Dreiundzwanzigstes Kapitel.


Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Neuer Schmerz infolge des schlimmen Lebenswandels seines Sohnes. – Der Lohn wird von der Liste des Covent-Garden-Theaters gestrichen. – Neue Spekulation in Sadlers-Wells. – Ein anderes Direktionssystem und dessen Erfolg. – Sir James Scarlett und ein Zeuge, dem die Schamröte auf die Wangen tritt.

Von dieser Zeit ab bis zu seinem Lebensende hatte Grimaldi Leiden und Widerwärtigkeiten in ununterbrochener Folge zu ertragen, die ihn tiefer und tiefer beugten. Gleich nach seiner Rückkehr nach Cheltenham verfiel er in eine schwere Nervenkrankheit, die ihn vier Wochen ans Bett fesselte, und als er endlich wieder aufstehen konnte, war er ein Krüppel und sollte ein Krüppel bleiben bis an sein Lebensende.

Er liebte seinen Sohn, sein einziges Kind, auf das zärtlichste, hatte ihm die beste Erziehung zuteil werden lassen und einen großen Teil seines oft sehr sauren Verdienstes auf ihn verwandt. Bis zu dieser Zeit hatte sich der Sohn der Liebe seiner Eltern in jeder Hinsicht würdig gezeigt und war beim Publikum allmählich in immer höhere Gunst getreten. Mit einem Male – gleichsam über Nacht – ergab er sich einem so zügellosen Lebenswandel, daß die Direktion des Covent-Garden-Theaters sich gezwungen sah, ihn aus der Mitgliederliste zu streichen.

Schon in Cheltenham erhielt Grimaldi die erste Nachricht von der mit seinem Sohne vorgegangenen Wandlung. Erst ein paar Tage hatte er sein Krankenlager verlassen, als ein Mitglied der Stadtbehörde sich bei ihm melden ließ und ihm eröffnete, daß sein Sohn wegen verschiedener toller Streiche, die er in der Trunkenheit begangen, in Arrest abgeführt worden sei.

Grimaldi bezahlte ohne weiteres, was als Bürgschaft gefordert wurde, um seinem Sohne die Untersuchungshaft zu ersparen. Im Kampfe mit den Polizisten hatte derselbe aber einen Schlag über den Kopf bekommen und eine schwere Verletzung davongetragen. Es wurde allgemein geglaubt, sein Verstand habe dadurch gelitten, weil er von Stund an ein völlig anderer Mensch wurde, unter epileptischen Anfallen litt und allerhand Tollheiten ausführte, die nur Folge eines zerrütteten Gehirns sein konnten. Zuletzt stellte sich totaler Wahnsinn bei ihm ein, so daß er in die Zwangsjacke gesteckt werden mußte.

Grimaldi nahm ihn mit sich nach London zurück, wo er wegen seines eigenen Zustandes die berühmtesten Ärzte konsultierte. Aber alle Bemühungen derselben erwiesen sich als vergeblich; eine Weile lang trug er sich noch mit der Hoffnung auf Besserung, mußte sie aber im Oktober völlig aufgeben.

Schier wäre er fast verzweifelt, als ihm die schreckliche Offenbarung wurde, daß er auf Lebenszeit gelähmt bleiben und das Krankenbett wohl nie wieder verlassen würde, daß er nicht mehr daran denken dürfe, je wieder die Bühne zu betreten, auf der er sozusagen von der Wiege an zu Hause gewesen, und die ihm ein jährliches Einkommen von 1500 Pfund verschafft hatte. Und umso schrecklicher war diese Offenbarung, als er kein anderes Einkommen mehr hatte, als seinen Gewinnanteil am Sadlers-Wells-Theater, der ihm bisher keinen Heller eingetragen, wohl aber Verlust über Verlust gebracht hatte!

Von diesem schweren Schlage, der ihn völlig betäubt hatte, erholte er sich erst nach langer Zeit wieder einigermaßen.

Sobald er seine Besinnung wiedergewonnen hatte, ließ es ihm keine Ruhe, bis er der Direktion des Covent-Garden-Theaters Mitteilung über seinen Gesundheitszustand gemacht hatte, zumal es hoch an der Zeit war, die Vorbereitungen zu der Weihnachtspantomime zu treffen.

Diese Nachricht wurde mit dem lebhaftesten Bedauern aufgenommen; die Direktion gab der Hoffnung Ausdruck, daß er doch bald wieder genesen werde, und nach längerem Bedenken faßte sie den Entschluß, die erste Clownrolle in der Pantomime Grimaldis Sohne zu übertragen, der sich seit einiger Zeit einer bessern Aufführung befleißigt hatte.

Es wurde ihm eine Gage von acht Pfund wöchentlich bewilligt; auch gegen Grimaldi selbst zeigte man sich sehr nobel, indem man ihm, wenn auch nicht die volle Gage, so doch eine Pension von fünf Pfund wöchentlich für die Dauer der Saison aussetzte. Das war weit mehr, als er erwartet hatte.

Nach Ablauf der drei Jahre, die Egertons Pachtkontrakt dauerte, wurde zwischen den Eigentümern des Theaters darüber verhandelt, ob man es behalten oder weiterzuverkaufen suchen solle. Es wollte sich kein Käufer dafür finden zu den Bedingungen, an denen man festhalten zu müssen meinte, und so einigte man sich dahin, es an Mr. Williams vom Surrey-Theater weiter zu verpachten.

Kurz darauf besuchte Williams Grimaldi, um sich mit ihm über einige Dinge zu besprechen, unter anderm darüber, was er zu einem Versuche, beide Theater durch einunddasselbe Personal zu bedienen, meine, so zwar, daß die eine Hälfte zuerst in Sadlers Wells, dann im Surrey-Theater, die andere umgekehrt zuerst im Surrey-, dann im Sadlers-Wells-Theater spiele.

Grimaldi wußte nicht recht, was er dazu sagen sollte, aber Williams erklärte, er sei der Ausführung des Planes schon nähergetreten, indem er Wagen für die Beförderung des Personals vom einen zum andern Theater bauen lasse.

Am Ostermontage 1824 wurden die Theater in Sadlers-Wells und in Surrey eröffnet, das Experiment, mit nur einem Personal auszukommen, wurde gemacht, aber – wie Grimaldi bei sich gedacht hatte – mit vollständigem Mißerfolge. Williams als Pächter erlitt einen beträchtlichen Verlust, konnte seinen Pachtschilling nicht bezahlen, so daß die Besitzer das Theater noch vor Ablauf der Saison wieder selbst in Betrieb nehmen mußten, dabei aber wiederum beträchtliche Verluste erlitten, weil sie den Fall in keiner Weise vorausgesehen und gar keine Vorbereitungen für eine Aufführung getroffen hatten.

In diesem Jahre kam Grimaldi aus den Sorgen gar nicht heraus: die Geldverlegenheiten häuften sich, und sein Sohn gab ihm neuerdings wieder Ursache zu dem empfindlichsten Verdrusse.

Grimaldi mußte, um die Mittel zum Lebensunterhalte zu schaffen, ein Wertpapier nach dem andern verkaufen, so daß er von Monat zu Monat ärmer wurde. Sein Sohn, der jetzt eine gute Gage bekam und auch eines guten Renommees als Pantomimiker zu genießen anfing, entwich plötzlich aus dem elterlichen Hause, um sich wieder in die tollsten Extravaganzen zu stürzen.

Grimaldi schrieb ihm, bat ihn, wieder zu ihm zurückzukehren, und erbot sich zu allem, was irgend möglich war, ihm das Leben angenehm zu machen; aber der Sohn hielt es nicht der Mühe für wert, dem Vater auch nur zu antworten, sondern fügte seinen Tollheiten und Schlechtigkeiten immer neue hinzu, so daß Grimaldi sich so schwer betroffen fühlte, daß er sich täglich den Tod wünschte.

Vier Jahre lang sah er den Sohn nur von Zeit zu Zeit, einmal in Sadlers-Wells-Theater, wo er mit einer Gage von fünf Pfund wöchentlich engagiert war, ein anderes Mal auf der Straße, wo er ihm aber jedesmal auswich. Auch erhielt er in dieser ganzen Zeit nur ein einziges Mal ein paar Zeilen von ihm. Er hatte ihm nämlich mitgeteilt, daß er sich in einer ziemlich schlimmen, fast hilflosen Lage befände, und ihn um Unterstützung gebeten, die er ihm, dem alten Vater, doch recht gut leisten könne, da er doch von beiden Theatern zusammen eine Gage von dreizehn Pfund wöchentlich bezöge. Der Sohn ließ den Vater lange auf Antwort warten, und schrieb erst, als ihm auch andere Leute hart zugesetzt hatten:

»Lieber Vater! Momentan bin ich selbst in Verlegenheit; aber solange ich noch einen Schilling besitze, sollen Sie unbedingt die Hälfte haben.«

Er schickte aber seinem Vater keinen einzigen Heller und besuchte ihn auch erst nach etwa drei Jahren, und in einem Zustande, daß sich Grimaldi förmlich entsetzte, völlig abgerissen, um Obdach und Speise bettelnd.

Inzwischen hatten die Besitzer des Theaters sich dahin geeinigt, das Theater auf gemeinschaftliche Rechnung zu eröffnen, und Mr. Dibdin als Direktor zu engagieren. Ein Direktionsmitglied sollte im Theater selbst seine Wohnung nehmen, zur Unterstützung Dibdins und um die Ausgaben zu vereinfachen.

Da Grimaldi beschäftigungslos war, wurde ihm der Vorschlag gemacht, sich für eine Entschädigung von vier Pfund wöchentlich hierzu zu verstehen. Daß Grimaldi mit Freuden hierauf einging, braucht nicht erst gesagt zu werden.

Die Saison wurde mit großem Eifer begonnen, es wurde weder Geld gespart, noch Mühe und Anstrengung geschont, auch wurde mit neuen Eintrittspreisen, auf die Hälfte reduziert, ein Versuch gemacht, mehr Publikum anzulocken, statt wie sonst nur ein halbes, wurde das ganze Jahr hindurch gespielt, und zwar mit Rücksicht darauf, daß der Stadtteil, wo in Grimaldis Glanzzeit nur einzelne Häuser oder wenigstens keine geschlossenen Straßen existiert hatten, jetzt ein dichtbevölkerter Stadtteil entstanden war – und doch schloß das erste Spieljahr trotz all dieser Einrichtungen mit einem Fehlbetrage von 1400 Pfund.

Im nächsten Jahre wurde ein umgekehrter Plan verfolgt, indem die Ausgaben in allen Hinsichten eingeschränkt wurden. Grimaldi wurde die gesamte Leitung übertragen. Er begann die Reduktion der Ausgaben mit seiner eigenen Gage, die er von jetzt ab auf die Hälfte festsetzte. Dann versuchte er es mit der Einrichtung von Wettrennen, und zwar zunächst mit Ponys, und machte allein zwischen Ostern und dem sogenannten »weißen Sonntage« den ganzen Fehlbetrag des verflossenen Spieljahres gut. Auch die zweite Saison lieferte ein ziemlich günstiges Ergebnis, so daß Grimaldi auf eine Besserung seiner Einnahmen aus dem Geschäftsanteil an dem Theater wieder zu hoffen anfing. In diese Zeit fiel eine Zeugenvernehmung in einem Prozesse zwischen zwei Parteien, die ein ungeheueres Gelächter im Gerichtssaale hervorrief. Der Anwalt, der ihn hatte vorladen lassen, führte den englischen Namen Scarlet, was soviel wie Scharlach im Deutschen bedeutet.

Natürlich machte Grimaldis Eintritt in den Gerichtssaal eine gewisse Sensation. Sein Name war in aller Munde, trotzdem er schon lange nicht mehr aufgetreten war, und man war umsomehr gespannt darauf, wie er seine Aussage abgeben würde. Der Anwalt betrachtete ihn mit großem Interesse, mochte dasselbe nun tatsächlich vorhanden oder nur künstlich gemacht sein, und fragte ihn, ob er tatsächlich der berühmte Grimaldi vom Covent-Garden-Theater sei.

Grimaldi wurde verlegen, da sich aller Blicke in verstärktem Maße auf ihn zu richten anfingen, und versetzte, errötend bis zu den Haarwurzeln:

»Ich habe als Pantomimiker im Covent-Garden-Theater gewirkt, Sir.«

»O, ich besinne mich recht wohl, Sie zuweilen gesehen zu haben,« antwortete der Anwalt des Namens Scharlach; »Sie gebieten über ein sehr hübsches Talent, Sir! Aber – Sie sind doch auch wirklich Grimaldi?«

Grimaldis Verlegenheit wuchs. Unruhig wendete er sich von der einen auf die andere Seite und wurde schließlich puterrot.

»Aber, lieber Mr. Grimaldi, Sie brauchen doch wahrlich nicht rot zu werden!« sagte der Anwalt, »dazu haben Sie doch gar keine Ursache.«

»Ich erröte auch gar nicht, Sir,« versetzte Grimaldi.

»Wenigstens brauchen Sie es ganz gewiß nicht, lieber Grimaldi.«

»Ich bin doch gar nicht rot, Sir,« sagte Grimaldi, unwillig werdend, mit einem so puterroten Gesicht, daß alle Leute im Saale zu kichern anfingen. »Aber, lieber Mr. Grimaldi, Sie glühen ja wie eine Pumpelrose,« meinte der Anwalt wieder.

»Sie müssen sich irren,« antwortete Grimaldi ärgerlich, »wirklich, Sir! Es müßte denn gerade sein, daß ich von Ihnen angesteckt wäre; mein Arzt hat aber kein Wort davon gesagt, daß ich am Scharlach erkrankt wäre, so krank ich auch sonst sein mag.«

Der Saal hallte von Gelächter wieder. Auch der Anwalt lachte herzlich und begann gleich darauf mit dem Zeugenverhör.

Vierundzwanzigstes Kapitel.


Vierundzwanzigstes Kapitel.

Miß Kelly und ihre Liebenswürdigkeit gegen Grimaldi. – Grimaldis Abschieds-Benefiz und Anrede in Sadlers-Wells. – Vorbereitungen zu einem letzten Auftreten in Covent-Garden. – Der Plan wird vereitelt. – Lord Seegrave vermittelt ein Benefiz im Drury-Lane-Theater für Grimaldi. – Seine letzte Zusammenkunft mit Kemble und dessen Familie.

Im Februar 1828 fand sich eine sehr angesehene Dame, Miß Kelly, eine ebenso liebenswürdige, als geniale Schauspielerin, bei Grimaldi ein, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen und ob sich annehmen lasse, daß er noch einmal werde auftreten können. Tief ergriffen erwiderte er, daß er sich mit einer derartigen Hoffnung wohl nicht mehr tragen könne.

»Warum geben Sie dann aber kein Abschieds-Benefiz?« fragte Miß Kelly, oder sind Sie so reich, um auf den Gewinn, der Ihnen daraus winkt, verzichten zu können?«

Grimaldi antwortete kopfschüttelnd, daß er schlechter dastünde, als sich jemand denken könne, und machte sie mit seiner ganzen Situation bekannt, vergaß auch nicht zu bemerken, daß er um seine letzten Mittel kommen müsse, sobald sich die Eigentümer entschließen sollten, Sadlers-Wells-Theater abermals zu verpachten. Betreffs eines Benefizes aber fühle er sich einesteils körperlich zu schwach, andernteils besäße er zu wenig Geld, um sich der Gefahr eines Verlustes auszusetzen.

»Überlassen Sie das nur mir,« erwiderte Miß Kelly, »ich werde alles versuchen, in Ihrem Interesse, was möglich ist, und wir wollen keinen Augenblick säumen. Sie müssen unbedingt ein Benefiz bekommen, sowohl im Sadlers-Wells-, als im Covent-Garden-Theater. Nehmen Sie also recht bald Rücksprache mit Ihren Miteigentümern. Für das Covent-Carden-Theater sorge ich.«

Die Energie der Dame wirkte belebend auf ihn. Trotzdem er schwer an Krämpfen litt, die ihn fast des Gebrauchs der Zunge beraubten, begab er sich doch gleich nach Sadlers-Wells. Die Direktion ging bereitwillig auf seinen Antrag ein und erklärte ohne weiteres, dafür einzutreten, daß ihm das Theater völlig unentgeltlich zur Verfügung stehen solle. Der 17. März wurde für das Benefiz festgesetzt. Dibdin trug den Mitgliedern des Theaters wie auch des Orchesters den Fall vor und einstimmig wurde erklärt, sich »dem alten lieben Joe« mit vollen Kräften zur Verfügung zu halten.

Die Vorstellung wurde angekündigt, in dem ersten Stück, einer Zauberposse: »Wirren, oder der böse Geist« spielte Grimaldi die ziemlich unbedeutende Rolle eines betrunkenen Gefangenen, aber mit unermeßlichem Beifall; dann führte er zusammen mit Mr. Ellar seinen berühmten Clowntanz zum letzten Male aus. Dann hielt er dem Publikum die folgende Ansprache:

»Meine Damen und Herren! Sie sehen mich heute zum letzten Wale auf diesen Brettern. Ohne Zweifel sind viele unter Ihnen, die mich für einen sehr bejahrten Mann halten. Ich erkläre indessen an dieser Stelle, daß dem nicht so ist. Ich habe das Licht der Welt am 18. Dezember 1779 erblickt, mithin am letzten 18. Dezember erst das achtundvierzigste Jahr vollendet. Schon in meinem vierten Lebensjahre brachte mich mein Vater auf diesem Theater ein. Seitdem bin ich ununterbrochen hier engagiert gewesen. Ja, meine Damen und Herren, ich spiele auf diesem Theater nunmehr dreiundvierzig Jahre.

Was ich in meinem Fache gewesen, verdanke ich meinem Fleiße, meiner Beharrlichkeit, aber auch Ihrem Wohlwollen, Ihrem Beifall und Ihrer Unterstützung. Seit drei Jahren bin ich von schwerer Krankheit geplagt. Noch immer habe ich die Hoffnung gehegt, wieder zu gesunden und wieder auftreten zu können, wieder mit meinen Kollegen und Kolleginnen um Ihre Gunst buhlen zu können; aber ich muß mir zu meinem Schmerze gestehen, daß an eine Besserung meines Zustandes nicht mehr zu denken ist, und daß es Torheit sein würde, wenn ich mich an den Gedanken klammern wollte, meine Laufbahn von neuem zu betreten.

Ich fühlte mich aber außerstande, meine Beziehungen zu diesem Theater anders zu lösen, als daß ich meinen Freunden und Gönnern, wie dem gesamten Publikum von dieser Stelle aus noch einmal meinen innigsten Dank für alles mir bewiesene Wohlwollen ausspreche, nicht minder aber auch den Eigentümern und Mitgliedern dieses Theaters für die mir heute wie immer sonst erwiesene Hilfe und Unterstützung.

Und nun, meine Damen und Herren, bleibt mir nur noch übrig, das letzte, für mich so schreckliche Wort auszusprechen: Adieu! Adieu für immer! Möge Gott Ihnen Glück und Gesundheit spenden! Adieu, adieu!« Rauschender Beifall wurde ihm noch einmal zuteil, und er fühlte sich von diesen Vorgängen so angegriffen, daß er sich nach vielen Tagen erst wieder vollständig erholte. Hätte ihm nicht Miß Kelly so wacker beigestanden und immer und immer wieder zugesprochen, so hätte er die zweite Feuerprobe im Covent-Garden-Theater ganz sicher nicht bestanden, es wahrscheinlich überhaupt nicht zu einer solchen kommen lassen.

Seine Einnahme aus diesem Benefiz-Abende belief sich auf 250 Pfund; außerdem gingen ihm in anonymen Sendungen noch annähernd 100 Pfund zu, so daß er alle Ursache hatte, mit dem Erträgnisse zufrieden zu sein.

Am 25. März begab er sich nach Covent-Garden, wo ihn die Kollegenschaft auf das wärmste willkommen hieß, Kemble nicht ausgeschlossen.

»Mein lieber Joe,« redete dieser ihn an, »Sie kommen hoffentlich, um uns anzuzeigen, daß Sie sich nun wieder kräftig genug fühlen, um sich in unserm Bühnenverbande wirksam zu betätigen.«

»Ich muß leider das Gegenteil erklären,« antwortete Grimaldi, »denn ich werde nie wieder imstande sein, einen Engagementsvertrag einzugehen.«

»Das schmerzt mich, Joe. Ich hatte bessere Hoffnung.«

»Nun, Sir,« sagte Grimaldi, »gekannt haben wir uns ja eine stattliche Reihe von Jahren.«

»Allerdings, allerdings.« »Und ich glaube bestimmt, daß Sie mich Ihrer Unterstützung gern teilhaftig machen werden, soweit es in Ihrer Macht liegt.«

»Geben Sie mir Ihre Wünsche bekannt!« antwortete Kemble.

Grimaldi sagte ihm, daß es sein Wunsch sei, ein Abschieds-Benefiz im Covent-Garden-Theater zu veranstalten, und bat Kemble um Fürsprache, daß er das Haus zu einem geringeren Preise zur Verfügung gestellt erhalte.

Kemble antwortete ihm, nachdem er ihn freundlich angehört:

»Mein lieber Joe, ich verstehe vollkommen und würde, wäre das Theater mein alleiniges Eigentum, ohne weiteres sagen: Nehmen Sie es, verfügen Sie darüber, Sie sollen uns nicht einen Heller Entschädigung zu zahlen haben – leider schwebt aber ein Prozeß über unsere Eigentumsverhältnisse beim Kanzleigerichtshofe; es kann also keiner der Eigentümer ohne Zustimmung der andern irgendwelche Entscheidung finanzieller Art treffen. Wir kommen aber an jedem Dienstage zusammen. Ich werde Ihre Angelegenheit zum Vortrage bringen, und Sie sollen recht bald näheres von mir hören.«

Grimaldi ging, nachdem er sich bedankt hatte. Bis zum 13. April ließ Kemble nichts von sich hören. Grimaldi erfuhr aus den Zeitungen, daß Kemble nach Edinburg reisen wolle. Er schrieb ihm deshalb und bekam nun den Bescheid, daß die Direktion des Covent-Garden-Theaters nicht in der Lage sei, auf seinen Wunsch einzugehen, da die Eigentümer zufolge der verwickelten Lage, in der sich das Theater zurzeit befände, zu einer Einigung über sein Anliegen nicht hätten gelangen können.

Grimaldi beklagte dies Schreiben lebhaft. Nachdem er soviel Jahre in dem Theater mitgewirkt und soviel gewinnreiche Abende hatte schaffen helfen, erschien ihm das Verhalten der Direktion im höchsten Maße unkulant und rücksichtslos. Ein paarmal dachte er daran, sich an Mr. Price, den damaligen Pächter des Drury-Lane-Theaters, zu wenden, meinte aber, es möchte doch vergeblich sein, und ließ den Gedanken immer wieder fallen. In diesem Zustande der Ungewißheit waren ein paar Wochen vergangen. Da bekam er eines Tages eine Mitteilung von dem Kassierer dieses Theaters, Mr. Dunn, worin er aufgefordert wurde, sich am nächsten Tage Punkt 12 Uhr bei Mr. Price im Drury-Lane-Theater einzufinden.

Er traf aber Mr. Price nicht an, als er am folgenden Tage sich dorthin begab, aber Mr. Dunn sagte ihm an seiner statt, es sei verlautet, daß er ein Benefiz zu erhalten wünsche, und da ihm das Covent-Garden-Theater den Wunsch nicht erfüllt habe, halte sich das Drury-Lane-Theater verpflichtet, solch altem Bühnenveteran das Theater auf einen Abend zur freien Verfügung zu stellen; leider sei kein anderer als der vorletzte Abend der Saison hierfür noch frei; wäre es der Direktion früher zu Ohren gekommen, was Mr. Grimaldi bedrücke, so hätte es sich einrichten lassen, daß ihm die Wahl gelassen worden wäre. Zum allgemeinen Bedauern sei dies nun aber ausgeschlossen.

Grimaldi ging mit Freuden auf das Anerbieten ein, er sann hin und her, wem er dieses Entgegenkommen des Drury-Lane-Theaters zu verdanken habe, bis er endlich durch seine Gönnerin, Miß Kelly, erfuhr, daß sich Lord Seegrave – der schon wiederholt erwähnte Oberst Berkeley – für ihn verwandt und seiner Entrüstung über das Verhalten des Covent-Garden-Theaters lauten Ausdruck gegeben habe.

Auch dieses Benefiz übertraf seine kühnsten Erwartungen. Er verabschiedete sich beim Publikum dieses hervorragendsten Theaters von ganz England, auf dem er ebenfalls viele Jahre hindurch mitgewirkt, in der Titelrolle des »Harlekin als Possenspieler«. Das Haus war überfüllt. Er mußte aber, da ihn infolge der Aufregung eine sehr große Schwäche befiel, die letzten Szenen sitzend spielen. Demungeachtet besaß er noch immer soviel urwüchsigen Humor, daß er wiederholte Ausbrüche der unbändigsten Heiterkeit verursachte. Am Schlusse der Pantomime erschien er in gewöhnlicher bürgerlicher Kleidung und unter donnerndem Beifallrufen. Sobald er sich Gehör verschaffen konnte, trat er vor die Rampe und sprach mit einer vor Rührung fast erstickten Stimme:

»Meine Damen und Herren! Ich habe das Clownskostüm abgelegt, erlauben Sie mir auch die Schweigsamkeit des Clowns abzulegen und ein paar Abschiedsworte zu sprechen. Ich begann meine Theaterlaufbahn und entsage ihr vor der Zeit. Ich habe nur achtundvierzig Sommer erlebt, und schon geht es schneller mit mir bergunter, als mit meinem Namensvetter im Burnsschen Liede, dem älteren Joe Anderson.

Wie es dem allzu leidenschaftlichen Ehrgeize gern zu ergehen pflegt, habe ich mein eignes Ziel übersprungen und zahle die Strafe durch ein vorzeitiges Alter. Wenn ich noch Anlage besitze, einen Purzelbaum zu schießen, so beruht sie doch nur auf meiner Körperschwäche, denn ich stehe zurzeit schlechter auf den Füßen, als ehedem auf dem Kopfe.

Es sind vier Jahre verstrichen, seit ich meinen letzten Sprung getan, meine letzte Auster stiebitzt, mein letztes Würstchen gebraten habe und vom Schauplatze abtreten mußte. Ich muß nun bekennen, daß ich in meiner Zurückgezogenheit weit minder gut versorgt bin, als in meinen Clownstagen, da ich, wie sich noch manche von Ihnen erinnern werden, in der einen Tasche ein gebratenes Huhn und in der andern die Sauce dazu trug.

Ich habe heut abend noch einmal das buntscheckige Gewand angelegt. Es hing sich fest an meinen Leib, als ich es wieder ablegen wollte, und die alten Schellen meiner Kappe erklangen gar traurig, als ich sie für immer von mir warf.

Ich stehe hier vor Ihnen mit denselben Gefühlen der Hochachtung wie immer – vor Ihnen als meinem letzten Auditorium, das das Sprichwort, nach welchem Günstlinge keine Freunde haben, so augenfällig Lügen straft. Nehmen Sie für die Gesinnungen, die Sie hierherführten, meinen wärmsten und innigsten Dank, und glauben Sie Joseph Grimaldi, daß er auf doppelte Weise von Ihnen Abschied nimmt, mit einem Lebewohl auf den Lippen und einer Träne in den Augen.

Leben Sie wohl! Das ist der aufrichtigste Wunsch Ihres getreuen und ergebenen Dieners … Möge Ihnen das höchste irdische Gut – die Gesundheit – immer erhalten bleiben!«

Grimaldi konnte nur mit der größten Anstrengung bis zum letzten Worte gelangen, und eine ganze Weile, nachdem er es gesprochen, stand er regungslos da. Er war so erschüttert, daß ihn der letzte Rest seiner Kräfte verließ. Er mußte von der Bühne geführt werden. Durch ein paar Gläser Madeira gestärkt, gelangte er bis auf die Straße, die dicht voll Menschen stand, die ihn noch einmal sehen wollten. Unter lauten Hurras stieg er in den Wagen, der seiner wartete. Hunderte von Menschen folgten ihm bis zu seiner Wohnung und entfernten sich erst, als er vor die Haustür getreten und seine letzte Abschiedsverbeugung gemacht hatte.

Das Benefiz hatte ihm nach Abzug aller Unkosten 280 Pfund gebracht. Größer aber war noch die Summe, die ihm in anonymen Briefen zugestellt wurde und sich auf 360 Pfund belief. Der höchste Gewinn aber bestand in der Begeisterung, die ihm an beiden Benefiz-Abenden von seiten seines dankbaren Vaterlandes entgegengebracht worden war.

Grimaldi konnte sich aber nicht verhehlen, daß er, falls das wöchentliche Einkommen, das ihm nebst einer Wohnung von den Eigentümern des Sadlers-Wells-Theaters zugebilligt worden war, wegfiele, mit schweren Sorgen zu kämpfen haben würde, und so wandte er sich an die Versorgungskasse, die für hilfsbedürftige Künstler vom Covent-Garden-Theater unterhalten wurde. Er hatte dreißig Jahre in diese Kasse gesteuert, auch sonst sich vielfach in ihrem Nutzen verwandt. Er erhielt ohne weiteres eine jährliche Pension von einhundert Pfund von ihr zugebilligt.

Die größten Sorgen bereitete ihm noch immer sein Sohn, der von Stufe zu Stufe gesunken war, bis er zuletzt in richtigen Wahnsinn stürzte. Wegen Liederlichkeit und Trunkenheit war er zuerst vom Sadlers-Wells, dann auch vom Drury-Lane-Theater schimpflich entlassen worden.

Zuletzt kam er in gänzlich verwahrlostem Zustande wieder zu den Eltern. Dann lief er wieder weg, und der alte Vater mußte ihn aus dem Schuldgefängnis erlösen. Dabei benahm er sich roh und abscheulich gegen die Eltern. Die Mutter wollte ihm das Haus verbieten, der Vater aber nahm sich seiner immer und immer wieder an.

Als im Jahre 1832 das Sadlers-Wells-Theater wiederum verpachtet wurde, und Grimaldi dadurch um seine Zubuße von fünf Pfund wöchentlich kam, zog er nach Woolwich in eine bescheidene kleine Wohnung. Seine Frau kränkelte schon eine Weile, und von der Luftveränderung hoffte Grimaldi für sie und sich Besserung. Aber die Frau ging ihm im Tode voraus, und kurz darauf bekam er auch die Nachricht von dem Hinscheiden seines einzigen Sohnes, das unter besonders traurigen, um nicht zu sagen gräßlichen Umständen erfolgt war. Nun stand er ganz allein da in der Welt. Immer gewohnt, sein Glück in seiner Häuslichkeit zu finden, fiel es ihm recht, recht schwer, so mutterseelenallein dazustehen. Sein körperliches Leiden erheischte fürsorgliche Pflege und sein seelischer Zustand aufheiternde Gesellschaft. Deshalb hielt er es für das beste, zu einem Freunde, dessen Frau eine weitläufige Verwandte von ihm war, nach Pentonville zu ziehen, wo er in früheren Jahren lange gewohnt und manch frohen Tag verlebt hatte. Dort besuchten ihn manche von den alten Freunden, in der Nachbarschaft fand er die aufmerksamste Pflege, und Mr. Richard Hughes hielt bis zu Joes letzten Augenblicken das Gelübde getreulich, das er einst seiner Schwester, Joes erster Frau, in ihrer letzten Stunde gegeben hatte.

Am 31. Mai 1837 starb er. Noch am Abend vorher hatte er sich in das nur wenige Schritte von seiner Wohnung befindliche Gasthaus tragen lassen, um einer von ein paar guten Freunden veranstalteten kleinen Unterhaltung beizuwohnen. In der besten Stimmung hatte er sich, kurz nach elf Uhr, verabschiedet und wieder nach Hause tragen lassen. Am Tage darauf war er eine Leiche. Am 6. Juni wurde er in Pentonville auf dem Friedhofe der St. James-Kapelle beerdigt. Auf dem Denksteine, der ihm dort gesetzt wurde, steht ein Vierzeiler, der von ihm selbst herrührt:

Das Leben ist ein Spiel, dem einen recht, dem andern schlecht –
Dem Klugen ist’s Genuß, dem Toren Überdruß –
Dem einen bringt’s Verlust, dem anderen Gewinn –
So liegt’s nun mal im Spiele drin.

Ende.

Viertes Kapitel.


Viertes Kapitel.

Die Diebesbande kehrt zurück. – Grimaldi sucht Beistand in Haton-Garden. – Unterredung mit Mr. Trott. – Kriegslist und ihr Erfolg beim dritten Diebesbesuche. – Was Pantomimen und Schaustücke bewirken. – Fahrt nach Gravesend und Chatam. – Unangenehmes Zusammentreffen mit einem übelgesinnten Freunde, und angenehme Weise zu reisen, wie sie auch anderen empfohlen sein soll.

Zwei Abende waren ohne alle Störung verlaufen. Am dritten meinte die in der Küche beschäftigte Magd ein Geräusch zu hören, wie wenn ein Versuch gemacht würde, die in den Garten führende Tür zu erbrechen. Leise ging sie nach dem Hausflur hinauf und sah nun, wie der Türgriff auf und nieder bewegt wurde, auch, daß jemand mit Gewalt gegen die Tür drückte.

Bestürzt fing sie gleich zu schreien an, was jedoch die Diebe durchaus nicht verscheuchte. Sie schienen vielmehr ihre Anstrengungen zu verdoppeln, so daß die Tür halb aus den Angeln gehoben wurde, wie man sie auch nachher fand. Hätte sie keinen Widerstand geleistet, wäre die Magd zweifellos ermordet worden; sie hatte jedoch ihre Geistesgegenwart wieder gewonnen, lief nach der Vordertür, riß sie auf und machte nun von ihrer Klapper Gebrauch und zwar so energisch, daß sehr bald nachher Nachtwächter und die ganze Nachbarschaft zur Stelle waren. Man ließ es an Nachforschungen nicht mangeln, allein der Diebe konnte man nicht habhaft werden.

Der zweite Versuch der Bande war so dreist und verwegen gewesen, daß den Herrschaften ihre Besorgnisse doppelt und dreifach wiederkehrten. Die ganze Nacht wurde durchwacht, und alles war Verwirrung und Schrecken im Hause.

Am andern Morgen wurde beschlossen, neue Sicherungsmaßregeln zu treffen, und der Anfang damit sogleich gemacht. Man verwahrte die Türen gleich Festungstoren, und Grimaldi begab sich auf das Bezirkspolizeiamt nach Hatton-Garden, um auch den Beistand und Schutz der Behörden in Anspruch zu nehmen.

Bei jenem Polizeiamte war damals ein sehr erfahrener und listiger Unterbeamter, namens Trott, angestellt, der bisweilen, wenn ein sehr volles Haus erwartet wurde, den regulären Konstablern im Theater beigegeben wurde.

Als Grimaldi anlangte, kam Trott ihm entgegen und kündigte ihm an, daß er eben hätte zu ihm kommen wollen.

»Sie haben also schon gehört?«

»Freilich, und wohl ein gut Teil mehr, als Sie wissen.«

»Haben Sie die Diebe festgenommen?«

»Das eben nicht, es waren mir ihrer noch immer zuviel. Da sie das Geschäft anfingen, waren ihrer nicht weniger als zwanzig in der Bande. Sechzehn oder siebzehn sind gehangen oder verschifft, und die anderen haben bei Ihnen den Einbruch versucht. Irgendwo in Pentonville haben sie ihren Schlupfwinkel, es sind die schlimmsten von allen, die alles wagen und vor nichts zurückschrecken.«

Das war keine erfreuliche Mitteilung. Trott gewahrte Grimaldis Unruhe und setzte hinzu:

»Seien Sie nur ohne Sorgen! Die Halunken wollen sich bloß dafür rächen, daß sie beim ersten Male so schlecht weggekommen sind.«

»Meine Situation ist höchst unangenehm,« meinte Grimaldi.

»Hm – ja – wenn man bedenkt, daß solche Leute niemals drohen, ohne ihre Drohung auch auszuführen. Aber, wie gesagt, seien Sie nur ganz ruhig, Grimaldi.«

»Gestern Abend sind sie wieder dagewesen.«

»Ich weiß es wohl. Will Ihnen auch noch etwas im geheimen mitteilen: Heut Abend kommen sie wieder.«

»Heute Abend?«

»So sicher wie der Tod, und wenn Sie nicht Leute genug im Hause haben, wenn Sie nicht stark genug sein sollten.«

»Es sind nur drei Frauen und eine Mannsperson außer mir im Hause.«

»Nicht genug, lange nicht genug!«

»Und meine Mutter kann den Tod davon haben!«

»Gar nicht unmöglich! Ist doch meine Mutter auf eine ähnliche Art umgekommen!«

In dem allen lag wenig tröstliches, und Grimaldi sah Trott mit ängstlichen Mienen an. Trott sann ein Weilchen. Dann erklärte er, einen Gedanken zu haben.

»Und was denken Sie zu tun?« fragte Grimaldi. »Sprechen Sie! Ich werde Ihnen gern erkenntlich sein.« »Davon reden Sie lieber kein Wort! Sie geben sich in meine Hände, und ich will Ihr Hab und Gut schützen und die Spitzbuben fangen.«

Grimaldi drückte ihm vor Freude die Hand, dankte für sein Versprechen und fügte hinzu:

»Befreien Sie uns von den schrecklichen Gästen, und Sie sollen so gut belohnt werden, wie es nur in unsern Kräften steht.«

Trott erwiderte durch mancherlei moralische Bemerkungen über Pflichten von Polizeibeamten, über unbestechliche Redlichkeit und gewissenhafte, eifrige Erfüllung von Obliegenheiten; auch erklärte er, er begehre ja weiter nichts, als daß Herr Grimaldi, seiner Bürgerpflicht nachkäme und die Anklage einleite.11 Grimaldi der keine genaue Vorstellung davon hatte, was solche Anzeige für Kosten im Gefolge hatte, versprach das, wofür ihm Trott in dem Bewußtsein, seine Schuldigkeit getan zu haben, reichlichen Lohn verhieß, ohne es aber für nötig zu erachten, an den Umstand zu erinnern, daß auf die Ergreifung der Pentonviller Diebsbande eine Prämie, fällig bei ihrer Überführung, ausgesetzt worden sei.

Trott begab sich mit Grimaldi in dessen Wohnung, nahm dieselbe mit geübtem Blick in Augenschein und erklärte, daß seine Maßnahmen, sofern seine Anordnungen genau befolgt würden, gelingen müßten.

Mit großer Verve erklärte er den um ihn versammelten Hausbewohnern: »Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird aus der Hinterküche, Hinterstube und Kammer entfernt werden müssen. Mir wird für die Dauer einer Nacht das ganze Haus überantwortet werden müssen, oder zum wenigsten auf die Zeit, bis es mir gelungen ist, die Musjes zu fassen.«

All seine Anordnungen wurden streng ausgeführt, die Schlüssel wurden ihm ausgeliefert, und zwar, als er in der fünften Nachmittagsstunde wiederkam. Wie gewöhnlich begaben sich die Herrschaften nach Sadlers Wells und ließen Mr. Trott allein im Hause zurück. Auch die Magd war auf die Nachbarschaft geschickt worden, wie Mr. Trott ausdrücklich verlangt hatte, sei es aus Zartgefühl – denn er war verheiratet – oder weil er Bange hatte, sie möchte bei seinen Maßnahmen hinderlich sein.

Tagsüber hielt er sich von den Fenstern fern und ließ nach Einbruch der Dunkelheit so leise wie möglich zwei Kollegen zur Gartentür herein. Einer von ihnen verschloß und verriegelte die Vorderküche. Der andere schloß und riegelte sich in das Wohnzimmer im ersten Stock ein. Trott selbst schlug sein Hauptquartier in der Wohnstube unten im Erdgeschoß auf, nachdem er die Hintertür regelrecht verbarrikadiert, die Vordertür aber nur verschlossen hatte.

Lange Zeit blieb alles ruhig, und da sie kein Licht hatten, mochte ihnen die Zeit wohl recht langsam hinschleichen. Endlich wurde leise an die nach der Straße hinführende Tür gepocht. Da sich niemand im Hause rührte, wurde das Klopfen verstärkt, und nicht lange, so wurde die Tür mit Dietrichen erbrochen. Dann schallten Männertritte von dem Hausflur herauf, die Tür wurde verriegelt, Diebslaternen wurden ans Licht gezogen, dann schlichen zwei Männer die Treppe hinauf.

Als sie die Stubentür im obern Stock verriegelt fanden, schlichen sie wieder hinunter und suchten Eingang in die Stube zu gewinnen, in der sich, Trott versteckt hielt, der an der Tür horchte und die Menschen von Herzen auslachte, doch nur innerlich.

Nun schlichen sie wieder hinunter ins Erdgeschoß, wo sie zu ihrer nicht geringen Überraschung die eine Küche verschlossen, die andere offen fanden. Sie guckten nun in die offene hinein und kehrten dann auf den Hausflur zurück.

»Heut abend ist uns niemand im Wege,« sagte der eine im Hinaufgehen, »verlieren wir also keine Zeit! Doch sieh mal her!«

»Was gibt’s?« sagte der andere.

»Sieh doch mal die Tür da! Sind da Riegel und Bäume und Patentschlösser! Die sind doch erst angebracht, seit wir voriges mal hier waren. Wir hätten uns wohl müde gearbeitet und doch nichts ausgerichtet.«

»Ich denke, wir öffnen sie. Wir können dann, falls wir von vorn angegriffen werden sollten, auskneifen wie voriges mal.«

»Leichter gesagt als getan! Was wird das für Zeit kosten, und welchen Teufelslärm wird das setzen! Wir müssen uns tummeln. Heute gibt’s keine Nachtprobe.«

Beide lachten und beschlossen, erst das Zimmer aufzubrechen, wo Mr. Trott steckte. Mittels Dietrichs wurde das Schloß gesprengt. Dann drängten sie gegen die Tür. Aber die Riegel widerstanden.

»Dumme Geschichte!« brummte der eine, gegen die Tür gestemmt, »sie geht nicht auf!«

»Fangen wir bei der offenen Hinterküche an!« sagte der andere, »wir haben ja schon was drin gefunden.«

»Wüßtest wohl gern, Tom, wer Dir den Säbelhieb versetzte?«

»Das kannst Du wohl denken! Und wüßte ich es, möcht’s wohl nicht lange dauern, dann säße ihm mein Messer im Leibe!« »Komm, komm!« riefen sie beide.

Sie schlichen hinunter. Trott ihnen hinterher bis auf den Hausflur, verschloß die Haustür, steckte den Schlüssel in die Tasche und postierte sich darauf oben an die Küchentreppe. Mit Behagen lauschte er hier den Ausrufen der Verwunderung, mit denen die Diebe nicht geizten, als sie einen Schrank nach dem andern öffneten und einen Kasten nach dem andern aufzogen, ohne das geringste zu finden.

»Es ist ja alles ausgeräumt,« sagte der eine – »was hat das wohl zu bedeuten?«

Trott schoß ein Pistol ab, das aber nur mit Pulver geladen war. Dann retirierte er schleunig in seine Stube. Auf dies Signal hin riegelten die andern beiden Polizeidiener ohne Säumen die Türen der Stuben auf, in denen sie sich versteckt hatten. Die Diebe eilten hinauf, wollten zur Haustür entweichen, wurden jedoch ohne sonderliche Mühe festgenommen und im Triumphe hinweg geführt.

Bald nachher kehrten die Bewohner wieder zurück und nahmen von dem zurückgebliebenen Polizeidiener das Haus wieder in Besitz. Am andern Morgen ging Grimaldi wieder nach Hatton-Garden, wo er die Diebe zum erstenmal zu Gesicht bekam. Er, wie auch die Polizisten legten Zeugnis wider sie ab. Die Identität ihrer Personen war bewiesen, und der Friedensrichter ordnete ihre Verhaftung an bis zum nächsten Schwurgerichtstage, an welchem ihnen das Urteil gesprochen werden sollte. Grimaldi mußte für die Erhebung der Anklage Bürgschaft leisten. Sie wurden für schuldig befunden und zu lebenslänglicher Deportation verurteilt.

Diese Anekdote wirft ein seltsames Licht auf Londons gesellschaftlichen Zustand am Schlusse des verwichenen Jahrhunderts. Der kühne Straßenräuber war wohl verschwunden, nichtsdestoweniger trieben nicht bloß in der nächsten Umgegend, sondern in der Stadt selbst Räuberbanden ihr Wesen, die kaum weniger gefährlich waren und mit einer Dreistigkeit zu Werke gingen, von der wir uns heute kaum noch eine Vorstellung machen können.

Ein Vorfall, wie der eben geschilderte, möchte heute den Zeitungen Stoff zu Auseinandersetzungen und Beschwerden auf ganze vier Wochen geben und ganz London mit Umgebung, das ganze Land auf dreißig Meilen in der Runde in Staunen und Entrüstung setzen, sollte es ein und dieselbe Bande wagen, in ein und demselben Hause dreimal hintereinander Einbruch zu wagen!

Beim Verhör der beiden Einbrecher stellte sich heraus, daß sie die einzigen noch übrigen Mitglieder ihrer Bande waren, was allen, die bisher in Angst und Schrecken gelebt hatten, zur großen Beruhigung gereichte; brauchten sie nun doch nicht mehr zu fürchten, daß noch andere das Schicksal ihrer Spießgesellen zu rächen versuchen möchten.

Unter ganz anderen Umständen erschien Grimaldi zum zweitenmal vor einem Polizeigerichte. Davon indessen später.

Mittlerweile war ihm aber das Haus in Pentonplace äußerst verleidet und seiner Mutter zu einem Gegenstande des Schreckens geworden. Zudem neigte er der Meinung zu, daß er wohl gut tun möchte, an seine Verheiratung zu denken. Da er die Mutter auf seiner Seite hatte, glaubte er, daß ihm die Einwilligung des Vaters wohl auch nicht fehlen möchte. So kam er auf den Gedanken, sich eine größere Wohnung zu mieten und nach Maßgabe seiner augenblicklichen Verhältnisse und Mittel zu möblieren. Wenn er Mr. Hughes in eine freundliche und nette, wenn auch nicht eben elegante Wohnung führen und ihm zeigen könne, daß er seiner jungen Gattin ein behagliches Heim, das den Verhältnissen ihrer Eltern nicht allzu viel nachstände, zu bieten vermöchte, meinte er, schon viel gewonnen zu haben.

Er kündigte also seinem Wirte auf den nächstfolgenden März die Wohnung und machte sich in Fräulein Hughes‘ Gesellschaft auf die Suche nach einem Heim, wie es ihren beiderseitigen Wünschen entsprechen möchte. Daß »sie« dabei das große Wort führen durfte – und auch führte – möge nur nebenher bemerkt sein.

Damals war die Penton-Straße die Saint-James-Straße von Pentonville, der Regent’s-Park der City-Road, und er pries sich als der glücklichste Erdensohn, dort das Haus Nr. 37 zu finden, das er vollständig so einrichtete, wie Miß Hughes es anzuordnen geruhte.

Da Sadlers-Wells-Theater zurzeit geschlossen war, blieb ihm reichlich Zeit, sich dem Vorgenusse des ersehnten Glückes hinzugeben. Ja, er durfte rechnen, daß ihm bis zum Weihnachtsfeste Zeit dazu bleiben werde, denn die Saison ging mit dem Oktober zu Ende, und im Drury-Lane-Theater gab’s für ihn erst wieder um Weihnachten herum Arbeit, und auch dann noch nicht viel, sofern nicht eine Pantomime zur Aufführung gebracht wurde.

Die Besitzer des Drury-Lane-Theaters gaben aber, wie in früheren, so auch in diesem Jahre statt einer Pantomime ein brillantes Schau- und Spektakelstück – was nach Grimaldis Meinung nun freilich keine Wandlung zum Bessern war, wenn er auch nicht gerade eine solche zum Schlechtern darin erblicken mochte. Das Publikum war seit Jahren zum Weihnachtsfeste an Pantomimen gewöhnt und rechnete auf eine solche. Stücke, wie Blaubart, Lodoiska und dergleichen machten ja Kasse, aber ob die Pantomimen im Covent-Garden nicht doch noch bessere Kasse machten, darüber hätte Grimaldi doch noch streiten mögen. Darnach zu schließen, daß auch Drury-Lane schließlich sich der Pantomime wieder zuwandte, war Grimaldi mit seiner Auffassung freilich im Rechte.

In all diesen Stücken, wie Blaubart, Lodoiska usw., trat Grimaldi auf, doch immer nur in Rollen, die ihn wenig beschäftigten. Ihm konnte das nur recht sein, da ihm die Gesellschaft seiner jungen Miß weit lieber war als aller Theaterkram.

Gegen Ende Februar war die neue Wohnung eingerichtet, und da von der Aufführung einer Pantomime nichts verlautete, schien die Zeit für die Hochzeitsfeier außerordentlich günstig.

Grimaldi teilte der Dame seines Herzens seine Gedanken mit, und sie erklärte, den Hochzeitstag festsetzen zu wollen, sobald er mit ihrem Papa im reinen sei.

Davor graute es aber Grimaldi, und zwar einesteils, weil es ihm an sich zuwider war, dergleichen Auseinandersetzungen zu führen, andernteils weil ihm schwante, daß auf diese Weise das ersehnte Glück durch Hinausschiebung des Termins nur verkürzt werden möchte. Er erklärte also, daß er Mr. Hughes um seine Einwilligung nicht angehen könnte, da derselbe ja nicht in London sei.

»Es geht Dir eben alles nach Willen,« bemerkte darauf die junge Dame, »denn ich weiß ja doch, Du fändest im ganzen Leben nicht die Kurage, über die Angelegenheit mit ihm zu reden. Also schreibe ihm, was ich an sich auch für weit besser halte. Unfehlbar wird er Dir mit wendender Post Antwort geben.«

Mr. Hughes war in Exeter. Grimaldi setzte nun eine entsprechende Epistel auf, der momentanen Sachlage streng angemessen, Miß Hughes las sie durch, hieß sie gut, natürlich unter Vorbehalt einiger Änderungen im Stil und im Gedankengange. Dann wurde sie ins reine geschrieben, mit Briefumschlag versehen und der Post übergeben. Am andern Tage fand sich die Notwendigkeit, daß Mariechen auf ein Weilchen der Stadt Valet sagen mußte, da sie ein paar guten Freunden draußen in Gravesend ihren Besuch versprochen hatte. Trotzdem es Grimaldi gar nicht recht war, gerade jetzt ihre Gegenwart und ihren Trost zu missen, blieb ihm doch weiter nichts übrig, als sich in diese Trübsal zu finden. Fünf volle Tage vergingen, ohne daß von Mr. Hughes eine Antwort kam, Grimaldi war der Verzweiflung um so näher, als er nichts vorhatte, sich also trübseligen Gedanken recht ungehindert überlassen, von seinen schlimmen Ahnungen so recht beherrschen lassen konnte.

Um so größer war begreiflicherweise seine Freude, einen Brief von Mariechen zu erhalten, der ihm eine Aufforderung zur Teilnahme einer Fahrt auf der Themse nach Gravesend brachte.

Dazu ließ er sich nicht nötigen, ließ auch nicht auf sich warten, sondern war pünktlich zur festgesetzten Zeit am Trefforte. Das konnte er sich nicht hoch genug anrechnen, denn zur damaligen Zeit gab es bloß Segelboote, man war also abhängig von Ebbe und Flut und von Wind und Wetter, so daß man zufrieden sein mußte, wann und wie man sein Ziel erreichte, wenn man es überhaupt nur erreichte.

Mariechen erwartete ihn am Landungskai. Mit ihr zusammen fuhr er nach Chatham. Sie hatte, wie sie ihm erzählte, ihren Bruder in das Geheimnis eingeweiht, und bei ihm sollten sie den Tag verleben.

»Sepperl,« sagte sie, nachdem er seinem freuderfüllten Herzen Luft gemacht, »nun sage mir aber auch, wie sich alles bis jetzt gemacht hat. Was hat der Vater geschrieben?«

»Bis jetzt noch gar nichts.«

»Das ist wunderlich. Er ist doch sonst so pünktlich.« »Ich habe aber noch keine Zeile von ihm gesehen.«

»So mußt Du eben noch einmal schreiben, Sepp, und ohne allen Aufschub. Heute wird’s ja kaum gehen, aber morgen tue es auf jeden Fall! Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, weshalb er sich in Schweigen hüllt.«

»Ich auch nicht.«

»Er muß sehr viel zu tun haben, daß er Deinen Brief so ganz hat vergessen können.«

Wie so oft, war auch hier der Wunsch des Gedankens Vater, und so befaßten sie sich nicht weiter mit dem Papa und dessen Saumseligkeit, sondern verlebten einen recht frohen Tag in Gemeinschaft mit Mariechens Bruder. Abends fuhren sie nach Gravesend zurück, und kurz nach elf saß Grimaldi wieder an Bord seines Segelboots. Mariechen hatte ihm versprochen, am Sonnabend nachzukommen.

In der Kajüte traf Grimaldi Mr. Cleave, den Kassierer vom Sadlers Wells-Theater. An Intrigen und Eifersüchteleien fehlt beim Theater so wenig, wie bei Hofe, in Pensionaten und Ballsälen. Kein Wunder also, daß auch Mr. Cleave seine »Tort« wider Grimaldi hatte, nicht aber, weil er ihm selbst im Wege gestanden hätte, sondern weil durch ihn ein gewisser Hartland, den er für höchst talentvoll und auch für einen netten Kerl hielt, ins Hintertreffen geraten war. Besagter Hartland war nämlich gleichfalls in Sadlers-Wells für Pantomimen und Melodramen engagiert. Um dieses guten Freundes willen war ihm also Grimaldi ein gewisser Dorn im Auge, und lieber wäre er ihm aus dem Wege gegangen, als hier mit ihm zusammenzutreffen. Wäre nun gar Miß Hughes mit dabei gewesen, so hätte man sich mancherlei Unheils mit apodiktischer Gewißheit versehen dürfen. »Um alles in der Welt, Grimaldi, was haben Sie hier zu schaffen?«

»Ich bin auf der Fahrt nach London, wohin wohl die meisten Kollegen unterwegs sein dürften.«

»Das meine ich. Was Sie nach Gravesend hinaus geführt, wollte ich wissen.«

»In Gravesend habe ich gar nichts zu tun gehabt, bin vielmehr gleich nach Chatham weiter gefahren.«

»Hm!«

»Es ist aber ganz, wie ich Ihnen sage.«

Der Kassierer schnitt ein wunderliches Gesicht. Man hätte fast meinen können, er habe den ganzen Tag weiter nichts vorgehabt, als Grimaldi nachzuspüren. Eine Weile lang verhielt er sich still; dann sagte er:

»Ich habe bloß gefragt, weil ich dachte, Sie hätten vielleicht in Gravesend – mit einer jungen Dame zu Mittag speisen sollen?«

Hieraus folgerte Grimaldi, daß Mr. Cleave in Erfahrung gebracht haben müsse, daß Miß Hughes in Gravesend sei, und in der freundlichen Absicht, ihn auszuspionieren, die Spritzfahrt dorthin gemacht habe. Er lachte sich nun ins Fäustchen, daß der Kassierer ihn mit Mariechen nicht zusammen gesehen, überließ ihn schadenfroh seinen Gedanken und verfügte sich auf Deck, weil ihm die kalte Nachtluft lieber war als das fischblütige Temperament des Kassierers.

Auf der Bank oben auf Deck saß ein Mann mit seiner Frau, einer Schwester von ihr und einer Freundin der Schwester, einem recht niedlichen Mädchen. Platz war gerade noch für eine Person, und zwar neben letzterem, und Grimaldi ließ sich nicht weiter nötigen, den Platz in Beschlag zu nehmen.

Das hübsche Ding war in einen weiten Seemannskittel gehüllt, und der Mann der Frau, wohl ein rechter Schalk, rief dem Mädchen zu, ob sie denn nicht sähe, wie sehr es ihrem Nachbar friere; sie möchte doch barmherzig sein und ihm einen Zipfel von dem weiten Kittel abtreten. Natürlich gab’s erst wiederholte Wangenröte und wiederholtes Gekicher, schließlich kam aber ein freundliches Übereinkommen zu stände, dahingehend, daß die niedliche Freundin den linken Arm durch das linke, Grimaldi den rechten Arm durch das rechte Armloch des Kittels steckte, natürlich unter großem Halloh der übrigen, denn das Paar erinnerte in diesem Doppelkostüm an die Ungetüme von Marktweiberröcken bei Regenwetter.

So saßen sie während der ganzen Heimfahrt, und Grimaldi hat immer, wenn er darauf zu sprechen kam, gesagt, über solche Art zu reisen gehe nichts, und das mag auch der Fall sein.

»Lachen Sie nur,« hatte er auch unterwegs gesagt, »wir lachten schließlich auch in einem fort, wenn wir was hätten, das uns innen so nett wärmt, wie der Seemannskittel außen.«

»Und was wäre Ihnen da wohl am liebsten?«

»Hm, ein guter Stonsdorfer oder Steinhäger.«

»Ei, wären Sie Bosco statt Clown,« erwiderte der Nachbar, der sich als ein gar jovialer Herr entpuppte, »so hätten Sie ihn nicht schneller herbeieskamotieren können, als Sie ihn hier sehen!«, und dabei langte er eine große, schwere Steingutflasche unter der Bank vor und hob sie mit beiden Händen hoch…

Das war das letzte noch, was zu dem allgemeinen Gaudium fehlte.

Es war eine kühle Nacht, aber der Mond schien hell, und mit solcher Stärkung verging die Nacht ebenso schnell wie angenehm. Bevor sie am Landungskai anlegten, war es Tag geworden, war die Flasche leer geworden, war der Nachbar sanft entschlummert, aber Grimaldis rechter Arm steckte noch immer im rechten, und der jungen Dame linker noch immer im linken Armloche des Seemannskittels, und des Nachbars Frau und Töchterlein hätten fideler sein können.

Am Landungskai trennten sie sich. Mann und Frau nebst Schwester und Freundin kutschierten nach Hause, während Grimaldi sich nach der Gracechurch-Straße begab, wo er sich zum Postamt verfügte, um einige Geschäfte zu erledigen.

Das Postamt war aber noch nicht offen. Müde war er noch nicht, zu Hause so früh zu stören, paßte ihm nicht, und so kam er auf den Gedanken, ein paar Stunden in der inneren Stadt, die ihm noch nicht so recht bekannt war, umherzubummeln und erst dann seine Penaten aufzusuchen.

  1. was in England geschehen muß, wenn ein Strafverfahren gegen Privatpersonen eingeleitet werden soll, bei der damals über alles Maß blutigen strenge der englischen Gesetze indes häufig unterblieb, besonders auch, weil viele, die geschädigt worden, nicht schuld daran sein mochten, daß einer ihrer Menschen schließlich wegen eines geringfügigen Vergehens hingerichtet wurde.

Fünftes Kapitel.


Fünftes Kapitel.

Ein wunderliches Vorkommnis. – Ein lakonisches Schreiben. – Zwei wichtige Auftritte mit Mr. Hughesund, ein spaßhafter Auftritt mit einem neidischen Freunde. – Zurüstungen zu Grimaldis Verheiratung. – Erschöpfung nach den Strapazen mit einer neuen Rolle.

Es war heller Tag geworden. Die Sonne ergoß ein mildes Licht über die stillen Straßen, in denen man nur Leute erblickte, die zu Wasser oder zu Lande gekommen waren. Obwohl Grimaldi von Kindesbeinen an in London gelebt hatte, war ihm doch weit weniger davon bekannt als vielen Nichtlondonern, die die Hauptstadt nur einige Male besucht haben. So hatte er den Stadtteil, wo er sich jetzt befand, samt dem Tower, noch nie gesehen.

Seine Aufmerksamkeit wurde, da ihm alles neu war, durch tausenderlei Dinge fortwährend und aufs angenehmste beschäftigt.

Da fiel sein Auge plötzlich auf einen am Boden liegenden Gegenstand. Er stieß mit dem Fuße daran, und es klimperte. Da bückte er sich und erkannte nun in dem von Schmutz bedeckten Gegenstande eine große, mit Goldstücken gespickt volle Netzbörse.

Wie gelähmt von dem Anblick, sah er fortwährend vor sich, hin, ohne daß er sich getraute, die Börse anzurühren. Endlich konnte er sich aber nicht mehr beherrschen, guckte sich nach allen Seiten um, und nahm, als er sich unbemerkt und allein sah, die Börse in die Tasche.

Kaum aber bückte er sich, so fiel ihm ein zweiter Gegenstand in die Augen: ein dünnes Päckchen Papier. Auch das hob er mechanisch auf, und wer vermöchte sein Erstaunen zu schildern, als er, es untersuchend, wahrnahm, daß es einzig aus Banknoten bestand?

Noch immer war niemand zu sehen. Nicht einmal kommen hörte man jemand. Grimaldi ging in der Straße eine ganze Stunde hin und her, faßte jeden, der an ihm vorbeiging, scharf ins Auge, so scharf, daß jeder hätte meinen müssen, er wolle um etwas fragen, wolle fragen, ob jemand etwas verloren habe…

Aber nein! Niemand suchte oder fragte, oder gab durch irgend ein Anzeichen Unruhe oder Ärgernis zu erkennen.

So kehrte er, ohne jemand zu fragen, von dem sich hätte annehmen lassen, daß er die Grimaldis Meinung nach unermeßliche Summe verloren haben könne, schließlich langsam nach dem Postamte zurück.

Die ganze Zeit über und noch stundenlang nachher befand er sich in einer fast unbeschreiblichen Unruhe, war es ihm doch nicht anders zu Mute, als ob er einen schrecklichen Diebstahl begangen hätte, der alle Augenblicke entdeckt und schimpflich bestraft werden würde. Er zitterte dermaßen, daß er kaum gehen konnte. Das Herz hämmerte ihm förmlich, und Angstschweiß trat ihm aufs Gesicht. Je länger er über seine Lage sann, desto größer wurde seine Unruhe und seine Besorgnis. Wer würde, wenn man soviel Geld bei ihm fände, glauben wollen, daß er es gefunden hätte? Mußte es nicht all und jedem viel wahrscheinlicher vorkommen, daß er es entwendet habe? Und wenn er des Diebstahls angeklagt würde, durch welches Zeugnis könnte er sich rechtfertigen?

Mehr denn einmal fühlte er sich versucht, seinen Fund wegzuwerfen und auf und davon zu rennen, und nur durch die Besorgnis, daß er gesehen werden, daß er verhehlt werden könne, daß er so verwirrte Antworten geben könnte, daß man erst daraufhin die Anklage wegen Diebstahls gegen ihn erheben möchte, bestimmte ihn, diesen Einfall nicht zu verwirklichen. Nun sollte man aber meinen, es sei doch ein großes Glück, eine stattliche Summe Geldes zu finden; bei Grimaldi war dies aber keineswegs der Fall, er fühlte sich im Gegenteil kreuzunglücklich darüber und konnte all die quälenden Gedanken keine Minute los werden.

Nun kam er in die Gracechurch-Kirche, fand aber das Postamt noch immer geschlossen und machte sich deshalb durch die City-Road auf den Heimweg, die damals zwischen zwei, nur beim »Engel von Islington« durch ein paar Häuser unterbrochene von Obst- und Handelsgärten hindurch führte.

Diese Örtlichkeit erlaubte ihm seinen Schutz genauer zu beaugenscheinigen. Die Goldstücke, die die Börse enthielt, waren lauter Guineen; die Banknoten, die das Päckchen bildeten, schwankten zwischen fünf und fünfzig Pfund. Aber nach irgend einem Ausweis über Namen, Wohnort oder Persönlichkeit des Eigentümers suchte er vergebens.

Ein richtiger Schwindel befiel ihn. Die Hände zitterten ihm. Auf der Straße zu zählen, wäre ihm nicht möglich gewesen. Zu Hause aber zählte er seinen Fund: die Guinen beliefen sich auf 380 Stück, die Summe der Banknoten ergab 200 Pfund. In Summa hatte er also annähernd 600 Pfund gefunden.

Zwischen 7 und 8 Uhr kam er nach Hause, legte sich sogleich zu Bett und schlief mehrere Stunden. Als er erwachte, hatte sich über den Eigentümer der von ihm gefundenen Geldsumme noch nicht das mindeste herausgestellt. Er hätte es gar gern sein eigen genannt: aber es sich ungerechterweise zuzueignen, widerstrebte ihm, und darum nahm er sich vor, kein Mittel, das zur Entdeckung des Eigentümers führen könnte, unversucht zu lassen.

Trotz aller Erregtheit unterließ er aber nicht, den Rat zu befolgen, den ihm Mariechen gegeben, und noch einmal an den Papa zu schreiben.

Darauf überlegte er sorgsam, wie er sich am besten betreffs seines Fundes verhalte, und ging abends zu einem alten guten Freunde seines Vaters, der immer auf ihn viel gehalten hatte, und von dem er wußte, daß er ihm nur zum guten und rechten raten würde. Mit diesem Manne hatte er eine lange Unterredung, er machte geltend, daß ihm viel daran gelegen sei, das Geld im eigenen Nutzen zu verwenden, der alte Herr untersagte es ihm jedoch rundweg und mit so schlagenden Gründen, daß er sich seinem Urteil unterwarf und demgemäß handelte.

Acht Tage lang vigilierten nun beide in allen Londoner Blättern unter den Verlustanzeigen, ob sich eine Person nach dem Funde erkundige, aber sie fanden nirgendswo etwas. Nun erließen sie selbst eine diesbezügliche Anzeige unter der Gruppe Gefundene Gegenstände, mit genauer Angabe der Einzelheiten wo und wann die Geldsumme gefunden worden, wo und wie dieselbe abzuholen sei, u. s. w., aber es meldete sich niemand, und Grimaldi hat bis zu seiner letzten Lebensstunde nicht die geringste Spur von der Person entdecken können, die das auf so eigentümliche Weise in seinen Besitz gelangte Geld verloren hatte. Sein Großvater mütterlicherseits hatte übrigens einen halbwegs ähnlichen Fall erlebt. Es war seine Gewohnheit, am Donnerstag früh den Leadenhall-Markt zu besuchen, und zwar in der Regel mit ziemlich viel Geld im Beutel, da er dort alles einzukaufen pflegte, was er im Laufe der Woche brauchte.

So hatte er einmal 400 Pfund meist in Gold und Silber bei sich. Unweit von der königlichen Börse bemerkte er, daß ihm eine seiner Schuhschnallen aufgegangen war. Da ihm der schwere Geldbeutel beim Bücken hinderlich war, – er war nämlich ein gar wohlbeleibter Herr – zog er ihn aus der Tasche, setzte ihn auf einen Balken, zog die Schnalle fest, ging weiter, dachte aber mit keinem Atem mehr an seinen Beutel. Erst als er die Einkäufe bezahlen wollte, die er auf dem Markte gemacht, fiel ihm ein, wo er ihn hatte stehen lassen. Wie ein Sturmwind sauste er wieder an die Stelle zurück, wo er sich die Schuhschnalle festgemacht hatte, fand auch richtig den Balken wieder – und richtig auch noch den Beutel! Auf offner Straße! – Seitdem hat er aber nichts mehr stehen lassen, so alt er geworden ist.

Vier angstvolle Tage folgten nun, und vier angstvollere Wochen waren bereits vergangen, denn sechshundert Pfund und eine junge Frau standen auf dem Spiele. Da endlich – am fünften Tage – kam ein Brief von Mr. Hughes, die langersehnte Antwort!… Aber was stand in dem Briefe? Einen kürzeren mochte der Postbote wohl seit langem, oder überhaupt noch nicht ausgetragen haben, denn weiter nichts stand drin als die Worte:

»Lieber Grimaldi, Sie werden mich in einigen Tagen sehen.

Ihr ergebener

R. Hughes.

Also weder günstig, noch ungünstig! Man konnte aus der einzigen Zeile lesen, was man wollte. Aber es war wenigstens kein direkter Korb! Und als eine Beleidigung persönlicher Natur hatte Mr. Hughes Grimaldis Ansuchen nicht aufgefaßt. Das war immerhin ein Vorteil, wenn auch noch kein großer… Mr. Hughes schien also mit sich reden lassen zu wollen. Zu diesem Schlüsse gelangte Joe nach vielem Überlegen, und durch Mariechens Wiederkunft wurde er auch nicht trübseliger gestimmt.

Aber auf ihres Papas Schreiben schien sie nicht viel geben zu wollen, denn sie las es kaum durch, als Joe es ihr zeigte, sagte vielmehr, als er sich darüber wunderte:

»Ja, Sepp, wenn ich dir die Wahrheit sagen soll, so ist Papa schon wieder zu Hause. Gestern habe ich ihn zum ersten Male wiedergesehen und er sagte mir bei der Gelegenheit, ich solle dir sagen, daß er dich am Montag früh in seiner Stube erwarte.«

Grimaldi schnitt ein Gesicht, wie ein Gerber, dem alle Felle weggeschwommen sind.

»Aber sei doch nicht töricht,« tröstete ihn Mariechen »ich sollte meinen, du könntest eher recht vergnügt dreinschauen.«

Aber Grimaldi wußte nicht, ob er hoffen oder fürchten müsse, und so brauchte es Zeit und Weile, bis es Mariechen gelang, ihn heiter zu stimmen. Sie selbst hatte Hoffnung, kannte sie doch ihres Papas gutes Herz… Schließlich sah also der verliebte Sepp der Stunde, die über sein Schicksal entscheiden sollte, mit Ruhe entgegen.

Endlich kam der bedeutungsvolle Montag. Seine Unruhe nach besten Kräften zu verbergen suchend, begab Grimaldi sich nach Sadlers-Well und traf dort den Vater seiner Herzallerliebsten im Kassenzimmer.

Mr. Hughes sagte ihm freundlich guten Tag, sagte ein paar gleichgültige Worte, setzte dann aber ernster hinzu:

»Sie wollen uns also verlassen, lieber Grimaldi, Sadlers-Wells und all Ihre alten guten Freunde? Und allein aus dem Grunde, weil Ihnen anderswo ein paar Pfund mehr geboten werden?«

Grimaldi war so verdutzt, daß er im ersten Augenblick kein Wort über die Lippen bringen konnte. Er sammelte sich aber rasch und erwiderte:

»Aber, Mr. Hughes, mein Ehrenwort, daß ich mit keinem Gedanken an so etwas gedacht habe… Es ginge doch schon deshalb nicht, weil ich mich Ihnen kontraktlich verpflichtet habe.«

»Sie denken wohl nicht daran, mein Lieber,« antwortete Mr. Hughes in strengem Tone, »daß Ihr Kontrakt abgelaufen ist?«

Das stimmte. Daran hatte Grimaldi nicht gedacht. Das also mußte er zugestehen.

»Es ist recht auffällig, mein lieber Grimaldi,« fuhr Mr. Hughes fort, »daß Ihnen ein so wichtiger Umstand aus dem Gedächtnis kommen konnte… Aber eins: Kennen Sie Mr. Croß?«

Mr. Croß war der Direktor des Zirkusses, aus dem später das Surrey-Theater wurde, und hatte Grimaldi wiederholt unter sehr günstigen Bedingungen für sich gewinnen wollen, zum letzten Male erst vor wenigen Tagen. Grimaldi hatte sich aber immer ablehnend verhalten, denn er hatte nicht die geringste Lust, Sadlers-Wells zu verlassen, wo er seit seiner Kindheit beschäftigt gewesen und sein Brot gehabt hatte.

Er merkte im Nu, daß ihn jemand bei Mr. Hughes anzuschwärzen versucht hatte. Zufällig hatte er die letzte Zuschrift, die er von Mr. Croß erhalten, bei sich, auch die Abschrift der Antwort, die er darauf gegeben, und überreichte sie Mr. Hughes zum Beweise seiner Rechtfertigung.

»Ich bin mit Mr. Croß nicht bekannt, Mr. Hughes,« sagte er dabei, »bin aber sehr froh, die zuletzt mit ihm gewechselten Briefe bei der Hand zu haben und Ihnen vorlegen zu können.«

»Sehr schön, sehr schön,« antwortete Mr. Hughes lächelnd, »und da Sie auf dem Standpunkte stehen, keinen Quartierwechsel zu lieben, wollen wir doch gleich über das neue Engagement sprechen. Ich zahle Ihnen jetzt vier Pfund in der Woche. Sie sollen hinfort drei weitere Saisons verpflichtet sein, in der ersten sechs, in der zweiten sieben, in der dritten acht Pfund wöchentlich bekommen. Ist’s Ihnen recht?«

Das war mehr als Grimaldi gerechnet hatte, und er sagte mit freudigem Herzen Ja. Mr. Hughes schien an der sofortigen Regelung gelegen zu sein, denn er ließ zwei Zeugen holen, und der Vertrag wurde ohne weiteres ausgefertigt und unterschrieben.

Hierauf wechselten sie noch einige Worte. Dann stand Mr. Hughes auf und sagte:

»Wir sehen uns wohl heute abend noch einmal. Ich will mir nämlich den Blaubart im Drury-Lane ansehen.« An der Tür drehte er sich aber noch einmal um und fragte: »Sonst haben Sie nichts auf dem Herzen?«

Jetzt war der Moment gekommen. Jetzt galt es, oder nie! Grimaldi spornte seinen Mut, gab seinen Wünschen und Bitten Ausdruck, erst in stockender, dann in immer geschwinderer Rede, bis er es endlich heraus hatte, daß von Mr. Hughes‘ Ja oder Nein sein und Mariechens Lebensglück abhinge…

Mr. Hughes antwortete, er habe sich die Sache nach allen Seiten hin reiflich überlegt, meine nur, daß wir beide noch ein bißchen jung zu solchem Entschlüsse seien, gab aber zuletzt seine Einwilligung und rückte Joe dadurch in den siebenten Himmel hinauf. Aber er schien noch ein weiteres tun zu wollen, denn er öffnete jetzt die Tür des anstoßenden Zimmers und rief hinein:

»Mariechen, hier ist Joe … vielleicht willst du ihm guten Morgen sagen?«

Mariechen, die natürlich ganz zufällig in dem Zimmer war, widersprach nicht als gehorsames Töchterlein, sondern sagte dem Freunde einen herzlichen Guten Morgen, und verdient hatte solchen auch Joseph für seine wahrhafte und treue Liebe!

In der schwärmerischen Verzücktheit beider Gemüter bemerkte weder Joe noch Mariechen, daß die Tür offen stand, und daß eine dritte Person Zeugin der holden Szene sein konnte…

Diesen Tag strich Grimaldi natürlich rot in seinem Kalender an. Ein Glück für ihn war es, daß er an diesem Abend im Drury-Lane-Theater erst im letzten Aufzuge auftrat und nur ein paar Worte zu reden hatte.

Als er dorthin kam, war Mr. Hughes schon anwesend und damit beschäftigt, die im letzten Aufzuge wirkenden Verwandlungsapparate zu besichtigen. Er hatte nämlich die Absicht, den Blaubart auch auf dem Exeter-Theater zu spielen, und gab Grimaldi zu verstehen, daß seiner Meinung nach der Apparat viel zu kompliziert sei. Grimaldi gab ihm hierin recht und setzte hinzu, daß der Apparat obendrein noch nicht einmal gut wirke. Grimaldi stand darüber insofern ein Urteil zu, als er sich in seinen Mußestunden viel mit der Erfindung von Modellen zu Verwandlungs- und Pantomimen-Coups befaßte. Das tat er bis zu seinem Tode und in seinem Nachlasse fanden sich auch recht viel solcher Modelle, darunter manches ganz ausgezeichnete. Im Dezember 1836 verkaufte er verschiedene davon aus Drury-Lane-Theater, die zum ersten Male in der Pantomime »Harlekin und Hexe Gurton« Verwendung fanden. Fast alle Maschinerien, die er sah, modellierte er und brachte nicht selten Verbesserungen an, was zufällig auch gerade bei der Maschinerie in dieser letzten Blaubart-Szene der Fall war.

Das kam ihm nun zu statten. Ihm lag natürlich viel daran, Mr. Hughes zu Diensten zu sein. Er kramte alles aus, was er von Modellen in Bereitschaft hatte. Mr. Hughes war darüber sehr erfreut, er bat ihn auf den kommenden Morgen zum Frühstück, forderte ihn auf, seine Modelle zu dem Verwandlungsapparat im Blaubart mitzubringen, was Grimaldi begreiflicherweise mit größtem Vergnügen tat. Hierbei sollte sich nun ein recht spaßhafter Auftritt abspielen.

Beim Sadlers-Wells-Theater waren damals ein paar Leutchen angestellt, die Grimaldi nicht sonderlich gewogen waren und aus Künstlerneid ihm mancherlei Tort antaten. Einer von ihnen hatte von einem Dienstmädchen, mit dem er zufällig bekannt geworden, gehört, es habe gesehen, wie Grimaldi Miß Hughes geküßt habe. Daraufhin ersuchte er Mr. Hughes um ein paar Minuten Gehör, als dieser vom Drury-Lane-Theater nach Hause kam und machte ihm von diesem Gerücht, natürlich nebst allerlei Ausschmückung und Erweiterung, ausführliche Mitteilung, streute allerhand Glossen ein über Grimaldis Undank, daß es nicht gerade nett von demselben sei, sich hinter dem Rücken der Eltern die Zuneigung der Tochter zu erschleichen, und ließ es schließlich an allerhand weisen und rührenden Kommentaren, wie sie bei solchen Anlässen Brauch zu sein pflegen, nicht fehlen…

Mr. Hughes hörte sich dies alles mit Seelenruhe an, worüber sich der Zuträger nicht wenig wunderte, bis ihm zuletzt der Einfall kam, daß sich hinter dieser gemütlichen Auffassung nur Grimm verhalte.

Mr. Hughes ließ ihn aber ruhig ausreden und fragte ihn dann, ob er ihm die Ehre geben wolle, ihn am andern Morgen in der neunten Stunde noch einmal zu besuchen?

»Ganz zu Befehl, werter Herr,« antwortete der Zuträger.

»Dawider werden Sie wohl nichts haben, daß ich Ihnen für Ihre Liebenswürdigkeit schon jetzt meinen Dank ausspreche? Es ist mir natürlich sehr lieb, von Dingen unterrichtet zu werden, die zu meinem häuslichen Glücke in so enger Beziehung stehen. Ein Gläschen Madera gefällig, Herr?«

»Sehr verbunden!«

Der »gute Freund« entfernte sich, nachdem er das Glas geleert hatte, und gratulierte sich, beim Weggehen, »Joe endlich etwas eingerührt zu haben.« – Das war nun allerdings so, nur nicht in seinem Sinne und seiner Absicht gemäß.

Grimaldi war am andern Morgen mit der Lerche auf und legte die letzte Hand an seine Maschinerie. Zufrieden mit seiner Arbeit, schob er die versprochenen Modelle in die Tasche und ging zum Frühstück.

In der Wohnung seines zukünftigen Schwiegervaters angelangt, hörte er von dem Dienstmädchen, das die Geschichte von dem heimlich gestohlenen Kusse herumgebracht hatte, daß Mr. Hughes ihn im Kassenzimmer erwarte. Der Ton, in welchem das Mädchen ihm die Mitteilung machte, weckte eine unbestimmte Furcht in ihm, als wenn sich etwas zugetragen hätte, das ihm sein ganzes Glück zu vernichten drohte.

»Ist Mr. Hughes allein?« fragte er.

»Nein, Herr! Es ist schon ein Herr bei ihm,« antwortete das Mädchen und nannte einen Namen, bei dessen Klange seine Besorgnisse noch höher stiegen.

Nichtsdestoweniger raffte er all seinen Mut zusammen und trat in das Kassenzimmer. Mr. Hughes erwiderte seinen Gruß mit seltsamer Kälte. Der »gute Freund,« der die Zwischenträgerei besorgt hatte, wandte sich ab, ohne ihn eines Blickes oder gar Wortes zu würdigen. Grimaldi kam sich vor, als ob er wie ein Verbrecher dastände…

Mr. Hughes nahm mit großer Förmlichkeit und Feierlichkeit das Wort… »Mr. Grimaldi,« sagte er, »ich habe Ihnen eine höchst wichtige Mitteilung zu machen. Wider Sie ist eine Anklage höchst ernsthafter Natur erhoben worden.«

»Sie sehen wohl, daß mich das aufs höchste überrascht, Herr,« erwiderte Grimaldi.

»Glaub’s Ihnen gern, Herr,« sagte der gute Freund, und über sein Gesicht huschte eine siegesbewußte Miene.

»Es scheint, als wenn die Anschuldigung wohlbegründet sei,« fuhr Hughes fort, »nur fürchte ich, daß Sie sich von ihr nicht werden reinigen können. Aber Ihr Recht soll Ihnen werden! Die Anklage soll in Ihrer Gegenwart erhoben werden. Wiederholen Sie, Sir, was Sie mir gestern abend erzählt haben.«

Der Zuträger ließ sich nicht nötigen, sondern tat es mit Worten, die von Bosheit überflossen, die von der Falschheit sprachen, sich in eine gastliche, in trautem Frieden lebende Familie zu schleichen, um einen Vater und einer Mutter eine geliebte Tochter zu rauben und ein junges, unerfahrenes Mädchen in der Achtung herabzusetzen. Dann erging er sich noch in der Schilderung all der Sorgen und Mühen, die einem Mädchen bevorständen, das sich einen wandernden Schauspieler an den Hals würfe.

Grimaldi war vor Verwunderung schier außer sich, und ganz außer sich wäre er fast geraten, als er sah, daß Mr. Hughes mit gespannter Aufmerksamkeit zuhörte, wie wenn er der Anschuldigung völligen Glauben schenkte, ja zuweilen sogar den guten Freund durch einen Blick oder ein Nicken ermutigte, was natürlich nicht dazu beitragen konnte, Grimaldis Zuversicht zu erhöhen.

»Sie befinden sich im vollen Rechte, mein Lieber,« sagte Mr. Hughes, »und dergleichen Aufführung ist absolut nicht zu entschuldigen, einen Umstand ausgenommen, nämlich…«

»Mr. Hughes,« nahm der Zuträger wieder mit Emphase das Wort, »Ihre Herzensgüte ist mir bekannt, so wohlbekannt, daß ich nicht zweifeln möchte, daß Sie, ungeachtet der Ihnen widerfahrenen schweren Kränkung, auch jetzt noch nach mildernden Umständen suchen. Sie erlauben mir wohl aber, als unparteiischem Beobachter, Ihnen zu sagen, daß es für einen Menschen gar keinen Entschuldigungsgrund gibt, der sich in die Neigung einer jungen, unendlich hoch über ihm stehenden Dame einschleicht, die obendrein eines Mannes Tochter ist, dem er zum größten Danke verpflichtet ist.«

»Bitte, nur eine halbe Minute Gehör, lieber Mann,« erwiderte Mr. Hughes in auffallend ruhigem Tone.

»Von Herzen gern, mein werter Sir!« »Sie haben mich gerade in dem Augenblick – wie ich wohl beifügen darf, in einer etwas wenig manierlichen Weise – unterbrochen, als ich Ihnen wiederholen wollte, daß auch ich für ein solches Verhalten eines jungen Menschen keinen Entschuldigungsgrund finden möchte, sofern ein solcher Mensch sich nicht der Einwilligung seitens der Eltern des Mädchens versichert hat. Im letztern Falle steht es ihm allerdings frei, sich um die Gunst des Mädchens zu bemühen, wenn sie geneigt ist, sie ihm zu gewähren.«

»Zweifellos, zweifellos,« versetzte der Ankläger, »aber in dem Falle, über den wir diskutieren…«

»In dem Falle, über den wir diskutieren,« wiederholte Mr. Hughes, »verhält es sich so, wie ich meine. Meine Tochter ist im Besitze der elterlichen Erlaubnis, Mr. Grimaldi zum Manne zu nehmen, und da sie, meines Wissens, mit Mr. Grimaldi einig ist, wird sie von dieser Erlaubnis wohl recht bald Gebrauch machen.«

Der gute Freund saß da, wie vom Donner gerührt, Grimaldi aber war vor Vergnügen schier außer sich. Endlich ging ihm ein Licht auf, endlich verstand er, daß Mr. Hughes den Zuträger auf eine feine, vorwurfsfreie Weise hatte ablaufen lassen wollen, vielleicht sogar nicht frei von Schadenfreude war und sich auf Kosten des Unheilstifters ein Späßchen machen wollte. Mit ernster Miene, doch sichtlich nur unter Aufwand von Anstrengung imstande, ein Lächeln zurückzuhalten, sagte er zu seinem künftigen Schwiegersohne:

»Immerhin war es nicht ganz in der Ordnung, mein lieber Joe, meiner Tochter vor allen Leuten einen Kuß zu geben, und falls es Ihnen oder meiner Tochter neuerdings beikommen sollte, sich solchen Genuß nicht versagen zu wollen, so möchte ich doch recht sehr gebeten haben, das nur unter vier Augen abzutun. Ein wenig Rücksicht auf die zurzeit herrschende Sitte ist doch notwendig, und ich meine, sie dürfte auch dem Zartsinne der in Frage stehenden jungen Dame genehmer liegen.«

Hierauf schnitt Mr. Hughes dem diensteifrigen guten Freund einen tiefen Bückling, machte die Tür auf und befahl dem zunächst stehenden Diener, »den Herrn bis zur Tür zu geleiten.«

Er selbst begab sich mit Grimaldi zum Frühstück, an dem auch sein Töchterchen teilnahm.

Von diesem Augenblicke an war endlich treuer Liebe die Bahn geebnet, und alles weitere Verhalten des Mr. Hughes gegen Grimaldi legte sattsam Beweis für die Wertschätzung ab, die dieser ihm durch seine oft unter widrigen Verhältnissen aufrecht erhaltene Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit abgewonnen hatte.

Am Sonnabend nach dem erzählten Auftritte wurde mit der Einrichtung der gemieteten Wohnung begonnen, und am Ostersonntage folgte das erstmalige Aufgebot des jungen Paares.

Wie immer nahmen die Vorstellungen im Sadlers-Wells-Theater am Ostermontage ihren Anfang, und Grimaldi trat in einer neuen Rolle auf, die noch bedeutender war als all seine bisherigen, und durch deren brillante Durchführung ihm neuer Ruhm erstehen sollte.

Vier bis fünf Monate hatte er verhältnismäßige Ruhe gehabt. In seiner neuen Rolle, die ihn recht angriff, begann er indessen zu fühlen, daß auch ihn das Los seines Standes ereilen sollte, Abnahme und Erschlaffung der Kräfte infolge von allerhand körperlichen Gebrechen, die anderen Menschen vorenthalten zu bleiben pflegen.

Es wurde ihm unaufhörlich Beifall gespendet, der ihn aber zu immer neuen Anstrengungen spornte, und die Folge davon war, daß er am Schlusse der Vorstellung immer so erschöpft war, daß er sich kaum auf den Beinen halten konnte, den kurzen Weg bis zu seiner Wohnung nur mit großer Mühe zurücklegen konnte und sich sogleich zu Bett legen mußte.

In seinen späteren Jahren war seine Rede oft, daß ihm die glänzenden Einnahmen, die er machte, die schwere Mühe, die ihm die Durchführung seiner Rollen verursacht, auch nur eben wett gemacht hätten, und daß er um kein Pfund dabei besser gefahren sei als Leute, denen es beschert sei, in Ruhe und mit Gemächlichkeit einen regelmäßigen Verdienst zu haben und dabei alt zu werden, statt sich in einer verhältnismäßig kurzen Zeit völlig abzuwirtschaften.

Grimaldis Worte sind nur zu wahr; sie beruhen auf der Erfahrung eines lange, und nicht immer freudigen Lebens. In der Tat kann nur sehr gute Einnahme solchen Künstlern – besonders dann, wenn sie leicht erregbar und empfindsam sind wie eben Grimaldi – das Los eines frühen Alters mit all seiner Pein und Trübsal einigermaßen vergüten helfen.

Am Morgen nach, dem erstmaligen Auftreten in seiner neuen Rolle erwachte Grimaldi gestärkt und erquickt in der elften Stunde. Er erschrak beinahe, als er den Blick auf die Uhr richtete, denn sonst pflegte er schon um sieben Uhr angekleidet zu sein, sich mit der Fütterung seiner Tauben zu befassen, oder die Geige zu spielen, oder seine Modelle zu fertigen. Müßiggang war ihm unausstehlich; er verbitterte ihm das Leben, und für die Wonne »süßen Nichtstuns« konnte er niemals Verständnis gewinnen.

Bei neuen Stücken pflegt der Vormittag nach den ersten Vorstellungen der Repetition zu gehören: es gilt, Längen auszumerzen und Verbesserungen vorzunehmen, wie sie durch das Spiel als wünschenswert sich herausstellen. Selbstverständlich müssen dann alle, die in dem Stücke auftreten, erscheinen, weil sich ja in allen Rollen Änderungen ergeben können. In dem neuen Stücke hatte Grimaldi nun eine Hauptrolle. Es war ihm deshalb höchst unangenehm, solange geschlafen zu haben. Ohne die geringste Säumnis kleidete er sich an und eilte ins Theater.

Sechstes Kapitel.


Sechstes Kapitel.

Verdrießliche und vergnügliche Auftritte mit »dem alten Lukas« und in Gegenwart des Friedensrichters Blamire. – Mysteriöse Erscheinung eines Silberstabes. – Eine Wette mit einem gespaßigen Freunde auf der Dartforder Chaussee. – Der Prinz von Wales, Sheridan und das Töpfermädchen.

Der ganze Bezirk, den jetzt Claremont, Myddleton, Lloyd und Wilmington bilden nebst den zahllosen, nach allen Richtungen hin auslaufenden Straßen und Gassen, war damals Wiesen-, Weide- und Gartenland und hieß »die Sadlers-Wells-Felder.« Auf seinem Wege zwischen dem Schauspielhause hin und zurück mußte Grimaldi dieses freie Land passieren.

Nun waren gerade an diesem Morgen wohl an tausend Personen hier zusammengelaufen, hergelockt durch das Vergnügen einer Stierhetze – damals beim niederen Volk ein höchst beliebter Sport, trotzdem mit ihm schwere Gefahren verbunden waren. Zum Heil für alle friedliebenden, ruhigen Menschen sind diese rohen Hetzen schon von der Tagesordnung geschwunden; sie lassen sich schon aus dem Grunde nicht mehr ausführen, weil es an dem dazu erforderlichen Raume fehlt, was vor einem Vierteljahrhundert noch nicht der Fall war.

Grimaldi blieb stehen und überlegte, ob es nicht klüger sein möchte, wieder umzukehren und einen wenn auch weiteren, doch ungefährlicheren Weg zu wählen. Da faßte ihn ein junger Mensch, den er noch niemals gesehen, scharf ins Auge, trat auf ihn zu und fragte ihn, ob er nicht Grimaldi heiße.

»Allerdings, Herr!« antwortete Grimaldi; »darf ich aber um Auskunft darüber bitten, was Sie zu dieser Frage veranlaßt?«

»Ach,« sagte der junge Mensch, auf einen nicht weit abstehenden Menschen zeigend, »ich hörte vor einigen Augenblicken von dem alten Herrn dort Ihren Namen.«

Dieser »alte Herr« war damals in ganz Clerkenwell und Umgebung allgemein bekannt, aber ebenso allgemein unbeliebt. Er war nämlich der Kirchenspielpolizist, und derlei Amtspersonen sind in der Regel keine gern gesehenen Persönlichkeiten, »der alte Lukas« war aber der bestgehaßte seiner Art, und zwar, sofern man den Geschichten glauben darf, die über ihn im Umlaufe sind, auch mit Fug und Recht, war er doch, mit einem Worte, ein so recht hartgesottener Sünder, von dem es allgemein hieß, daß er nicht davor zurückschreckte, Anklagen zu ersinnen, wenn es eine Weile zu ruhig im Bezirke zugegangen war, so daß es ihm an Material dazu aus der Praxis fehlte. Geld brauchte er immer und war im wesentlichen auf die kleinen Prämien angewiesen, die er für Denunziationen bekam, wenn in dem daraufhin angehängten Prozesse ein Strafurteil gefällt werden konnte.

Da Grimaldi nur allzu gut wußte, was die Leute vom »alten Lukas« hielten, setzte ihn die Mitteilung des jungen Menschen in Verwunderung, und zwar in durchaus nicht angenehme. Nicht frei von Unruhe fragte er deshalb den jungen Menschen, ob er sich auch nicht geirrt habe, daß der Polizist gerade seinen, nämlich Grimaldis Namen genannt habe.

»Ich weiß es ganz bestimmt, Herr,« antwortete der junge Mensch, »und kann mich umso weniger irren, als er Ihren Namen in sein Buch schrieb und zu einem bei ihm stehenden Manne sagte, wenn er wollte, könnte er Sie alle Tage festnehmen lassen.«

»Der Geier soll ihn holen!« rief Grimaldi, »was kann er mir am Zeuge flicken wollen? Auf alle Fälle danke ich Ihnen für Ihre Mitteilung, so unerfreulich sie mir auch sein muß.«

Sie gingen auseinander. Der junge Herr mischte sich unter den großen Haufen, Grimaldi drehte um und begab sich auf dem weitesten Umwege, den er machen konnte, nach dem Theater, um einesteils dem alten Lukas, andernteils dem rasenden Stiere aus dem Wege zu gehen.

Er bekam aber, sobald er den Fuß ins Theater gesetzt, alle Hände voll zu tun, daß er den ganzen Vorfall schnell vergaß. Erst als er gegen Abend sich wieder ins Theater verfügte, wurde er durch einen Zufall daran erinnert und erzählte ihn einigen intimeren Bekannten, wie zum Beispiel dem trefflichen Komiker Dubois, dem Schauspieler Davis und dem gefeierten Seiltänzer Richer.

Er wurde gründlich ausgelacht und eine ganze Zeitlang mit dem alten Lukas und dessen Anschlägen wider ihn derb gehänselt.

»Dieser Spitzel,« rief Dubois, während sich sein Gesicht in sehr ernste Falten legte, »ist ein ausgefeimter Bösewicht, der sich vor keiner Lüge scheut und unsern Joe an den Galgen brächte, wenn er damit ein paar Pfund oder Schillinge verdienen könnte. Sie können sich drauf verlassen, Grimaldi, daß er Ihren Namen ohne allen Grund aufgeschrieben hat.«

»Dieser Meinung bin ich auch,« sagte Davis, »sicher will er sich mit Joe ein gutes Stück Geld holen, aber seien Sie deshalb nicht bange, Joe, die Sache wird schon schief gehen.«

Grimaldi wurde es sehr ernst zumute, aber nun fingen die Freunde erst recht an zu kohlen, ließen allerhand Andeutungen über die Missetat fallen, die ihm der böse Polizist aufs Kerbholz geschrieben hätte, und während der auf ein sittliches Vorgehen, der andere auf Fälschung, ein dritter gar auf Mord und Totschlag plädierte, meinte ein vierter, der den Versuch karikierte, den armen Sünder mit den letzten Tröstungen zu versehen, mit heiterem Lachen, so schlimm dürfte die Geschichte schließlich doch wohl nicht werden, trotzdem diesem Bösewicht von Polizist ein ziemlich starker Einfluß nicht abgesprochen werden könne, und in der Regel keiner, der von ihm in die Schere genommen würde, straffrei ausginge. Darauf ließe sich zwei gegen eins wetten.

Grimaldi entging es nicht, daß sich hinter allem Scherz und Spott seiner Freunde ein gewisser Ernst versteckte; er konnte sich deshalb einer gewissen Beklommenheit nicht erwehren und suchte sich klar zu werden, was der alte Lukas eigentlich gegen ihn vorbringen könnte. Da trat ein Diener vom Theater raschen Schrittes zu ihm herein und meldete, daß ihn jemand auf der Stelle zu sprechen verlange.

»Wer denn, mein Lieber?« fragte Grimaldi, nicht wenig erschrocken.

»Ein Mann mit einer Brille – ich glaube, es ist kein anderer als der alte Lukas,« sagte der Diener.

Alle Anwesenden brachen zuerst in ein schallendes Gelächter aus, versicherten sodann aber Grimaldi ihres eifrigsten Beistandes. Grimaldi selbst stand wie versteinert da. Komiker Dubois meinte:

»Na, Joe, Scherz muß sein, und Sie wissen ja zu spaßen und zu scherzen. Sollte sich aber Scherz in Ernst wandeln wollen, dann seien Sie versichert, daß wir dem Sackermenter von Polizisten die Zähne zeigen werden.«

Die andern guten Freunde sprachen sich in demselben Sinne aus. Grimaldi dankte ihnen auf das wärmste, denn jetzt machte er sich schon die schwärzesten Gedanken. Es wurde beschlossen, mit Grimaldi vors Haus hinunterzugehen, den alten Lukas aber, falls er es sich herausnehmen sollte, ungezogen oder gar frech zu werden, in den Kanal zu stoßen, damit er sich dort ein wenig abkühle. Grimaldi wurde nun von seinen Freunden in die Mitte genommen und zu dem vorm Hause wartenden Polizisten geführt.

Alle fragten durcheinander, was von dem Freunde begehrt würde.

Lukas würdigte sie keiner Antwort, sondern herrschte Grimaldi zu, er müsse auf der Stelle mit ihm nach Hatton Garden hinüber. »Aber,« setzte er hinzu, »beeilen Sie sich! Ich habe keine Zeit zu warten.«

Es erhob sich ein verworrenes Geschrei. Alles wünschte den Wicht dorthin, wo der Pfeffer wächst, und fragte nach dem Haftbefehle. Lukas würdigte auch jetzt keinen der Schreier einer Antwort, sondern stellte an Grimaldi die kurze und bündige Frage, ob er der Aufforderung gutwillig folgen wolle oder nicht. Ein einstimmiges Nein donnerte ihm entgegen.

»Hören Sie, Lukas,« sagte Komiker Dubois, »Sie sind ein alter Halunke, was niemand besser weiß, als Sie selber. Wir meinen, es kanns auch niemand leichter beweisen als Sie selber. Ehe wir aber zugeben, daß Mr. Grimaldi Sie begleitet, verlangen wir Vorweis des Haftbefehls, der Ihnen das Recht gibt, hier so aufzutreten. Haben Sie aber keinen Haftbefehl, dann rate ich Ihnen, sich schleunigst auf die Strümpfe zu machen, wenn Sie nicht getaucht werden wollen.«

Diese Ansprache wurde durch ein allgemeines Beifallsgeschrei beantwortet, in das noch andere, die inzwischen sich angefunden hatten, einstimmten.

»Mr. Dubois,« sagte Lukas, sobald er sich Gehör verschaffen konnte, »mit Ihnen habe ich gar nichts zu schaffen. Und an Sie, Mr. Grimaldi, richte ich neuerdings die Frage, ob Sie meiner Aufforderung zu folgen bereit sind, oder nicht.«

»Nur, wenn Sie den Haftbefehl vorzeigen,« rief der Seiltänzer, »sonst lassen wir ihn nicht aus unsrer Mitte.«

»Nein – ohne Haftbefehl darf er nicht weg,« rief auch Schauspieler Davis.

»Unter keiner Bedingung anders,« sagte nun auch Dubois. »Ich sage Ihnen, rühren Sie ohne Haftbefehl bloß den Finger, so liegen Sie.«

»Was meinen Sie?« fragte Lukas, »wo soll ich dann liegen?«

»Unten im Kanale,« antwortete Dubois, »und zwar dort, wo er am tiefsten ist.«

»Jawohl, tief unten im Kanale,« riefen auch alle anderen.

Dem Polizisten wurde es doch ein wenig bange, und während aus aller Kehlen ein wieherndes Gelächter erscholl, sagte er in einem weit sanfteren Tone:

»Nun, einen Haftbefehl habe ich ja freilich nicht, weil nur selten danach gefragt wird, weiß doch jeder, daß ich Amtsgewalt zu üben beauftragt bin. Genügt das aber Mr. Grimaldi und seinen Bekannten nicht, dann will ich nicht darauf bestehen, daß er auf der Stelle mitkommt, sondern mich mit seinem und der anderen Herren Versprechen begnügen, daß er morgen vormittag um elf Uhr in Hatton Garden vor Mr. Blamire erscheinen wird.«

Dieses Versprechen wurde dem Polizisten gegeben, worauf er sich zum Gehen anschickte. Der Leute waren es aber immer mehr geworden, die die von Grimaldis Freunden gebildete Gruppe umringten, und gleich darauf erklang eine Stimme aus dem Haufen:

»Hallo, Joe, was gibt’s denn hier?«

Dubois trat auf die oberste Treppenstufe und rief in heftiger Erregung:

»Weiter nichts, Kinder, als daß der Sackermenter von Ortspolizist unsern Joe Grimaldi ins Gefängnis abführen will!«

»Und weshalb? weshalb?« fragten alle.

»Ein Grund liegt gar nicht vor,« rief Dubois.

Da der Haufe immer ärger schrie, beschleunigte Lukas seine Schritte, konnte aber erst das Weite gewinnen, nachdem er einen förmlichen Regenschauer von Erdklößen, faulen Äpfeln und dergleichen Dingen über sich hatte ergehen lassen müssen.

Die Vorstellungen nahmen ihren Fortgang wie gewöhnlich, und Grimaldi begab sich heim, nachdem ihm all seine Freunde bestimmt versprochen hatten, ihn am anderen Morgen auf das Polizeiamt zu begleiten. Es wurde auch alles mögliche getan, den jungen Menschen wieder aufzufinden, der Grimaldi auf die Absichten, mit denen sich Lukas wider ihn trug, aufmerksam zu machen.

Zur festgesetzten Zeit erschien Grimaldi in Begleitung seiner Freunde auf dem Polizeiamte. Der Friedensrichter Blamire begrüßte sie sehr verbindlich und stellte an Lukas die Aufforderung, sich darüber auszusprechen, was ihn veranlaßt habe, Mr. Grimaldi laden zu lassen.

Der Polizist erzählte mit großer Zungenfertigkeit, Mr. Grimaldi habe sich dadurch vergangen, daß er sich an einer Stierhetze beteiligt habe, auch andere Personen zur Teilnahme daran angestiftet und aufgereizt habe. Der Stier sei wild geworden, wodurch viele Menschen in Lebensgefahr gebracht worden waren. Er habe dies alles mit eigenen Augen mit angesehen und berufe sich zur Erhärtung seiner Angaben auf das Zeugnis verschiedener Personen. Darauf rief er die Leute herein, mit denen ihn tags vorher Grimaldi hatte zusammenstehen sehen, und sie bestätigten alle Aussagen des Polizisten.

Nun wurde der also Beschuldigte aufgefordert, vorzubringen, was zu seiner Entlastung dienen konnte. Er berichtete, was ihm passiert war, der junge Mensch, der auf der Wiese zu ihm getreten war und ihm gesagt hatte, daß der Polizist sich mit anderen Leuten über ihn unterhalten habe, bestätigte Grimaldis Aussagen und bezeugte unter seinem Eide, daß Grimaldi nur ein paar Augenblicke auf der Wiese gestanden habe, mit der Stierhetze nicht bloß nichts zu tun gehabt habe, sondern ihr vielmehr aus dem Wege gegangen sei.

Mr. Blamire, der Friedensrichter, nahm alles zu Protokoll mit Ausnahme verschiedener unverblümter Äußerungen aus Dubois‘ und anderer Munde über das schlechte Renommee, in welchem der Polizist Lukas bei der Bevölkerung stände. Dann hielt er Grimaldi folgende kleine Standrede:

»Mein lieber Mr. Grimaldi, ich glaube ja gern, daß Ihre Darstellung der Vorgänge in jeder Hinsicht der Wahrheit entspricht. Es bleibt mir aber nichts anderes übrig als auf Grund der Aussagen des Polizisten Lukas und der von ihm beigebrachten Zeugen gegen Sie auf eine Ordnungsstrafe zu erkennen, die indessen für Sie nicht von erheblicher Belastung, dem Ankläger in keiner Weise zu persönlichem Vorteil sein soll. Hätten Sie sich ohne weiteres von der Wiese entfernt, ohne sich mit dem jungen Herrn hier in ein Gespräch einzulassen, so hätte der Ankläger nicht das geringste Moment zur Stützung seiner Aussage für sich gehabt. So kann man ihm den guten Glauben seiner Auffassung der Sachlage nicht wohl absprechen. Ich nehme Sie also nur deshalb in eine Ordnungsstrafe von fünf Schilling und erkläre, daß Sie sofort in Freiheit gesetzt werden sollen, sobald Sie diese Strafe erlegt haben. Ihnen aber, Polizist Lukas, rate ich in aller Freundschaft, sich künftighin, besonders inbetreff Ihres Zeugnisses, größerer Gewissenhaftigkeit zu befleißigen.«

Grimaldi erblickte in dieser Entscheidung eine vollständige Genugtuung, und seine Freunde ebenfalls. Die fünf Schillinge wurden gezahlt, Grimaldi entrichtete sogar noch einen Extra-Schilling für den Büttel, der ihn von Amtswegen bis zur Tür geleiten mußte. Dann begaben sich alle guten Freunde Grimaldis in die dem Sadlers-Wells-Theater nächstgelegene Schänke, den errungenen Sieg zu feiern. Bei einem guten Frühstück machten sie sich über das essigsaure Gesicht lustig, das Lukas gezogen hatte, als der Friedensrichter seinen Spruch fällte, ließen es auch an mancherlei Glossen über die wunderliche Landesgesetzgebung nicht fehlen, die einen Friedensrichter in die Zwangslage setzte, einen Menschen, der als eidbrüchig bekannt war, zum Schwure zuzulassen, weil er Polizist ist, und daraufhin eine von solchem Menschen angezeigte Person in Strafe zu nehmen, trotzdem er von ihrer Unschuld überzeugt ist.

Sie waren eben in der lebhaftesten Diskussion über dieses Thema, als die Tür aufgerissen und von dem Aufwärter hereingerufen wurde:

»Meine Herren, Polizist Lukas!«

Ein allgemeines Gelächter wurde laut, denn alles hielt die Sache für einen üblen Scherz. Auch Grimaldi stimmte in das Gelächter ein. Aber er sowohl als seine Freunde sollten ihren Irrtum schnell gewahr werden, denn nach wenigen Sekunden erschien Lukas auf der Schwelle.

Zornig schrie Dubois ihm entgegen:

»Wie können Sie sich erdreisten, Mann, unberufen hier einzudringen?«

»Ich habe meines Amtes zu walten,« antwortete Lukas tückisch, »Mr. Grimaldi ist in eine Strafe von fünf Schillingen genommen worden, hat aber weder Streifgeld, noch den üblichen Freilassungsschilling an den Büttel entrichtet. Er ist also nach wie vor in Haft.«

Grimaldi erwiderte, daß Lukas sich im Irrtum befände, da er beim Friedensrichter bare sechs Schilling entrichtet habe. Seine Freunde bestätigten diese Aussage.

Lukas aber erwiderte tückisch:

»Das kann sein, kann auch nicht sein. Sie bezahlen jetzt entweder – vorbehaltlich amtlicher Feststellung Ihrer Aussage – oder Sie folgen mir aufs Amt zurück.«

Darauf erklärte Grimaldi, daß es ihm gar nicht einfiele, der Aufforderung des Mannes zu folgen.

»Ei, das wollen wir sehen,« versetzte Lukas und trat auf Grimaldi zu.

»Keinen Schritt weiter,« rief Grimaldi, außer sich, »oder ich schlage Sie nieder wie einen Hund!«

Lukas ließ sich aber nicht einschüchtern, sondern fiel über Grimaldi her, riß ihn vom Stuhle, suchte ihn zur Tür hin zu zerren, zerriß ihm dabei Kragen und Weste. Nun aber machte Grimaldi seine Drohung wahr und streckte den Polizisten mit einem Hieb auf die Nase, der einen kräftigen Bluterguß zur Folge hatte, zu Boden.

Lukas war aber ebenso schnell wieder auf den Beinen, zog seinen Amtsstab aus der Tasche und schickte sich zum Wiederbeginne des Kampfes an, als sich ein bislang unbeteiligter fremder Herr von seinem Stuhle erhob, einen silbernen Stab aus seinem Rocke nahm und ihn drohend dem Ortspolizisten vor die blutige Nase hielt…

»Ich dulde hier keine Gewalttätigkeit mehr. Wer an dem Falle beteiligt ist, verfüge sich zum Polizeiamt. Ist Mr. Grimaldi – wie ich – nach allem, was ich mitangehört, nicht bezweifle – in seinem Rechte, dann werde ich Sorge tragen, daß auch Ihnen, Polizist Lukas, zuteil werde, was Ihnen von Rechtswegen zusteht.«

Brummend fügte sich Lukas dem Spruche. Mr. Blamire war nicht wenig verwundert über ihr Wiedererscheinen, erschrak aber nicht wenig, als er des Polizisten blutige Nase erblickte, schien aber den Herrn mit dem silbernen Stabe sehr genau zu kennen, denn er begrüßte ihn mit außerordentlicher Höflichkeit.

Mr. Blamire forderte zuerst Lukas auf, seine neuerliche Beschwerde vorzubringen. Lukas behauptete, Mr. Grimaldi sei mit dem Strafgelde noch im Rückstande. Mr. Blamire ließ den Schreiber hereinkommen, der aber sogleich, mit einem bedeutsamen Seitenblick auf den Polizisten – erklärte, sowohl der Strafbetrag, als auch der Freilassungsschilling seien pünktlich entrichtet worden.

»Und Sie haben Hand an Mr. Grimaldi gelegt?« fragte Mr. Blamire.

»Auf Grund meiner Annahme, das Strafgeld sei noch nicht entrichtet,« erklärte Lukas.

»Und Mr. Grimaldi hat Ihnen die Nase blutig geschlagen?« fragte Mr. Blamire.

»Ja, Sir,« antwortete Lukas.

»Nun, die blutige Nase haben Sie mit sich selbst abzumachen,« erklärte Mr. Blamire, während Grimaldis Freunde ein wieherndes Gelächter anstimmten. »Und nun, Mr. Grimaldi, Ihre Äußerungen zur Sachlage?«

Grimaldi erzählte mit kurzen Worten, wie sich der Vorfall abgespielt hatte. Der Herr mit dem silbernen Stabe bestätigte die Wahrheit von Grimaldis Darstellung und setzte noch allerhand abfällige Bemerkungen über das gewalttätige Auftreten und Verhalten des Polizisten hinzu.

»Wer der Herr mit dem silbernen Stabe war,« sagte Grimaldi, als er über den ärgerlichen Vorfall zuhause sprach, »weiß ich nicht und habe es auch nicht in Erfahrung bringen können. Es muß aber, nach der großen Ehrfurcht, die ihm auf dem Polizeiamte entgegengebracht wurde, ein sehr vornehmer Herr sein. Später sagte man mir, es müsse der Londoner Friedensmarschall gewesen sein, der die Gewalt besäße, überall in England seines Amtes zu walten. Ich kann es aber nicht sagen, ob es sich so verhält oder nicht.«

Mr. Blamire diktierte Lukas eine Buße von fünf Pfund, die der Armenkasse zufallen sollte, verurteilte ihn auch, Grimaldi Abbitte und Entschädigung zu leisten.

Lukas schäumte vor Wut, wie der wilde Stier, die eigentliche Ursache des Mißgeschicks, das sich hinfort an seine Fersen heftete, und vermaß sich in allerhand respektwidrigen Reden, daß es ihm im ganzen Leben nicht einfallen würde, auch nur einen Heller, geschweige fünf Pfund, zu bezahlen. Darauf befahl Mr. Blamire, ihn abzuführen und in Haft zu nehmen – zur großen Befriedigung Grimaldis sowohl als seiner Freunde – nicht minder auch der Polizisten, Schreiber und Frone, die über das unlautere Wesen ihres Kollegen recht gut unterrichtet waren, es aber auch für ihre besondere Pflicht ansahen, alles was Mr. Blamire, ihr unmittelbarer Vorgesetzter, anordnete, voll untertänigster Bewunderung zu registrieren. Grimaldi begab sich nun mit seinen Bekannten wieder nach Hause. Am andern Tage verlautete, daß Lukas, nach sechsstündiger Haft, seine Strafe, wenn auch unter Geheul und Verwünschungen, bezahlt habe. Ein paar Stunden nach seiner Entlassung aus der Haft bekam Grimaldi einen gar demütigen Brief von ihm mit dem Ersuchen, ihm mitzuteilen, was er für die zerrissenen Kleidungsstücke von ihm fordere.

Grimaldi hielt es für das beste, die Sache auf sich beruhen zu lassen, da Lukas für den Schaden, der gestiftet, durch seine zerschlagene Nase gestraft genug sei.

Lukas behelligte Grimaldi nicht weiter. Er kam auch bald drauf um Amt und Würden.

Nun verflossen verschiedene Monate so recht in dulce jubilo bis am elften Mai die Glocke der Kirche zum heiligen Georg das Brautpaar an den Altar rief, zur unsäglichen Freude der wackern Mutter des Bräutigams, die dessen Braut von frühester Kindheit geliebt hatte wie eine eigene Tochter.

Fünf Tage nach der Hochzeit machte das junge Ehepaar den ersten Besuch bei den Eltern und Schwiegereltern. Dann verfügte Grimaldi sich ins Sadlers-Wells-Theater, wo eine Probe anberaumt worden war.

Kaum war er in den Hof getreten, als ein Bühnenmitglied, Richer der Seiltänzer, auf ihn zu trat und sich nach dem Namen der Dame erkundigte, die man an seinem Arme gesehen habe.

»Das kann ich Ihnen sagen,« erklärte Komiker Dubois, »es ist Miß Mary Hughes gewesen.«

»Bitte recht sehr um Verzeihung, mein Herr,« antwortete Grimaldi, »so heißt die Dame im ganzen Leben nicht.«

»Ich möchte aber einen Eid darauf leisten,« rief Dubois, »daß es Miß Hughes gewesen.« »Dann würden Sie sich mit Ihrem Gewissen in Konflikt setzen,« antwortete Grimaldi, »die Dame hat wohl ehedem Miß Hughes geheißen, führt aber seit Montag den Namen Grimaldi,«

Das war für alle eine Überraschung sondergleichen, und die Kunde davon verbreitete sich im ganzen Theater wie ein Lauffeuer. Man überbot sich in Gratulationen, die Aufregung nahm derart überhand, daß dem Direktor nichts weiter übrig blieb als die Probe aufzuschieben und die Gesellschaft gehen zu lassen. Abends gab es ein großes Festessen zur Feier von Grimaldis Hochzeit, und am darauf folgenden Sonntage einen Mittagsfreitisch für das Unterpersonal. Kurz, das ganze Personal vom höchsten bis zum niedrigsten, nahm an dem lang erwarteten und nun endlich wahr gewordenen Glücke des braven jungen Ehemannes den herzlichsten Anteil.

Im Sommer desselben Jahres ging Grimaldi unter so drolligen Umständen eine Wette ein, daß wir wohl auf gütige Nachsicht des Lesers hoffen dürfen, wenn wir sie an dieser Stelle mitteilen.

Grimaldi hatte damals mit einem recht beliebten und auch talentvollen Schriftsteller Bekanntschaft geschlossen, der gerade, als Grimaldi dort etwas zu verrichten hatte, eine Reise nach Gravesend machen mußte. Sie besprachen sich infolgedessen, auf gemeinschaftliche Kosten eine Postchaise zu nehmen, und fuhren, da Grimaldi abends im Sadlers-Wells auftreten mußte, in aller Frühe ab.

Es war eine sehr angenehme Reise, und die Zeit verging sehr schnell. Grimaldis Freund war ein höchst humoristischer Herr, dabei lebhaft und beweglich, immer auf der Suche nach lustigem Unterhaltungsstoff, immer mit witzigen Bemerkungen über Land und Leute bei der Hand. Etwa drei Meilen vor Dartford kam plötzlich ein Reiter in Sicht, der so kräftig hinter der Post her trabte, daß es ganz den Anschein hatte, als ob er es drauf abgesehen habe, sie einzuholen.

»Sehen Sie doch, Joe,« rief er, als der Reiter nur ein paar Büchsenschüsse noch entfernt war, »der alte Knabe scheint einen ganz brillanten Gaul unter den Schenkeln zu haben.«

Grimaldi folgte der Aufforderung. Der Reiter kam rasch heran, war ein großer, kräftiger Mann, augenscheinlich ein Pächter oder Gutsherr, denn er ritt ein strammes Ackerpferd.

»Freilich sehe ich ihn,« antwortete Grimaldi, »könnte aber nicht sagen, daß mir etwas besonderes an ihm auffällt.«

»Mir ja auch nicht«, erwiderte der Freund, »weder an ihm noch an seinem Tiere; aber meinen Sie nicht auch, daß er mit solchem Gaul und in solchem Tempo bald an uns vorbei sein muß?«

»Ganz entschieden,« antwortete Grimaldi, »das kann sogar nur wenige Augenblicke dauern.«

»Nun, Joe, halten Sie die Wette auf eine Guinee, daß er uns nicht überholt?« –

»Ach, wozu solche Possen?«

»Halten Sie die Wette?«

»Auf keinen Fall! Es hieße ja, daß ich Sie um Ihr Geld prellen möchte.«

»Das ist meine Sache,« sagte lachend der Freund; »ich betrachte die Sache aus anderm Lichte und will die Wette sogar noch günstiger für Sie stellen. Ich behaupte, der Mann überholt uns sogar zwischen hier und Dartford nicht.«

»Topp!« rief da Grimaldi, weil er deutlich sah, daß keine halbe Minute mehr verstreichen konnte, bis der Reiter die Chaise überholt hatte, wenn er nicht durch irgend einen unvermuteten Zwischenfall aufgehalten würde.«

»Und nun noch eins,« sagte der Freund, »Lachen oder lächeln Sie nur, so, daß ers zwischen hier und Dartford sehen kann, so haben Sie verloren. Gilts?«

»Es gilt,« antwortete Grimaldi, höchst gespannt, wodurch seine Reisegefährte die Wette zu gewinnen dächte.

Er blieb nicht lange in Ungewißheit, der Reiter kam näher und näher. Die Aufschläge erklangen schon dicht hinter der Postchaise, als der Freund ein Pistol aus der Tasche riß, sich zum Schlage hinaus beugte und unter bedrohlichen Gebärden auf den Pächter zielte, der bis dahin von irgendwelcher Gefahr nicht die geringste Ahnung gehabt hatte.

Grimaldi guckte durch das Fensterchen im Rücksitze und hätte sich vor Lachen, ausschütten mögen, als er sah, welche Wirkung die jähe Bewegung seines Freundes machte. Der ehrliche Landmann riß seinen Gaul fast auf die Erde nieder, um ihn auf der Stelle zum Stehen zu bringen. Die ruhige Geschäftsmiene, die er bisher zur Schau getragen, verwandelte sich in wüstes Entsetzen. Sein bisher tiefgerötetes Gesicht wurde mit Leichenblässe überzogen. Er klopfte seinem Tiere auf den Hals und suchte es auf alle mögliche Art zu beruhigen, während er der Postchaise mit stieren Blicken nachgaffte.

Eine Minute mochte etwa verstrichen sein, da gewann er die Fassung wieder, gab seinem Gaule die Sporen und sprengte wieder, offenbar in der Absicht, auf der andern Wegseite an der Chaise vorbeizukommen, hinter ihr her.

Grimaldis loser Freund hatte jedoch diese List vermutet und hielt dem Reiter mit den gleichen bedrohlichen Gebärden das Pistol aus dem andern Schlage entgegen, so daß der biedere Landmann, fast noch erschrockener als das erste Mal, sein Pferd abermals anhielt.

Nach einiger Zeit setzte er jedoch, in etwa dem gleichen Tempo wie die Chaise, seinen Gaul wieder in Trab. Augenscheinlich ging er mit sich zu rate, wie er sich benehmen sollte.

Grimaldi hielt sich in seiner Wagenecke noch immer den Bauch vor Lachen. Er merkte, daß er um seine Guinee war, und wollte nun den Spaß noch ärger treiben, guckte zu dem Zwecke zum andern Wagenschlage hinaus, setzte eine wichtige Amtsmiene auf, nickte dem biederen Landmanne vertraulich zu, hob sogar, wie um ihn zu warnen, den Finger in die Höhe.

Der Landmann nahm die Warnung ernst, nickte und winkte, ja suchte durch allerhand Pantomimik begreiflich zu machen, daß er sich den Zusammenhang recht wohl erklären könne, daß der Mann mit dem Pistol ein Irrsinniger sei, der sich durch einen unglücklichen Zufall die gefährliche Waffe habe aneignen können.

Grimaldi tat nichts, ihn aus diesem Wahne zu reißen, sondern suchte ihn vielmehr darin zu stärken, indem er seinerseits ihm verständlich zu machen suchte, daß er der Wärter dieses Narren sei, mußte aber, um dem Pächter nicht hell ins Auge zu lachen, von Zeit zu Zeit mit dem Kopfe in die Kutsche zurückfahren.

Grimaldis Freund hielt dem Landmanne unverwandt das Pistol entgegen, spielte, um den Eindruck zu verschärfen, hin und wieder mit dem Hahne und zog alle möglichen Fratzen, um sich so recht als Narren aufzuspielen.

Der Landmann hielt sein mäßiges Tempo inne, blieb auf der andern Wegseite, hätte es in der Gebärdensprache schier mit dem hervorragendsten pantomimischen Darsteller aufnehmen können und überbot sich, in der Absicht, es Grimaldi gleichzutun, in Achselzucken, Winken und Nicken, sowie allerhand anderen Zeichen, durch die ihm dieser von der Echtheit seiner Teilnahme zu überzeugen suchte.

Auf diese Weise gelangten sie nach Dartford. Kaum aber hatten sie die Stadt erreicht, so setzte sich Grimaldis Freund wieder in seine Ecke, während Grimaldi seine Guinee aus der Börse langte. Als das Pistol im Wageninnern verschwunden war, drückte der biedere Landmann seinem Gaule die Sporen in die Weichen, versetzte ihm einen derben Schlag mit der Peitsche, und raste zum nicht geringen Entsetzen der gesamten Dartforder Spießbürgerschaft in vollem Galopp durch die Stadt.

Durch seinen Gewinn kam Grimaldis Freund auf eine andere Wette zu sprechen, die einst der berühmte Sheridan mit dem Prinzen von Wales eingegangen war und die damals in aller Leute Munde war.

Georg der Vierte war als Prinz von Wales bekanntlich ein sehr loser Herr, der manche Tagesstunde zur Erholung brauchte. Darum war es mit eine Lieblingsbeschäftigung von ihm, im Verein mit Zechkameraden zu den Fenstern ihres Klubhauses auf die Saint-James-Straße hinunter zu gaffen. Sheridan, damals Pächter des Drury-Lane-Theaters, spielte beim Prinzen Georg eine bevorzugte Rolle.

Beiden war nun wiederholt ein Mädchen in die Augen gefallen, das immer zu einer bestimmten Tageszeit mit einer schweren Traglast Töpferware durch die Straße kam. Der Prinz hatte sich schon wiederholt über das Mädchen geäußert, daß sie nicht bloß über eine bedeutende Leibeskraft, sondern auch über eine nicht minder bedeutende Gewandtheit gebieten müsse, um solche Lasten mit solcher Leichtigkeit zu schleppen, ohne in dem großen Menschengedränge nur ein einziges Mal zu straucheln oder nur fehl zu treten.

Eines Morgens kam sie wieder auf die Straße, diesmal in der Richtung von Piccadilly, entlang. Sheridan machte den Prinzen sogleich auf sie aufmerksam…

»Königliche Hoheit,« sagte er, »heut hat das Mädchen sogar noch mehr aufgepackt als sonst.«

»Das kann ich nicht glauben,« erwiderte der Prinz.

»Und doch meine ich, Recht zu haben,« sagte Sheridan, »der Korb ist heute doch fast noch einmal so groß wie sonst.«

»Sie scheinen Recht zu haben, Sheridan,« meinte der Prinz.

»Freilich habe ich Recht, Königliche Hoheit,« sagte Sheridan, »sehen Sie denn nicht, wie sie unter der Bürde wankt? Da, jetzt fällt sie … nein! sie behält das Gleichgewicht und geht weiter. Das arme Ding!«

Der Prinz hatte keinen Blick von dem Mädchen gewandt, aber nichts von den Vorgängen an ihr wahrnehmen können, die Sheridan bemerkt haben wollte.

Aber Sheridan fuhr unbeirrt fort, wie wenn er zerstreut mit sich selber spräche:

»Ganz sicher kommt sie zu Falle, noch ehe sie bis zu dem nächsten Hause gekommen.«

»Ei was, die fällt nicht,« rief der Prinz, »die ist an die Last, die sie trägt, doch viel zu sehr gewöhnt!«

»Und doch wird sie fallen,« rief Sheridan.

»Hundert Pfund wette ich, daß sie nicht fällt,« rief der Prinz.

»Topp,« rief Sheridan.

»Topp,« wiederholte der Prinz.

Knapp vor dem Klubhause kam das Mädchen zu Falle. Sicher zufällig, denn absichtlich fallen die Leute wohl kaum, besonders aber nicht dann, wenn sie schwere Topflast tragen; und doch hat es nicht an boshaften Menschen gefehlt, die den Unfall des Mädchens auf andere Ursachen als ihre überschwere Last zurückführen wollten.

Mag dem nun sein wie ihm wolle: in Abrede stellen läßt sich nicht, daß Sheridans Zuversicht in einem merkwürdigen Konnex mit der Tatsache stand, und daß dieser Konnex einen weiteren Beweis für seine Urteilsschärfe in solchen Dingen ablegt.

Dergleichen Spaße lagen nun einmal in Sheridans Charakter. Da auch der Freund Grimaldis auf dem Standpunkte stand, daß Sheridan zu dem Anfalle direkt oder indirekt die Veranlassung geschaffen, erzählte er eine weitere Anekdote. Als Richardson mit ihm zusammen das Drury-Lane-Theater besah, fuhren sie einmal in einer Mietskutsche mit ihm spazieren, und merkte erst unterwegs, daß er kein Geld bei sich habe. Da brach er mit Richardson einen Streit vom Zaune über irgend eine Bagatelle. Es kam, da sie beide Hitzköpfe waren, bald zu heftigen Reden, und als sie in eine Straße einbogen, von der es nicht mehr weit war bis zu Sheridans Wohnung, sprang Sheridan mit den Worten: er verschmähe es, auch nur eine Sekunde noch in Gesellschaft solches Streithahnes wie Richardsohn zu verweilen, aus dem Wagen und ging zu Fuß nach Hause, Richardson aber mußte die Fahrt bezahlen.

Unterdessen hatte man neuen Vorspann genommen. Durch viel Lachen war die Lust zu weiteren Spaßen geweckt worden. Als die Postchaise halten mußte, weil ein paar Frachtwagen den Weg sperrten, was gerade vorm ersten Gasthause der Fall war – guckte ein großer, kräftiger Mann in Uniform, mit mächtigem Knebelbart, höchst martialisch und fürnehm zu einem Fenster auf die Leute hinunter. Grimaldis lustiger Reisegefährte bemühte sich, die Aufmerksamkeit des militärisch angehauchten Herrn durch Husten und andere Manöverchen zu wecken. Nach einer Weile gelang es ihm auch, und gewaltig von oben herab maß ihn der Herr mit seinen Blicken. Grimaldis lustiger Kamerad verzerrte sein Gesicht zu einer grimmigen Fratze, machte wieder alle möglichen Gebärden eines in Irrsinn verfallenen Menschen, riß wieder sein Pistol aus der Tasche und zielte dem martialisch aussehenden Herrn mitten zwischen die Augen…

Wie von einer Tarantel gestochen, fuhr der Mann in die Höhe, fuhr sich mit beiden Händen nach der Stirn, fuhr mit dem Kopfe ins Fenster zurück und war im andern Augenblick aus dem Fenster verschwunden, ob nun zusammengebrochen aus Angst und Schreck, oder hingestürzt aus eigner Willenskraft, war unmöglich festzustellen… Grimaldis Freund aber schob kaltblütig sein Pistol wieder in die Tasche, und Grimaldi wollte sich wieder ausschütten vor Lachen.

In Gravesend schieden sie voneinander. Der fidele Kamerad begab sich nach Dover. Grimaldi besorgte, was er sich vorgenommen hatte, und kehrte dann nach London zurück, in schmerzlichen Gedanken an seine »Dartford-Bläulinge«, die ihm von so barbarischer Hand vernichtet worden waren.

Siebentes Kapitel.


Siebentes Kapitel.

Georgs des Dritten Vorliebe für das Theater. – Sheridans Gefälligkeit gegen Grimaldi. – Grimaldis häusliches Leid. – Harlekin Amulet, eine neue Äera in der Pantomime. – Taubenliebhaber und Wetten. – Erste Kunstreise mit Mrs. Baker. – John Kemble und Jude Davis. – Große Erfolge in Maidstone und Canterbury. – Eine Unterhaltung mit John Kemble.

Der Sommer verging sehr angenehm. Grimaldi widmete seine ganze Mußezeit seiner Frau und deren Eltern, bis die letzteren nach Weymouth abreisten, denn Mr. Hughes war Besitzer des dortigen Theaters. Wenn sich der Hof in Weymouth aufhielt, besuchte Georg der Dritte mit großem Gefolge das Schauspiel wenigstens viermal wöchentlich und bestimmte auch, was gegeben werden sollte.

Die Vorstellungen im Drury-Lane-Theater nahmen für die diesjährige Saison am 20. September ihren. Anfang. In Sadlers Wells wurden sie zehn Tage später geschlossen. Grimaldi hatte nun um so mehr Ruhe, da in Drury-Lane auch in diesem Jahre Schaustücke statt Pantomimen gegeben wurden. Er traf zu Anfang der Saison mit Sheridan zusammen, und es entspann sich die nachstehende Unterredung: »Nun, Joe, leben Sie noch?«

»Wie Sie sehen, Sir, und was noch mehr wert ist, ich lebe sehr glücklich! im heiligen Ehestande.«

»Eine hübsche junge Frau, Joe?«

»0, sehr hübsch, Sir.«

»Schön, schön! Sie müssen echt häuslich sein, Joe, Nur im Daheim ist das wahre Glück zu finden. Ich lebe selbst sehr häuslich,« setzte Sheridan hinzu, und zwar mit jenem Blinzeln, dessen lustigen Ausdruck niemand vergessen konnte, der es gesehen.«

»Ich denke doch, daß ich es ebenso mache, wie Sie, Sir,« antwortete Grimaldi.

»Recht so, recht so, mein Lieber! Aber was fängt Ihre arme kleine Frau an, wenn Sie auf der Bühne arbeiten? Eine hübsche junge Frau ganze Abende lang allein zu Hause lassen, taugt gar nichts, lieber Joe. Na, ich will Ihnen zu Hilfe kommen, Joe… will ihr Freibillets geben, für sich und eine Freundin – wohlgemerkt, Freundin! nicht Freund, möchte sonst leicht gefährlich werden, mein Lieber – wie? Oder meinen Sie nicht?«

Darauf entfernte er sich so schnell, daß ihm Grimaldi für seine rücksichtsvolle Güte nicht einmal Dank sagen konnte. Aber er vergaß sein freundliches Versprechen nicht, und Frau Grimaldi besuchte nun fast jeden Abend das Theater, und ging nach Schluß der Vorstellung mit ihrem Manne nach Hause.

Still, angenehm und rasch verging auch der Herbst und Winter. Im folgenden Jahre, 1799, erhöhte die Hoffnung, Vater zu werden, Joe’s Glück. Für die kleinen Sorgen des Alltagslebens hatte er nun kaum noch ein Auge.

Aber seinem jungen Glücke drohte im selben Jahre der schwerste Schlag: am 18. Oktober 1799 starb seine Frau – das Kleinod, das er von Kind auf so lieb und wert gehalten hatte. – die Frau, deren Vorzüge und Tugenden bis an seinen Tod in seinem Munde waren. Lange Wochen waren zwischen Furcht und Hoffnung verstrichen, bis das schreckliche Ereignis eintrat, bis ihre sterbliche Hülle am 21. Oktober in der Familiengruft in der Saint-James-Kirche beigesetzt wurde.

Grimaldi war in der ersten Zeit wie von Sinnen. Seine Freunde ließen ihn keinen Augenblick allein, und nur ihrer ununterbrochenen Wachsamkeit gelang es, zu verhindern, daß er nicht Hand an sich legte. Trost konnten sie ihm aber wenig spenden, denn ihr Schmerz war kaum minder groß als der seine, hatten sie die Verstorbene doch sämtlich in ihr Herz geschlossen, betrauerten doch auch sie einen schweren, schweren Verlust.

Der Bruder der Verstorbenen, Richard, hat seiner Schwester die Worte: »O, Bruder, verlasse meinen armen Joe nicht, sondern bleib ihm immer in Liebe treu!« nie vergessen, sondern hat sich in allen Lebenslagen als Grimaldis bester und getreuester Freund erwiesen. Volle acht Wochen kam der arme Joe nicht zur Besinnung. Tags über zehrte er an seinem Grame, sinnierte über zu Grabe getragene Hoffnungen und über entschwundenes Glück, und abends wurde er auf die Bühne gerufen, um dem Theaterpublikum schallendes Gelächter zu entlocken. Schminke verdeckte die Gramfalten, die sein tiefes Herzeleid in seinem Geiste gezogen, und wenn er in der Weihnachts-Pantomime auftrat, begrüßte stürmischer Jubel sein Erscheinen.

Das Drury-Lane-Theater brachte die neue Pantomime, in der Joe Grimaldi sich selbst übertraf. Sie hieß: »Harlekin Amulet, oder Der Zauberer von Mona« – unter welchem Namen die jetzt Anglesea benannte Insel, der älteste Druidensitz, zu verstehen ist. Ihr Verfasser war ein gewisser Powell. Die Inszenierung hatte Balettmeister Byrne übernommen. Sie fand außerordentlichen Beifall und wurde ohne Unterbrechung bis zu Ostern 1800 aufgeführt. Sie zeichnete sich durch mancherlei hervorstechende Eigentümlichkeiten aus, namentlich durch ein neues Kostüm und eine völlig neue Auffassung des Harlekin-Charakters. Bislang hatte das Kostüm in weiten Pumphosen und Jacke bestanden. Auch war als unerläßlich angesehen worden, daß Harlekin zwischen fünf bestimmten Stellungen ständig wechselte.

Byrne, der in diesem Jahre zum ersten Male als Harlekin auftrat, stieß sozusagen dieses alte Herkommen über den Haufen und machte aus Harlekin einen völlig neuen Charakter. All seine Stellungen und Sprünge waren neu, und in seinem Kostüm hatte er wesentliche Verbesserungen vorgenommen. Es war durchweg aus weißer Seide, die bunten Flicken waren hineingewebt und es saß so prall, daß es nicht eine einzige Falte schlug, aber so reich mit Flittern besetzt, daß es einen wirklich glänzenden Anblick bot.

»Die Neuerung«, sagte Grimaldi, »war durchgreifend und wurde mit enthusiastischem Applaus begrüßt. Sie war auch nicht unverdient und meiner Meinung nach war Byrne der beste Harlekin seiner Zeit, ist auch seitdem kaum übertroffen worden, und nur wenige dürften es ihm gleich getan haben.«

Die von Byrne eingeführten Änderungen wurden in kurzer Zeit allgemein angenommen und sind bis auf die Gegenwart beibehalten worden.

Grimaldis Rolle in dieser Pantomime war sehr schwierig und sehr abspannend. Zuerst trat er als Punch oder Polictinell auf und wandelte sich erst im Verlaufe des Stückes zum Clown um. Als Punch fand er so außerordentlichen Beifall, daß Sheridan ihm den Wunsch nahe legte, diesen Charakter überhaupt zu übernehmen, was Grimaldi jedoch bestimmt ablehnte. Was ihn vor allem dazu bestimmte, war die Notwendigkeit, als Punch, der Eigentümlichkeit der Maske entsprechend, mit zwei mächtigen Höckern auf Brust und Rücken, mit hohem Zuckerhute auf dem Kopfe und mit langnäsiger Maske und schweren Holzschuhen aufzutreten. Auch mußte er sich in diesem Kostüm außerordentlich anstrengen, so daß er nach jedem Aktschlusse erschöpft auf den ersten besten Sessel sank, den er finden konnte, und kaum noch die nötige Kraft fand, sich am Schlusse der sechsten Szene in den Clown zu verwandeln… »Miß Menage,« sagte er, »spielt die Rolle der Kolombine, und zwar so mustergiltig, daß ich bis heutigen Tages meine, nie wieder ein so treffliches Ensemble wie zwischen ihr und Byrne angetroffen zu haben.«

Da, wie gesagt, Harlekin Amulet allabendlich bis Ostern gegeben wurde, war Grimaldi ununterbrochen beschäftigt, und das war für ihn insofern eine Wohltat, als er seine Gedanken von dem schweren Verluste, der ihn betroffen hatte, ablenkte. Er hatte sich, gleich nach dem Tode seiner Frau in Baynes Row eingemietet, aber es währte sehr, sehr lange, bis er seine Gemütsruhe und seinen alten Frohsinn wiederfand.

In seiner neuen Behausung legte er sich einen Taubenschlag an und saß stundenlang am Fenster, dem kreisenden Fluge seiner sechzig prächtigen Tauben – durchweg von edelster Rasse – zuschauend. Mit Stolz pflegte er besonders von einer Taube zu sprechen, die einmal der Gegenstand einer interessanten Wette mit einem Mr. Lambert gewesen war.

Mr. Lambert, war, wie Grimaldi erzählt, gleich ihm ein Taubenliebhaber, aber, – und das unterschied ihn unvorteilhaft von Grimaldi – einer, der gern den Mund ein wenig voll nahm und von seinen Tauben nie anders sprach als von den besten und schönsten aus dem ganzen Erdenrunde. Natürlich brachte diese Prahlerei alle Taubenzüchter gegen ihn auf, und es wurde allgemein mit Freude vernommen, als Grimaldi mit ihm eine Wette um zwanzig Pfund einging, in seinem Stalle keine Taube zu haben, die zehn Stunden in zwanzig Minuten durchfliegen könne: eine Strecke vom zwanzigsten Meilensteine der großen nördlichen Heerstraße bis nach Grimaldis Hause. Die dazu ausersehene Taube wurde an dem für den Probeflug festgesetzten Tage um sechs Uhr morgens einem in die Wette eingeweihten Bekannten mit dem Auftrage übergeben, sie Punkt zwölf Uhr bei dem zwanzigsten Meilensteine unweit von Saint Albans fliegen zu lassen. Die Uhren wurden nach der Kirchenglocke in Clerkenwall gestellt, und der Freund brach mit der Taube und einem Herrn von der gegnerischen Seite auf.

Das Wetter war recht ungünstig. Es hatte stark geschneit, und noch immer fiel ein dichter Schnee mit Regen. Gutes Wetter war bei der Wette von Grimaldi nicht ausbedungen worden, und Grimaldi begab sich daher nebst mehreren guten Bekannten der beiden Parteien Punkt zwölf Uhr hinauf in den Taubenschlag.

Genau neunzehn Minuten nach zwölf ließ sich die Taube auf das Dach von Grimaldis Haus nieder. Auf der Stelle wurden für die Taube zwanzig Pfund geboten; doch wurde das Gebot von Grimaldi abgelehnt.

Immer waren seine Tauben freilich nicht so schnell und pünktlich, ja sie blieben zuweilen so lange aus, daß er schon alle Hoffnung aufgab, sie je wiederzusehen. Einmal zum Beispiel waren sie vier Stunden vom Schlage abwesend. Während er nun in höchst niedergeschlagener Stimmung vor dem Flugloche saß, erregten auf einmal drei von ihnen, die zurückgeblieben waren, seine Aufmerksamkeit, indem sie mit langgestreckten Hälsen unverwandt nach einem Punkte am Himmel emporsahen. Endlich meinte er in bedeutender Höhe etwas wie einen schwarzen Fleck zu entdecken, der allmählich deutlicher wurde. Zu seiner unaussprechlichen Freude waren es seine Tauben, die von einem vielleicht ein paar hundert Stunden weiten Fluge heimkehrten.

Grimaldi hatte in Drury-Lane, nachdem die Vorstellungen der Pantomime aufgehört hatten, nur noch wenig zu verrichten. Seine Mitwirkung beschränkte sich auf eine unbedeutende Rolle in Lodoiska, einem Ritterschauspiel, und hierzu kam er noch immer zeitig genug, wenn die Vorstellungen in Sadlers Wells vorüber waren. Im Juni wurde das Drury-Lane-Theater geschlossen und erst im September wieder eröffnet, zehn Tage nach dem Schlusse der Saison in Sadlers Wells. Er sollte jedoch erst im Dezember wieder auftreten, und so spielte er im November zum ersten Male in seinem Leben außerhalb der Hauptstadt.

Unter der Truppe von Sadlers Wells befand sich damals ein talentvoller Schauspieler namens Lund, der sich zur Zeit der Ferien der Bakerschen Gesellschaft anzuschließen pflegte. Er sollte am 15. November in Rochester sein Benefiz haben und begab sich nach London, um Grimaldi um seine Mitwirkung dabei anzugehen. Grimaldi wies dergleichen Anerbieten nie zurück, sofern ihm die Umstände seine Mitwirkung gestatteten, und erklärte sich auch dieses Mal bereit dazu.

An dem für das Benefiz bestimmten Tage traf er mittags in Rochester ein, probte in einem halben Dutzend Szenen mit, stärkte sich dann durch ein gutes Diner und verfügte sich nach dem Schauspielhause, das schon vor sechs Uhr von unten bis zum Olymp hinauf gefüllt war.

Sein Auftreten wurde mit donnerndem Applaus begrüßt. Er mußte seine beiden komischen Lieder dreimal wiederholen, und sein ganzes Spiel rief die lebhafteste Sensation wach. Die Leitung der in Rochester spielenden Truppe lag in den Händen einer Mrs. Baker, die ihm auf der Stelle ein Engagement für die beiden folgenden Abende anbot unter der Bedingung auf Teilung der erzielten Einnahme. Grimaldi nahm das Anerbieten an, und die alte Direktrice war so hocherfreut darüber, daß sie stracks mit Schal und Hut, wie sie gerade an der Kasse saß, auf die Bühne rannte und dem Publikum verkündigte, was an den beiden nächsten Abenden von Grimaldi gespielt werden würde. Ein beispielloser Applaus dröhnte durch den Saal, und wenig fehlte, so hätte man Grimaldi bis zur Post, mit der er nach London zurückfuhr, auf den Händen getragen.

Diese Mrs. Baker war eine äußerst drollige Person. Sie besorgte alle Direktionsgeschäfte selbst, ging auch mit ihrem Gelde nach einem ganz bestimmten Grundsatze um: so verlieh sie nie Geld auf Zinsen, legte es nie nutzbringend an, spekulierte auch nie damit, sondern verwahrte es in etwa einem halben Dutzend Punschbowlen, die ihren Platz immer auf dem obersten Simse eines Schrankes hatten. Hin und wieder nahm sie sie herunter, um sich an dem Anblicke der blinkenden Geldstücke zu weiden. Sie nahm aber niemals aus diesen Bowlen auch nur ein Stück heraus, sondern ließ die Leute, wenn sie nicht bezahlen konnte, lieber warten, ja, es ging die Rede, daß sie eher hungern würde, als sich an dem in ihren Bowlen befindlichen Schatze vergreifen. Sie hatte eine »Person für alles« oder Faktotum in einem langen dürren Menschen, der auf den bürgerlichen Namen Long hörte, aber gemeinhin seiner Dürre wegen »das Gerippe« genannt wurde. Bei dem nach der Aufführung von der Direktrice gegebenen Abendessen nahmen die beiden Söhne des damals hochgefeierten Schauspielers Dawton, Henry und William, teil, auch der Schauspieler Lund und Mrs. Bakers Faktotum Long. Dabei wurde abgemacht, daß Grimaldi am nächsten Abend als Scaramuz im Don Juan auftreten sollte. Der Scaramuz ist bekanntlich ein stehender Typ des italienischen Theaters, alter Herr in schwarzer Spaniertracht, wie sie in Neapel von den Herrschaften bei Hofe und obrigkeitlichen Personen getragen wurde, und Prahlhans, der am Schlusse von Harlekin durchgewamst wird.

Leider hatte Grimaldi nur sein Clown-Kostüm mitgebracht, so daß man auf die Ausführung des Planes hätte verzichten müssen, wenn nicht Mrs. Baker beim Schneider und Tuchhändler Palmer schnellen Ersatz beschafft hätte. Hierdurch wurde übrigens besagter Palmer auf eine Erwerbsbahn hingelenkt, auf der er es zu großen Erfolgen bringen sollte als allein gültiger Modeschneider für die englischen Bühnen.

Am zweiten Abend war ein solcher Andrang zum Theater, daß viele keinen Einlaß mehr finden konnten, und am dritten Abend, als Grimaldi zum letzten Male als Scaramuz und nachher als Clown auftrat, mußte das Orchester zu Logen umgewandelt werden, um für das feinste Publikum Sitze zu schaffen, daß sich unter keinen Umständen abweisen lassen wollte, und für die Plätze für damalige Begriffe ganz exorbitante Preise bezahlte. Ja, man mußte sogar zu einem weiteren Auskunftsmittel greifen, nämlich allen Raum hinter der Bühne in Sitze umwandeln, so daß an diesem Abend die Schaubühne gleichsam in der Mitte des Publikums lag und ein Teil des Publikums die Handlung nur von der Kehrseite aus betrachten konnte. Eine so hohe Einnahme hatte Mrs. Baker noch nie gehabt, seit sie das Direktionsszepter schwang, und das war nun schon eine geraume Reihe von Jahren her.

Grimaldi mußte ihr auch das Versprechen geben, sich im März des folgenden Jahres abermals zu einem Cyklus von Vorstellungen bereit zu halten, und er ging die Verpflichtung mit dem Vorbehalte ein, daß sein Londoner Verhältnis dadurch in keiner Weise beeinträchtigt werde.

Am andern Morgen überbrachte ihm »das Gerippe«, Mr. Long, die Abrechnung und seinen Anteil, der sogleich in Banknoten umgesetzt wurde, betrug er doch nicht weniger als bare einhundertundsechzig Pfund Sterling.

Sehr zufrieden mit diesem Erfolg seiner ersten »Kunstreise«, kehrte er nach London wieder heim.

Zu Weihnachten wurde im Drury-Lane Harlekin Amulet statt einer neuen Pantomime abermals auf das Repertoir gebracht und ohne Unterbrechung bei ebenso gefüllten Häusern bis gegen Ende Januar gegeben. Um diese Zeit herum trat Grimaldis alter Freund Davis – meist immer »Jude Davis« genannt, nebenbei einer der besten »Theaterjuden« der damaligen Zeit – zum ersten Male im Drury-Lane-Theater auf. Davis war es, dessen Wunderlichkeit den in verschiedenen Versionen bekannten spaßhaften Vorfall mit John Kemble veranlaßte. Damit verhält es sich, wie folgt:

Kemble gab einst im nördlichen England Gastrollen und spielte auch auf einem Provinztheater, bei welchem Davis engagiert war. Er sollte als Hamlet auftreten. Natürlich wurde die Mitwirkung aller Mitglieder der Gesellschaft hierzu in Anspruch genommen, und Davis wurde die Rolle des Totengräbers zugeteilt.

Alles ging gut bis zur ersten Szene des fünften Aktes, in welcher Davis auftrat. Da aber war es um Kembles Ernst und Gleichmut geschehen. Davis hatte sich nämlich Grimassen angewöhnt, die, in Possen und Farcen wohl gut am Platze, in Trauerspielen, und gar solchen wie Hamlet, keineswegs zulässig sein konnten, zumal sich, das Publikum daran gewöhnt hatte, – und das war das schlimmere – alle Grimassen, die Davis schnitt, mit lautem Gejohle zu begrüßen. Als nun der große Tragöde seine moralisierenden Betrachtungen über Yoriks Schädel anstellte, geriet er ganz außer sich über die Lachsalven, die Davis durch seine Grimassen hervorrief.

Beim Schlusse des Schauspiels überschüttete er Davis mit Vorwürfen und gab dem dringenden Wunsche Ausdruck, daß dergleichen »blöde Späße«, wenn Davis wieder mit ihm zusammen aufträte, unterbleiben möchte. Aber es nutzte Kemble nichts. Davis war ein so schnurriger Kauz, daß er Tadel niemals vertrug, und erklärte kurz und bündig, in seinem Fache könne ihm auch ein Kemble nichts neues sagen.

Kemble war eine vornehme Natur und meinte, über den Vorfall Gras wachsen zu lassen. Sein Spiel brachte einen so erheblichen Kassengewinn, daß er auf weitere Abende verpflichtet wurde. Den letzten Abend sollte er wieder als Hamlet auftreten.

Bis zur Totengräber-Szene ging alles vortrefflich. Kemble wartete auf sein Stichwort, und böse Ahnungen beschlichen ihn, als er das schallende Gelächter vernahm, das die Unterhaltung der Totengräber begleitete. Gerade als er die Bühne betrat, hatte Davis durch ein höchst närrisches Mienenspiel die Lachmuskeln des Publikums wieder in Bewegung gesetzt. Kemble geriet in Zorn. Seine ersten Worte machten infolgedessen gar keine Wirkung beim Publikum. Er drehte sich um, sah Davis im Grabe stehen und allerhand komische, aber zu dem Auftritte in keiner Weise passende Grimassen schneiden.

Im Nu war es mit Kembles Ruhe vorbei. Er stampfte wütend mit dem Fuße und machte seiner Entrüstung Luft durch einen Ausruf, der mit einem Fluche sehr große Ähnlichkeit hatte. Dadurch wurde eine Wirkung hervorgerufen, wie Kemble sie gewiß am allerwenigsten erwartet hatte. Davis hatte nämlich Kembles Zorn kaum wahrgenommen, als er sich auf den Tod erschrocken stellte, beide Hände ineinander schlug, wie wenn ihn irgend ein gräßlicher Anblick ganz überwältigte, eine richtige Leichenbittermiene aufsetzte und ein solches Geschrei ausstieß, daß dem Publikum himmelangst zu werden anfing. Hierauf warf er sich platt im Grabe nieder, daß er vom Publikum nicht mehr gesehen wurde, und ließ sich schlechterdings nicht bewegen, wieder hervorzukommen oder noch ein einziges Wort zu sprechen. Die Szene wurde, so gut es gehen wollte, ohne Totengräber zu Ende gespielt, und von Zeit zu Zeit wurden von seiten des Publikums der Besorgnis, Mr. Davis möchte ein Unglück passiert sein, laut Ausdruck gegeben.

Ein halbes Jahr später sah Sheridan zufällig Davis auf einer Provinzbühne und fand so großen Beifall an seinem Talent, daß er ihn sogleich für das Drury-Lane-Theater engagierte. Am ersten Tage der Saison stellte er ihn dem damaligen Regisseur vor, der kein anderer war als John Kemble, und der ihn nicht sogleich wiedererkannte, sich aber recht gut besann, ihn schon einmal im Leben gesehen zu haben. Nach einiger Zeit aber sagte er einmal zu ihm:

»0 – ah! ah! Jetzt weiß ich es. Sie sind doch der Herr, der damals in Rochester so plötzlich im Grabe verschwand, auf Nimmerwiedersehen?«

Davis beeilte sich, wegen dieses etwas unzeitgemäßen Spaßes sich bei Kemble zu entschuldigen. Als Kemble nachher Sheridan davon erzählte, wollte sich dieser scheckig darüber lachen. Es wurde nicht weiter darauf zurückgekommen, Kemble trug Davis nichts nach, sie haben sich vielmehr seitdem recht gut zusammen vertragen.

Als Harlekin Amulet nicht mehr zur Aufführung gebracht wurde, hatte Grimaldi in der laufenden Saison keine große Arbeit mehr. Seinem Versprechen gemäß fand er sich nun wieder bei Mrs. Baker ein, die ihren Thespiskarren nach dem kleinen Maidstone gelenkt hatte, wo durch Grimaldis Erscheinen eine beispiellose Aufregung hervorgerufen wurde. Schon um halb fünf Uhr nachmittags konnte niemand mehr die nach dem Schauspielhause führende Straße passieren. So etwas hatte die liebe Mrs. Baker noch nie erlebt und war vor Wonne schier außer sich. Gleich darauf aber kam die Kehrseite: sie geriet in Bestürzung wegen der bei solchem Andränge unzulänglichen Vorsichtsmaßregeln, machte ein Gesuch beim Magistrate um Gestellung von besonderem Aufsichtspersonal und ließ, als dieselben eingetroffen waren, sogleich sämtliche Türen sperrangelweit aufreißen. Nun stellte sich aber heraus, daß sie auch eine gewisse Sorge um ihre Kasse trug, denn sie faßte sogleich dort Posten und rief nun in einem fort: Meine Damen und Herren! Parterre oder Loge? Loge oder Galerie? Parterre oder Loge?«

»Parterre, Parterre!« riefen die meisten, um nur in das Theater hinein zu gelangen, ohne Aussicht auf den Preis. »Dann bitte um zwei Schillinge! Zwei Schillinge der Parterre-Sitz! Zwei Schillinge!«

Und diesen Ruf hatte die alte Dame sich seitdem angewöhnt, so daß sie ihn nicht bloß an diesem Abende, sondern so oft an der Kasse Gedränge stattfand, im Munde zu führen pflegte, ohne im mindesten Rücksicht auf Person oder Stand zu nehmen.

An diesem Abend wurden die Türen schon um fünf Uhr geöffnet. Alles war erpicht, Grimaldi als Scaramuz zu sehen. Mrs. Baker brachte, sobald das Haus voll war, ihre Kasse in Sicherheit, rannte auf die Bühne und ließ ohne Verzug beginnen, indem sie meinte – und hierin hatte sie freilich recht – »mehr als voll könne das Haus nicht werden, und je schneller angefangen würde, desto schneller wäre alles überstanden«.

Dem Publikum war es nur recht, daß ihre Schaulust so schnell befriedigt wurde, und da schon kurz nach sechs mit der Vorstellung begonnen worden war, ging der letzte Akt schon kurz nach neun Uhr zu Ende.

Grimaldi wurde von den Bürgern der Stadt aufs höchste gefeiert und erhielt am folgenden Tage von angesehenen Leuten der Umgegend verschiedene Einladungen zum Mittagessen, die er indessen durchweg ablehnte, weil er sich schon bei seiner wunderlichen Direktrice versagt hatte.

Als er im Laufe des Vormittags durch die Stadt ging, liefen ihm alle Buben hinterher, ganz wie in London, und begrüßten ihn mit Jubelgeschrei. Bei seinem zweiten Auftreten war das Haus noch stärker ausverkauft als beim ersten. Am ersten Abend wies die Kasse eine Einnahme von 154, am zweiten von 157 Pfund auf, und nach dem Abendessen bekam Grimaldi bare 158 Pfund als seinen Anteil von Mrs. Baker ausbezahlt. Mrs. Baker bat ihn nun, auch in Canterbury bei ihr aufzutreten, und zwar unter den gleichen Bedingungen wie bisher, an zwei aufeinander folgenden Abenden. Grimaldi schlug ein, und nun wurden sofort Ankündigungen erlassen, Zettel gedruckt und nach Canterbury vorausgesandt. Schon um neun Uhr früh wußte schon ganz Canterbury, daß der berühmte Clown Grimaldi als Scaramuz dort auftreten werde.

Mrs. Baker spielte regelmäßig in Rochester, Maidstone, Canterbury und zahlreichen anderen Plätzen der Provinz. Die Bühnenverhältnisse waren überall die gleichen, und so konnten auch die gleichen Utensilien überall Verwendung finden. In aller Frühe brach die Truppe nach Canterbury auf. Grimaldi folgte in einer Postchaise hinterher, traf um etwa ein Uhr mittags dort ein und fand alles dort in der besten Ordnung, so daß von einer Probe Abstand genommen werden konnte, zumal ja Schauspieler, Musiker, Maschinenmeister und Gehilfen durchweg dieselben waren.

Alle Logen waren schon ausverkauft. Diniert wurde bei Mrs. Baker, und zwar ausgezeichnet. Gespielt wurde, wie in Maidstone, an beiden Abenden vor ausverkauftem Hause. Was von der Einnahme auf ihn entfiel, bezifferte sich wiederum auf annähernd 160 Pfund, und so kehrte er nach viertägiger Abwesenheit mit etwas über 312 Pfund nach London zurück.

Kurz nach seiner Rückkehr und etwa acht Tage vor Ostern las er zu seinem großen Erstaunen auf den Anschlagzetteln der Drury-Lane-Theaters, daß zu Ostern der »Harlekin Amulet« wieder aufgeführt werden sollte, und daß Mr. Grimaldi darin in seiner alten Rolle wieder aufträte. Durch diese Bekanntmachung wurden die Bedingungen verletzt, die er mit dem Drury-Lane-Theater eingegangen war, und so hielt er es für das beste, sich auf der Stelle dagegen zu verwahren.

Er traf den Regisseur, John Kemble, im Theater, und wurde mit all der Vornehmheit und Würde empfangen, die Kemble zu zeigen pflegte, wenn er Widerstand gegen eine von ihm getroffene Anordnung witterte. Grimaldi erwiderte auf die in hohem, steifem Tone an ihn gerichtete Frage, was ihn herführe, sein Kontrakt verpflichte ihn nicht, weder zu, noch nach Ostern, in Pantomimen zu spielen, was übrigens auch durch sein Engagement in Sadlers Wells schon unmöglich gemacht wurde. Bisher hatten beide Direktionen durch ihre Anordnungen nie gegen die festgesetzten Bedingungen verstoßen, infolgedessen nie kollidiert, und so leid es ihm tue, wenn sich aus seiner Weigerung Störungen ergeben sollten, so sehe er sich doch außerstande, die Rolle zu übernehmen, in der sein Auftreten im Drury-Lane-Theater ohne sein Vorwissen angekündigt worden sei.

Kemble hörte sich Grimaldis Einwendungen ernst und ruhig an, schwieg ein paar Augenblicke, stand dann auf und sagte im feierlichsten Tone:

»Joe, ein Wort ist in dieser Sache so gut wie tausend – und dies eine Wort heißt: Sie müssen spielen!«

Joe geriet hierüber geradezu außer sich, nicht bloß weil er der Ansicht war, daß kein Mensch müssen müsse, sondern auch, weil Kemble das Wort in höchst unangenehmem Tone zu ihm gesagt hatte. Er ließ sich von dem Groll, der ihn erfüllte, hinreißen und versetzte in ebenso garstigem Tone:

»Nun denn, Sir, wenn Sie sagen, ich müsse, so sage ich Ihnen darauf weiter nichts als: ich will nicht!«

»Was, Joe, Sie weigern sich?« »Ganz entschieden, Sir!«

»Aber!« rief Kemble, »Mr. Grimaldi, das kann doch Ihr Ernst nicht sein.« –

»Und doch ist es mein Ernst, Sir!«

»So!«

»Ja, so!« versetzte Grimaldi und drehte Kemble ärgerlich den Rücken.

»Nun, dann guten Morgen!« sagte Kemble, nahm den Hut ab und verließ käseweis vor Zorn das Theater.

Grimaldi nahm nun auch den Hut ab, wenn auch erst hinterher, schnitt einen tiefen Bückling und wünschte Mr. Kemble ebenfalls einen recht guten Morgen.

Tags darauf wurden neue Zettel angeschlagen, Grimaldi durch einen auf der Londoner Bühne völlig unbekannten Künstler ersetzt, der ohne allen Erfolg spielte und ebenso schnell wieder abtreten mußte, wie er aufgetreten war, so daß die Pantomime nur einmal zur Aufführung gebracht werden konnte.

Grimaldi war bis zu den Osterfeiertagen mit dem Studium einer neuen, höchst effektvollen Rolle befaßt in einem Stücke, das den auf die große Menge berechneten Titel führte: Die Komödien des Teufels – natürlich wiederum für das Sadlers Wells-Theater, und ging mit großem Eifer an die Arbeit, da er die feste Hoffnung hatte, daß das Stück seinen Weg machen und ihn zu neuen Triumphen führen werde.

Achtes Kapitel.


Achtes Kapitel.

Kein Preis ohne Fleiß. – Entlassung aus dem Verbande des Drury-Lane und Wiederaufnahme in denselben. – Mönch Lewis. – Lewis und Sheridan. – Sheridan und der Prinz von Wales. – Grimaldi bekommt einen Sohn und kommt um sein Geld.

Die Komödien des Teufels erlebten am Ostermontage ihre erste Aufführung, und ihr Erfolg basierte nicht zum geringsten auf Grimaldis Spiele. Er hatte zwei Rollen darin und mußte, abgesehen davon, daß er fechten, reiten, schießen mußte, nicht weniger als neunzehnmal sein Kostüm wechseln.

Das Stück machte einen sehr großen Erfolg und blieb die ganze Saison hindurch auf dem Spielplane.

Wir erzählten im vorigen Kapitel einiges von Grimaldis finanziellen Erfolgen, jetzt wollen wir uns einmal darnach umsehen, welche Mühe und Anstrengungen es ihm kostete, zu diesen Erfolgen zu gelangen.

In Sadlers Wells nahm die Abendarbeit ihren Anfang. Dort trat er in der großen und sehr anstrengenden Rolle des Teufels auf. Dann mußte er in einer kleinen Burleske, die gleich hinterher gegeben wurde, mitwirken. Dann gab er den Clown beim Seiltänzer, zuletzt den Clown in der Pantomime. Hier sang er zwei humoristische Lieder, die regelmäßig dacapo verlangt worden; und hatte er dieses Programm hinter sich, dann mußte er sich rasch umkleiden und nach Drury-Lane laufen, zumeist rennen, weil er dort im letzten Stücke auftrat.

Das war die Arbeit Grimaldis eine Woche um die andere; aber am siebenten Tage war er in der Regel so erschöpft, daß er kein Glied rühren konnte. Ganz sicher hat er seinen Kräften zuviel zugemutet und auf diese Weise zweifellos den Keim zu der völligen Entkräftung gelegt, die sich in späteren Jahren seiner bemächtigte, so daß er, im Alter wohl mit Recht sagen durfte, die bedeutenden Einnahmen, die er gehabt habe, hätten in keinem richtigen Verhältnisse zu der Arbeit gestanden, die er dafür habe leisten müssen, zudem gemeinhin unter sehr erschwerenden Umständen.

In Sadlers Wells war das Theater meist erst zu Ende, wenn es in Drury-Lane eben begonnen hatte. Oft mußte Grimaldi dann von dem einen zu dem andern Theater im Galopp laufen, ohne nur eine Minute inne zu halten. Was er damals im Rennen zu leisten vermochte, läßt sich daraus ersehen, daß er diese Strecke, zu der ein gewöhnlicher Fußgänger eine gute halbe Stunde brauchte, zuweilen in acht Minuten zurücklegte, einmal zum Beispiel mit dem um vieles jüngeren Sohne des damaligen Theaterzetteldruckers Fairbrother von Sadlers Wells nach Drury-Lane, einmal von Drury-Lane nach Sadlers Wells. Eine dritte solche Parforce-Tour machte er, wiederum in Gesellschaft des jungen Fairbrother, als die Drury-Lane-Truppe im italienischen Opernhause spielte, in vierzehn Minuten zwischen dort und Sadlers Wells, spielte die Rolle, die er im Kimon in dem großen Aufzug hatte, und rannte in dreizehn Minuten nach Sadlers Wells zurück, um dort seine Clown-Rolle abzutun. Mit seinen Pflichten nahm er es stets äußerst genau und seine Gewissenhaftigkeit war so groß, daß er das Publikum in seiner langen und mühevollen Laufbahn kein einziges Mal irre geführt hat und kein einziges Mal eine Rolle versäumt hat, in der er angekündigt worden.

Ein Vierteljahr wirkte er im Drury-Lane-Theater mit, ohne daß es infolge seiner Differenz mit John Kemble zu ärgerlichen Auseinandersetzungen gekommen wäre. Aber steif und förmlich verkehrten sie hinfort nur, und ein kaltes Kompliment war, wenn sie einander sahen, der einzige Beweis von Höflichkeit. Grimaldi fürchtete jedoch, daß es zu einem Bruche zwischen Kemble und ihm kommen werde, und diese Befürchtung ging auch in Erfüllung.

Am 26. Juni bekam er die Mitteilung, daß die Inhaber des Theaters auf seine Mithilfe in der nächstfolgenden Saison verzichteten. Unterzeichnet war die Mitteilung von Souffleur Powell. Grimaldi ärgerte sich heftig darüber, da ihm das Verhalten der Theaterdirektion nicht anders als hart und ungerecht vorkommen konnte. Zuerst wollte er gegen Sheridan eine Klage anstrengen, hätte wohl auch auf Grund des Vertrags den Prozeß gewinnen müssen, kam jedoch davon ab und zog es vor, sich an seinen treuen und redlichen Freund und Berater Mr. Hughes zu wenden, der ihm, nachdem er das Billet Powells gelesen, erklärte:

»Verbrennen Sie den Wisch und schlagen Sie sich die Geschichte ganz aus dem Sinne! Kommen Sie, wenn die Saison in Sadlers Wells zu Ende ist, zu mir nach Exeter und bleiben Sie so lange bei mir, bis in Sadlers Wells wieder gespielt wird. Sie sollen fünf Pfund wöchentlich und ein ganzes Benefiz haben. Es müßte doch merkwürdig zugehen, wenn Sie sich auf diese Weise nicht besser stehen sollten als in Ihrem damaligen Verhältnisse zum Drury-Lane-Theater.«

Grimaldi nahm dieses Angebot an und schlug sich die ganze Sache tatsächlich aus dem Kopfe.

Die Sommersaison in Sadlers Wells verging ihm sehr rasch. Im August sollte sich ein verdrießlicher Fall ereignen, dessen Folgen Grimaldi sehr schwer hätten treffen können. Er gab in der genannten Teufelskomödie den Unterhauptmann einer Räuberbande. In der einen Szene hielt er im Stiefel ein Pistol versteckt, das er plötzlich, – um einen Bühneneffekt zu bewirken – hervorziehen und abfeuern mußte. Bei der Vorstellung am 14. August entlud sich das Pistol beim Herausziehen und zerriß den Stiefel, wodurch Grimaldi einen recht possierlichen Räuberhauptmann abgab. Um aber den Auftritt nicht zu gefährden, verbiß er sich die Schmerzen, die er litt, und als er abtreten konnte, stellte sich heraus, daß der Strumpf in Brand geschossen war und die ganze Zeit über gebrannt hatte, die Grimaldi auf der Bühne weilte. Ja sogar der Pfropfen brannte noch unter dem Fuße.

Volle vier Wochen mußte Grimaldi das Zimmer hüten als Strafe für seine Standhaftigkeit.

In dieser Zeit nahm sich eine Schauspielerin vom Drury-Lane, Miß Bristow, seiner hingebungsvoll an, half ihm alle Morgen beim Verband der schmerzhaften Wunde und verkürzte ihm durch ihre Gesellschaft die Stunden, die ihm sonst gar eintönig verflossen wären. Aus Dankbarkeit nahm er sie am nächstfolgenden Weihnachtsabend zu seiner Frau und lebte mit ihr über dreißig Jahre im glücklichsten Einvernehmen, bis zu ihrem Ableben.

Im Drury-Lane nahmen die Vorstellungen am 30. September mit »Wie es euch gefällt« und »Blaubart« wieder ihren Anfang. Im letzten Stücke trat Grimaldi erst im vorletzten Akte auf, in einem Schwertkampfe, der nur zu dem Zwecke eingeschoben war, um zu den Vorbereitungen für den letzten Akt Zeit zu gewinnen. Das hatte Kemble außer acht gelassen und, statt für einen Ersatzmann zu sorgen, angeordnet, daß die Kampfszene wegfallen solle, wodurch für ihn wie für die Zuschauer recht unangenehme Folgen entstehen sollten.

Das Haus war dicht gefüllt. Alles ging gut bis zur letzten Szene. Sie gleich an die vorletzte anzuschließen, war unmöglich, und das Publikum, statt durch den Zweikampf abgelenkt zu werden, mußte die leere Bühne angaffen. Erst wurde gezischt, dann wurde die Schwertszene laut gefordert, und da keine Anstalt dazu getroffen wurde, schrien die einen, Kemble solle sie, wenn er keinen Darsteller dafür hätte, selbst spielen, während von anderer Seite gefordert wurde, er möge sich wenigstens sehen lassen und sich durch, ein paar schickliche Worte entschuldigen.

Schließlich war die nötige Zeit gewonnen worden, so daß die letzte Szene gespielt werden konnte; aber der Lärm nahm nicht ab, sondern zu, so daß der Vorhang unter Zischen und Pfeifen fallen mußte.

Sheridan hatte während der Vorstellung mit einigen guten Freunden in seiner Loge gesessen und sich wiederholt zu dem vollen Hause gratuliert, auch seiner Freude, daß alles so gut klappe, Kemble gegenüber Ausdruck gegeben und war nun nicht wenig alteriert über die Wandlung, die in der Stimmung des Publikums vor sich ging, und geriet in heftigen Zorn, als er die Ursache davon erfuhr.

Kaum fiel der Vorhang, so stürzte er auf die Bühne, wo die Schauspieler standen, und rief, es möchte sich niemand entfernen. Dann postierte er sich mit dem Rücken gegen den Vorhang und bat um Auskunft über die Ursache des Lärms, den das Publikum zwischen dem vorletzten und letzten Auftritt gemacht. Keiner traute sich zuerst mit der Sprache heraus, endlich faßte sich Barrymore, der den Blaubart spielte, ein Herz und sagte, es läge wohl nur daran, daß Roffey und Joe früher die Pause zwischen dem vorletzten und letzten Akte durch einen Schwertkampf ausgefüllt hätten, der aber jetzt hätte ausfallen sollen.

»Und weshalb ist er ausgefallen?« fragte Sheridan strengen Tones. »Mr. Kemble, warum fällt der Schwertkampf aus?«

Aber Kemble war, was Sheridan in seinem Zorne gar nicht bemerkt hatte, nicht auf der Bühne, statt seiner nahm wieder Barrymore das Wort.

»Weshalb die Szene ausfallen sollte, weiß ich nicht, Sir. Ich kann nur soviel sagen, daß meines Wissens die Direktion Mr. Grimaldi gekündigt und gleich entlassen hat.«

Da geriet Sheridan in hellen Zorn und rief, in seinem Hause wolle er selbst Herr sein, er lasse nicht über seinen Kopf hinweg disponieren, und was dergleichen Redensarten mehr waren. Auf der Stelle schickte er den Theaterdirektor zu Joe und Grimaldi und ließ ihn für den nächsten Tag Punkt zwölf Uhr um seinen Besuch bitten. Dann verließ er das Theater ohne sich auf weitere Auseinandersetzungen mit Kemble einzulassen, der inzwischen auf die Bühne gekommen war.

Am andern Tage hieß er Grimaldi auf das freundschaftlichste willkommen und erneuerte seinen Vertrag mit ihm unter der Bedingung, daß seine Gage um ein Pfund wöchentlich erhöht und ihm allmonatlich ein ganzes Benefiz zugestanden werden solle. Tags darauf kündigten die Zettel wieder Harlekin Amulett mit Joe Grimaldi als Darsteller der Hauptrolle an. Während der ersten Probe trat Kemble zu Grimaldi, gab seiner Freude, ihn wiederzusehen, wie auch der Hoffnung eines recht langen Zusammenwirkens Ausdruck. Grimaldi antwortete im gleichen Sinne. Seine Differenz mit Kemble hatte also nur die eine Folge für ihn, daß seine Gage erhöht würde, er gab infolgedessen den Plan, nach Exeter zu gehen, auf, hatte doch sein Schwiegervater mit seinem Anerbieten keinen andern Zweck verfolgt, als Joe entgegenzukommen, soweit es ihm seine Kräfte ermöglichten.

Damals verkehrte Grimaldi auch mit dem Verfasser eines vielgelesenen Romans »Der Mönch«, der wohl an zwanzig Auflagen erlebte, aber als ziemlich unsittliches Produkt in sehr geringem Renommee stand. Der Mann hieß Lewis, wurde aber in der Regel nicht anders als nach seinem Romane genannt. Er war von weibischem Aussehen, verkehrte viel in der Garderobe des Drury-Lane-Theaters und führte mit dem Theaterpersonal Unterhaltungen, die recht oft gegen den guten Ton verstießen, und die ihm von manchen gar übel angerechnet wurden.

Sheridan schien sich im stillen viel über ihn lustig zu machen, und nicht selten diente er ihm zur Zielscheibe seines Spottes. Aber ein Stück, das damals von ihm aufgeführt wurde, »Das Burggespenst«, und das dem damaligen Geschmacke die gebührliche Rechnung trug, machte ihn zu einer gewissen Respektsperson, mit der eine Theaterdirektion immerhin rechnen mußte. Sheridan hatte freilich von dem Stücke nur eine geringe Meinung, was wohl am besten die nachstehende Anekdote erweisen dürfte.

Er saß einmal mit Lewis in einer Weinstube, es war zu einem Disput zwischen ihnen gekommen – Lewis geriet in Hitze und bot Sheridan eine Wette an. »Um was soll die Wette gehen?« fragte Sheridan. – »Ich setze meine heutige Einnahme aus dem Burggespenst!« rief Lewis. – »Das wäre zuviel für solche Bagatelle von Streitobjekt. Wie aber, wenn ich den ganzen Wert des Stückes als literarisches Objekt dagegen setzte?«

Lewis nahm aber dergleichen satirische Ausfälle seines munteren Zechkameraden immer mit vollkommenem Gleichmute hin.

Hier möge eine andere kleine Anekdote folgen, die Grimaldi gern zum besten gab und die wir mit seinen eigenen Worten folgen lassen:

Im Winter des Jahres 1802 hatte ich häufig die Ehre, Seine Majestät Georg IV. bei mir zu sehen. Der König, damals noch Prinz von Wales, kam oft hinter die Kulissen des Drury-Lane-Theaters und erfreute jedermann durch seine Leutseligkeit und seine witzigen Bemerkungen. Am Abend des Dreikönigstages saßen wir, wie gewöhnlich, in der Garderobe, um den Dreikönigskuchen zu verspeisen, für den ein Mr. Baddeley testamentarisch drei Guineen gestiftet hatte. Als wir so recht fidel beisammen saßen, trat Sheridan mit dem Prinzen herein und sagte scherzend, mit einem Blick auf die große Krone, die den Kuchen zierte:

»Daß ein Kuchen solche Krone trägt, ist doch nicht in Ordnung. Was meinen Sie, Georg?«

Der Prinz begnügte sich, damit, zu lächeln.

Sheridan hob die Krone von dem Kuchen, präsentierte sie dem Prinzen und bat ihn um die Gnade, die Kleinigkeit anzunehmen. »Mit Nichten«, antwortete der Prinz, »wenn es mir auch nicht jeder glauben wird, so bleibt es doch nichtsdestoweniger wahr, daß mir der Kuchen lieber ist als die Krone.«

Mit diesen Worten lehnte er es ab, die Krone in Empfang zu, nehmen, und nahm an unserm fidelen Abend den fidelsten Anteil, behielt sich aber von dem Kuchen die besten Stücke.

In den Jahren 1801 und 1802 wurden im Drury-Lane-Theater Pantomimen nicht gegeben; auch in Sadlers Wells gab es 1802 wenig neues. Dafür wurde Grimaldi am 21. November ein Söhnchen geboren: ein Ereignis, das ihn unaussprechlich glücklich machte.

Sonst war dies Jahr für Grimaldi keineswegs glücklich. Ob es nun persönliches Pech bei ihm war, oder Mangel an gebotener Vorsicht, oder Unerfahrenheit in weltlichen Dingen, genug, er verlor das bißchen Geld in diesem Jahre, das er sich gespart hatte, und zwar auf eine Weise, wie er es sicher am allerwenigsten gerechnet hatte. Er hatte die Bekanntschaft eines damals für sehr reich gehaltenen Kaufmanns gemacht, namens Newland. Eines Morgens im Februar bekam er dessen Besuch, und nach einer kurzen Unterhaltung wurde er von ihm gebeten, ihm mit der Kleinigkeit von ein paar hundert Pfund auszuhelfen. Dieses Ansinnen wurde in einem Tone gestellt, als wenn Grimaldi noch eine besondere Ehre dadurch angetan würde.

»Ich habe momentan Mangel an barem Gelde«, schloß der Herr, »habe alles in mein Geschäft gesteckt und kann meine Werte nicht so schnell realisieren. Wenn Ihnen solches Darlehn – ich brauche es nur auf kurze Zeit und stelle Ihnen einen Sichtwechsel aus – keine Bedenken machte.«

Kurz, Grimaldi ließ sich bereit finden, gegen einen Sichtwechsel dem Manne seine Ersparnisse – bare 600 Pfund – auszuhändigen, erklärte, er habe nicht im geringsten Bedenken gegen die Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit des Mannes, gäbe ihm sogar gern das dreifache, wenn er selbst soviel besäße – und legte statt seiner Guineen den Sichtwechsel in seine Schatulle. Newland dankte und ging, war in drei Wochen pleite, riß aus nach Amerika, starb unterwegs, und Grimaldi war seine Ersparnisse auf Heller und Pfennig los.

Neuntes Kapitel.


Neuntes Kapitel.

Ein merkwürdiger Vorfall.

Eines Abends im folgenden Jahre wurde Grimaldi im Drury-Lane-Theater in die Garderobe gerufen, wo ihn zwei Herren zu sprechen wünschten. Er ließ ihnen sagen, sie möchten sich so lange gedulden, bis er mit seiner Rolle durch sei. Sobald dies der Fall war, begab er sich in die Garderobe. Zwei junge Leute von weltmännischem Aussehen begrüßten ihn, der eine mit auffallender Wärme.

Er mochte im gleichen Alter sein mit Grimaldi und hatte, nach seiner Hautfarbe zu schließen, wahrscheinlich unter einem wärmeren Himmelsstriche gelebt. Nach der damals herrschenden Mode trug er einen blauen Leibrock mit vergoldeten Knöpfen, weiße Weste, lange anschließende Beinkleider und in der Hand ein dünnes Rohr mit goldnem Knopfe.

»Na, Joe«, rief er, Grimaldi die Hand entgegenstreckend, »wie geht’s dir, alter Junge?«

Grimaldi war höchlich verwundert, so vertraulich von einem ihm völlig unbekannten Menschen angeredet zu werden, und antwortete, daß er leider nicht das Vergnügen habe, den Herrn zu kennen. »Ei, mein lieber Joe, das ist aber mehr als spaßig«, rief der Unbekannte, laut lachend, und sein Begleiter stimmte in das Lachen ein.

Grimaldi wurde empfindlich und wollte sich entfernen, als der Unbekannte ihm die Frage stellte, ob er ihn wirklich nicht wiedererkenne, und sein Hemd auf der Brust auseinander klappte. Da erkannte Grimaldi an einer dort sichtbaren Narbe seinen seit Jahren verschollenen Bruder. Sie fielen einander in die Arme und weinten Tränen vor Freude. Am gerührtesten von beiden war Joe.

»Komm mit hinauf«, sagte er endlich, »Mr. Wroughton ist auch oben. Du besinnst dich doch auf ihn? Er verschaffte dir doch die Mittel, zur See zu gehen. O, der wird sich gar sehr freuen, dich wiederzusehen.«

Sie eilten fort, und der Begleiter des wiedergefundenen Bruders rief ihnen nach: »Ich muß Dir wohl gute Nacht sagen, John?«

John rief Zurück, daß er am andern Vormittag Punkt zehn Uhr wieder bei ihm sein werde, und ging mit Joe hinauf in die Garderobe, wo er mehreren Herren vorgestellt wurde. Joe hatte nicht viel Zeit übrig, nahm sie aber nach besten Kräften wahr und hörte zu seiner Freude von dem Bruder, daß ihm das Glück im Leben immer gelacht habe.

»Da sieh!« rief John lachend, und schlug an seine Brusttasche. »sechshundert Pfund schleppe ich bei mir!«

»Hältst Du es nicht für gefährlich, soviel Geld mit Dir herumzutragen?« versetzte Joe.

»Gefährlich?« antwortete Joe, »o! wir Seeleute kennen keine Gefahr! Käme ich aber auch um den Bettel, wäre ich doch noch kein Bettler.« Die Miene, die er dabei zog, ließ Joe nicht im unklaren, daß sein Bruder »sein Schäfchen ins Trockne gebracht habe.« Im nämlichen Moment wurde Joe auf die Bühne gerufen, und nun knüpfte Mr. Wroughton mit John eine Unterhaltung an, in der er ungefähr dasselbe von ihm hörte, was Joe von ihm vernommen: daß er Geld über Geld habe, – Worte, die er durch Vorweis eines von Gold strotzenden Beutels besonders bekräftigen zu müssen meinte.

Sobald das Stück zu Ende war, kam Joe wieder. Mr. Wroughton wünschte beiden unter viel Glückwünschen gute Nacht, und Joe fragte den Seemann, wie lange er schon in London weile. – »Ich bin erst vor ein paar Stunden angekommen«, antwortete John, »habe ein paar Bissen gegessen und bin dann ins Theater geeilt, um Dich dort zu treffen.«

»Und was denkst Du nun vorzunehmen?« fragte Joe. –

»O, mein einziger Zweck, nach London zu kommen, war der, Dich und die Mutter wiederzusehen«, antwortete John.

Joe forderte ihn nun auf, bei ihm und seiner Frau zu wohnen, wo er die Mutter ja sehen würde, und John ging mit Freuden darauf ein. Er sagte, er müsse die Mutter unbedingt sehen, da er sonst kein Auge schließen könne, und fragte, wo sie wohne. Joe bezeichnete ihm Haus und Straße, setzte aber hinzu, daß er im Theater nichts mehr zu verrichten habe, sich nur umkleiden wolle und dann zu seiner Verfügung stände.

John gab seiner Freude hierüber lebhaften Ausdruck, und Joe lief in die Garderobe, ihn auf der Bühne allein lassend.

Er war so erregt, daß er alles zwei-, dreimal machen mußte, daß er, statt in die Rockärmel, in die Beinkleider fuhr – kurz, er brauchte länger als sonst, um fertig zu werden, und als er endlich wieder die Treppe hinunter stürzte, lief ihm Powell in den Weg, hielt ihn mit ein paar nichtssagenden Reden auch noch ein paar Minuten auf, sagte ihm aber dabei, daß er eben noch ein paar Worte auch mit John gesprochen habe.

»Er wartet doch noch?« fragte Joe.

»Gewiß, auf der Bühne. Es ist ja kaum erst eine Minute her, daß ich ihn dort gesehen habe. Aber ich will Sie nicht weiter aufhalten. Wir fällt ein, daß er sagte, Sie blieben ja schrecklich lange. Er schien ungeduldig zu werden über Ihr langes Ausbleiben, sagte auch, Sie hätten nur ganz kurze Zeit wegbleiben wollen.«

Grimaldi sprang die letzten Stufen mit einem Satze hinunter. Aber als er die Bühne wieder betrat, war John nicht mehr da.

Bannister kam zu ihm und fragte ihn, wen er suche. »Meinen Bruder«, antwortete Joe; »ich! habe ihn vor einer kleinen Weile hier verlassen.«

»Ich habe ihn vor einer knappen Minute gesprochen«, antwortete Bannister, »er ging zum Portale hinunter, die große Freitreppe. Ich glaube, daß er nicht länger warten wollte. Aber Sie müssen ihn doch noch einholen.«

Grimaldi eilte zum Ausgange. Der Torwart sagte ihm, sein Bruder sei vor kaum einer Minute zur Tür hinaus und könne noch nicht ganz die Straße hinunter sein. Grimaldi lief ein paar mal in der Straße auf und ab, sah und hörte aber nichts von John. In seiner Freude hatte er vielleicht einen von seinen alten guten Freunden besucht mit der Absicht, gleich wieder zum Theater zurückzukommen. Ganz in der Nähe wohnte solch ein alter Freund, ein gewisser Bowley, mit dem er als Junge manch tolles Stückchen getrieben hatte.

Grimaldi rannte in dessen Wohnung. Auf sein heftiges Klopfen kam Bowley selber vor die Tür hinaus, augenscheinlich in der größten Verwunderung.

»Freilich, freilich!« antwortete er auf Grimaldis Frage, »John war da, wir haben ein paar flüchtige Worte miteinander gesprochen, aber er sagte, er habe heute gar keine Zeit, wolle aber morgen wiederkommen. Jesus«, rief er, »eine größere Überraschung hätte ich mir nicht träumen lassen. Nach so viel Jahren den Jungen wiederzusehen, und so unverhofft! so unverhofft!«

»Und wie lange ist er fort?« fragte Grimaldi.

»Das kann doch kaum eine Minute her sein?« antwortete Bowley; »länger auf keinen Fall, auf keinen Fall.«

»Und in welcher Richtung ist er fortgegangen?«

»Die Duke-Straße entlang.«

Grimaldi schloß hieraus, daß John zu seinem einstigen Hauswirte, einem gewissen Bailey, gegangen sein möchte, der in der Little-Wild-Straße seine Wohnung hatte. Er mußte lange klopfen, ehe ihm jemand antwortete. Eine alte Magd guckte endlich zu einem Fenster heraus und sagte, sie hatte doch schon einmal gesagt, daß der Herr nicht zu Hause sei. Wozu würde bloß noch einmal geklingelt? – Grimaldi gab sich zu erkennen. Das Mißverständnis klärte sich auf. Die Magd sagte, es habe vor wenigen Minuten erst jemand geklopft und nach dem Herrn gefragt, sei aber wieder gegangen, als sie ihm gesagt habe, der Herr sei nicht zu Hause. Grimaldi bat die Magd, ihm zu sagen, wie der Herr ausgesehen habe. Sie konnte aber nur sagen, daß er eine weiße Weste angehabt habe.

In Grimaldi stiegen unbestimmte Befürchtungen auf. Er lief nach dem Schauspielhause zurück, wo aber John nicht wieder vorgesprochen habe, lief von einem Hause zum andern, wo er den Bruder zu finden hoffte, aber weder hier noch dort hatte derselbe sich blicken lassen. Noch einmal eilte er nach dem Schauspielhause zurück, das eben geschlossen wurde, denn die Zeit war schon weit vorgerückt, und nun fiel ihm ein, daß er ja dem Bruder die Wohnung der Mutter bezeichnet hatte. Was konnte wahrscheinlicher sein, als daß der so lange verlorene Sohn sich dorthin begeben hatte? Er lief nach Hause, suchte unterwegs die Fassung wieder zu gewinnen; die Mutter sah blässer aus als sonst, wenigstens kam es ihm so vor; John war aber nicht da.

»Hat sich etwas besonderes zugetragen?« fragte er die Mutter weiter.

»Nein«, antwortete die Mutter; »nicht, daß ich wüßte.«

»Es ist kein Fremder dagewesen? kein uns lieber Verwandter, den wir lange Zeit nicht gesehen haben?« fragte Grimaldi, in dessen Herzen sich, alle Befürchtungen von neuem regten.

»Wie soll ich diese Worte verstehen?« erwiderte die Mutter.

»O ich wollte Dir nur sagen, daß John wiedergekehrt ist und Geld genug mit heimgebracht hat, um uns alle glücklich und zufrieden zu machen.«

Die Mutter schrie vor Freude laut auf, dann fiel sie in Ohnmacht. Als sie wieder zu sich gekommen war, erzählte Grimaldi, was sich zugetragen habe. Seine Mutter und seine Frau waren aufs höchste verwundert. Die letzte meinte, John werde wohl mit anderen Bekannten und Freunden zusammengekommen sein und sicher noch kommen. Sie bestand darauf, daß ihr Mann sich zu Bett legte, da er sehr angegriffen und von dem vielen Herumlaufen aufs äußerste erschöpft war. Sie selbst blieb die ganze Nacht auf, aber – der verlorene Sohn kam nicht, auch den anderen Vormittag, den ganzen anderen Tag nicht. Er war, so schnell er aufgetaucht war, so schnell auch wieder verschwunden, und bis zu diesem Augenblicke, da ich diese Zeilen schreibe, ist nichts wieder von ihm gehört worden. Es ist auch nicht das geringste Anzeichen, das zu einer Aufklärung über sein Verschwinden hätte führen können, bis heutigentags zum Vorschein gekommen.

Grimaldi hat es, wie man sich wohl denken kann, an den größten Anstrengungen, Licht in die mysteriöse Sache zu bringen, nicht fehlen lassen, und ist in seinen Bemühungen hierin von allen Bekannten und Freunden bereitwillig unterstützt worden. Ein hochgestellter Herr von der Admiralität interessierte sich lebhaft für den Fall und ließ alle in den letzten Tagen angekommenen Schiffe revidieren, brachte die ganze Polizei auf die Beine, ließ in allen verdächtigen Häusern Nachsuchung halten. Aber – es war alles vergeblich. Von dem jungen Manne fand sich keine Spur. Über sein Verbleiben konnte nichts ermittelt werden.

Natürlich fehlte es an allerhand Kombinationen nicht. Zwei hatten die größte Wahrscheinlichkeit von allen anderen für sich.

Der Lord von der Admiralität vertrat die Ansicht, daß John zum Matrosen gepreßt worden und vielleicht in einem der damals häufigen Kämpfe zur See geblieben sein möchte. Er war früher unter einem angenommenen Namen gefahren, und das erschwerte natürlich die Nachsuchung wesentlich. Mehr hatte jedoch die Vermutung eines routinierten Polizeibeamten für sich, der die Meinung vertrat, der junge Mensch möchte von Leuten, die darum gewußt, daß er viel Geld bei sich trug, in irgend eine Spelunke oder Lasterhöhle verschleppt und dort ausgeplündert und erschlagen worden sein.

Leichtblütig war John immer gewesen, hatte auch Gefahren niemals ernstlich, genommen. Was vor allem für diese Kombination zu sprechen schien, war der auffällige Umstand, daß der Freund, mit dem er bei Grimaldi gewesen war, mit ihm zusammen verschwunden war und – verschwunden blieb. Hätte er um Johns Verschwinden nichts gewußt, so hätte er doch gewiß Erkundigungen nach ihm angestellt, zumal er sich doch am anderen Vormittag Punkt zehn Uhr mit ihm hatte treffen wollen. Er ließ jedoch nicht das geringste von sich hören. Es war auch nicht die geringste Spur von ihm aufzufinden, und um so bedenklicher war die Angelegenheit insofern, als John ihn gar nicht einmal Grimaldi vorgestellt hatte.

Kein Wunder, daß ihn Grimaldi sowohl als seine Angehörigen für den Schuldigen oder wenigstens für den Mitschuldigen an einem Verbrechen hielten, dem der zum zweiten Male verlorene Sohn und Bruder zum Opfer gefallen war – ob mit Recht oder Unrecht, dürfte wohl für alle Zeit in Dunkel gehüllt bleiben.

Zehntes Kapitel.


Zehntes Kapitel.

Signor Bologna und seine Familie. – Ein Ausflug mit ihr nach Kent. – Mr. Mackintosh, der wohlsituierte Landeigentümer. – Eine große Feldjagd und eine Szene mit einem Wirt, einem Wildhüter, Bologna und Grimaldi, die sich im »Garricks-Kopfe« abspielte.

Signor Bologna, seinen Freunden besser bekannt als Jacj Bologna, war ein Landsmann von Grimaldis Vater und gleich diesem aus Genua gebürtig. Im Jahre 1787 kam er mit Weib, zwei Jungen und einem Mädchen nach England. Auch er war ein Pantomimen-Künstler, während seine Frau auf dem Drahtseile tanzte. John, sein ältester Sohn, war Harlekin und stand später als solcher in hohem Rufe; Louis, der jüngere, war Tänzer; die Tochter Barbara Tänzerin.

Anfangs waren sie beim Sadlers Wells-Theater engagiert. Dort wurde auch Grimaldi mit Bologna bekannt, später befreundet, und ihre Freundschaft hielt stand bis an ihren Tod, also eine gar geraume Zeit, denn sie waren verhältnismäßig jung miteinander zusammengekommen.

Anno 1804 wirkten sie abermals beim Sadlers Wells-Theater, und das freundschaftliche Verhältnis wurde von neuem aufgewärmt. Grimaldi spielte auch wieder im Drury-Lane-Theater, und auch Bologna war stark in Anspruch genommen. Eines Abends klagten sie einander ihre Not über die viele Arbeit, die sie hätten, und Bologna fiel ein, daß ihn ein guter Bekannter, der in Kent einen kleinen Landsitz hatte, schon immer eingeladen hatte, ihn einmal auf ein paar Tage zu besuchen und mit ihm auf die Jagd zu gehen, wenn es anginge, deshalb auch einen Bekannten mitzubringen. Bologna lud nun Grimaldi dazu ein. Auf eine Vorfrage, ob ihr Besuch auch recht komme, erwiderte der alte Bekannte Bolognas, daß die beiden Herren je eher je lieber gesehen seien, und so fuhren sie am 6. November in einem Einspänner von London weg.

Unterwegs erzählte Bologna seinem Kameraden, Mr. Mackintosh, zu dem sie unterwegs seien, sei ein reicher Grundbesitzer, habe weder ein Amt noch ein Geschäft, sei aber im Besitze einer sehr schönen Jagd. Grimaldi war über diese Mitteilungen äußerst erfreut und sehr gespannt auf die Bekanntschaft mit Mr. Mackintosh, auch nicht wenig stolz darauf, Gast eines so vornehmen Herrn zu sein.

Unter solchem Gespräch kamen sie nach Bromley, das nur etwa zwei Stunden noch von Mackintosh Wohnsitze entfernt war. Hier begegneten sie einem Manne in barchentnem Wamse, der in einem zweirädrigen Karren fuhr, vor den ein auf einem Beine lahmer Pony gespannt war, kurzerhand hielt und die beiden mit lautem, vertraulichem Zurufe willkommen hieß.

Grimaldi wunderte sich hierüber nicht wenig, denn er hatte den Mann im ganzen Leben noch nicht gesehen, ganz verdutzt aber wurde er, als sich Bologna mit ihm die Hände schüttelte und ihn Grimaldi schließlich als Mr. Mackintosh vorstellte. »Ich bin sehr erfreut, mein lieber Joe«, sagte Mackintosh im Brusttone der Gönnerschaft, »daß ich Sie bei mir sehe. Ich habe es mir wohl gedacht, daß ich Sie auf dieser Landstraße treffen würde, und will Ihnen nun als Führer Dienste leisten.«

Grimaldi sagte ein paar Worte, um sich für die etwas plumpe Höflichkeit zu bedanken. Darauf setzten sich Karren und Einspänner wieder in Bewegung.

»Recht schade, meine Herren«, sagte Mr. Mackintosh, »daß Sie einen recht ungünstigen Tag, wenigstens für die Jagd, gewählt haben. Wir haben doch morgen Feiertag. Sie können sich aber morgen ein bißchen bei uns umsehen, und übermorgen, ja übermorgen wollen wir den Leuten etwas hören lassen! Da soll’s von früh bis spät in die Nacht hinein knallen!«

»Gibt’s heuer viel Hühner?« fragte Bologna.

»In Menge, meine Herren, in Menge!« versetzte Mackintosh, und auf eine Weise, wie auch in einem Tone, die es Grimaldi unmöglich machte, den seinen Mann in ihm zu entdecken, von welchem Bologna ihm soviel gesprochen hatte. Er sollte aber bald noch besseren Grund zur Verwunderung bekommen.

Etwa anderthalb Stunden mochten sie gefahren sein, als Bologna an Mackintosh die Frage stellte, ob sie es noch weit bis zum Fahrtziele hätten.

»Durchaus nicht«, antwortete Mackintosh, »dort steht ja mein Haus.«

Bei diesen Worten wies er auf ein sehr bescheidenes Gasthaus an der Straße, vor dem ein Schild mit dem Namen Mackintosh und der Zeile darunter hing: »Gute Unterkunft für Menschen und Vieh …«

Bologna blickte erst Grimaldi, dann die Schenke, zuletzt den Mann in Barchentwamse an; aber der letztere war von seinem bescheidenen Gasthöfchen augenscheinlich so eingenommen, daß ihm die Verwunderung seiner Gäste gar nicht auffiel.

»O«, sagte er, »Sie finden bei mir die besten Weine, Biere und Aale, Rauch- und Schnupftabak, Betten und Stallung, auch eine Kegelbahn, und was ein Menschenherz sonst noch wünschen kann.«

»Entschuldigen Sie, lieber Mackintosh«, sagte Bologna, der offenbar verdrießlich war, während Grimaldi sich fast das Lachen nicht verhalten konnte, »aber ich bin immer der Meinung gewesen, Sie hätten gar kein Geschäft.«

»Ich habe auch keines«, antwortete Mackintosh, »das Geschäft gehört meiner Mutter.«

Darüber war nun Bologna noch verdrießlicher, und Grimaldi mußte jetzt hell auflachen, was jedoch Mackintosh durchaus nicht verdroß, sondern amüsierte, meinte er doch fast eine Schmeichelei darin zu erblicken. »Ja«, sagte er, »man kann mich mit Recht für einen Gentleman ansehen, für einen Gentleman im wahrsten Sinne des Wortes, »denn ich tue weiter nichts, als in meinem Fuhrwerke herumkutschieren oder mit meinem Gewehr und meiner Angelrute umherstreifen. Alles Geschäft besorgt meine Mutter. Ich bin aber der einzige Sohn und werde also doch einmal mich mit dem Krame abfinden müssen.« Ein Weilchen verhielt er sich still. Dann schlug er Bologna vertraulich mit der Peitsche über die Schulter und setzte dann hinzu: »Daß Sie in eine Herberge kämen, haben Sie wohl nicht gedacht?«

»Nein, ganz gewiß nicht«, antwortete Bologna verdrießlich.

»Hab’s mir wohl gedacht, alter Junge«, erwiderte Mackintosh mit herzlichem Lachen, »meine Londoner Bekannten lasse ich eigentlich niemals hineinsehen, was ich eigentlich bin, ausgenommen ein paar besonders gute Freunde, wie Sie und Joe zum Beispiel. Ich wiege sie vielmehr immer in der Meinung, es sei Gott weiß was mit mir los, und darauf fallen sie auch alle hinein. Was kommt übrigens an auf die Meinung der Menschen? Wenn man bloß immer den Beutel recht voll hat – Geld, mein Junge, Geld ist nun einmal die Hauptsache in der Welt… Aber wir sind zur Stelle. Steigen Sie aus, und seien Sie versichert, daß es Ihnen bei mir gefallen wird. Wenigstens soll es Ihnen an nichts bei mir fehlen. Ich will Sie halten, wie es kein Edelmann besser könnte.«

In seinem Benehmen und seiner Weise lag eine gewisse Biederkeit, die für ihn einnehmen mußte. Grimaldi sagte deshalb, weil Bologna verdrießlich blieb und mit keinem Worte auf seine freundliche Rede erwiderte, ein paar höfliche Phrasen. Mackintosh war dafür sehr dankbar, führte seine beiden Gäste ins Haus und stellte sie seiner Mutter als ein paar sehr gute Freunde aus London vor. Sie wurden aufs beste aufgenommen und bewirtet und saßen bald bei einem guten Bauernessen, das im Verein mit dem schäumenden Biere Bolognas Verdruß bald beseitigte.

Als sie gegessen hatten, machten sie einen Spaziergang. Es war eine ganz nette Gegend, sehr schönes Hügel- und Wiesenland, auch ein recht stattlicher Wald. Zum Abend gab es wieder reichliches Essen und fast noch einen besseren Schoppen als bei Tage und als sie sich zu Bett verfügten, ließ Bologna von Herzen gelten, »daß sie es ganz gut getroffen hätten.« Aber er meinte trotzdem, »man dürfe den Tag nicht vor dem Abend loben«, sondern mit seinem Urteil noch immer so lange warten, bis man gesehen habe, wie es mit dem Wildbestande beschaffen sei. Am andern Tage verging die Zeit mit Essen und Trinken, allerhand Plausch mit einkehrenden Gästen, auch mit Mr. Mackintosh und seiner Mutter. Dann hieß es die Flinten instand setzen, und dann kam die Rede auf das Jagdvergnügen, von dem Mackintosh seinen beiden Gästen gar nicht Rühmens genug hermachen konnte.

Am dritten Tage nahmen sie den Morgenimbiß zu sehr früher Stunde ein und brachen dann mit ihrem Wirte auf, der kein Gewehr mitnehmen, sondern seinen Gästen bloß als Führer dienen wollte.

Nach einiger Zeit kamen sie an eine Steige, dann ging es über einen Anger, zuletzt kamen sie an ein niedriges Gatter, das zu einem schönen Stück Heideland führte. Da rief Mackintosh, der eine Strecke hinter ihnen geblieben war, sie sollten Halt machen.

»Ein Weilchen, bloß ein Weilchen!« rief er, »Sie wissen doch nicht so gut Bescheid wie ich!«

Er trat dicht an das Gatter, guckte hinüber und kehrte eilig zurück.

»Wir kommen gerade recht«, sagte er eifrig, »es sind Hühner über Hühner im Felde.«

Sie schlichen ans Tor heran, waren aber erstaunt, weiter nichts als Tauben zu sehen.

»Na, das ist doch eine stattliche Kette!« rief Mackintosh und schlug in die Hände vor Freude.

»Eine Kette?« wiederholte Grimaldi; »aber wo denn? Ich sehe ja bloß Tauben.«

»Bloß Tauben?« wiederholte Mackintosh; »aber, was dachten Sie denn bei mir zu finden?«

»Na, zum wenigsten doch Fasanen und Rebhühner!« riefen beide Weidmänner wie aus einem Munde.

Bologna wurde wieder ärgerlich und hätte fast seinen Grimm ,über diese Enttäuschung Luft gemacht; aber Mackintosh stellte sich aufs höchste verwundert.

»Fasanen und Rebhühner?« wiederholte er, »nein, von so etwas ist hier keine Rede! Ich habe Sie nach Kent zitiert, Hühner zu knallen; aber Tauben sind doch was noch weit besseres. Da haben Sie welche, und nun knallen Sie dazwischen, wenn es Ihnen Spaß macht. Ich habe gehalten, was ich versprochen habe, und mehr zu tun braucht kein Mensch. Fasanen und Rebhühner! Aber woran haben Sie denn gedacht, meine Herren?«

»Der Musje windbeutelt«, flüsterte Bologna Grimaldi zu, »aber knallen wir ihn wenigstens soviel wie möglich von seinen Tauben weg!«

Grimaldi ließ sich nicht weiter dazu nötigen und richtete im Verein mit Bologna eine arge Verwüstung unter der »Taubenkette« an. Wenigstens zwanzig brachten sie auf dem Stück Heideland zur Strecke; fünf fielen auf der andern Seite des Gatters, und eine ganze Reihe fiel in den Busch nieder, wo sie sich ohne Hund nicht auffinden ließen. Das Jagdglück stellte ihre Laune wieder her, die Suche machte ihnen Zerstreuung, und so ging alles eine Zeitlang aufs beste, bis Mackintosh endlich meinte, nun müßten Sie wohl alles aufheben, was geschossen worden sei.

»Das sollte ich auch meinen«, sagte Bologna darauf; »aber was wird mit den Tauben, die in den Busch gefallen sind?«

»Die werden Sie wohl im Stiche lassen müssen«, versetzte Mackintosh, »es möchte wohl zu lange aufhalten, wenn Sie sie suchen wollten. Ich möchte Ihnen im Gegenteil raten, sich möglichst schnell auf die Socken zu machen.«

Bologna und Grimaldi schauten einander betroffen an, aber keiner von ihnen sagte ein Wort.

»Hören Sie doch, was ich Ihnen sage«, rief Mackintosh wieder, »es wird gut sein, Sie suchen das Weite!«

»Und weshalb denn?« fragte Bologna.

»Weshalb?« wiederholte Mackintosh, »na, der Grund ist doch nicht weit zu suchen, dächte ich: weil Sie Tauben geschossen haben!«

»Und deshalb sollen wir das Weite suchen?« fragte Bologna, außer sich vor Entrüstung.

»Aber Sie sind heute wirklich recht schwer von Begriffen,« antwortete Mackintosh, »denken Sie denn gar nicht daran, daß es unser Squire sehr ungnädig aufnehmen könnte, wenn es ihm zu Ohren käme? Und was liegt näher, als daß er Sie in seinem Zorn einstecken lassen wird, wenn Sie sich nicht beizeiten auf und davon machen? Ich dächte, das müßten Sie doch kapieren? Wenn Sie sich raten lassen wollen, so machen Sie sich auf die Socken und geben fürsorglich acht, daß Sie ihm nicht in den Weg kommen.«

»Pah!« rief Bologna verächtlich, »wie ich sehe, wissen Sie mit den Gesetzen unseres Landes nicht sonderlich Bescheid. Es möchte wohl keinen Squire von England glücken, uns einlochen zu lassen, weil wir auf seinem Felde ein paar Tauben weggeknallt haben, die Ihr Eigentum sind.«

»Die Tauben mein Eigentum?« rief Mackintosh, »die Tauben gehören ja doch mir nicht, sondern dem Squire, und wenn er merkt, daß ihm welche davon geschossen worden sind, speit er doch Feuer und Flammen! Wie konnten Sie aber auch so in die Kette hinein platzen! Wie gesagt, lassen Sie sich in aller Güte raten! Sie haben Tauben genug – mehr als nötig – aber machen Sie sich nun aus dem Staube!« Bologna und Grimaldi waren wie vom Donner gerührt und gafften einander erst sprachlos an, dann wurden sie zornig, dann packte sie die Angst, und nach einigen ernsten Vorhaltungen, die sich Macintosh mit bewundernswürdiger Ruhe anhörte, meinten sie, etwas besseres als seinen Rat so schnell wie möglich befolgen, könnten sie tatsächlich nicht tun.

Ohne Zeit zu verlieren, kehrten sie ins Gasthaus zurück, packten ihre Siebensachen, nahmen schnell noch ein paar Happen zu sich, verabschiedeten sich von ihrem merkwürdigen Wirte und seiner Mutter und setzten sich in ihren Einspänner. Mackintosh schnitt ein so dummehrliches Gesicht und zwinkerte so verschmitzt mit den Augen, daß sie sich trotz ihres Ärgers nicht enthalten konnten, herzlich zu lachen.

Am andern Morgen trafen sie einander zufällig im Covent-Garden. Ihr Jagdabenteuer stimmte sie sogleich wieder lustig, und um sich, noch einmal darüber so recht auszulachen, gingen sie in den »Garricks-Kopf« in der Bow-Street und ließen sich eine Flasche Xeres kommen.

Der Wirt war ein früherer Harlekin vom Drury-Lane-Theater, der sich ein bißchen Geld gespart hatte. Bologna und Grimaldi luden ihn als alten Bekannten ein, die Flasche zusammen mit ihnen auszustechen. Er nahm die Einladung mit Vergnügen an und führte sie in die sogenannte gute Stube. Dort erzählten sie ihm zu seinem nicht geringen Gaudium den Ausflug nach Kent und was ihnen dabei zugestoßen war. Als sie fertig waren, sagte er:

»Hätten Sie es mir doch nur gesagt, daß Sie einmal auf die Jagd gehen möchten. Ich hätte Ihnen leicht dazu verhelfen können. Ich bin doch aus Hayes, meine ganze Sippe wohnt dort drunten in Kent, und ich bin mit allen Waldhütern der Grafschaft auf gutem Fuße. Wenn sie zur Stadt kommen, kehren sie immer bei mir ein und hätten sich gewiß ein Vergnügen daraus gemacht, ein paar so guten Freunden von mir einmal einen Gefallen zu tun.«

»Ach!« meinte Bologna, »dann hätten wir, statt Tauben, auch Rebhühner vor die Flinte bekommen!«

Spencer lachte wieder. Da trat ein junger Mensch in die Stube, den weder Bologna noch Grimaldi kannte. Spencer gab ihm aber die Hand und bat ihn, sich mit an den Tisch zu setzen.

»Ei, was bringt Sie denn schon wieder in die Stadt?« fragte er den jungen Menschen.

»Ach! wieder eine recht dumme Geschichte!« rief der Mann; »es sind ein paar Londoner Tunichtgute bei uns draußen gewesen und haben meinem Herrn an fünfzig bis sechzig Tauben abgeschossen. Ich bin nun hergeschickt worden, sie ausfindig zu machen und arretieren zu lassen, habe deshalb auch schon einen Konstabel mitgebracht, der unten in der Gaststube sitzt und sich ein Glas Ale gut schmecken läßt.«

Bologna wurde käseweis, Grimaldi feuerrot. Spencer zwinkerte ihnen mit den Augen zu und sagte nach einer Weile in aller Ruhe:

»Wie denken Sie es denn anzufangen, Joseph, die beiden Galgenstricke ausfindig zu machen? In London ist das doch nicht so leicht!«

»Na, eine kleine Spur haben wir ja schon«, sagte der Wildhüter, denn ein solcher war es, wie Bologna und Grimaldi gleich vermutet hatten: »ich habe nämlich herausbekommen, daß sie bei Mackintosh eingekehrt sind und daß der junge Mackintosh sie kennen soll. Gestern abend bin ich ihm auf die Bude gerückt und habe ihn gefragt, wer die beiden Musjes seien und wo sie wohnten. Er wollte nicht mit der Sprache herausrücken. Da sagte ich ihm, daß wir uns dann an ihn halten würden. Darauf sagte er: »O, bekannt sind sie mir nicht, sind auch keine Freunde von mir; ich weiß bloß, daß sie bei irgend einem Theater in London angestellt sind, der eine als Clown, der andere als Harlekin.« Mehr war nicht aus ihm herauszubringen. Deshalb komme ich nun zu Ihnen her, weil ich ja weiß, daß Sie mit dem ganzen Theatervolk auf du und du sind, und wollte Sie fragen, was für ein Clown und was für ein Harlekin es wohl gewesen sein mögen.«

»Hat der Squire wirklich solchen Zorn?« fragte Spencer.

»Er hat sich verschworen, die ganze Strenge des Gesetzes gegen die beiden Missetäter walten zu lassen.«

Grimaldi geriet in die heftigste Unruhe, Bologna nicht minder. Davor, daß Spencer sie denunzieren würde, bangte ihnen freilich nicht; wohl aber davor, daß ihm Worte entschlüpfen möchten, die den Wildhüter hinter das Geheimnis bringen könnten. Bologna hätte man übrigens bloß ansehen dürfen, um auf der Stelle zu wissen, daß er der Schuldige sei. Aus seinem Gesichte war alle Farbe gewichen, und er zitterte so heftig, daß er das Glas, als er es zum Munde führen wollte, absetzen mußte. Dabei starrte er den Wildhüter in einem fort an, als seien sie ihm, wie dem Gerber im Märchen, alle Felle weggeschwommen.

»Eins scheint der Squire in seinem Zorn vergessen zu haben«, meinte Spencer und lachte wieder laut, »das Sprichwort, daß die Nürnberger keinen hängen, sie hätten ihn denn zuvor.«

»Das stimmt freilich«, versetzte Joseph, »und wenn Sie mir nicht dabei helfen, dann glaube ich kaum, die beiden Taubendiebe ermitteln zu können. Es mag wohl Clowns und Harlekins die Menge hier geben? Nicht wahr?«

»O, wie Sand am Meere etwa«, antwortete Spencer; »ich bin ja gleich einer von dem Korps.«

»Gewesen, aber doch jetzt nicht mehr«, meinte der Wildhüter lächelnd; »aber Sie knallen doch anderer Leute Tauben nicht weg.«

»Das nun freilich nicht«, versetzte Spencer mit der ruhigsten Miene von der Welt; »aber ich will Ihnen im Vertrauen sagen, Joseph, die beiden Musjes, wie Sie sie nannten, sind ein paar gute Freunde von mir.«

»So? Wirklich?« fragte Joseph, indem er Spencer näher rückte – »nun, dann werden Sie mir freilich nicht beistehen wollen, sie ausfindig zu machen – wie?«

Bologna warf Grimaldi einen Blick zu, der auf das deutlichste verriet, daß nun doch alles vorbei und keine Möglichkeit mehr vorhanden sei, dem Schicksale zu entrinnen.

»Dazu werden Sie mich wohl nicht bekommen«, antwortete Spencer, »gehen Sie also in Gottes Namen in alle Londoner Haupt- und Nebentheater und suchen Sie unter allen Clowns und Harlekins, die von ihnen beschäftigt werden, hübsch fleißig nach, ob sie die rechten beiden herausfinden. Aber gut werden Sie tun, den Himmel um seinen Beistand zu ersuchen, denn Possen werden Ihnen wohl genug gespielt werden, genug, daß Sie Ihr Leben daran zu lachen haben.«

Joseph schnitt ein sehr bedenkliches Gesicht.

»Hm«, sagte er endlich, »wenn’s gute Freunde von Ihnen sind, Mr. Spencer, so muß man die Geschichte freilich aus anderm Lichte betrachten.« »Ich will Ihnen was sagen«, meinte Spencer und klopfte dem Wildhüter auf die Achsel, »reden wir nicht weiter über den Jux, meine Freunde werden die Tauben bezahlen und Ihnen, wenn Sie damit einverstanden sind, noch ein Beafsteak und eine Flasche Wein bezahlen. Wie denken Sie darüber?«

Josephs Mienen heiterten sich auf. »O!« rief er, »über die Tauben werden wir schon einig…und wenn die beiden Galgenstricke gute Freunde von Ihnen sind, dann wollen wir die Sache als abgemacht ansehen. Der Squire wird sich schon beruhigen – dafür lassen Sie mich sorgen. Was aber das Beafsteak und die Flasche Wein angeht, nun, Spencer, so wissen Sie, daß ich kein Kostverachter bin, nur müssen mir die beiden Herren versprechen, noch einmal nach Kent hinunter zu kommen. Ich will mich dann bemühen, Ihnen ein richtiges Jagdvergnügen zu verschaffen.« –

»Na, das ist doch mal ein Wort, Joseph«, rief Spencer, indem er zeremoniell aufstand und sich in Positur setzte, »und da Sie so vernünftig sind, so will ich nicht länger hinterm Berge halten. Das hier sind die beiden Galgenstricke, wie Sie sie schon ein paarmal genannt haben. Aber Sie können ihnen um so eher Pardon gewähren, als sie von Mackintosh irre geführt worden und der Meinung gewesen sind, als hätten sie Mackintosh Tauben vor der Flinte gehabt. Gestatten Sie also, die Herren miteinander bekannt zu machen: Mr. Bologna und Mr. Grimaldi – Mr. Joseph Clarke.«

Allgemeines Gelächter. Dann eine vergnügte Zecherei, bei der ein paar Flaschen Xeres ausgestochen wurden, nicht bloß eine. Grimaldi und Bologna nahmen die Einladung Mr. Clarkes mit Vergnügen an, kutschierten an dem festgesetzten Tage noch einmal nach Kent hinaus und erlegten in Zeit von anderthalb bis zwei Stunden vier Hasen und ein Dutzend Fasanen. Vergnügt und guter Dinge kehrten sie wieder nach London zurück, ohne diesmal ihren Freund Mackintosh mit umzustoßen, aber geradezu entzückt von ihrem neuen Freunde Clark, dem man vielleicht nicht allzu viel Unrecht antut, wenn man ihm unterstellt, daß er im Einverständnis mit Spencer den beiden Taubenschützen bloß einen lustigen Streich gespielt und sich ein gutes Mittagsbrot auf billige Kosten verschafft habe.

Im Drury-Lane-Theater wurde vorm Feste nichts neues auf die Bühne gebracht. John Kemble hatte seine Stellung beim Schlusse der vorletzten Saison quittiert und sich bei einem andern Unternehmen beteiligt, im Covent-Garden, wo er Mr. W. Lewis‘ Anteil übernommen hatte. Er übernahm dort die Regie, und an seine Stelle im Drury-Lane kam Mr. Wroughton.

Im Januar 1806 wurde dort eine klägliche Pantomime, »Harlekins häuslicher Herd«, aufgeführt, die sich jedoch wider Erwarten der Gesellschaft bis zu Ostern hielt und ganz erheblichen Beifall fand. Grimaldi äußerte hierüber wiederholt seine Verwunderung gegenüber Mr. T. Didin, dem fruchtbaren Theaterdichter damaliger Zeit, dessen Vater, Charles, Mitbesitzer des Covent-Garden-Theaters war. Dibdin räumte ein, daß das Stück wenig wert sei, und meinte, die gute Aufnahme, die es gefunden, sei ausschließlich dem guten Spiele der Darsteller zuzuschreiben: ein Fall der auch heute noch dann und wann sich ereignen soll.

Im Jahre 1805 nahmen die Vorstellungen wie gewöhnlich in Sadlers Wells zu Ostern ihren Anfang. Grimaldi und Bologna waren auch diesmal engagiert, und die Saison wies sich als überaus günstig: es waren soviel Kasse-Abende gewesen wie kaum je vorher.

Als »Harlekins häuslicher Herd« vom Repertoir gesetzt wurde, trat Grimaldi während der ganzen übrigen Zeit im Drury-Lane kaum noch ein halbes Dutzend mal auf. Im Juni wurde das Theater geschlossen und am 29. September mit Othello und Lodoiska wiedereröffnet. In dem letzten Stücke spielte nicht bloß Grimaldi, sondern auch seine Frau und seine Mutter mit.

Als er zum letzten Male in dieser Saison auftrat, hatte er eine Unterredung mit dem Direktor, die anfangs ganz günstig zu verlaufen schien, dann jedoch Ursache wurde, daß er nach Verlauf von etwa sechs Wochen das Theater, auf dem er zuerst aufgetreten war und fast vierundzwanzig Jahre mit dem denkbar günstigsten Erfolge gespielt hatte, ganz verließ.

Einundzwanzigstes Kapitel.


Einundzwanzigstes Kapitel.

»Baron Münchhausen«. – Wie Ellar, der Harlekin, durch den Mond sprang und dabei sich die Hand verstauchte. – Grimaldi wird Miteigentümer von Sadlers-Wells. – Anekdoten vom Herzog von York, von Sir Godfrey Webster, einer goldenen Tabaksdose, Ihrer hochseligen Majestät, von Newcastle-Lachs und einem Kohlenbergwerk.

Grimaldi hätte nicht so eilig wieder nach London zurückzukehren brauchen, denn in Covent-Garden hatte er erst im November wieder aufzutreten, und auch da nur ein paar Abende in La Perouse. Da es aber leicht möglich war, daß er in ein paar Tagen spielen mußte, trug er Bedenken, sich auf länger als acht Tage zu einem Gastspiele in der Provinz zu verpflichten.

Das Theater in Sadlers-Wells wurde geschlossen, gerade als er in London eintraf. Die letzte Saison war so kläglich gewesen, daß verschiedene Besitzanteile von der Direktion veräußert wurden. Grimaldi hatte dadurch, daß man sein Engagement nicht erneuerte, keinen Schaden gehabt in finanzieller Hinsicht, und dabei bei weitem nicht soviel Mühe und Anstrengung aufwenden müssen, als wenn er dort weitergespielt hätte. Zu seiner im vorigen Kapitel genannten Gastspiel-Einnahme kamen noch die Beträge von 150, 70 und 100 Pfund, die er in Birmingham, Leicester und Chester löste, so daß er im ganzen für 56 Spielabende nahezu 1750 Pfund bekommen hat. In Sadlers-Wells hätte er es aber, einschließlich der Benefiz-Abende, nur auf 660 Pfund in 186 Vorstellungen gebracht, so daß er also 130 Abende weniger hätte zu spielen brauchen und doch um 1075 Pfund annähernd besser wegkam.

Die Weihnachtspantomime in Covent-Garden hieß »Baron Münchhausen« und wurde mit ebenso großem Beifall aufgenommen wie seit einigen Jahren alle vorhergehenden Stücke. Während ihrer Aufführung trug sich ein Vorfall zu, der als ein Beispiel menschlicher Brutalität erwähnt zu werden verdient.

In Sadlers-Wells war ein Tagarbeiter beschäftigt, der unter anderm auch mit verwandt wurde, einen Teppich zu halten, in welchem die Spieler bei den Sprüngen, die sie auszuführen hatten, aufgefangen wurden. Dieser Mensch trat eines Tags zu dem Harlekin Ellar, hielt den Teppich hoch und sagte, ein so knochentrockener Lappen wie das Ding da, sei ihm noch nicht vorgekommen. Diese Redensart des Tagarbeiters bedeutete nichts weiter, als daß ihm ein Trinkgeld gegeben werden möchte. Ob nun Harlekin Ellar gerade mit wichtigeren Dingen beschäftigt war, oder andere Gründe hatte, sich, still zu verhalten, kurz, er ließ den Tagarbeiter stehen und ging seiner Wege, der andere knurrte ihm ein paar grillige Worte hintendrein, und verschiedene, die sie mit angehört hatten, sagten Ellar am andern Morgen, daß er sich vor dem Menschen vorsehen möchte, denn er habe gedroht, an ihm Rache nehmen zu wollen.

Ellar lachte über die Drohung. Bis zum dritten Abend ging alles ganz gut; in der Szene aber, in der Ellar durch den Mond springen muß, kamen ihm am vierten Abend Bedenken, so daß er mit dem Weiterspiele zögerte und Grimaldi zuflüsterte, »ich fürchte, die Kerle werden mich nicht auffangen; dreimal habe ich schon geklopft und gefragt, ob sie fertig seien, aber es hat keiner auch nur mit einem Worte Bescheid getan.«

»Das ist doch ganz ausgeschlossen«, versetzte Grimaldi; »wer wird denn an so etwas denken? Springen Sie dreist, Freund! Vorwärts! Vorwärts! Es passiert Ihnen sicher nichts.«

Aber Ellar zauderte noch immer, bis Grimaldi ihn aufmerksam machte, daß das Publikum unruhig zu werden anfinge.

»Nun gut!« flüsterte Ellar, »ich will den Sprung schon riskieren; aber der Himmel weiß, wie das Ding enden wird!«

Seine Furcht war nicht grundlos gewesen, denn die Arbeiter, die den Sprungteppich zu halten hatten, hielten ihn so, daß er ihn unmöglich erreichen konnte, sondern stürzen mußte. Daß es so kommen werde, hatte er vorausgesehen und wollte lieber eine Hand, als den Hals brechen, richtete es also ein, daß er auf die Hände fiel, nahm aber dabei keinerlei Schaden, sondern konnte, freilich mit sehr großen Schmerzen, seine Rolle weiter spielen.

Natürlich wurde der Vorfall sogleich auf der Direktion gemeldet. Alle Arbeiter wurden im Hofe versammelt und ihnen mit sofortiger Entlassung gedroht, falls nicht sofort festgestellt würde, daß bei dem Vorfalle keinerlei schlimme Absicht vorgelegen habe. Der Obmann erklärte, sich für seine Leute verbürgen zu können, und appellierte an Mr. Ellar, ob er selbst glaube, daß jemand aus der Arbeiterschaft sich derart habe an ihm versündigen wollen; Mr. Ellar antwortete hierauf, er habe im ersten Augenblick wohl dergleichen Gedanken gehabt, sei aber davon abgekommen, und glaube weit eher an einen schlimmen Zufall. Grimaldi aber sagte er beim Nachhausegehen, er habe im letzten Augenblicke noch Mitleid gehabt mit der Familie des Unglücklichen, der – wie ihm zu Ohren gekommen sei – eine Frau mit sechs Kindern zu ernähren habe.

Ellars Verhalten war umso edler, als er nicht den leisesten Zweifel darein setzte, daß jener Mensch, dem er das Trinkgeld verweigert, mit Absicht so gehandelt hatte, und daß er elend ums Leben dabei gekommen wäre, wenn er es nicht so einzurichten gewußt hätte, daß er, statt auf den Kopf, auf die Hände fiel. –

Wenn man bedenkt, welch großen und schweren Gefahren Pantomimiker ausgesetzt sind, so muß man sich wundern, daß Grimaldi in seiner doch ziemlich langen Künstlerlaufbahn so wenig Unglück ausgesetzt gewesen ist. Freilich hat er dem Clown einen neuen, ruhigen Charakter geliehen und sich eigentlich nie auf Gliederverrenkungen gestützt, sondern seine Erfolge nur durch das Mienenspiel erreicht: er brachte sein Publikum zum Lachen dadurch, daß er mit dem Kopfe wohl agierte, aber nicht auf dem Kopfe stand. Grimaldi war eben in seinem Felde ein ausgemachtes Genie und darf als der Schöpfer eines neuen Clown-Genres bezeichnet werden.

Im Februar 1818 wurde ihm wiederholt bedeutet, daß er, falls er sich direkt an die Eigentümer von Sadlers-Wells wenden wollte, sichere Aussicht hätte, auf Bedingungen hin, wie er sie stellen könne, wieder in den Bühnenverband aufgenommen zu werden; aber er hatte keine Lust, darauf einzugehen, zum Teil, weil er noch immer Verdruß empfand über die Behandlung, die ihm zuteil geworden war, zum Teil aber auch, weil ihm durch seine Gastspiele in der Provinz weit bessere Einnahmen zugefallen waren, als während der ganzen Jahre, die er in London gespielt hatte.

Als jedoch Mrs. Hughes, die Witwe seines langjährigen, immer getreuen Freundes, selbst an ihn herantrat mit der Bitte, der Direktion entgegenzukommen, da wurde er in seinem Entschlusse schwankend und erklärte endlich, daß er sein Verhältnis zum Sadlers-Wells-Theater wohl zu erneuern bereit sei, doch nur unter der Bedingung, daß man ihn als Miteigentümer ausnehme. Er rechnete, auf diese Weise jeder etwaigen Wiederholung des Versuches, ihn an die Wand zu drücken, und auch durch den Gewinnanteil allen Alterssorgen überhoben zu werden.

Er sollte sich aber in diesen Erwartungen, wie in mancher anderen, bitter täuschen. Sein Antrag wurde nach mancherlei Beratungen zwischen den Mitgliedern der Direktion, allerdings angenommen; er kaufte eine Anzahl von Aktien von Mrs. Hughes selbst und verpflichtete sich zum Wiedereintritt in den Verband der Bühne, doch mit dem Vorbehalt, daß er in der letzten Julihälfte alljährlich auf sechs Wochen zu Gastspielreisen in der Provinz beurlaubt würde.

In der ersten Saison nach seinem Wiedereintritt war das Ergebnis keineswegs rosig, In den ersten Monaten ging wohl alles gut, sobald er aber in die Provinz gereist war, blieb das Haus leer, und als er im September zurückkehrte, erwartete ihn die Nachricht, daß statt mit Gewinn, mit Verlust gearbeitet worden sei. Er war darüber nicht wenig überrascht, aber auch sehr ärgerlich, denn das Sadlers-Wells-Theater hatte immer in dem Rufe einer sichern Rente gestanden, und er hatte bestimmt darauf gerechnet, durch diesen Schritt eine erkleckliche Höhe seines Einkommens zu erreichen.

Ein paar Tage nach dem Schlusse der Saison fand die erste Versammlung der Geschäftsteilhaber statt; die Rechnungen wurden geprüft, und es stellte sich heraus, daß der Verlust noch bei weitem höher war als zuerst angenommen wurde. Für jeden Aktionär bezifferte er sich auf 330 Pfund.

Grimaldi bezahlte, meinte nun aber gewiß sein zu dürfen, daß er von dem Gewinn aus seinen Gastspielreisen nicht mehr viel übrig behalten werde, und bereute es bitter, sich zu solchem Schritte entschlossen zu haben.

Als er eines Abends in Covent-Garden im »Baron Münchhausen« spielte, sah er den Herzog von York in einer Loge, zusammen mit Sir Godfrey Webster und einem dritten Herrn. Die hohen Herren lachten herzlich über die Komödie, und nach einer Szene mitten im Stücke, winkte Sir Webster Grimaldi zu sich.

»Recht saure Arbeit heute, Grimaldi?« sagte er, »nicht wahr?«

»Nicht bloß sauer, Sir Godfrey, sondern auch heiß!«

»So nehmen Sie eine Prise Zur Erfrischung, Joe«, erwiderte Sir Godfrey kordial und bot ihm die größte Tabaksdose, die Grimaldi je gesehen hatte. Grimaldi betrachtete sie verwundert, Sir Godfrey aber sagte, auf den Pantalon zeigend, der auf der Bühne stand:

»Präsentieren Sie sie dem Herren und sehen Sie einmal zu, ob er Lust zu einem Prischen hat.«

Grimaldi mußte gleich darauf wieder in einer sehr drolligen Szene auftreten, und stolzierte mit seiner Riesendose umher, die ganz wie eine absichtlich geschmiedete Karikatur aussah. Pantalon sah ihn aber mißtrauisch an und fragte:

»Woher haben Sie denn dieses Exemplar von Dose? Doch nicht etwa gemaust?«

Grimaldi beteuerte unter allerhand Grimassen, daß sie, ein Geschenk von hohem Herrn sei. Pantalon fragte, wer der Geber sei, und Grimaldi wies auf die Loge des Herzogs, in die eben Sir Godfrey wieder eingetreten war.

Es wurde wiederum, und noch mehr als vordem, gelacht. Der Herzog mußte sich tatsächlich den Bauch, halten, denn Grimaldi führte seine Rolle mit beispielloser Verve durch.

Im Fortgehen fragte Pantalon:

»Wo wollen Sie denn mit der Dose hin?«

»Dorthin, wo sie schon oft gewesen ist«, antwortete Grimaldi, gen oben zeigend, »zum Onkel Pumpmeyer!«

Unter stürmischem Applaus trat er ab, und nach einigen wenigen Augenblicken war Sir Godfrey wieder bei ihm, mochte er nun seine Dose tatsächlich in Gefahr wähnen, oder nicht.

»Grimaldi, das haben Sie großartig gemacht!« rief er ihm schon von weitem zu. »Sie haben mir eine Wette gewonnen, und sollen nun Ihre Hälfte abhaben.«

Er drückte ihm bei diesen Worten fünf Guineen in die Hand; der Herzog war unbemerkt eingetreten und sagte:

»Ah, teilen sich also die Herren in mein Geld! Aber lassen Sie sich sagen, Sir Godfrey, Mr. Grimaldi ist freilich kein Lastträger, allein ich zweifle nicht im geringsten, daß er Ihnen Ihre Dose unter solchen Bedingungen jeden Abend tragen würde.«

Der Herzog kehrte hierauf in seine Loge zurück, und da er sich nicht oft hinter den Kulissen blicken ließ, sah ihn Grimaldi außer diesem nur noch ein einziges Mal, nämlich im Jahre 1824, wo Seine Königliche Hoheit beim Theater-Hilfsfonds-Diner präsidierte und sich bei einem Tischnachbarn nach Grimaldis Befinden erkundigte, auch den Wunsch aussprach, ihm vorgestellt zu werden.

Grimaldi kam dem Wunsche zuvor, indem er sich in seinem Kostüm, dem eines Steward, sogleich zeigte.

Der Herzog war überaus huldreich gegen ihn, gab seinem Bedauern, daß Grimaldi seiner Körperschwäche wegen sein Fach hätte aufgeben müssen, wie auch der Hoffnung Ausdruck, daß er doch wieder in die Lage gesetzt werden würde, in seinem Fache zu wirken, da »sein Verlust ja ein Nationalunglück wäre«, und setzte hinzu, als Grimaldi sich hierfür bedankt hatte, »daß er sich seines Vaters sehr wohl erinnere, daß derselbe ein sehr drolliger Herr gewesen sei und ihm und einer Schwester von ihm Tanzunterricht gegeben habe.« – Er setzte hinzu, »daß sich Grimaldi, sofern er ihm je einmal gefällig sein könne, sich ohne allen Rückhalt an ihn wenden möge.«

In früheren Jahren hatte Grimaldi häufig Georg den Vierten, und zwar noch, als Prinz von Wales, in Drury Lane gesehen, und König Wilhelm besuchte als Herzog von Clarence ebenso oft Covent-Garden, wo sein schlichtes, anspruchsloses Wesen im Gegensatz zu dem abgeschmackten Geckentum der anderen jungen Herren vom Hochadel allgemein vorteilhaft auffiel, und zu mancherlei Bemerkungen Veranlassung wurde, die für die letzteren nichts weniger als schmeichelhaft ausfielen.

Grimaldi trat einmal hastig in das Garderobenzimmer und war nicht wenig erstaunt, den Herzog von Clarence zu erblicken, im Gespräch mit einigen seiner Knaben, die er oft einmal ins Theater mitnahm.

Grimaldi verbeugte sich nicht ohne Verlegenheit und wollte sich wieder entfernen, der Herzog forderte ihn jedoch auf zu bleiben.

»Ich bitte Ihre Königliche Hoheit um Vergebung«, sagte er; »denn ich muß fürchten zu stören.«

»Stören?« wiederholte er lächelnd; »nicht doch! Ich bin der einzige, der hier stört.«

Bei diesen Worten stand er auf und wollte nicht eher wieder Platz nehmen, als bis sich Grimaldi in seiner Nähe gesetzt hatte.

Die Saison in Covent-Garden schloß am 17. Juli. Zwei Tage später hatte er sein Benefiz in Sadlers-Wells, das ihm beinahe 250 Pfund einbrachte, und am folgenden Morgen reiste er ab, um seine Gastspielreise in die Provinz anzutreten. Zunächst ging es nach Liverpool, wo er vom 27. Juli bis zum 19. August spielte. Seine Einnahme betrug hier 327 Pfund, also mehr, als er im Jahre vorher hier gelöst hatte.

Von Liverpool begab er sich nach Lancaster, dessen Theater ein Gegenstück zu dem in Berwick war. Hier trat er an zwei Abenden auf und machte eine Einnahme von 112 Pfund.

Von Lancaster reiste er nach Newcastle, wo er fünfmal auftrat und als seinen Gewinnanteil 244 Pfund einstrich. Hier bekam er ein Schreiben von Harris, worin ihm angezeigt wurde, daß er am 7. September in Covent-Garden sein müßte, da dort die Saison eröffnet würde. Das zwang ihn, sein Engagement in Edinburg aufzugeben, was ihm höchst verdrießlich war, da er bloß eine Tagereise von Edinburg entfernt war und dort auf eine Einnahme von mindestens 500 Pfund hätte rechnen dürfen. Er kehrte nach London zurück und hatte nach ein paar Tagen eine sehr unangenehme Auseinandersetzung mit Harris.

»Ei, Joe!« rief ihm dieser, sichtlich verwundert, entgegen; »ich habe auf ein Wiedersehen mit Ihnen erst in etwa drei Wochen gerechnet!«

Seinerseits nicht weniger verwundert, rief Grimaldi:

»Was? erst in drei Wochen?«

»Freilich, ich habe gemeint, Sie wollten in Schottland spielen!«

»Freilich war das meine Absicht, Sie schrieben mir aber doch, daß ich in diesen drei Tagen wieder hier sein müßte, und ich habe meine Edinburger Reise und bare fünfhundert Pfund schießen lassen, um Ihrer Aufforderung auf der Stelle nachzukommen.«

»Ah, jetzt sehe ich, wie die Sache steht… Sie sind gleich an dem Tage von Newcastle abgereist, an welchem Ihnen mein Schreiben zukam?«

Grimaldi bejahte.

»Schade! Ich habe mich gleich darauf anders besonnen und Ihnen auch wieder geschrieben, daß Sie bis zur ersten Oktoberwoche bleiben könnten. Da Sie nun aber hier sind, wollen wir schon Arbeit für Sie finden. In der anderen Woche werden wir es ein paar Abende mit »Mutter Gans« versuchen.«

Grimaldi sagte nichts darauf, Harris bemerkte seine trostlose Miene und setzte hinzu:

»Lassen Sie es nur gut sein! Denn was Ihr Edinburger Engagement angeht, so will ich Sie seinerzeit schon auf diese oder jene Weise zu entschädigen suchen.«

Grimaldi bedankte sich bei ihm, und Mr. Harris vergaß auch nicht, was er versprochen hatte.

Während seines Aufenthaltes in Newcastle fiel ihm ein, daß dorther der beste Lachs käme, den man in London kannte, und daß er auch seinen Namen nach der Stadt führte. Darum dachte er, sich ihn wohl schmecken zu lassen an der Stätte, wo er doch sicher am besten sein müßte, und bestellte sich ein Gericht davon zum Abendbrote.

Der Kellner antwortete: »Sehr wohl, Sir!« aber in einem Tone, wie wenn er den Auftrag nicht recht verstanden hätte.

Grimaldi fragte ihn deshalb noch einmal, ob er gehört habe, was er wünsche.

»Allerdings, Sir«, antwortete der Kellner, »Sie sollen auch bekommen, was Sie bestellt haben.«

Grimaldi kam nun am Abend in den Gasthof zurück. Der Appetit auf Lachs hatte ihm schon unterwegs den Mund wässerig gemacht. Er fand den Tisch bereits gedeckt. Der Kellner trug eine verdeckte Schüssel auf, hob die Glocke auf, und Grimaldi erblickte – nicht Lachs, sondern Hammelkoteletten.

»Ich habe ja eingemachten Lachs bestellt«, sagte er.

»Ach, ich bitte um Verzeihung, Sir«, sagte der Kellner, nicht ohne Verlegenheit.

»Sie haben es wohl vergessen, Kellner?« fragte Grimaldi.

»Hm, ja – es kann sein – ich muß es wirklich vergessen haben.«

»Na, ich kann ja auch Koteletten essen; aber vergessen Sie es, bitte, nicht wieder, daß ich morgen abend Lachs haben will.«

»Gewiß nicht, Sir«, antwortete der Kellner, und damit hatte die Sache für diesen Abend ihr Ende.

Am nächsten Abend lud Grimaldi den Direktor ein, mit ihm zu speisen. Der Tisch war gedeckt, sie setzten sich, die Glocke wurde abgehoben, und sie sahen – ein Beefsteak.

»Was ist denn das?« fragte Grimaldi den Kellner; »haben Sie den Lachs wieder vergessen?«

»Ich – ich – glaube wirklich, Sie hätten Beefsteak befohlen, Sir. Ich werde Sorge tragen, daß Sie morgen abend Lachs bekommen.«

»Vergessen Sie es aber ja nicht zum dritten Male! Ich reise übermorgen ab, und es ist mir daran sehr viel gelegen!«

»Verlassen Sie sich darauf, Sir!«

Am folgenden Abende fand Grimaldis Benefiz statt. Das Haus war wieder sogut wie ausverkauft, Grimaldi trat als Acres und als Clown auf, nahm sein Geld in Empfang, sagte dem Direktor Lebewohl und eilte ermüdet, sich noch immer auf den Lachs freuend, nach seinem Gasthofe zurück.

»Nicht vergessen, Kellner?«

»Nein, Sir.«

»Schön! bringen Sie mir noch die Rechnung, denn ich reise morgen in aller Frühe ab.«

Der Kellner entfernte die Glocke. Diesmal hatte man Kalbskoteletten darunter verborgen. Grimaldi wurde unwillig und befahl dem Kellner, den Wirt heraufzurufen, der gleich darauf erschien.

Grimaldi trug ihm seine Beschwerde vor, die der Wirt durchaus nicht verstand, bis es endlich nach vielem Hin- und Herreden zur Sprache kam, daß gepökelter Lachs keinem Menschen in Newcastle bekannt war und nur nach London verschickt werde. Der einfältige Kellner hatte keine Ahnung davon gehabt, was Grimaldi eigentlich hatte haben wollen. Es war ihm aber zuwider gewesen, sich als unwissend zu bekennen, und er hatte es daher für das beste gehalten, die am meisten begehrten Gerichte der Reihe nach zubereiten zu lassen in der Hoffnung, endlich doch das richtige zu finden.

Grimaldi besichtigte auf dieser Reise, jedoch nur sehr oberflächlich, ein Kohlenbergwerk. Durch eine interessante Schilderung, die ihm der Theaterdirektor davon gegeben, war seine Neugier geweckt worden. Er wurde in einem Korbe 2 – 300 Fuß hinuntergelassen, und kaum hatte der Führer, der ihn unten im Stollen in Empfang genommen, ein paar Schritte weiter geführt, als ein Kohlenklumpen von drei Tonnen Gewicht dicht hinter ihm herunterstürzte.

»Jesus! Was ist denn das?« rief Grimaldi in großer Bestürzung.

»Was denn weiter?« wurde ihm geantwortet, »es ist bloß ein bißchen, Kohle heruntergerutscht … das passiert immer ein paarmal tagsüber.«

»So? Na, ich – danke!« rief Grimaldi und lief eilends wieder zum Förderkorbe; »fahren Sie mich lieber gleich wieder hinauf!«

Der Korb kam wieder herunter, und Grimaldi konnte es kaum erwarten, bis er wieder oben war. Er verspürte nicht im geringsten Neigung, sich den Kopf von »einem bißchen« Kohle einschlagen zu lassen.