhör entfliehen wolle.

 

»Ja, er war überrascht«, flüsterte sie.

 

»Sagten Sie ihm auch den Grund? Ich meine, erwähnten Sie die Schuldscheine?«

 

Er tippte auf das Bündel Papiere.

 

»Ich weiß es nicht mehr«, antwortete sie hastig. »Ich weiß es wirklich nicht mehr.«

 

»Hm, wurde Mr. Leamington nicht wütend? Sagte er etwas gegen Louba?«

 

»Kein einziges Wort, er war ganz ruhig«, beteuerte sie heftig.

 

»Das soll ich Ihnen glauben, Miss Martin?« Trainor ließ die Augen nicht von ihrem Gesicht. »Sahen Sie Mr. Leamington nicht noch einmal später – in der vergangenen Nacht?«

 

»Nein, nein! Ich schwöre Ihnen, daß ich ihn kein einziges Mal mehr sah.«

 

»Wie lange sind Sie schon zu Hause?«

 

»Seit zehn Uhr.«

 

»Stimmt das auch?« fragte er geduldig. »Der Polizist, der in Ihrer Straße Streifendienst hat, sagt, er hätte Sie viel später nach Hause kommen sehen.«

 

»Oh … Es kann auch später gewesen sein«, gab sie zu. »Aber warum interessiert Sie denn das alles?« »Wo waren Sie heute abend, Miss Martin?«

 

»Ich war im Kino – im Apollo.«

 

»Allein?«

 

»Ja, ich gehe oft allein.«

 

Der Detektiv stand auf und steckte umständlich die Schuldscheine in seine Jackentasche.

 

»Glauben Sie nicht, es wäre besser für sie und für alle andern Beteiligten, wenn Sie mir alles erzählten, was Sie von dem Mord an Mr. Louba wissen?«

 

»Ich weiß nichts, gar nichts. Ich habe erst von Ihnen erfahren, was passiert ist.«

 

»Aber trotzdem warteten Sie auf mein Kommen«, sagte Trainor in einem Ton, der schärfer war, als er bisher geredet hatte.

 

»Niemanden erwartete ich«, flüsterte sie.

 

Ihr ängstliches Gesicht, ihre zitternden Hände sahen bejammernswert aus.

 

»Wenn ich Ihnen nun sage, daß Sie zwischen zehn und elf Uhr in der Nähe von Braymore House gesehen wurden, was dann? Antworten Sie, Miss Martin.«

 

Dies war nichts als ein Bluff Inspektor Trainors – genauso, wie der Polizeibeamte erfunden war, der sie angeblich nach Hause hatte kommen sehen. Trainor war ein erfahrener Kriminalist, und so wie die Dinge lagen, glaubte er auf der richtigen Spur zu sein.

 

Trotzdem überraschte ihn ihre Antwort.

 

»Sie sahen mich? Oh, warum ging ich nur hin …? Warum nur …«

 

»Sie gingen hin, weil Sie annahmen, daß Mr. Loubas Leben in Gefahr sei – in Gefahr durch Mr. Leamington. Und Sie wollten Mr. Leamington abfangen. Stimmt das?«

 

Sie gab es stumm zu.

 

»Und er kam?«

 

»Nein«, entgegnete sie mit einer letzten Willensanstrengung. Alle Kraft zusammenraffend, wiederholte sie energisch: »Er kam nicht, ich wartete bis ein Uhr, und dann ging ich nach Hause.«

 

Sie hielt seinem durchdringenden Blick ohne Wimpernzucken stand.

 

»Ich kann Sie nicht zwingen, die Wahrheit zu sagen, und ich kann Sie vorerst nichts weiter fragen«, sagte er achselzuckend und schritt zur Tür. »Aber ich fürchte, ich muß Sie bald wieder aufsuchen – vielleicht sogar sehr bald, Miss Martin.«

 

In seinem Ton lag etwas Drohendes, und das Mädchen verstand ihn vollkommen.

 

Sie ging hinter ihm her auf den Vorplatz. Dort schaute er sich, anscheinend zufällig, in seiner raschen, gründlichen Art nach allen Seiten um. Plötzlich langte er nach dem Griff eines Schirmes, der am Garderobenständer hing.

 

»Gehört der Schirm Ihnen?«

 

»Ja«, sagte sie überrascht.

 

»Hatten Sie ihn heute abend bei sich?«

 

Sie zauderte einen Moment.

 

»Ja«, gab sie dann zu.

 

»Der Vorplatz war dunkel, als Sie nach Hause kamen, nicht wahr?«

 

Sie nickte verwirrt.

 

»Bitte zeigen Sie mir die Handschuhe, die Sie bei sich hatten.«

 

»Dort – im Kasten am Garderobenständer. Es sind alte, graue Lederhandschuhe …«

 

Er öffnete den Kasten und nahm die Handschuhe heraus. Während er sie genau betrachtete, lehnte sie sich, kalkweiß im Gesicht, an die Wand. Sie hatte im selben Moment wie Trainor gesehen, daß auf den Handschuhen eingetrocknete rote Flecken waren. Und als er den Schirm noch einmal unters Licht hielt, bemerkte sie schaudernd, daß auch der helle Griff rot gefärbt war.

 

»Merkwürdig«, sagte der Inspektor ruhig. »Ich werde diese Gegenstände an mich nehmen – Sie haben doch nichts dagegen?«

 

Sie antwortete nichts, sondern stand noch immer stumm an die Wand gelehnt – sie stand noch da, als er sie schon lange verlassen hatte.

 

Kapitel 1

 

1

 

Ein Schuß zerriß die Stille. Captain Hurley Brown fuhr herum – er wußte sofort, was geschehen war.

 

Reggie Weldrake! Der junge Mann war mit verstörtem Gesicht an ihm vorbei in sein Zimmer gerannt und hatte die Tür hinter sich zugeschlagen. Hätte er ihn nur aufgehalten …

 

Hurley Brown hatte einen solchen Gesichtsausdruck schon einmal bei einem Menschen gesehen. Auch jener Mann – genau wie Reggie Weldrake ein junger Offizier – war eben von einer letzten Unterredung mit Emil Louba zurückgekommen … Auch damals fiel gleich darauf ein Schuß.

 

Nachdem der Captain vorher Reggie gesehen hatte, war er voll Unruhe im Gang stehengeblieben und hatte eine Zigarette nach der anderen gepafft, unschlüssig, ob er sein eigenes Quartier aufsuchen sollte. Unentwegt mußte er an das verzerrte Gesicht Weldrakes denken. Als der Captain sich eben entschloß, doch an der Tür seines Kameraden zu klopfen, krachte der Schuß. Mit zwei Sätzen war Brown an der Tür und rüttelte an der Klinke.

 

Es war abgeschlossen, und obwohl er mit aller Kraft gegen die Tür hämmerte und laut rief, kam keine Antwort – er erwartete auch keine. Mit seinen schweren Schuhen trat er gegen das Schloß und hatte es schon beinahe zertrümmert, als McElvie, Weldrakes Bursche, und ein paar Offiziere und Diener die Treppe heraufstürzten. Ihren vereinten Kräften gab das Schloß so plötzlich nach, daß sie alle miteinander einige Schritte in das Zimmer hineintaumelten.

 

Reggie Weldrake aufzurichten, ihm zu helfen, war sinnlos. Schon ein oberflächlicher Blick genügte, um festzustellen, daß er tot war. Den Raum durchzog ein beißender Geruch; Weldrakes Finger hielten immer noch krampfhaft den Armeerevolver umspannt.

 

»Dieser verfluchte Louba, der Teufel soll ihn holen!« Brown brach als erster das unheimliche Schweigen, und die anderen stimmten mit kräftigen Verwünschungen ein.

 

»Wenn sich doch jemand finden würde, der diesen Dreckskerl umlegt. Malta wäre bedeutend sauberer«, erklärte McElvie grimmig. Kein Mensch war anderer Meinung. Es war jedem ganz klar, daß Louba die Ursache dieser Tragödie war. Schließlich war es kein Einzelfall!

 

Captain Brown haßte Louba besonders. Schon zu oft hatte er es miterlebt, wie nette, ein wenig leichtsinnige Burschen durch ihn und seinesgleichen ruiniert wurden. Er hatte auch längst den Entschluß gefaßt, diesen Louba aus Malta hinauszubefördern. Sein erster Schritt war es deswegen gewesen, sich mit seinen Vorgesetzten auf der Militärbehörde in Verbindung zu setzen – mit allem Nachdruck hatte er sie auf den schlimmen Einfluß aufmerksam gemacht, den Loubas Unternehmen auf die Truppen der Insel ausübte.

 

Brown hatte das Unheil, dem Reggie Weldrake entgegensteuerte, kommen sehen. Hätte der Junge nur ein wenig mehr Vertrauen zu ihm gehabt – aber alle seine Versuche, ihn zu warnen, waren fehlgeschlagen. Wahrscheinlich hatte Reggie schon zu tief in der Sache dringesteckt, als daß er sich noch hätte frei machen können.

 

Der Captain strich sich mit der Hand über die Stirn und riß sich zusammen. Die andern harten inzwischen den Toten aufs Bett gelegt – sie überließen ihn jetzt seiner Einsamkeit. Mit einem kurzen Entschluß trennte sich Brown von den Kameraden und ging quer über die Straße; dorthin, wo eine grell aufflammende Reklameschrift den Eingang zu Loubas Lokal kennzeichnete.

 

Das Kabarett, das er betrat, war nur eine prunkvolle Attrappe für den anderen, bedeutend wichtigeren Teil des Unternehmens. Nach einigen Schritten blieb er stehen – irgend etwas Außergewöhnliches mußte passiert sein.

 

Das Lärmen der Jazz-Musik war verstummt, die allgemeine Unterhaltung wie abgestorben. Auf den Tischen standen die Gläser unberührt, und alle Augen starrten neugierig nach einer Richtung. Auf der niedrigen Bühne im Hintergrund des Saales schien zwischen einem der Gäste und der Sängerin der Jazz-Band eine Auseinandersetzung im Gang zu sein. Der Mann, mit dem sich das Mädchen zankte, war sehr dick. Er hatte ein volles, hochrotes Gesicht, und neben der aufdringlichen Eleganz seiner Kleidung schien ihn vor allem seine Zungenfertigkeit auszuzeichnen.

 

Brown näherte sich langsam der Tür zu den Spielsälen. Im gleichen Moment wurden die verdeckenden Vorhänge davor beiseite geschoben, und Emil Louba trat ein.

 

»Gut, daß du kommst«, unterbrach der beleibte Herr seinen Redefluß.

 

»Ah, da Costa – mein Freund da Costa! Schau mal einer an …«, ließ sich Louba mit einer geradezu katzenschnurrenden Sanftmut vernehmen.

 

»Hat sich was von wegen Freund – dein Ruin werde ich sein!« brüllte da Costa aufgeregt. Gegen den großen, breitschultrigen Louba erschien er recht klein, und als der andere ihn grinsend von oben herab betrachtete und nur ein wenig mit seinem schwarzen Schnurrbart zuckte, schrie da Costa in einem neuen Wutanfall: »Schon wieder hast du dich in meine Angelegenheiten eingemischt! Wann wirst du das endlich unterlassen?«

 

»In der Liebe und im Geschäft ist alles fair, mein Bester verstanden? Deswegen können wir trotzdem gute Freunde bleiben … Aber komm, wir stören den Betrieb.«

 

Er packte da Costas Arm und versuchte, ihn außer Sicht und Hörweite der gaffenden Menge zu zerren. Da Costa fiel jedoch nicht auf sein freundliches Lächeln herein und schrie energisch:

 

»Ich will den Betrieb stören! Das Mädchen da hat einen Vertrag mit mir … Ich zahle ihr dreimal soviel Gage, wie sie wert ist …, ich habe sie ausgebildet, und mir verdankt sie alles …!«

 

»Sie lügen!« kreischte das Mädchen in kräftigem Diskant dazwischen. »Sie haben mir überhaupt nichts zu sagen – ich kann hingehen, wohin ich will, und …«

 

»Und die Dame zieht eben Malta diesem erbärmlichen Tripolis vor«, schaltete sich Louba wieder ein. »Das ist es.«

 

»Wenn das alles wäre – aber es ist noch lange nicht alles, du hast bei mir noch viel mehr auf dem Kerbholz!« explodierte da Costa. »Habe ich irgendwo eine gute Sache eingefädelt, dann kommst sofort du und machst mir Konkurrenz. Oder du machst mir meine besten Künstler abspenstig, oder …«

 

»Oder ich beweise auf andere Art, daß ich der Tüchtigere von uns beiden bin«, sekundierte ihm Louba grinsend. »Geschäft ist ein feines Spiel, da Costa – wenn man zu spielen versteht. Und jetzt komm! Du hast den Betrieb lange genug gestört.«

 

Seine Finger gruben sich noch ein wenig tiefer in da Costas fetten Arm, und er zerrte ihn wieder ein oder zwei Schritte nach der vorhangverhängten Tür.

 

»Undankbares Frauenzimmer! Du kommst sofort mit nach Tripolis zurück oder bezahlst mir den Kontraktbruch«, drohte da Costa, indem er sich losriß und auf die Frau zusprang.

 

Er fuchtelte ihr mit der Faust vor dem Gesicht herum, aber sie war seinen Beschimpfungen durchaus gewachsen – in einem halben Dutzend Sprachen schrie sie ihn an, bis Louba dazwischentrat.

 

»Ruhig jetzt und weitergearbeitet!« kommandierte er und schob sie zur Bühne.

 

Er gab den Musikern ein Zeichen, winkte zwei Kellnern, und als ob es überhaupt keine Unterbrechung gegeben hätte, spielte die Kapelle weiter. Das Mädchen zauberte sofort ein verführerisches Lächeln auf ihr Gesicht und begann mit mehr heiserer als dunkler Stimme den neuesten Schlager der Saison. Gleichzeitig packten die zwei Kellner da Costa und zerrten ihn quer durch den Saal auf die Straße, wo sie sich noch einige Zeit mit ihm herumbalgten.

 

Louba verbeugte sich vor den Gästen; sein glattes, schwarzes Haar schimmerte in der Saalbeleuchtung.

 

»Bitte tausendmal um Entschuldigung« meinte er geschmeidig. »Wenn man ein so erstklassiges Etablissement hat wie ich, muß man eben mit dem Neid der Konkurrenz rechnen.«

 

Er wollte gerade wieder hinter der Portiere verschwinden, als Hurley Brown auf ihn zutrat.

 

»Ah, Captain Brown!« Louba verneigte sich mit spöttischer Übertreibung. »Reizend von Ihnen! Welch seltenes Vergnügen … Ihr junger Freund, Leutnant Weldrake, ist ein häufigerer Gast.«

 

»Das ist vorbei«, lautete die grimmige Antwort.

 

»Wirklich?« Louba grinste. »Nun, wir werden ja sehen. Wenn er, bevor er geht, seinen Verpflichtungen nachkommt, kann mir das ja gleich sein … Verläßt er uns tatsächlich?«

 

»Er hat uns schon verlassen. Genau wie Sie uns verlassen werden, Louba, und wenn ich Ihnen dazu einen Stein an den Hals hängen und Sie ins Meer werfen müßte.«

 

»Was soll das heißen ›Er hat uns schon verlassen?‹ Es ist kaum eine Stunde her, seit ich ihn an seine Verpflichtungen mir gegenüber erinnert habe – mit Vorhaltungen wie britischer Offiziers ›Ehrenmann‹ und so weiter.«

 

»Louba«, sagte Hurley Brown heiser. »Ich weiß wirklich nicht, warum ich Ihnen keine Ohrfeige gebe.«

 

»Vielleicht weil Sie wissen, daß Sie hinausfliegen, bevor Sie mich nur angerührt haben, werter Freund.«

 

»Sie …!«

 

Captain Browns Arm wurde geschickt abgefangen, als er zuschlagen wollte.

 

»Durch Gewalt erreichen Sie wirklich nichts«, sagte Louba. »Außerdem schickt sich so was nicht, wie? – Was soll das ganze Gerede, daß der junge Mann fort ist, bedeuten?«

 

»Er wurde soeben ermordet.«

 

»Ermordet? Von wem?«

 

»Von Ihnen, Louba.«

 

»Oho …! Ach so«, sagte Louba nach kurzem Besinnen. »So steht die Sache. Und was wollen Sie dann hier, wenn ich fragen darf?«

 

»Ihnen nur sagen, daß ich selbst Sie mit einem Fußtritt aus Malta hinausbefördere, falls die Behörden Sie nicht hinauswerfen. Wir haben uns ja schon früher getroffen, Louba, und ich muß sagen – je länger Sie leben, desto gemeingefährlicher werden Sie.«

 

»Blödsinn! Ich begegne nur immer häufiger solchen Narren wie Sie einer sind. Und was Ihre Behörde betrifft – das habe ich für sie übrig!« Er schnippte mit den Fingern. »Man kann mich doch nicht für jeden dummen Jungen verantwortlich machen!«

 

Grinsend verzog er das Gesicht.

 

»Eines Tages«, sagte Hurley Brown, »ist das Maß Ihrer Frechheiten voll.«

 

»Wenn das eine Drohung sein soll«, entgegnete Louba höhnisch, »kann ich nur lachen. Ich gehe meinen Weg und zertrete das, was mir im Wege ist. Oder ich gehe darüber hinweg. Die anderen können entscheiden, ob ich sie zertreten soll oder nicht.«

 

Captain Brown murmelte einen Fluch und ließ den Mann stehen.

 

Er drängte sich durch die Menge der Gäste, die gerade laut Beifall für die Sängerin klatschten.

 

Natürlich hatte er gleich gewußt, daß es sinnlos war, in dieses Lokal zu gehen – aber trotzdem war es schmählich, jetzt an Reggie Weldrake denken zu müssen, der steif und still auf seinem schmalen Bett lag, während Emil Louba in aller Gemütsruhe seinen schmutzigen Geschäften nachging.

 

Er fuhr zusammen, als eine wütende Stimme von der andern Straßenseite herüber an sein Ohr drang.

 

»Das wirst du mir noch büßen! Und wenn ich zwanzig Jahre warten muß!«

 

Es war da Costa, der mit der Faust nach dem Lokal Loubas drohte.

 

Kapitel 10

 

10

 

Am nächsten Vormittag ging Frank Leamington zu Beryl. Er hatte immer noch die Hoffnung, daß sie vielleicht doch ihren Entschluß geändert hätte.

 

Beryl führte ihn in ein Zimmer, wo sie ungestört miteinander sprechen konnten.

 

»Frank, du hättest nicht mehr kommen sollen. Wirklich … Es hat doch keinen Sinn.« Niedergeschlagen sank sie auf einen Stuhl.

 

»O nein, Beryl, so schnell gebe ich nicht auf. Selbst wenn du unsere Verlobung löst – solange ich lebe, wirst du diesen Mann bestimmt nicht heiraten!«

 

Sie schaute ihn besorgt an.

 

»Frank«, fragte sie, »was hast du vor?«

 

»Nichts wird mich dazu bewegen, zuzuschauen, wie du Louba heiratest. Du weißt nicht, wer er ist!«

 

»Ich will es auch gar nicht wissen –. ich werde ihn heiraten …«

 

»Du tust es nur, weil du ihm Geld schuldest, nicht wahr?«

 

Sie preßte die Lippen zusammen.

 

»Gut, du brauchst mir nicht zu antworten, ich kann raten. Aber trotzdem … Hättest du nicht zu mir kommen können, Beryl?«

 

»Nein, Frank. Ich darf für meine Dummheiten weder dich noch Mutter strafen … Was ich mir eingebrockt habe, muß ich wohl selber auslöffeln … Und ich glaube auch gar nicht, daß du die Summe bezahlen könntest, selbst wenn ich damit einverstanden wäre. Und wenn du es könntest, wärst du für dein ganzes Leben ruiniert. Noch schlimmer ist es, an Mutter zu denken – du weißt, wie furchtbar ihr jede Aufregung schadet … Und Louba will nicht warten, nicht einen Tag lang. Außerdem, Frank, habe ich mein Versprechen gegeben.«

 

»Ist das dein letztes Wort?« fragte er. »Ist es damit aus zwischen uns?«

 

»Ja«, flüsterte sie schwach. »Du wirst vergessen, Frank … In kurzer Zeit … Vielleicht mit jemand anders glücklich werden.«

 

Er lachte rauh.

 

»Kümmere dich nicht darum, was aus mir wird, Beryl. Eines verspreche ich dir – du wirst diese Kreatur nicht heiraten. Wenn du kein Ende machen willst, dann mache ich ein Ende.«

 

»Frank, was willst du tun?« rief sie und rannte ihm nach, als er zur Tür ging. »Du willst doch nicht etwa zu Louba?«

 

»Dorthin gehe ich!«

 

»Frank?« Sie starrte entsetzt auf sein kalkweißes Gesicht. »Du willst ihn doch nicht … Du willst ihn doch nicht …«

 

»Ich will ihn umbringen!« schrie er heftig, »und ich werde es tun, verlaß dich darauf. Bevor ich zusehe, wie du diesen unsauberen Halunken heiratest, bringe ich ihn um.«

 

Er stürzte aus dem Zimmer, während sie die Hände vors Gesicht schlug und weinend auf einen Stuhl sank.

 

Leamington ging geradewegs zum Braymore House. Kurz bevor er sein Ziel erreicht hatte, begegnete ihm ein Taxi, hinter dessen Glasscheiben er Emil Louba erkannte. Frank zögerte einen Moment und setzte dann seinen Weg fort.

 

In Braymore House angekommen, läutete er beim Hausmeister, den er noch aus der Zeit her kannte, in der er als Architekt beim Bau dieses Häuserblocks mitgearbeitet hatte. Der Mann begrüßte ihn sehr freundlich, und Frank trug ihm sein Anliegen vor, als ob es die selbstverständlichste Sache von der Welt wäre.

 

»Es handelt sich um die Feuertreppe, die ich bei diesem Gebäude hier angelegt habe und die ich jetzt auch an einem Haus anbringen will, das ich gerade in Arbeit habe«, sagte er. »Ich hätte mich gern noch einmal davon überzeugt, wie hier die Leitungen gelegt sind, die den Einbrecheralarm auslösen. Kann ich mir die Sache schnell ansehen?«

 

»Aber selbstverständlich, Mr. Leamington. Sie wissen doch, wie die Vorrichtung funktioniert?«

 

»Ja, ich weiß. Die Klingel läutet, wenn jemand die kleine eiserne Leiter herunterzieht, um zur Plattform hinaufzukommen, an der die eigentliche Nottreppe beginnt. Dürfte ich mir jetzt schnell anschauen, wie ich damals die Drähte verlegt habe?«

 

»Kommen Sie, Sir … Oder, wissen Sie was, untersuchen Sie das, was Sie wissen wollen, doch allein und in Ruhe. Ich habe gerade viel zu tun, und Sie kennen sich hier ja gut aus.«

 

Der Portier war stolz darauf, dem bekannten jungen Architekten eine kleine Gefälligkeit erweisen zu können. Leamington drückte ihm ein beachtliches Trinkgeld in die Hand und schlenderte mit freundlichem Kopfnicken in den Hof.

 

An der Feuerleiter angekommen, prüfte er mit anscheinend angespannter Aufmerksamkeit eine ganze Zeitlang die Lage der Drähte und das Funktionieren des Mechanismus. Aus den Augenwinkeln überzeugte er sich dabei, daß ihn niemand beobachtete. Aber selbst wenn ihm jemand zugesehen hätte, würde der Betreffende kaum gemerkt haben, was das Hantieren Franks mit dem Taschenmesser in Wirklichkeit bezweckte.

 

Der Schnitt durch einen der Leitungsdrähte, die die Verbindung zu der Alarmklingel herstellten, war im Bruchteil einer Sekunde ausgeführt …

 

11

11


Hurley Brown streckte seine Beine so aus, daß sie mehr von der Wärme abbekamen, die der offene Kamin im Rauchzimmer ausstrahlte; gedankenvoll betrachtete er seine elegant polierten Schuhe.


»Ihre Ansichten sind von Grund auf unmoralisch, Louba, das heißt, daß Ihr Sinn für Recht und Unrecht von normalen Gepflogenheiten in jeder Beziehung abweicht.«


Emil Louba kicherte. Seine große, breitschultrige Figur, sein massiver Körperbau, verbunden mit den groben Gesichtszügen, boten einen erstaunlichen Kontrast zu der eleganten, sportlichen Erscheinung seines Gegenübers. Beide Männer hatten sich seit der Zeit, in der sie sich zum erstenmal begegnet waren, kaum verändert – nur daß ihnen damals der gesellschaftliche Kodex eines englischen Clubs noch keine solche Zurückhaltung auferlegt hatte.


Für Louba war es ein Triumph, in demselben Club zu verkehren wie dieser Mann, der ihn einst so verächtlich behandelt hatte. Außerdem freute er sich darüber, daß ihre gemeinsame Bekanntschaft mit Dr. John Warden den Captain zu einer Zuvorkommenheit verpflichtete, die sehr verschieden von seinem Louba gegenüber früher zur Schau getragenen Benehmen war.


»Ansichtssache«, antwortete Louba und paffte ruhig an seiner Zigarre. »Stimmt, ich habe Menschen ruiniert, weil das der einzige Weg war, um reich zu werden. Um Geld zu bekommen, ist es notwendig, zu verletzen. Ich brauche Geld deshalb verletze ich. Verstehen Sie, bester Captain?«


»Ich verstehe«, sagte Captain Brown ohne Überzeugung.


Es war ein nebliger Samstagnachmittag im Dezember, und im Rauchzimmer des Elect Club befand sich niemand außer den beiden und Dr. Warden, dem berühmten Arzt, der wegen einer Operation in der Stadt aufgehalten worden war. Der Doktor klebte eben einen Brief zu, den er gerade beendigt hatte, übergab ihn einem Clubdiener zum Einwerfen und schlenderte dann zu ihnen, beim Näherkommen seine Pfeife stopfend.


»Wären Sie doch schon vorher dagewesen, Dr. Warden. Der Mann hier hat soeben seine Lebensanschauung entwickelt.« »Die Ihnen natürlich unangenehm war, Captain«, antwortete der Doktor schmunzelnd. »Ich habe nie so richtig herausbekommen, ob nun Louba wirklich der schlechte Kerl ist, der er zu sein vorgibt, oder ob seine Ansichten nur dazu da sind, bei anderen Leuten Anstoß zu erregen.«


»Na, um mich zu schockieren, bedarf es allerhand«, meinte Hurley Brown trocken. »Selbst Scotland Yard und die kriminalistische Arbeit haben das nicht fertiggebracht.«


Louba grinste.


»Dennoch könnte ich Ihnen Dinge erzählen, Dinge … Ich habe mein Geld in der Levante gemacht, wie Sie vielleicht wissen«, sagte er unverfroren, mit einem Seitenblick auf Browns unbewegliches Gesicht. »Ja – ich könnte Ihnen Dinge erzählen!«


»Lieber nicht«, brummte der Doktor gemütlich. »Erzählen Sie uns statt dessen was Nettes. Ich habe drei Stunden lang Chloroform und alle möglichen Antiseptika eingeatmet und möchte etwas zur Beruhigung hören.«


Louba verzog das Gesicht.


»Entsetzlich«, sagte er. »Doktor, das erinnert mich an meine Schmerzen. Hier …« Er zeigte auf eine Stelle oberhalb der Leistengegend. »Sie müssen mich nächstens einmal untersuchen – leider habe ich Angst davor. Wenn es etwas Schlimmes ist, möchte ich es gar nicht wissen!«


Dr. Warden lachte gutmütig.


»Ich komme heute noch bei Ihnen vorbei, Louba. Habe zufälligerweise sowieso nichts anderes vor. Wahrscheinlich werden Sie lediglich zu fett! – Bleiben Sie übers Wochenende in der Stadt, Brown?«


Hurley Brown nickte.


»Wir sind gerade mit der Aufklärung des Juwelendiebstahls vom Berkeley Square beschäftigt, und ich werde in der Angelegenheit heute nacht wahrscheinlich eine Verhaftung vornehmen müssen. Genial angelegt, die ganze Sache … muß ein schlauer Kopf gewesen sein – aber das haben Sie ja sicher alles in der Zeitung gelesen.«


Louba schaute auf die Uhr und erhob sich gemächlich.


»Ich erwarte Sie gegen 7 Uhr, Doktor.«


»In Ordnung, werde um diese Zeit bei Ihnen sein.«


Als Louba gegangen war, schaute Hurley Brown den Arzt an und verzog ein wenig das Gesicht.


»Ich kann den Menschen nicht ausstehen, John!«


»Nicht?« sagte der Doktor lässig. »Ich glaube, daß er gar nicht so schlimm ist, wie er tut. Vor allem ist er ungewöhnlich reich und ungewöhnlich orientalisch. Seine Mutter war eine Türkin, der Vater Malteser und wiederum der Sohn eines Griechen und einer Frau aus Smyrna.«


»Kennen Sie ihn eigentlich schon lange?« fragte Brown.


»Na, eine ganze Reihe von Jahren. Er ist wirklich gar nicht so schlimm. Und einmal hat er mir sogar sehr beigestanden, als ich in einer äußerst kritischen Lage war – das vergesse ich ihm nie.«


»Wissen Sie, daß Louba heiratet?«


Der Doktor blinzelte erstaunt. »Im Ernst?«


»Ja, er heiratet Beryl Martin, ein wirklich hübsches Mädel.«


»Ist Miss Martin nicht mit dem jungen Leamington verlobt?«


»Der Meinung war ich auch, Doktor. Aber anscheinend ist die Verlobung gelöst worden. Louba heiratet auf Grund einer Sondererlaubnis schon am nächsten Mittwoch, und anschließend will das glückliche Paar die Flitterwochen in Paris verbringen.«


Der Arzt kratzte sich gedankenvoll am Kinn.


»Sonderbar«, meinte er schließlich. »Hätte nie gedacht, daß Louba jemals heiratet.«