Die Zeit liegt Jahrhunderte fern.

Damals sah nur das alte Adlerweibchen, das aus den besonnten Wolken sich senkte, tief unter sich das weite Bergland einsam liegen. Die Hochgipfel mit schwefelgelbem Flechtengetrümmer besät. Die hellerlichten Wiesen dunkel mit Krummholz betupft. Dazwischen kleine Tümpel wie blaue Wasseraugen. Und nur noch die Stürme umpfiffen die grauen Felsgestalten, die wie verwitterte Götterbilder verlassen ragten.

Damals führten nur vereinzelte, überwucherte Pfade durch verwunschenen Wald auf die freien Geröllhalden und Hochmoore und Klippen des Riesengebirges hinauf. Und wohl ein mächtiges Rudel äugender Hirsche sah einmal einen einsamen Kräutermann hochstapfen. Oder auch einen beherzten, waghalsigen Schatzgräber in der Sommernacht seinen Gang in die Berge tun.

Damals war Rübezahl erbittert.

Er hatte durch dreißig lange Jahre in den Engtälern des Gebirges und gelegentlich auf den einsamen Bergwegen immer nur Abschaum aus dem heillosen Kriege begegnet, der Deutschland verwüstete. Einzelne entwichene Schufte oder verirrte Reitertrupps, die sich nicht scheuten, selbst die armseligste Armut noch in den Bergschluchten zu schinden und zu plündern. Hatte natürlich dieses lose Gesindel auch immer mit langen Nasen und gebläuter Haut wieder in die Täler getrieben.

In dieser Zeit war Rübezahl manches Mal durch Dörfer und Städte unten, die Fäuste geballt und das Maul verächtlich verzogen, hindurchgeschlüpft, hämisch erregt gegen den Wahn aller Menschen.

Unten in den Ebenen hatte der Krieg die Menschenwohnungen vernichtet.

Viel verlassenes und zertrümmertes Bauwerk lag zwischen Waldflächen und verwucherten Feldern im Lande umher,.

In den Städten waren die Menschen nur noch ärmlich an Zahl und kümmerlich am Leibe. Und viel geängstigtes Volk hatte sich in die geplünderten Gassen und um die zerschossenen Kirchen geflüchtet.

Im weiten Deutschland waren diese langen Jahre hindurch Kriegsvölker in großen Heerhaufen von Ost und West, Nord und Süd gegeneinander marschiert, von dem Wahne gehetzt, als, wer einen falschen Gott in der Seele trüge, müßte sterben.

Da hatte Rübezahl hundertmal mit richtigem Bocksgemäcker gelacht, wenn er bedacht hatte, daß niemand da war außer ein paar mächtigen Königen, die es mit dem Schwerte entscheiden wollten, welches der falsche und welches der richtige Gott sein sollte.

Und wenn Rübezahl so von Orte zu Orte gehuscht, hatte er mit grimmigem Grausen in den eingeäscherten Dörfern Bauern an den Brunnenschwengeln baumeln gesehen, aus Hunger erhängt. Oder von den rohen Soldatenhaufen mit schmutzigen Fetzen der eigenen Lumpenkleider erdrosselt. Denn die Soldateska hatte mit den eingeschüchterten Landleuten überall die gotteslästerlichsten Biwakspäße getrieben. Hatte auch die irren Alten und die gescheuchten, verhärmten, erniedrigten Weiber gesehen, die im Schutte der Felder oder in den städtischen Trümmerhaufen herumscharrten. Und es hatte ihm manches Mal die Kehle geschnürt, so daß er lieber gleich mit Wut und Gelächter in alle Windlüfte hochgefahren und sich als Bergnase auf die höchste Kammhöhe aufgepflanzt, um dort oben in Freiheit und Sonne den Blutgestank und Leichengestank der Täler ganz zu vergessen.

Heute endlich raffte er sich.

Aus der Kehle eines grauen Steinpiepers ertönt in die Sonnenluft über dem weiten Flechtenfelde ein kleines Jubilieren, das den Jammer der Erde ganz vergessen ließ. Es war nicht nur wieder Frühling. Es war auch unten in den deutschen Ländern, die sich von seinem Hochsitze aus in die Ferne dehnten, endlich wieder Friede geworden.

In diesen Tagen waren ein paar alte Panzerreiter in ihre Heimat Hermsdorf u. K. zurückgekehrt. Ehemals Kuhknechte im gräflichen Hofe, als sie der Krieg mit fortriß. Hochmütige, freche Gesellen, die zwar nur niedrige Troßknechte im Regimente gewesen, sich aber jetzt vor den Dummen und Einfältigen daheim als Herren aufspielen und kommandieren wollten.

Die hatten ihre Schwerter zwar an den Nagel gehangen. Aber sie bliesen sich großartig auf, weil sie genug Plündergut rechtzeitig in Golddukaten verwandelt. Hatten sich auch gleich in den Sinn gesetzt, von den blutigen Kriegsstrapazen eine Weile völlig auszuruhen und nur einstweilen ein lustiges Leben zu führen.

Ehrenreich Kluge und Christoph Sommer. Jähzornige Kumpane. Noch immer zum Zeichen ihres tollkühnen, hartherzigen Wagemutes in ihre verbeulten und verlotterten Uniformen gekleidet. Beide Kürassiers aus der großen Landarmee des gewaltigen Schwedenkönigs, der immer auch wie ein geputzter und gepanzerter Riese auf seinem Riesenpferde gesessen hatte.

Beide jetzt freilich nur auf den hochgeschäfteten und eisengeschienten Beinen. Aber noch bis zum Rande Fluchens und Lästerns voll. So daß sie sogar Vater und Mutter nicht anders als mit einem: »Daß Euch der Hagel erschlage!« hatten begrüßen können.

Beide noch gleichsam Kanonenkugeln im letzten Fluge. Unheimliche Wirrbärte mit betrunkenen Glotzaugen, jeden Augenblick neu bereit, mit Menschen und Welt zu hauen und zu stechen. Die gedachten nun eines schönen Frühlingstages auch eine Wanderung ins Riesengebirge hinein und hinauf zu tun.

Ehrenreich Kluge und Christoph Sommer stelzten und stolperten mit den Stöcken fuchtelnd und brüllend, so daß ihr Lied von den Talhängen das Echo weckte, in die Agnetendorfer Engschlucht hinein. Sie sangen mit ihren vertrunkenen Kehlen einander akkompagnierend:

»Hermann, schla‘ Lärm an,
Laß piepen, laß trummen,
Der Kaiser will kummen,
Mit Hammer und Stangen,
Will Hermann ufhangen.«

So daß auch zwei Mägde, die einsam vor einen Pflug gespannt einen kleinen, abschüssigen Ackerstreifen rodeten, sich zurückbogen und ihnen hart hintendrein höhnten und lachten.

Und je wohliger die beiden Schwertfeger in der warmen Sonne den Bergweg stapften, je kühler sie die Luft aus dem weiten Bergkessel einsogen, desto toller gerieten sie in Galgenlaune. Verlangten sie wieder nach einem Feinde, der sich lohnte. Gaben dem Berggeist plötzlich die unziemlichsten, erbärmlichsten Namen. Und konnten sich nicht genug tun, immer wieder hinaus zu brüllen, daß sich der Herr der Berge wohl hüten würde, solchen erbarmungslosen Teufelsreitern, wie sie wären, seine verrufenen Späße vorzumachen.

Ihr rostiges, rauhes Gegröl scholl so vertrackt in das Brausen der Frühlingsbäche hinein, als könnten sie damit alle gurgelnden Bergstimmen übertönen…

Aber da flogen am glänzenden Frühlingshimmel schon Nebelfetzen.

Da kamen plötzlich auf ihrem Wege die winterlichen Blätterreste in Wirbelquirlen herangetanzt.

Da erwachten auch freche Pfiffe um die Waldstämme, wie aus den breitgerissenen Mäulern einer ganzen Herde Gassenjungen.

Und ehe die beiden hallunkischen Spötter nur noch einmal den blauen Himmel besahen, waren schon zwei Goldschlangen, als kämen sie von einem Baume hernieder, eine hinter der anderen, über den Waldboden und um ihre Beine herumgeschlüpft.

Da hätten sie wohl nur wie über ein entzündliches Feuerwerk rechts und links beiseite springen brauchen, wenn nicht in diesem einzigen Augenblicke auch schon ein ganzes Heer widerwärtiger, sinnverwirrter Fliegen um ihre Köpfe zu spielen begonnen.

Da gab es überhaupt keinerlei weiteres Besinnen.

Denn schon im nächsten Augenblicke brach kaum aus halber Baumhöhe wie aus vollen Eimern ein Wassersturz nieder.

Die beiden bunten Hänse standen unversehens in der dichtesten Finsternis.

Es verbreitete sich ein Donnergetümmel.

Es verbreitete sich in der höllischen, jachen Wetternacht ein derart stechender, pestischer Gestank, schlimmer wie dichtester Pulverdampf. So daß die beiden vom krampfhaften Husten und Niesen richtig wie geschüttelt waren. Aber schließlich besannen sie sich doch, daß sie alte, gediente Mordbrenner wären. Und versuchten neu die Mäuler zum Fluchen wieder aufzutun. Denn es war doch einen Augenblick wieder lichter geworden.

Da wurden die Regentropfen jetzt ganz groß und lang wie kleine Bologneser Glaskeulen. Begannen einzeln zu fliegen. Kamen immer jacher. Als wenn man ganze Scheunenböden solch harter Keulenkörner in den Lüften entleerte. Schlugen durch Harnischreste und Filzkleider derart durch, daß die beiden gleich bis aufs nackte Fleisch eisig trieften.

Hier war kein Entkommen weiter.

Von allen Seiten brausten schon unheimliche Geisterheere heran.

Sie mußten in aller verfluchten Teufelsgeduld unter einer furchtbaren, stockfinsteren Traufe stehen.

Dabei begannen jetzt sichtbar Goldkugeln am Himmel hin und her zu spielen, größer wie Bomben.

Die beiden Schwerenöter konnten sich wieder in einer wilden Feuerschlacht wähnen.

Und es wäre kein Ende ihres pitschnassen Grausens gewesen, wenn nicht einem jeden eine dieser großen Goldkugeln schließlich noch jach die Beine unterm Leibe weggerissen und ihn für eine Ewigkeit, so schien es, tot ins Waldgras hingebettet.

Da hat dann noch ein paarmal das erhabene Brausen und Branden des rübzählischen Gelächters von dem Grubenkessel her triumphierend widergehallt, als die beiden Kürassiers nur so als ausgeblasene Spottgeburten totenbleich und ohnmächtig im Waldmoose lagen, die Sperrmäuler in die alten Buchenwipfel aufgereckt.

Aber wie die beiden am Nachmittage wieder erwachten, war der Schwefelgestank im Walde verschwunden. Es roch frisch nach Harz und Baumknospen. Sonnenringel tanzten am Waldboden. Und ein grünfräckiger, alter Pantinengänger saß am Wege, um, wie es schien, eine Weile zu verschnaufen.

Der gutmütige Hudelkopf lachte die beiden pfütznassen Soldaten nur an.

Da konnten sich die beiden begossenen Lümmel zunächst nur langsam ermannen. Es schien ihnen noch immer, als wenn sie irgendwo als erhängte Strolche an einem Brunnenschwengel oder Buchenknorren gehangen und ihre blutdürstige Seele ausgehaucht hätten.

Jetzt freuten sie sich des demütigen Alten, der, zwei Kännchen voll Milch auf den Knien, vor ihnen auf einem Steine saß.

»Her mit deiner Milch. Hundsfott!« schrie Ehrenreich Kluge.

»Gerne«, sagte der hemdärmliche Bauer. »Nämlich es ist Gebirgskräutermilch, die macht hellsehend… deshalb kostet sie aber auch einen Golddukaten!«

»Mistbauer… halt die Fresse!« schrie Ehrenreich Kluge, der sich jetzt ermannte und aufsprang.

Aber auch Christoph Sommer, der sich fortwährend sein Narbenbein rieb, starrte nur lüstern in eine der Milchkannen.

»Willst wohl, daß ich dir gleich deine Hundsseele ausblase, Bulle!« schrie Christoph Sommer jähzornig.

Aber beide griffen doch gleichzeitig nach einem Golddukaten, deren ein jeder ein triefendes Ledersäckchen voll auf der Brust trug.

Denn der alte Bauer hatte nur wieder sehr pfiffige Augen gemacht.

Und andererseits hatten die beiden Kürassiers noch nicht einmal an ihre Pfeifen gedacht, die ihnen der Blitzschrecken aus den Mundwinkeln ins Gras geschleudert. Lechzten nur jetzt glotzäugig ein jeder nach einer Kanne voll Milch. Und ließen also je den blinkenden Goldtaler in der schwieligen Bauernhand ruhig einen Dukaten sein.

Gierten wie verhext ein jeder nur stier nach einer Kanne voll Milch. Und begannen auch sofort gierig zu saugen.

Da konnten sie saugen. Da hätten sie eine Ewigkeit saugen können.

Da versuchten sie die Kannen immer höher und höher in die Luft zu recken.

Da sogen sie wahrhaftig wie die ausgedörrten Verdammten in der glühenden Hölle.

Die Augen immer stierer gerötet im Kopfe.

Da sogen und sogen sie. Und sahen einander endlich an. Aber sie versuchten doch gleich von neuem zu saugen.

Sie hatten die Kannen jetzt ganz gegen den Himmel gestemmt.

Aber sie sahen einander nur wieder an.

Und dann sahen sie sich plötzlich auch um.

Da sahen sie es, daß der demütige Alte mit seinen Goldtalern längst schon in alle Winde gefahren war.

Hörten nur jetzt von der Bergwand sein allerniederträchtigstes Gelächter. Hatten da auch gleich die satanischen Milchkannen noch einmal mit einem einzigen jähzornigen Blicke gestreift. Hatten die Kannen ebenso entsetzt weit von sich geschleudert.

Hahahaha! Die Kannen hüpften einfach als eitel Felssteine in lustigen Sprüngen den Hang hinunter.

Da begannen sie wirklich mit Grund gegen Rübezahl loszuschreien:

»Du Sautopf… du gehenkter Habicht… du stinkige Spottlaus… du willst alte, ausgediente Kriegskameraden auf die Leimrute locken!«

Verschworen sich, daß sie nicht bloß neugeborene Kinder an die Häusermauern geschmissen und zehn Kaiserlichen auf einmal die Eingeweide aus dem Leibe gerissen, wie sie auch diesen niederträchtigen Berggeist an seinen Haderlumpen erwürgen und an den ersten besten Buchenast henken wollten.

So von frechstem Hohn und lästerlichstem Gelächter neu aufgestachelt, stolperten die beiden Kürassiere trotzig und stolz in die Schneegrube weiter.

Da kam ihnen eine vornehme, gräfliche Kutsche mit zwei jungen Isabellenpferden entgegengefahren. Hinten auf dem Trittbrett standen zwei riesenköpfige, reich vergoldete Pagen, die wunderlicherweise die Füße gleich am Leibe hatten.

Der vornehme Herr selber im gläsernen Wagen mochte wohl ein Kriegsoberst sein. Jedenfalls trug er einen sehr verächtlichen Blick zur Schau.

So daß die beiden Panzerreiter sich peinlich sofort erinnern mußten, ganz entsetzlich demoliert auszusehen. Fluchen und Tirilieren völlig vergaßen und nicht anders wähnten, als ob ein Bote des großen Schwedenkönigs von neuem jetzt ihren einsamen Bergweg kreuzte.

So begannen sie nur fortwährend eine tiefe Referenz zu machen.

Und weil der reichgekleidete Kriegsoberst sogleich halten ließ, um ihnen als wohlverdienten Soldaten je einen Beutel Goldes zu überreichen, dienerten sie nur ohn Unterlaß weiter bis fast auf die harten Steine am Wege, und fragten am Ende sehr demütig, wo man wohl hier des Weges auf das Gebirge hinauf käme?

Da hatte ihnen der barsche Kriegsoberst den Weg grade hinein in die Agnetendorfer Schneegrube gewiesen. Mit einem Schalksblick zu dem Zisterzienserpater hin, der im Wagen neben ihm saß. Und der ergraute Mönch hatte noch ausdrücklich dazu gesagt, sie möchten mit Gott wandern und nicht furchtsam sein. Und furchtsam sind natürlich Leute nie, die der Todesschrecken hundertmal aus Mannes- und Weiber- und Kinderaugen angestiert.

Also ging es noch eine Weile gegen die Schneegrubenwand vorwärts.

Dort gesellte sich den beiden, wie das Isabellengespann längst wie ein Sturmwind zu Tale gefahren war, auch noch ein kropfiger, kurzatmiger Dümmling, der wie jeder von ihnen eine Pfeife ins Maul eingepflanzt trug. Und der die wenigen Worte: »Er wüßte den Weg… er ginge denselben Weg fürbaß!« auch nur mit Tabaksqualme gleichzeitig ausstoßen konnte.

Nun ging es, der Dümmling vor ihnen oder bald über ihnen, felsan. In das Licht des Abends hinein, das von hoch oben den Hang niederfloß. – Ewig felsan.

Das hatte gar kein Aufhören.

Und nachdem sie so versunken lange geklettert waren, deuchte es jedem der Kürassiere, als wenn der bucklige, kropfige Kerl, der über ihnen ins Beerenkraut geklammert hing, plötzlich noch einen zweiten Buckel gegen das Licht bekäme, der meterlang in die Luft hineinwuchs.

Aber diese sonderbare Verschiebung ging in der Mühsal des Kletterns vorüber.

Später deuchte es Sommer wieder, als wenn der Dümmling eine Weile wie ein Riese ins Licht aufwüchse, von feurigen Zungen umflossen. Aber er sah den Trottel auch ebenso schnell wieder sich zusammenziehen, so daß er nur klein wie eine Ameise am Hange aufkroch.

Auch das vergaßen die beiden uniformierten Bergsteiger völlig, weil sie jetzt schon gehörig achtgeben mußten, keinen falschen Schritt zu tun.

Dann, wie sie weiter aufkrochen, begann dasselbe Spiel freilich auch mit den kleinen Stauden und Beerensträuchern vor ihnen, nach denen sie fortwährend greifen mußten, um wenigstens daran einen kümmerlichen Halt zu finden.

Die winzigen Büschel ragten gegen den hohen Abendhimmel oft ganz plötzlich so groß wie reiche, goldene Bäume. Obwohl sie auch ebenso rasch wieder zu den winzigsten Stöckchen zusammenschrumpften.

Nur wurde das alles immer toller.

Denn jetzt fing der ganze Hang vor ihnen wie mit kleinen, roten, warmen Feuerzungen zu brennen an. Und in den Lüften, die ihnen vom höchsten Absturz leise entgegenflossen, klang feines, lustiges Gelächter wie aus Kinderkehlen.

Und das Blut der beiden war vom Steigen schon fieberhaft erhitzt und voll Schrecken vor der Tiefe.

Es mußte jetzt felsan gehen.

Denn wenn sie unter sich in die Tiefe sahen, so lag der Grund längst jäh und fern.

Die Wiese tief unten mit dem großen Bergschatten, die riesigen Steinblöcke, Erle an Erle den Bach säumend, alles war jetzt zurückgeschwunden.

Ihre rufende Stimme zerflog leer wie ein jähes Echo.

Und wenn sie hochsahen, mußten sie es mit leiblichen Augen erleben, daß sich die schroffe Felswand bei jedem neuen Schritte immer hoffnungsloser in den Abendhimmel türmte.

Da fingen in ihnen an, alle Stricke neu zu zerreißen.

Da packte sie schon heimlich der Jähzorn.

Da begannen sie Verwünschungen gegen dieses Satansunternehmen zu dem kropfigen Dümmling hochzubrüllen.

Und der kropfige, huckige Trottel war bei diesem Satansunternehmen sogar sehr lustig geworden.

Er wußte offenbar in den Bergen Bescheid.

Er hatte sich eben auf die äußerste Spitze einer weitherausstehenden Felsnase behaglich mit den unheimlichsten Langbeinen baumelnd hinausgesetzt.

Er brüllte das Kriegslied in alle Lüfte:

»Hermann, schla‘ Lärm an,
Laß piepen, laß trummen,
Der Kaiser will kummen,
Mit Hammer und Stangen,
Will Hermann ufhangen.«

Und hing auch schon am letzten Fetzen seiner Lumpenkleidung von der Felszacke über dem Grunde. Zappelte schon zwischen Himmel und Erde. Schrie wie ein bösartiger Wechselbalg jämmerlich um Hilfe. Lachte dazwischen so höhnisch und hart, wie wenn Steine aufeinanderschlügen. Sang und brüllte von neuem.

Und ehe noch die beiden Schwartenhälse ihr blaues Wunder in den Berglüften sahen und in ihrem Schrecken die Pfeifen aus den Mäulern rissen, sauste auch schon der halunkische Kerl wie ein zusammengerollter Igel, aus allen Blasebälgen mit hundertstimmigem Ferkelgequiek und Brummbaßgezeter juchzend, zu Tale.

Da waren die beiden mit ihrer Geduld gegeneinander auch am Ende gewesen.

Da hatte sie gleich ihr toller Jähzorn völlig blind gemacht.

Da hatten sie nur noch ein tolles Brausen in den Ohren. Und schlugen schon mit ihren Fäusten und Pfeifenköpfen in sich hinein.

Begannen ein blutgieriges, sinnloses Sichbearbeiten.

Griffen Beerensträucher und Rollsteine vom Hange, um sie einander wütend in die Augen und an die Brust zu schleudern. Hatten einander mit Klammerarmen umgriffen, um sich unbarmherzig die Kehlen zu würgen.

Und es wäre ihrer gehetzten Wut kein Ende gewesen, wenn ihnen nicht Rübezahl einfach jetzt die Füße unterm Leibe noch vollends weggezogen, sie ebenso rasch ins tollste Rollen gebracht und sie zu hunderten Malen kopfüber purzelnd den Hang in ihrer wütenden Umkrallung unaufhaltsam hinabgerissen.

Da lagen sie unten, die Arme noch fest ineinander verklammert. Und wußten von sich und der Welt nichts mehr.

Sie hörten weder das feine Kinderstimmengelächter, das über Beerensträucher und Blumenköpfe noch immer lustig und leise wie das Piepen schlafender Vögel hinging. Noch hörten sie auch den großen Grünspecht lachen, in den sich der Dümmling unterdessen verwandelt hatte.

Die beiden Kürassiers sollen von ihrem Sturze, die Agnetendorfer Schneegrube nieder, völlig zur Besinnung erwacht sein. Wie sie die Augen endlich neu aufgerissen, schwuren sie einander sogleich, in friedliche Zustände heimzukehren. Nach dem großen Kriege waren männliche Hilfskräfte auf allen Gebieten sehr rar. So entschlossen sie sich ein jeder, in einem kleinen Gebirgsflecken Schulmeister zu werden, um der Welt auch noch etwas von ihrer Weisheit zugute kommen zu lassen.

Heimgekommen dachten sie freilich auch an den Goldbeutel, den einem jeden der vornehme Kriegsoberst aus der Glaskutsche ehrend herausgereicht, als der aus der Agnetendorfer Schneegrube gefahren kam. Aber auch der Beutel war unterdessen ganz leicht geworden. Sie fanden darin nur ganz unvergoldete Pferdeäpfel.