Kapitel 26

 

26

 

Er lachte hart auf.

 

»Das sieht dir wieder ähnlich! Du hast dir den Kopf mit dummen Geschichten vollgekeilt, bis du darüber den Verstand verloren hast. Aber bis jetzt hast du mir immer noch nicht erzählt, woher du das Geld hast.«

 

Sie war müde und erschöpft.

 

»Ich habe das Geld bekommen wie alle ehrlichen Leute – ich habe schwer dafür arbeiten müssen. Zunächst hatte ich ein kleines Kapital, das war ein großer Vorteil. Ich fing bescheiden an; Marie gab ich zu guten Leuten in Pflege, während sie noch ganz klein war. Und nachher hatte ich Glück. Das Geschäft, das ich begann, schlug gut ein, und ich konnte etwas Geld sparen. Zeit zum Ausruhen blieb mir nie. Ich brachte Marie dann auf die Schule, zuerst nach Bexhill, wo sie mit lauter netten und anständigen Kindern zusammenkam, und später nach Cheltenham. Das war das Beste, was ich für sie tun konnte.«

 

Er sah sie unter seinen buschigen Augenbrauen düster an.

 

»Du hast alles Geld, das du mir hättest schicken sollen, für sie verschwendet! Verdammt noch mal, warum hast du mir nicht gesagt, wo du warst? Wenn ich diesen Auftrag nicht angenommen hätte, dann hätte ich dich wahrscheinlich nie wieder gesehen. Deinetwegen hätte ich im Rinnstein verrecken können!«

 

»Ja, ich wollte dich vergessen«, entgegnete sie entschlossen. »Hauptsächlich des Kindes wegen. Ich mußte zwischen dir und ihr wählen. Du hattest all dieses Elend über uns gebracht. Ich will nicht sagen, daß es allein deine Schuld war. Deine Erziehung ist auch daran schuld – die Umgebung, in der du aufgewachsen bist. Aber Marie tat mir so leid. Und so entschied ich mich für sie und ließ dich fallen. Ihr beide hattet nicht zusammen Platz in meinem Leben. Manche Frauen hätten vielleicht anders darüber gedacht, aber ich bin nicht wie die anderen. Ich bin zur Mutter geboren; die Liebe zu Dir hast du in mir erkalten und erstarren lassen. Und das Kind war so lieb«, fuhr sie fort. »Als sie hierherkam, dachten alle Nachbarn, ich wäre die Pflegerin, und ich sagte nichts dagegen. Ohne großes Zutun von meiner Seite entwickelte sich das eigentlich alles von selbst. An ihr wollte ich all das wiedergutmachen, was an mir versäumt worden war. Sie sollte all das Glück genießen, von dem ich nur träumte, ohne es jemals zu erreichen. Und so hatte ich etwas, wofür ich lebte, kämpfte und arbeitete, ein großes Ziel, zu dem ich aufblicken konnte. Es gab Zeiten, in denen es mir fast zu schwer wurde. Ich fühlte mich manchmal namenlos elend und allein…«

 

»Was soll ich dann erst sagen – vollständig von der Welt abgeschlossen? Meinst du denn, ich hätte mich nicht einsam gefühlt? An mich hast du natürlich nicht gedacht!«

 

Sie schüttelte den Kopf. Wie hätte sie auch an ihn denken sollen? Höchstens mit Schaudern und mit Abscheu.

 

»Ich konnte nicht an euch beide denken, das habe ich dir doch schon vorher gesagt«, erwiderte sie leise.

 

Sie sah ihn fragend an. Hatte sie ihn beruhigen können?

 

»Sie wird ja wohl den reichen Kerl heiraten?« fragte er.

 

»Ich weiß es nicht – aber ich hoffe, daß es dazu kommt.«

 

»Hat er denn Geld?«

 

Sie nickte. »Ja, ich glaube.«

 

Er erhob sich und ging mit schlürfenden Schritten im Laden auf und ab.

 

»Wenn er Geld hat, kann er auch für sie zahlen«, sagte er.

 

In diesem Augenblick schien das Gewitter seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Es war, als ob der Himmel über ihnen einstürzte. Verwirrt sah sie ihn an.

 

»Joe, das ist doch ganz unmöglich! Das kannst du ihm doch nicht sagen. Du darfst dich ihm doch nicht aufdrängen!« rief sie.

 

»Natürlich werde ich ihm das sagen!«

 

Als er sah, daß sie unter der Wucht seiner Worte zusammenschrak, freute er sich. Befriedigt sah er, wie sie litt.

 

»Laß mich nur, ich werde schon so viel aus ihm herausholen, als irgend möglich ist – er muß blechen, sonst mache ich ihm die Hölle heiß! Ich weiß, wer er ist – er heißt Morlay. Und dabei ist dieser Lump ein Detektiv! Donnerwetter, er soll meine Tochter heiraten? Lieber würde ich sehen, daß sie verreckt!«

 

»Joe, ich will dir Geld geben«, versprach sie ihm.

 

»Selbstverständlich wirst du mir Geld geben.«

 

Sie feuchtete ihre trockenen Lippen mit der Zunge an.

 

»Du willst ihm alles sagen – daß du Maries Vater bist und daß du einen Polizisten erschossen hast?«

 

»Halt’s Maul!« schrie er wild. Seine Hände zuckten.

 

»Nun ja, das mußt du ihm doch mitteilen, wenn du ihm überhaupt etwas sagst. Glaubst du, er wird dir dann weiterhelfen? Nein, du kannst nicht wieder alles zugrunde richten! Du darfst ihr Leben nicht ruinieren!« rief sie.

 

»Wenn die Göre überhaupt etwas wert ist, wird sie sich gern um mich kümmern. Ich bin ihr Vater.«

 

Sie schaute ihn furchtsam an und erkannte, daß sie ihn nicht weiter reizen durfte.

 

»Joe«, sagte sie nervös, »vielleicht war es nicht recht von mir, daß ich nicht an dich gedacht habe. Du hast jetzt deine Tochter gesehen – habe ich denn keinen Erfolg gehabt? War es nicht richtig, was ich tat? Bist du nicht stolz auf sie?«

 

»Immer kannst du nur von ihr quatschen. Wo bleibe ich?« fuhr er sie wütend an.

 

»Spreche ich denn von mir? Ich habe doch auch auf alles verzichtet!« rief sie leidenschaftlich. »Nein, Joe, du darfst es ihr nicht sagen und alles verderben!«

 

»Doch, gerade das werde ich tun! Ich werde es ihr sagen, denn du sagst ja selbst, daß sie mein Kind ist. Sie muß vor allem für das Gute zahlen, das sie genossen hat!«

 

»Darin irrst du – sie ist uns gar nichts schuldig!« rief sie verzweifelt. »Kinder sind ihren Eltern nichts schuldig, sondern Eltern schulden ihnen etwas!«

 

Aber die beiden redeten aneinander vorbei.

 

»Ich bin ihr Vater«, erklärte er eigensinnig. »Und wenn sie das nicht begreift, werde ich es ihr schon beibringen. Wenn man natürlich so eine dumme Göre Mylady nennt, setzt man ihr Flausen in den Kopf, aber die werde ich ihr schon austreiben! Und dir bringe ich auch noch Vernunft bei! Wenn ich daran denke, was du alles für sie getan hast, und daß du das ebensogut für mich hättest tun können, dann packt mich die Wut! Sie hast du mit allem Luxus umgeben, und ich konnte derweilen im Gefängnis hocken!«

 

Seine Stimme überschlug sich und klang schrill und laut. Einen Augenblick duckte er sich, dann sprang er auf sie zu.

 

»All die vielen Jahre – die vielen Jahre!«

 

Sie glaubte, das Ende all ihrer Leiden wäre gekommen, denn seine Finger packten sie an der Kehle.

 

Es wurde ihr rot vor den Augen, und der Regen draußen wurde in ihren Ohren zum betäubenden Orkan.

 

Sie hatte nur noch den ungewissen Eindruck, daß sich die Tür öffnete. Dann ließ plötzlich der Druck an ihrer Kehle nach.

 

Es war Herman. Er war in sein Zimmer zurückgekehrt und hatte angestrengt auf die Stimmen unten im Laden gelauscht. Das Gewitter hatte etwas nachgelassen; nach einem furchtbaren Donnerschlag hörte Herman draußen nur noch den Regen. Und als der Wind die Regentropfen gegen die Fenster peitschte, so daß die Stimmen von unten kaum noch zu hören waren, hielt er es oben nicht länger aus.

 

Mit eisernem Griff packte er den Mann bei den Schultern und riß ihn zurück. Joe schwankte und starrte Herman an.

 

»Scheren Sie sich zum Teufel!« rief er wild.

 

»Was hat sie Ihnen getan?« schrie ihn Herman an.

 

Mrs. Carawood öffnete die Augen … Es kam ihr selbst in diesem Augenblick zum Bewußtsein, daß Herman nichts von der Wahrheit erfahren durfte.

 

»Es ist schon gut, Herman«, sagte sie mit großer Mühe und richtete sich auf. »Ich bin nur ohnmächtig geworden.«

 

»Aber ich habe doch selbst gesehen, wie dieser Schuft Sie erwürgen wollte!«

 

»Lassen Sie meine Frau in Ruhe!«

 

Herman schaute verstört von einem zum anderen.

 

»Was, das ist Ihre Frau?«

 

Bittend wandte er sich an Mrs. Carawood, aber sie ließ hilflos den Kopf sinken.

 

»Es stimmt, was er sagt, Herman. Mylady – ist meine Tochter. Sie ist keine Gräfin … Ich habe nur für sie gearbeitet, und nun wird er alles ruinieren. Jetzt wird sie mir Vorwürfe machen, Herman, und sie wird mich hassen … Ach, ich wünschte, ich wäre tot!«

 

Joe hatte sich inzwischen gesetzt und sah sich nach einem Kissen um. Als er keines fand, riß er einen Mantel vom Kleiderhaken, knüllte ihn zusammen und legte ihn hinter seinen Rücken. Dann zeigte er mit dem Daumen zur Tür.

 

»’raus mit euch!« befahl er. »Ich werde die Nacht hier schlafen, und ich will nicht länger gestört sein. Ich will auch einmal meine Ruhe haben!«

 

Sie war froh, daß sie entkommen konnte. Wenigstens hatte sie ein paar Stunden Zeit. Mit schweren Schritten ging sie zur Tür. Ihr Gesicht war eingefallen, und sie sah alt aus. Aber ein Gedanke wenigstens war tröstlich: Marie würde heute abend nicht nach Hause zurückkommen. John wollte sie zu einer Schulfreundin bringen.

 

Herman sah ihr besorgt nach, als sie die Treppe hinaufging. Dann hörte er sie in ihrem Zimmer, das über dem Laden lag.

 

Unentschlossen stand er in der Nähe der Tür. Er wollte diesen Eindringling nicht alleinlassen. Mrs. Carawood hatte mit ihm gekämpft und war unterlegen, aber der Kerl hatte auch noch mit ihm zu rechnen!

 

»Was stehen Sie denn noch hier herum – scheren Sie sich zum Teufel!«

 

»Ich geh‘ nicht fort!« sagte Herman ruhig. »Wenn einer hier ‚rausfliegt, dann sind Sie es! Was fällt Ihnen ein, Mrs. Carawood so zuzusetzen! Sie brechen ihr das Herz, und niemand ist so gut zu mir gewesen wie sie …«

 

Die Tränen waren ihm nahe, aber dann ballte er die Fäuste, als sich Joe unsicher erhob.

 

»Also jetzt endlich ‚raus!« sagte Joe und zeigte auf die Tür. »Wenn Sie nicht schnell machen, packe ich Sie beim Kragen und zeige Ihnen mal, was es heißt, sich frech gegen mich zu benehmen. Ich bin Joe Hoad, und mir kommt es nicht auf eine Schlägerei an. Ich habe einmal einem Polizisten das Lebenslicht ausgeblasen! Wenn Sie also jetzt nicht bald verschwinden, dann bekommen Sie es mit mir zu tun!«

 

»Wenn Sie einen Polizisten ermordet hätten, wären Sie ja an den Galgen gekommen. Aber ich weiß, was ich tun werde – ich rufe die Polizei. Sie scheinen ja verrückt zu sein! Wahrscheinlich sind Sie aus irgendeinem Irrenhaus entsprungen!«

 

Joe hatte sich zu sehr aufgeregt. Seine Züge verzerrten sich, die Mundwinkel zuckten, und er rang vergeblich nach Worten.

 

Herman konnte nichts verstehen. Er beobachtete erstaunt, wie der Mann nach dem Herzen griff. Hoads Augen traten aus den Höhlen, als er keine Luft mehr bekam. Er tastete nach dem Gesims über dem Kamin, dann gelang es ihm, ein paar Worte hervorzustoßen.

 

»Schnell … das Fläschchen…!«

 

Herman kam näher.

 

»Schnell … schnell … sonst kratze ich ab!«

 

Mit zwei Schritten hatte Herman den Kamin erreicht.

 

Der Mann starrte auf die Medizin und winkte verzweifelt.

 

»Sie – Sie haben ja auch kein Mitleid und kein Erbarmen mit ihr gehabt«, sagte er und faßte einen schrecklichen Entschluß.

 

Ohne Zögern schraubte er den Verschluß des Fläschchens ab, schüttete den Inhalt in den Kamin und warf die leere Flasche hinterher, daß sie zersplitterte. Im selben Augenblick glitt Joe zu Boden. Herman blieb vollkommen ruhig und lauschte angestrengt. Von oben hörte er kein Geräusch, nur der Regen rauschte draußen auf die Straße. Er drehte das Licht aus, öffnete die Ladentür und schlich dann auf Zehenspitzen zu der Stelle zurück, wo der reglose Körper lag. Mühsam zerrte er ihn zur Tür und schleifte ihn auf den Gehsteig hinaus. Es regnete in Strömen – niemand war zu sehen.

 

*

 

Kapitel 27

 

27

 

Draußen auf der Straße hallten Schritte, die plötzlich anhielten. Ein Polizeibeamter blieb vor der Gestalt stehen, die auf dem Gehsteig lag.

 

»Sie, stehen Sie auf!« sagte er und schüttelte den Mann. »Das ist hier kein Platz zum Schlafen!«

 

Als er den Arm des Mannes losließ, fiel er steif herunter. Der Beamte erschrak, beugte sich über ihn und faßte sein Gesicht an. Es war eiskalt, und als er den Puls fühlen wollte, konnte er nur noch feststellen, daß er nicht mehr schlug.

 

Im nächsten Augenblick schrillte seine Polizeipfeife.

 

Bei der Leichenschau konnte nichts weiter festgestellt werden. Nach den Papieren, die man bei dem Toten gefunden hatte, handelte es sich um einen Joe Hoad, alias Smith, der nach Verbüßung einer langjährigen Strafe aus dem Zuchthaus entlassen worden war. Der Polizeiarzt stellte fest, daß der Mann an einem schweren Herzleiden gelitten hatte, das jeden Augenblick den Tod herbeiführen konnte. Und so stand denn auch auf dem Totenschein, daß der Mann am Herzschlag gestorben war.

 

Mrs. Carawood wurde allgemein für äußerst sentimental und großzügig gehalten, weil sie den Mann mit der Begründung, daß er vor ihrer Haustür gestorben sei, auf ihre Kosten und nicht nach Armenrecht beerdigen ließ.

 

Am Abend nach dem Begräbnis saß sie mit Herman in dem Zimmer hinter dem Laden.

 

»Er ist tot. Das ist das einzige, worauf es ankommt«, sagte Herman.

 

Sie war ganz außer sich, daß er so kaltblütig darüber sprechen konnte. Ihre Augen waren rot vom Weinen.

 

»Es tut mir jetzt doch leid um ihn, Herman.«

 

»Es ist besser, daß er tot ist.«

 

Mrs. Carawood berührte dankbar die Hand des Jungen.

 

»Wir wollen jetzt schlafen gehen«, sagte sie. »Während der letzten Tage haben wir beide wenig Ruhe gehabt. Wie gut, daß Marie in Ascot ist. Wenn ich nur mit Mr. Morlay alles besprechen könnte – er würde mich verstehen!«

 

Mrs. Carawood wollte gerade die Treppe hinaufgehen, als draußen jemand an der Ladentür rüttelte.

 

»Vielleicht will uns ein Nachbar besuchen? Es ist ja noch nicht allzu spät. Gehen Sie hin und sehen Sie nach, wer es ist.«

 

Schnell hatte Herman das Licht wieder angedreht. Seine Finger zitterten aber doch ein wenig, als er die Tür aufschloß.

 

»Kann ich Sie noch sprechen, Mrs. Carawood?« fragte der Herr, der in den Laden trat.

 

Es war John Morlay. Er kam von Ascot – fast jeden Nachmittag brachte er mit Marie draußen zu.

 

»Ist irgend etwas passiert?« fragte sie besorgt.

 

»Nein, nicht das geringste.«

 

Er war in äußerst froher Stimmung. Sie wollte Herman fortschicken, aber er bat, daß der Junge bleiben sollte. Sie hatte eine Ahnung, daß es jetzt zur Aussprache kommen würde.

 

»Ich mußte Sie heute abend noch sehen, und ich bin davon überzeugt, daß auch Sie mich sprechen wollten. Vielleicht haben Sie mir etwas zu sagen?«

 

Es trat eine kleine Pause ein.

 

»Ich weiß alles über Marie«, fuhr er schließlich fort. »Es gibt nur ein überlebendes Mitglied der Familie Fioli – das ist Emilio Benito Fioli, hier in London als Pater Benito bekannt.«

 

»Was, Sie wissen alles?« fragte sie atemlos.

 

John lächelte.

 

»Pater Benito hat mich wegen Marie aufgesucht. Er war in großer Aufregung, denn er wußte, daß seine Schwester kinderlos gestorben war. Und merkwürdigerweise hatte er auch erfahren, daß Sie ein Töchterchen hatten. Das übrige war leicht zu erraten. Nun sagen auch Sie mir alles.«

 

Allmählich faßte sie sich und erzählte ihm ihre Geschichte bis zu dem Augenblick, in dem sie sich von Joe getrennt hatte und nach oben gegangen war. Sie erzählte von dem schweren Kampf, den sie mit Joe Hoad ausgefochten hatte, und sie sagte ihm, wie sehr sie ihr Kind liebte.

 

John Morlay war es gewohnt, von schlechten Leuten zu hören. Er wußte auch, daß die meisten zu schwach waren, sich von ihrer Vergangenheit frei zu machen, und deshalb erschien ihm dieses Erlebnis wie ein Wunder. Als Mrs. Carawood schwieg, wandte er sich an Herman.

 

»Und was geschah dann?«

 

»Ich sagte ihm, daß er das Haus verlassen sollte!« entgegnete Herman heiser.

 

»Und tat er das nicht?«

 

»Nein, im Gegenteil, er wollte mich hinauswerfen … aber dann wurde er so sonderbar, und … und … dann sagte er, ich sollte ihm seine Medizin geben.«

 

John sah den jungen Mann fest an. »Und was machten Sie?«

 

»Ich habe sie ihm nicht gegeben.«

 

Hermans Worte klangen fast wie eine Herausforderung.

 

John zog die Augenbrauen hoch; man hätte das eventuell Herman als Mord auslegen können.

 

»Wenn Sie ihm die Medizin wirklich gegeben hätten, so hätte das vermutlich auch nichts genützt«, sagte er schließlich.

 

»Es ist merkwürdig, daß Sie gerade heute abend gekommen sind«, meinte Mrs. Carawood. »Als Joe Hoad mich hier überfiel, dachte ich an Sie. Ich wußte keinen anderen, der mir helfen könnte, und nun … Ich mache mir solche Sorgen …«

 

»Um Marie?«

 

Sie nickte. »Weiß jemand etwas von der Sache?«

 

»Nur wir beide, Herman und Pater Benito.«

 

»Der Pater wird nichts sagen, Herman wird auch schweigen; es muß unser gemeinsames Geheimnis bleiben. Es ist aber noch jemand da, der dahintergekommen ist – ich habe heute abend mit ihm gesprochen. Es ist Polizeiinspektor Peas. Aber der wird Ihnen keine Schwierigkeiten machen. Wir sind Ihnen damals abends nach Rotherhithe gefolgt.«

 

Sie schrak zusammen und wurde rot.

 

»Ich wurde gerufen, weil er einen schweren Herzanfall hatte, und ich ließ den besten Doktor für ihn kommen. Er wohnte bei einem Mann, dem ich einmal geholfen habe. Ich hatte nur Angst davor, daß Joe Hoad erfahren würde, daß ich Geld hatte. Als ich damals in Ihrem Büro war, habe ich ihn auch gesehen.«

 

John Morlay nickte.

 

»Ja, das habe ich erfahren. Aber Marie darf nichts davon wissen.«

 

»Ihr Mann muß es aber wissen –«, sagte sie.

 

»Der weiß es bereits«, erwiderte John Morlay, und als sie ihn überrascht ansah, fuhr er fort: »Meiner Meinung nach kann die Sache sehr bald in Ordnung gebracht werden.«

 

»Würden Sie … nach allem, was Sie erfahren haben …? Nein, Mr. Morlay, das können Sie doch nicht!«

 

»Aber ich möchte es doch so gern. Ich bin der glücklichste Mann, wenn Sie Ihre Einwilligung geben.«

 

*

 

Julian Lester gelang es mit Hilfe seiner Kenntnisse mühelos, sich die Beute Harrys des Kammerdieners und dessen Kameraden anzueignen. Zwischen den beiden Dieben, die die Westkanadische Bank beraubt hatten, kam es daraufhin zu einer Schießerei, weil jeder glaubte, der andere hätte ihn betrogen. Sie wurden verwundet ins Krankenhaus eingeliefert, und ihre wirren Reden verrieten der Polizei bald, daß sie die gesuchten Bankräuber waren.

 

Julian Lester aber ging ins Ausland. Bevor er London verließ, schrieb er John Morlay noch einen Brief. Darin drückte er mit gewandten Worten aus, daß er das Beste für Johns Zukunft erhoffe und daß er sich immer gern ihrer freundschaftlichen Beziehungen erinnern würde.

 

Aus seinem Abschiedsbrief an Marie sprach verhaltene Zärtlichkeit. Er machte ihr keine Vorwürfe, sondern erklärte, daß manche Dinge eben einfach nicht zu ändern seien. Er würde in ein fernes Land gehen und sie zu vergessen suchen. Aber er wüßte, daß auch die Zeit niemals die Erinnerung an die eine Frau auslöschen könne, die ihm im Leben wertvoll erschienen sei. All dies schrieb er und noch vieles andere.

 

Und dem Briefpapier, das er benützt hatte, entströmte ein feiner Duft.

 

Kapitel 21

 

21

 

»Kann ich Sie möglichst bald treffen?«

 

Marie war am Apparat. John Morlay war vom Frühstückstisch aufgestanden und wunderte sich, wer ihn schon morgens um halb acht anrief.

 

»Aber um Himmels willen, schlafen Sie denn überhaupt nicht?«

 

»Ich möchte mit Julian sprechen«, erklärte sie.

 

»Sie sind aber wohl die einzige, die einen solchen Wunsch hegt. Warum zerbrechen Sie sich Ihr Köpfchen deswegen?«

 

»Nanny hat eine furchtbare Nacht gehabt«, sagte sie mit zitternder Stimme.

 

Morlay vermutete richtig, daß dann auch Marie kaum geschlafen hatte.

 

»Aber Julian wird Ihnen doch auch nicht helfen können. Wenn es Ihnen recht ist, komme ich zu Ihnen.«

 

»Nein, ich muß Julian sprechen«, erklärte sie hartnäckig. »Ich werde dafür sorgen, daß diese infamen Verdächtigungen Nannys aufhören.«

 

Er zögerte mit der Antwort, bis sie schließlich ungeduldig fragte, ob er noch am Apparat sei.

 

»Ja. Ich werde es so einrichten, daß Sie mit Julian sprechen können. Ich darf Sie aber doch begleiten?«

 

»Sie dürfen nur bis zu seiner Wohnung mitkommen. Ich will ihn allein sprechen«, entgegnete sie zu seiner größten Überraschung.

 

Sie trafen sich auf der Penton Street. Mrs. Carawood hatte sich hingelegt, um etwas zu ruhen, wie ihm Marie erzählte, und er bemerkte, daß auch sie ziemlich übernächtigt aussah. Schwere Schatten lagen unter ihren Augen. Er gab ihr den Rat, noch etwas zu schlafen.

 

»Nein, das werde ich nicht tun. Dazu bin ich zu unruhig. Ich habe mich furchtbar über Julian geärgert«, sagte sie müde. »Ich hätte ihm eigentlich eine Ohrfeige geben sollen, aber dazu war ich im Augenblick nicht imstande.«

 

»Es war auch besser so«, beruhigte er sie.

 

John Morlay war erstaunt, daß sie nicht entrüsteter über den Mann war, der Mrs. Carawood derartig beschimpft hatte. Im Gegenteil, sie sprach ruhig und vollkommen leidenschaftslos.

 

»In gewisser Weise tut er mir sogar leid. Aber ich muß ihm ein für allemal klarmachen, daß er sich nicht mehr für mich und mein Vermögen interessieren soll.«

 

»Das wird Ihnen bei Julian sehr schwer gelingen.«

 

Sie schüttelte den Kopf.

 

»Das glaube ich nicht«, sagte sie so selbstbewußt und zuversichtlich, daß er sie erstaunt ansah.

 

Während sie neben ihm im Auto saß, stellte er eine Frage. Sie schüttelte den Kopf.

 

»Nein, er hat mir keinen Antrag gemacht. In gewisser Weise ist er sogar sehr nett und liebenswürdig. Er hat sich sogar nicht einmal die Mühe gegeben, sein Interesse an mir zu verheimlichen, dabei hat er mir aber nicht die Hand gedrückt oder versucht, mich zu küssen oder sonst etwas zu unternehmen, wogegen Sie in Ihrer Eigenschaft als Schutzengel protestieren könnten.«

 

Sie verabredeten, daß John draußen auf dem Treppenabsatz vor Julians Wohnung warten sollte, während sie hineinging, um mit ihm zu sprechen. Aber Julian brachte diese Pläne zum Scheitern. Als er in seinem bunten Morgenrock an der Wohnungstür erschien, gab er sich nicht damit zufrieden, sondern nötigte sie beide, näher zu treten. John war über diese Taktlosigkeit sehr betreten.

 

»Ich weiß wohl, ich habe mich schrecklich benommen. Es war entsetzlich von mir, aber das wollen wir jetzt vergessen. Bitte, kommen Sie doch herein. Ich werde versuchen, mein Unrecht wieder gutzumachen, soweit mir das möglich ist –«

 

Dann schloß er die Tür hinter ihnen.

 

»Wenn Sie eine Entschuldigung von mir verlangen, dann ist Ihre Forderung schon im voraus gewährt. Es war nicht richtig von mir, daß ich nach der Höhe des Vermögens fragte, aber offengestanden hat mich diese Frage um Ihretwillen sehr bewegt, und ich weiß auch jetzt noch nicht, ob Sie tatsächlich eine reiche Erbin oder das bedauerliche Opfer der Intrigen einer schlechten Frau sind.«

 

»Das hört sich ja beinahe so an, als ob Sie hier auf der Bühne stünden und irgendeine Rolle spielten«, sagte John, der trotz alledem die Kaltblütigkeit des Mannes bewunderte.

 

Julian führte die beiden in das gemütlich eingerichtete Wohnzimmer, wo er am Abend vorher Mr. Smith empfangen hatte. Die Fenster standen auf, und das Sonnenlicht fiel herein.

 

»Sie sind ja in merkwürdig guter Stimmung«, meinte John.

 

Auch Marie machte eine derartige Bemerkung. Im stillen dachte sie aber, daß ihm nach der Unterredung mit ihr schon anders zumute sein würde.

 

»Warum soll ich denn nicht vergnügt sein? Das Leben liegt doch noch vor mir! Können Sie mir übrigens sagen, John, ob in Ihrem Bürohaus irgendwelche Räume leerstehen?«

 

Diese Frage überraschte Morlay.

 

»Wollen Sie denn ein Geschäft aufmachen?«

 

»Ich möchte einen ruhigen Platz mieten, wo ich mein Buch fertigschreiben kann«, erklärte Julian.

 

»Vor ein paar Monaten hätten Sie noch Büroräume in der zweiten Etage haben können. Das Büro wurde von einer Gesellschaft gemietet, die meines Wissens jetzt bankrott gegangen ist. Die Leute haben sie weitervermietet –«

 

»Kann ich Sie einmal allein sprechen, Julian?« unterbrach Marie diese lebhafte geschäftliche Unterhaltung.

 

»Aber gewiß«, erwiderte Julian und öffnete die Tür des kleinen Speisezimmers. »Morlay, Sie werden sicher ein paar Bücher finden, die Sie interessieren. Außerdem ist die Tür ja nicht zugeschlossen. Wenn Sie Hilfeschreie hören, können Sie also schnell ins Zimmer stürzen und Gräfin Marie wie ein Held retten.«

 

»Es tut mir unendlich leid, Marie«, sagte er, als die beiden allein waren. »Ich habe einen großen Fehler gemacht, und ich verspreche Ihnen, daß es nicht wieder vorkommen soll. Ich werde mich bessern. Aber wenn ich meine Behauptungen beweisen kann, wenn Sie tatsächlich um Ihr Vermögen gebracht worden sind –«

 

»Sie werden sich um diese Sache nicht mehr kümmern. Und wenn Sie noch dabei sind, Nachforschungen anzustellen, so wird das sofort aufhören«, erklärte sie ruhig.

 

Julian lächelte.

 

»Ich habe doch aber Ihre Interessen wahrzunehmen –«

 

»Kümmern Sie sich gefälligst um Ihre eigenen Angelegenheiten.«

 

Sie nahm ein kleines rotes Lederetui aus ihrer Handtasche und reichte es ihm.

 

Er runzelte die Stirn, betrachtete es und öffnete es dann.

 

»Das ist ja der Ring, den ich Ihnen geschenkt habe. Wollen Sie ihn mir zurückgeben?«

 

Sie nickte.

 

»Das ist aber sehr unfreundlich. Vermutlich hat das alte Weib –«

 

»Ich dulde nicht, daß Sie Mrs. Carawood ein altes Weib nennen. Sie werden sehr höflich sein, was sie betrifft. Auf keinen Fall bekommen Sie sie wieder zu sehen, und Ihre Detektive werden keine weiteren Nachforschungen anstellen. Mich werden Sie auch nicht wiedersehen, und wenn Sie meinem Rat folgen, verlassen Sie in allernächster Zukunft das Land.«

 

Er betrachtete sie durch halbgeschlossene Augenlider, denn er hatte den drohenden Unterton ihrer Stimme wohl gehört.

 

»Warum sagen Sie mir das alles?«

 

»Als Sie mir den Ring gaben, sagten Sie doch, ich sollte ihn erst am Morgen betrachten. Ich war aber neugierig, öffnete das Kästchen schon am Abend und – fand einen anderen Ring darin. Es war nicht der, den ich Ihnen zurückgegeben habe.«

 

Das Reden fiel ihr im Augenblick schwer. Sie erwartete, daß er heftig protestieren würde, aber er schwieg.

 

»Der Ring, den ich an dem Abend sah, hatte einen langen, rechteckigen Saphir, der von vier Brillantklauen gehalten wurde. Nach der Beschreibung habe ich sofort gesehen, daß es sich um den Ring handelte, der ein paar Tage vorher aus dem Juweliergeschäft von Cratcher gestohlen worden war. Sie haben einen bösen Fehler gemacht und mir das falsche Etui überreicht. Die Kästchen haben dieselbe Größe und sind auch beide mit rotem Maroquinleder bezogen. Als Sie dann in die Stadt zurückfuhren, entdeckten Sie Ihren Irrtum und kehrten deshalb nach Ascot zurück. Sie nahmen nachts den Saphirring von meinem Frisiertisch und schickten mir am nächsten Tag per Post den Ring mit dem Rubin zu, den Sie vorher für mich bestimmt hatten.«

 

Julian sprach nicht, sein Gesicht glich einer Maske. Er errötete nicht einmal, sondern preßte nur die Lippen etwas mehr als sonst zusammen.

 

»Deshalb sage ich, Sie müssen England verlassen. Es ist vielleicht nicht recht, was ich tue; ich müßte wahrscheinlich zur Polizei gehen und der Behörde mitteilen, was ich herausgefunden habe!«

 

»Werden Sie das tun?« Seine Worte klangen hart wie Stahl.

 

Sie schüttelte den Kopf.

 

»Nein. Ich weiß nicht, wie es kommt, daß Sie ein solches Doppelleben führen, aber es ist nicht meine Sache, Sie zu verurteilen.«

 

»Weiß Morlay davon?«

 

»Natürlich weiß er das nicht«, entgegnete sie zornig. »Er würde nicht so ruhig bleiben, wie ich es jetzt bin.«

 

Julian holte tief Atem.

 

»Ich danke Ihnen«, sagte er schlicht. »Ich werde alles tun, was Sie gesagt haben, aber es dauert wahrscheinlich noch ein oder zwei Wochen, bis ich alles soweit abgewickelt habe, daß ich abreisen kann. Ich muß eine ganze Menge von Geschäften liquidieren.«

 

Sie reichte ihm die Hand, und er drückte sie.

 

»Es wäre möglich, daß ich Sie noch einmal sehen muß. Seien Sie nicht ungehalten, wenn ich noch einmal einen Besuch machen sollte. Aber ich verspreche Ihnen im voraus, daß ich Ihnen keine Ungelegenheiten bereiten werde – ebensowenig Mrs. Carawood.«

 

Als die beiden gegangen waren, fiel ihm plötzlich ein, daß er Mr. Smith einen Auftrag gegeben hatte, der in offensichtlichem Widerspruch zu seinem Versprechen stand.

 

Den ganzen Tag versuchte er, mit Smith in Verbindung zu kommen. Dann kam ihm plötzlich der Gedanke, daß er schließlich doch seinen Plan ausführen könnte. Er war zu neugierig, was der Inhalt des schwarzen Kastens sein mochte.

 

In der Zwischenzeit hatte er sehr viel zu tun. Er stellte die Büroräume fest, die Harry, der Kammerdiener, gemietet hatte, und fuhr nach Balham, um den früheren Inhaber zu sprechen. Es war ein armer Erfinder, der mit großen Hoffnungen eine Firma gegründet hatte, im Laufe der Monate aber einsehen mußte, daß er die Räume nicht halten konnte. Schließlich hatte er sie einem liebenswürdigen Amerikaner zur Verfügung gestellt, der nicht nur die Büros, sondern auch die Einrichtung mietete.

 

»Ich habe die Möbel nicht verkauft, weil ich immer noch hoffte, von neuem beginnen zu können, aber jetzt sind so traurige Verhältnisse eingetreten, daß ich dazu gezwungen werde.«

 

»Deswegen bin ich gerade hergekommen. Ich bin bereit, Ihnen die Möbel abzukaufen.«

 

Nach einigem Hin und Her holte der Erfinder ein Aktenstück und alle Rechnungen und Quittungen über seine Anschaffungen. Darunter befand sich auch der Lieferschein für den Rexor-Safe. Die Nummer des Schrankes war auf dem Schriftstück vermerkt; Julian notierte sie auf seiner Manschette.

 

Am Nachmittag reiste er nach Sheffield und hatte dort eine Besprechung mit dem Geschäftsführer der Rexor-Company, der ein alter Freund von ihm war. Julian hatte sich schon oft mit ihm über Schlösser und Geldschränke unterhalten, ja, er hatte ihm damals sogar zugesagt, einen Artikel über seinen Besuch in der Fabrik in einer Zeitung erscheinen zu lassen, aber das hatte er natürlich später vergessen.

 

»Merkwürdigerweise«, erklärte Julian, bevor er das Büro verließ, »habe ich neulich einen Ihrer Schränke gekauft, aber leider nur einen Schlüssel erhalten.«

 

»Wissen Sie zufällig die Nummer?«

 

Als Julian Lester nach London zurückfuhr, hatte er einen Duplikatschlüssel in Besitz.

 

Am nächsten Tag besuchte er das Haus, um sich persönlich zu orientieren. Die beiden Leute, die das Büro gemietet hatten, kamen morgens um neun. Sie sahen sehr respektabel aus und trugen große Hornbrillen. Auch erschienen sie nicht zusammen, sondern tauchten aus verschiedenen Richtungen auf. In dem Haus erzählte man sich, daß sie im Begriff wären, mehrere Konfitürengeschäfte zu gründen. Große Mengen von Süßigkeiten wurden abgeliefert und in ihrem Büro verstaut.

 

In der Hinterstraße lag ein Nebengebäude, das man leicht von einem Balkon aus erreichen konnte … Ein weit vorstehendes Geländer erleichterte die Absicht … Nach allem, was er sah, mußte es nicht schwer sein. Nur schade, daß die Nächte so kurz waren.

 

Julian mietete sich eine Garage in derselben Hinterstraße. Der Eigentümer verlangte eine hohe Anzahlung, aber Mr. Lester machte nicht die geringsten Schwierigkeiten, zahlte gern, kam kurz darauf mit einem eleganten Sportwagen zurück und abonnierte bei der nahen Tankstelle, daß der Wagen regelmäßig dort gereinigt werden sollte.

 

Er sah die beiden Leute, als sie am Abend das Büro verließen, und fragte sich, wer von beiden wohl Harry der Kammerdiener sein mochte. Soweit er sich besinnen konnte, gab es diesen Spitznamen schon seit langem in der Unterwelt, und darüber wunderte er sich. Wahrscheinlich gab es einen wirklichen Harry, der ein verflucht scharfer Junge sein mußte; einer dieser Leute hier bediente sich wahrscheinlich des Namens nur aus reiner Eitelkeit.

 

Die Zeitungen schrieben sehr viel über den Einbruch in der Westkanadischen Bank. Zwei verdächtige Leute wurden in Southampton verhaftet. Julian wünschte, daß die Polizei weiterhin solche Fehler machte. Die Beute, die den Räubern in die Hände gefallen war, betrug etwa hundertachtzigtausend Pfund. Privat hatte er sich davon überzeugt, daß in den Bekanntmachungen der Polizei die Nummern der Banknoten nicht aufgeführt worden waren. Man hatte sich darauf beschränkt, die Anzahl und Höhe der gestohlenen Werte anzugeben. Aus den Zeitungen ersah er, daß Inspektor Peas die Bearbeitung des Falles in Händen hatte; er gab sich die allergrößte Mühe, das Verbrechen aufzuklären. John traf ihn zufällig und erfuhr, wie die Sache vor sich gegangen war. Ein Nachtwächter war in Verdacht geraten, der seit dem Diebstahl verschwunden war.

 

»Es müssen amerikanische Verbrecher gewesen sein, und wenn ich mich nicht sehr täusche, ist Harry der Kammerdiener daran beteiligt«, sagte Peas. »Zur Zeit ist er nicht in Frankreich – seine Bekannten erklären hartnäckig, er sei nach Berlin gefahren. Das heißt so viel, daß er sich in London aufhält. Wenn diese Galgenvögel mit dem Geld entkommen, habe ich meinen Beruf verfehlt und reiche meine Kündigung ein. Ich glaube, wenn die gewußt hätten, daß ich den Fall untersuche, wäre es nicht zu dem Einbruch gekommen. Wie geht es eigentlich Mrs. Carawood? War sie vor kurzem in Rotherhithe? Und wie geht es denn dem armen Mr. Hoad?«

 

»Wer, zum Teufel, ist denn Hoad?«

 

»Er nennt sich zur Zeit nicht Mr. Hoad, sondern manchmal Smith, manchmal Salter. Er hatte einen Anfall von Herzschwäche an dem Abend, als wir nach Rotherhithe gingen. Und jemand hat so viel Geld gehabt, den teuersten Spezialisten für ihn zu bezahlen.«

 

»Meinen Sie Mrs. Carawood?«

 

Peas nickte.

 

»Ja! Wahrscheinlich ist er mit ihr verwandt, aber sie wollte nicht haben, daß er erfährt, wie gut es ihr geht. Deshalb hat sie sich damals diese Lumpen angezogen. Solche Geheimnisse sind sehr bald enthüllt, wenn sich ein erstklassiger Beamter damit beschäftigt.«

 

»Wie steht es dann mit dem Einbruch in der Westkanadischen Bank?« fragte John boshaft.

 

»Das ist auch kein Geheimnis«, entgegnete Peas ruhig. »Das ist einfach ein Einbruch unter Anwendung von Gewalt.«

 

*

 

Kapitel 22

 

22

 

Die Tage, die auf die Unterredung mit Julian folgten, waren für Marie Fioli sehr glücklich. Das Leben erschien ihr schöner als jemals; die Schule in Cheltenham lag jetzt viele tausend Meilen für sie entfernt. Marie lebte in einem ganz neuen Kreis, mit anderen Menschen. Als sie einmal mit John zusammen war, versuchte er, die Unterhaltung auf Mrs. Carawood zu bringen.

 

»O ja, sie ist tatsächlich romantisch, aber ich kann es nicht übers Herz bringen, darüber zu lachen. Wissen Sie, John, ich glaube oft, daß Nanny ein großes Vergnügen darin findet, wenn sie Mylady zu mir sagen kann. Und sie ist so praktisch und geschäftstüchtig auf ihre Weise.«

 

Mrs. Carawood war wirklich eine eigenartige Persönlichkeit. Er hatte noch nie eine solche Frau kennengelernt. Eigentlich führte sie ein Doppelleben. Marie und alles, was zu dem jungen Mädchen gehörte, repräsentierte die eine, die schöne und romantische Seite. Die andere war ihr Geschäft.

 

»Sie hat mir neulich erzählt, daß sie von Kindheit an diese romantischen Geschichten von Herzoginnen und Prinzen schätzte. Sie liebte Erzählungen, die in großen Marmorpalästen und in fürstlichen Residenzen spielten. Niemals las sie ein Buch, in dem nicht mindestens ein Lord oder eine Baronin vorkam.«

 

Als sie eines Nachmittags Queens Hall besuchten, erzählte ihm Marie von einem seltsamen Besucher, der am Vormittag in den Laden gekommen war.

 

»Kennen Sie einen Pater Benito?« fragte sie. »Er sieht wunderbar aus, hat einen langwallenden, grauen Bart und trägt eine richtige Mönchskutte.«

 

»Ja, ich kenne ihn«, sagte John schnell. »Was wollte er denn?«

 

»Er wollte Mrs. Carawood sprechen und sagte, daß er ein Kleid für seine Nichte kaufen müsse. Aber ich glaube, das war nur ein Vorwand; sicher kam er aus einem anderen Grund in den Laden.«

 

»Haben Sie mit ihm gesprochen?« fragte John ängstlich.

 

Sie nickte.

 

»Ja, Mrs. Carawood holte mich aus der Wohnung, damit ich ihn begrüßen sollte. Er sagte, er habe von mir gehört. Es ist direkt rührend, wieviel er für die Armen in unserem Stadtteil tut.«

 

»Was hat er denn sonst noch gesagt?«

 

»Nichts Wichtiges. Die gute, arme Nanny schien ganz nervös und aufgeregt zu sein, weil uns der Pater besuchte. Als er wegging, atmete sie jedenfalls erleichtert auf.«

 

John konnte sich wohl denken, aus welchem Grund Pater Benito in den Laden gekommen war. Auch er fühlte sich beruhigt, als er hörte, daß der Besuch so verlaufen war.

 

*

 

Daß John beobachtet wurde, konnte er natürlich nicht ahnen.

 

In diesen Tagen kam der Privatdetektiv Martin zu Julian, wurde aber ziemlich kühl empfangen.

 

»Haben Sie auch Morlay engagiert, daß er Ihnen Informationen über Mrs. Carawood beschaffen soll?« war die erste Frage, die er Julian stellte. »Wenn Sie es nicht getan haben, dann möchte ich Ihnen nur sagen, daß er auf eigene Faust Erkundigungen einzieht.«

 

»Wie meinen Sie das?«

 

Martin war am Morgen in der großen Registratur von Somerset House gewesen und hatte einen der tüchtigsten Leute von Morlay dort getroffen.

 

»Es ist der beste Mitarbeiter Morlays; soviel ich feststellen konnte, hat er sich auch nach dem Testament der verstorbenen Gräfin Fioli erkundigt.«

 

»Aber in ganz Somerset House findet sich keine Abschrift und auch kein Hinweis auf dieses Dokument.«

 

»Ich weiß es. Das wird der Mann auch festgestellt haben.« John Morlay interessierte sich also auch für das Vermögen Maries! Vielleicht brauchte auch er Geld. Julian lächelte im stillen.

 

*

 

Mrs. Carawood senkte ihr Buch. Nur das Ticken der Uhr auf dem Kamin war zu hören.

 

»Ich habe mich schon oft gefragt, wie Ihr Mann wohl gewesen sein mag«, sagte Herman unvermittelt.

 

»Mein Mann?«

 

»War er auch so romantisch wie Sie?«

 

»Nein«, erwiderte sie langsam. »Aber ich glaube, ich bin durch ihn romantisch geworden.«

 

Sie dachte noch über diese Worte nach, und Herman wagte nicht, sie dabei zu stören.

 

»Das Leben ist nicht leicht, Herman«, sagte sie nach einiger Zeit.

 

»Für mich war es auch sehr schwer, bis ich zu Ihnen kam. Aber ich glaube, daß Sie sich sehr einsam gefühlt haben, als Ihr Mann starb.«

 

Sie lächelte.

 

»Ja, ich habe ihn vermißt. Es entsteht auf die eine oder andere Weise doch eine Lücke, wenn jemand stirbt, Herman«, fuhr sie fort, aber dann änderte sie das Thema. »Sie sehen heute abend müde aus, Sie müssen früh zu Bett gehen.«

 

Er schaute sie an wie ein treuer Hund, dann dachte er darüber nach, wie schön es war, daß sich jemand um ihn kümmerte und bemerkte, daß er müde war. Es war seltsam wohltuend, daß Mrs. Carawood auch an ihn dachte.

 

»Manchmal sind Sie wirklich merkwürdig«, meinte er.

 

»Wieso bin ich merkwürdig?«

 

»Sie sind so lieb und gut … Wissen Sie, ich würde alles für Sie tun.« Es fiel ihm schwer, das zu sagen; es zu denken, war viel leichter.

 

»Wenn Sie es wollen; springe ich vom Dach herunter; ich würde jemanden ermorden für Sie …«

 

»Aber Herman!« Ihre Stimme klang scharf. »Man sollte fast denken, Sie wären betrunken, wenn Sie solchen Unsinn reden! Was fällt Ihnen denn ein, daß Sie jemanden ermorden wollen? Sie haben doch andere, friedlichere Beschäftigungen. Sie sollen meine Regale abstauben und aufpassen, daß Sie kein Geschirr zerbrechen, wenn Sie abspülen. Sie haben es gar nicht nötig, jemanden umzubringen. Aber passen Sie auf, es ist jemand vorn an der Ladentür.«

 

Es war Mr. Fenner, der feierlich eintrat. Er trug seinen schwarzen Sonntagsanzug und einen Trauerflor um den Ärmel. Die große goldene Uhrkette war sein einziges Schmuckstück. Er setzte sich hin, ohne dazu aufgefordert worden zu sein; alle seine Bewegungen waren würdevoll und gemessen.

 

»Ich hatte Sie heute abend kaum erwartet, Fenner. Sind Sie schon so bald von der Beerdigung zurückgekommen?«

 

»Sie wollen wohl ein wenig aufgeheitert werden?« bemerkte Herman.

 

Mrs. Carawood runzelte die Stirn.

 

»Herman, seien Sie still.«

 

Mr. Fenner schaute eine Zeitlang nachdenklich vor sich hin, bevor er den beiden eine erstaunliche Tatsache mitteilte.

 

»Der alte Mann hat mir sein Geschäft vermacht.«

 

»Mr. Fenner, ist das wahr?«

 

Sie konnte sich sehr gut an den etwas rauhen, aber sehr gutherzigen alten Mann erinnern, und sie konnte sich auch das ironische Lächeln vorstellen, mit dem er das Testament unterschrieben haben mochte.

 

»Ja, er hat es mir hinterlassen. Es ist ein nettes, kleines Geschäft, Mrs. Carawood, und man könnte den Umsatz verdoppeln und verdreifachen, wenn nur jemand etwas Kapital hineinstecken wollte.«

 

Sie mußte lächeln.

 

»Was haben Sie denn?« fragte er erstaunt.

 

»Ich freue mich für Sie! Was werden Sie unternehmen? Der alte Mann hat ja sehr viel gearbeitet …«

 

»Das habe ich mir bis jetzt noch nicht überlegt. Wenn man ein eigenes Geschäft hat, bekommt alles ein anderes Aussehen … Herman, ich möchte einmal allein mit Mrs. Carawood sprechen.« Er sagte das mit soviel Wichtigkeit, daß Herman gehorsam hinausging.

 

Fenner richtete sich auf.

 

»Ist dieser fein angezogene Kerl schon wieder hier gewesen?« fragte er vertraulich.

 

»Nein, Marie hat Mr. Lester in seiner Wohnung besucht.«

 

»Wenn er noch einmal herkommt, erklärte Fenner wütend, »drehe ich ihm das Genick um!«

 

Sie sah ihn nachdenklich an, nahm einen Strumpf von Herman und begann, ein Loch darin zu stopfen.

 

»Ich brauche niemanden, der mich verteidigt, Mr. Fenner. Aber wir werden Sie jetzt wohl nicht mehr so oft sehen, nachdem Sie so viel Geld geerbt haben?«

 

Das erleichterte ihm den Anfang seiner Rede.

 

»Deshalb bin ich gerade hergekommen. Ich wollte einmal mit Ihnen sprechen, Mrs. Carawood. Gestatten Sie, daß ich eine Zigarette rauche?« Er zog eine Packung aus der Tasche.

 

»Das sind echte türkische, die werden von den Damen im Harem des Sultans geraucht, steht vorne drauf. Ich kann diese Türken nicht verstehen. Ich brauche nur eine Frau, wenn ich die rechte bekomme.«

 

»Das können Sie nie vorher wissen«, warnte sie ihn lächelnd. »Für Sie sieht jetzt alles anders aus, wie Sie eben erwähnten. Früher haben Sie auch nie Zigaretten geraucht. Ich habe es immer so nett gefunden, wenn Sie mir mit Ihrer Pfeife gegenübersaßen. Eines Tages werde ich mich nicht weiter wundern, wenn Sie geheiratet haben. Und dann werden Sie wieder eine andere Frau haben wollen und dann noch eine – nicht wahr?«

 

Er legte die Zigarette sorgfältig auf den Rand des Aschenbechers und sah sie vorwurfsvoll an.

 

»Für mich gibt es nur eine Frau auf der Welt, Mrs. Carawood, und wenn sie meinen Antrag annehmen würde, wäre ich der glücklichste Mann auf der Welt.«

 

»Aber Mr. Fenner, Sie wollen auch immer gleich alles haben. Es ist doch genug, daß Sie nun das nette Geschäft besitzen. Warum wollen Sie noch mehr?«

 

»Sie wissen ganz genau, was ich will, und ich würde alles darum geben … Sehen Sie einmal her: Was würden Sie dazu sagen, wenn Sie so ein hübsches kleines Auto besäßen, mit dem Sie spazierenfahren könnten? Wäre das nicht ein reizender Gedanke?«

 

»Ich habe einen Wagen, aber ich fahre lieber im Bus!«

 

Er wußte, daß sie sich über ihn lustig machte, ließ sich aber nicht einschüchtern.

 

»Nehmen wir einmal an, Sie hätten ein hübsches Auto und eine Villa. Und wie wäre es, wenn wir die Flitterwochen in Paris verbrächten, Mrs. Carawood?«

 

Sie betrachtete ihn belustigt. Aber dann machte sie sich selbst Vorwürfe, denn sie erinnerte sich daran, daß sie vor einigen Tagen noch gehofft hatte, im schlimmsten Fall bei ihm Zuflucht zu finden.

 

Einer Antwort wurde sie enthoben, denn Marie kam die Treppe herunter, und vor dem Geschäft hielt ein Auto an. Es sah fast aus, als ob Marie oben auf John Morlays Ankunft gewartet hätte.

 

Sie begrüßte Fenner, der mit allem Anstand eine türkische Zigarette rauchte und sich beinahe vorkam wie ein Sultan.

 

»John, ich habe Ihnen schon von Mr. Fenner erzählt.«

 

»Natürlich! Sie sind doch Schreiner, nicht wahr?«

 

Fenner räusperte sich.

 

»Nun, ich bin nicht nur das, ich bin Schreinermeister, wenn ich so sagen darf.«

 

»Hören Sie doch nur, wie er angibt!« rief Mrs. Carawood.

 

Sie hielt zärtlich Maries Hand.

 

»Hast du etwas Angenehmes vor?« fragte sie.

 

»Ja. Zum Wochenende fahren wir aber doch nach Ascot?«

 

Mrs. Carawood nickte.

 

John beobachtete die beiden scharf und hatte den Eindruck, daß Pater Benito recht haben mußte.

 

Marie fing seinen Blick auf; sie war bereit zu gehen.

 

»Ich muß jetzt wieder in mein Geschäft, Mrs. Carawood«, sagte Fenner und reichte ihr die Hand. Früher hatte er das nicht getan.

 

John bot ihm einen Platz in seinem Wagen an, aber das lehnte er ab.

 

»Nein, das ist nicht nötig, ich kann mir ja ein Taxi nehmen.«

 

Er sah sich halb um, welchen Eindruck das auf Mrs. Carawood machte, aber sie schien es gar nicht gehört zu haben.

 

Sie trat auf die Straße hinaus und sah dem Wagen mit Marie und Mr. Morlay nach, dann schloß sie die Ladentür.

 

»Wir wollen Licht machen«, sagte sie. »Es wird dunkel. Ich fürchte, wir bekommen ein Gewitter.«

 

»Haben Sie gehört, was Fenner sagte, Mrs. Carawood«, fragte Herman, als er das Licht andrehte. »Wie fein der auf einmal geworden ist. Taxi will er fahren! Aber ich bin wirklich müde heute abend«, gähnte er. »Vorige Nacht war es so heiß wie in einem Ofen, und heute ist es ebenso.«

 

»Es wird schon kühler werden, wenn das Gewitter vorbei ist. Also, gehen Sie jetzt ins Bett, Herman.«

 

»Gute Nacht, Mrs. Carawood.«

 

Kapitel 2

 

2

 

Manchmal kamen argwöhnische Leute in Morlays Büro, und gewöhnlich hatten sie auch allen Grund, an der Redlichkeit ihrer Mitmenschen zu zweifeln. Sie wollten den Inhaber des Detektivinstituts beauftragen, diese verdächtigen Mitmenschen zu beobachten, damit belastendes Material für eine Anzeige beim Staatsanwalt herbeigeschafft werden konnte. Aber mitten in ihrer Erzählung unterbrach Mr. Morlay sie gewöhnlich mit einigen Worten des Bedauerns und erklärte, daß er ihr Ersuchen ablehnen müsse. Das geschah besonders, wenn es sich um mißtrauische Eheleute handelte.

 

John Morlay war allerdings tatsächlich Inhaber eines Detektivinstituts, aber er hatte sich spezialisiert und bearbeitete nur Handelsauskünfte. Er beobachtete auch Leute und ihre Tätigkeit, aber nur von zehn Uhr morgens bis sechs Uhr nachmittags, und in dieser Zeit sündigen die meisten Menschen am wenigsten. Er hatte mit Scheinkapitalisten zu tun, die Fabrikanten ruinieren, mit Schwindelgründungen, mit unehrlichen Kaufleuten, mit pflichtvergessenen Kassierern und anderen Angestellten. Seit fünfzig Jahren befaßte sich die Firma mit diesem einträglichen, aber wenig abwechslungsreichen Beruf.

 

John Morlay saß wieder in seinem Büro, von dem aus er den Hanover Square überschauen konnte, und hatte ganz vergessen, daß es so friedliche, stille Orte wie Ascot gab, wo eine geheimnisvolle junge Gräfin eine Besitzung wie Little Lodge hatte.

 

Selford, ein alter Angestellter, trat in das Privatbüro.

 

»Wollen Sie Mr. Lester sprechen?« fragte er.

 

Wenn John Morlay gesagt hätte, was er dachte, hätte er die Frage verneint, aber so verzog er nur das Gesicht.

 

»Lassen Sie ihn hereinkommen.«

 

John Morlay haßte den jungen Mann zwar nicht gerade, da Julian unter Umständen ganz amüsant und unterhaltend sein konnte, aber er zog doch andere Besucher vor. Julian trug etwas zu elegante Anzüge und juwelengeschmückte Manschettenknöpfe; sein Benehmen war reichlich affektiert. Die Perlnadel, mit der er den Schlips zusammenhielt, war etwas zu groß und auffällig. Morlay konnte auch nicht leiden, daß Julian seinen Hut stets so vorsichtig auf den Tisch legte, als ob dieser eine Kostbarkeit wäre. Er sah auf die Uhr, dann auf seinen Notizblock und stellte mit Befriedigung fest, daß er in einer Viertelstunde einen Besuch erwartete und dann Gelegenheit hatte, Julian zu verabschieden.

 

Lester trat herein und sah wie immer tadellos aus. Kein Stäubchen war auf seinem Jackett zu sehen. Er legte den Hut genauso hin, wie John Morlay es erwartet hatte, und zog dann seine hellen Glacéhandschuhe langsam aus. Die beiden waren vollständige Gegensätze: John Morlay schlank, hager, blauäugig und sonnengebräunt; Julian dagegen mehr der Typ eines hübschen Jungen, etwas ausdruckslose Züge, olivfarbene, glatte Haut und kleiner, modisch geschnittener schwarzer Schnurrbart.

 

»Nehmen Sie Platz«, sagte John. »Sie sehen vergnügt aus – wen haben Sie denn wieder um sein Geld gebracht?«

 

Julian zupfte an den Bügelfalten seiner Hose, bevor er sich niederließ, und bemerkte dann das Lächeln Morlays.

 

»Sie haben gut lachen, Sie sind ein reicher Mann. Ich dagegen bin ein armer Teufel, der zusehen muß, wie er seine Schneiderrechnungen bezahlt.«

 

Morlay zog eine Schublade des Schreibtisches auf, nahm einen silbernen Kasten heraus und bot seinem Besucher eine Zigarre an.

 

»Danke, nein, ich rauche niemals Zigarren. Aber vielleicht gestatten Sie, daß ich eine meiner eigenen Zigaretten rauche? Danke.«

 

Er zog ein Silberetui aus der Tasche, entnahm ihm eine Zigarettenspitze und paßte die Zigarette ein.

 

»Und wie kommt es, daß Sie in diese Gegend Londons verschlagen werden? Es ist doch ein großes Rennen heute nachmittag? Ascot steht vor der Tür, und sicher haben Sie ein Dutzend Einladungen erhalten?«

 

»Ihre Ironie ist an mir verschwendet«, entgegnete Julian und entfernte etwas Asche von seinem Knie. »Ich bin hergekommen, um geschäftlich mit Ihnen zu sprechen.«

 

»Zum Teufel, das ist ja interessant!« John hob erstaunt die Augenbrauen.

 

Julian nickte.

 

»Ich sage es Ihnen natürlich im Vertrauen, und selbstverständlich zahle ich für Ihre Bemühungen. Ich weiß zwar nicht, welche Preise Sie verlangen –«

 

»Ach, darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Aber ich möchte Ihnen vor allem erklären, daß ich keine Nachforschungen in Scheidungssachen anstelle und mich auch nicht mit Werkspionage beschäftige.«

 

Julian atmete tief ein, blies einen Rauchring nach dem anderen zur Decke und beobachtete, wie sie sich an dem weißen Plafond zerteilten.

 

»Ich bin Junggeselle und nehme mich gut in acht; ich finde das Leben auch ohne weiblichen Anhang schon kompliziert genug.«

 

Er rauchte eine Zeitlang schweigend.

 

»Kennen Sie eigentlich die Gräfin Marie Fioli?« fragte er dann plötzlich.

 

John sah ihn überrascht an.

 

»Ich habe von ihr gehört; noch vor ein paar Tagen sprach ich über sie. Aber ich habe sie noch nicht persönlich kennengelernt.«

 

Julian lächelte.

 

»Sie müssen tatsächlich ein Herz von Eis haben. Ich habe Sie doch kurz vor Weihnachten der jungen Dame vorgestellt, und zwar bei Rumpelmeyer.«

 

»Ach, dieses junge Mädchen? Aber die ist doch –«

 

»Sie ist achtzehn«, erklärte Julian geduldig, »und sie kommt diese Woche aus dem Internat, mitten im Jahr. Außergewöhnlich, aber in vieler Beziehung sehr angenehm. Meine verstorbene Mutter heiratete mit siebzehn, mein seliger Vater war nicht älter als achtzehn. Eheschließungen in jugendlichem Alter sind nichts Außergewöhnliches in unserer Familie.«

 

»Da war aber Ihr Vater sehr voreilig, und Sie sind der beste Beweis für meine Behauptung. Soll Marie Fioli mit achtzehn heiraten?«

 

Julian machte eine leichte Bewegung mit seiner Zigarette.

 

»Ich bin noch nicht definitiv entschlossen; es müssen erst noch einige dunkle Punkte aufgeklärt werden, aber sie ist wirklich ein charmantes Mädchen.«

 

»Ich kann mich jetzt auf sie besinnen«, entgegnete Morlay nachdenklich. »Sie ist sehr schön.« Plötzlich sah er auf. »Sie sind doch nicht etwa ihretwegen gekommen?«

 

Julian nickte.

 

»Ich bin arm, John, das habe ich Ihnen ja bereits gesagt. Ich habe ein Einkommen von dreihundert Pfund im Jahr und verdiene mir noch etwas dazu durch die Artikel, die ich für Zeitschriften schreibe. Ich habe keine Eltern mehr, die eine passende Frau für mich aussuchen und – was noch wichtiger ist – auch die nötigen Nachforschungen über die junge Dame anstellen könnten.«

 

John lehnte sich in seinem Sessel zurück und lachte herausfordernd.

 

»Nach und nach begreife ich, was Sie von mir wollen. Ich soll also an Stelle Ihrer Eltern herausbringen, ob das Vermögen der jungen Dame so groß ist, daß es sich lohnt, ihr einen Antrag zu machen?«

 

Zu seinem größten Erstaunen schüttelte Julian Lester den Kopf.

 

»Auf die Höhe ihres Vermögens kommt es durchaus nicht an. Ich bin ganz sicher, daß sie wohlhabend ist, ich habe allen Grund, das anzunehmen. Selbst nach all den Abzügen bleibt genug übrig, daß eine junge Dame ihres Standes glänzend davon leben kann.«

 

»Nicht zu vergessen den jungen Mann, der sie heiratet«, erwiderte John sarkastisch. »Erklären Sie mir aber bitte, was Sie damit sagen wollen, daß ›genug übrigbleibt‹. Ist sie bestohlen worden?«

 

Julian erhob sich, ging zum Fenster und sah düster auf den Hanover Square hinunter.

 

»Ich weiß es nicht. Es ist alles so seltsam. Die alte Frau hat ihr einen kleinen Landsitz bei Ascot gekauft, der ungefähr fünftausend Pfund kostet. Natürlich habe ich die Kaufurkunde nicht gesehen und weiß daher auch nicht, ob das Grundstück auf den Namen von Marie oder auf den Namen der alten Frau eingetragen wurde.«

 

»Von welcher alten Frau sprechen Sie denn?«

 

Julian kehrte zu seinem Stuhl neben dem Schreibtisch zurück, drückte sorgfältig die Zigarette aus und legte die Zigarettenspitze wieder in das Etui, bevor er antwortete.

 

»Haben Sie eigentlich schon einmal etwas von einer Mrs. Carawood gehört?« Als John den Kopf schüttelte, fuhr er fort: »Das kann man auch nicht verlangen. Sie ist die Inhaberin eines Damenmodengeschäfts, das heißt, sie hat im ganzen vielleicht ein Dutzend Filialen in London.«

 

John nickte. Er besann sich jetzt auf die Firma.

 

»Vor neunzehn Jahren war Mrs. Carawood Kindermädchen bei der Gräfin Fioli, einer Witwe, die ein Haus und ein Grundstück in Bournemouth besaß. Die Fiolis sind eine altitalienische Familie. Die Gräfin starb. Ich habe zwar nachgeforscht, konnte aber nicht feststellen, ob sie ein Testament hinterlassen hat. Ich habe nur so viel herausbringen können, daß Mrs. Carawood eine ziemlich reiche Frau wurde, nachdem man ihr die Erziehung des Kindes anvertraute. Vier Jahre später eröffnete sie ihr erstes Geschäft, und in kurzen Abständen folgten mehrere andere. Sie hat jetzt eine ganze Reihe von Läden in London, die alle ziemlich gut gehen und zusammen eine große Einnahmequelle bilden.«

 

»Und was hat das mit dem Kind zu tun?«

 

»Ich muß zugeben«, erwiderte Julian zögernd, »daß sie sehr viel für Marie getan hat. Sie schickte sie auf eine gute Vorbereitungsschule und später in eins der besten Internate Englands. Mit rührender Sorgfalt hat sie sich um das junge Mädchen gekümmert. Aber die Sache scheint doch einen Haken zu haben. Offenbar hat sie das Geld, das die Erbschaft meines armen, kleinen Mädchens ausmacht –«

 

»Offenbar?« unterbrach ihn John. »Es gibt viele Leute, die mit einem kleinen Vermögen angefangen haben und erfolgreiche Geschäftsleute geworden sind. Vor allem möchte ich eines klar wissen: Ist sie mit Ihnen verlobt? Ich meine die junge Gräfin Fioli, über die Sie soviel erzählt haben.«

 

Julian zögerte.

 

»Nein, das gerade nicht.«

 

»Warum soll denn Mrs. Carawood ihr Geld nicht auf ehrliche Weise verdient haben? Das tun doch viele Leute.«

 

»Von einer solchen Frau kann ich es kaum glauben«, erwiderte Julian entschieden. »Sie ist völlig ungebildet, kann gerade lesen und schreiben. Sie werden mich am besten verstehen, wenn ich Ihnen sage, daß sie auf ihre alten Tage noch unzählige von diesen billigen Schundheften verschlingt.«

 

Eine peinliche Pause entstand.

 

»Und was soll ich denn nun in Ihrem Interesse tun?« fragte John schließlich.

 

Julian fühlte sich etwas unbehaglich.

 

»Ich weiß nicht recht, wie ich es ausdrücken soll … Vor allem möchte ich genaue Angaben haben, jedenfalls bestimmtere, als ich sie mir beschaffen konnte. Zunächst über das Geld – dann, wie es investiert ist –«

 

»Nun, allem Anschein nach doch in den Geschäften von Mrs. Carawood«, entgegnete John trocken. »Ich möchte hierüber aber genaue Auskunft haben; ich kann doch nicht eher heiraten, als bis ich sicher weiß, daß –«

 

»Daß sie genug Geld hat, um Sie zu unterhalten«, ergänzte John Morlay grob. »Es tut mir leid, daß Ihr Auftrag nicht zu den Obliegenheiten meines Geschäftes gehört.«

 

Julian zuckte die Schultern, erhob sich und nahm Hut und Handschuhe.

 

»Das fürchtete ich von Anfang an. Aber, bitte, verstehen Sie mich nicht falsch. Marie ist ein sehr hübsches, anständiges Mädchen, und selbst wenn sie so arm wäre wie – wie ich, dann würde das meine Zuneigung zu ihr nicht im geringsten beeinflussen. Nur wäre es nicht recht von mir, sie zu heiraten, wenn ich nicht den Lebensstandard aufrechterhalten könnte … Sie verstehen schon, was ich meine.«

 

»Ja, Sie sind rührend selbstlos – ich weiß es.«

 

John begleitete ihn zur Tür, und als er zurückkam, lächelte er. Es fiel ihm schwer, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Immer wieder schweiften seine Blicke von den Dokumenten und Schriftstücken ab, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Die Inhaberin eines Kleidergeschäfts, die einen schönen Landsitz in Ascot kaufen konnte, erregte natürlich sein Interesse und zugleich auch seinen Argwohn. Er nahm das Telefonbuch zur Hand und fand Mrs. Carawoods Namen unter der Adresse Penton Street Nr. 47, Pimlico. Allem Anschein nach war dies ihr Hauptquartier.

 

John hatte keine Verabredung für den Abend; am nächsten Morgen wollte er nach Marlow fahren. Als er sein Büro verließ und den Hanover Square überquerte, hatte er noch nicht die geringste Absicht, das Geschäft in der Penton Street zu besuchen, und er wußte selbst nicht, wie es kam, daß er plötzlich ein Taxi anrief und dem Chauffeur die Adresse von Mrs. Carawood in der Penton Street nannte.

 

Der Laden war kleiner, als John erwartet hatte, aber das Schaufenster zeigte eine sehr geschmackvolle Auslage. Als er eintrat, wurde er von einer Verkäuferin in einem einfachen schwarzen Kleid empfangen, die ihm gleich mitteilte, daß Mrs. Carawood nicht anwesend sei. »Wenn Sie in einer Privatangelegenheit kommen, rufe ich vielleicht besser Herman.«

 

Bevor er antworten konnte, war sie hinter einer Trennungswand verschwunden, und gleich darauf erschien ein großer, schlanker junger Mann, der eine grüne Arbeitsmütze trug. Er hatte rotblonde Locken und war nicht sehr sauber gekleidet. Auch die Stahlbrille trug nicht dazu bei, seine äußere Erscheinung zu heben.

 

»Wünschen Sie Mrs. Carawood zu sprechen? Es tut mir leid, sie ist nicht hier. Sie ist nach Cheltenham gefahren, um Mylady zu besuchen.«

 

Er sagte dies mit einem gewissen Stolz und warf sich dabei in die Brust. Den Titel betonte er besonders.

 

John Morlay hatte sich inzwischen in dem Geschäft umgesehen, das sehr gut ausgestattet war. Schönes Paneel bedeckte die Wände bis zur Decke; der Boden war mit Parkett ausgelegt. Die Damenkleider und -mäntel hingen in großen Schränken mit Spiegelscheiben. An der hinteren Seite war eine Trennungswand eingebaut, und Herman sah mehrmals dorthin. Zuerst glaubte John Morlay, der Mann hätte ihm etwas vorgelogen und Mrs. Carawood wäre doch zugegen.

 

»Vielleicht kommen Sie ins Büro«, sagte Herman und warf wieder einen Blick in den hinteren Teil des Ladens. Nun verstand John, daß der Angestellte sich nur überlegt hatte, ob er den fremden Herrn dorthin führen könnte.

 

Das Büro war ein verhältnismäßig kleiner Raum. Es standen ein großer Schreibtisch mit Stuhl darin und verschiedene Bücherregale. Die unteren Fächer enthielten die Geschäftsbücher und die Korrespondenz von Mrs. Carawood, während oben Dutzende von billigen Abenteuer- und Kriminalgeschichten lagen.

 

»Mrs. Carawood fährt jetzt sehr oft nach Cheltenham, bis Mylady nach Ascot zieht«, erklärte Herman. »Sie hat noch verschiedenes vorzubereiten.«

 

John lächelte.

 

»Unter Mylady verstehen Sie doch die Gräfin Fioli?«

 

Herman nickte eifrig.

 

»Sind Sie ein Freund von ihr?« fragte er dann.

 

»Das möchte ich nicht gerade behaupten, aber ich kenne die junge Dame oberflächlich.«

 

Herman strahlte.

 

»An Mylady kann man sehen, daß der alte Fenner unrecht hat.«

 

»Wer ist denn Mr. Fenner?«

 

John war erstaunt über die Herzlichkeit, mit der er hier empfangen wurde. Erst später erfuhr er, daß das Faktotum von Mrs. Carawood hohe Achtung vor allen Leuten hatte, die Mylady kannten oder mit ihr verkehrten.

 

»Fenner ist ein Sozialdemokrat. Er kann sehr gut reden, hat Bildung und so weiter.«

 

»Spricht er denn schlecht von Mylady?« fragte Morlay, der sich heimlich amüsierte.

 

Herman schüttelte den Kopf.

 

»Nein, das tut er nicht! Das ist das einzige Gute an Mr. Fenner. An Königen, an Lords und an Grafen läßt er keinen guten Faden, aber über Mylady hat er noch nie etwas Schlechtes gesagt.«

 

John Morlay lenkte geschickt die Unterhaltung auf Mrs. Carawood und ihre Geschäfte und erfuhr, daß sie insgesamt acht Läden in der Stadt hatte, die alle gut gingen. An diesem Nachmittag war sie nach Cheltenham gefahren; Herman nannte die genaue Abfahrtszeit des Zuges.

 

»Mrs. Carawood liest wohl sehr viel«, erkundigte sich John, während er die Bücherregale betrachtete.

 

Herman lächelte verklärt.

 

»Sie hat jede Geschichte gelesen, die hier steht.« Zärtlich fuhr er mit der Hand über die Rücken der Bücher und Heftromane. »Und ich habe jede gehört!«

 

»Sie wollen wohl sagen, daß Sie auch alle diese Geschichten gelesen haben?«

 

»Nein, ich kann nicht lesen, auch nicht schreiben«, erklärte er einfach. »Aber wenn das Geschäft geschlossen ist, liest Mrs. Carawood mir vor.«

 

»Ist denn Mr. Fenner damit einverstanden?« fragte John Morlay lächelnd.

 

»Es kommt gar nicht darauf an, was er tut oder nicht tut. Er sagt, ich bekäme dadurch falsche Vorstellungen, aber das versteht er nicht.«

 

John Morlay war sehr erstaunt und nachdenklich, als er langsam zum Viktoria-Bahnhof ging. Und dann tat er etwas, was ihm selbst ganz unerklärlich war: Er nahm ein Taxi, fuhr zu seiner Wohnung zurück, packte einen Koffer und ließ sich dann zur Station Paddington bringen, wo er in den Zug nach Cheltenham stieg. Plötzlich hatte er das unwiderstehliche Verlangen, Mrs. Carawood kennenzulernen – vielleicht aber wünschte er noch mehr, Mylady wiederzusehen.

 

Kapitel 20

 

20

 

Diese scherzhafte Bemerkung machte Eindruck auf Julian. Er dachte sofort an den alten Mann, den er in seiner Wohnung ertappt und dessen Adresse er sich notiert hatte.

 

Als er jedoch die verschiedenen Möglichkeiten erwog, sah er wieder davon ab. Die Sache erschien ihm zu gefährlich. Aber langsam und allmählich kam er doch wieder auf diesen Plan zurück. Er selbst wollte ja dieses waghalsige Abenteuer nicht unternehmen; er hatte gerade genug von Herman gesehen und gehört und wollte nicht riskieren, ihm in die Arme zu fallen. Aber er selbst brauchte sich diesen Unannehmlichkeiten ja auch nicht auszusetzen; er konnte doch einen anderen für sich arbeiten lassen, wie er es früher schon getan hatte. Man konnte dem Mann ja genügend Geld zahlen, so daß er schweigen würde. Er überdachte alle möglichen Folgen und Einzelheiten, und je mehr er über den Plan nachsann, desto besser gefiel er ihm.

 

Er schrieb eine kurze Nachricht und brachte sie selbst zur Post. Allerdings mußte er mit der Gefahr rechnen, daß der Brief in falsche Hände fiel, aber auch dann konnte man ihm nichts anhaben. Mit diesem tröstlichen Gedanken wartete er auf eine Antwort.

 

Um neun Uhr klingelte es. Er legte die Zeitung hin, öffnete die Wohnungstür und begrüßte Mr. Smith, der an diesem Abend noch abstoßender aussah als sonst.

 

»Kommen Sie herein«, sagte er.

 

Der Mann nahm die Mütze in die Hand und folgte ihm in das kleine Arbeitszimmer.

 

»Nehmen Sie Platz.«

 

Julian wies ihm einen Stuhl an, der vom Schreibtisch möglichst weit entfernt stand. Es hatte fast den Anschein, als ob ihm die Atmosphäre, die dieser Mann in die Wohnung brachte, unangenehm sei.

 

»Nun, wie geht es Ihnen?«

 

»Ich bin am Verhungern«, erwiderte der andere in schlechter Laune. »Man kann überhaupt keine anständige Arbeit bekommen, Wenn diese Polypen immer hinter einem her sind.«

 

»Polypen? Ach, Sie meinen die Kriminalbeamten von Scotland Yard? Werden Sie denn von denen verfolgt?«

 

»Ja, die schikanieren mich, wo und wann sie nur können«, log Smith glatt. »Wenn man gerade eine Anstellung erhalten könnte, kommen sie dazu und erzählen dem neuen Chef, daß man ein alter Verbrecher ist, der im Zuchthaus gesessen hat. Und dann liegt man wieder auf der Straße.«

 

Das war eines dieser Märchen, mit denen er schon klügere Leute als Julian getäuscht hatte. Aber der junge Mann kümmerte sich im Augenblick nicht darum, was Smith sagte. Er dachte nur an seinen Plan. »Ich habe eine kleine Sache für Sie.«

 

Die Worte waren ihm entschlüpft, bevor er sich richtig darüber klar wurde, daß er damit diesem gefährlichen Mann auf Gnade und Ungnade ausgeliefert war.

 

Smith verzog das Gesicht.

 

»Leider bin ich schon zu alt und zu schwach, um schwer arbeiten zu können«, protestierte er. »Ich habe die besten Jahre meines Lebens im Gefängnis verbracht, da können Sie nicht von mir erwarten –«

 

»Ich glaube, bei der Sache brauchen Sie sich nicht sehr anzustrengen«, entgegnete Julian bedächtig. »Und die hundert Pfund, die Sie dadurch verdienen können, sind auch nicht zu verachten. Dazu kommt, daß Sie meinen Auftrag innerhalb einer Stunde erledigen können.«

 

Er sah, wie die Augen des anderen interessiert aufleuchteten.

 

»Vor allem muß ich betonen, daß das, was ich Ihnen sage, nichts mit mir persönlich zu tun hat. Es geschieht im Interesse eines Freundes, der von gewisser Seite erpreßt werden soll.«

 

Smith nickte.

 

»Ach, die haben Sie wohl in die Enge getrieben?« fragte er gespannt. »Nun, das kann jedem passieren, daß er in eine solche Patsche kommt. Ich werde Ihnen helfen, so gut ich kann.«

 

»Ich habe Ihnen doch schon erklärt, daß es sich nicht um mich, sondern um einen guten Freund handelt. Ich weiß nicht einmal, ob alles, was er mir gesagt hat, wahr ist. Es wäre ja auch möglich, daß er sich einen Scherz mit mir macht, vielleicht ist an der ganzen Sache nichts Wahres. Eine gewisse Mrs. Carawood soll Briefe und Dokumente besitzen, die ihm wahrscheinlich schaden können. Besonders in der letzten Zeit ist die Gefahr größer geworden, da er die Absicht hat, sich zu verheiraten.«

 

»Wo wohnt die Frau denn?«

 

»Penton Street siebenundvierzig. Notieren Sie sich das.«

 

Er schob ihm Bleistift und Papier zu, und Smith schrieb mit großer Anstrengung die Adresse auf.

 

»Das liegt in Pimlico – ist es ein kleines Haus?«

 

»Es ist ein Laden, in dem man alte Kleider kaufen kann. Soviel ich erfahren habe, verwahrt sie die Schriftstücke in einem schwarzen Holzkasten, der unter ihrem Bett steht.«

 

»Die Sache ist leicht«, erwidert Smith verächtlich. »Ist ein Wachhund auf dem Grundstück? Aber schließlich kommt es darauf nicht an. Schlafen Männer im Haus?«

 

»Nur ein junger Mann, sonst niemand. Sie selbst … nun, ich könnte es ja so einrichten, daß sie an dem betreffenden Abend nicht zu Hause ist. Nehmen wir einmal an, Sie gehen nächsten Donnerstagabend hin. Mit dem jungen Mann werden Sie schon fertigwerden. Außerdem erinnere ich mich, daß Mrs. Carawood einmal sagte, er gehe immer sehr früh zu Bett. Er schläft in einer Kammer unterm Dach. Das Zimmer von Mrs. Carawood selbst liegt im ersten Stock, und soweit ich unterrichtet bin, ist es die Tür linker Hand, wenn Sie die Treppe hinaufkommen. Ich muß noch sagen, daß der Kasten zwei Schlösser hat –«

 

»Ach, reden Sie doch nicht von Schlössern!« unterbrach ihn Smith. »Damit werde ich leicht fertig. Wenn sie die Papiere in einem Safe aufbewahrt hätte, dann hätte ich vielleicht die ganze Nacht damit zu tun, aber ein Holzkasten! Was für Briefe und Schriftstücke soll ich Ihnen denn bringen?«

 

»Nehmen Sie alle Dokumente, die Sie finden, an sich, stecken Sie sie in eine Ledertasche, bringen Sie sie vor meine Wohnungstür und gehen Sie dann wieder fort. Ich gebe Ihnen fünfzig Pfund vorher, und fünfzig Pfund erhalten Sie, wenn Sie die Sache erfolgreich durchgeführt haben. Sie finden das Geld unter der äußeren Matte vor meiner Wohnungstür. Und hier haben Sie einen Schlüssel zum Haus. Ich warte persönlich auf Sie, und wenn Sie ohne die Papiere kommen, kriegen Sie auch kein Geld.«

 

Smith sah ihn scharf an. »Ist die Sache nicht etwas riskant für Sie?« fragte er dann.

 

Julian wollte nicht daran erinnert werden. Er hatte sich schon überlegt, welches Alibi er vorbringen wollte, wenn die Sache vor die Polizei kommen sollte. Im schlimmsten Fall standen immer noch seine Aussagen gegen die des alten Zuchthäuslers, der wegen Mordes verurteilt worden war, und unter diesen Umständen war es nicht zweifelhaft, wem das Gericht Glauben schenken würde. Die Sache war das Risiko schon wert. Selbst wenn er keinen materiellen Vorteil davon haben sollte, hatte er sich doch in den Augen Maries gerechtfertigt.

 

»Ja, ich weiß wohl, daß ich für meinen Freund ein Risiko auf mich nehme«, sagte Julian ernst. »Aber ich traue Ihnen, daß Sie mich nicht verraten werden.«

 

Mr. Smith versicherte ihn natürlich seiner Anständigkeit.

 

Julian holte eine Whiskyflasche und goß dem Mann ein Glas ein. Smith taute auf, als er die Flasche sah.

 

»Keinen Whisky – ich trinke nur Kognak.« Julian kam seinem Wunsch nach. »Ja, Sie können mir die Sache ruhig anvertrauen, ich war immer zuverlässig. Ach, wenn ich doch nur noch meine Gesundheit und Kraft von früher und ein paar gute Leute hätte, auf die ich mich verlassen könnte.«

 

»Was würden Sie dann anfangen?« fragte Julian.

 

»Dann hätte ich bald ein paar hunderttausend Pfund.«

 

»Ach was, hunderttausend Pfund! Das ist doch Unsinn!«

 

»Nein, wirklich nicht, es ist die reine Wahrheit. Ich weiß eine Sache, auf die manche jahrelang warten würden, aber sie haben niemals Glück, daß ihnen so etwas über den Weg läuft. Ich sage Ihnen, da könnte man ein großes Vermögen machen.«

 

Julian bot dem Mann eine Zigarre an, aber Smith lehnte dankend ab.

 

»Ich habe mit dem Herzen zu tun. Vor einer Woche wäre ich beinahe erledigt gewesen, da wurde sogar ein bekannter Spezialarzt vom Westend gerufen, Sie scheinen das nicht zu glauben, aber es stimmt doch. Sie können alle Leute fragen, die in meiner Straße wohnen.«

 

»Wer hat denn dafür bezahlt?«

 

Smith berichtete eine merkwürdige Geschichte. Er war am Hanover Square gewesen und hatte jemanden beobachtet – eine Frau. Nachher hatte sich dann herausgestellt, daß sie nicht die Person war, die er suchte, sondern eine Herzogin.

 

»Ein Detektiv hat mir das gesagt, der ein Büro in dem Haus hat – er war eigentlich kein richtiger Spürhund, nur so eine Art Privatdetektiv.«

 

Julian richtete sich plötzlich in seinem Stuhl auf.

 

»Heißt er vielleicht Morlay?«

 

»Ja, ganz recht … Ich sah den Namen an der Tür.

 

»Und was passierte dann?«

 

Smith erzählte weiter. Nachdem Morlay ihn verlassen hatte, blieb er selbst noch auf der Straße stehen und starrte auf den Eingang des Hauses, als plötzlich ein Auto vorfuhr. Zwei Männer stiegen aus, die einen schweren Ledersack ins Haus trugen. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl in die Höhe, aber einen der beiden hatte er erkannt – es war Harry, der Kammerdiener.

 

Mit dem zusammen hatte er im Gefängnis gesessen, und zwar hatten sie benachbarte Zellen. Sie hatten auch in derselben Abteilung gearbeitet. Damals hatte ihm Harry von einer großen Sache erzählt, einem Ding, das er drehen wollte, sobald er wieder in Freiheit war. – Harry war nämlich Amerikaner und der geschickteste Bankräuber, den es auf der Welt gab.

 

»Als ich ihn sah, wußte ich, daß sie das Ding gedreht hatten«, sagte Smith. »Das ist ihre Methode: Einige Wochen, bevor sie den Plan ausführen, mieten sie ein feines Büro, und dort leben sie, nachdem sie das Geld aus der Bank geholt haben. Und ich sage Ihnen, ich bin froh, daß Harry mich in dem Augenblick nicht erkannt hat – sonst wäre ich jetzt eine Leiche.«

 

Julian lauschte atemlos. Smith ahnte nichts von dem Einbruch in der Westkanadischen Bank, da er keine Zeitungen las. Aber Julian wußte, daß die Diebe eine große Summe erbeutet hatten.

 

»Harry hat mir gesagt, man kann immer ein möbliertes Büro mit einem Safe mieten – das heißt, manchmal kaufen sie auch ein Geschäft für den Zweck, um einen anständigen Firmennamen zu haben. Das haben sie nämlich in diesem Fall getan. Und wenn dann nach einem Monat alles vorüber ist, bringen sie ihre Beute in Sicherheit. Da staunen Sie! Ja, das ist eine Sache. Die Polizei sucht sie überall, und die halten sich direkt vor ihrer Nase auf! Wenn ich noch jung wäre, würde ich das auch so machen.«

 

Julians Gedanken wirbelten durcheinander. Er vergaß sogar den Auftrag, den er dem Mann gegeben hatte.

 

*

 

Kapitel 15

 

15

 

Herman ging langsam in den Laden zurück.

 

»Hallo!« sagte er unfreundlich.

 

»Guten Morgen, Herman!«

 

»Ich habe Ihnen nicht die Erlaubnis gegeben, mich Herman zu nennen«, entgegnete der junge Mann und wurde rot. »Wollen Sie etwas kaufen? Dann kann ich Ihnen gleich von vornherein sagen, daß die Verkäuferin nicht hier ist.«

 

»Aber mein Lieber …«, begann Mr. Martin.

 

»Ich will nicht, daß Sie mich ›mein Lieber‹ nennen«, erklärte Herman laut.

 

Er sah sich um. Fenner war verschwunden.

 

»Und versuchen Sie nur nicht, mir einen Safe aufzuschwatzen, um mein Geld darin einzuschließen, denn ich habe keins. Und fragen Sie mich auch nicht, ob Mrs. Carawood einen Safe kaufen will. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß sie das nicht tut.«

 

Martin grinste übers ganze Gesicht.

 

»Aber gerade sie braucht doch sicher einen sehr guten und sehr starken Safe. Verstehen Sie denn nicht, daß es gefährlich ist, wenn sie ihr ganzes Geld in einem Kasten unter dem Bett aufbewahrt?«

 

»Davon habe ich nichts gesagt«, erwiderte Herman unwirsch und sah ihn wütend an. Einen Augenblick dachte Martin schon, daß der junge Mann ihn angreifen würde.

 

»Ich komme doch nur als Geschäftsmann her«, begann er wieder freundlich, um den anderen zu beruhigen und zu entwaffnen. »Ich wollte Mrs. Carawood doch nur einen Safe anbieten, damit sie ihre Wertsachen einschließen kann. Und ich liefere ihn zu außerordentlich günstigen Bedingungen.«

 

»Und ich sage Ihnen, daß sie keine Schränke zu außerordentlich günstigen Bedingungen braucht!« rief Herman heftig. »Sie verdient ihr Geld auf ehrliche Weise.«

 

Er ging zur Ladentür und machte sie weit auf.

 

»Sie kommen nur hierher, um zu spionieren und sich umzusehen. Sie wollen mich dazu bringen, alles auszuplaudern. Sie sind ein ganz gemeiner Schnüffler – so, jetzt habe ich es Ihnen gesagt, und wenn Sie nicht bald gehen, dann rufe ich die Polizei!«

 

»Ich wollte doch Mrs. Carawood sprechen.«

 

Herman zeigte majestätisch auf die Straße hinaus.

 

»Dann können Sie draußen warten.«

 

Es war erst zwei Tage her, daß der neue, von Mr. Julian Lester engagierte Privatdetektiv den Laden zum erstenmal aufgesucht hatte. Er hatte es so gerissen angestellt, daß sowohl Mrs. Carawood als auch ihre Verkäuferinnen zu der Zeit gerade ausgegangen waren, und durch seine schlauen Kniffe hatte er Herman dazu gebracht, ihm verschiedenes zu erzählen. Auf diese Weise hatte er mancherlei über das Geschäft erfahren. Er wußte, daß Mrs. Carawood ein Bankkonto besaß; er hatte sogar gehört, wie hoch dasselbe war. Und er wußte auch von dem schwarzen Kasten, den sie unter ihrem Bett verwahrte und dessen Schlüssel sie stets bei sich trug. Die letzten zwei Tage hatte sich Herman die größten Vorwürfe gemacht, daß er so viel verraten hatte, aber er hatte nicht gewagt, ihr das mitzuteilen. Er verehrte und liebte sie mehr als sein Leben, und seine Reue verwandelte sich nun in Zorn und Ärger gegen den Privatdetektiv. Herman packte eine Bürste mit langem Handgriff und ging damit auf ihn los; aber Martin wartete nicht, bis es zu Handgreiflichkeiten kam.

 

Er hatte verschiedene Einzelheiten Julian noch nicht mitgeteilt, aber jetzt brauchte er daraus kein Geheimnis mehr zu machen. Aus der kurzen Unterredung hatte er ersehen, daß er aus dieser Quelle keine weiteren Nachrichten schöpfen konnte. Er eilte deshalb nach Bedford Square, um Julian zu treffen, und er hatte auch Glück.

 

»Nun, was bringen Sie Neues?«

 

Etwas umständlich erzählte ihm der Privatdetektiv, was er erfahren hatte und was er vermutete.

 

»Sie hat nahezu zwanzigtausend Pfund auf der Bank und einen Umsatz von etwa tausend Pfund in der Woche. Ich nehme auch an, daß sie Anteilscheine und Aktien auf der Bank hat. Dokumente und Schriftstücke bewahrt sie bei sich auf.«

 

»Meinen Sie nicht, daß sie die in einem Tresor auf der Bank deponiert hat?«

 

»Nein, sie sind in dem schwarzen Holzkasten. Es war nicht leicht, aus diesem Herman etwas herauszubekommen, aber zufällig hat er es mir gegen seinen Willen gesagt. Ich ging als Vertreter in den Laden und wollte einen Geldschrank verkaufen. Dabei kam natürlich verschiedenes zur Sprache. Es ist ein ziemlich großer Kasten. Ich versuchte, ihn zu überreden, daß er ihn mir zeigte, aber so dumm war er nicht. Der Kasten hat zwei Schlösser, und sie trägt die Schlüssel an einer Kette um den Hals. Die Schlafzimmertür ist immer verschlossen, und der Kasten wird nur selten geöffnet, höchstens einmal, wenn die Gräfin in die Stadt kommt.«

 

»Hat er Ihnen das gesagt?« fragte Julian schnell.

 

Der Mann zögerte. »Ausdrücklich hat er mir das nicht gesagt. Ich mußte vielmehr seine verschiedenen Äußerungen zusammenstellen und kombinieren. Eines möchte ich noch sagen: Ich glaube nicht, daß es vorteilhaft ist, wenn wir beide zusammen gesehen werden. Als wir gestern auf der Straße miteinander sprachen, sah ich, daß Mr. Morlay vorüberging, und ich bin fest davon überzeugt, daß er uns bemerkt hat.«

 

»Das halte ich auch für wahrscheinlich«, lächelte Julian. »Aber er weiß sowieso, daß ich Nachforschungen anstelle.«

 

Mr. Martin war neugierig; das gehörte zu seinem Beruf.

 

»Entschuldigen Sie, aber Sie haben mir noch wenig über Ihre Absichten mitgeteilt. Was wollen Sie eigentlich herausfinden? Meine Aufgabe würde mir bedeutend leichter fallen, wenn ich wüßte, worauf Sie hinaus wollen …«

 

»Sie wünschen, daß ich Sie ganz ins Vertrauen ziehe?«

 

»Ich weiß nicht, was die Frau Ihrer Meinung nach getan haben soll. Bisher konnte ich nur entdecken, daß sie ihre Wertsachen in einem Holzkasten unter ihrem Bett verwahrt, und das ist doch dem Gesetz nach keine strafbare Handlung.«

 

»Nein, das nicht. Ich will Ihnen also vertraulich etwas mitteilen, Martin. Ich habe allen Grund zu der Annahme, daß diese Frau wichtige Tatsachen verheimlicht, die eine junge Dame betreffen – ich meine die Gräfin Marie Fioli. Diese junge Dame besitzt vermutlich ein großes Vermögen, weiß aber selbst nichts davon. Es ist jedoch unbedingt notwendig für mich, daß ich genau über ihre finanzielle Lage unterrichtet werde.«

 

Martin verstand nun.

 

»Das ist also der Kernpunkt der ganzen Sache. Aus gewissen Gründen kann ich es mir nicht leisten, Nachforschungen auf dem gewöhnlichen, langsamen Weg zu betreiben. Ich muß schnell zu einer Entscheidung kommen …«

 

»Ich begreife. Sie wollen wissen, ob sich noch ein anderer um sie bewirbt, dem es nicht darauf ankommt, ob sie Vermögen besitzt oder nicht.«

 

Diese Bemerkung war an sich eine Taktlosigkeit, aber Julian fühlte sich dadurch nicht beleidigt. Er hatte zwar nicht gern mit Privatdetektiven zu tun, aber die Lage war kritisch, und er war deshalb bereit, für zuverlässige Nachrichten viel Geld auszugeben. Es konnte sich ja hier eine günstige Gelegenheit für ihn ergeben, wie sie sich in seinem ganzen Leben nicht wieder bieten würde. Abgesehen von seinen vielen Verfehlungen war er kein allzu schlechter, aber auch kein besonders guter Charakter.

 

Er liebte Marie so sehr, als es ihm seiner Veranlagung nach möglich war, und wenn er sie geheiratet hätte, wäre er sicher freundlich und liebevoll zu ihr gewesen und hätte ihre Interessen mit der größten Ehrlichkeit wahrgenommen.

 

Er schickte Martin fort und gab ihm eine kleine Summe als Anzahlung auf eine spätere Sonderbelohnung. Dann ging er in sein Schlafzimmer, brachte seine Frisur in Ordnung, knüpfte die Krawatte neu und betrachtete sich kritisch in dem großen Spiegel. Marie war in der Stadt, und er mußte vor allem den guten Eindruck, den er auf sie gemacht hatte, aufrechterhalten.

 

Auf dem Weg nach Pimlico dachte er darüber nach, ob er tatsächlich mit seiner Vermutung recht hatte, daß sich Morlay in das schöne Mädchen verliebt hatte. Er hielt es eigentlich kaum für möglich, daß sich Leute in altmodischer Weise ineinander verlieben konnten, und John war seiner Meinung nach kein Mann, der sich ohne weiteres in ein schönes Gesicht vergaffte. Das Vermögen Marie Fiolis bedeutete nichts für Morlay, davon war Julian fest überzeugt. John war sehr wohlhabend; er hatte ein großes Vermögen von seinem Vater geerbt und bezog außerdem glänzende Einnahmen aus seinem gutgehenden Geschäft.

 

Julian schob die Möglichkeit ohne weiteres beiseite. Als er den Laden in der Penton Street erreichte, fand er Herman, der noch ganz aufgeregt von der Auseinandersetzung mit Martin war. Aber Julian lächelte er freundlich zu.

 

»Nein, Mrs. Carawood ist nicht zu Hause.«

 

»Ist sie nach Ascot gefahren, um die Contessa Fioli abzuholen?«

 

»Nein, Mr. Morlay ist hingefahren, um Mylady herzubringen. Er ist mit ihr engagiert.«

 

»Was, er ist mit ihr engagiert? Meinen Sie Mr. John Morlay?«

 

Herman nickte heftig.

 

»Ja, ein sehr netter Herr.«

 

»Aber wie in aller Welt ist das möglich …«, begann Julian, dann schwieg er.

 

Sollte der Junge meinen, daß Marie mit Morlay verlobt war? John hatte doch den Eindruck gemacht, als ob er sich für das junge Mädchen überhaupt nicht interessierte! Er hatte von Marie wie von einem Kind gesprochen.

 

»Wollen Sie damit sagen, daß Mr. Morlay mit der Gräfin verlobt ist und sie heiraten will?«.

 

Herman lachte.

 

»Nein, er ist doch engagiert, damit er auf sie aufpassen soll.«

 

Nun mußte Julian laut auflachen.

 

Wenn Herman auch nicht über Mrs. Carawood sprechen wollte, so erzählte er doch um so mehr von Contessa Fioli. In diesem Punkt konnte man ihn ausholen.

 

»Ob ich die Contessa Fioli kenne? Selbstverständlich kenne ich sie! Mrs. Carawood hat sie doch hier in diesem Haus erzogen, als ich noch ein Kind war. Damals war ich hier Laufbursche und mußte die kleinen Aufträge erledigen. Mrs. Carawood hatte in jener Zeit noch nicht all die verschiedenen Läden.«

 

Julian hätte gern gewußt, welche Pläne für Maries Leben hier in der Stadt bestanden, und fragte danach.

 

»Contessa Fioli wird eine eigene Wohnung haben, ebenso ein eigenes Mädchen und eigene Dienerschaft. Aber sie wird wohl auch häufig hierherkommen, wenn sie in der Stadt ist.«

 

»Ist sie eigentlich sehr reich?« fragte Julian gleichgültig.

 

Herman runzelte die Stirn.

 

»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber ich würde es nicht verstehen, wenn eine Gräfin nicht reich wäre!«

 

In diesem Augenblick trat Mrs. Carawood in den Laden. Sie sah hübsch und jugendlich aus mit einem neuen Hut und einem dunkelgrünen Mantel, den sie aber sofort ablegte. Hier in dieser Umgebung erschien sie Julian natürlicher als auf dem Landsitz in Ascot. Sie war eine Frau aus dem Volk; um das festzustellen, brauchte er keine großen Nachforschungen vorzunehmen. Das konnte man deutlich erkennen und auch an ihrem Akzent hören. Sie sprach eine ziemlich unverfälschte Londoner Mundart.

 

»Guten Morgen, Mr. Lester«, sagte sie und sah ihn fragend an. »Sind Sie gekommen, um mit Marie wegen des Rings zu sprechen? Der wurde wieder zurückgeschickt.«

 

»Das weiß ich schon«, erwiderte Julian. »Ich wollte mit Marie nur so ein wenig plaudern.« Sie sah ihn argwöhnisch von der Seite an.

 

»Auch mit Ihnen wollte ich mich gern einmal unterhalten über Marie. Ich habe mir die Sache heute morgen überlegt und sagte mir, daß es vielleicht am besten sei, Ihnen mitzuteilen, was ich für Contessa Fioli empfinde. Was wollen Sie nun mit der jungen Dame tun, nachdem sie die Schule verlassen hat?«

 

Sie sah ihn immer noch halb abweisend, halb zweifelnd an.

 

»Was ich mit ihr tun werde? Ich kann doch Mylady höchstens einen Rat geben! Sie ist nun erwachsen und kann machen, was sie will. Das sollte Ihnen doch klar sein. Es ist jetzt anders, nachdem sie eine junge Dame ist. Und junge Damen nehmen nicht gern den Rat ihrer alten Erzieherinnen an.«

 

»Aber wenn sie nun auf Ihren Rat hörte – was würden Sie ihr dann sagen?«

 

»Ich würde ihr den Rat geben, jemanden zu heiraten, den sie liebt, und nicht jemanden, der auf ihr Vermögen aus ist.«

 

Sie hatte ihm eine günstige Gelegenheit gegeben, die er nicht ungenützt vorübergehen lassen wollte.

 

»Aber wie können Leute hinter ihrem Vermögen her sein? Es weiß doch überhaupt niemand, ob sie Geld hat.«

 

»Ich weiß es.«

 

»Vielleicht sind es ein paar tausend Pfund«, sagte er aufs Geratewohl. »Aber das würde doch kaum einen Mitgiftjäger reizen.«

 

»Es ist gleich, ob sie viel oder wenig hat. Sie wird den rechten Mann heiraten«, erklärte Mrs. Carawood kategorisch. »Ich glaube, ich habe Ihnen das auch schon in Ascot gesagt, Mr. Lester. Der rechte Mann, der sie schätzt und liebt, will nicht genau wissen, wieviel Vermögen sie geerbt hat. Und jetzt habe ich keine Zeit mehr. Sie müssen mich entschuldigen …«

 

Mit diesen Worten verabschiedete sie sich von Julian, der darüber nicht unzufrieden war.

 

*

 

Kapitel 16

 

16

 

Es war nicht leicht, mit Mrs. Carawood zu verhandeln. Sie nahm keine Geschenke oder Gefälligkeiten an; sie führte ihr Geschäft rücksichtslos und stand bei den Grossisten Londons in dem Ruf, gute kaufmännische Begabung zu besitzen.

 

»Ist Mr. Fenner gegangen?« fragte sie, als Julian verschwunden war.

 

»Nein, der ist noch unten im Hof und arbeitet an der Tür.«

 

»Um Gottes willen! Er hat ja soviel Zeit dazu gebraucht, daß er inzwischen ein Haus hätte bauen können!« erklärte Mrs. Carawood.

 

Nachdem Herman ihn gerufen hatte, erschien Mr. Fenner selbst auf der Bildfläche.

 

»Haben Sie die Tür repariert?«

 

»Jawohl, Mrs. Carawood, ich bin eben damit fertig geworden und habe sie wieder eingehängt.«

 

»Das ist gut.« Sie schloß eine Schublade ihres Schreibtisches auf und nahm eine kleine Kassette heraus. »Wieviel habe ich Ihnen für Ihre Mühe zu zahlen? Was berechnen Sie mir dafür?«

 

Mr. Fenner schloß die Augen.

 

»Sie meinen dafür, daß ich die Tür repariert habe?« fragte er beleidigt. »Ich habe doch nur sozusagen mit dem Pinsel ein wenig Politur nachgestrichen.«

 

»Aber Fenner, seien Sie doch vernünftig. Wenn Sie es nicht gemacht hätten, dann hätte ich doch einem andern den Auftrag geben und ihn bezahlen müssen. Und ich will meine Freunde nicht ausnützen. Sagen Sie es schnell, damit wir die Sache erledigt haben. Contessa Fioli kann jeden Augenblick kommen.«

 

»Wozu hat man denn Freunde?« deklamierte Mr. Fenner mit dem Pathos eines Volksredners. »Doch nur dazu, daß sie einem helfen sollen, wenn man in Not ist.«

 

Er zeigte mit der Hand auf die hölzerne Zwischenwand, hinter der Mrs. Carawood gewöhnlich saß.

 

»Halten Sie es nicht für besser, daß ich dort hinten einen kleinen Raum einrichte statt dieser halbhohen Trennungswand?«

 

Sie legte mit einem Seufzer die Feder beiseite.

 

»Fenner, glauben Sie denn, daß ich Sie umsonst für mich arbeiten lassen würde? Herman!«

 

Der junge Mann trat in den Laden.

 

»Mrs. Carawood hat Sie gerufen«, erklärte Fenner hilfsbereit.

 

»Mylady kommt heute zurück, Mr. Fenner«, entgegnete Herman nach einem Blick auf seine Chefin.

 

»Ach, ich wünschte, sie wäre nicht adlig. Diese schrecklichen Klassenunterschiede!« Als ihn ein mißbilligender Blick von Mrs. Carawood traf, fuhr er fort: »Die Menschen sind doch alle gleich geboren. War etwa Adam ein Lord oder Eva eine Herzogin?«

 

Nun wurde es Mrs. Carawood zuviel, und sie unterbrach ihn.

 

»Wenn Sie weiter solchen Unsinn reden, werfe ich Ihnen noch etwas an den Kopf, Fenner! Warum sollte denn die Gräfin Fioli ihren Titel aufgeben? Sie wurde doch damit geboren! Das wäre genauso, als ob ich von Ihnen verlangen würde, Sie sollten Ihre Zunge nicht mehr gebrauchen. Auf jeden Fall ist Ihre Anwesenheit hier im Laden überflüssig, wenn Mylady herkommt.«

 

Fenner ließ sich dadurch nicht beeindrucken und gab Herman ein Zeichen. Der junge Mann verließ den Laden, weil er den Eindruck hatte, daß Mr. Fenner über Geldangelegenheiten reden wollte.

 

»Was fällt Ihnen ein, daß Sie Herman hinausschicken?«

 

»Es handelt sich um eine rein persönliche Angelegenheit«, sagt Fenner heiser und setzte sich. »Mrs. Carawood, schon seit zehn Jahren kenne ich Sie –«

 

Sie hob warnend die Hand, aber er sprach trotzdem weiter.

 

»Ich muß es einmal sagen. Zehn Jahre kenne ich Sie nun, und während dieser ganzen langen Zeit bin ich nicht ein einziges Mal betrunken gewesen. Habe ich mich nicht tadellos aufgeführt? Ich bin immer zuverlässig und treu gewesen. Ihr Geld will ich nicht. Geld widert mich an … Übrigens habe ich auch selbst eine schöne Summe gespart.«

 

Sie erhob sich langsam und lächelte nachsichtig.

 

»Fenner, Sie sind kein schlechter Mensch, obwohl Sie viel zuviel reden. Aber beruhigen Sie sich, ich heirate nicht mehr.«

 

»Wenn ich das sagen darf – Sie sind doch noch jung, Mrs. Carawood, und Sie haben auch weiter keinen Anhang und keine Familie.«

 

»Ich will aber nicht. Es hat keinen Zweck. Ich habe Sie ganz gern, Sie sind ein aufrechter, anständiger Mann, aber heiraten nein.«

 

Er nahm verlegen ein Buch vom Schreibtisch und blätterte es durch. »Was ist dies hier?«

 

Sie wandte sich um und nahm ihm den Band schnell ab.

 

»Lassen Sie Dinge liegen, die Sie nichts angehen«, sagte sie scharf.

 

Aber Mr. Fenner hatte schon den Titel gelesen.

 

»Nur ein Ladenmädchen. Eine rührende Geschichte von Liebe und Opfermut. Sie lieben also diese Art Romane, Mrs. Carawood?«

 

»Die habe ich schon seit meiner frühen Jugend gelesen«, antwortete sie gereizt.

 

»Ich gebe ja zu, daß sie ganz nett geschrieben sind«, erwiderte er großzügig. »Aber sehen Sie, ich habe verschiedene Werke von Herbert Spencer und John Stuart Mill gelesen – das ist Philosophie! Sie sollten auch einmal diese großen und klaren Gedanken in sich aufnehmen. Aber so etwas lesen Sie ja für gewöhnlich nicht.«

 

»Nein. Und ich lese auch diese Romane nicht alle selbst. Herman hat sie so gern.«

 

Mr. Fenner war empört.

 

»Es ist etwas Entsetzliches, wenn man keine Erziehung hat! – Wie steht’s denn mit dieser jungen Dame, die war doch wohl auf einem College?«

 

»Ja.«

 

Kühn nahm er wieder ein Buch vom Tisch.

 

»›Die Versuchung der Herzogin.‹ Mrs. Carawood, Sie sind immer romantisch gewesen.«

 

Aber damit hatte er eine sehr empfindliche Stelle bei ihr getroffen.

 

»Ja, ich bin romantisch, und wenn man sich auch mit Geschäften abgeben muß, ist es doch eine Freude, sich in der Phantasie Marmorhallen und Paläste vorzustellen.«

 

»Ich verstehe«, sagte Fenner. »Deshalb gehen die Leute auch soviel ins Kino.«

 

Sie nahm ihn an den Schultern und schob ihn in die Mitte des Zimmers.

 

»Fenner, ich sehe Sie ja von Zeit zu Zeit gern, aber haben Sie denn überhaupt nichts zu arbeiten? Sie verschwenden hier Ihre Zeit, und ich hasse es, wenn jemand das tut.«

 

Und nun gab er eine gewundene Erklärung ab. Sein Chef war krank. Mrs. Carawood kannte den alten Mann; er hatte eine Tischlerwerkstatt in der Penton Street und war ein etwas griesgrämiger Herr mit einer scharfen Zunge.

 

»Ich habe die ganzen sechzehn Jahre bei ihm gearbeitet, und es kommt mir so einsam und trostlos vor, wenn ich in die Werkstatt gehen soll und er nicht dort ist …«

 

Sie hörte nicht mehr auf ihn, denn Marie kam gerade zur Tür herein.

 

*

 

Kapitel 17

 

17

 

John Morlay hatte sich hingesetzt und dachte über sich und seine Probleme nach. Seit drei Tagen war die Ausübung seiner Pflicht ziemlich leicht gewesen. Mrs. Carawood hatte ihn nicht angeläutet, seine Anwesenheit war also offensichtlich nicht gewünscht worden. Ein normaler Mann hätte eine solche Ruhepause begrüßt, besonders wenn er wie Mr. Morlay viel zu tun gehabt hätte. Es mußten Besprechungen mit Kunden abgehalten, Bilanzen durchgesehen, unehrliche Kassierer verfolgt werden.

 

Aber Morlay ärgerte sich darüber. Sooft das Telefon klingelte, schlug sein Herz schneller. Er hatte einen glücklichen Abend mit Marie verbracht, als er mit ihr ins Theater gegangen war. Wie das Stück eigentlich hieß und was auf der Bühne gespielt wurde, wußte er allerdings nicht.

 

Das Schlimmste aber war, daß er zu den ungewöhnlichsten Stunden die Penton Street entlangwanderte. Einmal war er sogar um fünf Uhr morgens unter ihrem Fenster vorübergegangen. Und immer hatte er eine Entschuldigung für solche Extravaganzen. Vor langer Zeit hatte sein Doktor ihm einmal geraten, morgens vor dem Frühstück einen Spaziergang zu machen. Aber das war kein Grund dafür, sich nachts auf die gegenüberliegende Seite der Straße zu stellen und nach dem Licht in Maries Fenster zu sehen, wie das in der zweiten Nacht nach der Rückkehr von Ascot geschehen war. Was hätten wohl all seine ehrsamen Vorfahren gesagt, wenn sie das gewußt hätten! Das waren Leute gewesen, deren Liebesangelegenheiten sich in gewohnten Bahnen abgespielt hatten.

 

Er hätte sich auch nicht vorstellen können, daß Onkel Percival oder Onkel Jackson im Mondlicht vor einem Laden spazierengingen, in dem alte Kleider verkauft wurden.

 

Dreimal hatte er Mrs. Carawood besucht, in der Hoffnung, Marie Fioli zu sehen. Aber er hatte Pech, jedesmal war das junge Mädchen ausgegangen. Einmal war sie im Konzert, einmal mit Julian Lester bei einer befreundeten Familie zum Tee. Morlay begann Julian mit einer Leidenschaft zu hassen, die er selbst nicht begreifen konnte.

 

Und nun saß er da, stützte den Kopf in die Hände und ließ die Arbeit liegen. Nach einer Weile störte ihn ein Angestellter und meldete einen Besucher an.

 

»Was, ein Mönch?« fragte John überrascht. »Was will der denn? Lassen Sie ihn herein.«

 

Als der Fremde eintrat, kam John Morlay der Gedanke, daß er diesem Mönch mit dem langwallenden grauen Bart schon irgendwo begegnet sein mußte. Der Mann trug eine braune Kutte und einen härenen Strick als Gürtel, ging barhäuptig und hatte Sandalen an den Füßen. Plötzlich fiel Morlay ein, wo er ihn schon gesehen hatte.

 

»Ach, Pater Benito!« sagte er und reichte ihm die Hand.

 

»Nun, ich scheine ja sehr bekannt zu sein«, entgegnete der Pater trocken. »Nein, danke, Mr. Morlay, ich möchte mich nicht setzen. Vielleicht gestatten Sie, daß ich auf und ab gehe, ich bin nämlich etwas nervös. Aber ich verspreche Ihnen, Sie nicht zu lange aufzuhalten.«

 

Pater Benito war ein Franziskaner, dessen Predigten großes Aufsehen erregt hatten. Viele Leute waren in der Franziskanerkirche in Mayfair zusammengeströmt, und seine Angriffe auf gewisse Kreise der Gesellschaft hatten ihn sogar berühmt gemacht. John sprach mit ihm darüber. Der Pater verzog das Gesicht und lachte dann schalkhaft.

 

»In dieser Welt des Scheins und Trugs fällt ein Mann auf, der es offen und ehrlich meint. Aber bevor ich weiter mit Ihnen rede, Mr. Morlay, möchte ich Ihnen erklären, daß ich nicht in einer Angelegenheit meines Ordens zu Ihnen gekommen bin, sondern in einer rein persönlichen Sache. Ich unterhielt mich gestern mit einem Bekannten, und der sagte mir, daß ich mich an Sie wenden sollte, da Sie mir sicher den besten Rat geben könnten.«

 

»Ich habe niemals erwartet, einen Franziskaner unter meinen Kunden zu finden«, sagte John lächelnd.

 

Einen Augenblick schwieg der Pater, dann stellte er eine Frage, die John Morlay aufs höchste überraschte.

 

»Kennen Sie die Gräfin Marie Fioli?«

 

»Ja, sogar sehr gut.«

 

»Kennen Sie auch Mrs. Carawood, ihre Erzieherin?«

 

John nickte und wunderte sich noch mehr.

 

Pater Benito dachte eine Weile nach.

 

»Es handelt sich um eine sehr diskrete Angelegenheit. Ich stehe zwar in der Welt, gehöre ihr aber nicht an. Dinge, die für einen gewöhnlichen Menschen von höchster Wichtigkeit sind, haben für mich kein Interesse. Trotzdem entbinden mich meine kirchlichen Gelübde nicht von gewissen Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber. Ich bin besorgt, ja ich möchte sagen bestürzt, und zwar mehr, als ich es für möglich hielt …«

 

»Bezieht sich das auf die Gräfin?«

 

»Ja, in gewisser Weise«, entgegnete Pater Benito nach einer kurzen Pause und erzählte dann John Morlay eine längere Geschichte, die diesen maßlos verblüffte, ja erschreckte.

 

»Ist das Ihr Ernst?«

 

Pater Benito nickte.

 

»Es klingt unmöglich! Und doch muß ich Ihnen die Geschichte glauben.«

 

Pater Benito setzte sich nun doch und sprach eine halbe Stunde lang auf John Morlay ein. Schließlich war die Unterredung zu Ende, und John begleitete seinen Besucher bis zur Tür.

 

»Ich lege die Untersuchung der Angelegenheit vollkommen in Ihre Hände«, sagte der Pater, als er sich verabschiedete. »Und ich bin froh, daß ich es Ihnen gesagt habe, um so mehr, als ich fühle, daß die Interessen des jungen Mädchens in jeder Weise von Ihnen gewahrt werden. Das wäre nämlich meine größte Sorge.«

 

Den ganzen Nachmittag dachte John Morlay über das neue Problem nach. Endlich kam er zu dem Entschluß, Marie unter allen Umständen zu retten, was auch sonst geschehen mochte.

 

Er war noch tief in Gedanken versunken, als das Telefon klingelte und eine muntere Stimme ihn anrief.

 

»Nun, mein lieber Schutzengel? Ich möchte Sie bitten, mich zum Tee einzuladen.«

 

Er eilte die Treppe hinunter, um ihrer Aufforderung zu folgen.

 

*

 

Kapitel 18

 

18

 

Mr. Fenner fühlte sich nicht recht wohl. Eines Nachmittags sprach er in dem Laden in der Penton Street vor und erzählte, daß es seinem Arbeitsherrn nicht gut gehe. In den letzten Tagen waren die Kräfte des Mannes mehr und mehr geschwunden, aber trotzdem besaß er noch einen gewaltigen Lebenswillen und verhältnismäßig viel Ausdauer und Kraft.

 

»Alles im Leben erreicht seinen Höhepunkt und kommt zu einem Ende«, erklärte Mr. Fenner düster. »Wenn der alte Mann stirbt, muß ich mir eine neue Stelle suchen. Ich könnte es nicht übers Herz bringen, länger in dem Geschäft zu arbeiten, wenn er das Zeitliche segnet. Das Leben ist augenblicklich sehr hart für mich, Herman«, sagte er und nahm auf einem Stuhl Platz.

 

»Hier haben Sie ein Kissen, dann sitzen Sie weicher«, erwiderte der junge Mann, der Mitleid mit ihm hatte.

 

Mr. Fenner betrachtete sich in dem großen Spiegel, dem er gegenübersaß.

 

»Herman, halten Sie mich eigentlich für einen hübschen Mann?« fragte er dann nachdenklich.

 

»Ich soll Ihr Aussehen beurteilen?« erwiderte Herman skeptisch.

 

»Ja, Sie sollen mir sagen, ob ich noch gut aussehe.«

 

Herman sah ihn kritisch von der Seite an.

 

»Wollen Sie mich etwa auf den Arm nehmen?«

 

»Nein, ich frage ganz im Ernst«, entgegnete Fenner mit rauher Stimme.

 

Herman schüttelte den Kopf.

 

»Ich weiß nicht, aber ich habe niemals gefunden, daß Sie so besonders gut aussehen – ich meine vor allem Ihr Gesicht.«

 

»Nun, darauf kommt es gerade an«, entgegnete Fenner kurz und ärgerlich. »Würden Sie dann vielleicht sagen«, fuhr er jedoch in sanfterem Ton fort, »daß ich intelligent aussehe?«

 

»Was ist das?« fragte Herman.

 

»Sehe ich so aus, als ob ich sehr klug wäre?«

 

Herman wußte sich nicht recht zu helfen. Er sagte schließlich, daß er keine Ahnung habe, wie kluge Leute aussähen.

 

Es fiel Mr. Fenner schwer, seinen Mißmut zu unterdrücken.

 

»Aber Herman, Sie haben doch schon Illustrierte angesehen. Da müssen Sie doch wissen, wie intelligente Leute aussehen.«

 

»Ich betrachte mir nur die großen Verbrecher und Mörder, die anderen interessieren mich nicht. Mr. Fenner, wissen Sie, ich könnte tatsächlich einen Mord begehen, ob Sie es glauben oder nicht! Wenn jemand Mrs. Carawood etwas zuleide täte, würde ich ihn glatt umbringen. Und dann würde ich dabeistehen und zusehen, wie er stirbt!

 

Mr. Fenner lief eine Gänsehaut den Rücken hinunter.

 

»Wenn es darauf ankäme, würden Sie es doch nicht tun. Das dürften Sie ja auch gar nicht«, sagte er, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte. »Ich muß sagen, daß ich Mrs. Carawood auch sehr gern habe, aber …«

 

»Oder wenn jemand der jungen Gräfin etwas täte. Die haben Sie doch auch sehr gern?«

 

Fenner mußte erst überlegen. Bei dem jungen Mädchen war es doch anders: Für Marie Fioli hatte er nicht soviel übrig.

 

Die beiden wurden gleich darauf in ihrer Unterhaltung gestört. Die Tür öffnete sich langsam: Ein tadellos gekleideter junger Mann trat in den Laden und nickte der Verkäuferin lächelnd zu. Julian Lester war zu einem Entschluß gekommen.

 

Das Auftauchen Johns gefährdete seinen Plan. Wenn er sich schon vor einer Woche schnell über den Vermögensstand Maries informieren wollte, so war die Sache jetzt noch eiliger für ihn geworden. Die letzten Bemerkungen des jungen Mädchens hatten ihm gezeigt, daß John Eindruck auf sie gemacht hatte.

 

Kurz drauf erschien auch Mrs. Carawood im Laden; sie hatte vom Wohnzimmer aus gesehen, daß Julian aus einem Taxi stieg. Mr. Fenner beobachtete die beiden eifersüchtig.

 

»Wer ist denn eigentlich dieser Fatzke?« fragte er Herman aufgeregt. »Er scheint ja mit Mrs. Carawood sehr vertraut zu sein!«

 

Julian hatte natürlich keine Ahnung, was der Mann von ihm dachte, und nahm auch nicht die geringste Notiz von ihm. Er ging sofort auf sein Ziel los.

 

»Nein, Marie ist nicht hier, Mr. Lester. Sie ist mit Mr. Morlay ausgegangen.«

 

»So?« Er strich nachdenklich den Schnurrbart. »In letzter Zeit bekomme ich sie recht wenig zu sehen.«

 

»Sie scheinen sich ja sehr für sie zu interessieren«, erwiderte Mrs. Carawood und sah ihn kühl an.

 

»Selbstverständlich interessiere ich mich für sie. Sie ist doch eine romantische Erscheinung.«

 

»Ich wüßte nicht …«, begann Mrs. Carawood.

 

»Aber selbstverständlich ist sie romantisch«, entgegnete Julian überzeugt und lauter, als notwendig gewesen wäre. »Es ist doch zum Beispiel schon romantisch, daß sie als Mitglied einer großen, altitalienischen Adelsfamilie von einer Engländerin erzogen wurde, die sowohl ihre Amme als auch ihre Pflegerin war. Wenn ich recht verstanden habe, ist sie doch seit ihrer frühesten Kindheit in Ihrer Obhut gewesen?«

 

»Ja, das stimmt.«

 

»Und ihre Mutter hat Sie zu ihrer Pflegerin gemacht?«

 

Sie merkte, daß er aufs Ganze ging, und erschrak. Sie hatte ihn immer freundlich behandelt, in der Voraussetzung, daß er ihr helfen würde, wenn es darauf ankam. Daß er einmal die freundliche Maske fallen lassen könnte, war ihr undenkbar erschienen. Aber Julian war im Augenblick alles gleich.

 

»Marie hat sich in der letzten Zeit sehr merkwürdig gegen mich verhalten. Ich weiß nicht, ob man mich ins schlechte Licht bei ihr gesetzt hat oder ob etwas geschehen ist, wovon ich nichts weiß. Deshalb bin ich jetzt direkt zu Ihnen gekommen. Sind Sie nun also ihre Pflegerin oder ihr Vormund?«

 

Sein Ton klang unfreundlich und hart, als ob er ein Staatsanwalt wäre, der einen Angeklagten ausfragt.

 

»Ihre Mutter hat mich zu Ihrem Vormund gemacht«, erwiderte sie langsam und entschlossen.

 

»Dann haben Sie doch sicher ein Dokument, ein Schriftstück darüber – und sicher hat die Gräfin auch ein Testament hinterlassen?«

 

Mrs. Carawood antwortete nicht.

 

»Sicher haben Sie doch mindestens eine Kopie von dem letzten Willen ihrer Mutter?«

 

»Ich habe keine Kopie«, sagte sie schließlich, als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte. »Dokumente und Papiere besitze ich nicht. Sie gab die Tochter in meine Obhut und bat mich, für sie zu sorgen, weil sie keine anderen Verwandten auf der Welt hatte.«

 

Er bemerkte, daß sie plötzlich über die Schulter schaute. Im nächsten Augenblick eilte sie an ihm vorbei und öffnete die Tür für Marie. Das junge Mädchen lachte herzlich. John Morlay folgte ihr in den Laden. Er schien die Ursache ihrer Heiterkeit zu sein, denn er trug eine große Puppe im Arm und sagte, daß das eine weitere Zierde der Villa in Ascot sein würde.

 

Julian beobachtete die beiden und folgte aufmerksam ihrer Unterhaltung. Sie waren bei einem Tanztee gewesen, und Marie beteuerte, daß John ausgezeichnet tanze. Die Puppe war ihr von dem Vorstand des Klubs geschenkt worden. Es war nicht die Gelegenheit, große Enthüllungen zu machen, und ein anderer, der nicht ein so dickes Fell gehabt hätte wie Julian Lester, würde die Auseinandersetzung sicher verschoben haben. Aber er hielt es für seine Pflicht, zu sprechen. Er glaubte, daß man schlecht über ihn geredet hatte, und machte dafür Mrs. Carawood verantwortlich. Marie trat auf ihn zu.

 

»Julian, ich habe Sie ja tagelang nicht gesehen!«

 

Sie war offen und freundlich zu ihm.

 

»Es scheint schon Jahre her zu sein«, entgegnete er und drückte lächelnd ihre Hand. »Wo haben Sie den Ring?«

 

Sie warf den Kopf zurück.

 

»In Ascot.«

 

»Hat er Ihnen gefallen?«

 

»Ich habe Ihnen doch einen Brief geschrieben und darin alles gesagt.«

 

Julian sah auf die Puppe.

 

»Was würden Ihre Vorfahren zu dergleichen sagen!« meinte er ironisch zu John gewandt. »Die werden sich noch in ihren Gräbern umdrehen.«

 

»Der letzte meiner Vorfahren wurde verbrannt, also kann er sich nicht im Grab umdrehen«, entgegnete John leichthin, nahm Julian beim Arm und ging mit ihm in eine ruhige Ecke. »Vor einer Woche wollten Sie mich beauftragen, Auskünfte für Sie einzuholen. Ich sehe, daß Sie jetzt einen anderen Mann für diesen Zweck gefunden haben.«

 

»Wie meinen Sie das?« fragte Julian und hob erstaunt die Augenbrauen.

 

»Gestern habe ich Sie in der Oxford Street gesehen. Sie sprachen mit dem Privatdetektiv Martin.«

 

Julian Lester lachte.

 

»Aber John, Sie sind ja wirklich ein guter Detektiv!«

 

»Ich möchte Ihnen nur eins sagen«, erklärte John und wählte sorgsam die Worte. »Mir scheint Ihr Interesse für Mrs. Carawood und Marie doch die Grenzen des Anstands zu –«

 

Julian unterbrach ihn. »Zu überschreiten? Sie halten das für unverschämt?«

 

»Nein, so harte Worte wollte ich nicht gebrauchen. Ich bin immer etwas geradeheraus und sage den Leuten genau, was ich denke. Was wollen Sie denn eigentlich herausbekommen, wenn Sie Detektive zur Beobachtung von Mrs. Carawood engagieren?«

 

»Ich will ganz offen mit Ihnen sein«, sagte Julian und sah sich um. Aber Marie war mit Mrs. Carawood hinter die hölzerne Trennwand getreten und konnte nicht hören, was sie sprachen. »Ich bin darauf gefaßt, von dem Auskunftsbüro die Mitteilung zu bekommen, daß Mrs. Carawood um große Summen betrogen worden ist – oder daß sie selbst ein Vermögen betrügerischerweise beiseite gebracht oder wenigstens große Teile davon unterschlagen hat. Ich habe die Register in Somerset House nach dem Testament durchsucht, aber ich konnte es nicht finden. Die Fiolis hatten einen exzentrischen Charakter, sie verloren eine große Summe bei einem Bankenzusammenbruch vor etwa fünfzig Jahren, und seit der Zeit war bekannt, daß sie allen Banken mißtrauten und ihr Geld in bar aufbewahrten. Ich nehme deshalb an, daß Maries Mutter vor ihrem Tode Mrs. Carawood eine große Summe aushändigte. Ich will durch meine Erkundigungen nur feststellen, wo dieses Geld aufbewahrt wird und wie groß das Vermögen ist. Und im Anschluß daran habe ich die Absicht, Mrs. Carawood zu zwingen, sich über ihre Funktion als Vormund auszuweisen.«

 

John nickte nachdenklich.

 

»Ist das denn im Augenblick notwendig? Glauben Sie denn, daß Marie überhaupt noch einen Heiratsantrag von Ihnen annimmt, wenn Sie sich ihr jetzt erklären?«

 

Julian wurde durch diese Frage etwas, außer Fassung gebracht.

 

»Ich möchte dagegen fragen: Meinen Sie denn, daß Sie mehr Glück hätten als ich?« erwiderte er grob. »Soll die ganze Sache darauf hinauslaufen, daß Sie glauben, mich bei ihr in den Schatten gestellt zu haben? Vielleicht haben Sie mit dieser Annahme nicht unrecht, aber selbst wenn es so wäre, lasse ich mich doch von meinem Vorhaben nicht abbringen. Unter diesen Umständen könnten Sie mich als einen Mann betrachten, der kein weiteres persönliches Interesse an der Aufklärung der Verhältnisse hat, sondern auch nur für Marie arbeitet – wären Sie mit dieser Wendung einverstanden?«

 

John schüttelte den Kopf.

 

»Nein, davon bin ich nicht überzeugt.« Julian lachte.

 

»Trotzdem werde ich im Interesse Maries handeln und deshalb mit allem Nachdruck darauf dringen, die Wahrheit herauszubekommen.«

 

»Und wie wollen Sie denn die Wahrheit herausbringen?«

 

Herman kam in dem Augenblick mit einem großen schwarzen Holzkasten in den Laden und setzte ihn auf den Tisch. Julian war sprachlos, denn er erkannte ihn nach der Beschreibung, vor allem an den beiden Schlössern.

 

*