Kapitel 17

 

17

 

John Morlay hatte sich hingesetzt und dachte über sich und seine Probleme nach. Seit drei Tagen war die Ausübung seiner Pflicht ziemlich leicht gewesen. Mrs. Carawood hatte ihn nicht angeläutet, seine Anwesenheit war also offensichtlich nicht gewünscht worden. Ein normaler Mann hätte eine solche Ruhepause begrüßt, besonders wenn er wie Mr. Morlay viel zu tun gehabt hätte. Es mußten Besprechungen mit Kunden abgehalten, Bilanzen durchgesehen, unehrliche Kassierer verfolgt werden.

 

Aber Morlay ärgerte sich darüber. Sooft das Telefon klingelte, schlug sein Herz schneller. Er hatte einen glücklichen Abend mit Marie verbracht, als er mit ihr ins Theater gegangen war. Wie das Stück eigentlich hieß und was auf der Bühne gespielt wurde, wußte er allerdings nicht.

 

Das Schlimmste aber war, daß er zu den ungewöhnlichsten Stunden die Penton Street entlangwanderte. Einmal war er sogar um fünf Uhr morgens unter ihrem Fenster vorübergegangen. Und immer hatte er eine Entschuldigung für solche Extravaganzen. Vor langer Zeit hatte sein Doktor ihm einmal geraten, morgens vor dem Frühstück einen Spaziergang zu machen. Aber das war kein Grund dafür, sich nachts auf die gegenüberliegende Seite der Straße zu stellen und nach dem Licht in Maries Fenster zu sehen, wie das in der zweiten Nacht nach der Rückkehr von Ascot geschehen war. Was hätten wohl all seine ehrsamen Vorfahren gesagt, wenn sie das gewußt hätten! Das waren Leute gewesen, deren Liebesangelegenheiten sich in gewohnten Bahnen abgespielt hatten.

 

Er hätte sich auch nicht vorstellen können, daß Onkel Percival oder Onkel Jackson im Mondlicht vor einem Laden spazierengingen, in dem alte Kleider verkauft wurden.

 

Dreimal hatte er Mrs. Carawood besucht, in der Hoffnung, Marie Fioli zu sehen. Aber er hatte Pech, jedesmal war das junge Mädchen ausgegangen. Einmal war sie im Konzert, einmal mit Julian Lester bei einer befreundeten Familie zum Tee. Morlay begann Julian mit einer Leidenschaft zu hassen, die er selbst nicht begreifen konnte.

 

Und nun saß er da, stützte den Kopf in die Hände und ließ die Arbeit liegen. Nach einer Weile störte ihn ein Angestellter und meldete einen Besucher an.

 

»Was, ein Mönch?« fragte John überrascht. »Was will der denn? Lassen Sie ihn herein.«

 

Als der Fremde eintrat, kam John Morlay der Gedanke, daß er diesem Mönch mit dem langwallenden grauen Bart schon irgendwo begegnet sein mußte. Der Mann trug eine braune Kutte und einen härenen Strick als Gürtel, ging barhäuptig und hatte Sandalen an den Füßen. Plötzlich fiel Morlay ein, wo er ihn schon gesehen hatte.

 

»Ach, Pater Benito!« sagte er und reichte ihm die Hand.

 

»Nun, ich scheine ja sehr bekannt zu sein«, entgegnete der Pater trocken. »Nein, danke, Mr. Morlay, ich möchte mich nicht setzen. Vielleicht gestatten Sie, daß ich auf und ab gehe, ich bin nämlich etwas nervös. Aber ich verspreche Ihnen, Sie nicht zu lange aufzuhalten.«

 

Pater Benito war ein Franziskaner, dessen Predigten großes Aufsehen erregt hatten. Viele Leute waren in der Franziskanerkirche in Mayfair zusammengeströmt, und seine Angriffe auf gewisse Kreise der Gesellschaft hatten ihn sogar berühmt gemacht. John sprach mit ihm darüber. Der Pater verzog das Gesicht und lachte dann schalkhaft.

 

»In dieser Welt des Scheins und Trugs fällt ein Mann auf, der es offen und ehrlich meint. Aber bevor ich weiter mit Ihnen rede, Mr. Morlay, möchte ich Ihnen erklären, daß ich nicht in einer Angelegenheit meines Ordens zu Ihnen gekommen bin, sondern in einer rein persönlichen Sache. Ich unterhielt mich gestern mit einem Bekannten, und der sagte mir, daß ich mich an Sie wenden sollte, da Sie mir sicher den besten Rat geben könnten.«

 

»Ich habe niemals erwartet, einen Franziskaner unter meinen Kunden zu finden«, sagte John lächelnd.

 

Einen Augenblick schwieg der Pater, dann stellte er eine Frage, die John Morlay aufs höchste überraschte.

 

»Kennen Sie die Gräfin Marie Fioli?«

 

»Ja, sogar sehr gut.«

 

»Kennen Sie auch Mrs. Carawood, ihre Erzieherin?«

 

John nickte und wunderte sich noch mehr.

 

Pater Benito dachte eine Weile nach.

 

»Es handelt sich um eine sehr diskrete Angelegenheit. Ich stehe zwar in der Welt, gehöre ihr aber nicht an. Dinge, die für einen gewöhnlichen Menschen von höchster Wichtigkeit sind, haben für mich kein Interesse. Trotzdem entbinden mich meine kirchlichen Gelübde nicht von gewissen Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber. Ich bin besorgt, ja ich möchte sagen bestürzt, und zwar mehr, als ich es für möglich hielt …«

 

»Bezieht sich das auf die Gräfin?«

 

»Ja, in gewisser Weise«, entgegnete Pater Benito nach einer kurzen Pause und erzählte dann John Morlay eine längere Geschichte, die diesen maßlos verblüffte, ja erschreckte.

 

»Ist das Ihr Ernst?«

 

Pater Benito nickte.

 

»Es klingt unmöglich! Und doch muß ich Ihnen die Geschichte glauben.«

 

Pater Benito setzte sich nun doch und sprach eine halbe Stunde lang auf John Morlay ein. Schließlich war die Unterredung zu Ende, und John begleitete seinen Besucher bis zur Tür.

 

»Ich lege die Untersuchung der Angelegenheit vollkommen in Ihre Hände«, sagte der Pater, als er sich verabschiedete. »Und ich bin froh, daß ich es Ihnen gesagt habe, um so mehr, als ich fühle, daß die Interessen des jungen Mädchens in jeder Weise von Ihnen gewahrt werden. Das wäre nämlich meine größte Sorge.«

 

Den ganzen Nachmittag dachte John Morlay über das neue Problem nach. Endlich kam er zu dem Entschluß, Marie unter allen Umständen zu retten, was auch sonst geschehen mochte.

 

Er war noch tief in Gedanken versunken, als das Telefon klingelte und eine muntere Stimme ihn anrief.

 

»Nun, mein lieber Schutzengel? Ich möchte Sie bitten, mich zum Tee einzuladen.«

 

Er eilte die Treppe hinunter, um ihrer Aufforderung zu folgen.

 

*

 

Kapitel 10

 

10

 

Bevor sie am Abend zur Stadt zurückkehrten, nahm Mrs. Carawood John beiseite und fragte ihn ein wenig ängstlich, was er an der Feier auszusetzen gehabt hätte, doch selbst wenn er keine Rücksicht auf sie nahm, konnte er eigentlich nur wenig beanstanden. Er sagte aber ganz offen, daß der Diener in der grauen Livree mit den Silberverschnürungen etwas zu aufdringlich gewirkt hätte. Sie selbst gab das auch sofort zu.

 

Morlay ließ Julian nur widerstrebend in Ascot zurück. Er war sehr ungehalten über das Telegramm aus New York, das ihn zwang, nach London zurückzukehren. Er hatte zwar versprochen, am Sonntagmorgen wiederzukommen, aber die Arbeit, die er in seinem Büro vorfand, beschäftigte ihn bis zum Nachmittag, und als er damit fertig war, glaubte er, es wäre zu spät, um noch aufs Land zu fahren.

 

Einen Sonntag allein in London zu verbringen ist eine traurige Angelegenheit. Er rief daher Inspektor Peas an, der Dienst in Scotland Yard hatte, und auf dessen Aufforderung hin fuhr er zum Polizeipräsidium am Themseufer. Als er in das Büro trat, fand er den Inspektor in Hemdsärmeln an einem Tisch, auf dem viele Fotos ausgebreitet lagen. Die meisten stellten Männer dar, und jedes war mit einer großen Nummer versehen. Die Gesichtszüge der abgebildeten Leute wirkten abstoßend, auch waren sie in wenig günstigen Stellungen aufgenommen.

 

»Eine Galerie von Schönheiten, finden Sie nicht auch? Sämtliche Herrschaften sind Einbrecher, die mindestens schon einmal bestraft worden sind, manche aber viel öfter. Sehen Sie zum Beispiel den hier? Der ist direkt eine Berühmtheit – sechsmal wegen Einbruchs verurteilt, zur Zeit noch im Gefängnis.«

 

»Sie suchen wohl immer noch nach Ihrer ›Einsamen Hand‹?« Peas nickte.

 

»Ich halte natürlich die Augen offen. Einmal schaue ich nach dem Verbrecher aus, andererseits aber auch nach dem Hehler. Die Leute, die diesen Schmuck zu Geld machen wollen, müssen schon ziemlich viel Erfahrung darin haben, denn je kostbarer die Stücke sind, die sie stehlen, desto schwieriger ist es, sie unterzubringen.«

 

»Es müßte aber doch leicht für Sie sein, alle Hehler in London zu kennen.«

 

»Jeder große Hehler ist der Kriminalpolizei in Scotland Yard auch bekannt. Wir haben aber in allen Fällen zu wenig Beweismaterial, um die Leute zur Verurteilung zu bringen. Außerdem hat es auch einen gewissen Vorteil, wenn wir sie in Freiheit lassen. Einige von ihnen wissen sogar genau, daß wir über ihre wahre Tätigkeit informiert sind, aber sie halten sich für so schlau, daß sie glauben, wir könnten sie nicht fassen. Das ist natürlich ein Irrtum.« John Morlay wußte wenig von der Art und Weise, wie die Polizei mit Verbrechern umging.

 

»Welche Leute kaufen denn gestohlene Schmucksachen auf? Sind es Händler?«

 

»Ein paar Juweliere sind darunter, einige haben sogar große Läden und einen ziemlich hohen Umsatz in ihrem offiziellen Geschäft. Ich kenne auch zwei Altkleiderhändler –«

 

John lachte laut auf.

 

»Mrs. Carawood ist also auch eine Hehlerin – ich meine, in Ihren Augen?«

 

»Nein, an die dachte ich im Augenblick nicht. Übrigens haben wir ihren letzten Besuch in Antwerpen genau untersucht. Sie fährt tatsächlich dorthin, um Kleider einzukaufen, hauptsächlich billige Seidenware. Wir haben eine Bestätigung vom Zollamt.«

 

Er schob die Fotos zusammen und machte ein Gummiband darum.

 

»Sie haben sie also nicht länger in Verdacht?«

 

»Doch, sie ist immer noch verdächtig. Und was das Wichtigste ist, ich bearbeite ihre Personalakten. Das ist ziemlich gefährlich für sie. Im Vertrauen kann ich Ihnen ja sagen, daß sie uns einiges zu raten aufgibt.«

 

Er sah auf die Uhr und drückte dann auf einen Klingelknopf.

 

»In zehn Minuten ist mein Dienst zu Ende. Wollen Sie einmal sehen, wie ein wirklicher Kriminalbeamter arbeitet? Wenn ich von einem wirklichen Kriminalbeamten spreche, meine ich natürlich einen Meister seines Fachs.«

 

»Mit anderen Worten – Sie meinen sich selbst.«

 

»Wen sonst?«

 

Bald darauf erschien ein Beamter und holte die Fotos, die Peas in einen Umschlag gesteckt hatte. Dann telefonierte der Inspektor noch mit einem gewissen Arty, der ihn ablösen sollte. Nachdem das alles erledigt war, zog Peas sein Jackett an und griff nach seinem Hut. Dann gingen die beiden in die warme Abendluft hinaus.

 

»Merkwürdig, daß Sie vorhin gerade von dieser Mrs. Carawood gesprochen haben«, sagte der Inspektor, als sie nach Westen wanderten. »Ich habe mich nämlich fest entschlossen, heute abend dieses kleine Geheimnis zu lüften. Ich glaube, der junge Mann in ihrem Laden kann mir einigen Aufschluß geben. Er scheint ehrlich zu sein. Auch dieser Fenner, der sehr oft hinkommt, ist wohl ein ganz brauchbarer, anständiger Mensch. Es ist doch merkwürdig, daß eine Frau, der eine junge Aristokratin nahesteht, keine Freunde in besseren Kreisen besitzt.«

 

»Wohin gehen Sie denn jetzt?« fragte John argwöhnisch.

 

»Zur Penton Street. Ich möchte mich mit Herman unterhalten.«

 

John schüttelte den Kopf.

 

»Ich werde Sie bis zur Tür des Ladens begleiten, aber ich will nicht Zeuge sein, wie ein richtiger Kriminalbeamter arbeitet. Wahrscheinlich könnte ich es nicht schweigend mitanhören, wenn Sie diesen Herman ausfragen. Er ist schließlich ein Angestellter meiner Auftraggeberin.«

 

»Viel werde ich wohl sowieso nicht aus ihm herausbringen. Aber vielleicht bekomme ich durch eine Unterredung mit ihm eine Anregung. Vielleicht macht er irgendeine brauchbare Andeutung. Er weiß natürlich bedeutend mehr über Mrs. Carawood, als er mir gesagt hat.«

 

»Haben Sie schon vorher mit ihm gesprochen?«

 

»Ja, mindestens ein halb dutzendmal.«

 

John Morlay war es ganz neu, daß Mrs. Carawood die Beamten von Scotland Yard derartig interessierte. Ab und zu hatte er ja einen Einblick in die Methoden der Polizei gehabt. Er wußte auch, daß es in Scotland Yard nichts Neues war, wenn sich die Beamten lange Zeit mit den Verhältnissen irgendwelcher Personen beschäftigten und alle möglichen Nachforschungen anstellten, die im Grunde auf nichts hinausliefen und keine greifbaren Resultate zeitigten, wenn sich herausstellte, daß die verdächtige Person vollkommen unschuldig war.

 

Die Dunkelheit brach herein, als sie zur Penton Street kamen. Die Straßen und Gassen lagen zu dieser späten Stunde vollkommen verlassen. Sie hielten dem Laden gegenüber an.

 

»Ich halte es für das beste, daß ich Sie allein lasse, wenn Sie Ihre Nachforschungen anstellen. Von Herman werden Sie ja wohl kaum irgendwelche Verbrechen erfahren. Im Gegenteil, es wird sich herausstellen, daß Mrs. Carawood vollkommen ehrlich ist.«

 

Peas war gerade im Begriff, zum Laden hinüberzugehen, als ein kleines Auto in die Straße einbog und vor der Seitentür des Geschäfts hielt. Mrs. Carawood stieg aus; John Morlay erkannte sie sofort. Allem Anschein nach war sie allein.

 

Als sie auf die Tür zuging, öffnete sich diese sofort und blieb eine Weile offenstehen. Nach einiger Zeit kam Herman heraus, schloß sie sorgfältig, stieg in den Wagen und fuhr fort.

 

»Heute abend können Sie sich also nicht mit Herman unterhalten«, sagte John.

 

Er war erstaunt über das plötzliche Auftauchen von Mrs. Carawood, denn er hatte sie doch in Ascot zurückgelassen, und soviel er wußte, hatte sie durchaus nicht die Absicht gehabt, zur Stadt zu fahren. Es war ihm außerdem vollkommen neu, daß sie selbst ein Auto besaß und fahren konnte. Vielleicht hatte sie den Wagen irgendwo in einer Garage in Ascot untergestellt. Nicht einmal Marie wußte davon.

 

»Ich gäbe viel darum, wenn ich wüßte, warum sie von Ascot nach London gekommen ist«, meinte der Inspektor nachdenklich.

 

»Es ist doch nichts Außergewöhnliches daran, wenn sie am Sonntagabend in die Stadt fährt«, erwiderte John.

 

Der Kriminalbeamte schüttelte den Kopf, sagte jedoch nichts mehr darüber, sondern sprach von anderen Dingen, besonders über die Häuser in der Umgebung. Bevor verschiedene Hausinhaber hier Mietwohnungen eingerichtet hatten, war dies einmal eine vornehme Straße gewesen. Peas wußte sehr gut in Pimlico Bescheid.

 

Es hatte nicht den Anschein, als ob Herman bald zurückkehren würde. Peas machte gerade eine Bemerkung darüber, als sie sahen, daß sich die Seitentür des Ladens wieder öffnete und eine Frau vorsichtig auf die Straße trat. Sie schaute sich ängstlich nach rechts und nach links um. Wahrscheinlich hatte sie die beiden Männer nicht bemerkt. Es war Vollmond; die Seite der Straße, an der der Laden lag, war hell erleuchtet, aber die andere lag in tiefem Schatten.

 

John sah verblüfft zu der Frau hinüber. Mrs. Carawood war gut gekleidet gewesen, als sie aus dem Auto stieg und den Laden betrat, aber jetzt glich sie nahezu einer Vogelscheuche. Selbst bei Mondlicht konnte er erkennen, daß sie in Lumpen gehüllt war. Sie trug einen altmodischen, abgetragenen Hut und ein ärmliches Kleid und verschwand bald mit raschen Schritten in einer Seitenstraße.

 

»Was halten Sie davon?« fragte Inspektor Peas düster. »Die ist ja die reinste Lumpenliese!«

 

John nickte.

 

»Sind Sie neugierig und wollen Sie mich begleiten? Oder soll ich allein gehen?«

 

»Ich komme mit!« sagte John und folgte dem Inspektor schnell über die Straße.

 

Sie konnten die Frau bald wieder vor sich sehen und holten allmählich auf. So vergingen etwa zehn Minuten. Als sie dann wieder in die Hauptstraße einbog, rief sie ein Taxi an. Die Tür schlug hinter ihr zu. Das Auto fuhr ab und war schon außer Sicht, als es Inspektor Peas endlich gelang, ein zweites Taxi aufzutreiben. Aber nach einiger Zeit hatten sie das Glück, den ersten Wagen wieder zu erreichen. Die Fahrt ging durch Piccadilly, durch die verlassene Innenstadt, dann über die Tower-Brücke in der Richtung nach Rotherhithe. Dort stieg Mrs. Carawood aus. Die beiden fuhren an ihrem Wagen vorbei, um kein Aufsehen zu erregen, und als Inspektor Peas durch das hintere Fenster schaute, sah er, daß sie in eine enge Gasse einbog. Er ließ sofort den Wagen halten, sprang heraus und folgte ihr. Gerade als sie an der Straßenbiegung ankamen, konnten sie noch sehen, daß sie in einem kleinen Haus verschwand.

 

Es war keine verkommene, aber doch eine ziemlich ärmliche Gegend. Die Häuser waren klein, und Morlay schloß daraus, daß hier viele Arbeiter wohnten. Als sie die Straße weiter hinaufgingen, stellten sie fest, daß die Frau in Haus Nr. 17 gegangen war.

 

Sie kehrten zur Hauptstraße zurück. Das Auto, in dem Mrs. Carawood angekommen war, hatte inzwischen gewendet und wartete nun in einiger Entfernung auf der anderen Seite der Straße. Dicht dahinter stand eine große, elegante Limousine, ein ungewöhnlicher Anblick in dieser Gegend. Peas ging darauf zu und betrachtete den Wagen.

 

»Wem gehört der Wagen?« fragte er.

 

»Sir George Horbin«, entgegnete der Chauffeur.

 

Das war der Name eines berühmten und bekannten Spezialarztes aus der Harley Street.

 

»Was macht Sir Horbin denn in dieser Gegend?«

 

»Er ist zu einem schweren Fall gerufen worden«, erwiderte der Chauffeur gleichgültig.

 

Einen Augenblick später warf er seine Zigarette fort und öffnete die Tür. Ein untersetzter Mann näherte sich dem Wagen und stieg eilig ein.

 

»Nach Hause!« sagte er kurz, und der Chauffeur fuhr ab.

 

»Die Leute hier in Rotherhithe müssen ja viel Geld haben«, meinte Peas. Er sah sich um und dachte darüber nach, ob hier in der Nähe ein Hospital oder ein Krankenhaus lag. Aber das war nicht der Fall.

 

Als die beiden wieder auf die andere Seite der Straße gingen und an der Ecke der kleinen Gasse vorüberkamen, sahen sie, daß Mrs. Carawood das Haus Nr. 17 verließ. Sie blieb einen Augenblick stehen und sprach noch mit einem Mann, dann eilte sie zur Hauptstraße zurück. Die beiden folgten ihr wieder bis zur Penton Street und warteten, bis sie ins Haus gegangen war.

 

Zehn Minuten später erschien das kleine Auto wieder vor der Seitentür. Herman stieg aus, öffnete die Tür mit einem Schlüssel, und kurz darauf trat Mrs. Carawood, elegant gekleidet, aus dem Haus.

 

»Die Garage muß hier in der Nähe liegen«, sagte Peas. »Herman hat nur so lange dort gewartet, bis sie ihn anrief. Ich glaube kaum, daß er etwas von dieser Verkleidung weiß.«

 

Mrs. Carawood stieg wieder ein, und sie schauten dem Wagen nach, bis das rote Schlußlicht außer Sicht kam.

 

»Ich glaube, es hat keinen Zweck, daß ich heute abend noch mit Herman spreche«, meinte der Inspektor. »Aber eines kann ich Ihnen sagen – wenn ich dieses Geheimnis nicht aufklären kann, reiche ich meine Kündigung ein und fange an, Kriminalromane zu schreiben.«

 

*

 

Am Dienstagmorgen fuhr John nach Ascot, wo er zur Frühstückszeit ankam. An diesem Tag wurden die Rennen eröffnet, und John Morlay trug einen eleganten Cut und Zylinder, da Mrs. Carawood eine Loge auf den Tribünen gemietet hatte. John hielt sich für sehr gut angezogen, bis er die kleine Villa erreichte und dort Julian sah. Dann wußte er, daß er seinen Meister gefunden hatte.

 

»Sieht er nicht fabelhaft aus?« fragte Marie. »Ich habe ihn schon den ganzen Morgen bewundern können. Warum er sich bereits vor dem Frühstück angezogen hat, mag der Himmel wissen. Wir haben doch noch viel Zeit bis zum Beginn des Rennens.«

 

»Glänzend«, gab John zu, seine Stimme klang aber etwas ironisch.

 

Mr. Julian Lester fühlte sich jedoch dadurch in keiner Weise angegriffen oder verlegen.

 

Als die beiden allein waren, erzählte er John, wie herrlich es am Sonntag noch gewesen sei. Den vorigen Abend hatte er mit Marie zugebracht, und er glaubte, daß er sich mit ihr verständigt hätte.

 

»Verstehen Sie unter Verständigung etwa Verlobung?« fragte John, dem bei diesem Gedanken schwach wurde.

 

»Das gerade nicht. Ich wollte damit nur sagen, daß Marie und ich nahezu dieselbe Lebensauffassung haben.«

 

»Das kann ich aber durchaus nicht glauben.« John erinnerte sich plötzlich an das nächtliche Abenteuer. »Ist Mrs. Carawood in die Stadt gefahren?«

 

»Nein, sie hat nur ein paar Freunde in der Nachbarschaft besucht. Ich habe sie nicht danach gefragt, wie die Leute heißen. Ich habe immer den Eindruck, daß man sie besser in Ruhe läßt. Es wäre ja möglich, daß sie – geschäftlich zu tun hätte –«

 

Julian nahm John beim Arm und ging mit ihm quer über den gutgepflegten Rasenplatz.

 

»Ganz offen gesagt, John, die Situation mit Marie ist ein wenig heikel. Wissen Sie auch, daß das arme Kind nicht die geringste Ahnung davon hat, wie ihr Geld angelegt ist oder ob sie überhaupt ein Vermögen besitzt? Sie sagte mir sogar, sie hätte das Gefühl, daß sie nicht einen einzigen Shilling besäße und ganz von der Güte von Mrs. Carawood abhängig wäre.«

 

»Warum sind Sie eigentlich so scharf darauf, etwas über das Vermögen der Contessa Fioli zu erfahren?« fragte John geradezu. »Sie sind doch selbst reich.«

 

Julian Lester wandte sich ihm schnell zu.

 

»Wie kommen Sie denn darauf, daß ich reich sein soll? Wer hat Ihnen das gesagt? Ich bin nicht reich – im Gegenteil, ich möchte sagen, verhältnismäßig arm! Alle Leute, die glauben, daß ich Geld habe, irren sich.«

 

Seine Stimme klang vorwurfsvoll. Es schien fast, als ob er den Gedanken, Geld zu haben, als eine persönliche Beleidigung auffaßte.

 

»Sie sind ein sonderbarer Kerl«, erwiderte John. »Aber mir kann es ja gleich sein, ob Sie ein Millionär oder ein Bettler sind. Also, inwiefern hat Marie die gleiche Lebensauffassung wie Sie?«

 

»Sie müssen mich nicht derartig ausfragen, alter Junge. Wir haben jedenfalls in mancher Beziehung denselben Geschmack. Es ist direkt Seelenverwandtschaft.«

 

John lachte laut.

 

»Dabei gibt’s doch nichts zu lachen!«

 

»Einmal reden Sie von Seelenverwandtschaft, und dann wollen Sie unter allen Umständen wissen, wie groß das Vermögen von Marie Fioli ist. Das reimt sich nicht zusammen. Wenn Ihnen die Sache aber so ernst ist, dann gehen Sie doch direkt zu Mrs. Carawood und fragen sie, wie sie das Vermögen ihrer Pflegebefohlenen verwaltet. Bei der Gelegenheit können Sie auch gleich erfahren, wieviel es ist, und sich dann ein Urteil darüber bilden, ob es sich lohnt, Ihren Plan weiterzuverfolgen.«

 

Julian seufzte.

 

»Das ist mehr oder weniger vulgär. Ich dachte immer, Sie wären ein Mann von Welt und würden mir in einer solchen Krise helfen.«

 

*

 

Für John wurde die Woche, die so gut begonnen hatte, ziemlich langweilig. Die Rennen in Ascot verliefen in diesem Jahr glänzend, die festlich gekleidete Menge bot ein anregendes Bild, und die Rennen selbst waren spannend, aber John wurde alles vergällt durch die Anwesenheit Lesters. Julian hatte Zutritt zur Königlichen Loge; er war der einzige von den vieren, der dieses Privileg genoß. Er kannte fast alle Leute, die irgendeine Rolle in der Gesellschaft spielten, und zeigte Marie die Berühmtheiten. Schließlich gelang es ihm sogar noch, auch für sie eine Einlaßkarte zur Königlichen Loge zu bekommen.

 

John Morlay selbst kannte kein Minderwertigkeitsgefühl. Dem gesellschaftlichen Leben hatte er bis jetzt kein Interesse abgewonnen, und es war ihm ziemlich gleichgültig, ob er die Rennen von der Tribüne aus sah, wo der Platz sechs Shilling kostete, oder von der reservierten Loge des Königlichen Rennklubs. Hätte er sich Mühe gegeben und darum nachgesucht, so hätte auch er Zutritt dort haben können. Er war während des Krieges zweimal dekoriert worden, und man hätte ihm sicher keine Schwierigkeiten gemacht. Julian hatte eine gewisse Routine darin, andere Leute fühlen zu lassen, daß sie nicht zur Gesellschaft gehörten. Er ließ keine Gelegenheit vorübergehen, in der Unterhaltung über vornehme Bekanntschaften zu sprechen, ja, er hatte sogar einmal die Dreistigkeit, anzudeuten, daß John ein Privatdetektiv sei, der zum Schutz Marie Fiolis engagiert worden sei.

 

Julian war ein dauerndes Problem für John. Er hatte viele Bekannte und verkehrte in Industriekreisen genauso wie unter Parlamentsmitgliedern. In allen Sätteln war er gerecht und konnte fließend über Fragen der Wirtschaft und der Politik sprechen. John bekam geradezu Achtung vor ihm. Wenn der Mann ein Abenteurer war, setzte er sich jedenfalls mit großem Erfolg in Szene. Von einem gemeinsamen Bekannten wußte John, daß Julian ohne die geringsten Mittel begonnen hatte. Das Einkommen aus der Erbschaft seines Vaters war nur eine fromme Legende.

 

Julians Geldgier war seinen Freunden bekannt. Er träumte von Millionen und war so geizig, daß er sich scheute, selbst Bruchteile eines Schillings auszugeben.

 

Jede Beschäftigung, die viel Geld einbrachte, interessierte ihn. Er hatte versucht, zum Film zu gehen, aber er genügte den Anforderungen nicht. Dann hatte er ein Drehbuch geschrieben, aber niemand wollte es drehen.

 

»Ein merkwürdiger Kerl!« sagten seine Bekannten.

 

Maries Reichtum beeindruckte ihn offenbar so stark, daß es auf ihre Persönlichkeit gar nicht anzukommen schien. John amüsierte sich über die augenfällige Art, mit der er ihr den Hof machte. Am Donnerstagabend äußerte auch Marie ihre Meinung über Julian, die vollständig mit der Johns übereinstimmte.

 

»Julian ist nach London gefahren. Er hat mir ein Geschenk gemacht, aber ich soll es nicht vor morgen früh betrachten – wir tun nämlich so, als ob ich jetzt Geburtstag hätte.«

 

»Ein Geschenk? Ach, Sie meinen den Siegelring mit dem geschliffenen Granit?«

 

»Sie sollen sich nicht lustig darüber machen. Ich bin sicher, daß es ein schöner Ring ist – Julian, hat einen ausgezeichneten Geschmack. Mrs. Carawood wünscht allerdings, daß ich ihn nicht annehme. Wenn ich ihn ins Feuer werfen würde, täte ich ihr sicher den größten Gefallen. Aber Julian ist wirklich erstaunlich. Er ist geizig, und er schämt sich kein bißchen deshalb. Dazu kommt, daß er sich so unheimlich für mein Vermögen interessiert. Er hat dauernd mit mir darüber gesprochen, bis mir schließlich die Sache zuviel wurde und ich drohte, zu Nanny zu gehen und eine genaue Aufstellung von ihr zu verlangen. Es muß schön sein, wenn man nur um seiner selbst willen geliebt wird.«

 

Sie mußten beide über die Äußerung lachen.

 

»Glauben Sie, daß er überhaupt imstande ist, einen anderen Menschen aufrichtig zu lieben?« fragte John.

 

»Ich bin sicher, wenn man mit ihm verheiratet wäre, würde er immer sehr nett und liebenswürdig sein. Er würde gute Dinners und hübsche Einladungen veranstalten; für gutes Essen und Trinken hat er viel übrig. Er würde auch sehr zuvorkommend sein und niemals davonlaufen, höchstens wenn er eine Dame findet, die doppelt soviel Geld hat. Und wenn ich tatsächlich so reich bin, wie er hofft, dann ist es ganz unmöglich, eine solche Dame zu finden.«

 

»Schätzen Sie ihn – haben Sie ihn gern?« fragte John unsicher.

 

»Julian? Ich muß sagen, in gewisser Weise bewundere ich ihn. Ich habe tatsächlich den Ring gesehen, den er mir schenken will. Er zeigte ihn mir, als wir die Bond Street entlanggingen und vor einem Schaufenster stehenblieben. Es ist ein Rubin mit schöner Goldfassung. Morgen darf ich das Geschenk erst auspacken. Wie ist es übrigens – haben die Juweliere viel durch den Einbruch verloren, von dem Sie mir erzählten?«

 

»Es waren nur ein paar auserlesene Stücke darunter – zum Beispiel ein länglicher Saphir, der von vier Diamantklammern gehalten wurde. Ich weiß es so genau, weil der Inhaber des Geschäfts zu meinen Kunden gehört.«

 

»Ach, sagen Sie mir doch, wie fühlt man sich eigentlich so als Detektiv?« fragte sie interessiert.

 

Er lachte.

 

»Sie würden sich langweilen, wenn Sie wüßten, wie monoton und ruhig mein Beruf ist. Ich muß Sie eines Tages einmal Inspektor Peas vorstellen, das ist ein richtiger! Der beste Mann, den es in Scotland Yard gibt – wenigstens hält er sich dafür.«

 

Kapitel 11

 

11

 

Mrs. Carawood schien sich über die Abreise Julians zu freuen und war beim Abendessen in heiterer Stimmung. Am Nachmittag hatte sie außerdem, auf ein Pferd gesetzt und gewonnen.

 

»Wer hat dir denn den guten Rat gegeben?« fragte Marie erstaunt.

 

Mrs. Carawood lächelte.

 

»Fenner kam zu den Rennen. Er weiß auf allen Gebieten Bescheid, sogar von Pferden versteht er etwas!«

 

Am Abend gingen sie spät zu Bett. Es war fast ein Uhr, als John sein Licht ausschaltete und sich zur Ruhe legte. Während des Abends hatte sich der Himmel bewölkt, und es waren ab und zu Regenschauer niedergegangen. John hörte fernes Donnergrollen.

 

Er hatte einen leichten Schlaf, und als das Unwetter losbrach, wachte er beim ersten Donnerschlag auf. In unregelmäßigen Zwischenräumen erhellten Blitze das Zimmer. Er zog die Vorhänge zurück und schaute hinaus; der Regen fiel wolkenbruchartig. Ein blendendhelles Lichtband lief am Himmel entlang, und fast unmittelbar darauf folgte der Donner. Unwillkürlich zuckte er zurück. Es mußte in der Nähe eingeschlagen haben, denn der Donner war scharf wie ein Peitschenknall gewesen.

 

Er sah auf die Uhr: Viertel nach zwei. Trotz des offenen Fensters war die Luft im Zimmer drückend. Er öffnete die Glastür weit und hörte im selben Augenblick einen wilden Schrei dann noch einen, und zwar aus der Richtung von Maries Zimmer. Einen Augenblick zögerte er, weil er nicht wußte, was er tun sollte. Wahrscheinlich war sie durch das Unwetter aufgeweckt worden und fürchtete sich. Dann trat er auf den Gang und hörte, wie eine Klinke niedergedrückt wurde. Die Tür zu Maries Zimmer flog auf.

 

»John …! Nanny …! Wer ist da?«

 

»Ich bin es«, erwiderte Morlay. »Ist etwas nicht in Ordnung – fürchten Sie sich?«

 

»Ja!« keuchte sie atemlos. »Aber nicht vor dem Gewitter –«

 

»Was ist denn geschehen, Liebling?« hörte man jetzt die Stimme von Mrs. Carawood.

 

»Es war jemand in meinem Zimmer …«

 

John schlüpfte schnell in seinen Morgenrock und eilte zu dem Zimmer des jungen Mädchens. Als er das Licht andrehte, sah er, wie bleich sie war.

 

Der Sturm tobte draußen mit unverminderter Stärke weiter, das Rauschen des Regens klang gewaltig, aber keiner der drei achtete darauf.

 

»Ich wachte plötzlich auf«, sagte Marie, noch ganz außer sich, »und sah, daß ein Mann in meinem Zimmer war … Er stand ganz nahe an meinem Frisiertisch. Wahrscheinlich ist er über den Balkon durch die offene Glastür hereingekommen. Ich schrie, plötzlich verschwand er.«

 

»Vermissen Sie etwas?«

 

Sie schüttelte den Kopf.

 

»Ich weiß es nicht«, erwiderte sie und versuchte zu lächeln. »Aber sicher habe ich den Schlaf dieser Nacht, meinen Frieden und meinen Glauben an Detektive eingebüßt!«

 

Er ging in ihr Zimmer; soviel er sehen konnte, war nichts angerührt worden. Die kostbaren Bürsten und Kämme in Goldfassung waren vollzählig vorhanden. Marie folgte ihm auf dem Fuß.

 

»Der Ring!« rief sie plötzlich. »Er ist fort.«

 

Sie sah unter den Frisiertisch und dahinter, aber das kleine rote Lederetui mit dem Geschenk Julians war verschwunden.

 

»Wo haben Sie ihn denn hingelegt?«

 

»Dorthin!« Sie zeigte auf die Ecke des Frisiertisches.

 

»Wissen Sie das auch ganz genau?«

 

Sie nickte.

 

»Ja, um halb zwei lag er noch hier auf der Ecke.«

 

»Aber wir haben uns doch kurz vor zwölf getrennt, Marie.«

 

Sie sah Mrs. Carawood an und senkte den Blick.

 

»Ja, aber ich habe mich nicht sofort hingelegt.«

 

Sie war ungewöhnlich ernst. Es mußte sie wohl noch ein anderes Ereignis mitgenommen haben. Noch im Augenblick vorher hatte sie gelacht und war zum Scherzen geneigt. John Morlay verstand sie nicht ganz.

 

»Würden Sie den Mann wiedererkennen?« fragte er.

 

Sie schüttelte den Kopf.

 

Er trat auf den Balkon hinaus und sah, daß eine Leiter ans Geländer gelehnt war. Mrs. Carawood folgte ihm und stieß die Leiter um, so daß sie der Länge nach auf den Rasen fiel.

 

»Sie müssen schon seit langer Zeit dieses Haus beobachtet haben. Die Leiter hängt sonst an der Hinterfront; die Einbrecher wußten also gut Bescheid.«

 

Der Vorfall machte auf Mrs. Carawood noch größeren Eindruck als auf Marie. Sie ließ sich aber wenig anmerken.

 

»Gehen wir nach unten und trinken eine Tasse heißen Kaffee. Das Gewitter geht auch allmählich vorüber«, meinte sie beruhigend.

 

Aber damit hatte sie nicht recht. Die Grundfesten des Hauses erzitterten noch unter den gewaltigen Donnerschlägen, als sie zusammen in dem Speisezimmer saßen und den Kaffee tranken, den Mrs. Carawood inzwischen zubereitet hatte.

 

Marie war ernst geworden. Sie saß am Tisch und schaute auf die polierte Fläche. Nervös faltete sie die Hände und runzelte die Stirn.

 

»Ich glaube, Julian wird sich sehr aufregen, wenn er das erfährt«, meinte Mrs. Carawood. »Obwohl der Ring sicher nicht viel gekostet hat.«

 

Marie seufzte und sah dann auf.

 

»Ich werde ihn zurückbekommen. Das ist ganz gewiß.«

 

»Ich würde mich darauf nicht zu sehr verlassen«, erwiderte John. »Es ist sehr schwer, gestohlene Stücke zurückzuerhalten. – Ich möchte wissen, ob der Einbrecher heute abend auch noch in einem anderen Haus war.«

 

»Und ich werde den Ring doch zurückbekommen.« Marie nickte und lächelte wieder. »Ich habe eine bestimmte Vorahnung. Ich glaube, wenn der Einbrecher den Ring sieht und die rührende Inschrift liest, steckt er das Kästchen in einen Briefumschlag und schickt es mir per Post wieder zu. Wenn wir heute von den Rennen zurückkommen, liegt es unten in der Diele.«

 

»Sie scheinen tatsächlich das zweite Gesicht zu haben«, entgegnete John.

 

»Es wäre nicht das erste Mal, daß ich etwas vorausgeahnt hätte.«

 

Trüb dämmerte der Morgen, als sie sich wieder zur Ruhe legten. John schlief fest und traumlos, bis er dadurch geweckt wurde, daß kleine Kieselsteine auf den Boden des Zimmers fielen. Als er aufwachte, traf gerade ein Stein die Fensterscheibe. Es gab ein Loch.

 

»Ach, das tut mir leid«, hörte er eine Stimme unten im Garten.

 

Es war Marie.

 

»Seit zehn Minuten beschäftige ich mich schon damit, Steine durch Ihr Fenster zu werfen. Kommen Sie doch herunter, hier gibt es etwas für Sie zu tun.«

 

Es dauerte zwanzig Minuten, bis er unten auf dem Rasen war. Die Sonne schien strahlend, der Himmel war klar und blau, und alle Anzeichen sprachen dafür, daß es ein herrlicher Tag werden würde.

 

»Kommen Sie doch mit mir in den Obstgarten.«

 

Auf der Hinterseite des Hauses waren mehrere Morgen Land mit Apfel-, Birn- und Pflaumenbäumen bepflanzt; auch köstliches Spalierobst, wie Pfirsiche und Aprikosen, wuchs dort.

 

»Der Gärtner sagt, wir pflanzen das bloß, damit es die Wespen auffressen.«

 

Sie legte den Arm in den seinen, und so gingen sie durch das hohe Gras zwischen den Bäumen.

 

»Ich möchte, daß Sie mir einen großen Gefallen tun, John.«

 

»Ihre Bitte ist bereits gewährt!«

 

»Vergessen Sie alles, was ich gestern abend über den Ring sagte – ich meine, daß ich ihn wiedererhalten würde. Übrigens ist heute nacht auch drüben in der Villa Mirfleet eingebrochen worden, drei Häuser von uns entfernt. Dort wurde ein kostbares Perlenhalsband gestohlen, die Einbrecher haben also nicht nur meinen Ring erbeutet.«

 

»Ist die Polizei benachrichtigt worden?«

 

»Die Polizei!« sagte sie verächtlich und sah ihn mit blitzenden Augen an. »Selbstverständlich! Seit sieben Uhr heute morgen wandert eine ganze Prozession von Kriminalbeamten und Polizisten in Zivil hier über den Rasen. Das frische Gras ist vollkommen niedergetreten. Ihr Freund, Inspektor Peas, war auch dabei.«

 

»Was, der war auch hier?«

 

»Während Sie in tiefem Schlummer lagen, habe ich längere Zeit mit ihm gesprochen«, entgegnete sie feierlich. »Ich habe ihm alle Einzelheiten erzählt, und alle Beamten haben eifrig in ihre Notizbücher geschrieben. Gerade während sie sich mit mir unterhielten, wurde der Einbruch in der Villa Mirfleet entdeckt, und dann sind sie alle verschwunden. Ich habe keinen von den Herren wiedergesehen.«

 

»Wer hat denn nach der Polizei geschickt?«

 

Sie zögerte.

 

»Ich weiß es nicht, ich glaube aber, es war Mrs. Carawood. Sie ist nicht zu Bett gegangen und war schon um fünf Uhr morgens wieder hier unten. Wahrscheinlich hat sie es einem Polizeibeamten in Ascot gesagt, und der hat es sofort seinem Vorgesetzten gemeldet. Auf jeden Fall glaube ich kaum, daß es mehr Polizeibeamte in Scotland Yard gibt, als heute morgen hier auf dem Grundstück waren.«

 

Sie wurde plötzlich ernst.

 

»Ich habe den Leuten nichts davon gesagt – ich meine davon, daß ich annehme, den Ring wiederzuerhalten. Versprechen Sie mir auch, daß Sie es keinem andern sagen?«

 

Er mußte laut auflachen, als er das hörte.

 

»Aber warum denn? Das Schmuckstück kommt doch sowieso nicht von selbst zurück. Einbrecher sind nicht sentimental. Wenn der Mann, der den Ring gestohlen hat, auch nur einen Shilling dafür bekommen kann, verkauft er ihn. Und wenn Sie glauben, das Schmuckstück wiederzuerhalten, würde ich Ihnen raten, Julian nichts von dem Diebstahl zu erzählen!«

 

»Ich habe es ihm aber bereits gesagt«, entgegnete sie schnell. »Ich habe ihn angerufen. Er war außerordentlich liebenswürdig.«

 

»Haben Sie ihm auch gesagt, daß Sie glauben, das Schmuckstück zurückzubekommen?«

 

Sie schüttelte den Kopf.

 

»Sie sind doch ein merkwürdiges Mädchen.«

 

»Nicht wahr?«

 

Sie ließ seinen Arm los, trat einen Schritt von ihm zurück, legte die Hände auf den Rücken und betrachtete ihn ernst.

 

»Sie können mir auch noch einen anderen Gefallen tun«, sagte sie nach einer Weile. »Könnten Sie Mrs. Carawood überreden, daß sie den Dienstboten sagt, mich nicht mehr Mylady zu nennen? Ich weiß, sie hat es den beiden Mädchen beigebracht, so daß ihnen nichts anderes übrigbleibt, und ich möchte sie nicht verletzen. Aber vielleicht können Sie eine Andeutung machen. Sie werden schon irgendeine Ausrede finden. Sagen Sie, daß das in Ascot nicht Mode ist oder sonst etwas. Aber eines dürfen Sie nicht sagen: daß der italienische Adel nicht zur Führung dieses Titels berechtigt ist. Sie wird sonst wild und kämpft wie eine Löwin.«

 

»Haben Sie Julian eigentlich gern?«

 

»Nein. Wenn ich sage, daß ich ihn bewundere, meine ich damit etwas anderes. Man bewundert auch Gemälde, Blumen und andere schöne Dinge, ohne daß man eine persönliche Zuneigung zu ihnen hätte. Sie sind hübsch oder interessant, und dann bewundert man sie eben.«

 

»Schätzen Sie mich eigentlich?«

 

Er stellte die Frage geradezu, kam sich selbst aber dabei sehr töricht vor.

 

Sie nickte.

 

»Sie meinen, ob ich Sie bewundere? Nein, das tue ich nicht. Dazu sind Sie viel zu natürlich.«

 

»Gut, dann will ich noch eine andere Frage an Sie stellen. Was halten Sie von einer Verbindung zwischen Mai und Dezember?«

 

Sie lachte lange und herzlich.

 

»Nein, John, so dürfen Sie nicht fragen. Aber vielleicht habe ich eine Vorliebe für eine Heirat zwischen April und Juli. Sie sollten sich selbst nicht so alt machen! Das ist eine Schrulle, und es ist auch eitel, wenn Sie immer über Ihr würdiges Alter reden. So, nun wollen wir aber frühstücken.«

 

Er hätte diese Unterhaltung gern noch weiter fortgesetzt, aber Marie war wirklich hungrig und ließ sich nicht mehr zurückhalten.

 

Nach dem Frühstück ging er in den Ort, um Inspektor Peas aufzusuchen. Nach längerer Zeit fand er ihn auch in der Kantine der Polizeibaracke, die dem großen Tribünenstand auf der Rennbahn gegenüberlag. Dreihunderteinundsechzig Tage im Jahr liegt sie einsam und verlassen, aber während des viertägigen Rennens sind hier viele Polizeibeamte aus der ganzen Gegend zusammengezogen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten und den Verkehr zu regeln.

 

Peas trank Bier und aß große Käsebrote dazu.

 

»Ich wollte eigentlich in der Offiziersmesse essen«, sagte er, »aber die einfachen Polizeibeamten sind ebenso gut für mich. Im Herzen bin ich demokratisch gesinnt. Jeder Polizeibeamte ist mein Kamerad, und sie achten mich deshalb auch besonders. Die Vorgesetzten, die sich immer über die anderen erhaben fühlen, sind bei der Mannschaft nicht beliebt.«

 

John ging einen Augenblick mit ihm auf den Hof hinaus.

 

Peas wußte nicht viel. Ein Einbruch hatte stattgefunden; ein Perlenhalsband war gestohlen worden, ebenso ein Ring.

 

»Es wundert mich nur, daß der Mann ausgerechnet in Mrs. Carawoods Haus eingestiegen ist. Diese Einbrecher unterrichten sich doch vorher meistens sehr genau darüber, was in den einzelnen Villen zu holen ist. Ich kann mir die Sache nur so erklären, daß er das Haus verwechselt hat, aber auch das ist nicht sehr wahrscheinlich.«

 

»Glauben Sie, daß derselbe Mann die beiden Einbrüche verübt hat?«

 

»Zweifellos. Wir fanden genau dieselben Fußspuren auf beiden Grundstücken. Die Erde ist ziemlich weich vom Regen, und der Mann hat Abdrücke in den Blumenbeeten hinterlassen, die vollkommen klar und deutlich sind. Sein Fuß ist fast so klein wie ein Frauenfuß. Außerdem benützt er Baumwollhandschuhe bei der Arbeit. Er ließ einen davon am Fuß der Leiter zurück. Für die Untersuchung ist das leider gar kein Anhaltspunkt. Außerdem ist noch festgestellt worden, daß er in einem Auto hergekommen ist. Wir fanden die Spuren der Räder und Öl an der Stelle, wo er geparkt hat. Es hat sich auch ein Mann gemeldet, der den Wagen dort gesehen hat. Die Nummer hat er sich leider nicht gemerkt, und wenn wir sie auch hätten, würde sie für uns doch kaum von Wert sein, da es sich wahrscheinlich um einen gestohlenen Wagen handelte.«

 

Er sah John neugierig an.

 

»Ist Mrs. Carawood heute morgen wohlauf?«

 

»Ich habe sie noch nicht gesehen. Ich sagte schon – sie war fast die ganze Nacht auf und hat sich jetzt hingelegt.«

 

Peas nickte.

 

»Hat Sie Ihnen nichts über ihren Ausflug nach Rotherhithe gesagt? Aber Sie haben natürlich auch nicht danach gefragt.«

 

»Sie sagte nichts. Übrigens muß ich feststellen, daß Sie Mrs. Carawood wirklich nicht sehr gut leiden können.«

 

»Ich schätze sie mehr als alle anderen Frauen, die ich in der langen Zeit meiner Dienstjahre gesehen und kennengelernt habe«, lautete die erstaunliche Antwort. »Ich habe sogar eine gewisse Bewunderung für diese Dame.«

 

»Bezieht sich Ihre Bewunderung darauf, daß sie eine gute Staatsbürgerin ist oder eine Verbrecherin?« fragte John leichthin.

 

Mr. Peas antwortete nicht. Er hatte seine Geheimnisse. John fühlte, daß der Inspektor ein paarmal nahe daran gewesen war, sie ihm mitzuteilen. Peas war so veranlagt, daß er nicht ohne eine Zuhörermenge leben konnte, die ihm Beifall zollte. Es mußte ihm daher ungeheuer schwerfallen, ein Geheimnis für sich zu behalten, aber in diesem Fall tat er es doch.

 

John ging mit Marie zum Rennplatz und aß dort mit ihr zu Mittag. Den ganzen Nachmittag über sahen sie den Rennen zu, für die sich auch John mehr als sonst interessierte. Ein guter Freund hatte ihm die richtigen Tips gegeben.

 

Die kleine Unterhaltung mit Marie über den Einbruchsdiebstahl hatte er längst vergessen, als sie von den Rennen zurückkehrten und in die Halle traten. Mit einem Aufschrei eilte sie zu dem Seitentisch, auf dem ein Päckchen lag.

 

»Wann ist es angekommen?« fragte sie das Mädchen.

 

»Heute nachmittag.«

 

Sie riß das Papier ab und hielt ein kleines rotes Lederetui in der Hand, das sie sofort öffnete.

 

Auf weißem Plüsch lag der schöne Ring mit dem Rubin.

 

»Nun, was sagen Sie jetzt?« rief sie John triumphierend zu.

 

»Ist das der Ring?« fragte er ungläubig.

 

»Ja, das ist das Geschenk Julians.«

 

Mrs. Carawood war inzwischen eingetreten und sah erstaunt das Schmuckstück an.

 

»Der Ring ist wieder da, und hier ist auch eine kleine Notiz. Ein Zettel …«

 

»Es ist schon so, wie ich dachte.«

 

Sie las die Worte vor, die auf dem schmutzigen Papier standen:

 

»Sehr verehrte Miss, es tut mir leid, daß ich Ihr Geschenk genommen habe.«

 

Marie betrachtete den Ring, indem sie ihn von einer Seite zur anderen drehte.

 

»Willst du das Schmuckstück nicht tragen, Liebling?« fragte Mrs. Carawood, als Marie den Ring ins Etui zurücklegte.

 

»Nein, Nanny«, entgegnete das junge Mädchen ruhig. »Die Farbe paßt nicht zu meinem Kleid, und ich werde wahrscheinlich auch niemals ein Kleid anziehen, das dazu paßt. Deshalb werde ich den Ring vermutlich niemals tragen.«

 

John nahm das Etui in die Hand und sah sich den Rubin an.

 

Seiner Schätzung nach war das Schmuckstück höchstens zwanzig bis fünfundzwanzig Pfund wert. Es war eine Nachbildung eines altvenezianischen Schmucks. Die Goldarbeit war besonders gut.

 

Kapitel 12

 

12

 

John Morlay kehrte am Abend in die Stadt zurück. Er war etwas verwirrt und verstand die Zusammenhänge nicht ganz.

 

Sonnabend und Sonntag waren arbeitsreiche Tage für ihn. Durch den langen Aufenthalt in Ascot war viel liegengeblieben, und er mußte sich beeilen, das Versäumte nachzuholen. Am Montagmorgen saß er schon um acht Uhr an seinem Schreibtisch, als ihm Mrs. Carawood gemeldet wurde.

 

Er begrüßte sie wie eine alte Freundin und schob sofort den besten Sessel für sie zurecht. Als er jedoch mit ihr über die angenehmen Tage in Ascot sprechen wollte, erkannte er, daß sie nervös und unruhig war.

 

Plötzlich erhob sie sich wieder, trat an das Fenster und schaute auf den Platz hinaus. Ihre Aufmerksamkeit schien sich zwischen den Vorgängen draußen und im Zimmer zu teilen.

 

Allem Anschein nach fiel es ihr ziemlich schwer, zu sagen, warum sie gekommen war. John glaubte bestimmt, daß sie ihm etwas ganz Neues mitteilen würde.

 

»Es handelt sich wie gewöhnlich um Marie«, begann sie schließlich. »Ich mache mir im Augenblick sehr viel Sorgen um sie.«

 

»Meinen Sie wegen des Einbruchs?«

 

Sie schüttelte den Kopf.

 

»Nein. Das war eine dumme Sache, aber es kann jedem anderen ebenso gehen. Mr. Morlay, ich weiß, daß Sie sehr viel zu tun haben.«

 

»Das stimmt. Im Moment bin ich sehr beschäftigt«, gestand er ohne weiteres und zeigte auf die großen Stöße von Briefen, die er noch beantworten sollte.

 

»Können Sie – ich meine, kann ich Ihnen so viel Geld zahlen, daß es Ihnen möglich wird, Ihre ganze Zeit für Marie zu verwenden?«

 

Sekundenlang war er versucht, zu sagen, daß er alle Geschäfte beiseite lassen wollte, wenn er nur ihr helfen und beistehen könnte.

 

»Ich traue den Menschen nicht«, fuhr sie fort, »denn ich kenne sie gut. Aber auf Sie kann ich mich verlassen, das weiß ich. Sie haben Marie gern.«

 

Als sie das sagte, sah sie ihn durchdringend an.

 

»Ja«, entgegnete er ruhig. »Ich schätze sie sehr.«

 

Es kostete sie ungeheure Anstrengung, die nächste Frage zu stellen.

 

»Lieben Sie Marie – oder bilden Sie es sich nur ein?«

 

Er sah ihr offen ins Gesicht.

 

»Ich liebe sie, und ich bin alt genug, um meine Gefühle richtig beurteilen zu können.«

 

Sie atmete schnell.

 

»Sie liebt Sie auch. Ja, ich glaube, daß Marie Sie gern hat … das wäre auch ganz nach meinem Wunsch … aber man muß alles mögliche beachten. Ich habe die halbe Nacht nicht schlafen, können und immer wieder darüber nachdenken müssen. Wenn sie nun überhaupt kein Geld hat – ich meine, wenn sie nicht einmal ein paar Pfund besitzt?«

 

»Das würde für mich keinen Unterschied machen.«

 

»Bedeutet Ihnen etwa auch der Titel nichts?«

 

Es lag etwas in dem Ton ihrer Stimme, worüber John Morlay lachen mußte.

 

»Aber meine liebe Mrs. Carawood, in England gibt es so viele Prinzessinnen und Herzoginnen! Es ist ja sehr schön, daß Marie eine Contessa ist, aber mir bedeutet es wirklich nicht viel. Es wäre mir ebenso lieb, wenn sie nur Miss Jones hieße.«

 

Sie seufzte schwer. »Ich glaube Ihnen.«

 

Trotzdem war sie in gewisser Weise enttäuscht, daß er den alten Grafentitel so wenig schätzte.

 

»Sie sind ein Gentleman, der mit Leuten aus aller Herren Länder zusammenkommt, und deshalb denken Sie anders als ich. Ich bin in der Beziehung vielleicht noch etwas altmodisch. Marie habe ich nicht gesagt, daß ich hierherkommen würde«, fügte sie dann hastig hinzu. »Und ich werde ihr auch nicht erzählen, was ich eben mit Ihnen besprochen habe. Aber wenn Sie derartig denken, und wenn sie damit einverstanden ist, dann habe ich auch nichts dagegen.«

 

Es kam ihm zum Bewußtsein, wie schwer es ihr fiel, das zu sagen, und er fragte sich, was sie wohl dazu getrieben haben mochte. Es war nicht der Einbruch in der Villa, auch nicht die Rücksicht auf Julian. Noch vor ein paar Tagen hatte sie ihm mit allem Nachdruck erklärt, daß Marie zu jung zum Heiraten sei, und nun wählte sie selbst einen Mann für sie aus.

 

John war merkwürdig erregt, und als er sprach, zitterte seine Stimme.

 

»Es wäre wunderbar, wenn Marie ebenso darüber dächte wie Sie. Geld spielt für mich nicht die geringste Rolle; ich habe selbst genug.«

 

»Ich weiß es, Mr. Morlay. Ich habe Erkundigungen über Sie eingezogen und bin über Ihre Familie unterrichtet. Ich könnte Ihnen genau sagen, wieviel Geld Sie besitzen und wieviel Sie in Aktien angelegt haben. Ich mußte das tun, um sicher zu sein, bevor ich Ihnen etwas sagte, und es gibt ja genug Auskunftsbüros in London. Sobald ich zu dem Entschluß kam, daß Marie bald heiraten müßte …« Sie hielt plötzlich inne.

 

»Bis wann soll sie denn heiraten?«

 

Mrs. Carawood seufzte wieder ungeduldig.

 

»Das kann ich noch nicht sagen, aber es wird wohl bald sein. Kennen Sie Polizeiinspektor Peas? Er ist ein Kriminalbeamter, der sich mit Verbrechen beschäftigt. Sie wissen schon, wie ich es meine, Mr. Morlay.« Sie war etwas verwirrt. »Er ist ein richtiger Kriminalist.«

 

»Ich kenne ihn sehr gut.«

 

»Er ist in mein Geschäft gekommen, hat sich dort nach mir erkundigt und meine Angestellten ausgefragt. Wissen Sie vielleicht, warum er das getan hat?«

 

John konnte ihr aufrichtig sagen, daß er keinen Grund dafür wüßte.

 

»Ich würde mir an Ihrer Stelle keine Sorgen deswegen machen, Mrs. Carawood. Die Polizei muß natürlich alle möglichen Nachforschungen anstellen. Die Leute wollen zum Beispiel wissen, warum Sie in letzter Zeit öfter nach Antwerpen reisten …«

 

Er hörte einen erschrockenen Laut und schaute auf. Sie stand am Fenster; ihr Gesicht war bleich, und sie atmete aufgeregt. Einen Augenblick glaubte er schon, sie würde ohnmächtig umsinken, und eilte zu ihr, um sie zu stützen. Aber sie machte eine abwehrende Bewegung.

 

»Was sagten Sie eben?« fragte sie heiser. »Warum ich nach Antwerpen reiste? Nun, das ist sehr einfach. Ich habe dort für mein Geschäft Einkäufe gemacht – das kann ich leicht beweisen. Die Polizei kann ja in mein Büro kommen – ich kann die Frachtbriefe vorlegen.«

 

»Was kommt es auch darauf an?«

 

Sie sank in einen Stuhl und sah ihn an. Ihre Hände zitterten. Er ging rasch in eine Ecke des Zimmers, goß ein Glas Wasser ein und reichte es ihr. Sie trank gierig und lächelte ihn dann dankbar an.

 

»Es ist wirklich nichts. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich noch ein wenig hier in Ihrem Büro bleibe, um mich zu erholen? Und gibt es einen hinteren Ausgang?«

 

»Ja«, erwiderte er erstaunt.

 

»Vielleicht könnte einer Ihrer Angestellten mir ein Taxi besorgen und vor dem hinteren Eingang halten lassen. Ich werde nach Hause fahren, möchte aber nicht die Vordertür benützen. Ich fühle mich noch so schwach, daß ich eventuell ohnmächtig werden könnte, und ich mag nicht die Aufmerksamkeit der Leute auf der Straße erregen. Wenn mir etwas passieren sollte, kann mich wenigstens niemand sehen.«

 

»Soll ich einen Arzt rufen?« fragte er ängstlich.

 

»Nein, die Ruhe im Auto ist die beste Arznei für mich.«

 

John beauftragte eine seiner Stenotypistinnen, ein Taxi zu rufen und die Dame nach Hause zu begleiten. Als er ins Büro zurückkehrte, stand Mrs. Carawood am offenen Fenster und sah auf den Platz hinunter. Allmählich hatte sie wieder etwas Farbe bekommen und fühlte sich offensichtlich wohler.

 

»Es tut mir leid, daß ich Ihnen soviel Unannehmlichkeiten mache, Mr. Moday. Gelegentlich bekomme ich solche Schwächeanfälle – wann werden Sie Marie wieder treffen?«

 

»Vielleicht morgen«, sagte er.

 

Sie nickte.

 

»Morgen kommt sie in die Stadt, dann können Sie sie zum Tee abholen. Ich weiß wirklich nicht genau, wie sie über Sie denkt, aber jedenfalls ist ihr Urteil über Sie nicht schlecht – das weiß ich. Sie ist zwar noch jung, hat aber bereits ein sehr selbständiges Urteil. In der Beziehung ist sie viel reifer als ihre Altersgenossinnen. – Wenn Sie Marie heiraten, wird sie Ihren Namen führen. In gewisser Weise tut mir das leid …«

 

»Ach, wegen des Titels?« John lächelte. »Nun, deshalb brauchen Sie sich keine Sorge zu machen. Sie wird, wenn sie mich heiratet, in absehbarer Zeit Lady Morlay werden. Ich habe einen Onkel, der nicht verheiratet ist, und bin der nächste Erbe, der nach seinem Tod den Titel eines Baronets führen darf.«

 

Das war eine Neuigkeit, die Mrs. Carawood von der Auskunftei nicht erfahren hatte. Sie strahlte und fragte ihn, welche gesellschaftliche Stellung die Frau eines Baronets hätte.

 

Durch diese Mitteilung war er bedeutend in ihrer Achtung gestiegen.

 

Während sie noch mit ihm sprach, kam einer der Angestellten und meldete, daß der Wagen vor der Tür stehe. Mrs. Carawood ging die Treppe hinunter. John sah ihr nach, als sie abfuhr, dann kehrte er langsam in sein Büro zurück. Er war sehr glücklich.

 

Kapitel 13

 

13

 

John Morlay aß verhältnismäßig früh zu Mittag; es war erst halb eins, als er auf den Hanover Square hinaustrat. Zuerst sah er den Mann nicht, der an der Ecke stand; erst als er an ihm vorüberkam, wurde ihm bewußt, daß er ihn früher schon getroffen haben mußte. Er drehte sich um und trat einen Schritt zurück.

 

»Hallo, mein Freund, hier sind Sie aber weit fort von Ascot! Sie sind doch derselbe, den ich vor einigen Wochen dort in einem Garten gesehen habe?«

 

Der frühere Sträfling sah angegriffen und elend aus.

 

»Wir leben hier in einem freien Land. Ich kann ebensogut hier sein wie in Ascot. Sie können mir nichts anhaben. Man kann mich nicht verhaften, weil ich mich hier herumtreibe … Sie können mich ja zur Polizeiwache mitnehmen und mich dort durchsuchen lassen! Sie werden nichts in meinen Taschen finden, wenn Sie es nicht vorher hineinstecken!«

 

Er sprach trotzig und schnell, aber John wußte, daß sich nur Furcht dahinter verbarg. Der Mann hatte etwas von einem gehetzten Tier in seinem Wesen, und John Morlay fühlte Mitleid mit ihm.

 

»Ich habe nicht die Absicht, Sie verhaften zu lassen oder Sie zur Polizeiwache zu bringen. Ich will Ihnen auch gar keinen Vorwurf machen. Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie helfen?«

 

»Wenn Sie mir Geld geben wollen, dann nicht. Ich habe genug. Sind Sie aus dem Haus dort gekommen?« Er zeigte auf die Tür.

 

»Ja.«

 

»Wohnen Sie dort?« fragte er argwöhnisch.

 

»Ich habe mein Büro dort. Auch verschiedene andere Firmen haben in dem Gebäude Räume gemietet. Außer mir noch ein Rechtsanwalt, ein Exporteur und Buchrevisoren. Aber warum fragen Sie danach?«

 

Der Mann feuchtete seine Lippen mit der Zunge an und sah sich ängstlich nach rechts und nach links um.

 

»Haben Sie nicht eine Frau in dem Haus gesehen? Sie muß etwas jünger sein als ich, hat eine dunkle Gesichtsfarbe und ist sehr gut gekleidet …«

 

Der frühere Sträfling sah Morlay durchdringend an, als er diese Frage stellte.

 

John wußte, daß der Mann Mrs. Carawood meinte. Instinktiv hatte er das Gefühl, es abstreiten zu müssen.

 

»Nein. Sind Sie mit ihr befreundet?«

 

»Ich weiß es nicht … Ich will Ihnen die Wahrheit sagen. Ich weiß nicht bestimmt, ob sie es ist, aber sie sieht ihr sehr ähnlich. So etwas ist mir noch nicht vorgekommen. Sie stand dort oben an dem Fenster.« Er zeigte auf das offene Fenster von Johns Büro. »Ich habe sie gesehen. Sie hat mich auch erkannt, denn sie ging gleich ins Zimmer zurück.«

 

Nun wußte John plötzlich, warum Mrs. Carawood so sehr erschrocken war. Nicht die Erwähnung Antwerpens hatte sie so aufgeregt. Sie mußte diesen Mann gesehen und erkannt haben.

 

»Ich sah, wie sie zur Haustür hineinging, und sagte mir: ›Die sieht genauso aus.‹ Und darum blieb ich hier und beobachtete das Haus. Als ich dann nach dem oberen Stockwerk schaute, entdeckte ich sie wieder.«

 

»Wenn es das Fenster dort oben war, kann ich Sie beruhigen. Das ist mein Büro, und die Dame, die dort stand, war die Herzogin von Crelbourne.«

 

»Was, eine Herzogin? Ich meine die Frau mit der dunklen Gesichtsfarbe.«

 

John nickte.

 

»Ja. Ich kenne sie schon seit Jahren.«

 

Der andere strich sich übers Kinn.

 

»Dann vergeude ich hier nur unnötig meine Zeit. Es ist merkwürdig – ich hätte schwören mögen, daß sie es war …«

 

Er zuckte die Schultern, und ohne sich zu verabschieden, ging er fort.

 

Er hatte Geld, aber nicht im Überfluß; Geld, um sich das nötige Essen und den Lebensunterhalt zu verschaffen, aber für Kognak reichte es nicht, und danach lechzte er besonders. Er hätte ganz gut und bequem von dem Geld leben können, das er monatlich erhielt, aber das war nicht nach seinem Wunsch. Er stellte sich das Leben anders vor. Seitdem er aus dem Gefängnis gekommen war, sah er ein, daß sich die alten Methoden vollkommen geändert hatten. Es war nicht mehr so leicht wie früher, in ein Haus einzudringen und einfach ein paar Silbergegenstände zu stehlen. Die letzten drei Tage war er in London umhergewandert und hatte versucht, eine Gelegenheit zu leichten Diebstählen auszukundschaften, aber er merkte, daß sich eine neue Wissenschaft für Einbrüche entwickelt hatte. Selbst die Ganovensprache war nicht mehr dieselbe; viele Ausdrücke waren ihm fremd. Und es gab junge Leute, die eine besondere Taktik ausgearbeitet hatten, um in gute Wohnungen zu kommen. Unter irgendeinem Vorwand drangen sie ein, rafften an Pelzen, teuren Kleidungsstücken und sonstigen beweglichen Sachen zusammen, was in Reichweite war, und verschwanden dann so schnell wie möglich wieder. Die ganze Angelegenheit durfte höchstens eine Minute dauern. In seinen jungen Jahren hatte er klettern können, aber jetzt war ihm das unmöglich. Der Arzt hatte ihm gesagt, daß er jeden Augenblick damit rechnen müßte, einem Herzschlag zu erliegen. Deshalb trug der Mann auch eine für ihn kostbare Medizin in einem kleinen Fläschchen in der Tasche. Sie konnte ihm das Leben retten, wenn er einen Anfall bekam. Er war froh, daß er sie bis jetzt noch nicht nötig gehabt hatte.

 

Er haßte die Welt, aber am meisten die Frau, die er eben zu erkennen geglaubt hatte. Sollte das wirklich eine Herzogin gewesen sein? Sie sah doch so gewöhnlich aus. Allerdings war er noch nie einer Dame von so hohem Adel begegnet.

 

John ging zu seinem Klub und war während des Mittagessens sehr nachdenklich. Er hatte sich schon halb vorgenommen, zu dem Laden in der Penton Street zu gehen und mit Mrs. Carawood zu sprechen. Warum hatte sie sich vor diesem schäbigen früheren Sträfling gefürchtet? Welche Beziehungen bestanden zwischen ihr und ihm, daß sein Anblick sie so erschreckte?

 

Er wünschte, er hätte sich Inspektor Peas anvertrauen können, aber der war gefährlich. Man wußte niemals, wie weit man sich auf ihn verlassen konnte. Er gehörte zu diesen jungen, skrupellosen Beamten, denen kein Geheimnis heilig war, wenn sie dadurch beruflich vorwärtskamen.

 

Julian trat in den Speisesaal, als John gerade mit dem Essen fertig war. Mr. Lester war auch ein Mitglied des Klubs, kam aber nur selten her. Es ging ihm dort etwas zu bürgerlich zu. Die Mitglieder waren zwar wohlhabend, aber keine großzügigen Kapitalisten, die ihr Geld in gewagten Spekulationen anlegen wollten.

 

Die Speisekarte war außerordentlich preiswert, und wenn Julian nicht das Glück hatte, von jemandem eingeladen zu werden, erschien er hier.

 

Als er John erkannte, kam er mit langen Schritten quer durch den Saal auf ihn zu.

 

»Es ist doch schrecklich, daß die arme Marie solches Pech hatte!« sagte er. »Ausgerechnet sie muß von einem Einbrecher erschreckt werden! Kaum zu glauben, daß der Mann den Ring zurückgeschickt hat! Ich verstehe die heutigen Zeiten nicht mehr.«

 

»Ich bin kein Sachverständiger für kriminelle Angelegenheiten«, erwiderte John. »Und wenn Sie denken, Sie können sich hier mit mir lange und angenehm unterhalten, dann irren Sie sich sehr. Trocknen Sie Ihre Tränen mit der Serviette, denn ich gehe in ein paar Minuten fort.«

 

»Sie scheinen ja recht hochmütig zu sein«, erwiderte Julian leise.

 

Er schien in bester Stimmung zu sein, trug eine Nelke im Knopfloch und erzählte John strahlend, daß er am Nachmittag nach Wolverhampton zu fahren beabsichtigte, um Material für sein Buch zu sammeln.

 

»Ich möchte nur wissen, was Sie in dem Nest finden wollen«, entgegnete John erstaunt.

 

»Sie sind ziemlich unhöflich. Ich weiß gut genug, welches Material ich für mein Buch brauche. Dazu muß man eben Bildung und Geschmack haben.«

 

»Trotzdem ist mir immer noch nicht klar, welches Material Sie in Wolverhampton sammeln könnten. Ich habe nichts gegen den Ott, im Gegenteil, es wohnen ein paar gute Kunden von mir dort. Aber für Sie ist das wirklich ein merkwürdiger Platz. Was wollen Sie denn dort?«

 

Mr. Lester wich dieser Frage aus. Er wollte mit John über Marie sprechen, wurde jedoch nicht dazu ermutigt. Vor allem hätte er gern gewußt, welchen Eindruck sein Geschenk auf das junge Mädchen gemacht hatte.

 

»Es war eine Sensation«, entgegnete John ironisch. »Die Leute kamen aus der Königlichen Loge und standen stundenlang Schlange, um sich das Wunderding anzusehen. Ich hatte niemals geahnt, daß ein synthetischer Edelstein und ein bißchen Gold – zusammen kaum fünfzehn Pfund wert – solchen Eindruck machen könnten.«

 

»Erlauben Sie mal, der Ring hat fünfundzwanzig Pfund gekostet«, sagte Julian stolz. »Es ist außerdem absolut nicht fein, über einen anderen Menschen zu lachen, weil er nicht Geld genug hat, um kostbare Geschenke zu machen. Es ist nicht die Gabe an sich –«

 

»Es ist der Geist, in dem sie geschenkt wird«, unterbrach ihn John. »Aber warum machen Sie denn jetzt in Geistreicheleien?«

 

Mr. Julian Lester ließ sich nicht anmerken, daß ihn die Reden Johns irgendwie ärgerten. Über dergleichen war er erhaben. Er fühlte sich John und der anderen Welt überlegen, und heute hatte er besonderen Erfolg gehabt. Es war ein guter Tag für ihn gewesen. Er hatte eine große Anzahl von Aktien in einem Augenblick kaufen können, in dem sie den niedrigsten Stand erreicht hatten, und in weniger als einer Woche würde ihm diese Kapitalanlage mindestens fünfzig Prozent Gewinn einbringen.

 

Er trug am Ende einer Goldkette ständig ein kleines Buch bei sich, in das er Tag für Tag die wachsende Summe seines Vermögens einschrieb. Auf dem Deckel war die Zahl 500 000 eingraviert. Das war seine Devise, sein Motto, das Wappenzeichen, das Ziel, auf das er lossteuerte. Der Gedanke an diese fünfhunderttausend Pfund beherrschte ihn vollkommen; danach richtete er alle seine Handlungen, ja sein ganzes Leben ein. Als er diese hohe Zahl eingravieren ließ, hatte er nicht einmal hundert Pfund auf der Bank. Manchmal waren die Summen, die er eintrug, verhältnismäßig hoch; manchmal gingen sie wieder herunter. Es war ein ewiges Steigen und Fallen, aber im allgemeinen bewegte sich die Kurve in aufsteigender Linie. Selbst den schwarzen Börsentag in Wall Street hatte er glücklich überstanden.

 

Julian hatte mit so gut wie nichts angefangen und sich vorgenommen, sich zurückzuziehen, wenn er ein Vermögen von einer halben Million zusammengebracht hatte. Bei seiner Veranlagung schien es nicht ausgeschlossen, daß er sein Ziel erreichte. Außerdem spielte er immer mit dem Gedanken, eine nicht zu intelligente reiche Erbin zu heiraten. Das war sein Lieblingstraum. Die Hoffnung, einmal eine Millionärstochter aus dem Wasser zu retten, hatte er allerdings schon lange aufgegeben. Früher, als er diesen Plan besonders schätzte, hatte er deshalb sogar Schwimmunterricht genommen.

 

So selbstzufrieden er sonst auch war, er hatte doch einen gewissen Sinn für Tatsachen und wußte sehr bald, wann er mit einem Plan nichts erreichen konnte. Das brachte ihn dann aber nicht etwa zur Verzweiflung; er nahm alle Schicksalsschläge mit philosophischer Ruhe hin.

 

Marie Fioli war in diesem Augenblick noch kein Fehlschlag für ihn, aber es stand doch ein sehr großes Fragezeichen hinter ihrem Vermögen. Und bevor diese Angelegenheit nicht auf die eine oder andere Weise geklärt war, konnte er sie nicht zum Abschluß bringen.

 

Julian nahm niemals ein zu großes Risiko auf sich, auch machte er keine unnötigen Anstrengungen. Solange der Heiratsplan mit Marie aussichtsreich war, arbeitete er in dieser Richtung, und er war optimistisch genug, das Beste zu hoffen. Vielleicht konnte er durch diesen Plan die Höchstgrenze seiner Hoffnungen erreichen. Er war auch nicht darauf versessen, die Summe von fünfhunderttausend Pfund unbedingt bis auf den Shilling genau zu erreichen: Das war nur ein allgemeines Ziel. Ob es etwas mehr oder weniger wurde, war gleichgültig.

 

Niemand kannte Julian durch und durch. Und kaum jemand in England wußte etwas von der schönen kleinen Villa in der Nähe von Florenz, die er sich vor einem Jahr gekauft hatte. Dorthin wollte er sich zurückziehen.

 

Jetzt fuhr er mit seinem Notizbuch und einem teuren Fotoapparat nach Wolverhampton. Seine Aufnahmen entwickelte er selbst. Das große Werk, das er einmal schreiben wollte und das niemals veröffentlicht werden würde, sollte von der Schlosserkunst handeln. Er hatte dieses Fach mit größter Sorgfalt studiert; er hatte Gelegenheit, alle großen Fabriken in England, die sich in dieser Richtung betätigen, zu besuchen, und seine Spezialkenntnisse ermöglichten es ihm, mit den Ingenieuren und Direktoren auf vertraulichem Fuß zu verkehren. Dadurch erfuhr er Dinge, die so leicht kein anderer hörte. Als Schriftsteller, der sich für dieses Fach besonders interessierte, hatte er Zutritt zu den Fabrikarchiven und lernte die Geheimnisse aller modernen Schlösser kennen. Er fotografierte Schlüssel und Schlösser, und manchmal erlaubte man ihm sogar, Modelle davon zu machen. In der Beziehung war er jedoch nicht sehr gewissenhaft; er nahm auch Abdrücke ohne Genehmigung. Aber davon erfuhr dann niemand etwas.

 

So kam es, daß er sich nach einigen Jahren rühmte, jedes Schloß in den großen Banken öffnen zu können, einschließlich der allerneuesten Typen, die einbruchs-, feuer- und sonstwie sicher sein sollten.

 

Niemand hätte Julian zugetraut, daß er große Körperkräfte besaß, aber tatsächlich konnte er mit der Gewandtheit eines Affen an einer Dachröhre in die Höhe klettern. Auch besaß er Kenntnisse über Edelsteine, um die ihn die besten Juweliere in Hatton Garden beneidet hätten. Selbst auf große Entfernung hin konnte er den Wert des Rings, den eine Dame trug, abschätzen, und er sah auf den ersten Blick die Fehler einer Perlenkette, die selbst von Fachleuten als einwandfrei betrachtet wurde.

 

Ebenso wußte er, daß jede Perle eine gewisse Form hatte, die man wiedererkennen konnte, und daß sich selbst berühmte Perlenhalsbänder, die man auseinandernahm, von erfahrenen Fachleuten identifizieren ließen. Aus diesem Grund wollte er nichts mit Perlen zu tun haben. Er hatte die schwere Kunst gelernt, Diamanten zu teilen und in neue Formen umzuschleifen, so daß sogar die Frauen, die einen solchen Schmuck jahrelang getragen hatten, nicht fähig waren, die Steine wiederzuerkennen. Auch auf allen möglichen anderen Gebieten entwickelte Julian Lester große Fähigkeiten.

 

Die Ungewißheit über Maries Vermögen machte ihm viel Kopfzerbrechen. Diese Frage mußte möglichst schnell geklärt werden. Und sobald er zur Stadt zurückkam und die Fotos entwickelt hatte, machte er sich daran, diese Aufgabe zu lösen.

 

Er hatte eine Wohnung am Belford Square. Es war allerdings nur eine verhältnismäßig kleine Unterkunft; die Räume waren auch nur mit bescheidenem Luxus eingerichtet. Immerhin war sein Vater viel umhergereist; von ihm hatte Julian reich geschnitzte Schränke aus Japan und China, seidene Teppiche aus Isfahan, seltene Stickereien aus China, kostbare silber- und goldtauschierte Waffen geerbt. Die Sammlungen waren schon oft von Vorteil für ihn gewesen, wenn er Leute einladen mußte, die ihm bei seinen finanziellen Plänen behilflich sein sollten.

 

Kapitel 14

 

14

 

Die Uhren draußen schlugen eins, als Julian in das Haus trat. Er stieg die nur spärlich beleuchtete Treppe hinauf, blieb auf dem zweiten Podest stehen, nahm seinen Schlüssel heraus und öffnete die Wohnungstür. Er bewegte sich fast lautlos; nur als die Tür aufging, gab es ein leises Geräusch.

 

Aber dieses schwache Knarren genügte, um jemand zu warnen. Als Julian die Tür weit aufmachte, sah er für den Bruchteil einer Sekunde einen Lichtschimmer durch die halboffene Tür seines Schlafzimmers. Es war nur ein kurzer Augenblick, dann war es wieder vollständig dunkel.

 

Julian Lester hatte viele Fehler, aber Mangel an Mut konnte man ihm nicht vorwerfen. Er schloß die Wohnungstür leise und riegelte sie von innen ab. Dann wandte er sich nach links, trat in sein Arbeitszimmer und schaltete dort das Licht ein. Aus einer Schublade nahm er eine Browning, ging in die Diele zurück und drehte dort das Licht an. Die Tür zum Schlafzimmer war geschlossen, aber er wußte ganz genau, daß sie vorher offengestanden hatte. Kurz entschlossen riß er sie auf und schaltete auch hier das Licht ein.

 

»Hände hoch, mein Freund!«

 

Der Mann mit dem bleichen, ungesunden Gesicht taumelte zur Wand zurück. Er war geblendet durch das helle Licht; außerdem sah er, daß Julian die Schußwaffe gegen ihn hob. Aber er machte keinen Versuch, die Hände zu bewegen.

 

»Ich kann die Arme nicht hochheben«, sagte er heiser. »Ich habe einen bösen Herzfehler …«

 

Er sah alt, schrecklich alt aus und hatte von vielen Falten durchfurchte Züge, tiefliegende Augen, buschige, überhängende Brauen und graue Haare. Sein Gesicht zuckte nervös, als er in die Mündung der Waffe sah.

 

»Ich bin geschlagen! Ich werde mich ruhig verhalten. Wollen Sie mir nicht eine Chance geben? Ich bin nach einer Gefängnisstrafe auf Lebenszeit eben aus Dartmoor entlassen worden. Sie wollen doch einen alten Mann nicht wieder ins Zuchthaus zurückschicken?«

 

Seine Stimme klang weinerlich und bittend. Julian sah ihn verächtlich an. Die Kleider des Einbrechers waren abgetragen, die Schuhe schäbig. Alles an ihm stieß Julian ab.

 

»Wie sind Sie denn hier hereingekommen?« fragte er.

 

Das offene Fenster ließ diese Frage überflüssig erscheinen.

 

Der Mann hatte sofort eine Erklärung und Entschuldigung zur Hand, aber auf Julian machte das keinen großen Eindruck. Er hörte ihm mit eisiger Ruhe zu. Als erstklassiger Berufseinbrecher verachtete er diese Fehler eines Amateurs. Schließlich ließ er den Mann vor sich hergehen und brachte ihn in sein Arbeitszimmer. Als er die Wohnung oberflächlich durchsuchte; sah er, daß nichts fehlte. Wahrscheinlich waren sie beide zugleich in der Wohnung angekommen: der Einbrecher durch das Fenster, er selbst durch die Tür.

 

»Ich bin am Verhungern.«

 

»Wie heißen Sie? Es ist allerdings lächerlich, einen Mann wie Sie nach seinem Namen zu fragen.«

 

»Smith«, erwiderte der Mann und grinste.

 

Zuerst wollte Julian nach der Polizei schicken, aber er hatte noch nie eine solche Situation erlebt, und sie machte ihm eine gewisse Freude. Er ließ also den Mann in die kleine Küche gehen. Seine Aufwartefrau hatte ihm hier ein einfaches Abendbrot zurechtgemacht, und da Julian im Klub gegessen hatte, brauchte er es nicht.

 

»Setzen Sie sich und essen Sie!« sagte er.

 

Nach anfänglichem Zögern setzte sich der Mann hin. Am Verhungern schien er nicht gewesen zu sein, denn er aß sehr wenig, und Julian schloß daraus mit Recht, daß der Einbrecher gewohnheitsmäßig log.

 

Julian überlegte sich, was Morlay unter diesen Umständen wohl getan hätte. Natürlich hätte er sofort die Polizei benachrichtigt und den armen Teufel verhaften lassen. Julian hätte das jetzt auch noch tun können, aber dann fiel ihm etwas anderes ein.

 

»So, Sie sind also zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt worden? Das bedeutet in England zwanzig Jahre.«

 

Smith nickte.

 

»Welches Verbrechen haben Sie denn begangen?«

 

Der Mann warf Julian einen prüfenden Blick zu.

 

»Mord!« sagte er dann mit kaltblütiger Ruhe, so daß selbst Julian ein Schauer überlief. »Ich war gerade bei einem Einbruch und habe dabei einen Polizisten niedergeknallt. Das heißt, das war ein Zufall«, setzte er schnell hinzu, als er sah, welchen schlechten Eindruck das auf den anderen machte. »Dann hat eine Menge von gemeinen Lügnern gegen mich ausgesagt. Man hätte mich auch gehenkt, aber jemand hat eine Petition für mich eingereicht.«

 

»Das war es also«, erwiderte Julian. Er hatte nun einen Entschluß gefaßt.

 

»Kommen Sie mit, wenn Sie mit dem Essen fertig sind«, sagte er kurz.

 

Smith atmete erleichtert auf und sprang so schnell und behende auf, wie man es ihm bei seinem Alter kaum zugetraut hätte.

 

»Ich …«, begann er, dann sah Julian plötzlich, daß sich die Züge des Mannes schmerzlich verzerrten. Seine ungesunde, bleiche Gesichtsfarbe wurde dunkelrot und ging an manchen Stellen in ein sonderbares Blau über. Nervös suchte er in seinen Taschen und holte schließlich eine kleine Medizinflasche hervor. Mit zitternden Händen entfernte er den Korken, setzte sie an die Lippen und trank, bevor er kraftlos in einem Stuhl zusammenbrach. Julian sah den Mann bestürzt, fast furchtsam an und atmete auf, als Smith allmählich wieder zu sich kam.

 

»Es ist das Herz«, sagte Smith schnell. »Solche Anfälle habe ich zuweilen. Ich muß immer die Medizin bei mir tragen, sonst kratze ich ab.«

 

Er verschloß die Flasche wieder und steckte sie in die Westentasche.

 

»Ich möchte etwas für Sie tun«, sagte er dann. »Sie sind der erste, der freundlich zu mir gewesen ist.«

 

Julian wußte, daß das die gewöhnliche Redensart der alten Sträflinge war, mit der sie andere Leute freundlich zu stimmen hofften. Aber er war durch den Anfall so abgelenkt, daß er sich täuschen ließ und diese Versicherung mit Zufriedenheit hinnahm.

 

»Wenn Sie sich bekehren ließen und von jetzt ab ein anständiges Leben führten, gäbe es viele Leute, die Ihnen gern helfen würden.«

 

»Das sagen Sie so, aber es ist nicht der Fall. Hinter einem Sträfling sind immer alle her. Wenn Sie mir eine anständige, ruhige Arbeit geben könnten –«

 

Er sprach weiter, aber Julian hörte nicht zu. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Dieser Mann konnte ihm bei gewissen Gelegenheiten nützliche Dienste leisten und im schlimmsten Fall für ihn selbst als Sündenbock gelten.

 

»Wo wohnen Sie denn? Wie kann ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen?«

 

Smith sagte ihm das gern, und Julian schrieb die Adresse auf die Rückseite einer seiner Visitenkarten.

 

»Hier sind zehn Shilling«, erklärte er dann und gab dem Mann das Geld. »Vielleicht habe ich einmal etwas für Sie zu tun. Besuchen Sie mich von Zeit zu Zeit hier – nein, es ist besser, ich schicke nach Ihnen, wenn ich Sie brauche.«

 

Er brachte den Mann zur Haustür und begleitete ihn auf die Straße.

 

Julian war mit sich und seinem Erfolg zufrieden. Er hatte ein gutes Werk getan; es hatte ihn nur zehn Shilling gekostet und ein wenig Essen. Als er sich zu Bett legte, fühlte er eine gewisse Unruhe, so daß er schließlich aufstand und die Schubladen im Arbeitszimmer genau untersuchte. Aber er konnte nur feststellen, daß der Einbrecher nichts genommen hatte. Zufrieden legte er sich wieder hin.

 

Am nächsten Vormittag hatte Julian mit Komiteesitzungen in einem wohltätigen Verein zu tun, und später ging er mit dem Sekretär der Gesellschaft zu Tisch.

 

Um drei Uhr hatte er eine Verabredung am Belford Square. Ein kleiner Herr mit scharfgeschnittenen Gesichtszügen ging vor Julians Haus auf und ab und wartete auf ihn. Lester begrüßte ihn mit einem Kopfnicken und führte ihn dann in seine Wohnung.

 

»Jawohl«, erwiderte der Mann und zog ein kleines Notizbuch aus der Tasche. »Ich war in dem Laden und habe mich mit dem jungen Herman angefreundet.«

 

Er berichtete über einige Einzelheiten, die jedoch keinen großen Wert hatten. Julian überließ nichts dem Zufall, er wollte unter allen Umständen sichergehen. Dieser Agent war bei einer guten Detektei angestellt, an die sich Julian gewandt hatte, nachdem John Morlay seinen Auftrag abgelehnt hatte.

 

»Das ist sehr gut. Halten Sie sich an den Jungen und sehen Sie, was Sie aus ihm herausbekommen können. Sie wissen, daß ich soviel wie möglich über Mrs. Carawood erfahren möchte. Wie sie ihr Geschäft angefangen hat, woher sie ihr Geld hat und so weiter. Abgesehen von dem Geld, das ich Ihrer Firma bezahle, werde ich Ihnen eine recht schöne Belohnung aussetzen, wenn Sie alles wunschgemäß herausbringen.«

 

»Sie können sich auf mich verlassen«, erwiderte Martin optimistisch. »Bevor eine Woche um ist, kann ich den Jungen um die Finger wickeln.«

 

»Das hoffe ich auch«, entgegnete Julian trocken. Er hatte seine eigenen Ansichten über Herman und wußte, daß dieser nicht so leicht zu behandeln war.

 

Dieser Martin konnte ebenso nützlich sein wie John, und nachdem Julian es sich genauer überlegte, kam er zu der Entscheidung, daß es schließlich für ihn gut war, wenn die Firma Morlay den Fall nicht weiter bearbeitete.

 

*

 

Es war elf Uhr morgens, als Mrs. Carawood einen Rundgang bei ihren Geschäften begann. Aus einiger Entfernung hinter dem Laden in der Penton Street kam vom Hof eine Stimme, die ein einfaches Lied sang, und auch das nicht einmal ganz richtig. Der Mann sägte, und zum Takt der Säge sang er. Von Zeit zu Zeit kam Herman auf den Hof und schüttelte den Kopf, aber der Gesang verstummte nicht.

 

»Warum machen Sie denn solchen Spektakel?« rief der junge Mann schließlich. »Die Säge knirscht doch schon genügend!«

 

»Ich bin erstaunt, daß Sie meinen Gesang nicht leiden können«, erwiderte Mr. Fenner freundlich, aber vorwurfsvoll.

 

Er machte eine Pause und wischte die Hände an der Schürze ab. »Ist Mrs. Carawood ausgegangen?«

 

Seine Stimme klang etwas betrübt. Er hatte an diesem Tag extra Urlaub von seiner Firma genommen, um im Laden Mrs. Carawoods eine Anzahl kleiner Reparaturen vorzunehmen, die meistens nicht notwendig waren.

 

»Sie ist zu den anderen Läden gegangen, um einmal nachzusehen, wie es dort steht«, entgegnete Herman und machte sich wieder eifrig daran, Schuhe zu putzen. »Sind Sie jetzt mit der Tür fertig?«

 

Fenner nickte.

 

»So ziemlich. Ich muß noch ein wenig nachputzen und dann die hellen Stellen mit Politur überstreichen.«

 

Er schaute nachdenklich auf Herman.

 

»Hören Sie mal zu, Freund.«

 

Herman drehte sich nach ihm um.

 

»Gibt es hier noch etwas anderes für mich zu tun? Ich habe den ganzen Tag frei, und ich möchte mich gern nützlich machen. Und wenn ich Mrs. Carawood frage, sagt sie immer, es gäbe nichts für mich zu tun.«

 

»Wenn Mrs. Carawood das sagt, wird es wahrscheinlich auch so sein. Wollen Sie sich eigentlich ganz bei uns einquartieren?«

 

»Werden Sie nicht ausfallend«, warnte ihn Fenner. »Kommen Sie mal her und sehen Sie sich die Tür an.«

 

Herman warf einen Blick in den Laden. Die Verkäuferin war zum Mittagessen fortgegangen.

 

»Ich kann den Laden nicht alleinlassen.«

 

»Es ist doch eine Klingel an der Tür.«

 

Mr. Fenner ließ sich nicht so leicht abweisen. Er brauchte vor allem eine Bestätigung seiner Tätigkeit. Und jetzt wollte er möglichst noch eine Tür aushängen und daran herumbasteln. Er mußte irgendeinen Vorwand haben, sich hier im Haus aufzuhalten, denn er fühlte sich nur hier wohl, in der Nähe der Frau mit dem dunklen Gesicht, die er seit langem verehrte.

 

Während Herman noch überlegte, ob er der Aufforderung Folge leisten sollte, öffnete sich die Tür, und ein Herr trat in den Laden.

 

Kapitel 1

 

1

 

Zu den Untugenden John Morlays gehörte vor allem Neugierde. Deshalb blieb er natürlich eines Morgens auch vor dem Gartentor einer kleinen Villa in Ascot stehen. In dem schmucken, aber nicht allzu großen Haus wurde eifrig gearbeitet, und das erregte seine Aufmerksamkeit. Er sah durch eine Öffnung in der gradlinigen Hecke, wie Arbeiter eben einen Schrank hineintrugen. Weiter hinten bemerkte er einen frischgemähten Rasenplatz mit einem Bassin, und jenseits erhob sich das Wohngebäude aus roten Ziegeln. Breite weiße Sandsteinquadern bildeten die Fensterumrahmungen des zierlich wirkenden Hauses. Es lag ziemlich versteckt, so daß es wohl nur Leute wie John Morlay entdecken konnten, die Zeit und Lust hatten, planlos in der Gegend umherzustreifen. Es lag auch nicht an einer richtigen Straße, sondern an einem Weg, der sich in den Wiesen verlor. In der Nähe von Ascot gibt es eine ganze Anzahl ähnlicher Landsitze.

 

Allem Anschein nach zog hier ein neuer Mieter ein – vielleicht hatte das kleine Grundstück sogar seinen Besitzer gewechselt. John folgte den Arbeitern, die mühsam schwere Möbelstücke den Kiesweg entlangschleppten. Der Weg war erst vor kurzem gesäubert worden, und das kleine Bassin, in dem sonst Wasserlilien gestanden haben mochten, war vollkommen ausgeräumt und mit klarem Wasser gefüllt. Ein Gärtner stand auf dem Rasen, lehnte sich auf den Griff seines kleinen Rasenmähers und wischte sich über die Stirn. Er grüßte John mit einer gewissen Ehrerbietung, wie es Dienstboten Fremden gegenüber tun, von denen sie nicht recht wissen, ob sie Freunde ihrer neuen Arbeitgeber sind oder nichts auf dem Grundstück zu suchen haben.

 

»Sieben Millionen Kaulquappen waren in dem Teich«, erklärte er großartig und etwas zusammenhanglos.

 

»Ich habe nur sechs Millionen gezählt«, erwiderte John vergnügt, und der Mann sah ihn verdutzt an. »Nun gut, wir wollen uns die Sache fünfzig zu fünfzig teilen. Ich will zugeben, daß es sechseinhalb waren.«

 

»Als ich herkam, stand das Gras so hoch«, versuchte der Gärtner es aufs neue und deutete mit der Hand eine Höhe zwischen Hüfte und Knie an.

 

»Das ist noch gar nichts. In meinem Garten steht es so hoch, daß ich mich darin verirren kann. Ziehen hier eigentlich neue Mieter ein?«

 

»Ach, die?« Der Gärtner wies mit dem Daumen nach der offenen Haustür. »Nein, die haben es gekauft. Die alte Lady Coulson hat viele Jahre hier gelebt. Sie hat immer grüne Hüte auf den Pferderennen von Ascot getragen. Sicher können Sie sich noch auf sie besinnen?«

 

John hatte das Gefühl, daß er mindestens ein nachdenkliches Gesicht machen müßte. »Nein«, sagte er, nachdem er sich besonnen hatte. »Wie viele grüne Hüte trug sie denn?«

 

Der Gärtner sah ihn argwöhnisch von der Seite an und sagte langsam: »Eine Gräfin hat sie jetzt.«

 

»Die Hüte? Ach so, Sie meinen die Besitzung!«

 

»Eine junge Gräfin. Ich habe sie noch nicht gesehen. Sie kommt direkt vom College hierher. Ein Zimmermädchen und eine Köchin sind schon engagiert, auch eine Aufwartefrau – ich komme nur ab und zu her.«

 

»Wie meinen Sie das?« fragte John interessiert.

 

»Ich bin nur für zwei Tage in der Woche angestellt.« Er schüttelte den Kopf. »Das sollen die mir aber erst mal vormachen, hier in zwei Tagen mit allem fertig zu werden! Wenn der Garten richtig in Ordnung kommen soll, muß ein Mann die ganze Zeit hier arbeiten. Hier gibt es kein Gewächshaus – überhaupt gar nichts. Was soll denn im Winter werden? Da müssen die Pflanzen doch herausgenommen werden.«

 

Der Gärtner machte sich wieder mit seiner Grasschneidemaschine zu schaffen.

 

John Morlay ging zur Haustür und schaute in die Diele. Der Fußboden war mit einem Läufer ausgelegt, und es roch nach neuer Farbe. Ein Elektriker in weißem Arbeitskittel ließ einen Draht fallen, um den Fremden genauer zu betrachten. Morlay wandte sich um und ging langsam um das Haus herum. Es war wirklich ein herrlicher kleiner Besitz, der sich für eine junge Gräfin besonders eignete. John überlegte, welche von den vielen Gräfinnen, die er kannte, wohl die glückliche Eigentümerin wäre.

 

Als er sich umdrehte, entdeckte er noch einen anderen Mann im Garten. Der Fremde war groß, breitschultrig, nicht mehr jung und trug schäbige Kleider. Sein Gesicht hatte eine ungesunde Farbe, und der abstoßende Eindruck seiner Züge wurde noch durch den unwirschen, verbitterten Blick erhöht, mit dem der Mann das Haus musterte. Etwas Scheues lag in seinem Wesen, als ob er fürchtete, von dem Grundstück gewiesen zu werden. Aber dann faßte er Mut und kam langsam auf John Morlay zu.

 

»Können Sie mir hier eine Stelle oder Arbeit geben?«

 

Die barsche Stimme paßte zu dem unfreundlichen Wesen.

 

John Morlay betrachtete den Mann neugierig, der einen alten Soldatentornister auf dem Rücken trug. Die Schuhe waren etwas zu groß und an den Seiten aufgeplatzt, die Hosen unten ausgefranst. Das Hemd stand am Hals offen, so daß man die sonnverbrannte Brust sehen konnte. John wußte nach der äußeren Erscheinung des Fremden sofort, mit wem er es zu tun hatte.

 

»Ich habe leider keine Arbeit für Sie, mein Sohn. Wie lange sind Sie denn schon wieder heraus?«

 

Der Mann blinzelte ihn an und verzog das unrasierte Gesicht ärgerlich. »Wie?«

 

»Wie lange Sie schon wieder heraus sind?«

 

Der Fremde sah in den Garten, auf das Haus, auf den Himmel, überallhin, nur nicht auf John.

 

»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«

 

»Seit wann sind Sie aus dem Gefängnis entlassen?«

 

»Seit sechs Monaten«, lautete die trotzige Antwort. »Sie sind wohl von der Polente?«

 

»In gewisser Weise – ja«, erwiderte John mit einem leichten Lächeln. »Warum haben Sie denn gesessen?«

 

Der Mann sah ihn fest an.

 

»Das geht nur mich etwas an. Sie können mir nichts anhaben, ich brauche mich nirgends zu melden. Ich bin nicht auf Bewährung entlassen, ich habe meine ganze Strafe abgesessen.« Seine Stimme wurde immer rauher und lauter. »Jeden Tag und jede Stunde. Ich habe keinen Strafnachlaß bekommen; wie einen Hund haben sie mich behandelt – und das habe ich ihnen heimgezahlt. Ich lasse mich nicht unterkriegen, so bin ich!«

 

Zwei Transportarbeiter kamen an ihnen vorbei. Einer trug ein Ölgemälde. Von Johns Standpunkt aus war es schwer, die dargestellte Person und den künstlerischen Wert zu unterscheiden; er sah nur, daß es sich um das Porträt einer jungen Dame in hellblauem Kleid handelte. Ihre Haare waren goldblond, und eine Vase stand neben ihr.

 

Der frühere Sträfling trat befangen von einem Fuß auf den anderen. Es war klar, daß er möglichst bald fort wollte. Aber die jahrelange Gewohnheit, von Vorgesetzten ausgefragt zu werden, hielt ihn zurück. Morlay erkannte dies, entließ ihn mit einem Auf Wiedersehen und schaute ihm dann nach, wie er mit steifen Schritten über den Rasen auf die Straße hinausging.

 

Nach einer Weile schlenderte Morlay zum Haus zurück, und nachdem er sich genügend umgesehen hatte, wandte er sich wieder an den Gärtner.

 

»Was ist es denn für eine Gräfin?«

 

Der Mann schüttelte den Kopf.

 

»Ich habe es nicht recht behalten. Es ist ein fremder Name italienisch! Mit einem F fängt er an.«

 

»Danke für die Auskunft.«

 

John schlenderte durch das Gartentor hinaus. Am Ende der kurzen Straße stand das Lastauto, das die Möbel gebracht hatte, und er ging darauf zu. Als er dort ankam, hielt gerade ein anderes Auto an, und eine ziemlich behäbige Frau von mittleren Jahren stieg aus.

 

Vielleicht war sie die neue Haushälterin. Aber John fiel ein, daß der Gärtner nichts von einer solchen Angestellten erwähnt hatte. Er kümmerte sich auch nicht weiter um sie. Was gingen ihn die Dienstboten einer jungen italienischen Gräfin an?

 

Langsam ging er auf die Hauptstraße zu und hielt Ausschau nach seinem Bekannten, dem Kriminalinspektor Peas. Schließlich entdeckte er ihn in einiger Entfernung.

 

Die Gegend hier war romantisch, und auch diese junge italienische Gräfin umgab eine gewisse Romantik. Wahrscheinlich gehörte sie zu jenen Damen der vornehmen Welt, die sich hier nur während der Rennen blicken ließen. Zu dieser Zeit würde der kleine Landsitz dann fröhliche Partys sehen, aber nachher war wieder alles vorüber; Vorhänge wurden vorgezogen, die Türen abgeschlossen. Die junge Gräfin fuhr an die Riviera oder an den Lido, bis die Saison sie wieder zu ihrer idyllisch-schönen Besitzung zurückrief, die dann von neuem von den Handwerkern hergerichtet wurde. Peas, der John mit lebhaften Schritten entgegenkam, brachte diesen aus seiner Versunkenheit zur Wirklichkeit zurück.

 

Der Polizeibeamte war auf Ersuchen der lokalen Behörde von Scotland Yard hierhergeschickt worden, um einen Einbruchdiebstahl aufzuklären, und hatte John Morlay eingeladen, ihn zu begleiten. Teils, weil er gern jemandem von seiner Tüchtigkeit erzählte, teils, weil John Morlay ein großes, elegantes Auto besaß, in dem er bequem seinen Bestimmungsort erreichen konnte.

 

In kurzer Zeit begann die Saison in Ascot, und es waren schon viele der angesehenen Familien hergekommen, darunter auch ein Graf, dessen junge Gattin sich sehr für Saphire interessierte. Sie besaß eine ganze Reihe von Schmuckstücken, die mit diesen Steinen besetzt waren: Ringe, Nadeln, Armbänder und andere Gegenstände. Sie nahm ihre Juwelen stets auf Reisen mit, obwohl dies ziemlich gefährlich war.

 

Als sie eines Abends eine Party gab, stellte ein Unbekannter eine Leiter an das Fenster ihres Schlafzimmers, brach den Safe auf, der rechts neben ihrem Bett stand, und raubte drei Kassetten mit kostbarem Schmuck. Der Einbrecher wäre unbemerkt entkommen, wenn ihn nicht das Zimmermädchen im Schlafzimmer überrascht hätte. Zuerst sah sie den Mann nicht, und obwohl sie ihn nachher bemerkte, konnte sie nicht viel über sein Aussehen berichten, da er einen schwarzen Seidenstrumpf über das Gesicht gezogen hatte. Sie wollte schon um Hilfe schreien, aber eine Hand legte sich wie eine Eisenklammer auf ihren Mund.

 

Sie las aufregende Kriminalgeschichten und wußte daher auswendig, wie es bei solchen Gelegenheiten herging. Infolgedessen fiel sie auch in Ohnmacht. »Der Mann würgte mich, bis ich die Besinnung verlor!« sagte sie aus.

 

Inspektor Peas verhörte sie. Er war ein hagerer Mann mit Sommersprossen und kaum vierzig Jahre alt. Er schien noch etwas zu jung für seinen Posten zu sein, denn das Mädchen ärgerte sich über seine Fragen und beklagte sich danach, daß er keine Manieren besäße und sie nicht über den Einbruch selbst befragt, sondern seine Zeit mit nutzlosen Erkundigungen nach ihren Privatverhältnissen vergeudet hätte. Zum Beispiel wollte er wissen, wer ihr Freund sei, welchen Beruf er habe, ob er in Ascot wohne und ob er sie schon einmal in dem Haus besucht habe.

 

»Das Mädchen hat einen absolut anständigen Charakter«, protestierte ihre Herrin ungnädig.

 

»Ich habe leider die Erfahrung gemacht, daß es kaum Menschen mit anständigem Charakter gibt«, erwiderte Peas gelangweilt. »Jedenfalls nehme ich das als Polizeibeamter zunächst an, bis das Gegenteil bewiesen ist.«

 

Er war gerade nicht in der besten Stimmung, als er Morlay traf.

 

»Es ist ein ganz gewöhnlicher Wald- und Wieseneinbruch, bei dem der Kerl eine Leiter benützt hat. Das Dienstmädchen ist ebenso dumm wie alle anderen. Die fängt gleich an zu heulen, wenn man sie fragt, ob sie einen Freund hat, mit dem sie öfter mal ausgeht. Wie soll man da vorwärtskommen? Solche Einbrüche werden doch meistens vorher richtig ausbaldowert. Wo haben Sie denn Ihr Auto?«

 

»In den königlichen Stallungen. Ich wollte es in einer gewöhnlichen Garage unterstellen, aber jemand hat Sie erkannt und mich gefragt: ›Ist Ihr Begleiter nicht der große Kriminalbeamte, Inspektor Peas? Wir können nicht zugeben, daß das Auto seines Freundes bei den Wagen gewöhnlicher Leute steht.‹«

 

»Lachen Sie, dann lacht die Welt mit Ihnen«, entgegnete Peas selbstzufrieden. »Wenn man meine Fähigkeiten bedenkt, ist es geradezu ein Verbrechen, daß man mich zur Aufklärung eines solchen Falles in die Provinz schickt.«

 

John Morlay wußte nicht recht, ob Peas alle diese Bemerkungen über seine Tüchtigkeit nur zum Scherz machte, oder ob er sie ernst meinte. Es gab nur zwei Möglichkeiten: entweder mochte man den Inspektor gern, oder man konnte ihn nicht ausstehen. In jedem Fall aber mußte man einen gewissen Humor besitzen, um den Mann ertragen zu können. Und John Morlay hatte diesen Humor.

 

»Der Fall liegt so einfach, daß ihn ein sechsjähriges Kind verstehen könnte«, sagte Peas verächtlich, während sie zu Morlays Wagen gingen, der in der Garage eines kleinen Hotels stand. »Er mag ja für die Polizeibeamten von Ascot seine Schwierigkeiten haben, aber nicht für einen Mann von meinem Ruf. Es handelt sich um dieselbe Bande, die schon seit Wochen hier in der Gegend die Landhäuser plündert. Es ist wohl nicht nötig, daß ich Ihnen die Sache näher erkläre, Mr. Morlay, denn Sie sind ja kein berufsmäßiger …«

 

»Übrigens sah ich in der Nachbarschaft einen früheren Sträfling«, unterbrach ihn John und berichtete dann über den Vorfall.

 

Peas hörte ihm zu und schüttelte den Kopf.

 

»Nein, den kenne ich nicht. Aber wer den Einbruch verübt hat, war sicher kein alter Mann. Ich glaube übrigens, daß der Einbrecher, der die Saphire gestohlen hat, ganz allein arbeitet.«

 

Peas kannte Ascot sehr gut, wie er seinem Bekannten auf der Rückfahrt nach London erzählte; aber da er stets behauptete, alle Menschen und alle Orte sehr gut zu kennen, nahm ihn Morlay nicht ernst.

 

»Ich kenne die ganzen alteingesessenen Familien hier«, erklärte der Inspektor, »aber es sind auch viele neue Villen in der Gegend gebaut worden. Die Leute ziehen ein und ziehen aus. Die junge Gräfin Fioli zum Beispiel kenne ich noch nicht –«

 

»Gräfin Fioli!«

 

Der Wagen geriet einen Augenblick ins Schleudern, denn Mr. Morlays innere Erregung übertrug sich auf das Steuer.

 

»Ach, ich kenne sie – oberflächlich.«

 

»Trotzdem sollten Sie vernünftig fahren. Sie sind ja eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit«, erwiderte Peas vorwurfsvoll. »Mir kann so etwas nicht passieren. Ich bleibe vollkommen ruhig und kaltblütig, wenn ich am Steuer sitze. Selbst wenn ein Kerl seitlich aus den Büschen springt und mir ein Schießeisen entgegenhält, zucke ich nicht mit der Wimper –«

 

»Hören Sie doch endlich auf, nur von sich selbst zu reden, Peas. Ist die Gräfin Fioli die Inhaberin der neuen Villa dort drüben?«

 

Der Inspektor nickte.

 

»Sie kommt direkt vom Internat – geht mitten im Jahr ab, eigentlich ein schlechtes Zeichen. Schulen und Pensionate lieben das nicht. Nächste Woche kommt sie hierher. Ihr Vormund oder ihre Erzieherin hat das Haus gekauft, das ist alles, was man weiß. Wieder eine neue Gelegenheit, die sich die Diebe nicht entgehen lassen werden. Es wird nicht lange dauern, bis dort eingebrochen wird, und dann nimmt man natürlich wieder die Intelligenz von Scotland Yard in Anspruch.«

 

»Damit meinen Sie doch sich selbst?«

 

»Wen denn sonst? Nennen Sie mir drei Männer in Europa, die meinen Verstand besitzen oder mir in bezug auf kriminalistische Fähigkeiten auch nur das Wasser reichen können«, erwiderte Peas selbstzufrieden.