Kapitel 3

Kapitel 3

Der Saal des Rathauses, wohin die Angekommenen geführt wurden, bildete ein großes, längliches Viereck. Die Wände und die zu der Größe des Saales unverhältnismäßig niedere Decke waren mit einem Getäfel von braunem Holz ausgelegt, unzählige Fenster mit runden Scheiben, worauf die Wappen der edlen Geschlechter von Ulm mit brennenden Farben gemalt waren, zogen sich an der einen Seite hin, die gegenüberstehende Wand füllten Gemälde berühmter Bürgermeister und Ratsherren der Stadt, die beinahe alle in der gleichen Stellung, die Linke in die Hüfte, die Rechte auf einen reich behängten Tisch gestützt, ernst und feierlich auf die Gäste ihrer Enkel herabsahen. Diese drängten sich in verworrenen Gruppen um die Tafel her, die, in Form eines Hufeisens aufgestellt, beinahe die ganze Weite des Saales einnahm. Der Rat und die Patrizier, die heute im Namen der Stadt die Honneurs machen sollten, stachen in ihren zierlichen Festkleidern mit den steifen schneeweißen Halskrausen wunderlich ab gegen ihre bestaubten Gäste, die, in Lederwerk und Eisenblech gehüllt, oft gar unsanft an die seidenen Mäntelein und samtenen Gewänder streiften. Man hatte bis jetzt noch auf den Herzog von Bayern gewartet, der einige Tage vorher eingetroffen, zu dem glänzenden Mittagsmahl zugesagt hatte; als aber sein Kammerdiener seine Entschuldigung brachte, gaben die Trompeter das ersehnte Zeichen, und alles drängte so ungestüm zur Tafel, daß nicht einmal die gastfreundliche Ordnung des Rates, der je zwischen zwei Gäste einen Ulmer setzen wollte, gehörig beobachtet wurde.

Breitenstein hatte Georg auf einen Sitz niedergezogen, den er ihm als einen ganz vorzüglichen anpries. »Ich hätte Euch«, sagte der alte Herr, »zu den Gewaltigen da oben, zu Frondsberg, Sickingen, Hutten und Waldburg setzen können, aber in solcher Gesellschaft kann man den Hunger nicht mit gehöriger Ruhe stillen. Ich hätte Euch ferner zu den Nürnbergern und Augsburgern führen können, dort unten, wo der gebratene Pfau steht – weiß Gott, sie haben keinen üblen Platz -, aber ich weiß, daß Euch die Städter nicht recht behagen, darum habe ich Euch hierher gesetzt. Schaut Euch hier um, ob dies nicht ein trefflicher Platz ist? Die Gesichter umher kennen wir nicht, also braucht man nicht viel zu schwatzen. Rechts haben wir den geräucherten Schweinskopf mit der Zitrone im Maul, links eine prachtvolle Forelle, die sich vor Vergnügen in den Schwanz beißt, und vor uns diesen Rehziemer, so fett und zart wie auf der ganzen Tafel keiner mehr zu finden ist.«

Georg dankte ihm, daß er mit so viel Umsicht für ihn gesorgt habe, und betrachtete zugleich flüchtig seine Umgebung. Sein Nachbar rechts war ein junger, zierlicher Herr von etwa fünfundzwanzig bis dreißig Jahren. Das frischgekämmte Haar, duftend von wohlriechenden Salben, der kleine Bart, der erst vor einer Stunde mit warmem Zänglein gekräuselt sein mochte, ließen Georg, noch ehe ihn die Mundart davon überzeugte, in ihm einen Ulmer Herrn erraten Der junge Herr, als er sah, daß er von seinem Nachbar bemerkt wurde, bewies sich sehr zuvorkommend, indem er Georgs Becher aus einer großen silbernen Kanne füllte, auf glückliche Ankunft und gute Nachbarschaft mit ihm anstieß, und auch die besten Bissen von den unzähligen Rehen, Hasen, Schweinen, Fasanen und wilden Enten, die auf silbernen Platten umherstanden, dem Fremdling auf den Teller legte.

Doch diesen konnte weder seines Nachbarn zuvorkommende Gefälligkeit noch Breitensteins ungemeiner Appetit zum Essen reizen. Er war noch zu sehr beschäftigt mit dem geliebten Bild, das sich ihm beim Einzug gezeigt hatte, als daß er die Ermunterungen seiner Nachbarn befolgt hätte. Gedankenvoll sah er in den Becher, den er noch immer in der Hand hielt, und glaubte, wenn die Bläschen des alten Weines zersprangen und in Kreisen verschwebten, das Bild der Geliebten aus dem goldenen Boden des Bechers auftauchen zu sehen. Es war kein Wunder, daß der gesellige Herr zu seiner Rechten, als er sah, wie sein Gast, den Becher in der Hand, jede Speise verschmähe, ihn für einen unverbesserlichen Zechbruder hielt. Das feurige Auge, das unverwandt in den Becher sah, der lächelnde Mund des in seinen Träumen versunkenen Jünglings schienen ihm einen jener echten Weinkenner anzuzeigen, die auf feingeübter Zunge den Gehalt des edlen Trankes lange zu prüfen pflegen.

Um der Ermahnung des wohledlen Rates, den Gästen das Mahl so angenehm als möglich zu machen, gehörig nachzukommen, suchte er auf der entdeckten schwachen Seite dem jungen Mann beizukommen. Er schenkte sich seinen Becher wieder voll und begann: »Nicht wahr, Herr Nachbar, das Weinchen hat Feuer und einen feinen Geschmack? Freilich ist es kein Würzburger, wie Ihr in Franken ihn gewohnt sein werdet, aber es ist echter Ellfinger aus dem Ratskeller und immer seine achtzig Jahre alt.«

Verwundert über diese Anrede, setzte Georg den Becher nieder und antwortete mit einem kurzen »Ja, ja! -«, der Nachbar ließ aber den einmal aufgenommenen Faden nicht so bald wieder fallen. »Es scheint«, fuhr er fort, »als munde er Euch doch nicht ganz; aber da weiß ich Rat. Heda! Gebt eine Kanne Uhlbacher hierher! – Versucht einmal diesen, der wächst zunächst an des Württembergers Schloß; in diesem müßt Ihr mir Bescheid tun: Kurzen Krieg, großen Sieg!«

Georg, dem dieses Gespräch nicht recht zusagte, suchte seinen Nachbar auf einen anderen Weg zu bringen, der ihn zu anziehenderen Nachrichten führen konnte. »Ihr habt«, sprach er, »schöne Mädchen hier in Ulm, wenigstens bei unserem Einzug glaubte ich deren viele zu bemerken.«

»Weiß Gott«, entgegnete der Ulmer, »man könnte damit pflastern.«

»Das wäre vielleicht so übel nicht«, fuhr Georg fort, »denn das Pflaster Eurer Straßen ist herzlich schlecht. Aber sagt mir, wer wohnt dort in dem Eckhaus mit dem Erker; wenn ich nicht irre, schauten dort zwei feine Jungfrauen heraus, als wir einritten.«

»Habt Ihr diese auch schon bemerkt?« lachte jener. »Wahrhaftig, Ihr habt ein scharfes Auge und seid ein Kenner. Das sind meine lieben Basen mütterlicherseits, die kleine Blonde ist eine Besserer, die andere ein Fräulein von Lichtenstein, eine Württembergerin, die auf Besuch dort ist.«

Georg dankte im stillen dem Himmel, der ihn gleich mit einem so nahen Verwandten Mariens zusammenführte. Er beschloß, den Zufall zu benützen, und wandte sich, so freundlich er nur konnte, zu seinem Nachbar: »Ihr habt ein paar hübsche Mühmchen, Herr von Besserer…«

»Dietrich von Kraft nenne ich mich«, fiel jener ein, »Schreiber des großen Rates.«

»Ein Paar schöne Kinder, Herr von Kraft; und Ihr besucht sie wohl recht oft?«

»Jawohl«, antwortete der Schreiber des großen Rates, »besonders seit die Lichtenstein im Haus ist. Zwar will mein Bäschen Berta etwas eifersüchtig werden, denn im Vertrauen gesagt, wir waren vorher ein Herz und eine Seele, aber ich tue, als merke ich es nicht, und stehe mit Marien um so besser.«

Diese Nachricht mochte nicht so gar angenehm in Georgs Ohren klingen, denn er preßte die Lippen zusammen und seine Wangen färbten sich dunkler.

»Ja, lacht nur«, fuhr der Ratsschreiber fort, dem der Geist des Weines zu Kopf stieg, »wenn Ihr wüßtet, wie sie sich beide um mich reißen. – Zwar – die Lichtenstein hat eine verdammte Art, freundlich zu sein; sie tut so vornehm und ernst, daß man nicht recht wagt, in ihrer Gegenwart Spaß zu machen, noch weniger läßt sie ein wenig mit sich schäkern wie Berta; aber gerade das kommt mir so wunderhübsch vor, daß ich elfmal wiederkomme, wenn sie mich auch zehnmal fortgeschickt hat. Das macht aber«, murmelte er nachdenklicher vor sich hin, »weil der gestrenge Herr Vater da ist, vor dem scheut sie sich; laßt nur den einmal über der Ulmer Markung sein, so soll sie schon kirre werden.«

Georg wollte sich nach dem Vater noch weiter erkundigen, als sonderbare Stimmen ihn unterbrachen Schon vorher hatte er mitten durch das Geräusch der Speisenden diese Stimmen zu hören geglaubt, wie sie in schleppendem, einförmigem Ton ein paar kurze Sätze hersagten, ohne zu verstehen, was es war. Jetzt hörte er dieselben Stimmen ganz in der Nähe, und bald bemerkte er, welchen Inhalts ihre eintönigen Sätze waren. Es gehörte nämlich in den guten alten Zeiten, besonders in Reichsstädten, zum Ton, daß der Hausvater und seine Frau, wenn sie Gäste geladen hatten, gegen die Mitte der Tafel aufstanden und bei jedem einzelnen umhergingen, mit einem herkömmlichen Sprüchlein zum Essen und Trinken zu nötigen.

Diese Sitte war in Ulm so stehend geworden, daß der hohe Rat beschloß, auch an diesem Mahl keine Ausnahme zu machen, sondern einen Hausvater samt Hausfrau aufzustellen, um diese Pflicht zu üben. Die Wahl fiel auf den Bürgermeister und den ältesten Ratsherrn.

Sie hatten schon zwei Seiten der Tafel »nötigend« umgangen, kein Wunder, daß ihre Stimmen durch die große Anstrengung endlich rauh und heiser geworden waren, und ihre freundschaftliche Aufmunterung wie eine Drohung klang. Eine rauhe Stimme tönte in Georgs Ohr: »Warum esset Ihr denn nicht, warum trinket Ihr denn nicht?« Erschrocken wandte sich der Gefragte um und sah einen starken, großen Mann mit rotem Gesicht; aber ehe er noch auf die schrecklichen Töne antworten konnte, begann an seiner anderen Seite ein kleiner Mann mit einer hohen dünnen Stimme:

»So esset doch und trinket satt,
Was der Magistrat Euch vorgesetzt hat.«

»Hab‘ ich’s doch schon lange gedacht, daß es so kommen würde«, fiel der alte Breitenstein ein, indem er ein wenig von der Anstrengung, mit welcher er den Rehziemer bearbeitet hatte, ausruhte.

»Da sitzt er und schwatzt, statt die köstlichen Braten zu genießen, die uns die Herren in so reichlicher Fülle vorgesetzt haben.«

»Mit Verlaub«, unterbrach ihn Dietrich von Kraft, »der junge Herr ißt nichts. Er ist ein Zechbruder und trefflicher Weinschmecker; hab‘ ich’s nicht gleich weg gehabt, daß er gerne zu tief ins Glas guckt? Darum tadle ihn keiner, wenn er sich lieber an den Uhlbacher hält.«

Georg wußte gar nicht, wie er zu dieser sonderbaren Schutzrede kam; er war im Begriff, sich zu entschuldigen, als ihn ein neuer Anblick überraschte. Breitenstein hatte sich jetzt des Schweinskopfes mit der Zitrone im Maul erbarmt, hatte die Zitrone geschickt aus dem Rachen des Tieres operiert, und begann mit großem Behagen und geübter Hand die weitere Sektion vorzunehmen, da trat der Bürgermeister auch zu ihm, und eben, als er an einem guten Bissen kaute, hub er an: »Warum esset Ihr denn nicht, warum trinket Ihr denn nicht?« Dieser sah den Nötigenden mit starren Blicken an, zum Reden hatten seine Sprachorgane keine Zeit. Er nickte daher mit dem Haupt und deutete auf die Reste des Rehziemers; der kleine Mann mit der Fistelstimme ließ sich aber nicht irremachen, sondern sprach freundlichst:

»So esset doch und trinket satt,
Was der Magistrat Euch vorgesetzt hat.«

So war es nun in den »guten alten Zeiten«! Man konnte sich wenigstens nicht beklagen, nur zu einem Schauessen geladen worden zu sein. Bald aber bekam die Tafel eine andere Gestalt. Die großen Schüsseln und Platten wurden abgetragen und geräumigere Humpen, größere Kannen, gefüllt mit edlem Wein, aufgesetzt. Die Umtränke und das in Schwaben schon damals sehr häufige Zutrinken begann, und nicht lange, so äußerte auch der Wein seine Wirkungen, und so füllte Gelächter, Gesang, Zanken und der dumpfe Klang der silbernen und zinnernen Becher den Saal.

Nur am oberen Ende der Tafel herrschte anständigere, ruhigere Fröhlichkeit. Dort saßen Georg von Frondsberg, der alte Ludwig Hutten, Waldburg Truchseß, Franz von Sickingen und noch andere ältliche, gesetzte Herren.

Dorthin wandte jetzt auch der Bundeshauptmann Hans von Breitenstein, nachdem er sich genugsam gesättigt hatte, seine Blicke und sprach zu Georg: »Das Lärmen um uns her will mir gar nicht behagen; wie wäre es, wenn ich Euch jetzt dem Frondsberger vorstellte, wie Ihr in den letzten Tagen gewünscht habt?«

Georg, dessen Wunsch schon lange war, dem Kriegsobersten bekannt zu werden, stand freudig auf, um dem alten Freund zu folgen. Wir werden ihn nicht tadeln, daß sein Herz bei diesem Gang ängstlicher pochte, seine Wangen sich höher färbten, seine Schritte, je näher er kam, ungewisser und zögernder wurden.

Wen haben nicht in seiner Jugend, wenn er einem glänzenden ruhmbekränzten Vorbild nahte, ähnliche Gefühle bestürmt? Wem sank da nicht sein eigenes Ich zur Unbedeutendheit zusammen, während der Gefeierte zum Riesen wuchs? Georg von Frondsberg galt schon damals als einer der berühmtesten Feldherren seiner Zeit. Italien, Frankreich und Deutschland erzählten von seinen Siegen, und die Kriegskunst wird ihn ewig in ihren Annalen nennen, denn er war der Stifter und Gründer eines geordneten, in Reihen und Gliedern fechtenden Fußvolkes. Zu ihm führte Breitenstein den Jüngling.

»Wen bringt Ihr uns da, Hans?« rief Georg von Frondsberg, indem er den hochgewachsenen schönen jungen Mann mit Teilnahme betrachtete.

»Seht ihn Euch einmal recht an, werter Herr«, antwortete Breitenstein, »ob Euch nicht einfällt, in welches Haus er gehören mag?«

Aufmerksamer betrachtete ihn der Feldhauptmann, auch der alte Truchseß von Waldburg wandte prüfend sein Auge herüber. Georg war schüchtern und blöde vor diese Männer getreten; aber sei es, daß die freundliche, zutrauliche Weise Frondsbergs ihm Mut machte, sei es, daß er fühlte, wie wichtig der Augenblick für ihn sei, er bekämpfte die Scham, den Blicken so vieler berühmter Männer ausgesetzt zu sein, und sah ihnen entschlossen und mutig ins Gesicht.

»Jetzt, an diesem Blick erkenne ich Dich«, sagte Frondsberg und bot ihm die Hand »Du bist ein Sturmfeder?«

»Georg Sturmfeder«, antwortete der junge Mann, »mein Vater war Burkhard Sturmfeder, er fiel, wie man mir sagte, in Italien an Eurer Seite.«

»Er war ein tapferer Mann«, sprach der Feldhauptmann, dessen Auge immer noch sinnend auf Georgs Zügen ruhte, »an manchem warmen Schlachttag hat er treu zu mir gehalten; wahrlich, sie haben ihn allzu früh eingescharrt! Und Du«, setzte er hinzu, »Du hast Dich eingestellt, um seiner Spur zu folgen? Was treibt Dich schon so früh aus dem Nest und bist kaum flügge?«

»Ich weiß schon«, unterbrach ihn Waldburg mit rauher, unangenehmer Stimme, »das Vögelein will sich ein paar Flöckchen Wolle suchen, um das alte Nest zu flicken!«

Diese rohe Anspielung auf die verfallene Burg seiner Ahnen jagte eine hohe Glut auf die Wangen des Jünglings. Er hatte sich nie seiner Dürftigkeit geschämt, aber dieses Wort klang so höhnend, daß er sich zum ersten Mal dem reichen Spötter gegenüber recht arm fühlte. Da fiel sein Blick über Truchseß Waldburg hin durch die Scheiben auf jenes wohlbekannte Erkerfenster; er glaubte Mariens Gestalt zu erblicken, und sein alter Mut kehrte wieder. »Ein jeder Kampf hat seinen Preis, Herr Ritter«, sagte er, »ich habe dem Bund Kopf und Arm angetragen; was mich dazu treibt, kann Euch gleichgültig sein.«

»Nun, nun!« erwiderte jener. »Wie es mit dem Arm aussieht, werden wir sehen, im Kopf muß es aber nicht so ganz hell sein, da Ihr aus Spaß gleich Ernst macht.«

Der gereizte Jüngling wollte wieder etwas darauf erwidern, Frondsberg aber nahm ihn freundlich bei der Hand: »Ganz wie Dein Vater, lieber Junge; nun, Du willst zeitlich zu einer Nessel werden. Und wir werden Leute brauchen, denen das Herz am rechten Fleck sitzt. Daß Du dann nicht der letzte bist, darfst Du gewiß sein.«

Diese wenigen Worte aus dem Mund eines durch Tapferkeit und Kriegskunst unter seinen Zeitgenossen hochberühmten Mannes übten so besänftigende Gewalt über Georg, daß er die Antwort, die ihm auf der Zunge schwebte, zurückdrängte und sich schweigend von der Tafel in ein Fenster zurückzog, teils um die Obersten nicht weiter zu stören, teils um sich genauer zu überzeugen, ob die flüchtige Erscheinung, die er vorhin gesehen, wirklich Marie gewesen sei.

Als Georg die Tafel verlassen hatte, wandte sich Frondsberg zu Waldburg: »Das ist nicht die Art, Herr Truchseß, wie man tüchtige Gesellen für unsere Sache gewinnt; ich wette, er ging nicht mit halb so viel Eifer für die Sache von uns, als er zu uns brachte.«

»Müßt Ihr dem jungen Laffen auch noch das Wort reden?« fuhr jener auf. »Was braucht es da? Er soll einen Spaß von seinem Obern ertragen lernen.«

»Mit Verlaub«, fiel ihm Breitenstein ins Wort, »das ist kein Spaß, sich über unverschuldete Armut lustig zu machen; ich weiß aber wohl, Ihr seid seinem Vater noch nie grün gewesen.«

»Und«, fuhr Frondsberg fort, »sein Oberer seid Ihr ganz und gar noch nicht. Er hat dem Bund noch keinen Eid geleistet; also kann er noch immer hinreiten, wohin er will; und wenn er auch unter Euren eigenen Fahnen diente, so möchte ich Euch doch nicht raten, ihn zu hänseln, er sieht mir nicht danach aus, als ob er sich viel gefallen ließe!«

Sprachlos vor Zorn über den Widerspruch, den er nie ertragen konnte, blickte Truchseß den einen und den andern an, mit so wutvollen Blicken, daß sich Ludwig von Hutten schnell ins Mittel schlug, um noch ärgeren Streit zu verhüten »Laßt doch die alten Geschichten!« rief er. »Überhaupt wäre es gut, die Tafel würde aufgehoben. Es dunkelt draußen schon stark und der Wein wird zu mächtig. Dietrich Spät hat schon zweimal des Württembergers Tod ausgebracht, und die Franken dort unten sind nur noch nicht einig, ob man seine Schlösser niederbrennen oder verteilen soll.«

»Laßt sie immer«, lachte Waldburg bitter, »die Herren dürfen ja heute machen, was sie wollen, Frondsberg wird ihnen doch das Wort reden.«

»Nein«, antwortete Ludwig Hutten, »wenn einer von so etwas reden darf, bin ich es, als der Bluträcher meines Sohnes; aber ehe noch der Krieg erklärt ist, müssen solche Reden unterbleiben. Mein Vetter Ulrich spricht mir auch zu heftig mit den Italienern über den Mönch von Wittenberg, und er verschwatzt sich zu sehr, wenn er in Zorn gerät. Laßt uns aufbrechen.«

Frondsberg und Sickingen stimmten ihm bei, sie standen auf, und als die nächsten um sie her ihrem Beispiel folgten, war der Aufbruch allgemein.

EPUB

Download als ePub

 

Downloaden sie dieses Kapitel als EPUB. Geeignet für alle SmartPhones, Tablets und sonst. Lesegeräte, die mit EPUB zurechtkommen.

PDF

Download als PDF

 

Downloaden sie dieses Kapitel als PDF.
Geeignet für alle PC, Tablets und sonst. Lesegeräte, die mit PDF zurechtkommen.

Gratis + Sicher

  • Viren- und Trojanergeprüft
  • ohne eMailadresse
  • ohne Anmeldung
  • ohne Wartezeit
  • Werbefreie Downloads

Kapitel 4

Kapitel 4

Georg hatte in dem Fenster, wohin er sich zurückgezogen hatte, nicht so entfernt gestanden, daß er nicht jedes Wort der Streitenden gehört hätte. Er freute sich der warmen Teilnahme, mit welcher Frondsberg sich des unberühmten, verwaisten Jünglings angenommen hatte, zugleich aber konnte er sich nicht verbergen, daß sein erster Schritt in die kriegerische Laufbahn ihm einen mächtigen, erbitterten Feind zugezogen hatte. Der Truchseß war zu bekannt im Heer wegen seines unbeugsamen Stolzes, als daß Georg hätte glauben dürfen, Huttens vermittelnde und besänftigende Worte hätten jede Erinnerung an diesen Streit verlöscht, und daß Männer von Gewicht, wie Waldburg, in solchen Fällen der vielleicht unschuldigen Ursache ihres Zornes die Schuld nicht erlassen, war ihm aus manchen Fällen wohl bekannt. Ein leichter Schlag auf seine Schulter unterbrach seine Gedanken, und er sah, als er sich umwandte, seinen freundlichen Nebensitzer, den Schreiber des großen Rates, vor sich.

»Ich wette, Ihr habt Euch noch nach keinem Quartier umgesehen«, sprach Dietrich von Kraft, »und es möchte Euch auch jetzt etwas schwer werden, denn es ist bereits dunkel, und die Stadt ist überfüllt.«

Georg gestand, daß er noch nicht daran gedacht habe, er hoffe aber, in einer der öffentlichen Herbergen noch ein Plätzchen zu bekommen.

»Darauf möchte ich doch nicht so sicher bauen«, entgegnete jener, »und gesetzt, Ihr fändet auch in einer solchen Schenke einen Winkel, so dürft Ihr doch sicherlich darauf rechnen, daß Ihr schlecht genug bedient seid. Aber wenn Euch meine Wohnung nicht zu gering scheint, so steht sie Euch mit Freude offen.«

Der gute Ratsschreiber sprach mit so viel Herzlichkeit, daß Georg nicht Anstand nahm, sein Anerbieten anzunehmen, obgleich er beinahe fürchtete, die gastfreundliche Einladung möchte seinen Wirt gereuen, wenn die gute Laune zugleich mit den Dünsten des Weines verflogen sein werde. Jener aber schien über die Bereitwilligkeit seines Gastes hoch erfreut; er nahm mit einem herzlichen Handschlag seinen Arm und führte ihn aus dem Saal.

Der Platz vor dem Rathaus bot indes einen ganz eigenen Anblick dar. Die Tage waren noch kurz, und die Abenddämmerung war während der Tafel unbemerkt hereingebrochen, man hatte daher Fackeln und Windlichter angezündet; ihr dunkelroter Schein erhellte den großen Raum nur sparsam und spielte in zitternden Reflexen an den Fenstern der gegenüberstehenden Häuser und auf den blanken Helmen und Brustharnischen der Ritter. Wildes Rufen nach Pferden und Knechten scholl aus der Halle des Rathauses, das Klirren der nachschleppenden Schwerter, das Hin- und Herrennen der vielen Menschen mischte sich in das Gebell der Hunde, in das Wiehern und Stampfen der ungeduldigen Rosse, eine Szene, die mehr einem in der Nacht vom Feind überfallenen Posten, als dem Aufbruch von einem friedlichen Mahl glich.

Überrascht blieb Georg unter der Halle stehen. Der Anblick so vieler fröhlicher Gesichter, der kräftigen Gestalten, die in jugendlichem Mut ansprengten, kühne Reiterkünste übten und dann singend und jubelnd in kleinen Haufen abzogen und in der Nacht verschwanden.

Unwillkürlich streifte sein Auge nach jener Seite hin, wo er seinen Kampfpreis wußte. Er sah dort viele Leute an den Fenstern stehen, aber der schwärzliche Rauch der Fackeln, der wie eine Wolke über den Platz hinzog, verhüllte die Gegenstände wie mit einem Schleier und ließ sie nur wie ungewisse Schatten sehen; unbefriedigt wandte er sein Auge ab. »So ist auch meine Zukunft«, sagte er zu sich, »das Jetzt ist hell, aber wie dunkel, wie ungewiß das Ziel!«

Sein freundlicher Wirt riß ihn aus diesem düsteren Sinnen mit der Frage, wo seine Knechte mit seinen Pferden seien? Wenn der Platz, worauf sie standen, heller erleuchtet gewesen wäre, so hätte vielleicht der gute Kraft eine flüchtige, aber brennende Röte, die bei dieser Frage über Georgs Wangen zog, bemerken können. »Ein junger Kriegsmann«, antwortete er schnell gefaßt, »muß sich so viel als möglich selbst zu helfen wissen, daher habe ich keine Diener bei mir. Mein Pferd aber habe ich Breitensteins Knechten übergeben.«

Der Ratsschreiber lobte im Weiterschreiten die Strenge des jungen Mannes gegen sich selbst, gestand aber, daß er, wenn er einmal zu Feld ziehe, den Dienst nicht so streng lernen werde. Ein Blick auf sein zierlich geordnetes Haar und den fein gekräuselten Bart überzeugten Georg, daß sein Begleiter aus voller Seele spreche, und die zierliche bequeme Wohnung, in welcher sie bald darauf anlangten, widersprach diesem Glauben nicht.

Das Hauswesen des Herrn von Kraft war eine sogenannte Junggesellenwirtschaft, denn Herrn Dietrichs Eltern waren längst abgeschieden, als er in das Mannesalter und zugleich in seinen Posten beim großen Rat eintrat. Er würde sich vielleicht längst um eine Genossin seiner Herrlichkeit umgesehen haben, wenn nicht die Anmut des Junggesellenlebens, der nicht zu verachtende Vorteil, von allen jungen Damen der Stadt als eine gute Partie angesehen und honoriert zu werden, vor allem aber, wie man sich ins Ohr flüsterte, die entschiedene Abneigung, die seine alte Amme und Haushälterin vor einer jungen Gebieterin hegte, ihn immer von diesem Schritt abgehalten hätte.

Herr Dietrich hatte ein großes Haus, nicht weit vom Münster, einen schönen Garten am Michelsberg, sein Hausgerät war im besten Stand, die großen eichenen Kasten voll des köstlichsten Linnenzeuges, das die Kraftinnen und ihre Zofen seit vielen Generationen in den langen Winterabenden zusammengesponnen hatten; die eiserne Truhe im Schlafzimmer enthielt eine erkleckliche Anzahl von Goldgulden, Herr Dietrich selbst war ein hübscher, solider Herr, ging immer geschniegelt und gebügelt, mit gesetztem, anständigem Gang in den Rat, hatte einen guten Haus- und Ratsverstand; war aus einer alten Familie: war es ein Wunder, wenn die ganze Stadt sein Leben pries und jedes hübsche Ulmer Stadtkind sich glücklich geschätzt hätte, in diesen bequem ausstaffierten Ehehimmel zu kommen?

Georg kamen übrigens diese Verhältnisse bei näherer Besichtigung nichts weniger als lockend vor. Die einzigen Hausgenossen des Ratsschreibers waren ein alter, grauer Diener, zwei große Katzen und die unförmig dicke Amme. Diese vier Geschöpfe starrten den Gast mit großen, bedenklichen Augen an, die ihm bewiesen, wie ungewohnt ihnen ein solcher Zuwachs der Haushaltung sei. Die Katzen umgingen ihn schnurrend, mit gekrümmten Rücken, die Amme schob unmnutig an der ungeheuren Buckelhaube von Golddraht und fragte, ob sie für zwei Personen das Abendessen zurichten solle? Als sie aber nicht nur ihre Frage bestätigen hörte, sondern auch den Auftrag (man war ungewiß, war es Bitte oder Befehl) bekam, das Eckzimmer im zweiten Stock für den Gast zuzurüsten, da schien ihre Geduld erschöpft; sie ließ einen wütenden Blick auf ihren jungen Gebieter schießen und verließ mit ihrem Schlüsselbund rasselnd das Gemach.

Der graue Diener hatte indessen einen Tisch und zwei große Armstühle an den ungeheuren Ofen gerückt; den Tisch besetzte er mit einem schwarzen Kasten, stellte zu beiden Seiten desselben ein Licht und einen silbernen Becher mit Wein, und entfernte sich dann, nachdem er einige leise Worte mit seinem Herrn gewechselt hatte. Herr Dietrich lud seinen Gast ein, an seiner gewöhnlichen Abendunterhaltung teilzunehmen. Er öffnete den schwarzen Kasten, es war ein Brettspiel.

Georg graute vor dieser Unterhaltung seines Gastfreundes, als er ihm erzählte, daß er seit seinem zehnten Jahr alle Abende mit der Amme an diesem Spiel sich ergötze. Wie öde, wie unheimlich kam ihm das ganze Haus vor. Das Rennen und Laufen der Amme hatte doch noch an Leben und Bewegung erinnert, jetzt aber lag Grabesstille über den weiten Gängen und Gemächern, nur zuweilen vom Knistern der Lichter, vom Ticken des Holzwurmes im schwärzlichen Getäfel und dem eintönigen Rollen der Würfel unterbrochen. Das Spiel hatte nie etwas Anziehendes für ihn gehabt, seine Gedanken waren auch fern davon, und die tiefe Melancholie der öden Gemächer und der Gedanke, nur wenige Straßen von ihr entfernt, doch den langersehnten Anblick der Geliebten entbehren zu müssen, breitete düstere Schatten über seine Seele. Nur die ungeheuchelte Freude Herrn Dietrichs, beinahe alle Spiele zu gewinnen, die seinem gutmütigen Gesicht etwas Angenehmes verlieh entschädigte ihn für den Verlust der langsam hinschleichenden Stunden.

Mit dem Schlag der achten Stunde führte Dietrich seinen Gast zum Abendbrot, das die Amme, trotz ihres Unmutes, trefflich bereitet hatte, denn sie wollte der Ehre des Kraftschen Hauses nichts vergeben. Hier öffnete auch der Ratsschreiber wieder die Schleusen seiner Beredsamkeit, indem er seinem Gast das Mahl durch Gespräch zu würzen suchte. Aber umsonst spähte dieser, ob er nicht von seinem schönen Mühmchen reden werde; nur eine Ausbeute bekam er: Kraft zählte unter den württembergischen Rittern, die in Ulm anwesend seien, auch den Ritter von Lichtenstein auf. Doch schon dieses Wort erweckte dankbare Gefühle gegen die Wendung seines Schicksals in ihm. Jetzt erst freute er sich, einer Partei beigetreten zu sein, die ihm sonst außer den berühmten Namen, die sie an der Spitze trug, ziemlich gleichgültig war. So aber hatte auch ihr Vater sich an dem Sammelplatz des Heeres eingefunden, und durfte er auch nicht hoffen, daß ihm das Glück vergönnen werde, an der Seite des teuren Mannes zu fechten, so trug er doch die Gewißheit in der Brust, ihm beweisen zu können, daß Georg von Sturmfeder nicht der letzte Kämpfer im Heer sei.

Der Hausherr führte ihn nach aufgehobener Tafel in sein Schlafgemach und schied von ihm mit einem herzlichen Glückwunsch für seine Ruhe. Georg besah sich das Gemach, zog die Gardinen vor und ließ die Bilder des vergangenen Tages an seiner Seele vorüberziehen. Geordnet und freundlich kamen sie anfangs vorüber, dann aber verwirrten sie sich, in buntem Gedränge führten sie seine Seele in das Reich der Träume, und nur ein teures Bild ging ihm heller auf, es war das Bild der Geliebten.

EPUB

Download als ePub

 

Downloaden sie dieses Kapitel als EPUB. Geeignet für alle SmartPhones, Tablets und sonst. Lesegeräte, die mit EPUB zurechtkommen.

PDF

Download als PDF

 

Downloaden sie dieses Kapitel als PDF.
Geeignet für alle PC, Tablets und sonst. Lesegeräte, die mit PDF zurechtkommen.

Gratis + Sicher

  • Viren- und Trojanergeprüft
  • ohne eMailadresse
  • ohne Anmeldung
  • ohne Wartezeit
  • Werbefreie Downloads

Kapitel 5

Kapitel 5

Georg wurde am andern Morgen durch ein bescheidenes Pochen an seiner Tür erweckt. Er schlug die Vorhänge seines Bettes zurück und sah, daß die Sonne schon ziemlich hoch stehe. Es wurde wieder stark und stärker gepocht, und sein freundlicher Wirt, schon völlig im Putz, trat ein. Nach den ersten Erkundigungen, wie sein Gast geschlafen habe, kam Herr Dietrich gleich auf die Ursache seines frühen Besuches. Der große Rat hatte gestern abend noch beschlossen, die Ankunft der Bundesgenossen auch durch einen Tanz zu feiern, der am heutigen Abend auf dem Rathaus abgehalten werden sollte. Ihm, als dem Ratsschreiber, kam es zu, alles anzuordnen, was zu dieser Festlichkeit gehörte, er mußte die Stadtpfeifer bestellen, die ersten Familien feierlich und im Namen des Rates dazu einladen, er mußte vor allem zu seinen lieben Mühmchen eilen, um ihnen dieses seltene Glück zu verkündigen.

Er erzählte dies alles mit wichtiger Miene seinem Gast und versicherte ihm, daß er vor dem Drang der Geschäfte nicht wisse, wo ihm der Kopf stehe. Doch Georg hatte nur für eines Sinn; er durfte hoffen, Marie zu sehen und zu sprechen, und darum hätte er gerne Herrn Dietrich für seine gute Botschaft an das freudig pochende Herz gedrückt.

»Ich sehe es Euch an«, sagte dieser, »die Nachricht macht Euch Freude, und die Tanzlust leuchtet Euch schon aus den Augen. Doch Ihr sollt ein Paar Tänzerinnen haben, wie Ihr sie nur wünschen könnt; mit meinen Bäschen sollt Ihr mir tanzen, denn ich bin ihr Führer bei solchen Gelegenheiten und werde es schon zu machen wissen, daß Ihr und kein anderer zuerst sie aufziehen sollt; und wie werden sie sich freuen, wenn ich ihnen einen so flinken Tänzer verspreche!« Damit wünschte er seinem Gast einen guten Morgen und ermahnte ihn, wenn er ausgehe, sein Haus zu merken und das Mittagessen nicht zu versäumen.

Herr Dietrich hatte als sehr naher Verwandter schon früh am Tag Zutritt im Hause des Herrn von Besserer, besonders heute, da ihn seine vielen Geschäfte bei diesem Morgenbesuch entschuldigten.

Er fand die Mädchen noch beim Frühstück.

»Ich sehe Dir es an, Vetter«, begann Berta, »Du möchtest gar zu gerne von unserer Suppe kosten, weil Dir Deine Amme heute einen Kinderbrei vorgesetzt hat; aber schlage Dir diese Gedanken nur gleich aus dem Sinn; Du hast Strafe verdient und mußt fasten -.«

»Ach, wie wir so sehnlich auf Euch gewartet haben«, unterbrach sie Marie.

»Jawohl«, fiel ihr Berta in die Rede, »aber bilde Dir nur nicht ein, daß wir eigentlich Dich erwarteten; nein, ganz allein Deine Neuigkeiten.«

Der Ratsschreiber war schon gewohnt, von Berta so empfangen zu werden, er wollte daher, um sie zu versöhnen, daß er nicht gestern abend noch ihre Neugierde befriedigt habe, seine Nachrichten in desto längerem Strom geben; aber Berta unterbrach ihn. »Wir kennen«, sagte sie, »Deine breiten Erzählungen, und haben auch das meiste vom Erker aus selbst mit angesehen; von Eurem Trinkgelage, wo es arg genug hergegangen sein soll, will ich auch nichts wissen, darum antworte mir auf meine Frage.« Sie stellte sich mit komischem Ernst vor ihn hin und fuhr fort: »Dietrich von Kraft, Schreiber eines wohledlen Rates, habt Ihr unter den Bündischen keinen jungen, überaus höflichen Herrn gesehen, mit langem, hellbraunem Haar, einem Gesicht, nicht so milchweiß wie das Eure, aber doch nicht minder hübsch, kleinem Bart, nicht so zierlich wie der Eure, aber dennoch schöner, hellblauer Schärpe mit Silber…«

»Ach, das ist kein anderer als mein Gast!« rief Herr Dietrich. »Er ritt einen großen Braunen, trug ein blaues Wams, an den Schultern geschlitzt und mit Hellblau ausgelegt?«

»Ja, ja, nur weiter!« rief Berta. »Wir haben unsere eigenen Ursachen, uns nach ihm zu erkundigen.«

Marie stand auf und suchte ihr Nähzeug in dem Kasten, indem sie beiden den Rücken zukehrte; aber die Röte, die alle Augenblicke auf ihren Wangen wechselte, ließ ahnen, daß sie kein Wort von Herrn Dietrichs Erzählung verlor.

»Nun, das ist Georg von Sturmfeder«, fuhr der Ratsschreiber fort, »ein schöner, lieber Junge. Sonderbar, auch Ihr seid ihm gleich beim Einzug aufgefallen.« – und nun erzählte er, was am Gastmahl vorgegangen sei, wie ihm der hohe Wuchs, das Gebietende und Anziehende in des Jünglings Mienen gleich anfangs aufgefallen, wie ihn der Zufall zu seinem Nachbar gemacht, wie er ihn immer lieber gewonnen und endlich in sein Haus geführt habe.

»Nun, das ist schön von Dir, Vetter«, sagte Berta, als er geendet hatte, und reichte ihm freundlich die Hand, »ich glaube, es ist das erste Mal, daß Du es wagst, Gäste zu haben. Aber das Gesicht der alten Sabine hätte ich sehen mögen, als Junker Dieter so spät noch einen Gast brachte.«

»Oh, sie war wie der Lindwurm gegen St. Georg; aber als ich ihr ganz unverblümt zu verstehen gab, es könne wohl geschehen, daß ich bald eine meiner schönen Basen heimführen würde …«

»Ach, geh doch!« entgegnete Berta, indem sie ihm hocherrötend ihre Hand entreißen wollte; aber Herr Dietrich, dem sein Mühmchen noch nie so hübsch als in diesem Augenblick geschienen hatte, drückte die weiche Hand fester, und Mariens ernsteres Bild verlor von Sekunde zu Sekunde an Gehalt, und die Waagschale der fröhlichen Berta, die jetzt in holder Verschämtheit vor ihm saß, stieg hoch in den Augen des glücklichen Ratsschreibers.

Doch nun fiel ihm der Grund seines Besuches wieder ein, den er während des Gespräches ganz vergessen hatte. Berta sprang mit einem Schrei der Freude auf, als ihr der Vetter die Nachricht von dem Abendtanz mitteilte.

»Marie, Marie«, rief sie in hellen Tönen, daß die Gerufene bestürzt herbeieilte. »Marie, ein Abendtanz auf dem Rathaus!« rief die beglückte Berta.

Auch diese schien freudig überrascht von dieser Nachricht. »Wann? Kommen auch die Fremden dazu?« waren ihre schnellen Fragen, indem ein hohes Rot ihre Wangen färbte, und aus dem ernsten Auge, das die kaum geweinten Tränen nicht verbergen konnte, ein Strahl der Freude drang.

Berta und der Vetter waren erstaunt über den schnellen Wechsel von Schmerz und Freude, und der letztere konnte die Bemerkung nicht unterdrücken, daß Marie eine leidenschaftliche Tänzerin sein müsse. Doch wir glauben, er habe sich hierin nicht weniger geirrt, als wenn er Georg für einen Weinkenner hielt.

Als der Ratsschreiber sah, daß er jetzt, wo die Mädchen sich in eine wichtige Beratung über ihren Anzug verwickelten, eine überflüssige Rolle spiele, empfahl er sich, um seinen wichtigeren Geschäften nachzugehen. Er beeilte sich, seine Anordnungen zu treffen, und die hohen Gäste und die angesehensten Häuser zu laden. Überall erschien er als ein Bote des Heils, denn wie die Sage erzählt, ist die Freude am Tanzen nicht erst heute über die Mädchen gekommen.

Doch nicht seine Anordnungen allein waren dem Ratsschreiber gelungen, er hatte nebenbei auch manche geheime Nachricht erspäht, die bis jetzt nur der engere Ausschuß des Rates mit den Bundesobersten teilte.

Zufrieden mit dem Erfolg seiner vielen Geschäfte kam er gegen Mittag nach Hause, und sein erster Gang war, nach seinem Gast zu sehen. Er traf ihn bei einer sonderbaren Arbeit. Georg hatte lange in einem schöngeschriebenen Chronikbuch, das er in seinem Zimmer gefunden hatte, geblättert. Die reinlich gemalten Bilder, womit die Anfangsbuchstaben der Kapitel unterlegt waren, die Triumphzüge und Schlachtenstücke, welche mit kühnen Zügen entworfen, mit besonderem Fleiß ausgemalt, hin und wieder den Text unterbrachen, unterhielten ihn geraume Zeit. Dann fing er an, erfüllt von den kriegerischen Bildern, die er angeschaut hatte, seinen Helm und Harnisch und das vom Vater ererbte Schwert zu reinigen und blank zu machen, indem er zum großem Ärgernis der Frau Sabine bald lustige, bald ernstere Weisen dazu sang.

So traf ihn sein Gastfreund. Schon unten an der Treppe hatte er die angenehme Stimme des Singenden vernommen Er konnte sich nicht enthalten, noch einige Zeit an der Tür zu lauschen, ehe er den Gesang unterbrach.

Der Sänger begann von neuem:

»Kaum gedacht,
War der Lust ein End‘ gemacht,
Gestern noch auf stolzen Rossen,
Heute durch die Brust geschossen,
Morgen in das kühle Grab.

Doch was ist
Aller Erden Freud‘ und Lüst‘!
Prahlst du gleich mit deinen Wangen,
Die wie Milch und Purpur prangen,
Sieh‘, die Rosen welken all‘.

Darum still
Geb‘ ich mich, wie Gott es will:
Und wird die Trompete blasen,
Und muß ich mein Leben lassen,
Stirbt ein braver Reitersmann.«

»Wahrlich, Ihr habt eine schöne Stimme«, sagte Herr von Kraft, als er in das Gemach eintrat. »Aber warum singt Ihr so traurige Lieder? Ich kann mich zwar nicht mit Euch messen, aber was ich singe, muß fröhlich sein, wie es einem jungen Mann von achtundzwanzig geziemt.«

Georg legte sein Schwert auf die Seite und bot seinem Gastfreund die Hand. »Ihr mögt recht haben«, sagte er, »was Euch betrifft. Aber wenn man zu Feld reitet, wie wir, da hat ein solches Lied große Gewalt und Trost, denn es gibt auch dem Tod eine milde Seite.«

»Nun, das ist ja gerade, was ich meine«, entgegnete der Schreiber des großen Rats. »Wozu soll man das auch noch in schönen Verslein besingen, was leider nur zu gewiß nicht ausbleibt? Man soll den Teufel nicht an die Wand malen, sonst kommt er, sagt ein Sprichwort. Übrigens hat es damit keine Not, wie jetzt die Sachen stehen.«

»Wie? Ist der Krieg nicht entschieden?« fragte Georg neugierig. »Hat der Württemberger Bedingungen angenommen?«

»Dem macht man gar keine mehr«, antwortete Dietrich mit wegwerfender Miene. »Er ist die längste Zeit Herzog gewesen, jetzt kommt das Regieren auch einmal an uns. Ich will Euch etwas sagen«, setzte er wichtig und geheimnisvoll hinzu, »aber bis jetzt bleibt es noch unter uns. Die Hand darauf. Ihr meint, der Herzog habe 14000 Schweizer? Sie sind wie weggeblasen. Der Bote, den wir nach Zürich und Bern geschickt haben, ist zurück. Was von Schweizern bei Blaubeuren und auf der Alb liegt – muß nach Haus.«

»Nach Haus zurück?« rief Georg erstaunt. »Haben die Schweizer selbst Krieg?«

»Nein«, war die Antwort, »sie haben tiefen Frieden, aber kein Geld. Glaubt mir, ehe acht Tage ins Land kommen, sind schon Boten da, die das ganze Heer nach Haus zurückrufen.«

»Und werden sie gehen?« unterbrach ihn der Jüngling. »Sie sind auf ihre eigene Faust dem Herzog zu Hilfe gezogen, wer kann ihnen gebieten, seine Fahnen zu verlassen?«

»Das weiß man schon zu machen. Glaubt Ihr denn, wenn an die Schweizer der Ruf kommt, bei Verlust ihrer Güter und bei Leib und Lebensstrafe nach Haus zu eilen, sie werden bleiben? Ulrich hat zu wenig Geld, um sie zu halten, denn auf Versprechungen dienen sie nicht.«

»Aber ist dies auch ehrlich gehandelt?« bemerkte Georg. »Heißt das nicht dem Feind, der in ehrlicher Fehde mit uns lebt, die Waffen stehlen und ihn dann überfallen?«

»In der Politica, wie wir es nennen«, gab der Ratsschreiber zur Antwort und schien sich dem unerfahrenen Kriegsmann gegenüber kein geringes Ansehen geben zu wollen, »in der Politica wird die Ehrlichkeit höchstens zum Schein angewandt. So werden die Schweizer z.B. dem Herzog erklären, daß sie sich ein Gewissen daraus machen, ihre Leute gegen die freien Städte dienen zu lassen. Aber die Wahrheit ist, daß wir dem großen Bären mehr Goldgulden in die Tatze drücken als der Herzog.«

»Nun, und wenn die Schweizer auch noch abziehen«, sagte Georg, »so hat doch Württemberg noch Leute genug, um keinen Hund über die Alb zu lassen.«

»Auch dafür wird gesorgt«, fuhr der Schreiber in seiner Erläuterung fort, »wir schicken einen Brief an die Stände von Württemberg und ermahnen sie, das unleidliche Regiment ihres Herzogs zu bedenken, demselben keinen Beistand zu tun, sondern dem Bund zuzuziehen.«

»Wie?« rief Georg mit Entsetzen, »Das hieße ja den Herzog um sein Land betrügen. Wollt Ihr ihn denn zwingen, der Regierung zu entsagen und sein schönes Württemberg mit dem Rücken anzusehen?«

»Und Ihr habt bisher geglaubt, man wolle nichts weiter als etwa Reutlingen wieder zur Reichsstadt machen? Wovon soll denn Hutten seine 42 Gesellen und ihre Diener besolden? Wovon denn Sickingen seine tausend Reiter und zwölftausend zu Fuß, wenn er nicht ein hübsches Stückchen Land damit erkämpft? Und meint Ihr, der Herzog von Bayern wolle nicht auch sein Teil? Und wir? Unsere Markung grenzt zunächst an Württemberg -.«

»Aber die Fürsten Deutschlands«, unterbrach ihn Georg ungeduldig, »meint Ihr, sie werden es ruhig mit ansehen, daß Ihr ein schönes Land in kleine Fetzen reißt? Der Kaiser, wird er es dulden, daß Ihr einen Herzog aus dem Land jagt?«

Auch dafür wußte Herr Dietrich Rat. »Es ist kein Zweifel, daß Karl seinem Vater als Kaiser folgt. Ihm selbst bieten wir das Land zur Obervormundschaft an, und wenn Österreich seinen Mantel darauf deckt, wer kann dagegen sein? Doch, seht nicht so düster aus. Wenn Euch nach Krieg gelüstet, dazu kann Rat werden. Der Adel hält noch zum Herzog, und an seinen Schlössern wird sich noch mancher die Zähne einbrechen. Wir verschwatzen übrigens das Mittagsmahl. Kommt bald nach, daß wir erfahren, was Frau Sabina uns gekocht hat.« Damit verließ der Schreiber des großen Rates von Ulm so stolzen Schrittes, als wäre er selbst schon Obervormund von Württemberg, das Zimmer seines Gastes.

Georg sandte ihm nicht die freundlichsten Blicke nach. Zürnend schob er seinen Helm, den er noch vor einer Stunde mit so freudigem Mut zu seinem ersten Kampf geschmückt hatte, in die Ecke. Mit Wehmut betrachtete er sein altes Schwert, diesen treuen Stahl, den sein Vater in manchem guten Streit geführt, den er sterbend seinem verwaisten Knaben als einziges Erbe vom Schlachtfeld gesandt hatte. »Ficht ehrlich!« war das Symbol das der Waffenschmied in die schöne Klinge gegraben hatte, und er sollte sie für eine Sache führen, die ihre Ungerechtigkeit an der Stirn trug? Wo er der Kriegskunst erfahrener Männer, der Tapferkeit des einzelnen die Entscheidung zutraute, da sollten geheime Ränke, die Politica, wie Herr Dietrich sich ausdrückte, entscheiden? Wo ihn der fröhliche Glanz der Waffen, die Aussicht auf Ruhm gelockt hatte, da sollte er nur den habgierigen Plänen dieser Menschen dienen? Ein altes Fürstenhaus, dem seine Ahnen gerne gedient hatten, sollte er von diesen Spießbürgern vertreiben sehen? Unerträglich wollte ihm auch der Gedanke scheinen, von diesem Kraft sich belehren lassen zu müssen.

Doch dem Unmut über seinen gutmütigen Wirt konnte er nicht lange Raum geben, wenn er bedachte, daß ja jene Pläne nicht in seinem Kopf gewachsen seien und daß Menschen, wie dieser politische Ratsschreiber, wenn sie einmal ein Geheimnis, einen großen Gedanken in Erfahrung gebracht haben, ihn hegen und pflegen wie ihren eigenen; daß sie sich mit dem adoptierten Kind brüsten, als wäre es Minerva, aus ihrem eigenen harten Kopf entsprungen.

Mit milderen Gedanken kam er zu seinem Gastfreund, als man ihn zu Tisch rief.

Ja, die ganze Ansicht der Dinge wurde ihm nach einigen Stunden bei weitem erträglicher, als er sich erinnerte, daß ja auch Mariens Vater dieser Partei folge. Es war ihm, als möchte die Sache doch nicht so schwarz sein, welcher Männer wie Frondsberg ihre Dienste geliehen.

EPUB

Download als ePub

 

Downloaden sie dieses Kapitel als EPUB. Geeignet für alle SmartPhones, Tablets und sonst. Lesegeräte, die mit EPUB zurechtkommen.

PDF

Download als PDF

 

Downloaden sie dieses Kapitel als PDF.
Geeignet für alle PC, Tablets und sonst. Lesegeräte, die mit PDF zurechtkommen.

Gratis + Sicher

  • Viren- und Trojanergeprüft
  • ohne eMailadresse
  • ohne Anmeldung
  • ohne Wartezeit
  • Werbefreie Downloads

Kapitel 6

Kapitel 6

Man blies schon längst zum ersten Tanz auf, als Georg von Sturmfeder in den Rathaussaal eintrat. Seine Blicke schweiften durch die Reihen der Tanzenden, und endlich trafen sie Marien. Sie tanzte mit einem jungen, fränkischen Ritter seiner Bekanntschaft, schien aber der eifrigen Rede, die er an sie richtete, kein Gehör zu geben. Ihr Auge suchte den Boden, ihre Miene konnte Ernst, beinahe Trauer ausdrücken; ganz anders als die übrigen Fräulein, die in der wahren Tanzseligkeit schwimmend, ein Ohr der Musik, das andere dem Tänzer liehen, und die freundlichen Augen bald ihren Bekannten, um den Beifall in ihren Mienen zu lesen, bald ihren Tänzern zuwandten, um zu prüfen, ob ihre Aufmerksamkeit auch ganz gewiß auf sie gerichtet sei.

In gehaltenen Tönen hielten jetzt die Zinken und Trompeten und endeten; Herr Dietrich Kraft hatte seinen Gastfreund bemerkt und kam, ihn, wie er versprochen, zu seinen Muhmen zu führen. Er flüsterte ihm zu, daß er selbst schon für den nächsten Tanz mit Bäschen Berta versagt sei, doch habe er soeben um Mariens Hand für seinen Gast geworben.

Beide Mädchen waren auf die Erscheinung des ihnen so interessanten Fremden vorbereitet gewesen, und dennoch bedeckte die Erinnerung dessen, was sie über ihn gesprochen, Bertas angenehme Züge mit hoher Glut, und die Verwirrung, in welche sie sein Anblick versetzte, ließ sie nicht bemerken, welches Entzücken ihm aus Mariens Auge entgegenstrahlte, wie sie bebte, wie sie mühsam nach Atem suchte, wie ihr selbst die Sprache ihre Dienste zu versagen schien.

»Da bringe ich Euch Herrn Georg von Sturmfeder, meinen lieben Gast«, begann der Ratsschreiber, »der um die Gunst bittet, mit Euch zu tanzen.«

»Wenn ich nicht schon diesen Tanz meinem Vetter zugesagt hätte«, antwortete Berta, schneller gefaßt als ihre Base, »so solltet Ihr ihn haben, aber Marie ist noch frei, die wird mit Euch tanzen.«

»So seid Ihr noch nicht versagt, Fräulein von Lichtenstein?« fragte Georg, indem er sich zu der Geliebten wandte.

»Ich bin an Euch versagt«, antwortete Marie. So hörte er denn zum ersten Mal wieder diese Stimme, die ihn so oft mit den süßesten Namen genannt hatte; er sah in diese treuen Augen, die ihn noch immer so hold anblickten wie vormals.

Die Trompeten schmetterten in den Saal; der Oberfeldleutnant Waldburg Truchseß, dem man den zweiten Tanz gegeben hatte, schritt mit seiner Tänzerin vor, die Fackelträger folgten, die Paare ordneten sich, und auch Georg ergriff Mariens Hand und schloß sich an. Jetzt suchten ihre Blicke nicht mehr den Boden, sie hingen an denen des Geliebten; und dennoch wollte es ihm scheinen, als mache sie dieses Wiedersehen nicht so glücklich wie ihn, denn noch immer lag eine düstere Wolke von Schwermut oder Trauer um ihre Stirn. Sie sah sich um, ob Dietrich und Berta, das nächste Paar nach ihnen, nicht allzu nahe seien. – Sie waren fern.

»Ach, Georg«, begann sie, »welch unglücklicher Stern hat Dich in dieses Heer geführt?«

»Du warst dieser Stern, Marie«, sagte er, »Dich habe ich auf dieser Seite geahnt, und wie glücklich bin ich, daß ich Dich fand! Kannst Du mich tadeln, daß ich die gelehrten Bücher beiseite legte und Kriegsdienste nahm? Ich habe ja kein Erbe als das Schwert meines Vaters; aber mit diesem Gut will ich wuchern, daß der deinige sehen soll, daß seine Tochter keinen Unwürdigen liebt.«

»Ach Gott! Du hast doch dem Bund noch nicht zugesagt?« unterbrach sie ihn.

»Ängstige Dich doch nicht so, mein Liebchen, ich habe noch nicht völlig zugesagt; aber es muß nächster Tage geschehen. Willst Du denn Deinem Georg nicht auch ein wenig Kriegsruhm gönnen? Warum magst Du um mich so bange sein? Dein Vater ist alt und zieht ja doch auch mit uns.«

»Ach, mein Vater, mein Vater!« klagte Marie. »Er ist ja – doch brich ab, Georg, brich ab – Berta belauscht uns; aber ich muß Dich morgen sprechen, ich muß, und sollte es meine Seligkeit kosten. Ach! Wenn ich nur wüßte wie?«

»Was ängstigt Dich denn nur so?« fragte Georg, dem es unbegreiflich war, wie Marie, statt sich der Freude des Wiedersehens hinzugeben, nur an die Gefahren dachte, denen er entgegengehe? »Du stellst Dir die Gefahren größer vor, als sie sind«, flüsterte er ihr tröstend zu. »Denke an nichts, als daß wir uns jetzt wieder haben, daß ich Deine Hand drücken darf, daß Auge in Auge sieht wie sonst. Genieße jetzt die Augenblicke, sei heiter!«

»Heiter? Oh, diese Zeiten sind vorbei, Georg! Höre und sei standhaft – mein Vater ist nicht bündisch!«

»Jesus Maria! Was sagst Du?« rief der Jüngling und beugte sich, als habe er das Wort des Unglücks nicht gehört, herab zu Marien. »Oh sag, ist denn Dein Vater nicht hier in Ulm?«

Sie hatte sich stärker geglaubt; sie konnte nicht mehr sprechen; bei dem ersten Laut wären ihre Tränen unaufhaltsam geflossen; sie antwortete nur durch einen Druck der Hand und ging mit gesenktem Haupt, nach Kraft suchend, ihren Schmerz zu bekämpfen, neben Georg her. Endlich siegte der starke Geist dieses Mädchens über die Schwäche ihrer Natur, die einem so großen, tiefen Kummer beinahe erlegen wäre. »Mein Vater«, flüsterte sie, »ist Herzog Ulrichs wärmster Freund, und sobald der Krieg entschieden ist, führt er mich heim auf den Lichtenstein!«

Betäubt wirbelten jetzt die Trommeln, in volleren Tönen schmetterten die Trompeten, sie begrüßten den Truchseß, der eben an dem Musikchor vorüberzog, er warf ihnen, wie es Sitte war, einige Silberstücke zu, und von neuem erhob sich ihr betäubender Jubel.

Das leise Gespräch der Liebenden verstummte vor der rauhen Gewalt dieser Töne, aber ihr Auge hatte sich in diesem Schiffbruch ihrer Liebe um so mehr zu sagen, und sie bemerkten nicht einmal, wie ein Geflüster über sie im Saal erging, das sie als das schönste Paar pries.

Aber nur zu wohl hatte Berta diese Bemerkungen der Menge gehört. Sie war zu gutmütig, als daß Neid darüber in ihre Seele gekommen wäre, aber sie setzte sich doch im Geist an Mariens Platz, und fand, daß man vielleicht das Paar nicht minder schön gefunden hätte. Auch das Gespräch, das zwischen den beiden begonnen hatte, fiel ihr auf. Die ernste Base, die selten oder nie mit einem Mann lange sprach, schien mehr und angelegentlicher zu reden als ihr Tänzer. Die Musik hinderte sie zu verstehen, was gesprochen wurde; die Neugierde wurde in ihr rege, sie zog ihren Tänzer näher an das vordere Paar, um ein wenig zu lauschen; aber war es Zufall oder Absicht, das Gespräch verstummte, als sie näherkam, oder wurde so leise geführt, daß sie nichts davon verstand.

Ihr Interesse an dem schönen jungen Mann wuchs mit diesen Hindernissen; noch nie war ihr der gute Vetter Kraft so lästig geworden als in diesen Augenblicken; denn die zierlichen Redensarten, womit er ihr Herz zu umspinnen gedachte, hinderten sie, jene genauer zu beobachten. Sie war froh, als endlich der Tanz endete. Denn sie durfte hoffen, daß der nächste an des jungen Ritters Seite desto angenehmer für sie sein werde.

Sie täuschte sich nicht in ihrer Hoffnung, Georg kam, sie um den nächsten Tanz zu bitten, der auch sogleich begann, und sie hüpfte fröhlich an seiner Seite in die Reihen. Aber es war nicht mehr derselbe, der vorhin mit Marien so freundlich gesprochen hatte. Verstört, einsilbig, in tiefe Gedanken versunken, war der junge Mann an ihrer Seite, und es war nur zu sichtbar, daß er sich immer erst wieder sammeln mußte, wenn er eine ihrer Fragen beantworten sollte.

War dies jener »höfliche Ritter«, welcher sie, ohne daß sie sich je gesehen hatten, so freundlich grüßte? War es derselbe, welcher so heiter, so fröhlich war, als ihn Vetter Kraft zu ihnen führte? Derselbe, der mit Marien so eifrig sich unterredet hatte? Oder sollte diese -? Ja, es war klar, Marie hatte ihm besser gefallen, ach! vielleicht weil sie die erste war, die mit ihm getanzt. Je weniger Berta gewohnt war, sich der ernsten Marie nachgesetzt zu sehen, um so mehr befremdete sie dieser Sieg ihrer Base, um so mehr glaubte sie sich beeifern zu müssen, ihren Rang, ihre Gaben geltend zu machen. Sie setzte daher mit ihrer heiteren Geschwätzigkeit das Gespräch über den bevorstehenden Krieg, das sie mit Mühe angesponnen hatte, fort, als sie nach Beendigung des Tanzes zu Marien und dem Ratsschreiber traten.

»Nun, und der wievielte Feldzug ist es denn, Herr von Sturmfeder, dem Ihr jetzt beiwohnt?«

»Es ist mein erster«, antwortete dieser kurz angebunden, denn er war unmutig darüber, daß jene ihn noch immer im Gespräch halte, da er mit Marie so gerne gesprochen hätte.

»Euer erster?« entgegnete Berta verwundert, »Ihr wollt mir etwas weismachen, da habt Ihr ja schon eine mächtige Narbe auf der Stirn.«

»Die bekam ich auf der hohen Schule«, antwortete Georg.

»Wie? Ihr seid ein Gelehrter?« fragte jene eifrig weiter. »Nun, und da seid Ihr gewiß recht weit weg gewesen; etwa in Padua oder Bologna, oder gar bei den Ketzern in Wittenberg.«

»Nicht so weit, als Ihr meint«, entgegnete er, indem er sich zu Marien wandte, »ich war in Tübingen.«

»In Tübingen«, rief Berta voll Verwunderung. Wie ein Blitz erhellte dies einzige Wort alles, was ihr bisher dunkel war, und ein Blick auf Marien, die mit niedergeschlagenen Augen, mit der Röte der Scham auf den Wangen, vor ihm stand, überzeugte sie, daß die lange Reihe von Schlüssen, die sich an jenes Wort anschlossen, ihren nur zu sicheren Grund hatten. Jetzt war ihr auf einmal klar, warum sie der artige Ritter begrüßt, warum Marie geweint, die ihn gewiß gerne auf der feindlichen Seite gesehen hätte, warum er so viel mit jener gesprochen, warum er bei ihr selbst so einsilbig war. Es war keine Frage, sie kannten sich, sie mußten sich längst gekannt haben.

Beschämung war das erste Gefühl, das bei dieser Entdeckung Bertas Herz bestürmte; sie errötete vor sich selbst, wenn sie sich gestand, nach der Aufmerksamkeit eines Mannes gestrebt zu haben, dessen Seele ein ganz anderer Gegenstand beschäftige. Unmut über Mariens Heimlichkeit verfinsterte ihre Züge. Sie suchte Entschuldigung für ihr eigenes Betragen, und fand sie nur in der Falschheit ihrer Base. Hätte diese ihr gestanden, in welchem Verhältnis sie zu dem jungen Mann stehe, sie hätte ihr nie ihre Teilnahme an ihm gezeigt; er wäre ihr dann, meinte sie, höchst gleichgültig geblieben, sie hätte nie diese Beschämung erfahren.

Berta hat an diesem Abend den unglücklichen jungen Mann keines Blickes mehr gewürdigt, was ihm übrigens über dem größeren Schmerz, der seine Seele beschäftigte, völlig entging. Sein Unglück wollte es auch, daß er nie mehr Gelegenheit fand, Marien wieder allein und ungestört zu sprechen, der Abendtanz ging zu Ende, ohne daß er über Mariens Schicksal und über die Gesinnungen ihres Vaters gewisser wurde, und Marie fand kaum noch auf der Treppe Gelegenheit, ihm zuzuflüstern, er möchte morgen in der Stadt bleiben, weil sie vielleicht irgendeine Gelegenheit finden würde, ihn zu sprechen.

Verstimmt kamen die beiden Schönen nach Hause. Berta hatte auf alle Fragen Mariens kurze Antwort gegeben, und auch diese, sei es, daß sie ahnte, was in ihrer Freundin vorgehe, sei es, weil sie selbst ein großer Schmerz beschäftigte, war nach und nach immer düsterer, einsilbiger geworden.

Aber auf beiden lastete die Störung ihres bisherigen freundschaftlichen Verhältnisses erst recht schwer, als sie ernst und schweigend in ihr Gemach traten. Sie hatten sich bisher alle jene kleinen Dienste geleistet, welche junge Mädchen nur zu noch engerer Freundschaft verbinden. Wie ganz anders war es heute! Berta hatte die silberne Nadel aus dem reichen blonden Haar gezogen, daß es in langen Ringellocken über den schönen Nacken herabströmte. Sie versuchte, es unter das Nachthäubchen zu stecken; ungewohnt, diese Arbeit ohne Mariens Hilfe zu verrichten, kam sie nicht damit zu Rande, aber zu stolz, ihrer Feindin, wie sie Marien in ihrem Sinn nannte, ihre Verlegenheit merken zu lassen, warf sie das Häubchen in die Ecke und ergriff ein Tuch, um es um das Haar zu winden.

Schweigend nahm Marie das verworfene Häubchen wieder auf und trat hinzu, das Haar ihrer Base nach gewohnter Weise zu ordnen und aufzubinden.

»Hinweg, Du Falsche!« rief die erzürnte Berta, indem sie die hilfreiche Hand zurückstieß.

»Berta; hab‘ ich dies um Dich verdient?« sprach Marie mit Ruhe und Sanftmut. »Oh wenn Du wüßtest, wie unglücklich ich bin, Du würdest sanfter gegen mich sein!«

»Unglücklich?« lachte jene laut auf, »unglücklich! Vielleicht, weil der artige Herr nur einmal mit Dir tanzte?«

»Du bist recht hart, Berta«, antwortete Marie, »Du bist böse auf mich und sagst mir nicht einmal warum?«

»So? Du willst also nicht wissen, daß Du mich betrogen hast? Nicht wissen, wie mich Deine Heimlichkeiten dem Spott und der Beschämung aussetzten? Ich hätte nie geglaubt, daß Du so schlecht, so falsch, an mir handeln würdest!«

Von neuem erwachte in Berta das kränkende Gefühl, sich hintangesetzt zu sehen. Ihre Tränen strömten, sie legte die heiße Stirn in die Hand, und die reichen Locken flossen über ihr zusammen und verhüllten die Weinende.

Tränen sind die Zeichen milderen Schmerzes. Marie kannte diese Tränen und fuhr mit mehr Vertrauen fort: »Berta! Du schiltst meine Heimlichkeit. Ich sehe, Du hast erraten, was ich nie von selbst sagen konnte. Setze Dich selbst in meine Lage. Ach, Du selbst, so heiter und offen Du bist, Du selbst hättest mir Dein Geheimnis nicht vertrauen können. Aber jetzt ist es ja aus. Du weißt, was meine Lippen auszusprechen sich scheuten. Ich liebe ihn, ja ich werde geliebt, und nicht erst von gestern her. Willst Du mich hören? Darf ich Dir alles sagen?«

Bertas Tränen flossen noch immer. Sie antwortete nicht auf jene Fragen, aber Marie hob an zu erzählen, wie sie Georg im Haus der seligen Muhme kennengelernt habe. Wie sie ihm gut gewesen, lange ehe er ihr seine Liebe gestanden. Alle jene schönen Erinnerungen lebten in ihr auf, mit glühenden Wangen, mit strahlendem Auge führte sie die Vergangenheit herauf. Sie erzählte von so mancher schönen Stunde, vom Schwur ihrer Treue, von ihrem Abschied »Und jetzt«, fuhr sie mit wehmütigem Lächeln fort, »jetzt hat ihn dieser unglückliche Krieg auf diese Seite geführt. Er hört, wir seien hier in Ulm, er glaubt nicht anders, als mein Vater sei dem Bund beigetreten, er hofft, mich durch sein Schwert zu verdienen, denn er ist arm, recht arm! Oh Berta, Du kennst meinen Vater. Er ist so gut, aber auch so streng, wenn etwas seiner Meinung widerspricht. Wird er einem Mann seine Tochter geben, der sein Schwert gegen Württemberg gezogen hat? Siehe, das waren meine Tränen! Ach, ich wollte Dir so oft sagen, warum sie fließen, aber eine unbesiegbare Scham schloß meine Lippen. Kannst Du mir noch zürnen? Muß ich mit dem Geliebten auch die Freundin verlieren?«

Auch Mariens Tränen flossen und Berta fühlte den eigenen Schmerz von dem größeren Kummer der Freundin besiegt. Sie umarmte Marien schweigend und weinte mit ihr.

»In den nächsten Tagen«, fuhr diese fort, »will mein Vater Ulm verlassen, und ich muß ihm folgen. Aber noch einmal muß ich Georg sprechen, nur ein Viertelstündchen. Berta, Du kannst gewiß Gelegenheit geben. Nur ein ganz kleines Viertelstündchen!«

»Du willst ihn doch nicht der guten Sache abwendig machen?« fragte Berta.

»Was nennst Du die gute Sache?« antwortete Marie. »Des Herzogs Sache ist vielleicht nicht minder gut als die Eure. Du sprichst so, weil Ihr bündisch seid. Ich bin eine Württembergerin, und mein Vater ist seinem Herzog treu. Doch sollen wir Mädchen über den Krieg entscheiden? Laß uns lieber auf Mittel sinnen, ihn noch einmal zu sehen.«

Berta hatte über der Teilnahme, mit welcher sie der Geschichte ihrer Base zugehört hatte, ganz vergessen, daß sie ihr jemals gram gewesen war. Sie war überdies für alles Geheimnisvolle eingenommen, daher kamen ihr diese Mitteilungen erwünscht. Sie fühlte, wie wichtig und ehrenvoll der Posten einer Vertrauten sei, und gab sich daher alle mögliche Mühe, dem liebenden Paar mit ihrem Scharfsinn zu dienen.

»Ich hab’s gefunden«, rief sie endlich aus, »wir laden ihn geradezu in den Garten.«

»In den Garten?« fragte Marie schüchtern und ungläubig, »und durch wen?«

»Sein Wirt, der gute Vetter Dietrich, muß ihn selbst bringen«, antwortete sie, »das ist herrlich, und dieser darf auch kein Wörtchen davon merken, lass‘ nur mich dafür sorgen.«

Marie, entschlossen und stark bei großen Dingen, zitterte doch bei diesem gewagten Schritt. Aber ihre mutige, fröhliche Base wußte ihr alle Bedenklichkeiten auszureden, und mit erneuerter Hoffnung, und befreit von der Last des Geheimnisses, umarmten sich die Mädchen, ehe sie sich zur Ruhe legten.

EPUB

Download als ePub

 

Downloaden sie dieses Kapitel als EPUB. Geeignet für alle SmartPhones, Tablets und sonst. Lesegeräte, die mit EPUB zurechtkommen.

PDF

Download als PDF

 

Downloaden sie dieses Kapitel als PDF.
Geeignet für alle PC, Tablets und sonst. Lesegeräte, die mit PDF zurechtkommen.

Gratis + Sicher

  • Viren- und Trojanergeprüft
  • ohne eMailadresse
  • ohne Anmeldung
  • ohne Wartezeit
  • Werbefreie Downloads

Kapitel 7

Kapitel 7

Sinnend und traurig saß Georg am Mittag nach dem festlichen Abend in seinem Gemach. Er hatte Breitenstein besucht und wenig Tröstliches für seine Hoffnungen erfahren. Der Kriegsrat hatte sich an diesem Morgen versammelt, und unwiderruflich war der Krieg beschlossen worden. Zwölf Edelknaben waren, die Absagebriefe des Herzogs von Bayern, der Ritterschaft und gesamten Städte an ihre Lanzen geheftet, zum Gögglinger Tor hinausgejagt, um die Feindesbotschaft dem Württemberger nach Blaubeuren zu bringen. Auf den Straßen rief man einander fröhlich diese Nachricht zu, und die Freude, daß es jetzt endlich ins Feld gehen werde, stand deutlich auf allen Gesichtern geschrieben. Nur einen traf diese Kunde wie das schreckliche Machtwort seines Schicksals. Der Gram trieb ihn aus dem Kreis der fröhlichen Gesellen, die jetzt den Weinstuben zuzogen, um in lautem Jubel das Geburtsfest des Krieges zu begehen und das Los künftiger Siege im Würfelspiel zu belauschen. Ach! Ihm waren ja schon die Würfel gefallen! Ein blutiges Schlachtfeld dehnte sich zwischen ihm und seiner Liebe aus, sie war ihm auf lange, vielleicht auf ewig verloren.

Eilige Tritte, welche die Treppe heraufstürmten, weckten ihn aus seinem Brüten. Der Ratsschreiber steckte den Kopf in die Tür. »Glück auf, Junker!« rief er, »jetzt hebt der Tanz erst recht an. Aber ihr wißt es vielleicht noch gar nicht? Der Krieg ist angekündigt, schon vor einer Stunde sind unsere Absageboten ausgeritten.«

»Ich weiß es«, antwortete sein finsterer Gast.

»Nun und hüpft Euch das Herz nicht freier? Habt Ihr auch gehört – nein, das könnt Ihr nicht wissen«, fuhr Dietrich fort, indem er zutraulich näher zu ihm trat, »daß die Schweizer bereits abziehen?«

»Wie, sie ziehen?« unterbrach ihn Georg. »Also hat der Krieg schon ein Ende?«

»Das möchte ich nicht gerade behaupten«, fuhr der Ratsschreiber bedenklich fort, »der Herzog von Württemberg ist noch ein junger, mutiger Herr und hat noch Ritter und Dienstleute genug. Zwar wird er wohl keine offene Feldschlacht mehr wagen, aber er hat feste Städte und Burgen. Da ist einmal der Hellenstein und darin Stephan von Lichow, ein Mann wie Eisen. Da ist Göppingen, das Philipp von Rechberg auch nicht auf den ersten Stückschuß ergeben wird. Da ist Schorndorf, Rothenberg und Asberg, da ist vor allem Tübingen, das er tüchtig befestigt hat. Es wird noch mancher ins Gras beißen, bis Ihr Eure Rosse im Neckar tränkt.«

»Nun, nun!« fuhr er fort, als er sah, daß seine Nachrichten die finstere Stirn seines schweigenden Gastes nicht aufheitern konnten. »Wenn Ihr diese kriegerischen Botschaften nicht freundlich aufnehmt, so schenkt Ihr vielleicht einem friedlicheren Auftrag ein geneigtes Ohr. Sagt einmal, habt Ihr nicht irgendwo eine Base?«

»Base? Ja, warum fragt Ihr?«

»Nun seht, jetzt erst verstehe ich die verwirrten Reden, die vorhin Berta vorbrachte. Als ich aus dem Rathaus kam, winkte sie mir hinauf und befahl mir, meinen Gast heute nachmittag in ihren Garten an der Donau zu führen. Marie habe Euch etwas sehr Wichtiges an Eure Base, die sie sehr gut kenne, aufzutragen. Ihr müßt mir schon den Gefallen tun, mitzugehen. Solche Geheimnisse und Aufträge sind zwar gewöhnlich nicht weit her, und ich wollte wetten, sie geben Euch ein Müsterlein für den Webstuhl oder eine Probe seiner Wolle, oder ein tiefes Geheimnis der Kochkunst, oder gar ein paar Körnlein von einer seltenen Blume mit, denn Marie ist eine große Gärtnerin – doch wenn Ihr gestern an dem Mädchen Gefallen gefunden habt, geht Ihr wohl gerne mit.«

Mitten in dem schmerzlichen Gedanken an die Scheidestunde mußte Georg über die List der Mädchen lachen. Freundlich bot er dem guten Boten die Hand und schickte sich an, ihn in den Garten zu begleiten.

Dieser lag an der Donau, ungefähr zweitausend Schritte unter der Brücke. Er war nicht groß, zeugte aber von Sorgfalt und Fleiß. Die schönen Obstbäume waren zwar noch nicht belaubt, und die in wunderlichen Formen abgestochenen Beete hatten noch keine Blumen, aber ein langer Taxusgang, der an dem Ufer des Flusses sich hinzog und in einer geräumigen Laube endete, gab durch sein helles Grün einen lebhaften Anblick und hinlänglichen Schutz gegen die einem weißen Hals und schönen Armen so gefährlichen Strahlen der Märzsonne. Dort, auf dem breiten, bequemen Steinsitz, wo die Lücken der Laube eine freie Aussicht die Donau hinauf und hinab gewährten, hatten die Mädchen unter mancherlei Gesprächen der jungen Männer geharrt.

Marie saß traurig in sich gekehrt. Sie hatte den schönen Arm auf eine Lücke der Laube aufgestützt und das von Gram und Tränen müde Köpfchen in die Hand gelegt. Ihr dunkles, glänzendes Haar hob die Blässe ihres Teints um so mehr heraus, als stiller Kummer ihre Wangen gebleicht, und schlaflose Nächte dem lieblichen blauen Auge seinen sonst so überraschenden Glanz geraubt und ihm einen matteren, vielleicht nur um so anziehenderen Schimmer von Melancholie gegeben hatten. Das vollendete Bild fröhlichen Lebens, saß die frische, runde, rosige Berta neben ihr. Wie ihre gelblichen Locken mit Mariens dunkeln Haaren, ihr rundes, frisches Gesichtchen mit den ovalen, schärferen Formen ihrer Base, wie ihre freundlichen, beweglichen, hellbraunen Augen in auffallendem Kontrast standen mit dem sinnenden, geistvollen Blick Mariens, so wurde auch jede ihrer raschen lebhaften Bewegungen zum Gegensatz gegen jene stille Trauer.

Berta schien ihre rosigste Laune hervorgeholt zu haben, um ihre Base zu trösten, oder doch ihren großen Schmerz zu zerstreuen. Sie erzählte und schwatzte, sie lachte und ahmte die Gebärde und Sprache vieler Leute nach, sie versuchte alle jene tausend kleinen Künste, womit die Natur ihre fröhliche Tochter ausstattete. Aber wir glauben, daß sie wenig ausrichtete, denn nur hie und da glitt ein wehmütiges, schnell verschwebendes Lächeln über Mariens feine Züge hin.

Endlich ging die Gartenpforte auf. Männertritte tönten den Gang herauf und die Mädchen standen auf, die Erwarteten zu empfangen.

»Herr von Sturmfeder«, begann Berta nach den ersten Begrüßungen, »verzeiht doch, daß ich es wagte, Euch in meines Vaters Garten einzuladen. Aber meine Base Marie wünscht, Euch Aufträge an eine Freundin zu geben. – Nun, und daß wir andern nicht zu kurz kommen«, setzte sie zu Herrn Kraft gewandt hinzu, »so wollen wir eins plaudern und den Abendtanz von gestern mustern.« Damit ergriff sie ihres Vetters Hand und zog ihn mit sich den Gang hinab.

Georg hatte sich zu Marie auf die Bank gesetzt. Sie lehnte sich an seine Brust und weinte heftig. Die süßesten Worte, die er ihr zuflüsterte, vermochten nicht, ihre Tränen zu stillen »Marie«, sagte er, »Du warst ja sonst so stark, wie kannst Du nun gerade jetzt allen Glauben an ein besseres Geschick, alle Hoffnung aufgeben?«

»Hoffnung?« fragte sie wehmütig, »mit unserer Hoffnung, mit unserem Glück ist es für ewig aus.«

»Sieh«, antwortete Georg, »eben dies kann ich nicht glauben, ich trage die Gewißheit unserer Liebe in mir so innig, so tief, und ich sollte jemals glauben, daß sie untergehen könne?«

»Du hoffst noch? So höre mich ganz an. Ich muß Dir ein tiefes Geheimnis sagen, an dem das Leben meines Vaters hängt. Mein Vater ist so sehr ein bitterer Feind des Bundes, als er ein Freund des Herzogs ist. Er ist nicht nur deswegen hier, um sein Kind abzuholen. Nein, er sucht die Pläne des Bundes zu erforschen und mit Geld und Rede zu verwirren. Und glaubst Du, ein so bitterer Gegner des Bundes werde seine einzige Tochter einem Jüngling geben, der durch unser Verderben sich emporzuschwingen sucht? Einem, der sich an Menschen anschließt. die kein Recht, sondern nur Raub suchen?«

»Dein Eifer führt Dich zu weit, Marie«, unterbrach sie der Jüngling, »Du mußt wissen, daß mancher Ehrenmann in diesem Heer dient!«

»Und wenn dies wäre«, fuhr jene eifrig fort. »so sind sie betrogen und verführt, wie auch Du betrogen bist.«

»Wer sagt Dir dies so gewiß?« entgegnete Georg, welcher errötete, die Partei, die er ergriffen, von einem Mädchen so erniedrigt zu sehen, obgleich er ahnte, daß sie so unrecht nicht habe. »Wer sagt Dir dies so gewiß? Kann nicht Dein Vater auch verblendet und betrogen sein? Wie mag er nur mit so vielem Eifer die Sache dieses stolzen, herrschsüchtigen Mannes führen, der seine Edlen ermordet, der seine Bürger in den Staub tritt, der an seiner Tafel das Mark des Landes verpraßt und seine Bauern verschmachten läßt?«

»Ja, so schildern ihn seine Feinde«, antwortete Marie, »so spricht man von ihm in diesem Heer; aber frage dort unten an den Ufern des Neckars, ob sie ihren angestammten Fürsten nicht lieben, wenn gleich seine Hand zuweilen schwer auf ihnen ruht. Frage jene Männer, die mit ihm ausgezogen sind, ob sie nicht freudig ihr Blut für den Enkel Eberhards geben, ehe sie diesem stolzen Herzog von Bayern, diesen räuberischen Edlen, diesen Städtern ihr Land abtreten.«

Georg schwieg eine Zeitlang nachdenklich. »Aber wie entschuldigen denn diese warmen Verteidiger den Mord des Hutten?« fragte er.

»Ihr sprecht immer von Eurer Ehre«, antwortete Marie, »und wollt nicht leiden, daß ein Herzog seine Ehre verteidige? Hutten ist nicht meuchelmörderisch gefallen, wie seine Anhänger in alle Welt ausgeschrieen haben, sondern im ehrlichen Kampf, worin der Herzog selbst sein Leben einsetzte. Ich will nicht alles verteidigen, was er tat. Aber man soll nur auch bedenken daß ein junger Herr, wie der Herzog, von schlechten Räten umgeben, nicht immer weise handeln kann Aber er ist gewiß gut, und wenn Du wußtest, wie mild, wie leutselig er sein kann!«

»Es fehlt nur noch, daß Du ihn auch noch den schönen Herzog nennst«, sagte Georg bitter lächelnd »Du wirst reichen Ersatz finden für den armen Georg, wenn er es der Mühe wert hält, mein Bild aus Deinem Herzen zu verdrängen.«

»Wahrlich, dieser kleinlichen Eifersucht habe ich Dich nicht für fähig gehalten«, antwortete Marie, indem sie sich mit Tränen des Unmuts, im Gefühl gekränkter Würde, abwandte. »Glaubst Du denn das Herz eines Mädchens könne nicht auch warm für die Sache ihres Vaterlandes schlagen?«

»Sei mir nicht böse«, bat Georg, der mit Reue und Beschämung einsah wie ungerecht er sei, »gewiß, es war nur Scherz!«

»Und kannst Du scherzen wo es unser ganzes Lebensglück gilt?« entgegnete Marie. »Morgen will der Vater Ulm verlassen, weil der Krieg entschieden ist! Wir sehen uns vielleicht lange, lange nicht mehr, und Du magst scherzen? Ach, wenn Du gesehen hättest, wie ich so manche Nacht mit heißen Tränen zu Gott flehte, er möge Dein Herz hinüber auf unsere Seite lenken, er möge uns vor dem Unglück bewahren, auf ewig getrennt zu sein, gewiß Du könntest nicht so grausam scherzen!«

»Er hat es nicht zum Heil gelenkt«, antwortete Georg, düster vor sich hinblickend.

»Und sollte es nicht noch möglich sein?« sprach Marie, indem sie seine Hand faßte und mit dem Ausdruck bittender Zärtlichkeit, mit der gewinnenden Sanftmut eines Engels ihm ins Auge sah. »Sollte es nicht noch möglich sein? Komm mit uns, Georg, wie gerne wird der Vater einen jungen Streiter seinem Herzog zuführen! Ein Schwert wiegt viel in solchen Zeiten, sagte er oft, er wird es Dir hoch anschlagen, wenn Du ihm folgst, an seiner Seite wirst Du kämpfen, mein Herz wird dann nicht zerrissen, nicht geteilt sein zwischen jenseits und diesseits. Mein Gebet, wenn es um Glück und Sieg fleht, wird nicht zitternd zwischen beiden Heeren irren!«

»Halt ein!« rief der Jüngling und bedeckte seine Augen, denn der Sieg der Überzeugung strahlte aus ihren Blicken, die Gewalt der Wahrheit hatte sich auf ihren süßen Lippen gelagert. »Willst Du mich bereden, ein Überläufer zu werden? Gestern zog ich mit dem Heer ein, heute wird der Krieg erklärt und morgen soll ich zu dem Herzog hinüberreiten? Kann Dir meine Ehre so gleichgültig sein?«

»Die Ehre?« fragte Marie und Tränen entstürzten ihrem Auge. »Sie ist Dir also teuerer als Deine Liebe? Wie anders klang es, als mir Georg ewige Treue schwur. Wohlan! Sei glücklicher mit ihr als mit mir! Aber möge Dir, wenn Dich der Herzog von Bayern auf dem Schlachtfeld zum Ritter schlägt, weil Du in unsern Fluren am schrecklichsten gewütet, wenn er Dir ein Ehrenkettlein umhängt, weil Du Württembergs Burgen am tapfersten gebrochen, möge Dir der Gedanke Deine Freude nicht trüben, daß Du ein Herz brachst, das Dich so treu, so zärtlich liebte!«

»Geliebte!« antwortete Georg, dessen Brust widerstreitende Gefühle zerrissen, »Dein Schmerz läßt Dich nicht sehen wie ungerecht Du bist. Doch es sei; damit Du siehst, daß ich den Ruhm, der mir so freundlich winkte, der Liebe zum Opfer zu bringen weiß, so höre mich: Hinüber zu Euch darf ich nicht. Aber ablassen will ich von dem Bund, möge kämpfen und siegen wer da will – mein Kampf und Sieg war ein Traum, er ist zu Ende!«

Marie sandte einen Blick des Dankes zum Himmel und belohnte die Worte des jungen Mannes mit süßem Lohn. »Oh, glaube mir«, sagte sie, »ich fühle, wie viel Dich dieses Opfer kosten muß. Aber sieh mir nicht so traurig an Dein Schwert hinunter. Wer früh entsagt, der erntet schön sagt mein Vater; es muß uns doch auch einmal die Sonne des Glückes scheinen. Jetzt kann ich getrost von Dir scheiden, denn wie auch der Krieg enden mag, Du kannst ja frei vor meinen Vater treten, und wie wird er sich freuen, wenn ich ihm sage, welch‘ schweres Opfer Du gebracht hast!«

Bertas helle Stimme, die der Freundin ein Zeichen gab, daß der Ratsschreiber nicht mehr zurückzuhalten sei, schreckte die Liebenden auf. Schnell trocknete Marie die Spuren ihrer Tränen und trat mit Georg aus der Laube.

»Vetter Kraft will aufbrechen«, sagte Berta, »er fragt, ob der Junker ihn begleiten wolle?«

»Ich muß wohl, wenn ich den Weg nach Hause nicht verfehlen soll«, antwortete Georg. So teuer ihm die letzten Augenblicke vor einer langen Trennung von Marie gewesen wären, so kannte er doch die strenge Sitte dieser Zeit zu gut, als daß er ohne den Vetter, als Landfremder, bei den Mädchen geblieben wäre.

Schweigend gingen sie den Garten hinab, nur Herr Dieterich führte das Wort, indem er in wohlgesetzten Worten seinen Jammer beschrieb, daß seine Base morgen schon Ulm verlassen werde. Aber Berta mochte in Georgs Augen gelesen haben, daß ihm noch etwas zu wünschen übrigbleibe, wobei der uneingeweihte Zeuge überflüssig war. Sie zog den Vetter an ihre Seite und befragte ihn so eifrig über eine Pflanze, die gerade zu seinen Füßen mit ihren ersten Blättern aus der Erde sproßte, daß er nicht Zeit hatte, zu beobachten, was hinter seinem Rücken vorging.

Schnell benützte Georg diesen Augenblick, Marien noch einmal an sein Herz zu ziehen, aber das Rauschen von Mariens schwerem seidenem Gewand, Georgs klirrendes Schwert weckten den Ratsschreiber aus seinen botanischen Betrachtungen Er sah sich um, und oh Wunder! Er erblickte die ernste, züchtige Base in den Armen seines Gastes.

»Das war wohl ein Gruß an die liebe Base in Franken?« fragte er, nachdem er sich von seinem Erstaunen erholt hatte.

»Nein, Herr Ratsschreiber«, antwortete Georg, »es war ein Gruß an mich selbst, und zwar von der, die ich einst heimzuführen gedenke. Ihr habt doch nichts dagegen, Vetter?«

»Gott bewahre! Ich gratuliere von Herzen«, antwortete Herr Dietrich, der von dem ernsten Blick des jungen Kriegsmannes und von Mariens Tränen etwas eingeschüchtert wurde. »Aber der tausend, das heiß‘ ich veni, vidi, vici. Ich scherwenzte schon ein Vierteljahr um die Schöne und habe mich kaum eines Blickes erfreuen können. Und heute muß ich nun gar den Marder selbst herausführen, der mir das Täubchen vor dem Mund wegstiehlt.«

»Verzeih den Scherz, Vetter, den wir uns mit Dir machten«, fiel ihm Berta ins Wort, »sei vernünftig und laß Dir die Sache erklären.« Sie sagte ihm, was er zu wissen brauchte, um gegen Mariens Vater zu schweigen. Durch die freundlichen Blicke Bertas besänftigt, versprach er zu schweigen unter der Bedingung, setzte er schalkhaft hinzu, daß sie etwa auch einen solchen Gruß an ihn bestelle.

EPUB

Download als ePub

 

Downloaden sie dieses Kapitel als EPUB. Geeignet für alle SmartPhones, Tablets und sonst. Lesegeräte, die mit EPUB zurechtkommen.

PDF

Download als PDF

 

Downloaden sie dieses Kapitel als PDF.
Geeignet für alle PC, Tablets und sonst. Lesegeräte, die mit PDF zurechtkommen.

Gratis + Sicher

  • Viren- und Trojanergeprüft
  • ohne eMailadresse
  • ohne Anmeldung
  • ohne Wartezeit
  • Werbefreie Downloads

Kapitel 8

Kapitel 8

Ulm glich in den nächsten Tagen einem großen Lager. Statt der friedlichen Landleute, der geschäftigen Bürger, die sonst ehrbaren und ruhigen Schrittes ihrem Gewerbe nach durch die Straßen gingen, sah man überall nur wunderliche Gestalten mit Sturmhauben und Eisenhüten, mit Lanzen, Armbrüsten und schweren Büchsen. Statt der Ratsherren in ihrer einfachen schwarzen Tracht, zogen stolze Ritter mit wehenden Helmbüschen, ganz mit Stahl bedeckt, begleitet von einer großen Schar bewaffneter Dienstleute, über die Plätze und Märkte. Noch lebhafter war dies kriegerische Bild vor den Toren der Stadt; auf einem Anger an der Donau übte Sickingen seine Reiterei, auf einem großen Blachfeld gegen Söslingen hin pflegte Frondsberg sein Fußvolk zu tummeln.

An einem schönen Morgen, etwa drei bis vier Tage, nachdem Marie von Lichtenstein mit ihrem Vater Ulm verlassen hatte, sah man eine ungeheure Menge Menschen aus allen Ständen auf jener Wiese versammelt, um diesen Übungen Frondsbergs zuzusehen. Sie betrachteten diesen Mann, dem ein so großer Ruf vorangegangen war, vielleicht nicht mit geringerem Interesse als wir, wenn wir die kaiserlichen oder königlichen Söhne des Mars die Dienste eines Feldherrn verrichten sahen. Knüpft sich doch ja gerade an die Person eines ausgezeichneten Führers das Interesse, das dem ganzen Heer gilt, ja, wir meinen oft, die Schlachten, von denen uns die Sage oder die öffentlichen Blätter erzählen, um so deutlicher zu verstehen, wenn wir uns die Gestalt des Heerführers vor das Auge zurückrufen können.

So mochte es wohl auch damals den Bewohnern von Ulm zumute sein, wenn sie ihre engen Straßen verließen, um den Mann des Tages in seinem Handwerk zu sehen. Die Geschicklichkeit, mit der er sein Fußvolk, das sonst in zerstreuten Haufen gefochten hatte, zu geschlossenen Massen vereinigte; die Schnelligkeit, womit sie sich nach seinem Wink nach allen Seiten schwenkten oder in furchtbare, von Piken und Donnerbüchsen starrende Kreise zusammenzogen; seine mächtige Stimme, die selbst die Trommeln übertönte, seine erhabene, kriegerische Gestalt, dies alles gewährte ein so neues, anziehendes Bild, daß auch die bequemsten Bürger es nicht scheuten, einen langen Vormittag auf dem Anger zu stehen und dieses Schauspiel zu genießen.

Der Feldhauptmann schien an diesem Morgen noch freundlicher und fröhlicher zu sein als sonst. Mochte ihn der warme Anteil, den die guten Ulmer an ihm nahmen und der auf allen Gesichtern geschrieben stand, erfreuen; mochte ihm hier außen an dem schönen Morgen, unter seinen Waffenübungen, wohler sein als in den engen kalten Straßen der Stadt – er blickte so freundlich auf die Menge hin, daß jeder glaubte, von ihm besonders beachtet und begrüßt zu werden, und der Ausruf: »Ein wackerer Herr, ein braver Ritter!« jedem seiner Schritte folgte.

Besonders freundlich schien er immer an einer Stelle zu sein; wenn er vorübersprengte, so durfte man gewiß sein, daß er dort mit dem Schwert oder der Hand herübergrüßte und traulich nickte.

Die Hintersten stellten sich auf die Zehen, um den Gegenstand seiner freundlichen Winke zu sehen; die Näherstehenden sahen sich fragend an und verwunderten sich, denn keiner der versammelten Bürger schien dieser Auszeichnung würdig. Als Frondsberg wieder vorübersprengte und die Zeichen seiner Gnade wiederholte, gaben wohl hundert Augen recht genau acht, und es fand sich, daß die Grüße einem großen, schlanken, jungen Mann gelten mußten, der in der vordersten Reihe der Zuschauer stand. Das Wams von seinem Tuch mit Seidenschlitzen, die hohen Barettfedern, mit welchen der Morgenwind spielte, sein langes Schwert und eine Feldbinde oder Schärpe zeichneten ihn auf den ersten Blick vor seinen Nachbarn aus, die minder geschmückt als er, auch durch untersetztere Figuren und breite Gesichter sich nicht zu ihrem Vorteil von ihm unterschieden.

Der Jüngling schien aber zum Ärgernis der guten Spießbürger nicht sehr erfreut über die hohe Gnade, die ihm vor ihren Augen zuteil wurde. Schon seine Stellung, das Haupt gesenkt, die Arme über die Brust gekreuzt, schien nicht anständig genug für einen feinen Junker, wenn er von einem alten Kriegshelden gegrüßt wurde. Überdies errötete er bei jedem Gruß des Feldhauptmanns, dankte nur durch ein leichtes Neigen und sah ihm mit so düsteren Blicken nach, als gälte es ein langes Scheiden, und dieser Gruß wäre der letzte eines lieben Freundes gewesen.

Die Übungen des Fußvolkes waren zu Ende gegangen, das Volk verlief sich, und auch den jungen Mann, der die unschuldige Ursache zu jenem Streit gewesen war, sah man seine Schritte der Stadt zuwenden; sein Gang war langsam und ungleich, sein Gesicht schien bleicher als sonst, seine Blicke suchten noch immer den Boden oder schweiften mit dem Ausdruck von Sehnsucht oder stillem Gram nach den fernen blauen Bergen, den Grenzmauern von Württemberg.

Noch nie hatte sich Georg von Sturmfeder so unglücklich gefühlt wie in diesen Stunden. Marie war mit ihrem Vater abgereist; sie hatte ihn noch einmal beschwören lassen, seinem Versprechen treu zu sein, und wie unglücklich machte ihn dieses Versprechen! Wohl hatte es ihn damals nicht geringen Kampf gekostet, es zu geben; aber der betäubende Schmerz des Abschiedes, der Gram des geliebten Mädchens hatten ihn überwunden. Doch jetzt, wo er mit festerem Blick seinen Umgebungen, seiner Zukunft ins Auge sah, wie traurig, wie schwierig erschien ihm seine Lage! Nichts davon zu sagen, daß alle seine goldenen Träume, alle jene kühnen Hoffnungen von Ruhm und Ehre mit einem Mal verschwanden; nichts davon zu sagen, daß auch sein Ziel, das so nahe lag, Marien durch Kriegsdienste zu verdienen, ungewiß in die Weite hinausgerückt war – er sollte auf die Gefahr hin, von Männern, deren Achtung ihm teuer war, verkannt zu werden, diese Fahnen verlassen, gerade in einem Augenblick, wo man der Entscheidung entgegenging. Von Tag zu Tag, so lange es ihm nur möglich war, verschob er diese Erklärung, wo sollte er Gründe, wo Worte hernehmen, vor dem alten, tapferen Degen Breitenstein, seinem väterlichen Freund, seinen Abzug zu rechtfertigen? Mit welcher Stirn sollte er vor den edlen Frondsberg treten? Ach, jene freundlichen Grüße, womit er den Sohn seines tapferen Waffengenossen zu freudigem Kampf aufzumuntern schien, hatten ihn mit tausend Qualen gefoltert. An seiner Seite war sein Vater gefallen, er hatte gehört, wie der Sterbende den Ruhm seines Namens und ein leuchtendes Beispiel als einziges Erbe dem unmündigen Knaben zusandte; dieser Mann war es, der ihm jetzt so liebevoll die Schranken öffnete, und auch ihm mußte er in so zweideutigem Licht erscheinen.

Er hatte sich unter diesen trüben Gedanken langsam dem Tor der Stadt genähert, als er sich plötzlich am Arm ergriffen fühlte; er sah sich um, ein Mann, dem Anschein nach ein Bauer, stand vor ihm.

»Was willst Du?«, fragte Georg etwas unwillig, in seinen Gedanken unterbrochen zu werden.

»Es kommt darauf an, ob Ihr auch der Rechte seid«, antwortete der Mann. »Sagt einmal, was gehört zu Licht und Sturm?«

Georg wunderte sich ob der sonderbaren Frage und betrachtete jenen genauer. Er war nicht groß, aber kräftig; seine Brust war breit, seine Gestalt gedrungen. Das Gesicht, von der Sonne braun gefärbt, wäre flach und unbedeutend gewesen, wenn nicht ein eigener Zug von List und Schlauheit um den Mund und aus den grauen Augen Mut und Verwegenheit geleuchtet hätten. Sein Haar und Bart war dunkelgelb und gerollt; er trug einen langen Dolch am ledernen Gurt, in der einen Hand hielt er eine Axt, in der andern eine runde, niedere Mütze aus Leder.

Während Georg diese flüchtigen Bemerkungen machte, wurden auch seine Züge lauernd beobachtet.

»Ihr habt mich vielleicht nicht recht verstanden, Herr Ritter«, fuhr jener nach kurzem Stillschweigen fort, »was paßt zu Licht und Sturm, daß es zwei gute Namen gibt?«

»Feder und Stein!« antwortete der junge Mann, dem es auf einmal klar wurde, was unter jener Frage zu verstehen sei. »Was willst Du damit?«

»So seid Ihr Georg von Sturmfeder«, sagte jener, »und ich komme von Marien von – «

»Um Gottes willen, sei still, Freund, und nenne keinen Namen«, fiel Georg ein, »sage schnell, was Du mir bringst.«

»Ein Brieflein, Junker!« sprach der Bauer, indem er die breiten, schwarzen Kniegürtel, womit er seine ledernen Beinkleider umwunden hatte, auflöste und einen Streifen Pergament hervorzog.

Mit hastiger Freude nahm Georg das Pergament; es waren wenige Worte mit glänzend schwarzer Tinte geschrieben:

»Bedenk‘ Deinen Eid – Flieh bei Zeit.
Gott Dein Geleit. – Marie Dein in Ewigkeit.«

Es liegt ein frommer, zarter Sinn in diesen Worten; und wer sich ein liebendes Herz dazu denkt, wie es mit diesen Zeilen in die Ferne fliegen möchte, ein Auge voll Zärtlichkeit, umflort von einem Schleier stiller Tränen, einen holden Mund, der das Blättchen noch einmal küßt, verschämte Wangen, die bei diesem geheimnisvollen Gruß erröten, wer dies hinzudenkt, der wird es Georg nicht verargen, daß er einige Augenblicke wie trunken war. Ein freudiger, glänzender Blick, nach den fernen blauen Bergen hin, dankte der Geliebten für ihren tröstenden Spruch; und wahrlich, er war auch zu keiner anderen Zeit nötiger gewesen als gerade jetzt, um den gesunkenen Mut des jungen Mannes zu erheben. Wußte er doch, daß ein Wesen, das teuerste, das für ihn auf der Erde lebte, ihn nicht verkannte. Der Schluß jener Zeilen erhob sein Herz zur alten Freudigkeit, er bot dem guten Boten die Hand, dankte ihm herzlich und fragte, wie er zu diesen Zeilen gekommen sei.

»Dacht‘ ich’s doch«, antwortete dieser, »daß das Blättchen keinen bösen Zauberspruch enthalten müsse; denn das Fräulein lächelte so gar freundlich, als sie es mir in die rauhe Hand drückte. Es war vergangenen Mittwoch, als ich nach Blaubeuren kam, wo unser Kriegsvolk stand. Es ist dort in der Klosterkirche ein prächtiger Hochaltar, worauf die Geschichte meines Patrons, des Täufers Johannes, vorgestellt ist. Vor sieben Jahren, als ich in großer Not und einem schmählichen Ende nahe war, gelobte ich alle Jahre um diese Zeit eine Wallfahrt dahin. So hielt ich es alle Jahre seit der Zeit, da mich der Heilige durch ein Wunder von Henkers Hand errettet hat. Wenn ich nun mein Gebet verrichtet hatte, ging ich allemal zum Herrn Abt, um ihm ein Paar schöne Gänse oder ein Lamm zu bringen, oder was er sonst gerade gerne hat. – Aber ich langweile Euch mit meinem Geschwätz, Junker?«

»Nein, nein, erzähle nur weiter«, antwortete Georg, »komm, setze Dich zu mir auf jene Bank.«

»Das würde sich schön schicken!« entgegnete der Bote, »wenn ein Bauer an des Junkers Seite sitzen wollte, den der Oberfeldhauptmann vor aller Augen so oft gegrüßt hat; erlaubt mir, daß ich mich vor Euch hinstelle.«

Georg ließ sich auf einen Steinsitz am Weg nieder, der Bauer aber fuhr, auf seine Axt gestützt, in seiner Erzählung fort: »Ich hatte diesmal bei den unruhigen Zeiten wenig Lust zur Wallfahrt, aber ›gebrochener Eid tut Gott leid‹, heißt es, und so mußte ich mein Gelübde vollbringen. Wie ich vom Gebet aufstand, um dem Abt zu bringen, was recht ist, sagte mir einer der Pfaffen, daß ich diesmal nicht zu Seiner Ehrwürden könne, weil viele Herren und Ritter dort zu Besuch seien. Ich bestand aber doch darauf, denn der Abt ist ein leutseliger Herr und hätte mir’s nicht verziehen, wenn ich ihn nicht heimgesucht hätte. Wenn Ihr je ins Kloster hinauskommt, so vergeßt nicht nach der Treppe zu schauen, die vom Hochaltar zum Dorment führt. Sie geht durch die dicke Mauer, welche die Kirche ans Kloster schließt, und ist lang und schmal. Dort war es, wo mir das Fräulein begegnet ist. Es kommt mir nämlich ein feines Weibsbild im Schleier mit Brevier und Rosenkranz die Treppe herab entgegen, ich drücke mich an die Wand, um sie vorbeizulassen, sie aber bleibt stehen und spricht: ›Ei, Hans, woher des Wegs?‹«

»Woher kennt Euch denn das Fräulein?« unterbrach ihn Georg, »Meine Schwester ist ihre Amme, und – «

»Wie, die alte Rose ist Eure Schwester?« rief der junge Mann. »Habt Ihr sie auch gekannt?« fragte der Bote. »Ei, seh doch einer! Aber daß ich weiter sage: Ich hatte meine große Freude, sie wiederzusehen, denn ich besuchte meine Schwester häufig in Lichtenstein und habe das Fräulein gekannt, als man sie noch in ihres Vaters Schwertkuppel gehen lehrte. Aber ich hätte sie kaum wieder erkannt, so groß war sie geworden, und die roten Wangen sind auch weg wie der Schnee am ersten Mai. Ich weiß nicht, wie es ging, aber mich dauerte ihr Anblick in der Seele, und ich mußte fragen, was ihr fehle und ob ich ihr nicht etwas helfen könne? Sie besann sich dann eine Weile und sagte dann: ›Ja, wenn Du verschwiegen wärest, Hans, könntest Du mir wohl einen großen Dienst leisten!‹ Ich sagte zu, und sie bestellte mich nach der Vesper.«

»Aber wie kommt sie nur in das Kloster?« fragte Georg, »Sonst darf ja doch kein Weiberschuh über die Schwelle.«

»Der Abt ist mit ihrem Vater befreundet, und da so viel Volk in Blaubeuren liegt, so ist sie dort besser aufgehoben, als im Städtchen, wo es toll genug zugeht. Nach der Vesper, als alles still war, kam sie ganz leise in den Kreuzgang. Ich sprach ihr Mut zu, wie es eben unsereins versteht, da gab sie mir dies Blättchen und bat mich, Euch aufzusuchen.«

»Ich danke Dir herzlich, guter Hans«, sagte der Jüngling. »Aber hat sie Dir sonst nichts an mich aufgetragen?«

»Ja«, antwortete der Bote, »mündlich hat sie mir noch etwas aufgetragen; Ihr sollt Euch hüten, man habe etwas mit Euch vor.«

»Mit mir?« rief Georg. »Das hast Du nicht recht gehört, wer und was soll man mit mir vorhaben?«

»Da fragt Ihr mich zu viel«, entgegnete jener, »aber wenn ich es sagen darf, so glaube ich, die Bündischen. Das Fräulein setzte noch hinzu, ihr Vater habe davon gesprochen, und hat nicht der Frondsberg Euch heute zugewinkt und Euch geehrt wie des Kaisers Sohn, daß sich jedermann darob verwunderte? Glaubt nur, es hat allemal etwas zu bedeuten, wenn solch ein Herr so freundlich ist.«

Georg war überrascht von der richtigen Bemerkung des schlichten Bauern, er entsann sich auch, daß Mariens Vater tief in die Geheimnisse der Bundesobersten eingedrungen sei und vielleicht etwas erfahren habe, was sich zunächst auf ihn beziehe. Aber er mochte sinnen, wie er wollte, so konnte er doch nichts finden, was zu dieser geheimnisvollen Warnung Mariens gepaßt hätte. Mit Mühe riß er sich aus diesem Gewebe von Vermutungen, indem er den Boten fragte, wie er ihn so schnell gefunden habe?

»Dies wäre ohne Frondsberg so bald nicht geschehen«, antwortete er, »ich sollte Euch bei Herrn Dietrich von Kraft aufsuchen. Wie ich aber die Straße hereinging, da sah man viel Volk auf den Wiesen. Ich dachte, eine halbe Stunde mache nichts aus, und stellte mich auch hin, um das Fußvolk zu betrachten. Wahrlich, der Frondsberg hat es weit gebracht. – Nun, da war mir’s, als hörte ich nahe bei mir Euren Namen nennen, ich sah mich um, es waren drei alte Männer, die sprachen von Euch und deuteten auf Euch hin; ich aber merkte mir Eure Gestalt und folgte Euren Schritten, und weil ich meiner Sache doch nicht ganz gewiß war, so gab ich Euch das Rätsel von Sturm und Licht auf.«

»Das hast Du klug gemacht«, sagte Georg lächelnd, »aber komm in mein Haus, daß man Dir etwas zu essen reiche; wann kehrst Du wieder heim?«

Hans bedachte sich eine Weile, endlich aber sagte er, indem ein schlaues Lächeln um seinen Mund zog: »Nichts für ungut, Junker; aber ich habe dem Fräulein versprechen müssen, nicht eher von Euch zu weichen, als bis Ihr dem bündischen Heer Valet gesagt habt.«

»Und dann?« fragte Georg.

»Und dann gehe ich stracks nach Lichtenstein und bringe ihr die gute Nachricht von Euch; wie wird sie sich sehnen! Alle Tage steht sie wohl im Gärtchen auf dem Felsen und sieht ins Tal hinab, ob der alte Hans noch nicht komme!«

»Die Freude soll ihr bald werden«, antwortete Georg, »vielleicht schon morgen, und dann schreibe ich vorher noch ein Briefchen.«

»Aber greift es doch klug an«, sagte der Bote, »das Pergament darf nicht breiter sein, als jenes, das ich brachte. Denn ich muß es wieder im Kniegürtel verstecken. Man weiß nicht, was einem in so unruhiger Zeit begegnen kann, und dort sucht es niemand.«

»Es sei so«, antwortete Georg, indem er aufstand. »Für jetzt lebe wohl, um Mittag komme zu Herrn von Kraft, nicht weit vom Münster. Gib Dich für meinen Landsmann aus Franken aus, denn die Ulmer sind den Württembergern nicht ganz grün.«

»Sorgt nicht, Ihr sollt zufrieden sein«, rief Hans dem Scheidenden zu. Er sah dem schlanken Jüngling nach und gestand sich, daß das holde Pflegekind seiner Schwester keine üble Wahl getroffen habe, wenn auch die rosigen Wangen des Kindes bei der ersten Liebe der Jungfrau etwas von ihren blühenden Farben verloren hatten.

EPUB

Download als ePub

 

Downloaden sie dieses Kapitel als EPUB. Geeignet für alle SmartPhones, Tablets und sonst. Lesegeräte, die mit EPUB zurechtkommen.

PDF

Download als PDF

 

Downloaden sie dieses Kapitel als PDF.
Geeignet für alle PC, Tablets und sonst. Lesegeräte, die mit PDF zurechtkommen.

Gratis + Sicher

  • Viren- und Trojanergeprüft
  • ohne eMailadresse
  • ohne Anmeldung
  • ohne Wartezeit
  • Werbefreie Downloads

Kapitel 9

Kapitel 9

Georg war anfangs bange, wie sich sein neuer Bekannter in dem Kraftschen Haus benehmen werde. Er fürchtete nicht ohne Grund, jener möchte sich durch seine Mundart, durch unbedachte Äußerungen verraten, was ihm höchst unangenehm gewesen wäre; denn je fester er bei sich beschlossen hatte, das Bundesheer in den nächsten Tagen zu verlassen, um so weniger wollte er in den Verdacht geraten, in Verbindung mit Württemberg zu stehen. Konnte und durfte er ja doch im schlimmsten Fall, wenn der Bote entdeckt wurde, wenn er bekannte, an ihn geschickt worden zu sein, die Geliebte nicht verraten. Er wollte umkehren und den Mann aufsuchen, ihn bitten; sich so bald als möglich zu entfernen, aber als er bedachte, daß dieser schon längst von dem Platz ihrer Unterredung sich entfernt haben müsse, daß er indes zu Kraft kommen könne, schien es ihm geratener, dahin vorauszueilen; um jenem dort die nötigen Winke zu geben und ihn vor Unvorsichtigkeit zu warnen.

Und doch, wenn er sich das kühne Auge, die kluge, verschlagene Miene des Mannes ins Gedächtnis rief, glaubte er hoffen zu dürfen; daß Marie, obgleich ihr keine große Wahl übrigblieb, keinem unsicheren Mann diese Botschaft anvertraut habe.

Und wirklich traute er seinen Augen, seinen Ohren kaum, als ihm um Mittag ein Landsmann aus Franken gemeldet und sein Liebesbote hereingeführt wurde. Welche Gewalt mußte dieser Mensch über sich haben! Es war derselbe, und doch schien er ein ganz anderer. Er ging gebückt, die Arme hingen schlaff am Körper herab, selten schlug er die Augen auf, sein Gesicht hatte einen Ausdruck von Blödigkeit, der Georg ein unwillkürliches Lächeln abnötigte. Und als er dann zu sprechen anfing, als er ihn in fränkischer Mundart begrüßte, und mit der geläufigen Zunge eines geborenen Franken dem Herrn von Kraft auf seine mancherlei Fragen antwortete, da kam er in Versuchung, an übernatürliche Dinge zu glauben, die Märchen seiner Kindheit stiegen in seinem Gedächtnis auf, wo ein freundlicher Zauberer oder eine huldreiche Fee in allerlei Gestalten dem Dienst zweier Liebenden sich widmet und sie glücklich mitten durch das feindselige Schicksal hindurchführt.

Der Zauber war zwar bald gelöst, als er mit dem Boten auf seinem Zimmer allein war und ihn der gute Schwabe von seiner Persönlichkeit versicherte; aber doch konnte er ihm seine Verwunderung nicht versagen über die Rolle, die er so gut gespielt.

»Glaubt deshalb nicht minder an meine Ehrlichkeit«, antwortete der Bauer, »man wird oft genötigt, von Jugend auf durch solche Künste sich fortzuhelfen; sie schaden keinem und tun doch dem gut, der sie kann.«

Georg versicherte, ihm nicht minder zu trauen als vorher, der Bote aber bat dringend, er möchte doch jetzt auch an seine Abreise denken, er möchte bedenken, wie sehr sich das Fräulein nach dieser Nachricht sehne, daß er nicht früher heimkehren dürfe, als bis er diese Gewißheit bringen könne.

Georg antwortete ihm, daß er nur noch den Abmarsch des Bundesheeres abwarten wolle, um in seine Heimat zurückzukehren.

»Oh, da braucht Ihr nicht mehr lange zu warten«, antwortete der Bote, »wenn sie morgen nicht aufbrechen, so ist es übermorgen, denn das Land ist offen bis ins Herz hinein. Ich darf Euch trauen, Junker, darum sag‘ ich Euch dies.»

»Ist es denn wahr, daß die Schweizer abgezogen sind?« fragte Georg, »und daß der Herzog keine Feldschlacht mehr liefern kann?«

Der Bote warf einen lauernden Blick im Zimmer umher, öffnete behutsam die Tür, und als er sah, daß kein Lauscher in der Nähe sei, begann er:

»Herr! Ich war bei einem Auftritt, den ich nie vergesse und wenn ich neunzig Jahre alt werde! Schon unterwegs waren mir auf der Alb große Scharen der heimziehenden Schweizer begegnet: Ihre Räte und Landammänner hatten sie heimgerufen; bei Blaubeuren standen aber noch über achttausend Mann; jedoch lauter gute Württemberger und nichts anderes darunter.«

»Und der Herzog«, unterbrach ihn Georg, »wo war denn dieser?«

»Der Herzog hatte in Kirchheim zum letzten Mal mit den Schweizern unterhandelt, aber sie zogen ab, weil er sie nicht bezahlen konnte. Da kam er gen Blaubeuren; wo sich sein Landvolk gelagert hatte. Gestern morgen wurde durch Trommelschlag bekanntgemacht, daß sich bis neun Uhr alles Volk auf den Klosterwiesen einstellen solle. Es waren viele Männer, die dort versammelt waren, aber jeder dachte ein und dasselbe. Seht Junker, der Herzog Ulrich ist ein gestrenger Herr und weiß den Bauer nicht für sich zu gewinnen. Die Steuern sind hart, der Jagdfrevel ist scharf und grausam, am Hof aber wird verpraßt, was man uns genommen hat. Aber wenn ein solcher Herr im Unglück ist, da ist es gleich ein anderes Ding. Jetzt fiel uns allen nur ein, daß er ein tapferer Mann und unser unglücklicher Herzog sei, dem man das Land mit Gewalt entreißen wolle. Es ging ein Gemurmel unter uns, der Herzog wolle eine Schlacht liefern, und jeder drückte das Schwert fester in der Hand, grimmig schüttelten sie ihre Speere und riefen den Bündlern Verwünschungen zu. Da kam der Herzog – «

»Du sahst den Herzog, Du kennst ihn?« rief Georg neugierig. »Oh sprich, wie sieht er aus?«

»Ob ich ihn kenne?« sagte der Bote mit sonderbarem Lächeln. »Wahrhaftig, ich sah ihn, als es ihm nicht wohl war, mich zu sehen. Der Herr ist noch ein junger Mann, wenn es viel ist, ist er zweiunddreißig Jahre. Er ist stattlich und kräftig, und man sieht ihm an, daß er die Waffen zu führen weiß. Augen hat er wie Feuer, und es lebt keiner, der ihm lange hineinschaute. – Der Herzog trat in den Kreis, den das bewaffnete Volk geschlossen hatte, und es war Totenstille unter den vielen Menschen. Mit vernehmlicher Stimme sprach er, daß er sich, also verlassen; nimmer zu helfen wüßte. Diejenigen, worauf er gehofft, seien ihm benommen, seinen Feinden sei er ein Spott; denn ohne die Schweizer könne er keine Schlacht wagen. Da trat ein alter, eisgrauer Mann hervor, der sprach: ›Herr Herzog! Habt Ihr unsern Arm schon versucht, daß Ihr die Hoffnung aufgebt? Schaut, diese alle wollen für Euch bluten; ich habe Euch auch meine vier Buben mitgebracht, hat jeder einen Spieß und ein Messer, und so sind hier viele tausend; seid Ihr des Landes so müde, daß Ihr uns verschmäht?‹ Da brach dem Ulrich das Herz; er wischte sich Tränen aus dem Auge und bot dem Alten seine Hand. ›Ich zweifle nicht an Eurem Mut‹, sprach er mit lauter Stimme, ›aber wir sind unserer zu wenig, so daß wir nur sterben können, aber nicht siegen. Geht nach Haus, Ihr guten Leute, und bleibt mir treu. Ich muß mein Land verlassen und im bittern Elend sein. Aber mit Gottes Hilfe hoffe ich auch wieder hereinzukommen.‹ So sprach der Herzog, unsere Leute aber weinten und knirschten mit den Zähnen und zogen in Trauer und Unmut ab.«

»Und der Herzog?« fragte Georg.

»Von Blaubeuren ist er weggeritten, wohin weiß man nicht. In den Schlössern aber liegt die Ritterschaft, sie zu verteidigen; bis der Herzog vielleicht andere Hilfe bekommt.«

Der alte Johann unterbrach hier den Boten und meldete, daß der Junker auf zwei Uhr in den Kriegsrat beschieden sei, der in Frondsbergs Quartier gehalten werde; Georg war nicht wenig erstaunt über diese Nachricht; was konnte man von ihm im Kriegsrat wollen? Sollte Frondsberg schon ein Mittel gefunden haben; ihn zu empfehlen?

»Nehmt Euch in acht, Junker«, sprach der Bote, als der alte Johann das Gemach verlassen hatte, »und bedenkt das Versprechen, das Ihr dem Fräulein gegeben; vor allem erinnert Euch, was sie Euch sagen ließ: Ihr sollt Euch hüten, weil man etwas mit Euch vorhabe. Mir aber erlaubt, als Euer Diener in diesem Haus zu bleiben; ich kann Euer Pferd besorgen und bin zu jedem Dienst erbötig.«

Georg nahm das Anerbieten des treuen Mannes mit Dank an; und Hans trat auch sogleich in seinen Dienst, denn er band seinem jungen Herrn das Schwert um und setzte ihm das Barett zurecht. Er bat ihn noch unter der Tür, seines Schwures und jener Warnung eingedenk zu sein.

Dem unbegreiflichen Ruf in den Kriegsrat und der sonderbar zutreffenden Warnung Mariens nachsinnend, ging Georg dem bezeichneten Haus zu; man wies ihn dort eine breite Wendeltreppe hinan, wo er im ersten Zimmer rechts die Kriegsobersten versammelt finden sollte. Aber der Eingang in dieses Heiligtum wurde ihm nicht so bald verstattet; ein alter bärtiger Kriegsmann fragte, als er die Tür öffnen wollte, nach seinem Begehr und gab ihm den schlechten Trost, es könne höchstens noch eine halbe Stunde dauern, bis er vorgelassen werde; zugleich ergriff er die Hand des jungen Mannes und führte ihn einen schmalen Gang hindurch, nach einem kleinen Gemach, wo er sich einstweilen gedulden sollte.

Wer je in besorgter Erwartung einsam und allein auf der Marterbank eines Vorzimmers saß, der kennt die Qual die Georg in jener Stunde auszustehen hatte. Da geht endlich eine Tür, gewichtige Schritte kommen den Gang herauf, die Klinke der Tür bewegt sich nach langer Zeit wieder.

»Georg von Frondsberg läßt Euch seinen Gruß vermelden«, sprach der alte Kriegsmann, der nach so langer Zeit wieder zu Georg kam, »es könne vielleicht noch eine Weile dauern, doch sei dies ungewiß, darum sollt Ihr hierbleiben. Er schickt Euch hier einen Krug Wein zum Vespern.«

Der Diener setzte den Wein auf den breiten Fenstersims des Zimmers, denn ein Tisch war nicht vorhanden und verließ das Gemach.

Georg sah ihm staunend nach; er hätte dies nicht für möglich gehalten; über eine Stunde war schon vergangen, und noch nicht? Er griff zu dem Wein; er war nicht übel, aber wie konnte ihm in seiner traurigen Einsamkeit das Glas munden?

Kein Wunder daher, daß Georg, als er nach zwei tödlich langen Stunden in den Kriegsrat abgeholt wurde, nicht in der besten Laune war. Er folgte schweigend dem ergrauten Führer, der ihn hierher geleitet hatte, den langen Gang hin

An der Tür wandte sich jener um und sagte freundlich: »Verschmäht den Rat eines alten Mannes nicht, Junker, und legt die trotzige, finstere Miene ab; es tut nicht gut bei den strengen Herren da drinnen.«

Georg war in dem Augenblick zuwenig Herr über sich, als daß er den wohlgemeinten Rat hätte befolgen können; er dankte ihm durch einen Händedruck, ergriff dann rasch die gewaltige eiserne Türklinke, und die schwere eichene Zimmertür drehte sich ächzend auf.

Um einen großen, schwerfälligen Tisch saßen acht ältliche Männer, die den Kriegsrat des Bundes bildeten. Einige davon kannte Georg. Jörg Truchseß, Freiherr von Waldburg, nahm als Oberster Feldleutnant den obersten Platz am Tisch ein, zu beiden Seiten von ihm saßen Frondsberg und Franz von Sickingen, von den übrigen kannte er keinen außer den alten Ludwig von Hutten; aber die Chronik hat uns ihre Namen treulich aufbewahrt; es saßen dort noch Christoph Graf zu Ortenberg, Alban von Closen, Christoph von Frauenberg und Diepolt von Stein, bejahrte, im Heer angesehene Männer.

Georg war an der Tür stehengeblieben, Frondsberg aber winkte ihm freundlich, näher zu kommen. Er trat bis an den Tisch und überschaute nun mit dem freien kühnen Blick, der ihm so eigen war, die Versammlung. Aber auch er wurde von den Versammelten beobachtet, und es schien, als fänden sie Gefallen an dem schönen, hochgewachsenen Jüngling, denn mancher Blick ruhte mit Wohlwollen auf ihm, einige nickten ihm sogar freundlich zu.

Der Truchseß von Waldburg hob endlich an »Georg von Sturmfeder, wir haben uns sagen lassen, Ihr seid auf der Hochschule in Tübingen gewesen, ist dem so?«

»Ja, Herr Ritter«, antwortete Georg.

»Seid Ihr in der Gegend von Tübingen genau bekannt?« fuhr jener fort.

Georg errötete bei dieser Frage; er dachte an die Geliebte, die ja nur wenige Stunden von jener Stadt entfernt auf ihrem Lichtenstein war; doch faßte er sich bald und sagte: »Ich kam zwar nicht viel auf die Jagd, auch habe ich sonst die Gegend wenig durchstreift, doch ist sie mir im allgemeinen bekannt.«

»Wir haben beschlossen«, fuhr Truchseß fort, »einen sicheren Mann in jene Gegend zu schicken, auszukundschaften, was der Herzog von Württemberg bei unserem Anzug tun wird. Es soll auch über die Befestigung des Schlosses Tübingen, über die Stimmung des Landvolkes in jener Gegend genaue Nachricht eingezogen werden; ein solcher Mann kann dem Württemberger durch Klugheit und List mehr Abbruch tun als hundert Reiter, und wir haben – Euch dazu ausersehen.«

»Mich?« rief Georg voll Schrecken.

»Euch, Georg von Sturmfeder; zwar gehört Übung und Erfahrung zu einem solchen Geschäft, aber was Euch daran abgeht, möge Euer Kopf ersetzen.«

Man sah dem Jüngling an, daß er einen heftigen Kampf mit sich kämpfte. Sein Gesicht war bleich, sein Auge starr, seine Lippen fest zusammengepreßt. Die Warnung Mariens war ihm jetzt auf einmal klar; aber wie fest er auch bei sich beschloß, den Antrag auszuschlagen, wie erwünscht beinahe diese Gelegenheit erschien, um dem Bund zu entsagen; so kam ihm die Entscheidung doch zu überraschend, er scheute sich, vor den berühmten Männern seinen Entschluß auszusprechen.

Der Truchseß rückte ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her, als der junge Mann so lange mit seiner Antwort zögerte: »Nun? Wird’s bald? Warum besinnt Ihr Euch so lange?« rief er ihm zu.

»Verschont mich mit diesem Auftrag«, sagte Georg nicht ohne Zagen, »ich kann, ich darf nicht.«

Die alten Männer sahen sich erstaunt an, als trauten sie ihren Ohren nicht. »Ihr dürft nicht, Ihr könnt nicht?« wiederholte Truchseß langsam, und eine dunkle Röte, der Vorbote seines aufsteigenden Zornes, lagerte sich auf seiner Stirn und um seine Augen.

Georg sah, daß er sich in seinen Ausdrücken übereilt habe; er sammelte sich und sprach mit freierem Mut: »Ich habe Euch meine Dienste angeboten, um ehrlich zu fechten; nicht aber um mich in Feindesland zu schleichen und hinterrücks nach seinen Gedanken zu spähen. Es ist wahr, ich bin jung und unerfahren, aber so viel weiß ich doch, um mir von meinen Schritten Rechenschaft geben zu können; und wer von Euch der Vater eines Sohnes ist, möchte ihm zu seiner ersten Waffentat raten, den Kundschafter zu machen?«

Der Truchseß zog die dunklen, buschigen Augenbrauen zusammen und schoß einen durchdringenden Blick auf den Jüngling, der so kühn war, anderer Meinung zu sein als er. »Was fällt Euch ein, Junker!« rief er. »Eure Reden helfen Euch jetzt nichts, es handelt sich nicht darum, ob es sich mit Eurem kindischen Gewissen verträgt, was wir Euch auftragen; es handelt sich um Gehorsam, wir wollen es, und Ihr müßt!«

»Und ich will nicht!« entgegnete ihm Georg mit fester Stimme. Er fühlte, daß mit dem Zorn über Waldburgs beleidigenden Ton sein Mut von Minute zu Minute wuchs, er wünschte sogar, der Truchseß möchte noch weiter in seinen Reden fortfahren, denn jetzt glaubte er sich jeder Entscheidung gewachsen.

»Ja freilich, freilich!« lachte Waldburg in bitterem Grimm. »Das Ding hat Gefahr, so allein im Feindesland herumzureiten. Ha! Ha! Da kommen die Junker von Habenichts und Binnichts und bieten mit großen Worten und erhabenen Gesichtern ihren Kopf und ihren tapferen Arm an, und wenn es drauf und dran kommt, wenn man etwas von ihnen haben will, so fehlt es an Herz. Doch Art läßt nicht von Art, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – und wo nichts ist, da hat der Kaiser das Recht verloren.«

»Wenn dies eine Beleidigung für meinen Vater sein soll«, antwortete Georg erbittert, »so sitzen hier Männer, die ihm bezeugen können, daß er in ihrem Gedächtnis als ein Tapferer lebt. Ihr müßt viel getan haben in der Welt, daß Ihr Euch herausnehmt, auf andere so tief herabzusehen!«

»Soll ein solcher Milchbart mir vorschreiben, was ich reden soll?« unterbrach ihn Waldburg. »Was braucht es da das lange Schwatzen? Ich will wissen, Junkerlein, ob Ihr morgen Euer Pferd satteln und Euch nach unseren Befehlen richten wollt oder nicht!«

»Herr Truchseß«, antwortete Georg mit mehr Ruhe, als er sich selbst zugetraut hatte, »Ihr habt durch Eure scharfen Reden nichts gezeigt, außer daß Ihr kaum wißt, wie man mit einem Edelmann, der dem Bund seine Dienste anbot, wie man mit dem Sohn eines tapferen Vaters sprechen müsse. Ihr habt aber als Oberster dieses Rates im Namen des Bundes zu mir gesprochen und mich so tief beleidigt, als ob ich Euer ärgster Feind wäre, darum kann ich nichts tun als, wie Ihr selbst befehlt, mein Roß satteln, aber gewiß nicht zu Eurem Dienst. Es ist mir nicht länger Ehre, diesen Fahnen zu folgen nein, ich sage mich los und ledig von Euch für immer; gehabt Euch wohl!«

Der junge Mann hatte mit Nachdruck und Festigkeit gesprochen und wandte sich zu gehen.

»Georg«, rief Frondsberg, indem er aufsprang, »Sohn meines Freundes!«

»Nicht so rasch, Junker«, riefen die übrigen und warfen mißbilligende Blicke auf Waldburg; aber Georg war, ohne sich umzusehen, aus dem Gemach geschritten, die eiserne Klinke schlug klirrend ins Schloß und die gewaltigen Flügel der eichenen Pforte lagerten sich zwischen ihn und den wohlmeinenden Nachruf der besser gesinnten Männer; sie schieden Georg von Sturmfeder auf ewig vom schwäbischen Bund.

EPUB

Download als ePub

 

Downloaden sie dieses Kapitel als EPUB. Geeignet für alle SmartPhones, Tablets und sonst. Lesegeräte, die mit EPUB zurechtkommen.

PDF

Download als PDF

 

Downloaden sie dieses Kapitel als PDF.
Geeignet für alle PC, Tablets und sonst. Lesegeräte, die mit PDF zurechtkommen.

Gratis + Sicher

  • Viren- und Trojanergeprüft
  • ohne eMailadresse
  • ohne Anmeldung
  • ohne Wartezeit
  • Werbefreie Downloads