Von dem Tode des Hühnchens

Gebrüder Grimm

Von dem Tode des Hühnchens

Auf eine Zeit ging das Hühnchen mit dem Hähnchen in den Nußberg, und sie machten miteinander aus, wer einen Nußkern fände, sollte ihn mit dem andern teilen. Nun fand das Hühnchen eine große große Nuß, sagte aber nichts davon und wollte den Kern allein essen. Der Kern war aber so dick, daß es ihn nicht hinunterschlucken konnte und er ihm im Hals stecken blieb, daß ihm angst wurde, es müßte ersticken. Da schrie das Hühnchen ‚Hähnchen, ich bitte dich lauf, was du kannst, und hol mir Wasser, sonst erstick ich.‘ Das Hähnchen lief, was es konnte, zum Brunnen und sprach ‚Born, du sollst mir Wasser geben; das Hühnchen liegt auf dem Nußberg, hat einen großen Nußkern geschluckt und will ersticken.‘ Der Brunnen antwortete ‚lauf erst hin zur Braut und laß dir rote Seide geben.‘ Das Hähnchen lief zur Braut ‚Braut, du sollst mir rote Seide geben: rote Seide will ich dem Brunnen geben, der Brunnen soll mir Wasser geben, das Wasser will ich dem Hühnchen bringen, das liegt auf dem Nußberg, hat einen großen Nußkern geschluckt und will daran ersticken.‘ Die Braut antwortete ‚lauf erst und hol mir mein Kränzlein, das blieb an einer Weide hängen.‘ Da lief das Hähnchen zur Weide und zog das Kränzlein von dem Ast und brachte es der Braut, und die Braut gab ihm rote Seide dafür, die brachte es dem Brunnen, der gab ihm Wasser dafür. Da brachte das Hähnchen das Wasser zum Hühnchen, wie es aber hinkam, war dieweil das Hühnchen erstickt, und lag da tot und regte sich nicht. Da ward das Hähnchen so traurig, daß es laut schrie, und kamen alle Tiere und beklagten das Hühnchen; und sechs Mäuse bauten einen kleinen Wagen, das Hühnchen darin zum Grabe zu fahren; und als der Wagen fertig war, spannten sie sich davor, und das Hähnchen fuhr. Auf dem Wege aber kam der Fuchs ‚wo willst du hin, Hähnchen?‘ ‚Ich will mein Hühn chen begraben.‘ ‚Darf ich mitfahren?‘

‚Ja, aber setz dich hinten auf den Wagen, vorn könnens meine Pferdchen nicht vertragen.‘

Da setzte sich der Fuchs hintenauf, dann der Wolf, der Bär, der Hirsch, der Löwe und alle Tiere in dem Wald. So ging die Fahrt fort, da kamen sie an einen Bach. ‚Wie sollen wir nun hinüber?‘ sagte das Hähnchen. Da lag ein Strohhalm am Bach, der sagte ‚ich will mich quer darüberlegen, so könnt ihr über mich fahren.‘ Wie aber die sechs Mäuse auf die Brücke kamen, rutschte der Strohhalm aus und fiel ins Wasser, und die sechs Mäuse fielen alle hinein und ertranken. Da ging die Not von neuem an, und kam eine Kohle und sagte ‚ich bin groß genug, ich will mich darüberlegen, und ihr sollt über mich fahren.‘ Die Kohle legte sich auch an das Wasser, aber sie berührte es unglücklicherweise ein wenig, da zischte sie, verlöschte und war tot. Wie das ein Stein sah, erbarmte er sich und wollte dem Hähnchen helfen, und legte sich über das Wasser. Da zog nun das Hähnchen den Wagen selber, wie es ihn aber bald drüben hatte, und war mit dem toten Hühnchen auf dem Land und wollte die andern, die hintenauf saßen, auch heranziehen, da waren ihrer zuviel geworden, und der Wagen fiel zurück, und alles fiel miteinander in das Wasser und ertrank. Da war das Hähnchen noch allein mit dem toten Hühnchen, und grub ihm ein Grab und legte es hinein, und machte einen Hügel darüber, auf den setzte es sich und grämte sich so lang, bis es auch starb; und da war alles tot.

Von dem Mäuschen, Vögelchen und der Bratwurst

Gebrüder Grimm

Von dem Mäuschen, Vögelchen und der Bratwurst

Es waren einmal ein Mäuschen, ein Vögelchen und eine Bratwurst in Gesellschaft geraten, hatten einen Haushalt geführt, lange wohl und köstlich im Frieden gelebt, und trefflich an Gütern zugenommen. Des Vögelchens Arbeit war, daß es täglich im Wald fliegen und Holz beibringen müßte. Die Maus sollte Wasser tragen, Feuer anmachen und den Tisch decken, die Bratwurst aber sollte kochen.

Wem zu wohl ist, den gelüstet immer nach neuen Dingen! Also eines Tages stieß dem Vöglein unterwegs ein anderer Vogel auf, dem es seine treffliche Gelegenheit erzählte und rühmte. Derselbe andere Vogel schalt es aber einen armen Tropf, der große Arbeit, die beiden zu Haus aber gute Tage hätten. Denn, wenn die Maus ihr Feuer angemacht und Wasser getragen hatte, so begab sie sich in ihr Kämmerlein zur Ruhe, bis man sie hieß den Tisch decken. Das Würstlein blieb beim Hafen, sah zu, daß die Speise wohl kochte, und wenn es bald Essenszeit war, schlingte es sich ein mal viere durch den Brei oder das Gemüs, so war es geschmalzen, gesalzen und bereitet.

Kam dann das Vöglein heim und legte seine Bürde ab, so saßen sie zu Tisch, und nach gehabtem Mahl schliefen sie sich die Haut voll bis an den andern Morgen; und das war ein herrlich Leben.

Das Vöglein anderes Tages wollte aus Anstiftung nicht mehr ins Holz, sprechend, es wäre lang genug Knecht gewesen, und hätte gleichsam ihr Narr sein müssen, sie sollten einmal umwechseln und es auf eine andere Weise auch versuchen. Und wiewohl die Maus und auch die Bratwurst heftig dafür bat, so war der Vogel doch Meister: es mußte gewagt sein, spieleten derowegen, und kam das Los auf die Bratwurst, die mußte Holz tragen, die Maus ward Koch, und der Vogel sollte Wasser holen.

Was geschieht? das Bratwürstchen zog fort gen Holz, das Vöglein machte Feuer an, die Maus stellte den Topf zu, und erwarteten allein, bis Bratwürstchen heim käme und Holz für den andern Tag brächte. Es blieb aber das Würstlein so lang unterwegs, daß ihnen beiden nichts Gutes vorkam, und das Vöglein ein Stück Luft hinaus entgegenflog. Unfern aber findet es einen Hund am Weg, der das arme Bratwürstlein als freie Beut angetroffen, angepackt und niedergemacht. Das Vöglein beschwerte sich auch dessen als eines offenbaren Raubes sehr gegen den Hund, aber es half kein Wort, denn, sprach der Hund, er hätte falsche Briefe bei der Bratwurst gefunden, deswegen wäre sie ihm des Lebens verfallen gewesen.

Das Vöglein, traurig, nahm das Holz auf sich, flog heim und erzählte, was es gesehn und gehöret. Sie waren sehr betrübt, verglichen sich aber, das Beste zu tun und beisammen zu bleiben. Derowegen so deckte das Vöglein den Tisch und die Maus rüstete das Essen und wollte anrichten, und in den Hafen, wie zuvor das Würstlein, durch das Gemüs schlingen und schlupfen, dasselbe zu schmälzen: aber ehe sie in die Mitte kam, ward sie angehalten und mußte Haut und Haar und dabei das Leben lassen.

Als das Vöglein kam und wollte das Essen auftragen, da war kein Koch vorhanden. Das Vöglein warf bestürzt das Holz hin und her, rufte und suchte, konnte aber seinen Koch nicht mehr finden. Aus Unachtsamkeit kam das Feuer in das Holz, also daß eine Brunst entstand; das Vöglein eilte, Wasser zu langen, da entfiel ihm der Eimer in den Brunnen, und es mit hinab, daß es sich nicht mehr erholen konnte und da ersaufen mußte.

Von dem Machandelboom

Gebrüder Grimm

Von dem Machandelboom

Dat is nu all lang heer, wol ewe dusend Johr, do wöör dar en ryk Mann, de hadd ene schöne frame Fru, un se hadden sik beyde sehr leef, hadden awerst kene Kinner, se wünschden sik awerst sehr welke, un de Fru bedd,d so veel dorüm Dag un Nacht, man se kregen keen un kregen keen. Vör erem Huse wöör en Hof, dorup stünn en Machandelboom, ünner dem stunn de Fru eens im Winter un schelld sik enen Appel, un as se sik den Appel so schelld, so sneet se sik in,n Finger, un dat Blood feel in den Snee. ‚Ach,‘ säd de Fru, un süft,d so recht hoog up, un seg dat Blood vör sik an, un wöör so recht wehmödig, ‚hadd ik doch en Kind, so rood as Blood un so witt as Snee.‘ Un as se dat säd, so wurr ehr so recht fröhlich to Mode: ehr wöör recht, as schull dat wat warden. Do güng se to dem Huse, un,t güng een Maand hen, de Snee vorgüng: un twe Maand, do wöör dat gröön: und dre Maand, do kömen de Blömer uut der Eerd: un veer Maand, do drungen sik alle Bömer in dat Holt, un de grönen Twyge wören all in eenanner wussen: door süngen de Vögelkens, dat dae ganße Holt schalld, un de Blöiten felen von den Bömern: do wörr de fofte Maand wech, un se stünn ünner dem Machandelboom, de röök so schön, do sprüng ehr dat Hart vör Freuden, un se füll up ere Knee un kunn sik nich laten: un as de soste Maand vorby wöör, do wurren de Früchte dick un staark, do wurr se ganß still: un de söwde Maand, do greep se na den Machandelbeeren un eet se so nydsch, do wurr se trurig un krank: do güng de achte Maand hen, un se reep eren Mann un weend un säd ‚wenn ik staarw, so begraaf my ünner den Machandelboom.‘ Do wurr se ganß getrost, un freude sik, bet de neegte Maand vorby wöör, do kreeg se en Kind so witt as Snee un so rood as Blood, un as se dat seeg, so freude se sik so, dat se stürw.

Do begroof ehr Mann se ünner den Machandelboom, un he füng an to wenen so sehr: ene Tyd lang, do wurr dat wat sachter, un do he noch wat weend hadd, do hüll he up, un noch en Tyd, do nöhm he sik wedder ene Fru.

Mit de tweden Fru kreeg he ene Dochter, dat Kind awerst von der eersten Fru wöör en lüttje Sähn, un wöör so rood as Blood un so witt as Snee. Wenn de Fru ere Dochter so anseeg, so hadd se se so leef, awerst denn seeg se den lüttjen Jung an, un dat güng ehr so dorch,t Hart, un ehr düchd, as stünn he ehr allerwegen im Weg, un dachd denn man jümmer, wo se ehr Dochter all dat Vörmägent towenden wull, un de Böse gaf ehr dat in, dat se dem lüttjen Jung ganß gramm wurr un stödd em herüm von een Eck in de anner, un buffd em hier un knuffd em door, so dat dat aarme Kind jümmer in Angst wöör. Wenn he denn uut de School köhm, so hadd he kene ruhige Städ.

Eens wöör de Fru up de Kamer gaan, do köhm de lüttje Dochter ook herup un säd ‚Moder, gif my enen Appel.“Ja, myn Kind,‘ säd de Fru un gaf ehr enen schönen Appel uut der Kist; de Kist awerst hadd einen grooten sworen Deckel mit en

groot schaarp ysern Slott. ‚Moder,‘ säd de lüttje Dochter, ’schall Broder nich ook enen hebben?‘ Dat vördrööt de Fru, doch säd se ‚ja, wenn he uut de School kummt.‘ Un as se uut dat Fenster wohr wurr, dat he köhm, so wöör dat recht, as wenn de Böse äwer ehr köhm, un se grappst to un nöhm erer Dochter den Appel wedder wech und säd ‚du schalst nich ehr enen hebben as Broder.‘ Do smeet se den Appel in de Kist un maakd de Kist to: do köhm de lüttje Jung in de Döhr, do gaf ehr de Böse in, dat se fründlich to em säd ‚myn Sähn, wullt du enen Appel hebben?‘ un seeg em so hastig an. ‚Moder,‘ säd de lüttje Jung, ‚wat sühst du gräsig uut! ja, gif my enen Appel.‘ Do wöör ehr, as schull se em toreden. ‚Kumm mit my,‘ säd se un maakd den Deckel up, ‚hahl dy enen Appel heruut.‘ Un as sik de lüttje Jung henin bückd, so reet ehr de Böse, bratsch! slöögt se den Deckel to, dat de Kopp afflöög un ünner de roden Appel füll. Da äwerleep ehr dat in de Angst, un dachd ‚kunn ich dat von my bringen!‘ Da güng se bawen na ere Stuw na erem Draagkasten un hahl uut de bäwelste Schuuflad enen witten Dook, un sett,t den Kopp wedder up den Hals un bünd den Halsdook so üm, dat,n niks sehn kunn, un sett,t em vör de Döhr up enen Stohl un gaf em den Appel in de Hand.

Do köhm doorna Marleenken to erer Moder in de Kääk, de stünn by dem Führ un hadd enen Putt mit heet Water vör sik, den röhrd se jümmer üm. ‚Moder,‘ säd Marleenken, ‚Broder sitt vör de Döhr un süht ganz witt uut un hett enen Appel in de Hand, ik heb em beden, he schull my den Appel gewen, awerst he antwöörd my nich, do wurr my ganß grolich.‘ ‚Gah nochmaal hen,‘ säd de Moder, ‚un wenn he dy nich antworden will, so gif em eens an de Oren.‘ Da güng Marleenken hen und säd ‚Broder, gif my den Appel. Awerst he sweeg still. do gaf se em eens up de Oren, do feel de Kopp herünn, doräwer vörschrock se sik un füng an to wenen un to roren, un löp to erer Moder un säd ‚ach, Moder, ik hebb mynen Broder den Kopp afslagen,‘ un weend un weend un wull sik nich tofreden gewen. ‚Marleenken,‘ säd de Moder, ‚wat hest du dahn! awerst swyg man still, dat et keen Mensch markt, dat is nu doch nich to ännern; wy willen em in Suhr kaken.‘ Da nöhm de Moder den lüttjen Jung un hackd em in Stücken, ded de in den Putt un kaakd em in Suhr. Marleenken awerst stünn daarby un weend un weend, un de Tranen füllen all in den Put, un se bruukden gorr keen Solt.

Da köhm de Vader to Huus und sett,t sik to Disch un säd ‚wo is denn myn Sähn?‘ Da droog de Moder ene groote groote Schöttel up mit Swartsuhr, un Marleenken weend un kunn sich nich hollen. Do säd de Vader wedder ‚wo is denn myn Sähn?‘ ‚Ach,‘ säd de Moder, ‚he is äwer Land gaan, na Mütten erer Grootöhm: he wull door wat blywen.‘ ‚Wat dait he denn door? un heft my nich maal adjüüs sechd!‘ ‚O he wull geern hen un bed my, of he door wol sos Wäken blywen kunn; he is jo woll door uphawen.‘ ‚Ach,‘ säd de Mann, ‚my is so recht trurig, dat is doch nich recht, he hadd my doch adjüüs sagen schullt.‘ Mit des füng he an to äten und säd ‚Marleenken, wat weenst du? Broder wart wol wedder kamen.‘ ‚Ach, Fru,‘ säd he do, ‚wat smeckt my dat Äten schöön! Gif my mehr!‘ Un je mehr he eet, je mehr wull he hebben, un säd ‚geeft my mehr, gy schöhlt niks door af hebben, dat is, as wenn dat all myn wör.‘ Un he eet un eet, un de Knakens smeet he all ünner den Disch, bet he allens up hadd. Marleenken awerst güng hen na ere Kommod und nöhm ut de ünnerste Schuuf eren besten syden Dook, un hahl all de Beenkens und Knakens ünner den Disch heruut un bünd se in den syden Dook und droog se vör de Döhr un weend ere blödigen Tranen. Door läd se se ünner den Machandelboom in dat gröne Gras, un as se se door henlechd hadd, so war ehr mit eenmal so recht licht, un weend nich mer. Do füng de Machandelboom an sik to bewegen, un de Twyge deden sik jümmer so recht von eenanner, un denn wedder tohoop, so recht as wenn sik eener so recht freut un mit de Händ so dait. Mit des so güng dar so,n Newel von dem Boom, un recht in dem Newel, dar brennd dat as Führ, un uut dem Führ, dar flöög so’n schönen Vagel heruut, de süng so herrlich und flöög hoog in de Luft, un as he wech wöör, do wöör de Machand elboom, as he vörhen west wör, un de Dook mit de Knakens wöör wech. Marleenken awerst wöör so recht licht un vörgnöögt, recht as wenn de Broder noch leewd. Do güng se wedder ganß lustig in dat Huus by Disch un eet.

De Vagel awerst flöög wech un sett,t sik up enen Goldsmidt syn Huus un füng an to singen

‚mein Mutter, der mich schlacht,

mein Vater, der mich aß,

mein Schwester, der Marlenichen,

sucht alle meine Benichen,

bind’t sie in ein seiden Tuch‘

legts unter den Machandelbaum.

Kywitt, kywitt, wat vör,n schöön Vagel bün ik!‘

De Goldsmidt seet in syn Waarkstäd un maakd ene gollne Kede, do höörd he den Vagel, de up syn Dack seet und süng, un dat dünkd em so schöön. Da stünn he up, un as he äwer den Süll güng, da vörlöör he eenen Tüffel. He güng awer so recht midden up de Strat hen, eenen Tüffel un een Sock an: syn Schortfell hadd he vör, un in de een Hand hadd he de golln Kede un in de anner de Tang; un de Sünn schynd so hell up de Strat. Door güng he recht so staan un seeg den Vagel an. ‚Vagel,‘ secht he do, ‚wo schöön kannst du singen! Sing my dat Stück nochmaal.‘ ‚Ne,‘ secht de Vagel, ‚twemaal sing ik nich umsünst. Gif my de golln Kede, so will ik dy,t nochmaal singen.‘ ‚Door,‘ secht de Goldsmidt, ‚hest du de golln Kede, nu sing my dat nochmaal.‘ Do köhm de Vagel un nöhm de golln Kede so in de rechte Poot, un güng vor den Goldsmidt sitten un süng

‚mein Mutter, der mich schlacht,

mein Vater, der mich aß,

mein Schwester, der Marlenichen,

sucht alle meine Benichen,

bind’t sie in ein seiden Tuch,

legts unter den Machandelbaum.

Kywitt, kywitt, wat vör’n schöön Vagel bün ik!‘

Da flög de Vagel wech na enem Schooster, und sett’t sik up den syn Dack un süng

‚mein Mutter, der mich schlacht,

mein Vater, der mich aß,

mein Schwester, der Marlenichen,

sucht alle meine Benichen,

bind’t sie in ein seiden Tuch,

legts unter den Machandelbaum.

Kywitt, kywirt, wat vör’n schöön Vagel bün ik!‘

De Schooster höörd dat und leep vör syn Döhr in Hemdsaarmels, un seeg na syn Dack un mussd de Hand vör de Ogen hollen, dat de Sünn em nich blend’t. ‚Vagel,‘ secht he, ‚wat kannst du schöön singen.‘ Do rööp he in syn Döhr henin ‚Fru, kumm mal heruut, dar is een Vagel: süh mal den Vagel, de kann maal schöön singen.‘ Do rööp he syn Dochter un Kinner un Gesellen, Jung un Maagd, un se kömen all up de Strat un seegen den Vagel an, wo schöön he wöör, un he hadd so recht rode un gröne Feddern, un üm den Hals wöör dat as luter Gold, un de Ogen blünken em im Kopp as Steern. ‚Vagel,‘ sägd de Schooster, ’nu sing my dat Stück nochmaal.‘ ‚Ne,‘ secht de Vagel, ‚tweemal sing ik nich umsünst, du must my wat schenken.‘ ‚Fru,‘ säd de Mann, ‚gah na dem Bähn: up dem bäwelsten Boord, door staan een Poor rode Schö, de bring herünn.‘ Do güng de Fru hen un hahl de Schö. ‚Door, Vagel,‘ säd de Mann, ’nu sing my dat Stück nochmaal.‘ Do köhm de Vagel und nöhm de Schö in de linke Klau, un flöög wedder up dat Dack un süng

‚mein Mutter, der mich schlacht,

mein Vater, der mich aß,

mein Schwester, der Marlenichen,

sucht alle meine Benichen,

bind’t sie in ein seiden Tuch,

legts unter den Machandelbaum.

Kywitt, kywirt, wat vör’n schöön Vagel bün ik!‘

Un as he uutsungen hadd, so flöög he wech: de Kede hadd he in de rechte und de Schö in de linke Klau, un he flöög wyt wech na ene Mähl, un de Mähl güng ‚klippe klappe, klippe klappe, klippe klappe.‘ Un in de Mähl, door seeten twintig Mählenburßen, de hauden enen Steen und hackden ‚hick hack, hick hack, hick hack,‘ un de Mähl güng ‚klippe klappe, klippe klappe, klippe klappe.‘ Do güng de Vagel up enen Lindenboom sitten, de vör de Mähl stünn, un süng

‚mein Mutter, der mich schlacht,

do höörd een up,

‚mein Vater, der mich aß,‘

do höörden noch twe up un höörden dat,

mein Schwester, der Marlenichen,

do höörden wedder veer up,

’sucht alle meine Benichen,

bind’t sie in ein seiden Tuch,‘

nu hackden noch man acht,

‚legts unter‘

nu noch man fyw,

‚den Machandelbaum.‘

nu noch man een.

‚Kywitt, kywitt, wat vör’n schöön Vagel bün ik!‘

Da hüll de lezte ook up und hadd dat lezte noch höörd. ‚Vagel,‘ secht he, ‚wat singst du schöön! laat my dat ook hören, sing my dat nochmaal.‘ ‚Ne,‘ secht de Vagel, ‚twemaal sing ik nich umsünst, gif my den Mählensteen, so will ik dat nochmaal singen.‘ ‚Ja,‘ secht he, ‚wenn he my alleen tohöörd, so schullst du em hebben.‘ ‚Ja,‘ säden de annern, ‚wenn he nochmaal singt, so schall he em hebben.‘ Do köhm de Vagel herünn, un de Möllers faat,n all twintig mit Böhm an un böhrden Steen up, ‚hu uh uhp, hu uh uhp, hu uh uhp!‘ Da stöök de Vagel den Hals döör dat Lock un nöhm em üm as enen Kragen, un flöög wedder up den Boom un süng

‚mein Mutter, der mich schlacht,

mein Vater, der mich aß,

mein Schwester, der Marlenichen,

sucht alle meine Benichen,

bind’t sie in ein seiden Tuch,

legts unter den Machandelbaum.

Kywitt, kywirt, wat vör’n schöön Vagel bün ik!‘

Un as he dat uutsungen hadd, do deed he de Flünk von eenanner, un hadd in de rechte Klau de Kede un in de linke de Schö un üm den Hals den Mählensteen, un floog wyt wech na synes Vaders Huse.

In de Stuw seet de Vader, de Moder un Marleenken by Disch, un de Vader säd ‚ach, wat waart my licht, my is recht so good to Mode.‘ ‚Nä,‘ säd de Moder, ‚my is recht so angst, so recht, as wenn en swoor Gewitter kummt.‘ Marleenken awerst seet un weend un weend, da köhm de Vagel anflogen, un as he sik up dat Dack sett,t, ‚ach,‘ säd de Vader, ‚my is so recht freudig, un de Sünn schynt buten so schöön, my is recht, as schull ik enen olen Bekannten weddersehn.‘ ‚Ne,‘ säd de Fru, ‚my is so angst, de Täne klappern my, un dat is my as Führ in den Adern.‘ Un se reet sik ehr Lyfken up un so mehr, awer Marleenken seet in en Eck un weend, und hadd eren Platen vör de Ogen, un weend den Platen ganß meßnatt. Do sett,t sik de Vagel up den Machandelboom un süng

‚mein Mutter, der mich schlacht,‘

Do hüll de Moder de Oren to un kneep de Ogen to, un wull nich sehn un hören, awer dat bruusde ehr in de Oren as de allerstaarkste Storm, un de Ogen brennden ehr un zackden as Blitz.

‚mein Vater, der mich aß,‘

‚Ach, Moder,‘ secht de Mann, ‚door is en schöön Vagel, de singt so herrlich, de Sünn schynt so warm, un dat rückt as luter Zinnemamen.‘

‚mein Schwester, der Marlenichen,‘

Do läd Marleenken den Kopp up de Knee un weend in eens wech, de Mann awerst säd ‚ik ga henuut, ik mutt den Vagel dicht by sehn.‘ ‚Ach, gah nich,‘ säd de Fru, ‚my is, as beewd dat ganße Huus un stünn in Flammen.‘ Awerst de Mann güng henuut un seeg den Vagel an.

’sucht alle meine Benichen,

bind’t sie in ein seiden Tuch,

legts unter den Machandelbaum.

Kywitt, kywitt, wat vör’n schöön Vagel bün ik!‘

Mit des leet de Vagel de gollne Kede fallen, un se feel dem Mann jüst um,n Hals, so recht hier herüm, dat se recht so schöön passd. Do güng he herin un säd ’süh, wat is dat vör,n schöön Vagel, heft my so,ne schöne gollne Kede schenkd, un süht so schöön uut.‘ De Fru awerst wöör so angst un füll langs in de Stuw hen, un de Mütz füll ehr von dem Kopp. Do süng de Vagel wedder

‚mein Mutter, der mich schlacht,‘

‚Ach, dat ik dusend Föder ünner de Eerd wöör, dat ik dat nich hören schull!‘

mein Vater, der mich aß,‘

Do füll de Fru vör dood nedder.

mein Schwester, der Marlenichen,‘

‚Ach,‘ säd Marleenken, ‚ik will ook henuut gahn un sehn, of de Vagel my wat schenkt.‘ Do güng se henuut.

’sucht alle meine Benichen‘

bind’t sie in ein seiden Tuch ‚

Do schmeet he ehr de Schö herünn.

legts unter den Machandelbaum.

Kywitt, kywitt, wat vör’n schöön Vagel bün ik!‘

Do wöör ehr so licht un fröhlich. Do truck se den neen roden Schö an, un danßd un sprüng herin. ‚Ach,‘ säd se, ‚ik wöör so trurig, as ick henuut güng, un nu is my so licht, dat is maal en herrlichen Vagel, hett my en Poor rode Schö schenkd.‘ ‚Ne,‘ säd de Fru und sprüng up, un de Hoor stünnen ehr to Baarg as Führsflammen, ‚my is, as schull de Welt ünnergahn, ik will ook henuut, of my lichter warden schull.‘ Un as se uut de Döhr köhm, bratsch! smeet ehr de Vagel den Mählensteen up den Kopp, dat se ganß tomatscht wurr. De Vader un Marleenken höörden dat un güngen henuut: do güng en Damp un Flamm un Führ up von der Städ, un as dat vorby wöör, do stünn de lüttje Broder door, un he nöhm synen Vader un Marleenken by der Hand, un wören all dre so recht vergnöögt un güngen in dat Huus by Disch, un eeten.

Von dem Fischer und seiner Frau

Gebrüder Grimm

Von dem Fischer und seiner Frau

Es war einmal ein Fischer und seine Frau, die wohnten zusammen in einem alten Pott dicht an der See, und der Fischer ging alle Tage hin und angelte, und er angelte und angelte. So saß er auch einmal mit seiner Angel und schaute immer in das klare Wasser hinein, und er saß und saß.

Da ging die Angel auf den Grund, tief, tief hinab, und wie er sie heraufholte, da zog er einen großen Butt heraus. Da sagte der Butt zu ihm: »Höre, Fischer, ich bitte dich, laß mich leben, ich bin kein richtiger Butt, ich bin ein verwünschter Prinz. Was hilft es dir, wenn du mich tötest? Ich würde dir doch nicht recht schmecken. Setz mich wieder ins Wasser und laß mich schwimmen!«

»Nun«, sagte der Mann, »du brauchst nicht so viele Worte zu machen, einen Butt, der sprechen kann, werde ich doch wohl schwimmen lassen.« Damit setzte er ihn wieder in das klare Wasser hinein, und der Butt schwamm zum Grund hinab und ließ einen langen Streifen Blut hinter sich. Der Fischer aber stand auf und ging zu seiner Frau in den alten Pott.

»Mann«, sagte die Frau, »hast du heute nichts gefangen?«

»Nein«, sagte der Mann, »ich habe einen Butt gefangen, der sagte, er sei ein verwünschter Prinz, da habe ich ihn wieder schwimmen lassen.«

»Hast du dir denn nichts gewünscht?« sagte die Frau.

»Nein«, sagte der Mann, »was sollte ich mir denn wünschen?«

»Ach«, sagte die Frau, »es ist doch übel, hier immer in dem alten Pott zu wohnen, der stinkt und ist so eklig; du hättest uns doch eine kleine Hütte wünschen können. Geh noch einmal hin und rufe den Butt und sage ihm, wir wollen eine kleine Hütte haben. Er tut das gewiß.«

»Ach«, sagte der Mann, »was soll ich da noch mal hingehen?«

»I«, sagte die Frau, »du hast ihn doch gefangen gehabt und hast ihn wieder schwimmen lassen, er tut das gewiß. Geh nur gleich hin!« Der Mann wollte noch nicht so recht; aber er wollte auch seiner Frau nicht zuwiderhandeln, und so ging er denn hin an die See. Als er da nun hinkam, war die See ganz grün und gelb und gar nicht mehr so klar. Da stellte er sich denn hin und rief:

»Manntje, Manntje, Timpe Te,

Buttje, Buttje in der See,

myne Fru, de Ilsebill,

will nich so, as ik wol will.«

Da kam der Butt angeschwommen und sagte: »Na, was will sie denn?«

»Ach«, sagte der Mann, »ich hatte dich doch gefangen, nun sagt meine Frau, ich hätte mir etwas wünschen sollen. Sie mag nicht mehr in dem alten Pott wohnen, sie wollte gerne eine Hütte.«

»Geh nur hin«, sagte der Butt, »sie hat sie schon.«

Da ging der Mann hin, und seine Frau saß nicht mehr in dem alten Pott, aber es stand nun eine kleine Hütte da, und seine Frau saß vor der Tür auf einer Bank. Da nahm ihn seine Frau bei der Hand und sagte zu ihm: »Komm nur herein, siehst du, nun ist das doch viel besser.«

Da gingen sie hinein, und in der Hütte war ein kleiner Vorplatz und eine kleine hübsche Stube und eine Kammer, wo für jeden ein Bett stand, und Küche und Speisekammer und ein Geräteschuppen waren auch da, und alles war auf das schönste und beste eingerichtet mit Zinnzeug und Messingzeug, wie sich das so gehört. Und hinter der Hütte, da war auch ein kleiner Hof mit Hühnern und Enten und ein kleiner Garten mit Gemüse und Obst.

»Siehst du«, sagte die Frau, »ist das nicht nett?«

»Ja«, sagte der Mann, »so soll es bleiben; nun wollen wir recht vergnügt leben.«

»Das wollen wir uns bedenken«, sagte die Frau. Und dann aßen sie etwas und gingen zu Bett.

So ging das wohl acht oder vierzehn Tage, da sagte die Frau: »Hör, Mann, die Hütte ist auch gar zu eng, und der Hof und der Garten sind so klein. Der Butt hätte uns wohl auch ein größeres Haus schenken können. Ich möchte wohl in einem großen steinernen Schloß wohnen. Geh hin zum Butt, er soll uns ein Schloß schenken!«

»Ach, Frau«, sagte der Mann, »die Hütte ist ja gut genug, was sollen wir in einem Schloß wohnen?“

»I was«, sagte die Frau, »geh du nur hin, der Butt kann das wohl tun.«

»Nein, Frau«, sagte der Mann, »der Butt hat uns erst die Hütte gegeben, ich mag nun nicht schon wieder kommen, das könnte den Butt verdrießen.«

»Geh doch!« sagte die Frau. »Er kann das recht gut und tut das gern, geh du nur hin!« Dem Manne war das Herz so schwer, und er wollte nicht. Er sagte bei sich selbst: Das ist nicht recht, er ging aber doch hin.

Als er an die See kam, war das Wasser ganz violett und dunkelblau und grau und dick und gar nicht mehr so grün und gelb, doch war es noch still. Da stellte er sich hin und rief:

»Manntje, Manntje, Timpe Te,

Buttje, Buttje in der See,

myne Fru, de Ilsebill,

will nich so, as ik wol will.«

»Na, was will sie denn?« sagte der Butt.

»Ach«, sagte der Mann halb bekümmert, »sie will in einem großen Schlosse wohnen.«

»Geh nur hin, sie steht schon vor der Tür«, sagte der Butt.

Da ging der Mann fort und dachte, er wollte nach Hause gehen, aber als er da ankam, stand da nun ein großer, steinerner Palast, und seine Frau stand eben auf der Treppe und wollte hineingehen. Da nahm sie ihn bei der Hand und sagte: »Komm nur herein!« Darauf ging er mit ihr hinein, und in dem Schlosse war eine große Diele mit marmelsteinernem Boden, und da waren so viele Bediente, die rissen die großen Türen auf, und die Wände glänzten von schönen Tapeten, und in den Zimmern waren lauter goldene Stühle und Tische, und kristallene Kronleuchter hingen an der Decke, und in allen Stuben und Kammern lagen Teppiche. Und das Essen und der allerbeste Wein standen auf den Tischen, als wenn sie brechen sollten. Und hinter dem Hause war auch ein großer Hof mit Pferd- und Kuhstall und mit Kutschwagen auf das allerbeste, und da war auch noch ein großer, prächtiger Garten mit den schönsten Blumen und feinen Obstbäumen und ein Lustwäldchen, wohl eine halbe Meile lang, darin waren Hirsche und Rehe und Hasen, alles, was man sich nur immer wünschen mag.

»Na«, sagte die Frau, »ist das nun nicht schön?«

»Ach ja«, sagte der Mann, »so soll es auch bleiben, nun wollen wir in dem schönen Schlosse wohnen und wollen zufrieden sein.«

»Das wollen wir uns bedenken«, sagte die Frau, »und wollen es beschlafen.« Und damit gingen sie zu Bett.

Am andern Morgen wachte die Frau zuerst auf, es wollte gerade Tag werden, und sie sah aus ihrem Bette das herrliche Land vor sich liegen. Der Mann reckte sich noch, da stieß sie ihn mit dem Ellenbogen in die Seite und sagte: »Mann, steh auf und guck mal aus dem Fenster! Sieh, könnten wir nicht König werden über all das Land? Geh hin zum Butt, wir wollen König sein!«

»Ach, Frau«, sagte der Mann, »was sollen wir König sein! Ich mag nicht König sein!«

»Na«, sagte die Frau, »willst du nicht König sein, so will ich König sein. Geh hin zum Butt, ich will König sein.«

»Ach, Frau«, sagte der Mann, »was willst du König sein? Das mag ich ihm nicht sagen.«

»Warum nicht?« sagte die Frau. »Geh stracks hin, ich muß König sein.«

Da ging der Mann hin und war ganz bekümmert, daß seine Frau König werden wollte. Das ist nicht recht und ist nicht recht, dachte der Mann. Er wollte gar nicht hingehen, ging aber doch hin.

Und als er an die See kam, da war die See ganz schwarzgrau, und das Wasser gärte so von unten herauf und roch ganz faul. Da stellte er sich hin und rief:

»Manntje, Manntje, Timpe Te,

Buttje, Buttje in der See,

myne Fru, de Ilsebill,

will nich so, as ik wol will.«

»Na, was will sie denn?« sagte der Butt.

»Ach«, sagte der Mann, »sie will König werden.«

»Geh nur hin, sie ist es schon«, sagte der Butt.

Da ging der Mann hin, und als er zum Palast kam, da war das Schloß viel größer geworden und hatte einen großen Turm und herrlichen Zierat daran, und die Schildwachen standen vor dem Tor, und da waren so viele Soldaten und Pauken und Trompeten.

Und als er in das Haus kam, da war alles von purem Marmelstein mit Gold und samtenen Decken und großen goldenen Quasten. Da gingen die Türen vom Saal auf, in dem der ganze Hofstaat war, und seine Frau saß auf einem hohen Thron von Gold und Diamant und hatte eine große goldene Krone auf und das Zepter in der Hand von purem Gold und Edelstein, und auf jeder Seite von ihr standen sechs Jungfrauen in einer Reihe, eine immer einen Kopf kleiner als die andere.

Da stellte er sich hin und sagte: »Ach, Frau, bist du nun König?«

»Ja«, sagte die Frau, »nun bin ich König.«

Da stand er da und sah sie an, und als er sie so eine Zeitlang angesehen hatte, da sagte er: »Ach, Frau, was steht dir das schön, wenn du König bist! Nun wollen wir auch nichts mehr wünschen.«

»Nein, Mann«, sagte die Frau und war ganz unruhig, »mir wird schon die Zeit und Weile lang, ich kann das nicht mehr aushalten. Geh hin zum Butt, König bin ich, nun muß ich Kaiser auch werden.«

»Ach, Frau«, sagte der Mann, »was willst du Kaiser werden!«

»Mann«, sagte sie, »geh hin zum Butt, ich will Kaiser sein.«

»Ach, Frau«, sagte der Mann, »Kaiser kann er nicht machen, ich mag dem Butt das nicht sagen; Kaiser ist nur einer im Reich. Kaiser kann der Butt ja nicht machen, das kann und kann er nicht.«

»Was«, sagte die Frau, »ich bin König, und du bist bloß mein Mann, willst du gleich hingehen? Sofort gehst du hin. Kann er König machen, kann er auch Kaiser machen. Ich will und will Kaiser sein, gleich geh hin!« Da mußte er hingehen.

Als der Mann aber hinging, da war ihm ganz bang, und als er so ging, dachte er bei sich: Das geht und geht nicht gut. Kaiser ist zu unverschämt. Der Butt wird das am Ende doch müde. Und da kam er nun an die See, da war die See ganz schwarz und dick und fing schon an so von unten herauf zu gären, daß es Blasen gab, und da ging ein Windstoß darüber hin, daß es nur so schäumte, und dem Manne graute. Da stellte er sich hin und rief:

»Manntje, Manntje, Timpe Te,

Buttje, Buttje in der See,

myne Fru, de Ilsebill,

will nich so, as ik wol will.«

»Na, was will sie denn?« sagte der Butt.

»Ach, Butt«, sagte er, »meine Frau will Kaiser werden.«

»Geh nur hin«, sagte der Butt, »sie ist es schon.«

Da ging der Mann fort, und als er ankam, da war das ganze Schloß von poliertem Marmelstein mit alabasternen Figuren und goldenem Zierat. Vor dem Tor marschierten die Soldaten, und sie bliesen Trompeten und schlugen Pauken und Trommeln.

Aber im Hause, da gingen die Barone und Grafen und Herzöge nur so als Bediente herum. Da machten sie ihm die Türen auf, die waren von lauter Gold. Und als er hereinkam, da saß seine Frau auf einem Thron, der war von einem Stück Gold und war wohl zwei Meilen hoch. Und sie hatte eine große goldene Krone auf, die war drei Ellen hoch und mit Brillanten und Karfunkelsteinen besetzt. In der einen Hand hatte sie das Zepter und in der anderen Hand den Reichsapfel, und auf beiden Seiten neben ihr, da standen die Trabanten so in zwei Reihen, einer immer kleiner als der andere, von dem allergrößten Riesen, der war zwei Meilen hoch, bis zu dem allerkleinsten Zwerg, der war nur so groß wie mein kleiner Finger. Und vor ihr standen viele Fürsten und Herzöge.

Da stellte sich der Mann dazwischen und sagte: »Frau, bist du nun Kaiser?«

»Ja«, sagte sie, »ich bin Kaiser.«

Da stand er da und sah sie so recht an, und als er sie eine Zeitlang angesehen hatte, da sagte er: »Ach, Frau, was steht dir das schön, wenn du Kaiser bist.«

»Mann«, sagte sie, »was stehst du da herum? Ich bin nun Kaiser, nun will ich aber auch Papst werden, geh hin zum Butt!«

»Ach, Frau«, sagte der Mann, »was willst du denn noch? Papst kannst du nicht werden, Papst ist nur einer in der Christenheit, das kann er doch nicht machen.«

»Mann«, sagte sie, »ich will Papst werden, geh gleich hin, ich muß heute noch Papst werden.«

»Nein, Frau«, sagte der Mann, »das mag ich ihm nicht sagen! Das geht nicht gut, das ist zu grob, zum Papst kann dich der Butt nicht machen.«

»Mann, was für ein Geschwätz«, sagte die Frau, »kann er Kaiser machen, kann er auch Papst machen. Geh sofort hin! Ich bin Kaiser, und du bist bloß mein Mann, willst du wohl hingehen?«

Da kriegte er Angst und ging hin, ihm war aber ganz flau, und er zitterte und bebte, und die Knie und die Waden bibberten ihm. Da fuhr ein Wind über das Land, und die Wolken flogen, daß es dunkel wurde wie am Abend, die Blätter wehten von den Bäumen, und das Wasser ging und brauste, als ob es kochte, und schlug an das Ufer, und weit draußen sah er die Schiffe, die gaben Notschüsse ab und tanzten und sprangen auf den Wellen. Der Himmel war in der Mitte noch so ein bißchen blau, aber an den Seiten, da zog es herauf wie ein schweres Gewitter. Da stellte er sich ganz verzagt in seiner Angst hin und sagte:

»Manntje, Manntje, Timpe Te,

Buttje, Buttje in der See,

meine Frau, die Ilsebill,

will nicht so, wie ich wohl will.«

»Na, was will sie denn?« sagte der Butt.

»Ach«, sagte der Mann, »sie will Papst werden.«

»Geh nur hin, sie ist es schon«, sagte der Butt.

Da ging er fort, und als er ankam, war da eine große Kirche von lauter Palästen umgeben. Da drängte er sich durch das Volk. Innen war aber alles mit tausend und tausend Lichtern erleuchtet, und seine Frau war in lauter Gold gekleidet und saß auf einem noch viel höheren Thron und hatte drei große goldene Kronen auf, und rings um sie herum standen viele vom geistlichen Stand, und auf beiden Seiten neben ihr, da standen zwei Reihen Lichter, das größte so dick und so groß wie der allergrößte Turm bis hinunter zum allerkleinsten Küchenlicht, und alle die Kaiser und die Könige, die lagen vor ihr auf den Knien und küßten ihr den Pantoffel.

»Frau«, sagte der Mann und sah sie so recht an, »bist du nun Papst?«

»Ja«, sagte sie, »ich bin Papst.«

Da stand er da und sah sie recht an, und das war, als ob er in die helle Sonne sähe. Als er sie nun eine Zeitlang angesehen hatte, da sagte er: »Ach, Frau, was steht dir das schön, daß du Papst bist!« Sie saß aber da so steif wie ein Baum und rüttelte und rührte sich nicht.

Da sagte er: »Frau, nun sei auch zufrieden, jetzt wo du Papst bist, jetzt kannst du doch nichts anderes mehr werden.«

»Das will ich mir bedenken«, sagte die Frau. Damit gingen sie beide zu Bett, aber sie war nicht zufrieden, und die Gier ließ sie nicht schlafen, sie dachte immer, was sie noch mehr werden könnte.

Der Mann schlief recht gut und fest, er war den Tag viel gelaufen, die Frau aber konnte gar nicht einschlafen und warf sich von einer Seite auf die andere, die ganze Nacht hindurch, und dachte nur immer, was sie wohl noch werden könnte, und konnte sich doch auf nichts mehr besinnen. Schließlich wollte die Sonne aufgehen, und als die Frau das Morgenrot sah, da richtete sie sich in ihrem Bett auf und sah sich das an, und als sie nun im Fenster die Sonne heraufkommen sah, da dachte sie: Ha, könnte ich nicht auch die Sonne und den Mond aufgehen lassen?

»Mann«, sagte sie und stieß ihn mit dem Ellenbogen in die Rippen, »wach auf, geh hin zum Butt, ich will werden wie der liebe Gott.« Der Mann war noch halb im Schlaf, aber er erschrak so, daß er aus dem Bette fiel. Er meinte, er hätte sich verhört, rieb sich die Augen aus und fragte: »Ach, Frau, was hast du gesagt?«

»Mann«, sagte sie, »wenn ich nicht die Sonne und den Mond kann aufgehen lassen und muß das so mit ansehen, wie Sonne und Mond aufgehen – ich kann das nicht aushalten und habe keine ruhige Stunde mehr, daß ich sie nicht selber kann aufgehen lassen.« Da sah sie ihn so recht grausig an, daß ihn ein Schauder überlief. »Sofort gehst du hin, ich will werden wie der liebe Gott.«

»Ach, Frau«, sagte der Mann und fiel vor ihr auf die Knie, »das kann der Butt nicht. Kaiser und Papst kann er machen, ich bitte dich, sei vernünftig und bleib Papst!«

Da kam sie in Wut, die Haare flogen ihr wild um den Kopf, sie riß sich das Leibchen auf und trat nach ihm mit dem Fuß und schrie: »Ich halte und halte das nicht länger aus. Willst du wohl gleich hingehen!« Da zog er sich die Hosen an und rannte los wie ein Verrückter.

Draußen aber ging der Sturm und brauste, daß er kaum noch auf seinen Füßen stehen konnte. Die Häuser und die Bäume wurden umgeweht, und die Berge bebten, und die Felsbrocken rollten in die See, und der Himmel war pechschwarz, und es donnerte und blitzte, und die See rollte daher in hohen schwarzen Wogen, so hoch wie Kirchtürme und Berge, und sie hatten alle darauf eine weiße Krone von Schaum. Da schrie er und konnte sein eigenes Wort nicht hören:

»Manntje, Manntje, Timpe Te,

Buttje, Buttje in der See,

meine Frau, die Ilsebill,

will nicht so, wie ich wohl will.«

»Na, was will sie denn?« fragte der Butt.

»Ach«, sagte er, »sie will wie der liebe Gott werden.

»Geh nur hin, sie sitzt schon wieder in dem alten Pott.«

Und da sitzen sie noch bis heute und auf diesen Tag.

Von dem Fischer un syner Fru

Gebrüder Grimm

Von dem Fischer un syner Fru

Dar wöör maal eens en Fischer un syne Fru, de waanden tosamen in’n Pißputt, dicht an der See, un de Fischer güng alle Dage hen un angeld: un he angeld un angeld.

So seet he ook eens by de Angel und seeg jümmer in das blanke Water henin: un he seet un seet.

Do güng de Angel to Grund, deep ünner, un as he se herup haald, so haald he enen grooten Butt heruut. Do säd de Butt to em ‚hör mal, Fischer, ik bidd dy, laat my lewen, ik bün keen rechten Butt, ik bün’n verwünschten Prins. Wat helpt dy dat, dat du my doot maakst? i würr dy doch nich recht smecken: sett my wedder in dat Water un laat my swemmen.‘

‚Nu,‘ säd de Mann, ‚du bruukst nich so veel Wöörd to maken, eenen Butt, de spreken kann, hadd ik doch wol swemmen laten.‘ Mit des sett’t he em wedder in dat blanke Water, do güng de Butt to Grund und leet enen langen Strypen Bloot achter sik. So stünn de Fischer up un güng nach syne Fru in’n Pißputt.

‚Mann,‘ säd de Fru, ‚hest du hüüt niks fungen?‘ ‚Ne,‘ säd de Mann, ‚ik füng enen Butt, de säd, he wöör en verwünschten Prins, da hebb ik em wedder swemmen laten.‘ ‚Hest du dy denn niks wünschd?‘ söd de Fru. ‚Ne,‘ säd de Mann, ‚wat schull ik my wünschen?‘ ‚Ach,‘ säd de Fru, ‚dat is doch äwel, hyr man jümmer in’n Pißputt to waanen, dat stinkt un is so eeklig: du haddst uns doch ene lüttje Hütt wünschen kunnt. Ga noch hen un roop em: segg em, wy wählt ’ne lüttje Hütt hebben, he dait dat gewiß.‘ ‚Ach,‘ säd de Mann, ‚wat schull ich door noch hengaan?‘ ‚I,‘ säd de Fru, ‚du haddst em doch fungen, un hest em wedder swemmen laten, he dait dat gewiß. Ga glyk hen.‘ De Mann wull noch nicht recht, wull awerst syn Fru ook nicht to weddern syn un güng hen na der See.

As he door köhm, wöör de See ganß gröon un geel un goor nich mee so blank. So güng he staan und säd


‚Manntje, Manntje, Timpe Te,

Buttje, Buttje in der See,

myne Fru de Ilsebill

will nich so, as ik wol will.‘

Do köhm de Butt answemmen un säd ’na, wat will se denn?‘ ‚Ach,‘ säd de Mann, ‚ik hebb di doch fungen hatt, nu säd myn Fru, ik hadd my doch wat wünschen schullt. Se mag nich meer in’n Pißputt wanen, se wull geern ’ne Hütt.‘ ‚Ga man hen,‘ säd de Butt, ’se hett se all.‘

Do güng de Mann hen, un syne Fru seet nich meer in’n Piß putt, dar stünn awerst ene lüttje Hütt, un syne Fru seet vor de Döhr up ene Bänk. Da nöhm syne Fru em by de Hand un säd to em ‚kumm man herin, süh, nu is dar doch veel beter.‘ Do güngen se henin, un in de Hütt was een lüttjen VörpIatz un ene lüttje herrliche Stuw un Kamer, wo jem eer Beed stünn, un Kääk un Spysekamer, allens up dat beste mit Gerädschop pen, un up dat schönnste upgefleyt, Tinntüüg un Mischen, wat sik darin höört. Un achter was ook en lüttjen Hof mit Hönern un Aanten, un en lüttjen Goorn mit Grönigkeiten un Aaft. ‚Süh,‘ säd de Fru, ‚is dat nich nett?‘ ‚Ja,‘ säd de Mann, ’so schall’t blywen, nu wähl wy recht vergnöögt lewen.‘ ‚Dat wähl wy uns bedenken,‘ säd de Fru. Mit des eeten se wat un güngen to Bedd.

So güng dat wol ’n acht oder veertein Dag, do säd de Fru ‚hör, Mann, de Hütt is ook goor to eng, un de Hof un de Goorn is so kleen: de Butt hadd uns ook wol een grötter Huus schenken kunnt. Ich much woll in enem grooten stenern Slott wanen: ga hen tom Butt, he schall uns en Slott schenken.‘ ‚Ach, Fru,‘ säd de Mann, ‚de Hütt is jo god noog, wat wähl wy in’n Slott wanen.‘ ‚I wat,‘ säd de Fru, ‚ga du man hen, de Butt kann dat jümmer doon.‘ ‚Ne, Fru,‘ säd de Mann, ‚de Butt hett uns eerst de Hütt gewen, ik mag nu nich all wedder kamen, den Butt muchd et vördreten.‘ ‚Ga doch,‘ säd de Fru, ‚he kann dat recht good und dait dat geern; ga du man hen.‘ Dem Mann wöör syn Hart so swoor, un wull nich; he säd by sik sülwen ‚dat is nich recht,‘ he güng awerst doch hen.

As he an de See köhm, wöör dat Water ganß vigelett un dunkelblau un grau un dick, un goor nich meer so gröön un geel, doch wöör’t noch still. Do güng he staan un säd


‚Manntje, Manntje, Timpe Te,

Buttje, Buttje in der See,

myne Fru de Ilsebill

will nich so, as ik wol will.‘

‚Na wat will se denn?‘ säd de Butt. ‚Ach,‘ säd de Mann half bedrööft, ’se will in’n groot stenern Slott wanen.‘ ‚Ga man hen, se stait vör der Döhr,‘ säd de Butt.

Da güng de Mann hen un dachd, he wull na Huus gaan, as he awerst daar köhm, so stünn door ’n grooten stenern Pallast, un syn Fru stünn ewen up de Trepp und wull henin gaan: do nöhm se em by de Hand und säd ‚kumm man herein.‘ Mit des güng he mit ehr henin, un in dem Slott wöör ene grote Dehl mit marmelstenern Asters, und dar wören so veel Be deenters, de reten de grooten Dören up, un de Wende wören all blank un mit schöne Tapeten, un in de Zimmers luter gollne Stöhl und Dischen, un krystallen Kroonlüchters hüngen an dem Bähn, un so wöör dat all de Stuwen und Kamers mit Foot deken: un dat i’iten un de allerbeste Wyn stünn up den Dischen, as wenn se breken wullen. Un achter dem Huse wöör ook’n grooten Hof mit Peerd- und Kohstall, un Kutschwagens up dat allerbeste, ook was door en grooten herrlichen Goorn mit de schönnsten Blomen un fyne Aaftbömer, un en Lustholt wol ’ne halwe Myl lang, door wören Hirschen un Reh un Hasen drin un allens, wat man sik jümmer wünschen mag. ‚Na,‘ säd de Fru, ‚is dat nun nich schön?‘ ‚Ach ja,‘ säd de Mann, ’so schallt’t ook blywen, nu wähl wy ook in das schöne Slott wanen un wähl tofreden syn.‘ ‚Dat wähl wy uns bedenken,‘ säd de Fru, ‚un wählen’t beslapen.‘ Mit des güngen se to Bedd.

Den annern Morgen waakd de Fru to eerst up, dat was jüst Dag, un seeg uut jem ehr Bedd dat herrliche Land vör sik liggen. De Mann reckd sik noch, do stödd se em mit dem Ell bagen in de Syd und säd ‚Mann, sta up un kyk mal uut dem Fenster. Süh, kunnen wy nich König warden äwer all düt Land? Ga hen tom Butt, wy wählt König syn.‘ ‚Ach, Fru,‘ säd de Mann, ‚wat wähln wy König syn! ik mag nich König syn.‘ ‚Na,‘ sad de Fru, ‚wult du nich König syn, so will ik König syn. Ga hen tom Butt, ik will König syn.‘ ‚Ach, Fru,‘ säd de Mann, ‚wat wullst du König syn? dat mag ik em nich seggen.‘ ‚Worüm nich?‘ säd de Fru, ‚ga stracks hen, ik mutt König syn.‘ Do güng de Mann hen un wöör ganß bedröft, dat syne Fru König warden wull. ‚Dat is nich recht un is nicht recht,‘ dachd de Mann. He wull nich hen gaan, güng awerst doch hen.

Un as he an de See köhm, do wöör de See ganß swartgrau, un dat Water geerd so von ünnen up und stünk ook ganß fuul. Do güng he staan un säd


‚Manntje, Manntje, Timpe Te,

Buttje, Buttje in der See,

myne Fru de Ilsebill

will nich so, as ik wol will.‘

‚Na wat will se denn?‘ säd de Butt. ‚Ach,‘ säd de Mann, ’se will König warden.‘ ‚Ga man hen, se is’t all,‘ säd de Butt.

Do güng de Mann hen, und as he na dem Pallast köhm, so wöör dat Slott veel grötter worren, mit enem grooten Toorn un herrlyken Zyraat doran: un de Schildwach stünn vor de Döhr, un dar wören so väle Soldaten un Paüken un Trum peten. Un as he in dat Huus köhm, so wöör allens von purem Marmelsteen mit Gold, un sammtne Deken un groote gollne Quasten. Do güngen de Dören von dem Saal up, door de ganße Hofstaat wöör, un syne Fru seet up enem hogen Troon von Gold und Demant, un hadd ene groote gollne Kroon up un den Zepter in der Hand von purem Gold un Edelsteen, un up beyden Syden by ehr stünnen ses Jumpfern in ene Reeg, jüm mer ene enen Kops lüttjer as de annere. Do güng he staan und säd ‚ach, Fru, büst du nu König?‘ ‚Ja,‘ säd de Fru, ’nu bün ik König.‘ Do stünn he und seeg se an, un as he do een Flach so ansehn hadd, säd he ‚ach, Fru, wat lett dat schöön, wenn du König büst! nu wähl wy ook niks meer wün schen.‘ ‚Ne, Mann,‘ säd de Fru un wöör ganß unruhig, ‚my waart de Tyd un Wyl al lang, ik kann dat nich meer üthollen. Ga hen tom Butt, König bün ik, nu mutt ik ook Kaiser warden.‘ ‚Ach, Fru,‘ säd de Mann, ‚wat wullst du Kaiser warden?‘ ‚Mann,‘ säd se, ‚ga tom Butt, ik will Kaiser syn.‘ ‚Adl, Fru,‘ säd de Mann, ‚Kaiser kann he nich maken, ik mag dem Butt dat nich seggen; Kaiser is man eenmal im Reich: Kaiser kann de Butt jo nich maken, dat kann un kann he nich.‘ ‚Wat,‘ säd de Fru, ‚ik bünn König, un du büst man myn Mann, wullt du glyk hengaan? glyk ga hen, kann he König maken, kann he ook Kaiser maken, ik will un will Kaiser syn; glyk ga hen.‘ Do mussd he hengaan. Do de Mann awer hengüng, wöör em ganß bang, un as he so güng, dachd he be sik ‚düt gait und gait nich good: Kaiser is to uutvörschaamt, de Butt wart am Ende möd.‘

Mit des köhm he an de See, do wöör de See noch ganß swart un dick un füng al so von ünnen up to geeren, dat et so Blasen smeet, un et güng so em Keekwind äwer hen, dat et sik so köhrd; un de Mann wurr groen. Do güng he staan un säd


‚Manntje, Manntje, Timpe Te,

Buttje, Buttje in der See,

myne Fru de Ilsebill

will nich so, as ik wol will.‘

‚Na, wat will se denn?‘ säd de Butt. ‚Ach Butt,‘ säd he, ‚myn Fru will Kaiser warden.‘ ‚Ga man hen,‘ säd de Butt, ’se is’t all.‘

Do güng de Mann hen, un as he door köhm, so wöör dat ganße Slott von poleertem Marmelsteen mit albasternen Figuren un gollnen Zyraten. Vör de Döhr marscheerden die Soldaten und se blösen Trumpeten und slögen Pauken un Trummeln: awerst in dem Huse, da güngen de Baronen un Grawen un Herzogen man so as Bedeenters herüm: do makten se em de Dören up, de von luter Gold wören. Un as he herinköhm, door seet syne Fru up enem Troon, de wöör von een Stück Gold, un wöör wol twe Myl hoog: un hadd ene groote gollne Kroon up, de wöör dre Elen hoog un mit Briljanten un Karfunkelsteen beset-t: in de ene Hand hadde se den Zepter un in de annere Hand den Reichsappel, un up beyden Syden by eer, door stün nen de Trabanten so in twe Regen, jümmer en lüttjer as de annere, von dem allergröttesten Rysen, de wöör twe Myl hoog, bet to dem allerlüttjesten Dwaark, de wöör man so groot as min lüttje Finger. Un vör ehr stünnen so vele Fürsten un Herzogen. Door güng de Mann tüschen staan und säd ‚Fru, büst du nu Kaiser?‘ ‚Ja,‘ säd se, ‚ik bün Kaiser.‘ Do güng he staan un beseeg se sik so recht, un as he se so’n Flach ansehen hadd, so säd he ‚ach, Fru, wat lett dat schöön, wenn du Kaiser büst.‘ ‚Mann,‘ säd se, ‚wat staist du door? ik bün nu Kaiser, nu will ik awerst ook Paabst warden, ga hen tom Butt.‘ ‚Ach, Fru,‘ säd de Mann, ‚watt wulst du man nidl? Paabst kannst du nich warden, Paabst is man eenmal in der Kristenhait, dat kann he doch nich maken.‘ ‚Mann,‘ säd se, ‚ik will Paabst warden, ga glyk hen, ik mutt hüüt noch Paabst warden.‘ ‚Ne, Fru,‘ säd de Mann, ‚dat mag ik em nich seggen, dat gait nich good, dat is to groff, tom Paabst kann de Butt nich maken.‘ ‚Mann, wat Snack!‘ säd de Fru, ‚kann he Kaiser maken, kann he ook Paabst maken. Ga foorts hen, ik bünn Kaiser, un du büst man myn Mann, wult du wol hengaan?‘ Do wurr he bang un güng hen, em wöör awerst ganß flau, un zitterd un beewd, un de Knee un de Waden slakkerden em. Un dar streek so’n Wind äwer dat Land, un de Wolken flögen, as dat düster wurr gegen Awend: de Bläder waiden von den Bömern, und dat Water güng un bruusd, as kaakd dat, un platschd an dat i’iver, un von feern seeg he de Schepen, de schöten in der Noot, un danß den un sprüngen up den Bülgen. Doch wöör de Himmel noch so’n bitten blau in de Midd, awerst an den Syden, door toog dat so recht rood up as en swohr Gewitter. Do güng he recht vörzufft staan in de Angst un säd


‚Manntje, Manntje, Timpe Te,

Buttje, Buttje in der See,

myne Fru de Ilsebill

will nich so, as ik wol will.‘

‚Na, wat will se denn?‘ säd de Butt. ‚Ach,‘ säd de Mann, ’se will Paabst warden.‘ ‚Ga man hen, se is’t all,‘ säd de Butt.

Do güng he hen, un as he door köhm, so wöör dar as en groote Kirch mit luter Pallastens ümgewen. Door drängd he sik dorch dat Volk: inwendig was awer allens mit dausend un dausend Lichtern erleuchtet, un syne Fru wöör in luter Gold gekledet, un seet noch up enem veel högeren Troon, un hadde dre groote gollne Kronen up, un üm ehr dar wöör so veel von geistlykem Staat, un up beyden Syden by ehr, door stünnen twe Regen Lichter, dat gröttste so dick und groot as de allergröttste Toorn, bet to dem allerkleensten Käkenlicht; un alle de Kaisers un de Königen, de legen vör ehr up de Kne und küßden ehr den Tüffel. ‚Fru,‘ säd de Mann und seeg se so recht an, ‚büst du nun Paabst?‘ ‚Ja,‘ säd se, ‚ik bün Paabst.‘ Do güng he staan un seeg se recht an, un dat wöör, as wenn he in de hell Sunn seeg. As he se do en Flach ansehn hadd, so segt he ‚ach, Fru, wat lett dat schöön, wenn du Paabst büst!‘ Se seet awerst ganß styf as en Boom, un rüppeld un röhrd sik nich. Do säd he ‚Fru, nu sy tofreden, nu du Paabst büst, nu kannst du doch niks meer warden.‘ ‚Dat will ik my bedenken,‘ säd de Fru. Mit des güngen se beyde to Bedd, awerst se wöör nich tofreden, un de Girighait leet se nich slapen, se dachd jümmer, wat se noch warden wull.

De Mann sleep recht good un fast, he hadd den Dag veel lopen, de Fru awerst kunn goor nich inslapen, un smeet sik von en Syd to der annern de ganße Nacht un dachd man jüm mer, wat se noch wol warden kunn, un kunn sik doch up niks meer besinnen. Mit des wull de Sünn upgan, un as se dat Mar genrood seeg, richt’d se sik äwer End im Bedd un seeg door henin, un as se uut dem Fenster de Sünn so herup kamen seeg, ‚ha,‘ dachd se, ‚kunn ik nich ook de Sünn un de Maan upgaan laten?‘ ‚Mann,‘ säd se un stöd em mit dem Ellbagen in de Rib ben, ‚waak up, ga hen tom Butt, ik will warden as de lewe Gott.‘ De Mann was noch meist in’n Slaap, awerst he vörschrock sik so, dat he uut dem Bedd füll. He meend, he hadd sik vör höörd, un reef sik de Ogen ut un säd ‚ach, Fru, wat säd’st du?‘ ‚Mann,‘ säd se, ‚wenn ik nich de Sünn un de Maan kan upgaan laten, un mutt dat so ansehn, dat de Sünn un de Maan upgaan, ik kann dat nich uuthollen, un hebb kene geruhige Stünd meer, dat ik se nich sülwst kann upgaan laten.‘ Do seeg se em so recht gräsig an, dat em so’n Schudder äwerleep. ‚Glyk ga hen, ik will warden as de lewe Gott.‘ ‚Ach, Fru,‘ säd de Mann, un füll vör eer up de Knee, tdat kann de Butt nich. Kaiser un Paabst kann he maken, ik bidd dy, sla in dy un blyf Paabst.‘ Do köhm se in de Booshait, de Hoor flögen eher so wild üm den Kopp, do reet se sik dat Lyfken up un geef em eens mit dem Foot un schreed ‚ik holl dat nich uut, un holl dat nich länger uut, wult du hengaan?‘ Do slööpd he sik de Büxen an un leep wech as unsinnig.

Buten awer güng de Storm, und bruusde, dat he kuum up de Föten staan kunn: de Huser un de Bömer waiden um, un de Baarge beewden, un de Felsenstücken rullden in de See, un de Himmel wöör ganß pickswart, un dat dunnerd un blitzd, un de See güng in so hoge swarte Bülgen as Kirchentöörn un as Baarge, un de hadden bawen alle ene witte Kroon von Schuum up. So schre he, un kun syn egen Woord nich hören,


‚Manntje, Manntje, Timpe Te,

Buttje, Buttje in der See,

myne Fru de Ilsebill

will nich so, as ik wol will.‘

‚Na, wat will se denn?‘ säd de Butt. ‚Ach,‘ säd he, ’se will warden as de lewe Gott.‘ ‚Ga man hen, se sitt all weder in’n Pißputt.‘

Door sitten se noch bet up hüüt un düssen Dag.

Vom klugen Schneiderlein

Gebrüder Grimm

Vom klugen Schneiderlein

Es war einmal eine Prinzessin gewaltig stolz; kam ein Freier, so gab sie ihm etwas zu raten auf, und wenn er’s nicht erraten konnte, so ward er mit Spott fortgeschickt. Sie ließ auch bekanntmachen, wer ihr Rätsel löste, sollte sich mit ihr vermählen, und möchte kommen, wer da wollte. Endlich fanden sich auch drei Schneider zusammen; davon meinten die zwei ältesten, sie hätten so manchen feinen Stich getan und hätten’s getroffen, da könnt’s ihnen nicht fehlen, sie müßten’s auch hier treffen. Der dritte war ein kleiner, unnützer Springinsfeld, der nicht einmal sein Handwerk verstand, aber meinte, er müßte dabei Glück haben; denn woher sollt’s ihm sonst kommen. Da sprachen die zwei andern zu ihm: „Bleib nur zu Haus, du wirst mit deinem bißchen Verstande nicht weit kommen!“ Das Schneiderlein ließ sich aber nicht irremachen und sagte, es hätten einmal seinen Kopf darauf gesetzt und wollte sich schon helfen, und ging dahin, als wäre die ganze Welt sein.

Da meldeten sich alle drei bei der Prinzessin und sagten, sie sollte ihnen ihre Rätsel vorlegen; es wären die rechten Leute angekommen, die hätten einen feinen Verstand, daß man ihn wohl in eine Nadel fädeln könnte. Da sprach die Prinzessin: „Ich habe zweierlei Haar auf dem Kopf, von was für Farben ist das?“ – „Wenn’s weiter nichts ist“, sagte der erste, „es wird schwarz und weiß sein wie Tuch, das man Kümmel und Salz nennt.“ Die Prinzessin sprach: „Falsch geraten, antworte der zweite!“ Da sagte der zweite: „Ist’s nicht schwarz und weiß, so ist’s braun und rot, wie meines Herrn Vaters Bratenrock.“ „Falsch geraten“, sagte die Prinzessin, „antworte der dritte, dem seh ich’s an, der weiß es sicherlich.“ Da trat das Schneiderlein keck hervor und sprach: „Die Prinzessin hat ein silbernes und ein goldenes Haar auf dem Kopf, und das sind die zweierlei Farben.“ Wie die Prinzessin das hörte, ward sie blaß und wäre vor Schrecken beinah hingefallen, denn das Schneiderlein hatte es getroffen, und sie hatte fest geglaubt, das würde kein Mensch auf der Welt herausbringen. Als ihr das Herz wieder kam, sprach sie: „Damit hast du mich noch nicht gewonnen; du mußt noch eins tun. Unten im Stall liegt ein Bär, bei dem sollst du die Nacht zubringen; wenn ich dann morgen aufstehe und du bist noch lebendig, so sollst du mich heiraten.“ Sie dachte aber, damit wollte sie das Schneiderlein loswerden, denn der Bär hatte noch keinen Menschen lebendig gelassen, der ihm unter die Tatzen gekommen war. Das Schneiderlein ließ sich nicht abschrecken, war ganz vergnügt und sprach: „Frisch gewagt ist halb gewonnen.“

Als nun der Abend kam, ward mein Schneiderlein hinunter zum Bären gebracht. Der Bär wollte auch gleich auf den kleinen Kerl los und ihm mit seiner Tatze einen guten Willkommen geben. „Sachte, sachte“, sprach das Schneiderlein, „ich will dich schon zur Ruhe bringen.“ Da holte es ganz gemächlich, als hätt es keine Sorgen, welsche Nüsse aus der Tasche, biß sie auf und aß die Kerne. Wie der Bär das sah, kriegte er Lust und wollte auch Nüsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche und reichte ihm eine Handvoll; es waren aber keine Nüsse, sondern Wackersteine. Der Bär steckte sie ins Maul, konnte aber nichts aufbringen, er mochte beißen, wie er wollte. Ei, dachte er, was bist du für ein dummer Klotz! kannst nicht einmal die Nüsse aufbeißen, und sprach zum Schneiderlein: „Mein, beiß mir die Nüsse auf!“ „Da siehst du, was du für ein Kerl bist“, sprach das Schneiderlein, „hast so ein großes Maul und kannst die kleine Nuß nicht aufbeißen.“ Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafür eine Nuß in den Mund und knack! war sie entzwei. „Ich muß das Ding noch einmal probieren“, sprach der Bär, „wenn ich’s so ansehe, ich mein, ich müßt’s auch können.“ Da gab ihm das Schneiderlein abermals Wackersteine, und der Bär arbeitete und biß aus allen Leibeskräften hinein. Aber du glaubst auch nicht, daß er sie aufgebracht hat. Wie das vorbei war, holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor und spielte sich ein Stückchen darauf. Als der Bär die Musik vernahm, konnte er es nicht lassen und fing an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, daß er zum Schneiderlein sprach: „Hör, ist das Geigen schwer?“ – „Kinderleicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf, und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da geht’s lustig, hopsasa, vivallalera!“ „So geigen“, sprach der Bär, „das möcht ich auch verstehen, damit ich tanzen könnte, so oft ich Lust hätte. Was meinst du dazu? Willst du mir Unterricht darin geben?“ – „Von Herzen gern“, sagte das Schneiderlein, „wenn du Geschick dazu hast. Aber weis einmal deine Tatzen her, die sind gewaltig lang, ich muß dir die Nägel ein wenig abschneiden.“ Da ward ein Schraubstock herbeigeholt, und der Bär legte seine Tatzen darauf; das Schneiderlein aber schraubte sie fest und sprach: „Nun warte, bis ich mit der Schere komme!“ ließ den Bären brummen, soviel er wollte, legte sich in die Ecke auf ein Bund Stroh und schlief ein.

Die Prinzessin, als sie am Abend den Bären so gewaltig brummen hörte, glaubte nicht anders, als er brummte vor Freuden und hätte dem Schneider den Garaus gemacht. Am Morgen stand sie ganz unbesorgt und vergnügt auf; wie sie aber nach dem Stall guckt, so steht das Schneiderlein ganz munter davor und ist gesund wie ein Fisch im Wasser. Da konnte sie nun kein Wort mehr dagegen sagen, weil sie’s öffentlich versprochen hatte, und der König ließ einen Wagen kommen, darin mußte sie mit dem Schneiderlein zur Kirche fahren, und sollte sie da vermählt werden. Wie sie eingestiegen waren, gingen die beiden anderen Schneider, die ein falsches Herz hatten und ihm sein Glück nicht gönnten, in den Stall und schraubten den Bären los. Der Bär in voller Wut rannte hinter dem Wagen her. Die Prinzessin hörte ihn schnauben und brummen. Es ward ihr angst, und sie rief: „Ach, der Bär ist hinter uns und will dich holen!“ Das Schneiderlein war fix, stellte sich auf den Kopf, streckte die Beine zum Fenster hinaus und rief: „Siehst du den Schraubstock? Wann du nicht gehst, so sollst du wieder hinein.“ Wie der Bär das sah, drehte er um und lief fort. Mein Schneiderlein fuhr da ruhig in die Kirche, und die Prinzessin ward ihm an die Hand getraut, und er lebte mit ihr vergnügt wie eine Heidlerche. Wer’s nicht glaubt, bezahlt einen Taler.

Up Reisen gohn

Gebrüder Grimm

Up Reisen gohn

Et was emol ne arme Frau, de hadde enen Suhn, de wull so gerne reisen, do seg de Mohr ‚wu kannst du reisen? wi hebt je gar kien Geld, dat du mitniemen kannst.‘ Do seg de Suhn ‚ich will mi gut behelpen, ick will alltied seggen ’nig viel, nig viel, nig viel.‘

Do genk he ene gude Tied un sede alltied ’nig viel, nig viel, nig viel.‘ Kam do bi en Trop Fisker un seg ‚Gott helpe ju! nig viel, nig viel, nig viel.‘ ‚Wat segst du, Kerl, nig viel?‘ Un asse dat Gören (Garn) uttrocken, kregen se auck nig viel Fiske. So met enen Stock up de Jungen, un ‚hest du mig nig dresken (dreschen) seihn?‘ ‚Wat sall ick denn seggen?‘ seg de Junge. ‚Du sallst seggen ‚fank vull, fank vull.‘

Do geit he wier ene ganze Tied un seg ‚fank vull, fank vull,‘ bis he kümmt an enen Galgen, do hebt se en armen Sünder, den willt se richten. Do seg he ‚guden Morgen, fank vull, fank vull.‘ ‚Wat segst du, Kerl, fank vull? söllt der noch mehr leige (leidige, böse) Lüde in de Welt sien? is düt noch nig genog?‘

He krig wier wat up den Puckel. ‚Wat sall ick denn seggen?‘ ‚Du sallst seggen ‚Gott eröst de arme Seele.‘

De Junge geit wier ene ganze Tied un seg ‚Gott tröst de arme Seele!‘ Da kümmert he an en Grawen, do steit en Filler (Schinder), de tüt en Perd af. De Junge seg ‚guden Morgen, Gott tröst de arme Seele!‘ ‚Wat segst du, leige Kerl?‘ un schleit en met sinem Filhacken üm de Ohren, dat he ut den Augen nig seihen kann. ‚Wu sall ick denn seggen?‘ ‚Du sallst seggen ‚do ligge du Aas in en Grawen.‘

Do geit he und seg alltied ‚do ligge du Aas in en Grawen! do ligge du Aas in en Grawen!‘ Nu kümmt he bi enen Wagen vull Lüde, do seg he ‚guden Morgen, do ligge du Aas in en Grawen!‘ Do föllt de Wagen üm in en Grawen, de Knecht kreg de Pietske un knapt den Jungen, dat he wier to sine Mohr krupen moste. Un he is sien Lewen nig wier up Reisen gohn.

Tischchendeckdich, Goldesel und Knüppelausdemsack

Gebrüder Grimm

Tischchendeckdich, Goldesel und Knüppelausdemsack

Vor Zeiten war ein Schneider, der drei Söhne hatte und nur eine einzige Ziege. Aber die Ziege, weil sie alle zusammen mit ihrer Milch ernährte, mußte ihr gutes Futter haben und täglich hinaus auf die Weide geführt werden. Die Söhne taten das auch nach der Reihe. Einmal brachte sie der älteste auf den Kirchhof, wo die schönsten Kräuter standen, ließ sie da fressen und herumspringen. Abends, als es Zeit war heimzugehen, fragte er: »Ziege, bist du satt?«

Die Ziege antwortete:

»Ich bin so satt,

ich mag kein Blatt: mäh! mäh!«

»So komm nach Haus«, sprach der Junge, faßte sie am Strickchen, führte sie in den Stall und band sie fest.

»Nun«, sagte der alte Schneider, »hat die Ziege ihr gehöriges Futter?«

»Oh«, antwortete der Sohn, »die ist so satt, sie mag kein Blatt.«

Der Vater aber wollte sich selbst überzeugen, ging hinab in den Stall, streichelte das liebe Tier und fragte: »Ziege, bist du auch satt?«

Die Ziege antwortete:

»Wovon sollt ich satt sein?

Ich sprang nur über Gräbelein

und fand kein einzig Blättelein: mäh! mäh!«

»Was muß ich hören!« rief der Schneider, lief hinauf und sprach zu dem Jungen: »Ei, du Lügner, sagst, die Ziege wäre satt, und hast sie hungern lassen?« Und in seinem Zorn nahm er die Elle von der Wand und jagte ihn mit Schlägen hinaus. Am anderen Tag war die Reihe am zweiten Sohn, der suchte an der Gartenhecke einen Platz aus, wo lauter gute Kräuter standen, und die Ziege fraß sie rein ab. Abends, als er heim wollte, fragte er: »Ziege, bist du satt?«

Die Ziege antwortete:

»Ich bin so satt,

ich mag kein Blatt: mäh! mäh!«

»So komm nach Haus«, sprach der Junge, zog sie heim und band sie im Stall fest.

»Nun«, sagte der alte Schneider, »hat die Ziege ihr gehöriges Futter?«

»Oh«, antwortete der Sohn, »die ist so satt, sie mag kein Blatt.«

Der Schneider wollte sich darauf nicht verlassen, ging hinab in den Stall und fragte: »Ziege, bist du auch satt?«

Die Ziege antwortete:

»Wovon sollt ich satt sein?

Ich sprang nur über Gräbelein

und fand kein einzig Blättelein: mäh! mäh!«

»Der gottlose Bösewicht!« schrie der Schneider, »so ein frommes Tier hungern zu lassen«, lief hinauf und schlug mit der Elle den Jungen zur Haustüre hinaus.

Die Reihe kam jetzt an den dritten Sohn. Der wollte seine Sache gut machen, suchte Buschwerk mit dem schönsten Laube aus und ließ die Ziege daran fressen. Abends, als er heim wollte, fragte er: »Ziege, bist du auch satt?«

Die Ziege antwortete:

»Ich bin so satt,

ich mag kein Blatt: mäh! mäh!«

»So komm nach Haus«, sagte der Junge, führte sie in den Stall und band sie fest.

»Nun«, sagte der alte Schneider, »hat die Ziege ihr gehöriges Futter?«

»Oh«, antwortete der Sohn, »die ist so satt, sie mag kein Blatt.«

Der Schneider traute nicht, ging hinab und fragte: »Ziege, bist du auch satt?«

Das boshafte Tier antwortete:

»Wovon sollt ich satt sein?

Ich sprang nur über Gräbelein

und fand kein einzig Blättelein: mäh! mäh!«

»O die Lügenbrut!« rief der Schneider. »Einer so pflichtvergessen wie der andere! Ihr sollt mich nicht länger zum Narren haben!« Und vor Zorn ganz außer sich, sprang er hinauf und gerbte dem armen Jungen mit der Elle den Rücken so gewaltig, daß er zum Haus hinaussprang.

Der alte Schneider war nun mit seiner Ziege allein. Am andern Morgen ging er hinab in den Stall, liebkoste die Ziege und sprach: »Komm, mein liebes Tierlein, ich will dich selbst zur Weide führen.« Er nahm sie am Strick und brachte sie zu grünen Hecken und unter Schafrippe und was sonst die Ziegen gerne fressen.

»Da kannst du dich einmal nach Herzenslust sättigen«, sprach er zu ihr und ließ sie weiden bis zum Abend. Da fragte er: »Ziege, bist du satt?«

Sie antwortete:

»Ich bin so satt,

ich mag kein Blatt: mäh! mäh!«

»So komm nach Haus«, sagte der Schneider, führte sie in den Stall und band sie fest. Als er wegging, kehrte er sich noch einmal um und sagte: »Nun bist du doch einmal satt!«

Aber die Ziege machte es ihm nicht besser und rief:

»Wovon sollt ich satt sein?

Ich sprang nur über Gräbelein

und fand kein einzig Blättelein: mäh! mäh!«

Als der Schneider das hörte, stutzte er und sah wohl, daß er seine drei Söhne ohne Ursache verstoßen hatte.

»Wart«, rief er, »du undankbares Geschöpf, dich fortzujagen ist noch zuwenig, ich will dich zeichnen, daß du dich unter ehrbaren Schneidern nicht mehr darfst sehen lassen.«

In einer Hast sprang er hinauf, holte sein Bartmesser, seifte der Ziege den Kopf ein und schor sie so glatt wie seine flache Hand, und weil die Elle zu ehrenvoll gewesen wäre, holte er die Peitsche und versetzte ihr solche Hiebe, daß sie in gewaltigen Sprüngen davonlief. Der Schneider, als er so ganz einsam in seinem Hause saß, verfiel in große Traurigkeit und hätte seine Söhne gerne wiedergehabt, aber niemand wußte, wo sie hingeraten waren.

Der älteste war zu einem Schreiner in die Lehre gegangen, da lernte er fleißig und unverdrossen, und als seine Zeit herum war, daß er wandern sollte, schenkte ihm der Meister ein Tischchen, das gar kein besonderes Ansehen hatte und von gewöhnlichem Holz war: Aber es hatte eine gute Eigenschaft. Wenn man es hinstellte und sprach: »Tischlein, deck dich«, so war das gute Tischchen auf einmal mit einem saubern Tüchlein bedeckt, und stand da ein Teller und Messer und Gabel daneben und Schüsseln mit Gesottenem und Gebratenem, soviel Platz hatten, und ein großes Glas mit rotem Wein leuchtete, daß einem das Herz lachte. Der junge Gesell dachte: Damit hast du genug für dein Lebtag, zog guter Dinge in der Welt umher und bekümmerte sich gar nicht darum, ob ein Wirtshaus gut oder schlecht und ob etwas darin zu finden war oder nicht. Wenn es ihm gefiel, so kehrte er gar nicht ein, sondern im Felde, im Wald, auf einer Wiese, wo er Lust hatte, nahm er sein Tischchen vom Rücken, stellte es vor sich und sprach: »Deck dich«, so war alles da, was sein Herz begehrte.

Endlich kam es ihm in den Sinn, er wollte zu seinem Vater zurückkehren, sein Zorn würde sich gelegt haben, und mit dem Tischchen deck dich würde er ihn gerne wieder aufnehmen. Es trug sich zu, daß er auf dem Heimweg abends in ein Wirtshaus kam, das mit Gästen angefüllt war. Sie hießen ihn willkommen und luden ihn ein, sich zu ihnen zu setzen und mit ihnen zu essen, sonst werde er schwerlich noch etwas bekommen.

»Nein«, antwortete der Schreiner, »die paar Bissen will ich euch nicht vor dem Munde nehmen, lieber sollt ihr meine Gäste sein.«

Sie lachten und meinten, er triebe seinen Spaß mit ihnen. Er aber stellte sein hölzernes Tischchen mitten in die Stube und sprach: »Tischchen, deck dich.« Augenblicklich war es mit Speisen besetzt, so gut, wie sie der Wirt nicht hätte herbeischaffen können, und wovon der Geruch den Gästen lieblich in die Nase stieg.

»Zugegriffen, liebe Freunde«, sprach der Schreiner, und die Gäste, als sie sahen, wie es gemeint war, ließen sich nicht zweimal bitten, rückten heran, zogen ihre Messer und griffen tapfer zu. Und was sie am meisten verwunderte, wenn eine Schüssel leer geworden war, so stellte sich gleich von selbst eine volle an ihren Platz. Der Wirt stand in einer Ecke und sah dem Dinge zu; er wußte gar nicht, was er sagen sollte, dachte aber: Einen solchen Koch könntest du in deiner Wirtschaft wohl brauchen. Der Schreiner und seine Gesellschaft waren lustig bis in die späte Nacht, endlich legten sie sich schlafen, und der junge Geselle ging auch zu Bett und stellte sein Wünschtischchen an die Wand. Dem Wirte aber ließen seine Gedanken keine Ruhe, es fiel ihm ein, daß in seiner Rumpelkammer ein altes Tischchen stände, das geradeso aussähe. Das holte er ganz sachte herbei und vertauschte es mit dem Wünschtischchen.

Am andern Morgen zahlte der Schreiner sein Schlafgeld, packte sein Tischchen auf, dachte gar nicht daran, daß er ein falsches hätte, und ging seiner Wege.

Zu Mittag kam er bei seinem Vater an, der ihn mit großer Freude empfing.

»Nun, mein lieber Sohn, was hast du gelernt?« sagte er zu ihm.

»Vater, ich bin Schreiner geworden.«

»Ein gutes Handwerk«, erwiderte der Alte, »aber was hast du von deiner Wanderschaft mitgebracht?«

»Vater, das Beste, was ich mitgebracht habe, ist das Tischchen.« Der Schneider betrachtete es von allen Seiten und sagte: »Daran hast du kein Meisterstück gemacht, das ist ein altes und schlechtes Tischchen.«

»Aber es ist ein Tischchendeckdich«, antwortete der Sohn, »wenn ich es hinstelle und sage ihm, es sollte sich decken, so stehen gleich die schönsten Gerichte darauf und ein Wein dabei, der das Herz erfreut. Ladet nur alle Verwandten und Freunde ein, die sollen sich einmal laben und erquicken, denn das Tischchen macht sie alle satt.«

Als die Gesellschaft beisammen war, stellte er sein Tischchen mitten in die Stube und sprach: »Tischchen, deck dich.« Aber das Tischchen regte sich nicht und blieb so leer wie ein anderer Tisch, der die Sprache nicht versteht. Da merkte der arme Geselle, daß ihm das Tischchen vertauscht war, und schämte sich, daß er wie ein Lügner dastand. Die Verwandten aber lachten ihn aus und mußten ungetrunken und ungegessen wieder heimwandern.

Der Vater holte seine Lappen wieder herbei und schneiderte fort, der Sohn aber ging bei einem Meister in die Arbeit.

Der zweite Sohn war zu einem Müller gekommen und bei ihm in die Lehre gegangen.

Als er seine Jahre herum hatte, sprach der Meister: »Weil du dich so wohl gehalten hast, so schenke ich dir einen Esel von einer besonderen Art, er zieht nicht am Wagen und trägt auch keine Säcke.«

»Wozu ist er denn nütze?« fragte der junge Geselle.

»Er speit Gold«, antwortete der Müller, »wenn du ihn auf ein Tuch stellst und sprichst ›Bricklebrit‹ so speit dir das gute Tier Goldstücke aus, hinten und vorne.«

»Das ist eine schöne Sache«, sprach der Geselle, dankte dem Meister und zog in die Welt. Wenn er Gold nötig hatte, brauchte er nur zu seinem Esel »Bricklebrit« zu sagen, so regnete es Goldstücke, und er hatte weiter keine Mühe, als sie von der Erde aufzuheben. Wo er hinkam, war ihm das Beste gut genug und je teurer, je lieber, denn er hatte immer einen vollen Beutel. Als er sich eine Zeitlang in der Welt umgesehen hatte, dachte er, du mußt deinen Vater aufsuchen, wenn du mit dem Goldesel kommst, so wird er seinen Zorn vergessen und dich gut aufnehmen. Es trug sich zu, daß er in dasselbe Wirtshaus geriet, in welchem seinem Bruder das Tischchen vertauscht war. Er führte seinen Esel an der Hand, und der Wirt wollte ihm das Tier abnehmen und anbinden, der junge Geselle aber sprach: »Gebt Euch keine Mühe, meinen Grauschimmel führe ich selber in den Stall und binde ihn auch selbst an, denn ich muß wissen, wo er steht.«

Dem Wirt kam das wunderlich vor, und er meinte, einer, der seinen Esel selbst besorgen müßte, hätte nicht viel zu verzehren; als aber der Fremde in die Tasche griff, zwei Goldstücke herausholte und sagte, er sollte nur etwas Gutes für ihn einkaufen, so machte er große Augen, lief und suchte das Beste, das er auftreiben konnte. Nach der Mahlzeit fragte der Gast, was er schuldig wäre, der Wirt wollte die doppelte Kreide nicht sparen und sagte, noch ein paar Goldstücke müßte er zulegen. Der Geselle griff in die Tasche, aber sein Gold war eben zu Ende.

»Wartet einen Augenblick, Herr Wirt«, sprach er, »ich will nur gehen und Gold holen«; nahm aber das Tischtuch mit.

Der Wirt wußte nicht, was das heißen sollte, war neugierig, schlich ihm nach, und da der Gast die Stalltür zuriegelte, so guckte er durch ein Astloch. Der Fremde breitete unter dem Esel das Tuch aus, rief »Bricklebrit«, und augenblicklich fing das Tier an, Gold zu speien von hinten und vorn, daß es ordentlich auf die Erde herabregnete.

»Ei der Tausend«, sagte der Wirt, »da sind die Dukaten bald geprägt! So ein Geldbeutel ist nicht übel!«

Der Gast bezahlte seine Zeche und legte sich schlafen, der Wirt aber schlich in der Nacht herab in den Stall, führte den Münzmeister weg und band einen andern Esel an seine Stelle. Den folgenden Morgen in der Frühe zog der Geselle mit seinem Esel ab und meinte, er hätte seinen Goldesel. Mittags kam er bei seinem Vater an, der sich freute, als er ihn wiedersah, und ihn gerne aufnahm.

»Was ist aus dir geworden, mein Sohn?« fragte der Alte. »Ein Müller, lieber Vater«, antwortete er. »Was hast du von deiner Wanderschaft mitgebracht?« »Weiter nichts als einen Esel.« »Esel gibt’s hier genug«, sagte der Vater, »da wäre mir doch eine gute Ziege lieber gewesen.«

»Ja«, antwortete der Sohn, »aber es ist kein gemeiner Esel, sondern ein Goldesel: Wenn ich sage ›Bricklebrit‹, so speit Euch das gute Tier ein ganzes Tuch voll Goldstücke. Laßt nur alle Verwandten herbeirufen, ich mache sie alle zu reichen Leuten.«

»Das laß ich mir gefallen«, sagte der Schneider, »dann brauch ich mich mit der Nadel nicht weiter zu quälen«, sprang selbst fort und rief die Verwandten herbei. Sobald sie beisammen waren, hieß sie der Müller Platz machen, breitete sein Tuch aus und brachte den Esel in die Stube.

»Jetzt gebt acht«, sagte er und rief »Bricklebrit«, aber es waren keine Goldstücke, was herabfiel, und es zeigte sich, daß das Tier nichts von der Kunst verstand, denn es bringt’s nicht jeder Esel so weit.

Da machte der arme Müller ein langes Gesicht, sah, daß er betrogen war, und bat die Verwandten um Verzeihung, die so arm heimgingen, als sie gekommen waren. Es blieb nichts übrig, der Alte mußte wieder nach der Nadel greifen und der Junge sich bei einem Müller verdingen.

Der dritte Bruder war zu einem Drechsler in die Lehre gegangen, und weil es ein kunstreiches Handwerk ist, mußte er am längsten lernen.

Seine Brüder aber meldeten ihm in einem Briefe, wie schlimm es ihnen ergangen wäre und wie sie der Wirt noch am letzten Abend um ihre schönen Wünschdinge gebracht hätte. Als der Drechsler nun ausgelernt hatte und wandern sollte, so schenkte ihm sein Meister, weil er sich so wohl gehalten, einen Sack und sagte: »Es liegt ein Knüppel darin.«

»Den Sack kann ich umhängen, und er kann mir gute Dienste leisten, aber was soll der Knüppel darin? Der macht ihn nur schwer.«

»Das will ich dir sagen«, antwortete der Meister, »hat dir jemand etwas zuleid getan, so sprich nur: ›Knüppel, aus dem Sack‹, so springt dir der Knüppel heraus unter die Leute und tanzt ihnen so lustig auf dem Rücken herum, daß sie sich acht Tage lang nicht regen und bewegen können; und eher läßt er nicht ab, als bis du sagst: ›Knüppel, in den Sack.‹«

Der Gesell dankte ihm, hing den Sack um, und wenn ihm jemand zu nahe kam und auf den Leib wollte, so sprach er: »Knüppel, aus dem Sack«, alsbald sprang der Knüppel heraus und klopfte einem nach dem andern den Rock oder Wams gleich auf dem Rücken aus und wartete nicht erst, bis er ihn ausgezogen hatte; und das ging so geschwind, daß, eh sich’s einer versah, die Reihe schon an ihm war.

Der junge Drechsler langte zur Abendzeit in dem Wirtshaus an, wo seine Brüder waren betrogen worden. Er legte seinen Ranzen vor sich auf den Tisch und fing an zu erzählen, was er alles Merkwürdiges in der Welt gesehen habe.

»Ja«, sagte er, »man findet wohl ein Tischchendeckdich, einen Goldesel und dergleichen: Lauter gute Dinge, die ich nicht verachte, aber das ist alles nichts gegen den Schatz, den ich mir erworben habe und mit mir da in meinem Sack führe.«

Der Wirt spitzte die Ohren. Was in aller Welt mag das sein, dachte er, der Sack ist wohl mit lauter Edelsteinen angefüllt; den sollte ich billig auch noch haben, denn aller guten Dinge sind drei. Als Schlafenszeit war, streckte sich der Gast auf die Bank und legte seinen Sack als Kopfkissen unter. Der Wirt, als er meinte, der Gast läge in tiefem Schlaf, ging herbei, rückte und zog ganz sachte und vorsichtig an dem Sack, ob er ihn vielleicht wegziehen und einen andern unterlegen könnte. Der Drechsler aber hatte schon lange darauf gewartet; wie nun der Wirt einen herzhaften Ruck tun wollte, rief er: »Knüppel, aus dem Sack.« Alsbald fuhr das Knüppelchen heraus, dem Wirt auf den Leib, und rieb ihm die Nähte, daß es eine Art hatte. Der Wirt schrie zum Erbarmen, aber je lauter er schrie, desto kräftiger schlug der Knüppel ihm den Takt dazu auf dem Rücken, bis er endlich erschöpft zur Erde fiel.

Da sprach der Drechsler: »Wo du das Tischchendeckdich und den Goldesel nicht wieder herausgibst, so soll der Tanz von neuem beginnen.«

»Ach nein«, rief der Wirt ganz kleinlaut, »ich gebe alles gerne wieder heraus, laßt nur den verwünschten Kobold wieder in den Sack kriechen.«

Da sprach der Geselle: »Ich will Gnade für Recht ergehen lassen, aber hüte dich vor Schaden!« Dann rief er: »Knüppel, in den Sack!« und ließ ihn ruhen.

Der Drechsler zog am andern Morgen mit dem Tischchendeckdich und dem Goldesel heim zu seinem Vater. Der Schneider freute sich, als er ihn wiedersah, und fragte auch ihn, was er in der Fremde gelernt hätte.

»Lieber Vater«, antwortete er, »ich bin ein Drechsler geworden.«

»Ein kunstreiches Handwerk«, sagte der Vater, »was hast du von der Wanderschaft mitgebracht?«

»Ein kostbares Stück, lieber Vater«, antwortete der Sohn, »einen Knüppel in dem Sack.«

»Was!« rief der Vater, »einen Knüppel! Das ist der Mühe wert! Den kannst du dir von jedem Baum abhauen!«

»Aber einen solchen nicht, lieber Vater: Sage ich: ›Knüppel, aus dem Sack‹, so springt der Knüppel heraus und macht mit dem, der es nicht gut mit mir meint, einen schlimmen Tanz und läßt nicht eher nach, als bis er auf der Erde liegt und um gut Wetter bittet. Seht Ihr, mit diesem Knüppel hab ich das Tischchen deck dich und den Goldesel wieder herbeigeschafft, die der diebische Wirt meinen Brüdern abgenommen hatte. Jetzt laßt sie beide rufen und ladet alle Verwandten ein, ich will sie speisen und tränken und will ihnen die Taschen noch mit Gold füllen.« Der alte Schneider wollte nicht recht trauen, brachte aber doch die Verwandten zusammen.

Da deckte der Drechsler ein Tuch in die Stube, führte den Goldesel herein und sagte zu seinem Bruder: »Nun, lieber Bruder, sprich mit ihm.«

Der Müller sagte »Bricklebrit«, und augenblicklich sprangen die Goldstücke auf das Tuch herab, als käme ein Platzregen, und der Esel hörte nicht eher auf, als bis alle so viel hatten, daß sie nicht mehr tragen konnten. (Ich sehe dir’s an, du wärst auch gerne dabeigewesen.)

Dann holte der Drechsler das Tischchen und sagte: »Lieber Bruder, nun sprich mit ihm.« Und kaum hatte der Schreiner »Tischchen, deck dich« gesagt, so war es gedeckt und mit den schönsten Schüsseln reichlich besetzt. Da ward eine Mahlzeit gehalten, wie der gute Schneider noch keine im Hause erlebt hatte, und die ganze Verwandtschaft blieb beisammen bis in die Nacht, und waren alle lustig und vergnügt.

Der Schneider verschloß Nadel und Zwirn, Elle und Bügeleisen in einen Schrank und lebte mit seinen drei Söhnen in Freude und Herzlichkeit.

Wo aber ist die Ziege hingekommen, die schuld war, daß der Schneider seine drei Söhne fortjagte? Das will ich dir sagen. Sie schämte sich, daß sie einen kahlen Kopf hatte, lief in eine Fuchshöhle und verkroch sich hinein. Als der Fuchs nach Haus kam, funkelten ihm ein Paar große Augen aus der Dunkelheit entgegen, daß er erschrak und wieder zurücklief. Der Bär begegnete ihm, und da der Fuchs ganz verstört aussah, so sprach er: »Was ist dir, Bruder Fuchs, was machst du für ein Gesicht?«

»Ach«, antwortete der Rote, »ein grimmig Tier sitzt in meiner Höhle und hat mich mit feurigen Augen angeglotzt.«

»Das wollen wir bald austreiben«, sprach der Bär, ging mit zu der Höhle und schaute hinein; als er aber die feurigen Augen erblickte, wandelte ihn ebenfalls Furcht an. Er wollte mit dem grimmigen Tiere nichts zu tun haben und nahm Reißaus. Die Biene begegnete ihm, und da sie merkte, daß es ihm in seiner Haut nicht mehr wohl zumute war, sprach sie: »Bär, du machst ja ein gewaltig verdrießlich Gesicht, wo ist deine Lustigkeit geblieben?«

»Du hast gut reden«, antwortete der Bär, »es sitzt ein grimmiges Tier mit Glotzaugen in dem Hause des Roten, und wir können es nicht herausjagen.«

Die Biene sprach: »Du dauerst mich, Bär, ich bin ein armes schwaches Geschöpf, das ihr im Wege nicht anguckt, aber ich glaube doch, daß ich euch helfen kann.«

Sie flog in die Fuchshöhle, setzte sich der Ziege auf den glatten, geschorenen Kopf und stach sie so gewaltig, daß sie aufsprang, »Mäh, mäh!« schrie und wie toll in die Welt hineinlief. Und weiß niemand auf diese Stunde, wo sie hingelaufen ist.

Strohhalm, Kohle und Bohne

Gebrüder Grimm

Strohhalm, Kohle und Bohne

In einem Dorfe wohnte eine arme alte Frau, die hatte ein Gericht Bohnen zusammengebracht und wollte sie kochen. Sie machte also auf ihrem Herd ein Feuer zurecht, und damit es desto schneller brennen sollte, zündete sie es mit einer Handvoll Stroh an. Als sie die Bohnen in den Topf schüttete, entfiel ihr unbemerkt eine, die auf dem Boden neben einen Strohhalm zu liegen kam. Bald danach sprang auch eine glühende Kohle vom Herd zu den beiden herab. Da fing der Strohhalm an und sprach: »Liebe Freunde, von wannen kommt ihr her?«

Die Kohle antwortete: »Ich bin zu gutem Glück dem Feuer entsprungen, und hätte ich das nicht mit Gewalt durchgesetzt, so war mir der Tod gewiß: Ich wäre zu Asche verbrannt.«

Die Bohne sagte: »Ich bin auch noch mit heiler Haut davongekommen, aber hätte mich die Alte in den Topf gebracht, ich wäre ohne Barmherzigkeit zu Brei gekocht worden wie meine Kameraden.«

»Wäre mir denn ein besser Schicksal zuteil geworden?« sprach das Stroh. »Alle meine Brüder hat die Alte in Feuer und Rauch aufgehen lassen, sechzig hat sie auf einmal gepackt und ums Leben gebracht. Glücklicherweise bin ich ihr zwischen den Fingern durchgeschlüpft.«

»Was sollen wir aber nun anfangen?« sprach die Kohle.

»Ich meine«, antwortete die Bohne, »weil wir so glücklich dem Tode entronnen sind, so wollen wir uns als gute Gesellen zusammenhalten und, damit uns hier nicht wieder ein neues Unglück ereilt, gemeinschaftlich auswandern und in ein fremdes Land ziehen.«

Der Vorschlag gefiel den beiden andern, und sie machten sich miteinander auf den Weg. Bald aber kamen sie an einen kleinen Bach, und da keine Brücke oder Steg da war, so wußten sie nicht, wie sie hinüberkommen sollten. Der Strohhalm fand guten Rat und sprach: »Ich will mich querüber legen, so könnt ihr auf mir wie auf einer Brücke hinübergehen.«

Der Strohhalm streckte sich also von einem Ufer zum andern, und die Kohle, die von hitziger Natur war, trippelte auch ganz keck auf die neugebaute Brücke. Als sie aber in die Mitte gekommen war und unter sich das Wasser rauschen hörte, ward ihr doch angst: Sie blieb stehen und getraute sich nicht weiter. Der Strohhalm aber fing an zu brennen, zerbrach in zwei Stücke und fiel in den Bach: Die Kohle rutschte nach, zischte, wie sie ins Wasser kam, und gab den Geist auf. Die Bohne, die vorsichtigerweise noch auf dem Ufer zurückgeblieben war, mußte über die Geschichte lachen, konnte nicht aufhören und lachte so gewaltig, daß sie zerplatzte. Nun war es ebenfalls um sie geschehen, wenn nicht zu gutem Glück ein Schneider, der auf der Wanderschaft war, sich an dem Bach ausgeruht hätte. Weil er ein mitleidiges Herz hatte, so holte er Nadel und Zwirn heraus und nähte sie zusammen. Die Bohne bedankte sich bei ihm aufs schönste, aber da er schwarzen Zwirn gebraucht hatte, so haben seit der Zeit alle Bohnen eine schwarze Naht.

Spindel, Weberschiffchen und Nadel

Gebrüder Grimm

Spindel, Weberschiffchen und Nadel

Es war einmal ein Mädchen, dem starb Vater und Mutter, als es noch ein kleines Kind war. Am Ende des Dorfes wohnte in einem Häuschen ganz allein seine Pate, die sich von Spinnen, Weben und Nähen ernährte. Die Alte nahm das verlassene Kind zu sich, hielt es zur Arbeit an und erzog es in aller Frömmigkeit. Als das Mädchen fünfzehn Jahre alt war, erkrankte sie, rief das Kind an ihr Bett und sagte: »Liebe Tochter, ich fühle, daß mein Ende herannaht, ich hinterlasse dir das Häuschen, darin bist du vor Wind und Wetter geschützt, dazu Spindel, Weberschiffchen und Nadel, damit kannst du dir dein Brot verdienen.« Sie legte noch die Hände auf seinen Kopf, segnete es und sprach: »Behalte nur Gott in dem Herzen, so wird dir’s wohl gehen.« Darauf schloß sie die Augen, und als sie zur Erde bestattet wurde, ging das Mädchen bitterlich weinend hinter dem Sarg und erwies ihr die letzte Ehre.

Das Mädchen lebte nun in dem kleinen Haus ganz allein, war fleißig, spann, webte und nähte, und auf allem, was es tat, ruhte der Segen der guten Alten. Es war, als ob sich der Flachs in der Kammer von selbst mehrte, und wenn sie ein Stück Tuch oder einen Teppich gewebt oder ein Hemd genäht hatte, so fand sich gleich ein Käufer, der es reichlich bezahlte, so daß sie keine Not empfand und andern noch etwas mitteilen konnte.

Um diese Zeit zog der Sohn des Königs im Land umher und wollte sich eine Braut suchen. Eine arme sollte er nicht wählen, und eine reiche wollte er nicht. Da sprach er: »Die soll meine Frau werden, die zugleich die Ärmste und die Reichste ist.«

Als er in das Dorf kam, wo das Mädchen lebte, fragte er, wie er überall tat, wer in dem Ort die Reichste und Ärmste wäre. Sie nannten ihm die Reichste zuerst. Die Ärmste, sagten sie, wäre das Mädchen, das in dem kleinen Haus ganz am Ende wohnte. Die Reiche saß vor der Haustür in vollem Putz, und als der Königssohn sich näherte, stand sie auf, ging ihm entgegen und neigte sich vor ihm. Er sah sie an, sprach kein Wort und ritt weiter. Als er zu dem Haus der Armen kam, stand das Mädchen nicht an der Türe, sondern saß in seinem Stübchen. Er hielt das Pferd an und sah durch das Fenster, durch das die helle Sonne schien, das Mädchen an dem Spinnrad sitzen und emsig spinnen. Es blickte auf, und als es bemerkte, daß der Königssohn hereinschaute, ward es über und über rot, schlug die Augen nieder und spann weiter. Ob der Faden diesmal ganz gleich ward, weiß ich nicht, aber es spann so lange, bis der Königssohn wieder weggeritten war. Dann trat es ans Fenster, öffnete es und sagte: »Es ist so heiß in der Stube«, aber es blickte ihm nach, solange es noch die weißen Federn an seinem Hut erkennen konnte. Das Mädchen setzte sich wieder in seine Stube zur Arbeit und spann weiter. Da kam ihm ein Spruch in den Sinn, den die Alte manchmal gesagt hatte, wenn es bei der Arbeit saß, und es sang so vor sich hin.,

»Spindel, Spindel, geh du aus,

bring den Freier in mein Haus.«

Was geschah? Die Spindel sprang ihm augenblicklich aus der Hand und zur Tür hinaus; und als es vor Verwunderung aufstand und ihr nachblickte, so sah es, daß sie lustig in das Feld hineintanzte und einen glänzenden, goldenen Faden hinter sich herzog. Nicht lange, so war sie ihm aus den Augen entschwunden. Das Mädchen, da es keine Spindel mehr hatte, nahm das Weberschiffchen in die Hand, setzte sich an den Webstuhl und fing an zu weben.

Die Spindel aber tanzte immer weiter, und eben als der Faden zu Ende war, hatte sie den Königssohn erreicht.

»Was sehe ich?« rief er, »Die Spindel will mir wohl den Weg zeigen?«, drehte sein Pferd um und ritt an dem goldenen Faden zurück. Das Mädchen aber saß an seiner Arbeit und sang:

»Schiffchen, Schiffchen, webe fein,

führ den Freier mir herein.«

Alsbald sprang ihr das Schiffchen aus der Hand und sprang zur Türe hinaus. Vor der Türschwelle aber fing es an, einen Teppich zu weben, schöner als man je einen gesehen hat. Auf beiden Seiten blühten Rosen und Lilien, und in der Mitte auf goldenem Grund stiegen grüne Ranken herauf, darin sprangen Hasen und Kaninchen, Hirsche und Rehe streckten die Köpfe dazwischen, oben in den Zweigen saßen bunte Vögel; es fehlte nichts, als daß sie gesungen hätten. Das Schiffchen sprang hin und her, und es war, als wüchse alles von selber.

Weil das Schiffchen fortgelaufen war, hatte sich das Mädchen zum Nähen hingesetzt. Es hielt die Nadel in der Hand und sang:

»Nadel, Nadel, spitz und fein,

mach das Haus dem Freier rein.«

Da sprang ihr die Nadel aus den Fingern und flog in der Stube hin und her, so schnell wie der Blitz. Es war nicht anders, als wenn unsichtbare Geister arbeiteten, alsbald überzogen sich Tisch und Bänke mit grünem Tuch, die Stühle mit Sammet, und an den Fenstern hingen seidene Vorhänge herab. Kaum hatte die Nadel den letzten Stich getan, so sah das Mädchen schon durch das Fenster die weißen Federn von dem Hut des Königssohns, den die Spindel an dem goldenen Faden herbeigeholt hatte. Er stieg ab, schritt über den Teppich in das Haus herein, und als er in die Stube trat, stand das Mädchen da in seinem ärmlichen Kleid, aber es glühte darin wie eine Rose im Busch.

»Du bist die Ärmste und auch die Reichste«, sprach er zu ihr, »komm mit mir, du sollst meine Braut sein.« Sie schwieg, aber sie reichte ihm die Hand. Da gab er ihr einen Kuß, führte sie hinaus, hob sie auf sein Pferd und brachte sie in das königliche Schloß, wo die Hochzeit mit großer Freude gefeiert ward. Spindel, Weberschiffchen und Nadel wurden in der Schatzkammer verwahrt und in großen Ehren gehalten.