Vorwort

Indem wir rücksichtlich der Bedenken, welche gegen die Zugänglichmachung der Liebesgedichte Ovids für das größere Publicum sich erheben dürften, auf unser Vorwort zu den Liebesergüssen im vorigen Theile der Werke Ovids verweisen, können wir nicht umhin, über den Werth der Liebeskunst desselben Dichters auf das Urtheil Lessings, das auch auf die übrigen erotischen Erzeugnisse Ovids gleiche Anwendung findet, zurückzukommen. Vollkommen beizustimmen ist dem großen Kritiker, wenn er Ovids Kunst zu lieben unschätzbar nennt in Bezug darauf, daß wir durch sie und fast nur durch sie allein ein Bild von der gesellschaftlichen Cultur des Römervolkes, einen Begriff von der Artigkeit der alten Römer, von ihren feineren Sitten, von dem Geschmacke in ihren Ergötzungen, dem Tone in ihren Gesellschaften, der Wendung ihrer zärtlichen Empfindungen gewinnen. Wenn er aber hinzufügt, daß dieses Gedicht auch eine Seite habe, von welcher aus betrachtet das Urtheil anders lauten müsse, und das sei die Seite, auf welcher es seinem Titel widerspreche; lehrte Ovid die Kunst zu lieben, er würde der liebenswürdigste und unschuldigste Dichter sein; die schamhafte Jugend würde ihn lesen, und jener Trieb der Natur würde ein Führer zur Tugend werden, während er bei denen, die ihn nicht zurecht zu legen wüßten, ein Verleiter zu den unsaubersten Ausschweifungen werde; Ovid lehre die Wollust, jene sinnliche, die ohne Zärtlichkeit des Herzens vom Genusse zum Genusse schweife und selbst in dem Genusse schmachte: so ist dies zwar von dem Standpunkte unserer jetzigen sittlichen Bildung aus richtig, und es könnte das Lesen dieses und der übrigen Gedichte gleichen Inhalts unreife junge Leute, die keinen sittlichen Halt hätten, möglicherweise zu solchen unsauberen Ausschweifungen verleiten. Aber wer wird in unserer Zeit die Liebeskunst Ovids lesen, um die darin enthaltenen Vorschriften in Anwendung zu bringen? Wer wird überhaupt ernstlich glauben, daß sich die Kunst zu lieben in der jetzigen edleren Bedeutung des Wortes lehren lasse? Man muß doch jeden Schriftsteller nach seiner Zeit, nach den Vorstellungen, Verhältnissen, Sitten und Gebräuchen, nach dem Stande der Gesammtbildung derselben beurtheilen. Wir verweisen in dieser Beziehung auf die Anmerkung zu den Liebesergüssen I, 8, 19. Die edlere Liebe war dem Alterthum so gut als unbekannt und mußte es sein nach der Stellung des weiblichen Geschlechtes.

In der Art der Bearbeitung sind wir unseren in der Vorrede zu den Verwandlungen dargelegten Grundsätzen treu geblieben; nur daß wir uns bei der Übersetzung in einigen Beziehungen etwas mehr Freiheit gestattet haben; was sich durch die Natur des Lehrgedichtes, die eine freiere Bewegung zuläßt, entschuldigen lassen wird.

Den Grundtext haben wir von den so oft unbegründeten, unbefugten und unnöthigen Vermuthungen und Änderungen Heinsiussens, ohne dessen große Verdienste um Ovid zu verkennen oder schmälern zu wollen, gesäubert und können das Verdienst einer neuen Recension desselben in Anspruch nehmen.

Im Übrigen beziehen wir uns auf das Vorwort zum vierten Theile.

Plauen, im August 1860.

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LIBER PRIMUS.

Erstes Buch.

Si quis in hoc artem populo non novit amandi,
Me legat, et lecto carmine doctus amet.
Arte citae veloque rates remoque reguntur,
Arte leves currus; arte regendus Amor.
Curribus Automedon lentisque erat aptus habenis;
Tiphys in Haemonia puppe magister erat.
Me Venus artificem tenero praefecit Amori.
Tiphys et Automedon dicar Amoris ego.
Ille quidem ferus est et qui mihi saepe repugnet;
Sed puer est, aetas mollis et apta regi.
Phillyrides puerum cithara perfecit Achillen,
Atque animos placida contudit arte feros.
Qui toties socios, toties exterruit hostes,
Creditur annosum pertimuisse senem.
Quas Hector sensurus erat, poscente magistro
Verberibus iussas praebuit ille manus.
Aeacidae Chiron, ego sum praeceptor Amoris.
Saevus uterque puer, natus uterque dea.
Sed tamen et tauri cervix oneratur aratro,
Frenaque magnanimi dente teruntur equi.
Et mihi cedet Amor, quamvis mea vulneret arcu
Pectora iactatas excutiatque faces.
Quo me fixit Amor, quo me violentius ussit;
Hoc melior facti vulneris ultor ero.
Non ego, Phoebe, datas a te mihi mentior artes;
Nec nos aeriae voce monemur avis;
Nec mihi sunt visae Clio Cliusque sorores
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Wer in dem Römischen Volk die Kunst zu lieben nicht kennet,1
Lese nur mich, und belehrt lieb‘ er nach meinem Gedicht.2
Kunst regiert das hurtige Schiff mit Segel und Ruder;3
Kunst das leichte Gespann : Amor’n auch lenke die Kunst.
Tauglich Autómedon war für Wagen und biegsame Zügel;4
Unter des Tiphys Befehl fuhr das Hämonische Schiff.5
Mich hat Venus bestellt dem zarten Amor zum Bildner;
Amors Autómedon wird nennen und Tiphys man mich.
Wild zwar ist er und oft zu widerstreben geneigt mir,6
Aber ein Knab‘, ein Kind, leicht zu regieren und weich.
Chiron bildete aus den Knaben Achill auf der Cither,7
Und mit gewinnender Kunst brach er den störrigen Sinn.
Der die Genossen so oft, so oft die Feinde erschreckte8
Soll gar mächtige Furcht haben gehabt vor dem Greis.9
Und die Hände, die einst ein Hector sollte empfinden,
Hielt zu Schlägen er hin, wann es der Lehrer gebot.
Chiron lehrte Achill, ich bin der Lehrer des Amor,
Beides Knaben gar wild, Göttinnen beide entstammt.
Aber vom Joche doch wird auch der Nacken des Stieres belastet;10
Und das muthige Roß kaut mit dem Zahne den Zaum.
Amor auch soll sich mir geben, so schwer er das Herz mit dem Bogen
Auch mir verwundet und weit schüttelt die Fackeln im Kreis.11
Je gewaltsamer traf, je heftiger Amor mich brannte,
Desto entschiedener will Rächer der Wunde ich sein.
Nicht daß, Phöbus, von dir mir Künste verliehen, erlüg‘ ich;12
Noch vom Laute gemahnt werd‘ ich der Vögel der Luft;
Noch sind Clio mir und die Schwestern erschienen der Clio,13
    Servanti pecudes vallibus, Ascra, tuis.
Usus opus movet hoc. vati parete perito.
Vera canam. coeptis, mater Amoris, ades.
Este procul vittae tenues, insigne pudoris,
Quaeque tegis medios, instita longa, pedes.
Nos venerem tutam concessaque furta canemus;
Inque meo nullum carnaine crimen erit.
Principio, quod amare velis, reperire labora,
Qui nova nunc primum miles in arma venis,
Proximus huic labor est placitam exorare puellam;
Tertius, ut longo tempore duret amor.
Hic modus, haec nostro signabitur area curru;
Haec erit admissa meta premenda rota.
Dum licet et loris passim potes ire solutis,
Elige, cui dicas: Tu mihi sola places.
Haec tibi non tenues veniet delapsa per auras:
Quaerenda est oculis apta puella tuis.
Scit bene venator, cervis ubi retia tendat;
Scit bene, qua frendens valle moretur aper.
Aucupibus noti frutices; qui sustinet hamos,
Novit, quae multo pisce natentur aquae.
Tu quoque, materiam longo qui quaeris amori,
Ante frequens quo sit disce puella loco.
Non ego quaerentem vento dare vela iubebo;
Nec tibi, ut invenias, longa terenda via est.
Andromedan Perseus nigris portavit ab Indis,
Raptaque sic Phrygio Graia puella viro.
Tot tibi namque dabit formosas Roma puellas:
Haec habet ut dicas, quicquid in orbe fuit.
Gargara quot segetes, quot habet Methymna racemos;
Aequore quot pisces, fronde teguntur aves;
Quot coelum stellas: tot habet tua Roma puellas;
Mater et Aeneae constat in urbe sui.
Seu caperis primis et adhuc crescentibus annis,
Ante oculos veniet vera puella tuos.
Sive cupis iuvenem, iuvenes tibi mille placebunt;
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    Während in deinen Au’n, Ascra, ich Herden bewacht.14
Lehrerin ist die Erfahrung. Gehorcht dem erfahrenen Sänger.
Wahrheit sing‘ ich. O hilf, Mutter Cupidos, dem Werk!
Weg, ihr Zeichen der Schaam, ihr dünnen Binden und lange15

Festlich die Göttin verehrt ihr Latiums Mütter und Töchter,
Und ihr, denen gebricht Binde und langes Gewand.

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Wenn die Binde auch nicht das gefesselte Haar und die lange
Stola den Fuß nicht hemmt, lehre nur züchtig sie sein.

17

                    Es will anrühren ja Mancher nur Jene,
Deren Knöchel bedeckt am besetzten Gewande die Falbel.

Falbel du, die du den Fuß bis in die Mitte bedeckst!
Ich will sichern Genuß und gestattetes Naschen nur singen;18
Und in meinem Gedicht werden Verbrechen nicht stehn.
Erstens trachte danach, was lieben du möchtest, zu finden,
Der du zum ersten Mal Waffen als Neuling ergreifst.
Nächstes Bestreben dann ist, die gefallen dir hat, zu erbitten.19
Drittens, daß lange Zeit habe die Liebe Bestand.
Diesen Bereich, dies Feld wird unser Wagen befahren,20
Halten auf dieses Ziel müssen das stürmende Rad.
Während du frei noch vom Zaum kannst hierhin gehen und dorthin,
Wähle, wo sagen du magst: Du, du gefällst mir allein.
Nicht wird diese herab durch die Luft geflogen dir kommen;
Eigene Augen erspähn müssen die Passende dir.
Weiß der Jäger ja doch, wo Netze den Hirschen er spanne,
Weiß, wo liegen im Thal bissige Eber versteckt.
Voglern sind die Gebüsche bekannt; wer führet die Angel,
Kennt das Wasser, worin Fische sich tummeln zu Haus.
Du auch, suchest du Stoff zu lang aushaltender Liebe,
Schaue zuvor, wo viel Mädchen sich finden, dich um.
Nicht dem Suchenden werd‘ ich rathen, die Segel zu spannen;21
Nicht langwieriger Weg thut dir zum Finden erst Noth.
Perseus holt‘ Andrómeda her von den schwärzlichen Indern,
Und von dem Phrygier so wurde die Griechin geraubt.22
So viel reizende Mädchen ja wohl wird Roma dir bieten,23
Daß du gestehst: Es hat Roma die Schätze der Welt.
So viel Gárgara Saaten besitzt und Reben Methymna;24

Gárgara selbst bewundert die eigenen Ernten. –

25

So viel Fische inr Meer, Vögel sich bergen im Laub;
So viel Sterne der Himmel: so viel hat Roma der Mädchen;26
Ihres Äneas Stadt segnet die Mutter noch fort.27
Wirst du vom ersten und noch frisch knospenden Alter gefesselt,
Wird dein forschender Blick finden ein wirkliches Kind.28
Wünschest du eine Erwachsne, es werden dir tausend gefallen;29

    Cogeris voti nescius esse tui,
Seu te forte iuvat sera et sapientior aetas,
Hoc quoque, crede mihi, plenius agmen erit.
Tu modo Pompeia lentus spatiare sub umbra,
Cum sol Herculei terga leonis adit;
Aut ubi muneribus nati sua munera mater
Addidit, externo marmore dives opus.
Nec tibi vitetur, quae, priscis sparsa tabellis,
Porticus auctoris Livia nomen habet;
Quaque parare necem miseris patruelibus ausae
Belides, et stricto stat ferus ense pater.
Nec te praetereat Veneri ploratus Adonis,
Cultaque Iudaeo septima sacra Syro.
Neu fuge linigerae Memphitica templa iuvencae:
Multas illa facit, quod fuit ipsa Iovi.
Et fora conveniunt – quis credere possit? – amori;
Flammaque in arguto saepe reperta foro.
Subdita qua Veneris facto de marmore templo
Appias expressis aere pulsat aquis:
Illo saepe loco capitur consultus Amori;
Quique aliis cavit, non cavet ipse sibi.
Illo saepe loco desunt sua verba diserto;
Resque novae veniunt, causaque agenda sua est.
Hunc Venus e templis, quae sunt confinia, ridet.
Qui modo patronus, nunc cupit esse cliens.
Sed tu praecipue curvis venare theatris:
Haec loca sunt voto fertiliora tuo.
Illic invenies, quod ames, quod ludere possis,
Quodque semel tangas, quodque tenere velis.
Ut redit itque frequens longum formica per agmen,
Granifero solitum cum vehit ore cibum;
Aut ut apes, saltusque suos et olentia nactae
Pascua, per flores et thyma summa volant:
Sic ruit in celebres cultissima femina ludos;
Copia iudicium saepe morata meum.
Spectatum veniunt; veniunt, spectentur ut ipsae.
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    Ganz zu vergessen den Wunsch wirst du genöthigt dich sehn.
Oder erfreut dich vielleicht das späte und weisere Alter:30
Das auch, glaube mir, wird’s geben in reichlichem Maß.
Schlendre nur lässig umher im Pompejanischen Schatten,31
Wann des Herculischen Leus Rücken die Sonne betritt;32
Oder auch wo den Gaben des Sohns die ihren die Mutter33
Beigefüget; ein Werk, reich an der Fremde Gestein.
Meide die Halle auch nicht, besät mit alten Gemälden,34
Die von der Stifterin man Halle der Livia nennt,
Und wo, Mord an den Vettern zu üben bereit, die Beliden35
Stehn, und der Vater dabei, wild mit gezogenem Schwert.
Auch vermisse dich nicht Adonis, von Venus bejammert;36
Noch des Jüdischen Volks Opfer am siebenten Tag;37
Noch der linnenbekleideten Kuh Memphitischer Tempel:38
Sie macht Viele dazu, was sie dem Jupiter war.39
Passend für Amor auch sind – wer sollte es glauben? – die Fora;40
Oft gefunden schon ward Lieb‘ auf dem lärmenden Markt.
Wo, errichtet am Fuß des Marmortempels der Venus,41
Mit aufspritzender Fluth Appias peitschet die Luft,
Das ist ein Ort, wo oft der Berather von Amor gefahn wird,42
Und, der Andre geschützt, selber sich schützen nicht kann.
Das ist ein Ort, wo oft dem Redner gebrechen die Worte,
Neue Fälle entstehn, eigene Sache es gilt.
Ueber ihn lacht aus dem Tempel, der nahe gelegen, die Göttin.
Der noch Beschützer vorher, wünscht nun der Schützling zu sein.43
Lege dich aber zumeist auf die Jagd in dem Amphitheater;
Günstiger ist der Ort, als du es wünschen nur kannst.
Da triffst Mädchen du an zum Lieben sowohl als zum Spielen,
Mädchen zu kurzem Genuß, Mädchen zu stetem Besitz.
Wie da in langem Zug Ameisen kommen und gehen,
Im korntragenden Maul schleppend das übliche Mahl;
Oder wie, wann sie erreicht ihr Feld und duftige Weide,
Bienen auf Blumen umher schwärmen und Thymiankraut.
Also stürzet das Weib in prangendem Schmuck zu den Spielen.
Oft die Menge schon hat meine Entscheidung erschwert.44
Da erscheint man, zu sehn; man erscheint, sich sehen zu lassen.
    Ille locus casti damna pudoris habet.
Primus sollicitos fecisti, Romule, ludos,
Cum iuvit viduos rapta Sabina viros.
Tunc neque marmoreo pendebant vela theatro,
Nec fuerant liquido pulpita rubra croco.
Illic, quas tulerant nemorosa Palatia, frondes
Simpliciter positae, scena sine arte fuit.
In gradibus sedit populus de cespite factis,
Qualibet hirsutas fronde tegente comas.
Respiciunt oculisque notant sibi quisque puellam,
Quam velit; et tacito pectore multa movent.
Dumque, rudem praebente modum tibicine Tusco,
Ludius aequatam ter pede pulsat humum:
In medio plausu – plausus tunc arte carebat –
Rex populo praedae signa petenda dedit.
Protinus exiliunt, animum clamore fatentes,
Virginibus cupidas iniiciuntque manus.
Ut fugiunt aquilas timidissima turba columbae,
Utque fugit visos agna novella lupos:
Sic illae timuere viros sine lege ruentes;
Constitit in nulla, qui fuit ante, color.
Nam timor unus erat, facies non una timoris.
Pars laniat crines, pars sine mente sedet;
Altera maesta silet, frustra vocat altera matrem;
Haec queritur, stupet haec; haec manet, illa fugit.
Ducuntur raptae genialis praeda puellae;
Et potuit multas ipse decere timor.
Si qua repugnabat nimium comitemque negabat:
Sublatam cupido vir tulit ipse sinu,
Atque ita: Quid teneros lacrimis corrumpis ocellos?
Quod matri pater est, hoc tibi, dixit, ero.
Romule, militibus scisti dare commoda solus.
Haec mihi si dederis commoda, miles ero.
Scilicet ex illo sollemnia more theatra
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    Nachtheil bringt der Ort züchtiger Schaam und Gefahr.
Romulus hat zuerst die besorglichen Spiele gegründet,45
Als der Sabinerin Raub einsamen Männern gefrommt.46
Damals hingen noch nicht Vortücher auf marmornem Schauplatz,47
Hatte die Bühne nicht roth flüssiger Safran gefärbt.
Zweige nur waren allda, die Palatiums Haine getragen,48
Einfach gesteckt; kunstlos stellte die Bühne sich dar.
Stufen, von Rasen gemacht, da dienten dem Volke zu Sitzen;
Laub von jeglicher Art deckte das struppige Haar.49
Überall sieht ein Jeder sich um und merkt sich ein Mädchen,
Welches er wünscht; und viel denkt man in schweigender Brust.
Während zur rauhen Musik des Tuscischen Pfeifers der Spieler50
Dreimal nun mit dem Fuß stampft den geebneten Plan;
Da gab mitten im Klatschen – das Klatschen entbehrte der Kunst noch –51
Gab der König dem Volk Zeichen die Beute zu fahn.52
Plötzlich springen sie auf, durch Geschrei die Gesinnung verrathend,
Und an die Mädchen zumal legen sie gierig die Hand.
Wie vor dem Adler entflieht das schüchterne Völkchen der Tauben,
Oder das zarte Lamm vor dem gesehenen Wolf:53
Also fürchteten diese die wild anstürmenden Männer;54
Keine die Farbe behielt, welche zuvor sie gehabt.55
Denn die Furcht war gleich, nicht gleich die Miene der Furcht nur:
Diese zerraufen das Haar, Andere sitzen entseelt;56
Diese ist stumm vor Schmerz, umsonst ruft Jene die Mutter;
Die klagt, Die ist starr; Die bleibt, Jene entflieht.57
Fort führt man den erfreulichen Raub, die erbeuteten Mädchen;
Und wohl vielen verlieh Reize gerade die Furcht.58
Sträubte sich Eine zu sehr und weigerte sich des Begleiters,59
Nahm der Mann sie und trug selbst sie an sehnender Brust,
Sprechend: Warum doch verdirbst du mit Thränen die reizenden Augen?
Will ich dir das doch, was Vater der Mutter ist, sein.
Romulus, du nur verstandest Gewinn den Soldaten zu schaffen:60
Willst du mir solchen Gewinn schaffen, so werd‘ ich Soldat61.
Ja, es bleiben gewiß die festlich besuchten Theater
    Nunc quoque formosis insidiosa manent.
Nec te nobilium fugiat certamen equorum:
Multa capax populi commoda Circus habet.
Nil opus est digitis, per quos arcana loquaris;
Nec tibi per nutus accipienda nota est.
Proximus a domina, nullo prohibente, sedeto;
Iunge tuum lateri, quam potes, usque latus.
Et bene, quod cogit, si nolit, linea iungi;
Quod tibi tangenda est lege puella loci.
Hic tibi quaeratur socii sermonis origo,
Et moveant primos publica verba sonos.
Cuius equi veniant, facito studiose requiras.
Nec mora: quisquis erit, cui favet illa, fave.
At cum pompa frequens certantibus ibit ephebis:
Tu Veneri dominae plaude favente manu.
Utque fit, in gremium pulvis si forte puellae
Deciderit, digitis excutiendus erit.
Et, si nullus erit pulvis, tamen excute nullum.
Quaelibet officio causa sit apta tuo.
Pallia si terrae nimium demissa iacebunt:
Collige et immunda sedulus effer humo.
Protinus officii pretium, patiente puella,
Contingent oculis crura videnda tuis.
Respice praeterea, post vos quicunque sedebit,
Ne premat opposito mollia terga genu.
Parva leves capiunt animos. Fuit utile multis,
Pulvinum facili composuisse manu.
Profuit et tenui ventum movisse tabella,
Et cava sub tenerum scamna dedisse pedem.
Hos aditus Circusque novo praebebit amori
Sparsaque sollicito tristis arena foro.
Illa saepe puer Veneris pugnavit arena;
Et qui spectavit vulnera, vulnus habet.
Dum loquitur tangitque manum poscitque libellum
Et quaerit posito pignore, vincat uter:
Saucius ingemuit telumque volatile sensit,
Et pars spectati muneris ipse fuit.
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    Nach damaliger Art Schönen gefährlich noch jetzt.
Laß dir entgehen auch nicht den Wettkampf edeler Rosse;62
Der volkswimmelnde Kreis bietet dir reichen Gewinn.
Nicht der Finger bedarf es, durch die du Geheimes besprachest;
Noch ein Zeichen auch brauchst du zu empfangen durch Wink:
Setze, da Keiner es wehrt, dich dicht ganz zu der Erwählten;63
Schmiege, so eng du nur kannst, Seite an Seite dich an.64
Gut, daß, wenn sie nicht will, zur Vereinigung nöthigt die Linie,65
Daß du berühren sie mußt nach dem Gesetze des Orts.
Anzuknüpfen nun suchst du den Faden geselliger Rede;66
Und des Gespräches Beginn mach‘ ein gewöhnliches Wort.
Magst mit Eifer erkundigen dich, weß Rosse da kommen.67
Wem sie hold, dem sei du es auch, wer es auch ist.
Aber erscheinet der Zug im Gedräng wetteifernder Jugend,68
Klatsche mit günstiger Hand Venus, der Herrscherin, zu.
Und wenn, wie es geschieht, auf den Schooß Staub sollte dem Mädchen
Fallen, so streiche den Staub ihr mit den Fingern hinweg.
Und wenn keinen es giebt, so streiche hinweg doch den keinen,
Jede Gelegenheit sei Dienste zu leisten dir recht.
Schleppt, heruntergelassen zu weit, auf dem Boden der Mantel,
Nimm von der schmutzigen Erd‘ ämsig erraffend ihn auf69
Alsbald wird zur Belohnung der Müh‘, indem sie es duldet,70
Deinen Augen das Glück werden die Schenkel zu sehn.71
Siehe zudem dich um, daß ihr den schwellenden Rücken
Nicht anstemmend das Knie drücke, wer hinter euch sitzt.
Kleines gewinnt ein leichtes Gemüth. Es nützte schon Manchem,72
Wenn er gefälliger Hand legte das Kissen zurecht;73
Wenn mit dem dünnen Fächer die Luft er brachte in Strömung.74
Stützenden Schemel ihr gab unter den reizenden Fuß.75
Solche Gelegenheit beut zu neuer Liebe der Circus
Dar und der traurige Sand auf dem gefährlichen Plan.76
Auf dem Plane schon oft hat Venus‘ Knabe gestritten;
Und verwundet ist der, welcher die Wunden geschaut.77
Während er spricht und greift nach der Hand und fordert die Tafel,78
Setzet das Pfand und fragt, welcher von beiden wol siegt:
Hat er, verwundet, erseufzt und gefühlt den beflügelten Pfeil schon,
Ist des gesehenen Spiels selber geworden ein Theil.79
  1. V. 1. Durch die Beschränkung seiner Belehrung auf das Römische, oder wie es im Original heißt, auf dieses Volk giebt der Dichter zu erkennen, daß eine solche für die Griechen – denn nur an diese ist zu denken, da kein anderes Volk eine Literatur besaß – nicht nöthig sei, daß die Griechen dergleichen Anweisungen schon hätten; weßhalb ihm auch kein Vorwurf zu machen sei, wenn er diesen nachgearbeitet habe.
  2. V. 2. Für me legat geben einige Handschriften hov legat, sowie für amet einige eat, anderer fehlerhafter Lesarten nicht zu gedenken.
  3. V. 3. Aus einigen vorzüglichen Quellen hat Heinsius moventur für reguntur aufgenommen und Burmann beibehalten. Sie berufen sich auf Her. 13, 101. Am. I, 2, 26. Virg. Aen. 5, 280. Val. Flacc. 2, 110. In allen diesen Stellen wäre jedoch regere sinn- oder maßwidrig. Jedenfalls drückt regere an unsrer Stelle den beabsichtigten Sinn treffender aus als movere, und findet auch Bestätigung in der Wiederholung im folg. Verse; abgesehen von der überwiegenden handschriftlichen Autorität für reguntur.
  4. V. 5. Automedon, durch seine Geschicklichkeit berühmter Wagenlenker Achills.
  5. V. 6. Tiphys, der Steuermann der in Hämonien (Thessalien) erbauten Argo. S. zu Verw. 7, 1.
  6. V. 9. G. Lesart repugnat.
  7. V. 11 f. S. zu Verw. 2, 630. – Über Chirons Bezeichnung im Original f. zu Verw. 7, 352.
  8. V. 13. Die Genossen . . erschreckt hat bezieht sich auf das zu Verw. 13, 443 Bemerkte. – Exterruit sollen nach Heinsius »die besseren« geben gegen perterruit der übrigen. Auch, meint Heinsius, sei perterruit hart, weil gleich pertimuisse folge. Es ist aber die Frage, ob der Dichter nicht absichtlich gleiche Zusammensetzungen gewählt hat.
  9. V. 14. A. L. dicitur.
  10. V. 19. Zwei Handschriften tauri curvis onerantur aratris.
  11. V. 22. Durch Schütteln und Schwingen lodert die Fackel heftiger und entzündet, wirkt also mächtiger. Vergl. Verw. 4, 508. 758 u. Anm. 10, 7.
  12. V. 25 ff. Nicht vom Sängergotte Apollo oder von den Musen begeistert, noch von Weissagevögeln belehrt, gehe ich an dieses Werk. – Künste, der Liebe nämlich, Mittel eine Geliebte zu gewinnen &c. – Vom Laute der Vögel der Luft; s. zu Verw. 13, 771. – A. L. mentiar.
  13. V. 27. Clio, eigentlich die Muse der Geschichte, hier ohne diese Beziehung genannt.
  14. V. 28. Ascra war die Vaterstadt des Griechischen Dichters Hesiodus (vergl. Liebeserg. I, 15, 11). Ihm sollen, als er in den Thälern des Helikon die Herden seines Vaters weidete, die Musen erschienen und ihn an die begeisternde Quelle Hippokrene (s. zu Verw. 5, 257.) geführt und zum Dichter geweiht haben.
  15. V. 31 f. Die Worte selbst lehren, daß der Dichter das ehrbare weibliche Geschlecht von dem Lesen seiner Kunst ausgeschlossen wissen will und mit den angeführten Kleidungsstücken solche nennt, die wesentlich nur diesem zukamen. Die Binde (vitta) war eine Art Schleier, der meist zwischen einer unteren und oberen Haarlage um den Kopf geschlungen, mit zwei Zipfeln oder Bändern (taeniae, Virg. Än. 7, 352.) zu beiden Seiten auf die Schultern oder hinter denselben herabhing, aber nicht zur Verhüllung des Gesichtes gebraucht wurde. Nur freigeborne, ehrbare Frauen und Jungfrauen, wie gesagt, trugen diese Vitta; daher sie auch, nur vielleicht in etwas anderer Art, eine Auszeichnung der Vestalinnen war. S. Liebesergüsse III, 6, 56. – Ein anderes eigenthümliches Kleidungsstück ehrbarer Frauen war die stola, das eigentliche Kleid im engeren Sinne (s. zu Liebeserg. III, 13, 24). Dasselbe wurde über dem nicht viel über die Knie herunterreichenden Hemde (tunica, s. zu Liebeserg. I, 5, 9) in der Regel nur außer dem Hause getragen und bestand aus einem weiten Gewande ohne Ärmel, das länger war als der Körper, aber unter der Brust so gegürtet wurde, daß es mit der Falbel bis auf die Mitte des Fußes reichte. An dem in einem Purpurstreifen bestehenden unteren Besatze befand sich nämlich noch eine Falbel (instita), die ziemlich, ja auffallend lang sein mußte, da sie für die Stola selbst steht, wenn man nicht annehmen will, daß das Beiwort lang auf die durch die Falbel bewirkte oder an derselben sichtbare Länge der ganzen Stola gehe. Nur kürzere, von der männlichen Toga nicht sehr verschiedene Kleider waren anderen Frauenzimmern, besonders den Buhlerinnen, aber auch den wegen Ehebruchs gerichtlich verurtheilten Ehefrauen gestattet. Vergl. unsern Dichter Festkal. 4, 133 f.
  16. Tibull, I, 6, 67 f.
  17. Horatius Sat. I, 2, 29:
  18. V. 33. Sichern Genuß &c., gesetzlich Erlaubtes, wie es der Dichter selbst Trauerged. 2, 249 milder ausdrückt, d. h. bei solchen Frauen, die nicht Binde und Stola trugen. Bei edelgebornen Frauen war Gefahr für beide Theile, wenn sie vom Hüter (s. zu Liebeserg. II, 2. 1.) oder Ehemann betroffen wurden. S. übrigens zu Liebeserg. I. 8, 10.
  19. V. 37. Zu erbitten, durch Bitten zu gewinnen. – A. L. placidam;
  20. V. 39 f. Bilder, von dem Wettfahren im Circus hergenommen. Vergl. Liebeserg. III, 2. – A. Lesart hic nostro, auch hic nobis. Dann schwanken die Handschriften zwischen terenda und premenda, auch tenenda, Lesarten, die an sich alle gleich gut sind, von denen wir aber premenda vorziehen, weil tenenda nur schwach bezeugt ist und terenda bald (V. 52) folgt.
  21. V. 51. Die Segel zu spannen, zu Schiffe zu gehen.
  22. V. 54 f. Perseus holte &c.; s. Verw. 4, 663 ff. – Von den schwärzlichen Indern; s. zu Verw. I, 774. Vergl. das. 4, 21. Liebeserg. I. 13, 31. – Von dem Phrygier &c, von Paris die Helena. Wie wir den Text gegeben, portavit . . raptaque sic, bezeugen ihn alle Handschriften. Dagegen liest man jetzt in den Ausgaben portarit . . raptaque sit einer Vermuthung Naugers und der Ausgabe des Gryphius v. 1554, Lesarten, die einen ebenso vortrefflichen Sinn und Zusammenhang geben, aber nur eben aller Autorität entbehren, auch durch keinerlei Abweichung der Handschriften begründet sind.
  23. V. 55. Aus einem alten Codex soll Scaliger tamque angemerkt haben, und so steht nun in allen Ausgaben. Allein erstens ist namque dem Sinne ganz angemessen und kommt auch sonst bei Ovid nicht selten nachgesetzt vor (vergl. unsern Index zu Verw.). Sodann bezieht sich der Folgesatz auch nur auf die Menge (tot), nicht auf den Grad (tam). Endlich kann jener eine Codexschreiber sich eher geirrt haben, als alle übrigen.
  24. V. 57. Gárgara oder Gárgarus, »die oberste Höhe des quellenreichen Ida in Phrygien oder Mysien, einer fruchtbaren Landschaft in Kleinasien am Hellespont,« dann auch eine Stadt daselbst. Die Fruchtbarkeit seiner Fluren war sprichwörtlich. Virg. Ldb. I. 103:
  25. Reben Methymna; s. zu Verw. 11, 55.
  26. V. 59 f. sollen nach Heinsiussens Behauptung unecht sein, der Hexameter vermutlich wegen des Reimes der beiden Halbverse, der Pentameter wegen der Ähnlichkeit mit Liebeserg. I, 8, 42. Den Reim anlangend, s. die in unserem Index zu Verw. unter Verseangeführten Beispiele; und was die Ähnlichkeit des Gedankens und Ausdruckes betrifft, so zeugt diese eher für als gegen die Echtheit. Und wo bliebe der Nachsatz zu allen den Vordersätzen?
  27. V. 60. Ihres Äneas &c., s. zu Verw. 13, 625. – Lesart des Fragm. Oxon. Mater in Aeneae constitit urbe sui.
  28. V. 62. Für placebunt hat eine Handschrift ebenfalls sehr passend patebunt.
  29. V. 63 f. Es werden dir so viele sich darbieten, daß du vor der großen Menge nicht wissen wirst, welche du wählen sollst, und so eher ganz abstehen wirst. – Die Lesart der meisten Quellen ist cogeris et. Ovid liebt allerdings die Verbindung. Das Futurum ist aber nothwendig, wie placebunt und nachher erit beweisen. Daher hat Heinsius cogere et vermuthet; an sich passend, aber nicht hdschrftlich begründet und nicht nothwendig.
  30. V. 65 f. Vergl. Liebeserg. II, 4, 45. In reichlichem Maß; im Original ist der Ausdruck, wie so oft bei den kriegerischen Römern, von einer dichtgedrängten, lückenlosen Kriegerschaar hergenommen. – A. Lsrt. crebrius, Glosse.
  31. V. 67 ff. Der Dichter führt die besuchtesten öffentlichen Orte, Spaziergänge, Tempel &c. an. – Im Pompejanischen Schatten, in dem von Pompejus erbauten Säulengange (s. zu Liebeserg. II, 2, 3). Vergl. unten III, 387 ff.
  32. V. 68. Zu der Zeit, wo die Sonne ein das Sternbild des Löwen tritt, im Monate August, wo die heißesten Tage sind und das lustwandelnde Publicum die schattigen Plätze am eifrigsten sucht. Das Sternbild des Löwen war der von Hercules erlegte und an den Himmel versetzte Nemeische Löwe. S. zu Verw. 9, 197. Von den Sternbildern sprechen die Dichter so, als ob sie wirklich Dasjenige wären, was sie bildlich darstellen. Daher hier die Sonne den Rücken des Leu’s betritt. Vergl. Verw. 2, 78 n. A. – Für terga geben einzelne Hdschrften colla, membra, signa; eine auch habet für adit.
  33. V. 69 f. Die von Augustus erbaute und von seiner Mutter Octavia erweiterte und verschönerte Halle, mit Säulen oder auch Bildsäulen von ausländischem, meist Griechischem (weißem), aber auch Asiatischem und Afrikanischem (buntem) Marmor. – Für externo einige Hdschrften aeterno.
  34. V. 71. Die Liviahalle war, wie die berühmte Stoa poikile zu Athen, mit Gemälden von Göttern, Heroen, berühmten Männern geschmückt.
  35. V. 73 f. Die Apollohalle mit den Bildsäulen der Beliden &c.; s. zu Verw. 4, 463. Vergl. Liebeserg. III, 2, 3 n. Anm. Trauerges. III. 1, 59 ff. – Aus der letzteren Stelle rührt auch die Lsrt barbarus in einigen Hdschrften an unserer Stelle her.
  36. V. 75. Adonis &c., der Tempel der Venus, wo sie mit ihrem geliebten Adonis vereint verehrt wurde, und wo, wie es nach dem Wortlaute unserer Stelle scheint, ein Gemälde oder eine Bildsäulengruppe sich befand, welche den Tod des Adonis und den Schmerz der Venus darüber (s. Verw. 10, 708 ff.) darstellte; oder es war dieser Tempel und die darin begangene Feier ausschließlich der Erinnerung an diese traurige Begebenheit gewidmet, wie bei dem Verw. 10, 725 ff. n. A. berührten Adonisfeste in den dem Venusdienste besonders ergebenen Städten der Griechischen Inseln, aus denen es nach Rom verpflanzt worden. Denn schon zu Ovids Zeiten hatten in Rom alle möglichen fremden Culte, wie gleich das Folgende lehrt, Aufnahme gefunden.
  37. V. 76. Auch die Juden hatten also in Rom freie Religionsübung und feierten ihren Sabbat unter zahlreichem Besuche des neugierigen Römischen Publicums. – Höchst auffallend ist der Ausdruck septima sacra für septimo quoque die. Hier sowohl als unten V. 416, wo derselbe Vers mit einer kleinen Veränderung wiederkehrt, geben alle Handschriften sacra viro. In Fragm. Bodlej steht aber zu dessen Lesart deo als Variante syro beigeschrieben, und so sollen auch Puteans und Scaligers Excerpte haben. Leicht möglich, daß dies das Echte ist, da Eigennamen so oft in den Hdschrften verdorben und beide Wörter äußerlich einander so ähnlich sind, indem Eigennamen nicht etwa mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben werden und für y ebenso oft i wie dieses für jenes sich findet. Auch spricht für Syro eine der unsrigen, besonders der unten V. 416 sehr ähnliche Stelle Tibulls I, 7, 18: Alba Palaestino sancta columba Syro. Aber auch viro ist ohne Tadel und vir oder viri wird oft von den Dichtern mit dem Adjectiv des Volksnamens für diesen gebraucht; z. B. Verw. 13, 430.
  38. V. 77. Der Memphitische Tempel, d. h. der Ägyptische, nach Ägyptischer Art, mit Ägyptischem Cultus eingerichtete oder mit seinem Cultus aus Ägypten stammende (Memphis, Hauptstadt von Mittelägypten in der Nähe der Pyramiden, daher für Ägypten selbst, jetzt spurlos verschwunden). – Der linnenbekleideten Kuh, der in eine Kuh verwandelten, dann zur Göttin Isis gewordenen Io. S. Verw. 1, 610 ff. 734 ff. n. A. zu V. 747. Wegen des Beiworts linnenbekleidet s. zu Liebeserg. II, 2, 25. – Auch hier wie an den eben angeführten Stellen schwankt die Lesart zwischen linigerae, lanigerae, niligenae.
  39. V. 78. Vergl. Liebeserg. II, 2, 25 n. A. – Für ipsa einige Handschriften ante.
  40. V. 79 f. Forum im weitesten Sinne heißt jeder Platz außer dem Hause, daher Straße, Gasse, und steht oft in demselben Sinne, wie diese Wörter im Deutschen. Auf den Gassen gab es, da an den Häusern, die nach der Straße keine Fenster hatten (s. zu Verw. 14, 752), allerhand Buden standen, lebhaften Verkehr. Der Mittelpunct alles Verkehrs aber und des öffentlichen Lebens überhaupt (s. zu Verw. 15, 841. Liebeserg. I, 15, 6) war das forum Romanum, der große Markt zu Rom, der einen bedeutenden Umfang hatte, mit Säulengängen versehen und zu des Dichters Zeit bedeckt war. Außer dem Hauptmarkte gab es aber auch noch andere fora, besonders das forum Cäsars (s. d. folg. V.) und später das prachtvolle forum Trajans mit der berühmten Säule dieses Kaisers. – Die Lesarten ad fora und amoris sowie referta od. repleta verdienen keine Berücksichtigung.
  41. V. 81 f. Eben auf dem forum Cäsars stand der aus Marmor erbaute Tempel der Venus Erzeugerin und am Fuße desselben – denn alle Tempel lagen hoch und führten Stufen zu denselben (Verw. 1, 375. 8, 715) – ein Brunnen, wie es scheint, ein Springbrunnen, von dessen Erbauer Appius der Appische (Appias) genannt, wahrscheinlich mit Bildsäulen der Nymphen verziert, wie unten aus III, 451 hervorzugehen scheint.
  42. V. 83 ff. Der Berather, der guten Rath ertheilt. – Der Andre geschützt, derjenige, welcher Andre geschützt hat. – Diese Stelle in Verbindung mit V. 85 lehrt, erstens, daß auch Liebeserg. I, 13, 21 consulto, wie auch alle Handschriften außer Barb. haben, zu lesen und auch dort blos derjenige zu verstehen ist, welcher Rath ertheilt, ohne selbst Processe zu führen; zweitens daß disertus den eigentlichen Redner bedeutet, der einen Rechtshandel durch mündlichen Vortrag vor dem Richter führt. – Causa sui, wie Heinsius mit cod. Polit. giebt, ist zwar ganz gut, sua aber, das die übrigen (einige jedoch subit, einer subest) haben, ebenfalls ohne Tadel. – Amori gegen amore wird von Fragm. Bold. und einem andern Codex geboten, auch durch amoris in anderen bestätigt.
  43. V. 88. Beschützer (mit dem eigentlichen Worte patronus) Anderer. Der Schützling (cliens), der sich nicht selbst zu rathen und zu helfen weiß, sondern eines Fürsprechers, Wortführers bedarf.
  44. V. 98. Vergl. oben V. 64.
  45. V. 101. Die besorglichen Spiele, die in gar vielfacher Beziehung Sorgen machen, dem eifersüchtigen Manne wie dem Liebhaber, der eroberungssüchtigen Schönen wie der liebenden Gattin.
  46. V. 102. S. zu Verw. 14, 801.
  47. V. 103 ff. Die folgende Schilderung und Erzählung dient dazu, die Gefährlichkeit der Schauspiele für die strenge Zucht und gute Sitte zu erklären. – Noch nicht Vortücher in marmornem Schauplatz, d. h. es gab weder Vortücher, noch war der Schauplatz von Marmor. Vortücher zum Schutze gegen Sonne und Witterung (vergl. Verw. 10, 595 n. A.). »In dem Balkenwerke des höchsten Stockwerkes des Amphitheaters befanden sich Vorrichtungen für das Gerüst, über welches zum Schutz gegen Sonne und ungünstiges Wetter das Velarium (der Überzug) ausgespannt wurde.« – Hatte die Bühne &c. »Das Proscenium war während des Spiels durch ein hölzernes Gerüst (púlpitum), das als eigentliche Schaubühne diente, erhöht.« Die etwas schräg liegende Diele dieser Bühne war mit in Wein aufgelöstem Safran, den die Römer theils als Farbe der Freude (s. zu Verw. 10, 1), theils wegen seines ihnen sehr angenehmen Geruches ganz besonders liebten (vergl. zu Verw. 3, 555), überführt. – A. L. tincta für rubra.
  48. V. 105 f. Zweige &c. wahrscheinlich als eine Art Coulissen. – Palatiums Haine; vergl. Verw. 14, 822.
  49. V. 108. In den späteren Zeiten des Luxus trug man bei Festen, Schmäusen &c. Kränze von Epheu (zu Verw. 3, 665), besonders aber von Rosen, und verwendete übertriebene Sorgfalt auf die Pflege des Haares (s. zu Liebeserg. I, 14, 13.). In jener ältesten Zeit aber, sagt der Dichter, trug man einen Kranz vom ersten besten Baume (vergl. Verw. 1, 451) und überließ man auch das Haar völlig seinem natürlichen Wuchse, ohne es zu scheeren. S. Verw. 4, 13.
  50. V. 111 f. S. zu Liebeserg. III, 13. Der Spieler, d. h. der Schauspieler, pantomimische Darsteller, Tänzer. S. zu Liebeserg. II, 4, 29. – Die Lesart der Handschriften Lydius ist wegen des vorausgegangenen Tusco höchst verdächtig, da eben Lydius nichts Anderes sein würde als Tuscus und doch als etwas Anderes erscheinen würde und müßte. Daher hat wol ludius, wie Scaliger und Politian lesen und Moret als Variante hat, auch cod. Reg. mit ludis zu bestätigen scheint, in dem eben angegebenen Sinne Viel für sich.
  51. V. 113. Mitten im Klatschen, als die Lust den höchsten Grad erreicht hatte. Das Klatschen war etwas Selbstverständliches und Regelmäßiges (vergl. Liebeserg. III, 2. 44), nur die Art in späteren Zeiten sehr verschieden, so verschieden, daß sie förmlich erlernt wurde.
  52. V. 114. Praedae signa petenda eine auffallende Nachlässigkeit oder vielmehr offenbare Unrichtigkeit, vielleicht zu erklären, keineswegs zu rechtfertigen, durch den Dichtergebrauch, adjektivische Redetheile grammatisch zu einem andern Substantive zu ziehen, als wozu sie logisch gehören, besonders wo zwei Substantive zu einem Begriffe verschmelzen, wie z. B. Verw. 8. 666 sincerae bacca Minervae, frische Minervensbeere (Olive), also hier etwa Beuteholungszeichen.
  53. V. 118. A. L. Ut fugit invisos. Vergl. Jedoch Ep. P. II, 7, 11.
  54. V. 119. Für sine lege hat Burmann aus cod. Schefferi sine more aufgenommen und zwar die Richtigkeit dieses Ausdrucks überhaupt und für die fragliche Sache aus Virg. Än. 8, 635, damit aber nicht die Echtheit an unserer Stelle bewiesen. Vergl. zu Liebeserg. I, 15, 42.
  55. V. 120. Cod. Vat. constitit et nulli.
  56. V. 122. Einige Handschriften laniant.
  57. V. 124. Die bleibt. Dies ist der erste Fall, wo wir in unserer Übersetzung von dem regelrechten Maße des Pentameters abzusehen genöthigt gewesen sind. Bei der zwingenden Kürze der Sätze und dem gänzlichen Mangel kurzsilbiger Stammwörter im Deutschen ist es unmöglich, es anders zu machen.
  58. V. 126. Zwischen pudor und timor schwanken hier, wie oft, die Handschriften. Letzteres sollen nach Heinsius »die älteren« haben, und wirklich scheint auch Furcht darum passender, weil, daß Schaam einem Mädchen wohl ansteht, etwas Gewöhnliches und Selbstverständliches ist.
  59. V. 127. Repugnarat und negarat, sagt Heinsius, hätten die Handschriften »besseren Schlags«, d. h. er will ändern. Wir wenigstens können die Plusquamperfecta nicht logisch begründet finden. Die Weigerung und das Sträuben dauerte ja noch fort, als der Mann sie aufhob und forttrug. Auch will Heinsius comitem, weil se fehle, durchaus nicht leiden, sondern dafür nimium wiederholt wissen, und schilt auf »die nachlässigen Abschreiber«.
  60. V. 131. Da viele gute Handschriften munera, andere auch praemia haben, so rechtfertigt Burmann commoda als das eigentliche Wort für die Belohnungen, welche ausgedienten Kriegern über den Sold gegeben worden.
  61. V. 132. Der Verfasser war, wie er an vielen Stellen seiner Gedichte zu erkennen giebt und ausdrücklich sagt, ein abgesagter Feind des Waffen- und Kriegshandwerkes.
  62. V. 135 ff. Nicht minder als die Theater, wo scenische Stücke, Pantomimen, Tänze aufgeführt wurden, bietet der Circus mit seinem Wagenwettrennen vielfache Gelegenheit dar, ein Liebchen zu finden. Vergl. zu dieser ganzen Stelle Liebeserg. III, 2.
  63. V. 139. A. L. proximus ad dominam. Heinsiussens Conjectur proximus at dominam ist ganz unberechtigt.
  64. V. 140. A. L. qua potes, durch die Schreibart veranlaßter Irrthum.
  65. V. 141 f. S. zu der angef. St. V. 19 f. – Viele gute Handschriften si nolis, wenn du auch nicht wolltest, doch wohl s. v. a. es dir nicht getrautest; weit minder passend.
  66. V. 143. Nicht übel nach Burmann Cod. Pal. hinc, von dem Umstande, daß das Gesetz des Ortes es so mit sich bringe.
  67. V. 145. Bemerkenswert ist der Vocativ des Adjectivs, wo es als Apposition zum Verb steht.
  68. V. 147 f. S. die oben angef. St. V. 43 n. A. – Wetteifernder Jugend, des jungen Volks, welches wetteifert, an dem Zuge Theil zu nehmen, und zwar an der Spitze desselben zu ziehen. – Der seit Heinsius herrschende Text lautet caelestibus ibit eburnis, und dies nach Fragm. Oxon., cod. Jur. und einer Variante in cod. Comel. Diese Beglaubigung ist nun erstens sehr schwach den Zeugnissen aller übrigen Handschriften gegenüber. Zweitens ist auch gar nicht denkbar, woher in den letzteren die Verderbniß gekommen, da eher ephebis als fremdes und im Lateinischen höchst selten vorkommendes Wort zu einer Verderbniß hätte Veranlassung geben können, als das bekannte eburnis. Drittens steht, wo diese pompa erwähnt wird, niemals eine nähere Bestimmung dabei, woraus sie bestanden habe, weil eine solche nicht nöthig war. Vergl. Liebeserg. 1, 2, 44. III, 13, 29. Dagegen wird die Theilnahme, das Vorausziehen der Bursche und Mädchen bei dem feierlichen Umzuge öfter ausdrücklich erwähnt. so ebendas. I, 2, 27. III, 13, 23. Daher ist die Lesart certantibus . . ephebis nicht anzutasten, wenn sich auch für certantibus einzeln cantantibus, plaudentibus, gaudentibus, currentibus, citantibus findet, alles (mit Ausnahme des letzteren, das auch prosodisch falsch ist) sinnverwandte, glossirende Wörter, welche auf denselben Sinn hinauslaufen, unter der lebhaften, fröhlichen Theilnahme der Jugend.
  69. V. 154. A. L. aufer. – In munde, wie einige haben für immunda, wäre zwar auch sehr sinnreich, nur nicht wahrscheinlich.
  70. V. 155. Für officii einige Handschriften officio, sowie für patiente mehrere praestante.
  71. V. 156. A. L. contigerint.
  72. V. 159. Kleines, Kleinigkeiten, kleine Dienstleistungen, Aufmerksamkeiten. – Ein leichtes Gemüth, das leicht erregbar ist, wie ein Mädchenherz.
  73. V. 160. Da das Kissen zurecht gelegt werden konnte, so mußte es beweglich sein, und folglich hatte jeder einzelne Sitz sein Kissen. – Gegen pulvinar, das viele Handschriften für pulvinum haben, bemerkt Burmann, daß jene Form eigentlich nur von den Polstern gebraucht worden sei, worauf die Götterbilder ausgestellt wurden. – A. L. supposuisse.
  74. V. 161. S. zu Liebeserg. III, 2, 37. – Zwischen der Beziehung des Adjectivs tenuis auf ventus und tabella, dann dem Singular und Plural von ventus, auch der Stellung von tenuis und ventus, endlich dem Accus. und Ablat. von ventus und tabella schwanken die Handschriften auf eine merkwürdige Weise. Auch findet sich tabello, flagello, flabello und scabella.
  75. V. 162. S. ebend. zu, V. 64. – Das Beiwort cava geht auf die Form, vermöge deren es gut stehen und stützen konnte, wenn es nicht etwa halbmondförmig nach oben geschweift ausdrücken soll.
  76. V. 164. Der traurige Sand &c., das Amphitheater mit den Fechterkämpfen. Der Kampfplatz (Plan) war mit Sand überzogen, der das Blut der Gefallenen einsog und alsbald wieder aufgefrischt und geebnet, zu neuem Kampfe hergerichtet wurde. Vergl. Liebeserg. II, 14, 8 n. A.
  77. V. 166. Welcher die Wunden geschaut, welcher nur die Wunden der Fechter als Zuschauer zu sehen gekommen war und gesehen hat.
  78. V. 167 f. Über die muthmaßlich siegende Partei wurden Wetten gemacht, zu deren genauer Feststellung schriftliche Abfassung auf der Schreibtafel, Handschlag und Pfandgabe (Ring) Statt fand.
  79. V. 170. Muneris wird von einigen der besten Quellen gegen die gem. Lesart vulneris geboten.
Quid, modo cum belli navalis imagine Caesar
Persidas induxit Cecropidasque rates?
Nempe ab utroque mari iuvenes, ab utroque puellae
Venere; atque ingens orbis in urbe fuit.
Quis non invenit, turba quod amaret in illa?
Eheu, quam multos advena torsit Amor!
Ecce, parat Caesar domito quod defuit orbi
Addere. nunc, Oriens ultime, noster eris.
Parthe, dabis poenas: Crassi gaudete sepulti,
Signaque barbaricas non bene passa manus.
Ultor adest primisque ducem profitetur in armis;
Bellaque non puero tractat agenda puer.
Parcite natales timidi numerare deorum:
Caesaribus virtus contigit ante diem.
Ingenium caeleste suis velocius annis
Surgit et ignavae fert male damna morae.
Parvus erat manibusque duos Tirynthius angues
Pressit, et in cunis iam Iove dignus erat.
Nunc quoque qui puer es, quantus tum, Bacche, fuisti,
Cum timuit thyrsos India victa tuos!
Auspiciis animisque patris, puer, arma movebis,
Et vinces animis auspiciisque patris.
Tale rudimentum tanto sub nomine debes,
Nunc iuvenum princeps, deinde future senum.
Cum tibi sint fratres, fratres ulciscere laesos;
Cumque pater tibi sit, iura tuere patris.
Induit arma tibi genitor patriaeque tuusque:
Hostis ab invicto regna parente rapit.
Tu pia tela feres, sceleratas ille sagittas:
Stabunt pro signis iusque piumque tuis.
Vincuntur causa Parthi; vincantur et armis.
Eoas Latio dux meus addat opes.
Marsque pater Caesarque pater, date numen eunti.
Est deus e vobis alter, et alter erit.
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Ja, als Cäsar jüngst aufführte im Bilde der Seeschlacht80
Persische Schiffe zusammt Schiffen aus Cecrops‘ Gebiet;
Kamen von beiderlei Meer die Jünglinge, kamen die Mädchen;
Und es befand in der Stadt sich der gewaltige Staat.
Wer hat da in dem Schwarm nicht, was er liebe, gefunden?
Ach, wie viele nicht hat Lieb‘ aus der Fremde gequält!81
Sieh, zur gebändigten Welt, was fehlt noch, zu fügen, bereitet8283
Cäsar sich . Unser nun wirst, äußerster Osten, du sein.
Büßen sollst du, o Parther: frohlockt, ihr begrabenen Crassus;
Fahnen auch, die ihr zum Schimpf fielt in Barbarengewalt.
Da ist der Rächer, ein Held, mit den ersten Waffen gerüstet,84
Führt, noch Knabe, den Krieg, nicht für den Knaben gemacht.
Spart, ihr Verzagten, es euch, die Jahre zu zählen der Götter;
Männlicher Sinn vor der Zeit ward den Cäsaren zu Theil.
Himmlischer Geist erhebt sich, voraus den eigenen Jahren
Eilend, und duldet nur schwer trägen Verzuges Verlust.85
Klein noch war der Tirynthische Held und erdrückt‘ in den Händen86
Schlangen; und Jupiters werth war in der Wiege er schon.
Der du ein Knabe noch jetzt, wie groß warst, Bacchus, du damals,87
Als sich vor deinem Stab Indien beugte, besiegt!
Führen mit Segen und Muth des Vaters wirst du die Waffen,88
Knabe; mit Segen und Muth siegen des Vaters im Kampf.
Solche Erprobung bist so großem Namen du schuldig;
Jetzt der Jünglinge Haupt wirst du, der Greise dereinst.
Rache, da Brüder du hast, nimm für die beleidigten Brüder;89
Da ein Vater dir lebt, schütze des Vaters Gebiet.90
An dir legt der Vater des Lands und deiner die Waffen;
Unbesieget beraubt sieht sich der Vater vom Feind.91
Du wirst Waffen der Pflicht, er führen die Pfeile des Frevels;92
Her vor deinem Panier gehen das Recht und die Pflicht.93
Rechtlich erliegt der Parther, er unterlieg‘ auch in Waffen;94
Und mit des Ostens Gebiet Latium mehre mein Held.95
Vater Mars, gieb Segen, und Vater Cäsar, dem Zuge.96
Gott ist Jener, und sein wird es der Andre von euch.97
Auguror, en, vinces; votivaque carmina reddam,
Et magno nobis ore sonandus eris.
Consistes aciemque meis hortabere verbis.
O desint animis ne mea verba tuis!
Tergaque Parthorum Romanaque pectora dicam,
Telaque, ab averso quae iacit hostis equo.
Qui fugis, ut vincas, quid victo, Parthe, relinquis?
Parthe, malum iam nunc Mars tuus omen habet.
Ergo erit illa dies, qua tu, pulcherrime rerum,
Quattuor in niveis aureus ibis equis.
Ibunt ante duces onerati colla catenis,
Ne possint tuti, qua prius, esse fuga.
Spectabunt laeti iuvenes mistaeque puellae,
Diffundetque animos omnibus ista dies.
Atque aliqua ex illis cum regum nomina quaeret,
Quae loca, qui montes quaeve ferantur aquae:
Omnia responde, nec tantum si qua rogabit;
Et quae nescieris, ut bene nota refer.
Hic est Euphrates, praecinctus arundine frontem;
Cui coma dependet caerula, Tigris erit.
Hos facis Armenios; haec est Danaeia Persis;
Urbs in Achaemeniis vallibus ista fuit.
Ille vel ille, duces: et erunt, quae nomina dicas:
Si poteris, vere; si minus, apta tamen.
Dant etiam positis aditum convivia mensis:
Est aliquid praeter vina quod inde petas.
Saepe illic positi teneris adducta lacertis
Purpureus Bacchi cornua pressit Amor.
Vinaque cum bibulas sparsere Cupidinis alas,
Permanet et capto stat gravis ille loco.
Ille quidem pennas velociter excutit udas;
Sed tamen et spargi pectus amore nocet.
Vina parant animos faciuntque caloribus aptos;
Cura fugit multo diluiturque mero.
Tunc veniunt risus, tunc pauper cornua sumit,
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Ja, ich seh‘ es, du siegst; die gelobten Lieder entricht‘ ich,98
Und in erhabenem Ton wirst du gesungen von uns.
Stand denn gefaßt und die Schlacht mit meinen Worten begeistert!99
Möge nur deinem Muth würdig entsprechen mein Wort.
Singen werd‘ ich die Brust der Römer, den Rücken der Parther,100
Pfeile, die sendet der Feind von dem gewendeten Roß.
Der, um zu siegen, du fliehst, was bleibt dir, Parther, besiegt dann?101
Parther, es deutet dein Kampf jetzt schon auf schlimmen Erfolg.
Drum wird kommen der Tag, wo prangend in Gold, o Erhabner,102
Ziehen du wirst mit vier schneeigen Rossen daher.
Ziehen dir werden voran die Führer mit Ketten belastet,103
Daß sie nicht suchen ihr Heil können, wie früher, in Flucht.
Zusehn werden vergnügt die Bursche vereint mit den Mädchen,
Und der Tag wird hoch Allen erfreuen das Herz.
Und wann Manche davon nach den Namen der Könige forschet,104
Was für Örter und Berg‘ oder Gewässer man trägt;
Gieb auf Alles Bescheid; auch warte nicht erst auf die Frage.
Auch was wissen du nicht solltest, erzähl‘ als bekannt.
Das ist der Euphrat hier, mit Rohr umkränzet die Stirne;105
Den mit dem bläulichen Haar lasse den Tigris du sein,
Nenne Armenier die; das ist der Dánae Persis;106
Eine Stadt war dies in Achämenischer Au.107
Der und der sind Häupter; du wirst angeben schon Namen:
Wahre. wofern du es kannst; passende aber, wo nicht.
Schmäuse auch bahnen den Weg an den lang hinstehenden Tafeln;108
Da zu erholen Etwas giebt es noch außer dem Wein.
Da zog oft an den Hörnern den aufgetragenen Bacchus109
Amor, der rosige, zwang ihn mit dem niedlichen Arm.
Sind vom Weine besprengt die durstigen Flügel Cupidos,110
Nimmt er Stellung und steht fest und voll Würde am Platz.
Zwar es schüttelt behend das feuchte Gefieder Cupido;111
Doch daß Liebe die Brust auch nur besprengte, ist schlimm.
Wein erreget das Herz und macht es für Liebe empfänglich;
Sorge entflieht; hinweg spült sie der reichliche Wein.
Dann kommt Lachen und Lust, dann wachsen die Hörner dem Armen,112
    Tunc dolor et curae rugaque frontis abit.
Tunc aperit mentes aevo rarissima nostro
Simplicitas, artes excutiente deo.
Illic saepe animos iuvenum rapuere puellae;
Et Venus in vinis, ignis in igne, fuit.
Hic tu fallaci nimium ne crede lucernae.
Iudicio formae noxque merumque nocent.
Luce deas caeloque Paris spectavit aperto,
Cum dixit Veneri: Vincis utramque, Venus.
Nocte latent mendae, vitioque ignoscitur omni;
Horaque formosam quamlibet illa facit.
Consule de gemmis, de tincta murice lana,
Consule de facie corporibusque diem.
Quid tibi femineos coetus, venatibus aptos,
Enumerem? numero cedet arena meo.
Quid referam Baias praetextaque littora velis,
Et, quae de calido sulfure fumat, aquam?
Hinc aliquis vulnus referens in pectore, dixit:
Non haec, ut fama est, unda salubris erat.
Ecce, suburbanae templum nemorale Dianae
Partaque per gladios regna nocente manu:
Illa, quod est virgo, quod tela Cupidinis odit,
Multa dedit populo vulnera, multa dabit.
Hactenus, unde legas quod ames, ubi retia ponas,
Praecipit imparibus vecta Thalia rotis.
Nunc tibi, quae placuit, quas sit capienda per artes,
Dicere praecipuae molior artis opus.
Quisquis ubique viri, dociles advertite mentes;
Pollicitisque favens, vulgus, adeste meis.
Prima tuae menti veniat fiducia, cunctas
Posse capi; capies: tu modo tende plagas.
Vere prius volucres taceant, aestate cicadae;
Maenalius lepori det sua terga canis:
Femina quam iuveni, blande tentata, repugnet.
Haec quoque, quam poteris credere nolle, volet.
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    Dann weicht Kummer und Schmerz, weichen die Runzeln der Stirn.
Dann schließt auf ihr Herz die in unseren Zeiten so seltne
Einfalt, während der Gott alle Verstellung verscheucht.113
Da hat oft schon geraubt das Herz dem Jüngling das Mädchen;
Venus war in dem Wein, Feuer in Feuer, versteckt.114
Da gieb Glauben du nicht zu viel der betrüglichen Lampe;115
Denn der Schönheit Gericht schaden die Nacht und der Wein.116
Tag war’s, heitere Luft, da Paris die Göttinnen schaute,117
Und zu Venus er sprach: Beide besiegest du sie.
Nachts entziehn sich die Fehler, und jedem Gebrechen verzeiht man:
Schön macht nächtliche Zeit Jegliche, wie sie auch sei.
Über den Edelstein, die Wolle, gefärbt mit der Schnecke,118
Über Gesicht und Leib ziehe zu Rathe den Tag.
Was soll auf ich dir zählen die Frauenvereine zu Jagden119
Passend? mit meiner Zahl kann sich nicht messen der Sand.
Was soll Bajä ich nennen, den Strand mit Segeln verbrämet,120
Und das Wasser, das heiß dampft von des Schwefels Gehalt?
Hier wegtragend die Wund‘ in der Brust hat Mancher gesagt schon:
Nicht entsprechend dem Ruf hat sich das Wasser bewährt.
Siehe nicht weit von der Stadt den Tempel Dianens im Walde,121
Und das Reich, das erwirbt schuldige Faust mit dem Schwert!
Diese, dieweil sie haßt die Pfeile Cupidos als Jungfrau,122
Schlug der Wunden schon viel, wird sie noch schlagen dem Volk.
Soweit lehrt, ungleichen Gespanns hinrollend, Thalia,123
Wo du zu wählen ein Lieb hast und zu stellen das Netz.
Jetzt die besondere Kunst, durch welcherlei Mittel zu fahn sei,
Die gefallen dir hat, bin ich zu lehren bemüht.
All‘ ihr Männer umher, neigt zu mir gelehrige Ohren;
Komme herbei, o Volk, meinem Versprechen geneigt.124
Faß im Herzen zuerst das Vertraun, daß alle sich lassen
Fahn, und du wirst sie fahn; spanne die Netze nur aus.
Eher wol schwiegen die Vögel im Lenz, die Cicaden im Sommer,
Kehrte den Rücken dem Wild zu der Mänalische Hund;125
Als ein Mädchen, mit Schmeicheln versucht, sich entzöge dem Jüngling.
Die auch, von der du glaubst, daß sie nicht wolle, sie will.
Utque viro furtiva venus, sic grata puellae.
Vir male dissimulat, tectius illa cupit.
Conveniat maribus, ne quam nos ante rogemus:
Femina iam partes victa rogantis agat.
Mollibus in pratis admugit femina tauro;
Femina cornipedi semper adhinnit equo.
Parcior in nobis nec tam furiosa libido:
Legitimum finem flamma virilis habet.
Byblida quid referam, vetito quae fratris amore
Arsit et est laqueo fortiter ulta nefas?
Myrrha patrem, sed non quo filia debet, amavit:
Et nunc obducto cortice pressa latet.
Illius et lacrimis, quas arbore fundit odora,
Ungimur; et dominae nomina gutta tenet.
Forte sub umbrosis nemorosae vallibus Idae
Candidus, armenti gloria, taurus erat,
Signatus tenui media inter cornua nigro:
Una fuit labes; caetera lactis erant.
Illum Gnosiadesque Cydoneaeque iuvencae
Optarunt tergo sustinuisse suo.
Pasiphae fieri gaudebat adultera tauri;
Invida formosas oderat illa boves.
Nota cano. non hoc, centum quae sustinet urbes;
Quamvis sit mendax, Creta negare potest.
Ipsa novas frondes et prata tenerrima tauro
Fertur inassueta subsecuisse manu.
It comes armentis; nec ituram cura moratur
Coniugis: et Minos a bove victus erat.
Quo tibi, Pasiphae, pretiosas sumere vestes?
Iste tuus nullas sentit adulter opes.
Quid tibi cum speculo montana armenta petenti?
Quid toties positas fingis, inepta, comas?
Crede tamen speculo, quod te negat esse iuvencam.
Quam cuperes fronti cornua nata tuae!
Sive placet Minos: nullus quaeratur adulter;
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Gleichwie dem Mann die verstohlene Lust, so schmeckt sie dem Weib auch;
Übel verhehlt es der Mann, stiller begehret das Weib.
Einig seien die Männer, zuerst nicht Eine zu bitten;126
Ist gewonnen das Weib, ist es zu bitten an ihr.
So auf dem grasigen Plan brüllt zu das Weibchen dem Stiere,
Dem hornhufigen Roß wiehert die Stute auch zu.
Spärlicher brennt in uns und nicht so wüthend die Wollust,127
Und die Flamme des Manns hat das gehörige Maß.
Was soll Byblis ich nennen, die brannt‘ in verbotener Liebe128
Für den Bruder, die Schuld sühnte voll Muth mit dem Strick?
Myrrha liebte den Vater, doch nicht wie’s ziemet der Tochter;129
In umhüllender Rind‘ ist sie begraben nunmehr.
Und mit den Thränen von ihr, die aus duftigem Baum sie ergießet,130
Salben wir uns; und benannt sind noch die Tropfen von ihr.
In den umschatteten Au’n des waldbewachsenen Ida131
War ein weißer Stier, Zierde der Herde, einmal,
Zwischen den Hörnern allein mit schmalem Schwarze gezeichnet:
Dies der einzige Fehl; übrigens sah er wie Milch.
Nach ihm trugen Begehr die Kühe von Gnosus und Cydon;132
Ihren Rücken nur ihm wünschten zu bieten sie dar.
Glücklich Pasiphae war, die Buhlin zu werden des Stieres:133
Neidisch verfolgte mit Haß reizende Kühe das Weib.
Allbekanntes nur sing‘ ich; das hundertstädtige Creta134
Ist, ob lügnerisch auch, nicht es zu leugnen im Stand.135
Sprossendes Laub, sagt man, und der Wiesen Zartestes habe
Mit selbeigener Hand ab sie geschnitten dem Stier.
Sie begleitet das Vieh; und zu gehn hält nicht sie die Sorge
Ab um den Gatten; es war Minos vom Ochsen besiegt.
Was, Pasiphae, nützt’s, kostbare Gewänder zu tragen?136
Hat doch für keinerlei Schmuck dieser dein Buhle Gefühl.
Was soll, wenn du besuchst die Herden des Bergs, dir ein Spiegel?
Warum streichst du so oft, Thörin, das fertige Haar?
Glaube dem Spiegel jedoch, läßt nicht er als Kuh dich erscheinen.
O, wie wünschtest du heiß Hörner entsprossen der Stirn!
Wenn dir Minos behagt, so brauchst du nicht Buhler zu suchen;
    Sive virum mavis fallere: falle viro.
In nemus et saltus thalamo regina relicto
Fertur, ut Aonio concita Baccha deo.
Ah quoties vaccam vultu spectavit iniquo
Et dixit: Domino cur placet ista meo!
Aspice, ut ante ipsum teneris exultet in herbis;
Nec dubito, quin se stulta decere putet.
Dixit et ingenti iamdudum de grege duci
Iussit et immeritam sub iuga panda trahi:
Aut cadere ante aras commentaque sacra coegit
Et tenuit laeta pellicis exta manu.
Pellicibus quoties placavit numina caesis
Atque ait, exta tenens: Ite, placete meo!
Et modo se Europen fieri, modo postulat Io:
Altera quod bos est, altera vecta bove.
Hanc tamen implevit, vacca deceptus acerna,
Dux gregis; et partu proditus auctor erat.
Cressa Thyesteo si se abstinuisset amore –
O quantum est, uni posse placere viro! –
Non medium rupisset iter curruque retorto
Auroram versis Phoebus adisset equis.
Filia purpureos Niso furata eapillos,
{    Puppe cadens celsa facta refertur avis.
Altera Scylla, maris monstrum medicamine Circes,}
Pube premit rabidos inguinibusque canes.
Qui Martem terra, Neptunum effugit in undis,
Coniugis Atrides victima dira fuit.
Cui non defleta est Ephyraeae flamma Creusae,
Et nece natorum sanguinolenta parens?
Plevit Amyntorides per inania lumina Phoenix;
Hippolytum pavidi diripuistis equi.
Quid fodis immeritis, Phineu, sua lumina natis?
Poena reversura est in caput ista tuum.
Omnia feminea sunt ista libidine mota:
Acrior est nostra plusque furoris habet.
Ergo age, ne dubita cunctas superare puellas;
Vix erit e multis quae neget una tibi.
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    Willst du betrügen den Mann, sei doch der Buhle ein Mann.
Fort in den Wald, auf die Trifft stürzt aus dem Palaste die Fürstin,
Wie die Bacchantin, entflammt von dem Aonischen Gott.137
Ah, wie blickte sie oft mit feindlichen Augen die Kuh an,138
Sprechend: Warum gefällt meinem Gebieter doch die?
Sehet nur, wie sie vor ihm auf dem üppigen Rasen herumspringt!139
Ja, ich glaube, sie meint, Närrin die, daß es ihr steht.
Sprach’s und ließ auf der Stelle hinweg von der mächtigen Herde140
Schleppen sie unverdient unter den Bogen des Jochs,
Oder auch vor dem Altar zum erdichteten Opfer sie fallen;141
Und der Rivalin Gedärm hielt sie in fröhlicher Hand.142
Oft, oft opferte sie, Rivalinnen schlachtend, den Göttern;
Sprach, das Gedärm in der Hand: Geht und gefallet nun ihm!
Io wünscht sie sich bald und bald Europa zu werden:143
Jene, sie ist ja ein Rind; diese, es trug sie ein Rind.
Aber, getäuscht von ahorner Kuh, macht schwanger der Bulle144
Sie, und an der Geburt wurde der Vater erkannt.
Hätte die Creterin sich der Liebe erwehrt zu Thyestes –145
O wie ist es so groß, Einem gefallen allein! –146
Hätt‘ in der Mitte die Fahrt nicht unterbrochen und rückwärts147
Roß und Wagen gelenkt Phöbus, gen Morgen zu gehn.
Die das purpurne Haar dem Vater gestohlen, die Tochter148

Puppe cadens celsa facta refertur avis.
oder auch Hunchostem patitur cum reliquis avibus.
dann Altera Scylla maris monstrum medicamine Circes.
oder Altera Scylla novum Circes medicamine monstrum.
in einer auch Filia sed Phorci correpta cupidine Glauci.

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{    Wurde im Fall von dem Schiff, sagt man, zum Vogel des Meers.
Scylla, die andre, ein Wunder des Meers durch den Zauber der Circe,}
Drückt mit Weiche und Schaam wüthende Hunde an sich.
Der du zu Lande dem Mars, dem Neptun entflohn auf den Wogen,150
Wardst, Atride, der Frau scheußliches Opfer daheim.
Wer nicht hätte beweint Creúsens zu Ephyra Flamme,151
Und die Mutter, vom Mord ihrer Erzeugten voll Blut?
Thränen aus leeren Höhlen vergoß der Sohn des Amyntor;152
Schüchterne Rosse zerfleischt haben Hippolytus‘ Leib.153
Was bohrst, Phineus, du aus den unschuldigen Söhnen die Augen?154
Auf dein Haupt wird selbst fallen die Strafe zurück.
Das ward Alles zumal durch Weiberbegierde gestiftet;
Heftiger ist sie und hat mehr als die unsrige Wuth.
Auf denn, zweifele nicht, die Mädchen gesammt zu besiegen;155
Kaum aus Tausenden wird Eine versagen sich dir.

  1. V. 171 ff. Nach dem Siege über Antonius bei Actium führte Augustus dem Römischen Volke ein Bild, eine Nachahmung dieser Seeschlacht vor. Dazu wurde der nöthige Raum am Tiber ausgegraben, derselbe aus dem Strome gefüllt und die erbeuteten feindlichen Schiffe, theils von den Küsten Asiens (Persische), theils Griechische, besonders Athenische (aus Cecrops‘ Gebiet) hineingeschafft. Der Zusammenfluß der schaulustigen Menge, selbst von den entlegensten Küsten (von beiderlei Meer, dem östlichen und westlichen) Italiens, war ungeheuer, so daß der Dichter in einem Wortspiele sagt, der ganze Staat sei in der Stadt gewesen.
  2. V. 176. Lieb‘ aus der Fremde, Liebe zu einer aus der Fremde Gekommenen.
  3. V. 177–216. Theils Schmeichelei auf Augustus‘ Familie (vergl. zu Verw. 15, 447), theils patriotische Ergießung, woran der Dichter seinen Gegenstand V. 217 wieder sehr geschickt anknüpft.
  4. V. 177 ff. Die Parther, ein streitbares Volk, welches ein großes Gebiet südöstlich vom Caspischen Meere (im äußersten Osten) inne hatte. Widerstand den Römern mehrere Jahrhunderte hindurch. Insbesondere hatten sie zwei Römische Heere unter den beiden Crassus, Vater und Sohn, geschlagen und vernichtet, die genannten Führer gefangen und getödtet und die Römischen Fahnen erbeutet und beschimpft. Sie zu züchtigen und ihr Gebiet, das, um die Unterwerfung der damals bekannten Welt zu vollenden, allein noch fehlte, zu erobern, wurde zur Zeit der Abfassung dieses Gedichtes ein gewaltiger Heereszug gerüstet, an dessen Spitze der noch ganz junge (Knabe V. 182. 191; s. zu Verw. 1, 449) Enkel Augusts, der von diesem an Kindes Statt angenommene Sohn seiner Tochter Julia und des Agrippa, Cajus Cäsar, stehen sollte.
  5. V. 181. A. Lesarten victor adest. in od. ab annis.
  6. V. 186. Trägen Verzuges Verlust, die Nachtheile, welche die Folgen trägen Zögerns sind.
  7. V. 187. S. zu Verw. 9, 19. 66.
  8. V. 189. S. ebend. zu 3, 553. 542. zu 4, 20.
  9. V. 191. A. L. annis für animis.
  10. V. 195. Beleidigt, in ihren Rechten, ihrer Anwartschaft auf Statthaltereien beeinträchtigt, sind die Brüder, Lucius und der nach dem Tode seines Vaters geborne Agrippa, insofern sie die nächsten Anverwandten des Herrschers selbst und seine Erben waren.
  11. V. 196. Des Vaters, des Adoptivvaters, da der rechte längst todt war
  12. V. 198 bezieht sich auf den Abfall Armeniens zu den Parthern, gegen welches auch zunächst der Zug gerichtet war. – Obgleich die meisten Handschriften invicto geben, hat man doch ohne alle Motivirung invito angenommen. Wer wird sich auch mit Willen berauben lassen! Wie sinnvoll ist dagegen invicto! Zwar geschlagen, aber unbesiegt.
  13. V. 199 f. Die Parther kämpften zum Theil noch mit Bogen und Pfeil. Frevel war es natürlich, sich gegen die Römer zu verteidigen, und Recht und Pflicht, sie zu unterwerfen.
  14. V. 200. Gem. Lesart stabit.
  15. V. 201. Rechtlich, vom Standpuncte des Rechtes aus.
  16. V. 202. Latium hier soviel als das Römische Reich, dessen Herz und Uranfang Latium war. – A. L. dux novus.
  17. V. 203. Vater ist Ehrenbenennung aller Götter, (s.zu Verw. 13, 669) folglich auch der unter die Götter versetzten und göttlich verehrten Menschen, als deren einen die Schmeichelei des Dichters den Cäsar Augustus schon jetzt bezeichnet. Mars kann aber auch ganz eigentlich Vater genannt werden als Vater des Romulus, des Gründers der Stadt und Stifters des Reiches.
  18. V. 204. Der bisher in den Ausgaben herrschende Text lautet nam deus e vobis alter es, alter erit und beruht auf der Lesart der Aldinen. Die bekannten Handschriften geben jedoch est deus in vobis alter, et alter erit; und diese Fassung, nur mit Verbesserung von in in e oder ex halten wir für vorzüglicher und für die echte, da est, wie es der Sinn verlangt, mit Nachdruck an die Spitze kommt, während es in jener ganz verschwindet.
  19. V. 205. Die gelobten Lieder entricht‘ ich, die Lieder, welche ich für den Fall, daß du siegest, zu dichten den Göttern gelobt habe, werde ich als ein schuldiges Opfer entrichten. Vergl. Verw. 8, 152 n. A.
  20. V. 207. Mit meinen Worten, entweder mit diesen meinen prophetischen, sicheren Sieg verheißenden Worten; oder mit der Verheißung, von mir besungen zu werden. – Tuis verbis, wie einige Handschriften lesen, würde keine besondere Schmeichelei sein.
  21. V. 209 f. Die Brust, den muthigen Kampf mit dem Feinde zugewendeter Brust; den Rücken, die Flucht. – Pfeile, die &c., auf der Flucht. Von den Scythen und Parthern berichtet Plutarch, daß sie auch auf der Flucht noch ihre Pfeile abgeschossen hätten und daher fliehend noch ebenso gefährlich gewesen wären als Stand haltend. Daraus erklärt sich das Folgende.
  22. V. 211 f. Was bleibt dir &c, was bleibt dir, wann du nun besiegt sein wirst, zu thun übrig, wenn du schon, ohne besiegt zu sein, fliehst? Es steht übel um die Aussicht, das Vertrauen auf Sieg bei demjenigen, welcher, um zu siegen, flieht. – Dein Kampf, deine Art zu kämpfen. – Die gem. Lesart ist quid fugis, ut vincas? quid victos, P., relinquis? Für quid hat eine Handschrift quod, eine andere quo; weßhalb Heinsius wenigstens sehr passend, wenn auch nicht gerade nothwendig, qui vermuthet hat, das auch wir beibehalten haben. Dagegen giebt victos durchaus keinen erträglichen Sinn. und es muß mit einigen Quellen victo gelesen werden, was auch durch Arond. mit quid te victo parte relinques bestätigt wird.
  23. V. 213 f. Wo prangend &c., wo du den Triumphzug halten wirst. S. zu Verw. 1, 560.
  24. V. 215 f. Die Führer selbstverständlich der Feinde. – Daß sie nicht &c. sarkastisch.
  25. V. 219 ff. Wann du, der du eine Geliebte suchst, die Eine oder Andere von den Mädchen fragen hörst &c. – Der Könige, entweder eben der vorher genannten Führer, oder der überhaupt besiegten, nicht gerade gefangenen Fürsten, die auf Bildern dargestellt dem Zuge vorgetragen wurden. Es wurden aber nicht blos diese bildlich dargestellt, sondern auch die vorzüglichsten Örtlichkeiten des feindlichen Landes, das Schlachtfeld, Berge, Flüsse, ganze Provinzen mit ihren Völkerschaften, zum Theil personificirt, in Bildern aufgeführt.
  26. V. 223 f. S. Verw. 9, 3. 32 n. Anmerkungen.
  27. V. 225. Der Danae Persis, Persien, welches nach Herodot seinen Namen von Perses, Sohne des Perseus und Enkel der Danae, bekommen haben soll. Da nun die Landschaft als persönliches Wesen dargestellt war, so konnte der Dichter sie auch mit einem Abstammungsnamen belegen. – Ohne Noth und ohne Grund hat Heinsius hier, wie an mehreren anderen Stellen des Dichters, z. B. Verw. 2, 131, wo man sehe, den imperat. fut. facito für d. gem. Lsrt fac aufgebracht. Facis, wie cod. Reg. und zwei andere geben, ist das unzweifelhafte Echte.
  28. V. 226. In Achämenischen Au’n, in Persien, f. zu Verw. 4, 209.
  29. V. 229. Eine weitere Gelegenheit Bekanntschaften zu machen. – An den langhinstehenden Tafeln, blos malend. S. zu Verw. 5, 40.
  30. V. 231 f. Die Liebe überwand die Trinklust, bildlich ausgedrückt, Amor den Bacchus; und da Bacchus mit Hörnern gedacht und dargestellt wurde, so ist die Art desKampfes und Sieges wie bei einem Stiere. Vergl. Verw. 9, 84. – Aufgetragen wurde der Wein (Bacchus) erst nach der Hauptmahlzeit, und derselbe bildete somit einen besonderen Abschnitt des Schmauses oder vielmehr das Ende der eigentlichen Mahlzeit. Daher die so häufige ausdrückliche Erwähnung des Auftragens des Weines. Vergl. Verw. 4, 765. 8, 674 n. A. Liebeserg. I, 4, 7. – Das wol allein richtige positi giebt nur Reg. Gem. Lesart positis, leicht erklärlicher Irrthum.
  31. V. 233 f. Und wird hinwiederum die Liebe vom Weine angeregt, so kann man sich ihrer nicht erwehren. – Durstig heißen die Flügel, insofern sie Feuchtigkeit anzunehmen geeignet, porös sind. So die Flügelschuhe des Perseus Verw. 4, 730. Daher auch gewöhnliches Beiwort des Sandes. – Nimmt er Stellung &c., wie so oft bei dem kriegerischen Römer, vom Kriegswesen hergenommener Ausdruck. – Coepto od. cepto, wie die Handschriften größtenteils haben, sucht Heinsius umsonst zu vertheidigen.
  32. V. 235. Mag man auch widerstreben und das erwachende Gefühl rasch zu unterdrücken suchen, es ist umsonst, man ist schlimm daran, wenn das Herz einmal mit dem Weine auch nur einige Tropfen Liebe eingesogen hat. – Die bildliche Darstellung fließt zuletzt mit der eigentlichen zusammen oder geht in diese über. Dies verkannte Burmann und wollte docet für nocet lesen. Der Dichter, raisonnirt er, könne doch seine Kunst nicht schädlich nennen, nicht sagen, daß es schade, wenn die Brust mit Liebe besprengt werde. Das sagt aber der Dichter auch keineswegs, sondern im Gegentheil, daß das Widerstreben (das Schütteln des Gefieders) nichts helfe, sondern, wie gesagt, schon ein schwaches durch den Wein erregtes Liebesgefühl eben dem Widerstrebenden schade, d. h. seinen Widerstand wirkungslos mache. – Für et, das den Sinn nicht unwesentlich klärt und hebt, spargi giebt cod. Pal. aspergi, was Dan. Heinsius mit Unrecht für besser erklärt.
  33. V. 239. Dem Armen wachsen die Hörner, s. zu Verw. 4, 19 und vergl. Liebeserg. III. 11, 6 n. A.
  34. V. 242. Der Gott, der Weingott.
  35. V. 244. Gem. Lesart Venus in venis.
  36. V. 245. Der Lampe. Nur Öllampen kannte das Alterthum, und noch dazu erst das spätere, während man in früheren Zeiten blos Kienspäne, dann eine Art Wachs und Talglichte hatte, welche aber sehr roh sein mochten, da sie bei Wohlhabenden und Vornehmen der Öllampe weichen mußten. Diese war von Thon oder Bronze, auch Silber, Gold, Glas und Marmor, von sehr verschiedener Form, doch stets zierlich, ganz niedrig und gewöhnlich ohne Fuß; denn sie hing entweder an der Decke oder war in einen Kandelaber eingefügt und hatte von einem bis zu zehn und mehr Döchten. Vergl. Verw. 12, 247, wo man in der Uebersetzung Flammen statt Kerzen lese.
  37. V. 246. Der Schönheit Gericht, der Beurtheilung der Schönheit.
  38. V. 247 f. Das bekannte Urtheil des Paris. S. zu Verw. 13, 574. – A. Lesart Utramque deam.
  39. V. 251. Die Wolle, gefärbt mit der Schnecke, mit der Purpurschnecke, mit Purpur.
  40. V. 253 f. Die Frauenvereine, keine modernen, sondern, wie sich gleich zeigt, Gelegenheiten und Orte, wo viele Frauen sich zusammenfinden, auf welche der Genuß Suchende Jagd machen kann, und zwar außer den in der Stadt selbst sich darbietenden Gelegenheiten. Als Curiosum führen wir an, wie der alte Merula gemeint hat, der Dichter zeige hier, daß Liebhaber auch in Wäldern Mädchen gewinnen könnten, zumal wenn sie (jene oder diese?) Vergnügen an der Jagd fänden; was die Amsterdamer Ausgabe von 1683 treuherzig nachschreibt.
  41. V. 255 f. »Nicht nur unter den zahlreichen Bädern Italiens behauptete Bajä entschieden den Vorrang, sondern der Ort galt überhaupt im Alterthume für einen der reizendsten, und das dortige Leben für das vergnüglichste. Die Stadt lag am völlig ebenen Strande des Meeres, aber im Rücken umschloß sie ein Kranz grün bewachsener Hügel. Die außerordentliche Milde des Klimas machte den Ort auch im Winter zum angenehmen Aufenthalte, und es war keine Jahreszeit, wo die Bäume nicht Früchte, die Fluren und Gärten nicht Blumen dargeboten hätten. Die Quellen waren von sehr verschiedenem Gehalte und ihre Heilkraft mannigfaltig. Vorzüglich waren es aber die heißen Schwefeldämpfe, welche an mehreren Orten hervorbrachen, die man zu Schwitzbädern benutzte. War wegen der wohlthätigen Wirkungen dieser Quellen das Bad von zahlreichen Kranken besucht, so mochte gewiß noch weit größer die Menge derer sein, die blos des Vergnügens wegen von Rom, dem nahen Neapel und der übrigen Umgegend her sich an den Ort begaben, der ganz geschaffen schien, um dort ein Leben voller Annehmlichkeit zu führen. Und will man die Frequenz eines Bades bestimmen, so wird Bajä als Maaßstab genommen.« Beckers Gallus I, 133 ff. Daß der Strand daher von Fahrzeugen, die theils dem Verkehre, theils dem Vergnügen dienten, wimmelte und mit Segeln wie verbrämt war, ist leicht denkbar. – Für velis hat Fragm. Oxon. bais, worin Heinsius ohne Grund Baulis (eine unmittelbar am Meere gelegene Ortschaft bei Bajä) vermuthete. – Dann ist noch manat in einem Theile der Handschriften für fumat, sowie aqua für aquam zu bemerken.
  42. V. 259 f. In der Nähe der Stadt, ungefähr 15 altrömische oder drei deutsche Meilen von Rom, bei Aricia, stand in einem Haine ein Tempel der Taurischen oder Scythischen (s. Verw. 14, 331. 15, 489 n. A.) Diana, und dies war eine Art Wallfahrtsort, folglich für den vom Dichter im Auge gehabten Zweck ebenfalls sehr geeignet. Wahrscheinlich wurden hier in früheren Zeiten der Göttin flüchtig gewordene Sclaven geopfert, und davon rührte es muthmaßlich her, daß die Priester der Göttin Sclaven waren, d. h. nur Sclaven sein durften; und zwar konnten die Bewerber um das Priesterthum nur durch Kampf auf Leben und Tod mit den vorhandenen Priestern und Sieg über dieselben zu dem Priesterthume und den damit verbundenen Vortheilen (Reich) gelangen. Der Tödter wurde jedesmal der Nachfolger des Getödteten. – Für den lateinkundigen Leser bemerken wir noch, daß der Begriff von suburbanus weit umfassender war, als unsere Vorstadt, und noch weiter ausgedehnt wurde, als es hier von Ovid geschehen ist.
  43. V. 261 f. Der Göttin selbst und ihrer Eigenschaft als strenge Jungfrau wird zugeschrieben, was bei der Wallfahrt nach ihrem Tempel geschah.
  44. V. 263. Ungleichen Gespannes (im Original mit ungleichen Rädern), in sechsfüßigen (Hexametern) und fünffüßigen (Pentametern) Versen. S. zu Liebeserg. I, 1, 1. – Thalia, die Muse der komischen Dicht- und Darstellungskunst, welche mit dem Hirtenstabe in der einen, mit der komischen Maske in der andern Hand dargestellt wurde. Auf Wagen fahren übrigens alle Gottheiten. – A. Lesarten retia tendas für ponas; modis für rotis.
  45. V. 268. Adesto, wie viele Handschriften, durch vulgus verführt, haben, wäre prosodisch anstößig.
  46. V. 272. Der Mänalische Hund, der Arcadische, vom Berge Mänalus daselbst. Arcadien war wegen seiner Berge und Wälder ein berühmtes Jagdland, und die Arcadische Hunderace vorzüglich zum Jagen. Vergl. Verw. 3, 210.
  47. V. 277 f. Bitten ganz gewöhnlich so ohne nähere Bestimmung von dem Angehen um Liebesgenuß. Vergl. Liebeserg. I, 8, 43 f. II, 2, 5. 7, 25. – Andere, minder passende Lesart aget.
  48. V. 281. Mit aller Gewalt will Heinsius die Lesart fortior für parcior aufgenommen wissen und führt zu deren Vertheidigung eine Menge von Beispielen an. Man kann aber eine Person wohl stark nennen, welche ihre Leidenschaft beherrschen kann, nimmermehr aber die Leidenschaft selbst in diesem Sinne. Auch bei Baumgarten-Crusius finden wir in der letzten Ausgabe parcior wiederhergestellt.
  49. V. 283 f. Die Fabel von Byblis s. Verw. 9, 455 ff. Dort aber zerfließt sie in eine Quelle. Der Dichter ist also hier einer anderen Überlieferung gefolgt oder hat der Fabel mit dichterischer Freiheit selbst einen andern Schluß gegeben.
  50. V. 285. S. Verw. 10, 298 ff. – Non quo steht hier, wie unten V. 745, handschriftlich fest, wenn auch dort sowohl als hier einige Quellen ut, qua, quod geben. Wahrscheinlich hat der Verfasser aus dem Zeitwort amavit das Hauptwort amore in Gedanken gehabt.
  51. V. 287 f. S. ebendas. 500 ff.
  52. V. 289. Ida ist hier, wie das Folgende lehrt, der Berg dieses Namens auf der Insel Creta, nicht der Phrygische oder Trojanische.
  53. V. 293. Gnosus und Cydon, die vorzüglichsten Städte auf Creta, welche hier für Creta überhaupt stehen. – Gnosiadesque für das handschriftliche Gnosiades hat Heinsius verbessert wegen der kurzen Anfangssilbe des nächsten Wortes. Allerdings kann que leicht ausgefallen sein; doch erlauben sich die Dichter in fremden Eigennamen auch manche Freiheit. Übrigens findet sich auch Cydoniades in den Handschriften.
  54. V. 295. S. zu Verw. 8, 132.
  55. V. 297. Das hundertstädtige Creta; s. Verw. 7, 4 81 n. A.
  56. V. 298. Berühmtes Zeugniß über die Lügenhaftigkeit der Bewohner Cretas. S. Liebeserg. III, 10, 19 n. A.
  57. V. 303. Heinsius hat hier, wie an vielen andern Stellen, z. B. Liebeserg. III, 8, 46 f., mit und ohne handschriftliche Autorität das elliptische quid in quo verwandelt. Ob aber nicht auch quid zulässig sei, lassen wir dahingestellt. Hier haben alle Quellen quid, nur Cod. Reg. quod.
  58. V. 312. Über die Bacchantinnen s. unsern Index zu Verw., besonders zu Verw. 4, 25. – Der Aonische Gott ist Bacchus, der in Böotien, dessen alte Einwohner Aonen hießen, am Berge Cithäron besonders verehrt wurde. S. ebendas. 3, 700 ff.
  59. V. 313. Die Kuh, überhaupt jede Kuh, welche die seinige war.
  60. V. 315 f. Den Conjunctiv exultet geben »die besseren«, wie jedesmal, wo es sich um Conjunctiv und Indicativ handelt. – Für decere a. Lesart placere.
  61. V. 317 f. Von der mächtigen Herde; woraus sich ergab, daß es gerade auf diese Kuh abgesehen war. – Unter den Bogen des Jochs; s. zu Verw. 7, 118. – Panda hält Heinsius für ein Lieblingswort Ovids und hat es daher hier auf die Autorität einiger Handschriften und der Urausgabe gegen curva aufgenommen.
  62. V. 319. Zum erdichteten Opfer; sie gab nur vor, daß sie ein Opfer darbringen wolle.
  63. V. 320. S. zu Verw. 7, 600. 15, 136.
  64. V. 323 f. S. Verw. 1, 610. 2, 836 ff.
  65. V. 325. Von ahorner Kuh, von einer Kuh aus Ahornholz. – Diese, Pasiphae. – An der Geburt, an dem, was Pasiphae gebar, an dem Minotaurus. – Der Vater, daß der Vater ein Stier war.
  66. V. 327 ff. Ein anderes Beispiel des V. 281 aufgestellten und unten V. 342 wiederholten Satzes. S. zu Verw. 15, 462. – Die Creterin, Aërope, aus Creta.
  67. V. 328. Einem gefallen allein, sich mit der Liebe eines einzigen Mannes begnügen zu können; ein Ausruf, den sich nach des Dichters Absicht seine schönen Leserinnen gewiß nicht umsonst gesagt sein lassen sollen.
  68. V. 329. Die Sonne entsetzte sich so über das hier Geschehene, daß sie mitten auf ihrem Wege umkehrte und nach Osten zurückfuhr. Vergl. Liebeserg. III. 12, 39. – Die alten Ausgaben haben mit einigen Handschriften sinnwidrig rapuisset.
  69. V. 331 f. S. zu Liebeserg. III, 12, 21. – Zwischen V. 331 und 332 finden sich in den meisten Handschriften und alten Ausgaben folgende Verse, entweder
  70. oder endlich mit noch anderen Abweichungen. Diese wesentlichen Abweichungen der Quellen, verbunden mit dem Umstande, daß beide Verse in Fragm. Ox. sowie in dem vorzüglichsten Cod. Reg. gänzlich fehlen, in dem nächstbesten Reg. aber erst von späterer Hand an den Rand geschrieben stehen, berechtigen allerdings zu der von Heinsius verfochtenen Annahme einer Interpolation, hervorgegangen aus der Absicht, die beiden Scyllen zu unterscheiden und jeder ihr Recht wiederfahren zu lassen. Daher sind beide Verse seit Heinsius als unecht beseitigt. Wir können jedoch diese blos äußeren Gründe der Verwerfung nicht für ausreichend anerkennen, sind vielmehr geneigt, die fraglichen Verse in der Hauptsache für echt zu halten und haben sie daher in Klammern eingeschlossen und, ohne sie zu zählen, nach der besten Lesart gegeben.
  71. V. 333 f. Zu Lande dem Mars, bei der Belagerung Trojas; dem Neptunus auf den Wogen, bei der Heimkehr aus Troja, wo so viele Theilnehmer ihren Tod fanden. – Wardst, Atride &c; f. zu Verw. 15, 489.
  72. V. 335 f. S. zu Verw. 7, 394.
  73. V. 337. Der Sohn des Amyntor, Phönix, wurde von seinem Vater, weil ihn dessen Freundin anklagte, er habe ihr Unziemliches zugemuthet, der Augen beraubt (s. zu Verw. 7, 2. 3, 337), später jedoch von Chiron wieder sehend gemacht und von Peleus zum Erzieher des Achilleus bestellt. S. zu Verw. 8, 307.
  74. V. 338. S. Verw. 15, 794 ff. – A. L. rapidi od. rabidi.
  75. V. 339 f. Was von uns nach andrer Darstellung zu Verw. 7, 2 bemerkt wird, war Wiedervergeltung für dasselbe von Phineus an seinen eignen Söhnen begangene Verbrechen, zu welchem ihn die Stiefmutter derselben verleitet hatte.
  76. V. 343. Zweifle nicht . . zu besiegen = besiegen zu können. – Der lat. Ausdruck ist ungewöhnlich: es sollte regelrecht quin superes heißen, da dubitare hier nicht in dem Sinne genommen werden kann, in welchem es sonst mit dem Infinitiv steht. Hier muß ne dubita so viel als confide heißen, wie der Zusammenhang und oben V. 269 lehrt. – Für superare zieht Heinsius die Lesart sperare vor.
Quae dant quaeque negant, gaudent tamen esse rogatae.
Ut iam fallaris, tuta repulsa tua est.
Sed cur fallaris, cum sit nova grata voluptas,
Et capiant animos plus aliena suis?
Fertilior seges est alienis semper in agris,
Vicinumque pecus grandius uber habet.
Sed prius ancillam captandae nosse puellae
Cura sit; accessus molliet illa tuos.
Proxima consiliis dominae sit ut illa videto,
Neve parum tacitis conscia fida iocis.
Hanc tu pollicitis, hanc tu corrumpe rogando.
Quod petis, e facili, si volet illa, feres.
Illa leget tempus – medici quoque terapora servant –
Quo facilis dominae mens sit et apta capi.
Mens erit apta capi tunc, cum laetissima rerum
Ut seges in pingui luxuriabit humo.
Pectora dum gaudent nec sunt astricta dolore,
Ipsa patent: blanda tum subit arte Venus.
Tum, cum tristis erat, defensa est Ilion armis;
Militibus gravidum laeta recepit equum.
Tum quoque tentanda est, cum pellice laesa dolebit;
Tum facias opera, ne sit inulta, tua.
Hanc matutinos pectens ancilla capillos
Incitet et velo remigis addat opem.
Et, secum tenui suspirans murmure, dicat:
Ut puto, non poteris ipsa referre vicem.
Tum de te narret, tum persuadentia verba
Addat et insano iuret amore mori.
Sed propera, ne vela cadant auraeque residant.
Ut fragilis glacies, interit ira mora.
Quaeris, an hanc ipsam prosit violare ministram?
Talibus admissis alea grandis inest.
Haec a concubitu fit sedula, tardior illa;
Haec dominae munus te parat, illa sibi.
Casus in eventu est. licet haec indulgeat ausis,
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Die da gewährt und die da versagt, läßt gern sich doch bitten;156
Täuschtest du auch dich, es ist ohne Gefahr ja der Korb.157
Aber warum dich täuschen, da neues Vergnügen so süß ist,158
Und das Fremde das Herz mehr als das Eigene reizt?159
Üppiger stehen ja stets auf fremdem Gefilde die Saaten,
Und bei dem Nachbar hat größere Euter das Vieh.
Kennen zu lernen vorher die Magd des zu fahenden Mädchens160
Sorge; den Zutritt wird sie dir erleichtern zu ihr.
Siehe, daß sie ja sei die nächste im Rathe der Herrin161
Und zu wenig nicht treu bei der verstohlenen Lust.
Sie mit Versprechungen mußt, sie mußt du bestechen mit Bitten:
Wenn sie will, so wirst leicht du erlangen den Wunsch.
Sie wird wählen die Zeit – auch Ärzte beachten die Zeiten –162
Wo ber Gebieterin Herz leicht ist und passend zu fahn.
Passend zu fahn wird’s sein dann, wann, wie in üppigem Boden
Wuchert die Saat, es schwelgt fröhlich in heiterster Lust.163
Während voll Freude die Brust und nicht beklommen vom Schmerz ist,164
Schleicht sich ins offene Herz Venus mit schmeichelnder Kunst.
Da voll Trauer es war, ward Ilium tapfer vertheidigt,165
Während in Lust es das Pferd, schwanger von Kriegern, empfing.166
Auch versuche sie dann, wann Kränkung sie traf durch ein Kebsweib;
Daß sie nicht ungerächt bleibe, bemühe dich dann.
Reizen sie möge die Magd, das Haar ihr kämmend am Morgen,167
Und zu dem Segel hinzu fügen des Ruderers Dienst,
Und so sagen für sich, aufseufzend in leisem Geflüster:
Wie ich glaube, so kannst du es vergelten ihm nicht.168
Von dir spreche sie dann in überredenden Worten,
Schwöre dazu, daß du stürbest vor Liebe zu ihr.
Aber geeilt, sonst sinkt das Segel, die Winde verwehen.169
Wie das zerbrechliche Eis, schwindet der Zorn durch Verzug.
Ob an der Dienerin selbst zu vergreifen sich, fragst du, gerathen?170
Solche Vergehungen sind gar ein gefährliches Spiel.
Von der Begattung wird Die ämsiger, lässiger Jene:171
Die für die Herrin zum Schatz macht dich, die Andre für sich.172
Sicher nicht ist der Erfolg. Sei sie auch bereit zu dem Wagniß,173
    Consilium tamen est abstinuisse meum.
Non ego per praeceps et acuta cacumina vadam;
Nec iuvenum quisquam, me duce, captus erit.
Si tamen illa tibi, dum dat recipitque tabellas,
Corpore, non tantum sedulitate placet:
Fac domina potiare prius; comes illa sequatur.
Non tibi ab ancilla est incipienda venus.
Hoc unum moneo, si quid modo creditur arti,
Nec mea dicta rapax per mare ventus agit:
Aut non tentasses, aut perfice. tollitur index,
Cum semel in partem criminis ipsa venit.
Non avis utiliter viscatis effugit alis;
Non bene de laxis cassibus exit aper;
Saucius arrepto piscis teneatur ab hamo:
Perprime tentatam, nec nisi Victor abi.
Tum neque te prodet communi obnoxia culpae,
Factaque erunt dominae dictaque nota tibi.
Sed bene celetur; bene si celabitur index,
Notitiae suberit semper amica tuae.
Tempora qui solis operosa colentibus arva
Fallitur et nautis aspicienda putat.
Nec semper credenda ceres fallacibus arvis,
Nec semper viridi concava puppis aquae.
Nec teneras semper tutum captare puellas:
Saepe dato melius tempore fiet idem.
Sive dies suberit natalis, sive Calendae,
Quas Venerem Marti continuasse iuvat;
Sive erit ornatus, non ut fuit ante, sigillis,
Sed regum positas Circus habebit opes:
Differ Opus. tunc tristis hiems, tunc Pliades instant;
Tunc tener aequorea mergitur hoedus aqua;
Tunc bene desinitur: tunc se qui credidit alto,
Vix tenuit lacerae naufraga membra ratis.
Tu licet incipias, qua flebilis Allia luce
Vulneribus Latiis sanguinolenta fuit;
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    Bleibt doch immer mein Rath, sich zu enthalten der Magd.
Nicht in den Abgrund will und auf spitzige Gipfel ich gehen;174
Keiner der Jünglinge soll werden gefangen durch mich.175
Wenn die Magd dir jedoch beim Bringen und Holen der Briefe
Wegen der Reize, nicht blos wegen der Eile gefällt:
So erobre zuerst doch die Herrin, die Dienerin folge;
Nicht anfangen bei der darfst du im Liebesgenuß.
Das nur sei dir gesagt, wenn Etwas Gewicht nur die Kunst hat,176
Und nicht über das Meer Winde verwehen mein Wort:177
Hast den Versuch du gemacht, so vollend‘ auch; es schläft der Verräther,178
Wann sie Theil an der Schuld selber genommen einmal.
Nicht zum Nutzen entflieht mit geleimtem Gefieder der Vogel,
Gehet der Eber hervor aus dem gelockerten Garn.
Halt‘ an der Angel den Fisch, der, einmal verwundet, gefaßt hat.179
Laß die Versuchte nicht los, geh nur als Sieger hinweg.180
Dann verräth sie dich nicht, der gemeinsamen Sünde verfallen;181
Und es wird dir bekannt Sagen der Herrin und Thun.
Aber verhehle nur gut den Verräther; verhehlest du gut ihn,182
Wird zu Gebote dir stets Kenntniß der Freundin auch stehn.183
Wer, daß Pfleger allein der einsamen Äcker und Schiffer
Hätten zu sehn auf die Zeit, glaubet, der täuscht sich fürwahr.
Weder ist stets zu vertrauen die Saat den bezüglichen Fluren,184
Noch das bauchige Schiff immer der grünlichen Fluth.
Auch die lieblichen Mädchen zu fahn ist sicher nicht immer;185

Und der reizenden Zeit ist würdig die reizende Venus,
An sich an ihren Mars schließend, wie immer sie thut.

186

Oft dasselbe geschieht besser zu anderer Zeit.
Wann der Geburtstag ist, wann ist der erste des Monats,
Der da Venus mit Mars sich zu vereinigen freut;
Wann nicht, wie vorher, geschmückt der Circus mit Bildwerk,187
Sondern er aufgestellt zeiget der Könige Pracht:
Dann halt‘ ein; der Winter ist da, es nahn die Plejaden,188
Und in die Fluthen des Meers sinket das Böcklein hinab.
Dann ist räthlich der Schluß; es bringt, wer dann in die See sticht,189
Kaum des lecken Gebäu’s brüchige Glieder davon.
Doch an dem Tag, wo kläglich dahin die Allia strömte,190
Roth von Latinischem Blut, magst du beginnen das Werk;

Quaque die redeunt, rebus minus apta gerendis,
Culta Palaestino septima festa Syro.
Magna superstitio tibi sit natalis amicae;
Quaque aliquid dandum est, illa sit atra dies.
Cum bene vitaris, tamen auferet: invenit artem
Femina, qua cupidi carpat amantis opes.
Institor ad dominam veniet discinctus emacem,
Expediet merces teque sedente suas.
Quas illa inspicias, sapere ut videare, rogabit;
Oscula deinde dabit; deinde rogabit, emas.
Hoc fore contentam multos iurabit in annos;
Nunc opus esse sibi, nunc bene dicet emi.
Si non esse domi, quos des, causabere numos:
Littera poscetur; nec didicisse iuvat.
Quid, quasi natali cum poscit munera libo,
Et quoties opus est, nascitur ipsa sibi?
Quid, cum mendaci damno maestissima plorat,
Elapsusque cava fingitur aure lapis?
Multa rogant utenda dari, data reddere nolunt.
Perdis; et in damno gratia nulla tuo.
Non mihi, sacrilegas meretricum ut prosequar artes,
Cum totidem linguis sint satis ora decem.
Cera vadum tentet rasis infusa tabellis,
Cera tuae primum nuntia mentis eat.
Blanditias ferat illa tuas imitataque amantum
Verba; nec exiguas, quisquis es, adde preces.
Hectora donavit Priamo prece motus Achilles:
Flectitur iratus voce rogante deus.
Promittas facito: quid enim promittere laedit?
Pollicitis dives quilibet esse potest.
Spes tenet in tempus, semel est si credita, longum:
Illa quidem fallax, sed tamen apta dea est.
Si dederis aliquid, poteris ratione relinqui:
Praeteritum tulerit perdideritque nihil.
At quod non dederis, semper videare daturus:
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Auch an dem Tag, wo kehrt, nicht wohlgeeignet zur Arbeit,
Palästinischen Volks Opfer am siebenten Tag.
Heilige Scheu einflöße dir stets der Freundin Geburtstag;191
Und schwarz heiße der Tag, wo man Geschenke verlangt.
Weichst du auch aus, sie wird sie erlangen doch; eines Verliebten
Beutel zu rupfen versteht Mittel zu finden das Weib.
Zur kauflustigen Dame wird kommen ein schlumpiger Krämer,192
Wird auslegen sein Zeug, während du sitzest dabei.
Dies dann sollst du besehn, damit du als Kenner dich zeigest;
Dann wird küssen sie dich, bitten zu kaufen dich dann.
Damit zufrieden zu sein auf längere Jahre dir schwört sie;
Jetzt sei nöthig es ihr, spricht sie, und billig der Kauf.
Schützest du vor, du habest kein Geld zu Hause zu geben,
Fordert die Handschrift man; selber die Schule ist schlimm.193
Und wie, wenn ein Geschenk zum Angebinde sie fordert194
Und so oft sie es braucht, selber geboren sich wird?195
Wie, wenn niedergedrückt von erlognem Verluste sie jammert,
Sagt, aus dem Läppchen des Ohrs sei ihr gefallen ein Stein?196
Vieles erbitten sie sich zum Gebrauch, was nie sie erstatten;197
Weg ist’s; keinerlei Dank hast du bei deinem Verlust.
Wollt‘ ich die schurkischen Künste der Dirnen verfolgen, es wären198
Zehn der Münde mir nicht, zehen der Zungen genug.
Wachs versuche die Furth, auf geglättete Bretchen gegossen;199
Wachs geh‘ erst, ihr kund deine Gesinnung zu thun.
Zärtliche Grüße von dir und Liebe verrathende Worte200
Bring‘ es; und, wer du auch seist, spare nicht Bitten dabei.
Hectorn schenkte Achill dem Priamus, weichend der Bitte:201
Beugen durch Worte des Flehns läßt sich ein zürnender Gott.
Spar‘ auch Versprechungen nicht; denn was verschlägt’s zu versprechen?
Reich an Verheißungen kann immer ein Jeglicher sein.
Hoffnung, einmal gefaßt, hält lange; denn ist auch betrüglich
Selbige Göttin und falsch, ist zu gebrauchen sie doch.
Hast du gegeben Etwas, so kann sie mit Art dich verlassen;202
Früheres hat sie dahin, aber verloren gar Nichts.203
Doch was nicht du noch gabst, schein‘ immer noch geben zu wollen:
    Sic dominum sterilis saepe fefellit ager.
Sic, ne perdiderit, non cessat perdere lusor;
Et revocat cupidas alea saepe manus.
Hoc opus, hic labor est: primo sine munere iungi.
Ne dederit gratis, quae dedit, usque dabit.
Ergo eat et blandis peraretur litera verbis,
Exploretque animos primaque tentet iter.
Litera Cydippen pomo perlata fefellit;
Insciaque est verbis capta puella suis.
Disce bonas artes, moneo, Romana iuventus,
Non tantum trepidos ut tueare reos.
Quam populus iudexque gravis lectusque senatus,
Tam dabit eloquio victa puella manus.
Sed lateant vires, nec sis in fronte disertus;
Effugiant cerae verba molesta tuae.
Quis nisi mentis inops tenerae declamet amicae?
Saepe valens odii litera causa fuit.
Sit tibi credibilis sermo consuetaque verba,
Blanda tamen, praesens ut videare loqui.
Si non accipiet scriptum illectumque remittet:
Lecturam spera, propositumque tene.
Tempore difficiles veniunt ad aratra iuvenci;
Tempore lenta pati frena docentur equi.
Ferreus assiduo consumitur annulus usu;
Interit assidua vomer aduncus humo.
Quid magis est saxo durum? quid mollius unda?
Dura tamen molli saxa cavantur aqua.
Penelopen ipsam, persta modo, tempore vinces.
Capta vides sero Pergama, capta tamen.
Legerit et nolit rescribere, cogere noli;
Tu modo blanditias fac legat usque tuas.
Quae voluit legisse, volet rescribere lectis:
Per numeros venient ista gradusque suos.
Forsitan et primo veniet tibi litera tristis,
Quaeque roget, ne se sollicitare velis.
Quod rogat illa, timet; quod non rogat, optat, ut instes.
Insequere, et voti postmodo compos eris.
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    So hat mageres Feld oft den Besitzer getäuscht.
So läßt, nicht zu verlieren, nicht ab zu verlieren der Spieler;204
Oft die gierige Hand rufen die Würfel zurück.
Das ist nöthig, zuerst sie ohne Geschenk zu gewinnen;
Daß sie umsonst nicht gab, giebt das Gegebne sie fort.205
Darum gehe, gefaßt in zärtliche Worte, ein Brieflein,
Erst zu versuchen den Weg und zu erforschen ihr Herz.
Übersendet im Apfel, betrog ein Briefchen Cydippe;206

Feierlich schwöre ich dir bei dem heiligen Opfer Dianens:
Deine Begleiterin will ich sein und künftige Gattin.

207

Ohn‘ es zu wissen, gefahn ward sie durchs eigene Wort.
Lerne die Künste des Worts, laß rathen dir, Römische Jugend,208
Nicht blos daß du in Schutz nehmest Beklagte voll Angst.
Gleichwie das Volk und der hohe Senat und der Richter voll Strenge,
So von der Rede besiegt wird sich ergeben das Weib.
Aber die Stärke verbirg, und zur Schau nicht zeige beredt dich;209
Lasse entschlüpfen sich nicht schwülstige Worte dein Wachs.210
Wer, wenn nicht er beschränkt, schreibt Reden an seine Geliebte?
Wirksame Ursach war oft schon des Hasses ein Brief.211
Glaubhaft sei die Rede und nur gewöhnlich die Worte,
Zärtlich jedoch, als wenn selber du sprächest mit ihr.
Nimmt sie Geschriebenes nicht, schickt ungelesen zurück es;212
Glaube, sie liest schon noch; laß nur nicht ab vom Versuch.
Unter das Joch mit der Zeit gehn widerspenstige Stiere;
Dulden das steife Gebiß lehrt man das Roß mit der Zeit.
Durch den steten Gebrauch nutzt ab der eiserne Ring sich;
Stets im Boden, vergeht auch der gebogene Pflug.
Was ist härter als Stein? Und was ist weicher als Wasser?
Aber in weicher Fluth höhlt sich das harte Gestein.
Selber Penélope wirst, halt‘ aus nur, du endlich besiegen;213
Troja erobert zwar spät siehst du, erobert jedoch.
Liest sie und will Antwort nicht geben, so nöth’ge sie ja nicht;
Laß sie nur immerfort lesen, wie zärtlich du liebst.214
Was sie zu lesen gewünscht, wird wieder zu schreiben sie wünschen;
Stufenweise schon kommt dies nach einander von selbst.
Kommen auch wird dir vielleicht zuerst ein trauriges Briefchen,
Das dich bittet, ihr nicht weiter zu fallen zur Last.
Was sie bittet, ist Furcht; was nicht, Wunsch, daß du beharrest:215
Setz‘ ihr nur zu, und du wirst endlich des Wunsches gewährt.

  1. V. 345. Läßt gern sich bitten, angehen; s. oben zu V. 277.
  2. V. 346. Ohne Gefahr, ohne Nachtheil, üble Folgen.
  3. V. 347. Neues Vergnügen, ein neuer Liebhaber.
  4. V. 348. Fremdes Brot &c. – Einige namhafte Handschriften haben suos, offenbar von animos, dagegen Oxon. animis, von suis veranlaßt.
  5. V. 351 f. Nur Cod. Intim. hat hier captandae erhalten; die andern alle geben captatae, das man in dem Sinne von cupitae nehmen müßte. – Für molliet a. L. molliat.
  6. V. 353 f. Einige Quellen haben ut nicht, andere dafür an.
  7. V. 357. A. L. legat, schwach bezeugt.
  8. V. 360. A. Lesarten luxuriavit, luxuriatur, luxuriarit, welches Letztere Heinsius zu lesen befiehlt; mit Unrecht.
  9. V. 361 f. Astricta gegen attrita rechtfertigt Burmann ganz richtig theils durch die Parallele astrictum frigore pectus (Her. 15, 12) theils durch die gegenteiligen Ausdrücke diffundi und patere. – Für ipsa patent eine Handschrift ipsa patet, was Burmann vorzieht.
  10. V. 363. Die Form Ilios wird zwar von vielen guten Handschriften bezeugt, wäre aber bei defensa schwerlich in Ilion übergegangen, dessen Rechtfertigung man zu Verw. 14, 467 sehe.
  11. V. 364. In Lust, voll Freude über den angeblichen Abzug der Griechen. Als diese nämlich nach zehnjähriger Belagerung die Stadt nicht mit Gewalt erobern konnten, nahmen sie ihre Zuflucht zur List. Sie brachen das Lager ab und bestiegen die Schiffe, als ob sie abziehen und heimkehren wollten. Vorher jedoch hatten sie ein ungeheures Pferd aus Holz gezimmert und mit Bewaffneten gefüllt zurückgelassen, angeblich als ein zu Ehren der Minerva errichtetes Heiligthum. Ein Grieche, Namens Sinon, blieb zurück, ließ sich von den Trojanern gutwillig fangen, gab vor, von seinen Landsleuten schwer gemißhandelt zu sein und überredete die Trojaner, das Pferd als ein bleibendes Andenken an die erfolglose Belagerung in die Stadt zu schaffen. Dies thaten die Trojaner ungeachtet der Abmahnungen des Apollopriesters Laócoon und überließen sich nach vollbrachter Arbeit der ausgelassensten Freude. Während der Nacht, als Alles von Wein berauscht in tiefem Schlafe lag, schloß Sinon den Bauch des Pferdes auf und ließ die Bewaffneten heraus, welche nun den indeß von den Schiffen zurückgekehrten Griechen die Thore öffneten. Aller Widerstand war vergeblich. Die Stadt wurde mit Mord und Brand verwüstet.
  12. V. 367. Kaum erwähnenswerthe Lesarten matutino und pectentem.
  13. V. 370. Ihm, dem Manne, der die Untreue an dir begangen hat.
  14. V. 373. Fragm. Oxon. sed properet, auf die Magd bezogen. Dann ist die gem. Lesart irae für aurae, offenbar Erklärung des letzteren. Auch vires findet sich dafür, sowie recedant und resistant für residant.
  15. V. 375. Violare hat Baumgarten-Crusius auf die Autorität fast aller Hdschrften mit Recht hergestellt. Nur wenige ungenannte lesen vitiare (eine mollire), das Heinsius aufnahm und Burmann billigte.
  16. V. 377. Ämsiger, lässiger im Dienste für dich.
  17. V. 378. Macht dich zum Schatz, erwirbt dich als werthvoll, macht an dir einen Gewinn. – Bemerkenswerth ist die Verderbniß von te parat in temperat in einem großen Theile der Handschriften.
  18. V. 379. Höchst unpassend ist die Lesart vieler Handschriften hic, auf casus bezogen.
  19. V. 381. Nicht gefährliche Wege will ich gehen und so Andere zu gehen verleiten, wie der folgende Vers lehrt. – Daher auch die an sich sehr gute Lesart ducam für vadam in zwei Handschriften. Aber sie verdankt ihre Entstehung wahrscheinlich dem folgenden me duce. In vadam liegt, wenn wir nicht irren, der Begriff des Rücksichtslosen, wie im Deutschen durch Dick und Dünn gehen.
  20. V. 382. Gefangen werden, eben in ungekannte Gefahr gerathen. Obgleich sich der Verfasser aber so verwahrt und die Miene der Gewissenhaftigkeit aussteckt, so guckt doch der Schalk gleich wieder heraus.
  21. V. 387. Die Kunst, die Theorie, die Lehre.
  22. V. 388. A. L. agat.
  23. V. 389. Durch das Schwanken der Quellen zwischen non tentasses, tentares, tenabis, numquam tentes hat sich Heinsius für berechtigt gehalten, non tentaris zu vermuthen und die Änderung oder Verderbniß aus dem Umstande erklärt, daß man die natürliche Länge der Endsilbe in tentaris nicht gekannt habe. Als ob tentabis nicht ebenfalls auf eine Kürze ausginge! Wir sind keinen Augenblick zweifelhaft, daß tentasses das Echte und mit tentare debuisses oder eigentlich debebas zu erklären ist, gerade wie petisses Verw. 5, 26. 15, 637. Liebeserg. III, 8, 49. Und so hat nach Heinsiussens eigener Angabe Cod. Reg. und viele andere.
  24. V. 393. Ein Theil der Handschriften hat retinetur, das Baumgarten-Crusius in der späteren Ausgabe vorgezogen hat; wir glauben, mit Unrecht; nicht weil der Vergleich als Erfahrungssatz im Indicativ steht, sondern weil er darin steht, nachdem in den beiden vorhergehenden Sätzen der Sinn der Anweisung ausgedrückt ist. Denn non utiliter effugit, non bene exit ist = (cavendum est) ne effugiat, ne exeat. Diese Mahnung ist nun hier und muß nach unserer Meinung hier ebenfalls eine entsprechende Form haben, also durch den Imperativ oder Conjunctiv ausgedrückt sein; oder es müßte beim Indicativ wenigstens bene oder utiliter stehen.
  25. V. 394. A. L. opprime.
  26. V. 395. Sie verräth dich nicht, daß du es hast gut mit ihr meinen wollen. – Communi obnoxia culpae hat Heinsius nach einem Patav., der obnoxia culpa. und zwei anderen, welche noxia culpae haben, gegeben. Andere lesen conscia culpa. Vielleicht hat Heinsius das Echte getroffen. Aber die gem. Lesart communi noxia culpa ist ebenfalls ohne Tadel. Denn was in obnoxia liegen soll, das liegt bei der gem. L. in communis; daher obnoxia leicht eine gelehrte Glosse sein kann, und wir uns nur schwer enthalten, die gem. Lesart herzustellen.
  27. V. 397. Den Verräther des Sagens und Thuns der Gebieterin, die Magd.
  28. V. 398 knüpft wieder an den Hauptsatz V. 357 an.
  29. V. 401. Die Fluren sind betrüglich, insofern man sich in dem auf sie gesetzten Vertrauen des Ertrags betrügt.
  30. V. 403 f. Alle Feiertage wurden von dem weiblichen Geschlechte wenigstens äußerlich sehr religiös begangen, und insbesondere männlicher Umgang streng gemieden. Besonders heilig in dieser Beziehung wurde auch der Geburtstag gehalten. In gleicher Hinsicht nennt der Dichter dann von anderen das Fest der Venus am ersten April. Der Monat April, der Frühlingsmonat, war der Venus als der Förderin aller Zeugung heilig. Da nun der vorhergehende Monat März ebenso dem Mars, von dem er auch den Namen hat, geweiht war, und Mars mit Venus nach der Mythologie in einem Liebesverhältnisse gestanden (s. Verw. 4, 167 ff.), so erklärt sich daraus die Bezeichnung des Venusfestes am ersten April durch den Ausdruck derjenige Monatserste, der sich freut, Venus (ihren Monat) mit Mars (seinem Monate) zu vereinigen, den ersteren Monat dem letzteren anzuschließen. Ganz so und jenes Liebesverhältniß noch bestimmter ausdrückend. sagt unser Dichter Festkal. 4. 129 f.
  31. Von den Kalenden des Märzes, wo ebenfalls ein flottes Frauenfest, das Martial die weiblichen Saturnalien nennt, der Juno zu Ehren (Festkal. 3, 247) gefeiert wurde, können wir hier den alten Auslegern zum Trotz Nichts finden.
  32. V. 407 f. Wann die Scenerie der Bühne nicht die gewöhnliche, aus Bildwerk an Coulissen, Vorhang (s. Verw. 3, 111 ff.) &c. bestehende, sondern eine königliche ist, welche die Aufmerksamkeit der weiblichen Zuschauer in Anspruch nimmt und fesselt, also entweder in demselben Stücke eine andere wird als sie vorher war, oder nach den Lustspielen, die in der Regel gegeben wurden, einmal ein Trauerspiel, das sich ausschließlich in den Schicksalen der altgriechischen Königsfamilien bewegte (vergl. Liebeserg. II, 18, 13.) aufgeführt wird. – Mit Recht hat Baumgarten-Crusius das von Heinsius aus zwei gewöhnlichen Handschriften aufgenommene und von allen späteren Herausgebern beibehaltene expositas wieder beseitigt, da der Begriff einer Schaustellung hier nicht paßt, sondern einfach gesagt wird, was für eine Scenerie zur Darstellung des Stückes aufgelegt, angewendet ist. Ebenso heißt es von dem gewöhnlichen Aufstellen der Tische, Auflegen der Teppiche, Auftragen des Weines beim Mahle immer positus, appositus.
  33. V. 409. Der Winter ist da &c.; die Ausdrücke sind hergenommen von der Schiffahrt, die bei dem Eintritt der ungünstigen Jahreszeit (Winter) eingestellt wurde. Dies geschah zur Zeit des Spätaufganges der Plejaden oder des Siebengestirnes (s. zu Verw. 1, 670. 3, 594) und des Spätunterganges der Böcklein, (s. ebend. zu 14, 711) – die Dichter setzen auch den Singular wie bei dem Sternbilde der Fische, Verw. 10, 165, – Ende Octobers.
  34. V. 411. Die gemeine, jetzt in den Ausgaben herrschende Lesart ist si quis creditur alto. Da ist nun zuerst anstößig credi in dem Sinne sich anvertrauen; zweitens aber, daß, während die folgende Handlung im Perfect ausgedrückt ist, die vorhergehende im Präsens steht. Beide Bedenken erledigen sich durch die Lesart des Cod. Mentel. tunc se qui credidit alto, welche Bestätigung findet durch te qui credidit in Reg. und durch si quis credidit in Patav. und daher von uns unbedenklich aufgenommen worden ist.
  35. V. 413 f. Der Tag, wo kläglich &c, der achtzehnte Juli, an welchem Tage im Jahre nach Erbauung der Stadt 367, vor Chr. 387, die Römer an der Allia nicht weit von Rom durch die Galler jene blutige Niederlage erlitten, in deren Folge die Stadt erobert und niedergebrannt wurde. Dieser Tag wurde jährlich als ein Trauertag gefeiert, und an einem solchen, meint der Dichter, wo das Gemüth des Weibes weder, wie am Geburts- und Feiertage, aus religiösen Rücksichten, noch wie im Circus wegen gespannter Schaulust unzugänglich ist, im Gegentheile alle anderen Quellen der Freude und des Genusses verstopft sind und die Langeweile plagt, magst du deine Bewerbung beginnen. Auf den ersten Blick scheint der Verfasser zwar hier in Widerspruch mit der oben V. 369 ff. gegebenen Lehre zu kommen; allein er sagt hier nicht, wann sie in trauriger Stimmung ist, sondern, wie gesagt, wann sie keine andere Unterhaltung, wann sie Langeweile hat. – Tu licet halten wir mit Heinsius nach Fragm. Oxon. für passender, als die Lesart aller übrigen Quellen tunc licet, deren Entstehung aus dem Vorhergehenden leicht erklärlich ist.
  36. V. 417 f. Nimm dich aber ja vor dem Geburtstage der Freundin und überhaupt jedem Tage, wo Geschenke zu geben sind, wie z. B. auch am Junofeste den ersten März, in Acht und komme ihr an solchem ja nicht zu nahe oder laß dich wenigstens nicht durch allerlei Künste und unter allerlei Vorwänden und Titeln ausplündern. – Schwarz heiße; vergl. Liebeserg. III, 5, 23. 26. 12, 1. – Für magna findet sich einzeln multa, auch vana.
  37. V. 421 f. Einige Handschriften, auch Oxon. veniat . . expediat, was Heinsius für richtig erklärt, wenn man nachher has illa für quas illa läse. Da man aber so nicht lesen kann &c.
  38. V. 428. Die Schule, schreiben gelernt zu haben. – Einige Quellen geben ne didicisse iuvet, was Burmann so erklärt: »damit es dir Nichts nütze, wenn du sagest, du hättest schon vor langer Zeit schreiben gelernt und brauchtest es nicht jetzt erst zu lernen,« während es doch weiter Nichts heißt als: damit es dir Nichts nütze, was man doch allgemein denkt, sondern im Gegentheil schade, schreiben gelernt zu haben.
  39. V. 429. Zum Angebinde, im Lateinischen zum Geburtstagskuchen.
  40. V. 430. Selber geboren sich wird, nach eigenem Belieben, beliebig zu ihrem Vorteile ihren Geburtstag ansetzt.
  41. V. 432. Theils einzelne große Perlen, theils ganze Gehänge von Perlen und wertvollen Steinen trugen die eitlen Römerinnen in den Ohren. Vergl. unten III, 129.
  42. V. 433. Vergl. Liebeserg. I, 8, 102. – A. Lesarten reddenda, optanda, credenda dari, auch tradenda sibi. Die aufgenommene wird von den besten Quellen bezeugt.
  43. V. 435. A. L. perseqiar, stehende Variante von prosequar.
  44. V. 437 ff. Nach der Warnung, ja nicht zum Geburtstage zu einer Schönen zu gehen, folgt nun der Rath, sich erst schriftlich an sie zu wenden. – Wachs, auf geglättete Bretchen gegossen; s. zu Verw. 9, 522. Liebeserg. I. 12, 27. – Die Furth, den Übergangspunct bei einem Flusse, den Zugang. – Nuntia geben einige der besten Quellen gegen das mattere conscia der übrigen.
  45. V. 439 f. Wer du auch seist, wenn du auch vornehm, reich &c. bist. IImitata amantum verba muß man erklären verba imitata verba amantum, freilich auffallend. Heinsius vermuthet amantem, unterstützt durch mentem in Cod. Neap. Wir würden mentem selbst vorziehen, wenn wir uns zu einer Änderung berechtigt glaubten. Fragm. Oxon. hat amorum, wodurch Nichts gewonnen wird.
  46. V. 441. Die Angehörigen kauften die Leichname der im Kampfe Gefallenen den Siegern ab. So löste Priamus den Leichnam Hectors von Achilleus für einen ungeheuern Preis ein. Vergl. Verw. 13, 471 ff. n. A.
  47. V. 447. Mit Art, auf eine gute Art, unter einem passenden Vorwande. – G. L. dederis quicquam, vermutlich aus Unkenntniß der natürlichen Länge der Endung is.
  48. V. 448. Früheres, die früher, vorausgegebenen Geschenke. Verloren hat sie gar Nichts, noch Nichts dagegen gewährt. Gieb also Nichts vorweg.
  49. V. 451 f. »Das Hazardspiel war in Rom zur verderblichsten Sucht geworden, und alle Strenge wiederholter gesetzlicher Bestimmungen konnte nicht verhindern, daß im Geheimen das verführerische Würfelspiel Vieler Glück und Vermögen zu Grunde richtete.« Beckers Gallus. – Für saepe geben einige wenige Hdschrften blanda, das zwar ein ganz passendes und nicht seltenes Beiwort der alea ist, aber eben darum auch hier nicht in saepe übergegangen sein würde, leicht aber als Reminiszenz durch einen Blick auf Vers 455 an dessen Stelle getreten sein kann. Dazu kommt, daß revocat allein nach non cessat zu schwach sein würde und eine Verstärkung, wie saepe, wesentlich erfordert.
  50. V. 454. Die gem. Lsrt ist dederit: wenn sie einmal umsonst gewährt, wird sie das immerfort (umsonst) thun. Das verlangt der Lehrmeister aber nicht; er hat ja eben gesagt, zuerst ohne Geschenk. Daher ist die von Cod. Reg., Oxon. und Ambros. gebotene Lsrt. ne dederit, auch durch nec dederit in einem anderen unterstützt, unzweifelhaft allein richtig. Wenn wir übrigens in der Übersetzung quae zum Folgenden gezogen haben, so ist es nicht aus Verkennung der Beziehung in der Urschrift geschehen.
  51. V. 457 f. Die vornehme und reiche Cydippe wurde von dem armen Acontius heimlich geliebt. Da er aber ihren Besitz nicht hoffen durfte, nahm er einst die Gelegenheit wahr, wo sie im Dianentempel zu Delos opferte, und warf ihr einen Apfel vor die Füße, worauf ein Gelübde stand, ihm anzugehören. Nun war es Gesetz, daß Alles erfüllt werden mußte, was im Dianentempel gelobt oder ausgesprochen wurde. Indem sie nun die Schrift auf dem Apfel las, sprach sie unwillkührlich (ohn‘ es zu wissen), das Gelübde aus und war so daran gebunden (gefahn durchs eigene Wort). Dasselbe lautete angeblich:
  52. Unter den Heroenbriefen (s. zu Liebeserg. II, 18, 19) befindet sich auch einer, der zwanzigste, des Acontius an Cydippe. – Für perlata findet sich in den Hdschrften auch perlecta, praelata, prolata, delata.
  53. V. 459. Vergl. Liebeserg. II, 8, 1 n. A.
  54. V. 463. Die Stärke, die du in der Redekunst besitzest. – Nicht übel zwei Hdschrften artes, aber doch nur Glosse.
  55. V. 464. Ebenso ist wahrscheinlich voces wie die meisten Quellen für cereae geben, eine Glosse.
  56. V. 466. Wirksame Ursache des Hasses, eine hinlänglich starke, hinlängliche. Vergl. Verw. 5, 174.
  57. V. 469. Einige Hdschrften lesen intactumque.
  58. V. 477. S. Liebeserg. I, 8, 47 n. A.
  59. V. 480. Für usque andere Lsrt ipsa.
  60. V. 485. Was sie bittet, ist Furcht, daß es nämlich geschähe, daß du sie nicht weiter belästigtest.
Interea sive illa toro resupina feretur,
Lecticam dominae dissimulanter adi;
Neve aliquis verbis odiosas afferat aures,
Quam potes, ambiguis callidus abde notis.
Seu pedibus vacuis illi spatiosa teretur
Porticus, hic socias tu quoque iunge moras.
Et modo praecedas facito, modo terga sequaris;
Et modo festines, et modo lentus eas.
Nec tibi de mediis aliquot transire columnas
Sit pudor, aut lateri continuasse latus.
Nec sine te curvo sedeat spatiosa theatro:
Quod spectes, humeris afferet illa suis.
Illam respicias, illam mirere licebit;
Multa supercilio, multa loquare notis.
Et plaudas, aliquam mimo saltante puellam;
Et faveas illi, quisquis agatur amans.
Cum surget, surges; donec sedet illa, sedebis.
Arbitrio dominae tempora perde tuae.
Sed tibi nec ferro placeat torquere capillos,
Nec tua mordaci pumice crura teras.
Ista iube faciant, quorum Cybeleia mater
Concinitur Phrygiis exululata modis.
Forma viros neglecta decet. Minoida Theseus
Abstulit, a nulla tempora comtus acu.
Hippolytum Phaedra, nec erat bene cultus, amavit.
Cura deae silvis aptus Adonis erat.
Munditiae placeant; fuscentur corpora Campo;
Sit bene conveniens et sine labe toga.
Linguaque ne rigeat; careant rubigine dentes;
Nec vagus in laxa pes tibi pelle natet.
Nec male deformet rigidos tonsura capillos;
Sit coma, sit docta barba resecta manu.
Et nihil emineant et sint sine sordibus ungues;
Inque cava nullus stet tibi nare pilus.
Nec male odorati sit tristis anhelitus oris;
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Triffst du inzwischen sie an auf dem Pfühl halbliegend getragen,216
Geh‘ an die Sänfte verstellt dann der Geliebten hinan;
Und daß nicht ein lästiges Ohr erlausche die Worte,
Hüll‘ in Zeichen geschickt doppelter Deutung sie ein.
Wandelt sie müßigen Fußes hindurch die geräumige Halle,217
Bringe auch du hier zu müßige Weile mit ihr.
Und bald mußt du voran ihr gehn, bald folgen im Rücken,
Bald beeilen den Schritt, wieder dann langsamer gehn.
Auch vorüber zu gehn ein Paar von den mittleren Säulen218
Schäme dich nicht; auch nicht Seite an Seite zu gehn.
Ohne dich auch nicht sitze sie breit im Amphitheater;219
Dein Schauspiel – das bringt mit an den Schultern sie selbst.220
Ansehn immer nur sie und sie bewundern nur magst du,
Viel mit dem Augenlied sprechen, mit Zeichen auch Viel;
Beifall klatschen, so oft ein Mädchen vom Mimen getanzt wird;221222

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Jeden beschenken mit Gunst, welcher den Liebenden spielt.228
Stehet sie auf, steh‘ auf; bleib sitzen, so lange sie sitzet;229
Bringe die Zeit nach der Wahl deiner Gebieterin zu.
Doch es gefalle dir nicht, mit dem Eisen die Haare zu kräuseln;230
Auch mit beißendem Bims glätte die Schenkel dir nicht.231
Solcherlei laß die thun, aus deren Phrygischen Weisen232
Mutter Cybeles Preis hallet in heulendem Chor.
Männern geziemt versäumte Gestalt. Die Tochter des Minos233
Holte sich Theseus, den Schlaf nicht von der Nadel geschmückt.
Phädra verliebt‘ in Hippolytus sich, so wenig er schmuck war;234

Weg mit den Männern von mir, die weiberartig sich schmücken;
Mäßige Pflege nur ist ziemend für Männergestalt.

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Während Adonis, zum Wald passend, der Göttin gefiel.236
Sauberkeit sei dir lieb, gebräunt der Körper vom Campus;237
Passend und fleckenlos, sitze die Toga dir gut.238
Starr nicht klebe die Zunge, von Rost frei seien die Zähne;
Und in zu weitem Schuh schlappe der Fuß nicht herum.239
Auch entstelle die Schur das steife Haar nicht zum Schimpfe;240
Haar geschnitten und Bart sei dir von kundiger Hand.
Laß die Nägel auch nicht vorragen und halte sie schmutzfrei;241
Und aus dem Nasenloch stehe kein Haar dir heraus.
Nicht beschwerlich auch sei der Hauch schlimm riechenden Mundes;

    Nec laedat nares virque paterque gregis.
Caetera lascivae faciant, concede, puellae,
Et si quis male vir quaerit habere virum.
Ecce, suum vatem Liber vocat! Hic quoque amantes
Adiuvat et flammae, qua calet ipse, favet.
Gnosis in ignotis amens errabat arenis,
Qua brevis aequoreis Dia feritur aquis.
Utque erat a somno tunica velata recincta,
Nuda pedem, croceas irreligata comas,
Thesea crudelem surdas clamabat ad undas,
Indigno teneras imbre rigante genas.
Clamabat flebatque simul, sed utrumque decebat;
Nec facta est lacrimis turpior illa suis.
Iamque iterum tundens mollissima pectora palmis:
Perfidus ille abiit: quid mihi flet? ait.
Quid mihi fiet? ait. Sonuerunt cymbala toto
Litore, et attonita tympana pulsa manu.
Excidit illa metu rupitque novissima verba.
Nullus in exanimi corpore sanguis erat.
Ecce, Mimallonides sparsis in terga capillis!
Ecce, leves Satyri, praevia turba dei!
Ebrius ecce senex pando Silenus asello
Vix sedet et pressas continet arte iubas!
Dum sequitur Bacchas, Bacchae fugiuntque petuntque,
Quadrupedem ferula dum malus urget eques:
In caput aurito cecidit delapsus asello.
Clamarunt Satyri: Surge age, surge, pater!
Iam deus in curru, quem summum texerat uvis,
Tigribus adiunctis aurea lora dabat.
Et color et Theseus et vox abiere puellae;
Terque fugam petiit, terque retenta metu.
Horruit, ut steriles, agitat quas ventus, aristae;
Ut levis in madida canna palude tremit.
Cui deus: En, assum tibi cura fidelior, inquit:
Pone metum; Bacchi, Gnosias, uxor eris.
Munus habe caelum; caelo spectabere sidus;
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    Ziegen-Vater und Mann setze der Nase nicht zu.242
Alles Übrige laß wollüstige Mädchen nur machen,243
Und wer, ein Halbmann, Männer zu haben begehrt.
Seinen Verkündiger ruft da Liber! Auch dieser begünstigt244
Liebende, fördert die Gluth, welche ihn selber erhitzt.
Sinnlos irrte die Gnosierin an fremdem Gestade,245
Wo das Wasser des Meers Dia, die kleine, bespült.
Und wie sie war vom Schlaf, umhüllt mit entgürtetem Kleide,246
Nackenden Fußes, gelöst wallend das Safrangelock,
Rief dem tauben Gewoge sie zu: O grausamer Theseus,
Während ein Thränenstrom netzte das zarte Gesicht.247

Während ihr unverdient netzte ein Strom das Gesicht.

Laut, laut rief sie und weinte zugleich; doch zierte sie Beides,
Und ihr thränender Blick machte sie häßlicher nicht.
Was wird werden aus mir? der Ungetreue verließ mich,
Spricht sie, mit flacher Hand schlagend die schwellende Brust.248
Was wird werden aus mir? Da erschallen am ganzen Gestade249
Cymbeln, und Paukenschlag dröhnet von donnernder Hand.
Sinnlos ward sie vor Furcht, und die letzten Worte erstarben;
Blutlos starrte und bleich ihr der entgeisterte Leib.
Sieh, die Mimalloniden, das Haar zerstreut auf dem Rücken!250
Sieh, ankündend den Gott, hurtiger Satyre Schaar!
Siehe, der trunkene Alte, Silen! Auf dem bauchigen Esel
Sitzt er mit Noth, und geschickt hält er die Mähne gefaßt.
Während den Bacchen er folgt und die Bacchen ihn fliehen und suchen,251
Und er, ein Reiter gar schlecht, treibt mit der Ruthe das Thier:
Vom langöhrigen Esel herab da fällt auf das Haupt er.
Steh‘, o Väterchen, steh‘, schreien die Sátyrn, doch auf!252
Jetzt auf dem Wagen, der oben herum mit Trauben bedeckt war,253
Gab die Zügel von Gold Bacchus dem Tigergespann.
Theseus war und die Farb‘ und die Stimme vergangen dem Mädchen;254
Immer versucht sie die Flucht, immer verwehrt sie die Furcht.
Schauernd erbebt sie, wie schauern im Wind unfruchtbare Ähren,255
Wie im morastigen Sumpf zittert das schwankende Rohr.
Und es beginnt der Gott: Hier kommt dir ein treuerer Pfleger.
Banne die Furcht: nun sollst Bacchus‘ Gemahlin du sein.
Nimm zum Geschenk den Himmel; an ihm als Cretische Krone256

    Saepe reges dubiam Cressa Corona ratem.
Dixit, et e curru, ne tigres illa timeret,
Desilit; imposito cessit arena pedi.
Implicitamque sinu – neque enim pugnare valebat –
Abstulit, ut facile est omnia posse deo.
Pars: Hymenaee! canunt; pars clamant: Evie evoe!
Sic coeunt sacro nupta deusque toro.
Ergo ubi contigerint positi tibi munera Bacchi,
Atque erit in socii femina parte tori:
Nycteliumque patrem nocturnaque sacra precare,
Ne iubeant capiti vina nocere tuo.
Hic tibi multa licet sermone latentia ficto
Dicere, quae dici sentiat illa sibi;
Blanditiasque leves tenui perscribere vino,
Ut dominam in mensa se legat illa tuam;
Atque oculos oculis spectare fatentibus ignem:
Saepe tacens vocem verbaque vultus habet.
Fac primus rapias illius tacta labellis
Pocula; quaque bibit parte puella, bibas.
Et quemcumque cibum digitis libaverit illa,
Tu pete; dumque petes, sit tibi tacta manus.
Sint etiam tua vota, viro placuisse puellae.
Utilior vobis factus amicus erit.
Huic, si forte bibas, sortem concede priorem;
Huic detur capiti missa corona tuo.
Sive sit inferior, seu par, prior omnia sumat;
Neu dubites illi verba secunda loqui.
Tuta frequensque via est, per amici fallere nomen.
Tuta frequensque licet sit via, crimen habet.
Inde procurator nimium quoque multa procurat
Et sibi mandatis plura videnda putat.
Certa tibi a nobis dabitur mensura bibendi:
Officium praestent mensque pedesque suum.
Iurgia praecipue vino stimulata caveto
Et nimium faciles ad fera bella manus.
Occidit Eurytion stulte data vina bibendo.
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    Sollst du erscheinen und oft leiten ein irrendes Schiff.
Sprach’s, und vom Wagen herab, daß nicht sie fürchte die Tiger,
Sprang er; es wich der Sand unter des Fußes Gewicht.257
Und im Busen gesaßt – nicht hatte sie Kraft ja zu kämpfen –258
Trug er sie fort, wie leicht Alles ein Gott denn vermag.259
Und: Hymenäus! erschallt’s; Juchheisa, Evius, ruft man.260
Also im heiligen Bett einen sich Mädchen und Gott.
Wird nun die Gabe zu Theil dir des ausgetragenen Bacchus261
Und ein Weibchen beschert dir auf gemeinsamem Pfühl:
Rufe den Vater Nyctélius an und die nächtlichen Opfer,262
Daß sie dir in den Kopf steigen nicht lassen den Wein.
Viel in erdichteter Rede versteckt ist hier dir zu sagen263
Möglich, wovon sie mag merken, ihr werd‘ es gesagt;
Flüchtige Zärtlichkeiten in Tropfen Weines zu schreiben,264
Daß sie es les‘ auf dem Tisch, wie sie beherrsche dein Herz;
Und in das Aug‘ ihr zu schaun mit Liebe bekennendem Auge:
Stimme und Wort hat oft, glaub‘ es, der schweigende Blick.
Trachte darnach, zu erhaschen zuerst den Becher, den ihre265
Lippen berührt, und trink, wo die Gebieterin trank.
Und nach jeglicher Speise, die sie mit den Fingern berührt hat,266
Greife und suche dabei ihr zu berühren die Hand.
Richt‘ auch den Wunsch darauf, dem Mann zu gefallen des Mädchens.
Nützlicher wird er euch sein, ist er zum Freunde gemacht.267
Ihm, wenn eben du trinkst, gestatte im Trinken den Vorrang,268
Ihm hinreiche den Kranz, den man dir selber geschickt.
Alles empfang‘ er zuerst, mag unter dir, mag er dir gleichstehn;
Immer das erste Wort sei ihm zu lassen bereit.
Sicher und leicht ist der Weg, durch den Namen des Freundes zu täuschen.269
Doch ob sicher und leicht, ist er doch frei nicht von Schuld.
Dann zum Verwalter bestellt, verwaltet zuviel er im Hause;270
Glaubt, er müsse auf Mehr sehen, als auf man ihm trug.
Auch gegeben von uns soll werden ein Maß dir im Trinken:
Füße müssen und Kopf fähig dir bleiben zum Dienst.
Streitsucht, die aufstachelt der Wein, vermeide vor Allem;271
Halte nicht immer die Hand fertig zu blutigem Krieg.
Hinsank Eurytion, da thöricht den Wein er getrunken.272
    Aptior est dulci mensa merumque ioco.
Si vox est, canta; si mollia brachia, salta;
Et quacumque potes dote placere, place.
Ebrietas ut vera nocet, sic ficta iuvabit:
Fac titubet blaeso subdola lingua sono,
Ut, quicquid facies dicesve protervius aequo,
Credatur nimium causa fuisse merum.
Et: Bene, dic dominae, bene, cum quo dormiat illa:
Sed, male sit, tacita mente precare, viro.
At cum discedet mensa conviva remota;
Ipsa tibi accessus turba locumque dabit.
Insere te turbae, leviterque admotus eunti
Velle latus digitis et pede tange pedem.
Colloquii iam tempus adest: fuge rustice longe
Hinc pudor: audentem Forsque Venusque iuvant.
Non tua sub nostras veniat facundia leges:
Fac tantum incipias, sponte disertus eris.
Est tibi agendus amans imitandaque vulnera verbis:
Hinc tibi quaeratur qualibet arte fides.
Nec credi labor est: sibi quaeque videtur amanda.
Pessima sit, nulli non sua forma placet.
Saepe tamen vere coepit simulator amare;
Saepe, quod incipiens finxerat esse, fuit.
Quo magis o faciles imitantibus este puellae:
Fiet amor verus, qui modo falsus erat.
Blanditiis animum furtim deprendere nunc sit,
Ut pendens liquida ripa subitur aqua.
Nec faciem, nec te pigeat laudare capillos
Et teretes digitos exiguumque pedem.
Delectant etiam castas praeconia formae:
Virginibus curae grataque forma sua est.
Nam cur in Phrygiis Iunonem et Pallada silvis
Nunc quoque iudicium non tenuisse pudet?
Laudatas ostentat avis Iunonia pennas:
Si tacitus spectes, illa recondit opes.
Quadrupedes inter rapidi certamina cursus
Depexaeque iubae plausaque colla iuvant.
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    Tisch und Wein sind mehr passend zu süßem Gekos.
Hast du Stimme, so singe; bewegliche Arme, so tanze:273
Welches Talent du nur hast, suche zu glänzen damit.
Wirkliche Trunkenheit ist schädlich, erdichtete nützt dir:
Laß die Zunge voll Trug lallen in stammelndem Laut,
Daß als Schuld an Allem, was allzu keck und verwegen
Thun und sprechen du magst, gelte der reichliche Wein.
Glücklich, sprich zur Geliebten, ja glücklich, bei welchem sie schlafe;274
Aber zum Henker zu gehn wünsche im Stillen dem Mann.
Gehen nun aber hinweg nach Entfernung des Tisches die Gäste;275
Wird das Gewühl dir selbst Möglichkeit bieten zu nahn.
Mische dich in das Gewühl; und leise genaht ihr im Gehen,
Zupf‘ an der Seite sie nur, rühr‘ an den Fuß mit dem Fuß.
Nun ist Zeit es, zu sprechen mit ihr; hinweg nun, hinweg weit,276
Tölpische Schaam! Beistehn Wagenden Liebe und Glück.277
Deine Beredsamkeit bedarf nicht unserer Regeln:278
Mache den Anfang nur, bist du von selber beredt.279
Spielen den Liebenden mußt du, im Wort darlegen die Wunden,
So erstreben für dich Glauben auf jeglichem Weg.280
Leicht auch ist es; es hält für liebenswürdig sich Jede;
Sei sie die Häßlichste auch, Jede sich selber gefällt.
Der sich verstellte jedoch, fing oft an wirklich zu lieben,
Ward oft, was er zuerst hatte erdichtet zu sein.
Um so gefälliger seid, o Mädchen, den scheinbar Verliebten;
Wirkliche Lieb‘ oft wird, die nur geheuchelt erst war.281
Jetzt wol wäre das Herz unmerklich zu fahen durch Schmeicheln,282
Wie der schleichende Bach höhlet den hangenden Rand.
Auch verdrieß‘ es dich nicht, das Gesicht und die Haare zu loben
Und die Finger so rund sammt dem so niedlichen Fuß.
Ihrer Gestalt Lobpreisung erfreut die Keuschesten selber,
Ihre Gestalt ist stets wichtig den Frauen und werth.
Denn was schämen sich heutigen Tags noch Pallas und Juno,283
Daß sie erhalten den Preis nicht aus dem Phrygischen Wald?
Werden die Federn gelobt, spreizt aus sie der Vogel der Juno;284
Schaust du schweigend ihn an, wieder verbirgt er den Schatz.
Auch dem Rosse behagt’s bei dem Kampf des flüchtigen Wettlaufs,
Wird ihm die Mähne gekämmt, fühlt es den Hals sich geklatscht.
  1. V. 487 ff. Da Wagen im Innern der Stadt dem Privatmann nicht erlaubt waren, so waren Sänften, theils eigene, theils gemiethete, in häufigem Gebrauche, den die Römer wahrscheinlich im Oriente hatten kennen lernen. Die Sänfte bestand der Hauptsache nach in einem mit Gurten bezogenen Gestelle, worauf eine Matratze oder ein Pfühl (torus) und zu Kopfe ein Kissen (daher halb liegend) lag. Sie war jedenfalls mit Verdeck (von Leder) und Vorhängen versehen, die zurückgezogen oder aufgebunden werden konnten, in welchem Falle dieselbe also offen war, so daß die darin befindliche Person gesehen werden konnte, wie hier in unserer Stelle. Getragen wurde die Sänfte von Sclaven, oft sechs bis acht. S. Beckers Gallus. – Verstellt, ohne es die Träger und den etwaigen Hüter (s. zu Liebeserg. II, 2, 1), auch wol andere Vorübergehende merken zu lassen, daß du der Verehrer der Dame seist, sie kennest &c. Eine solche augenblickliche Annäherung war bei dem außerordentlich lebhaften Verkehre in den von beiden Seiten durch Buden an den Häusern eingeengten (s. oben zu V. 79) Straßen sehr leicht möglich. – Für feretur findet sich auch feratur, sowie für afferat in einigen guten Hdschrften offerat, das von Heinsius gebilligt wird, aber nach Burmanns richtiger Bemerkung mit odiosas in Widerspruch steht.
  2. V. 491 ff. Vergl. oben V. 71 ff. u. s. zu Liebeserg. II, 2, 3.
  3. V. 495 f. Der Dichter scheint zu meinen, der Liebhaber solle sich nicht schämen, von einer Seite der Halle quer durch die Mitte bei mehreren Säulenreihen vorbei auf die andere hinüberzugehen. Daß es bei starker Frequenz auffallen mußte, wenn Einer quer durchbrach und auf die andere Seite hinüberging, läßt sich leicht denken. Ebenso war männliche Begleitung Seite an Seite oder Arm in Arm nicht Sitte und mußte sogleich das Verhältniß zwischen Beiden nebst dem Stande der Dame verrathen. – G. L. aliquam; dann auch columnis, gleich gut.
  4. V. 497. Sie sitze nicht breit, so daß sie einen leeren Platz neben sich hätte.
  5. V. 498. Worauf du schauen und woran du dich weiden sollst, das ist ihr Hals und Kopf = sie selbst, wie der Dichter im nächsten Verse deutlicher wiederholt. Doch könnte der Sinn auch sein in ihren Schultern. – Denselben Sinn giebt die Lesart auferat einiger Hdschrften, nämlich: sie wird dir mit ihren schönen Schultern, die deine Aufmerksamkeit fesseln werden, das Schauspiel, das gegeben wird, entziehen, dich blind dafür machen.
  6. V. 501. Ein Mädchen wird vom Mimen getanzt, der Mime stellt ein tanzendes Mädchen dar. S. zu Liebeserg. II, 4, 29. – Dies ist ohne Zweifel der allein richtige Text, wie denselben Fragm. Oxon. und Cod. Reg. von erster Hand bieten, während die übrigen Hdschrften aliquo mimo saltante puellae geben. Saltare qm ist von dieser Darstellungsweise stehender Ausdruck. Vergl. Rem. V. 755:
  7. Illic assidue ficti saltantur amantes.
  8. Juvenal. VI, 63:
  9. Chironomon Ledam molli saltante Bathyllo.
  10. Horatius construirt sogar moveri so Epp. II. 124:
  11.                                                                                 ut qui
    Nunc Satyrum, nunc agrestem Cyclopa movetur.
  12. Selbst bei Prosaikern kommt saltare in diesem Sinne vor, z. B. Vell. Pat. II. 83. Macrob. Sat. II, 7.
  13. V. 502. Welcher den Liebenden spielt, die Rolle des Liebhabers in einem scenischen Stücke.
  14. V. 503. A. L. surgas . . sedeto.
  15. V. 505 ff. Sehr beherzigenswerth auch für unsere jungen Männer!
  16. V. 506. Man vergesse nicht, daß die Männer, wie noch heutzutage die Schotten, keine Beinkleider trugen, sondern die behosten Galler, Germanen u. s. w. verspotteten. Doch hatten sie bisweilen Binden oder Streifen Zeug (fasciae) um die Beine gewickelt; aber auch dies galt für Zeichen der Weichlichkeit. Beckers Gallus. Vergl. auch zu Verw. 2, 28. Kokette Frauen glätteten die bloßen Körpertheile mit Bims, und dasselbe thaten in den späteren Zeiten der Verweichlichung und Entartung auch stutzerische Männer.
  17. V. 507 f. S. zu Verw. 10, 104.
  18. V. 509 f. Die Tochter des Minos &c.; s. ebendas. zu 8. 170 ff. und unten V. 527 ff.
  19. V. 511. S. Verw. 15, 497 ff. Im vierten Heroenbriefe, welchen der Dichter von Phädra an Hippolytus schreiben läßt, spricht sie in demselben Sinne V. 75 f.
  20. Für Phaedra giebt Baumgarten-Crusius Phaedre, für welche Form in den schriftlichen Quellen nicht die mindeste Berechtigung vorliegt. Warum soll das von Natur lange Alpha des Griechischen Namens nicht auch bei dem Lateinischen Dichter lang sein und bleiben können? Daß es unten V. 744 kurz gebraucht ist, beweist nicht dagegen.
  21. V. 512. S. Verw. 10, 503 ff., besonders 529 ff. – Zum Wald passend, Jäger; vergl. ebendas. zu V. 171.
  22. V. 513. Unter Campus ist der campus Martius, das Marsfeld im Zwinger der Stadt zu verstehen, wo die Leibesübungen und Vorübungen zum Kriegsdienste Statt fanden. – Der Körper, nicht etwa blos das Gesicht, weil man sich nackt (s. zu Verw. 2, 28) übte.
  23. V. 514. Die Toga, das den Römer kennzeichnende, keinem Nichtrömer erlaubte Kleidungsstück, ohne welches er das Haus nicht verließ, nicht öffentlich erscheinen durfte, war von Wolle und weiß, bei obrigkeitlichen Personen mit einem Purpurstreifen besetzt. Sie bildete, ausgebreitet, einen Halbkreis oder wenigstens einen größeren Kreisabschnitt von etwa sechs Ellen Sehne, bald mehr, bald weniger, aber vom Mittelpuncte der Sehne nach der Mitte des äußeren Randes oder der Peripherie weiter oder breiter als nach den Endpuncten derselben. »Dieses Gewand wurde zuerst mit dem einen Zipfel über die linke Schulter nach vorn geworfen und durch diesen Wurf wurde der linke Arm völlig bedeckt. Dann zog man die Toga hinter dem Rücken weg nach vorn und faßte sie etwa in der Mitte ihrer Weite faltig zusammen, so daß der obere Theil als sinus (Busen, Bausch) herabfiel, der untere Leib und Schenkel deckte. So entstand der unter dem rechten Arme hervor schräg über die Brust sich ziehende Faltenbausch. Der übrige Theil wurde dann über die linke Schulter und den Arm geschlagen, der nun doppelt bedeckt war. (Der rechte Vorderarm blieb ganz frei.) An den Zipfeln sieht man häufig Quasten oder Knöpfchen, die entweder zur Verzierung dienten oder bestimmt waren, durch ihre Schwere das Gewand niederzuhalten. Endlich wurde ein Theil des vorn herabhängenden Gewandes unter dem schrägen Faltenbausche hervorgezogen, oder es wurde etwas von der Weite des sinus nach links herübergezogen, so daß es wie ein kleiner sinus über den Bausch hing (umbo). Wer auf solchen künstlichen Wurf Werth legte, der ließ schon vor dem Umwurfe die Toga künstlich in Falten legen, und dies geschah jeden Abend wieder. Dann wurden wohl auch dünne Bretchen zwischen die Falten gelegt, um ihre Regelmäßigkeit zu erhalten, und der künstlich gefaltete Bausch oder umbo wurde durch Zangen zusammengehalten, die dazu dienten, die Falten nicht aus ihrer Lage kommen zu lassen.« Beckers Gallus. – Passend beziehe man auf den Schnitt (apte caesa).
  24. V. 516. S. zu Liebeserg. III, 13, 26 und unten zu III, 271.
  25. V. 517 f. S. zu Verw. 4, 13. – Für docta Oxon. und Cod. Reg..
  26. V. 519. Der elegante Dichter wird sich schwerlich haben einfallen lassen, daß einst eine, seiner Vorschrift, die Nägel nicht hervorragen zu lassen, gerade entgegengesetzte Mode in den höchsten Kreisen der gebildeten Gesellschaft herrschen werde.
  27. V. 522. Ziegen- (im Original unbestimmter Herden-) Vater und Mann, eine bei den Lateinischen Dichtern gewöhnliche Bezeichnung des Ziegen- oder Schaafbockes. Vergl. Liebeserg. III, 13, 17. Die Sache sowohl, da die Römer sich doch täglich badeten, als der Ausdruck ist auffallend. Doch läßt sich die erstere aus dem heißen Klima und der wollenen Kleidung erklären. Was aber den letzteren anlangt, so war er gewöhnlich und sprichwörtlich in der Redensart: Der Bock liegt unter den Achseln. Vergl. auch unten III, 193. – Den Plural laedant sollen die vorzüglicheren Hdschrften haben. Es kann sein; er ist aber darum nicht minder widersinnig und aus Gedankenlosigkeit und Unwissenheit der Schreiber zu erklären.
  28. V. 523. Alle Körperpflege, welche über die in Obigem gegebenen Vorschriften hinausgeht, überlaß wollüstigen Dirnen und Halbmännern.
  29. V. 525 ff. Ein vorzügliches Mittel, eine Schöne zu gewinnen, ist der Wein. Der Gott des Weines selbst brannte für ein Weib in Liebe, deren Geschichte ich, der Liebesdichter, daher sein Dichter (vergl. Liebeserg. I, 3, 11), als Beweis erzählen will.
  30. V. 527 f. Die Gnosierin, Ariadne. Dia die Insel Naxos. S. Verw. 8, 170 ff. n. Anmerkungen.
  31. V. 529 f. Umhüllt von entgürtetem Kleide; s. zu Liebeserg. I, 5, 9. – Das Safrangelock, das blonde Haar. Der Geruch sowohl als die Farbe des Safrans war den Römern besonders lieb. S. unsern Index z. Verw.
  32. V. 532. Da Strom im Deutschen von Thränen ohne nähere Bestimmung nicht füglich gesagt werden kann, so sahen wir uns genöthigt, das übrigens nicht gerade wesentliche indignus (unverdient) aufzugeben. Auch teneras hätte unübersetzt bleiben müssen:
  33. V. 536. Mit flacher Hand &c.; s. zu Verw. 2, 335.
  34. V. 537 f. Bacchus‘ Erscheinung kündigt sich an. S. unsern Index z.Verw.
  35. V. 541 f. S. Verw. 4, 25 ff. n. A. Mimalloniden, die Bacchantinnen; Ableitung und Grund der Benennung ist unbekannt.
  36. V. 545 ff. Ergötzliches Bild tollen Treibens, muthwilligen Schäkerns &c. in Folge der Trunkenheit.
  37. V. 548. Für pater einige Quellen senex.
  38. V. 549 f. Gab die Zügel, jagte mit nachgelassenen Zügeln heran. – Dem Tigergespann; s. zu Verw. 3, 368. Vergl. Liebeserg. I, 2, 48. – Aus einigen ungenannten Hdschrften hat Heinsius e curru gegeben, was an sich ganz gut, aber eben wenig beglaubigt und wahrscheinlich aus V. 559 hier heraufgekommen ist. Vergl. unten II, 433, wo ganz so wie hier in curru lora dare steht.
  39. V. 551. In manchen Quellen findet sich iam color für et color, dann sensus für Theseus.
  40. V. 553. Mehrere Hdschrften aristas. Cod. Arond. giebt spectabile, vortrefflich, um das bei der gem. Lsrt spectabere zwischen diesem und dem folgenden reges vorhandene Asyndeton zu beseitigen. Auch gehört das übrigens nicht häufige Wort zu den Günstlingen Ovids. Verw. 3, 709. Liebeserg. I, 8. 59. Her. 6, 49. 12, 201. Trist. III, 8, 35. Gleichwohl wäre es nicht gerechtfertigt, die Autorität aller übrigen Quellen gegen die eine hintanzusetzen.
  41. V. 557. Als Cretische Krone, als Krone der Creterin Ariadne, in der Nähe der rechten Schulter des Bärenhüters.
  42. V. 560. Es wich der Sand &c.; s. zu Verw. 4, 449.
  43. V. 561. Der Busen, d. h. der durch die Gürtung des Kleides oder den Wurf der Toga (s. oben zu V. 514) entstehende Bausch, der als Tasche diente. Wenn nun auch der Gott nicht mit einer Tunica oder Toga bekleidet zu denken ist, so ist doch der Ausdruck daher entnommen und bezeichnet die Art des Fassens und Tragens.
  44. V. 562. Für ut facile est liest man in einzelnen Hdschrften in facili, auch en facile est, in Bern. Abstulerat. facile est.
  45. V. 563. Hymenäus; s. zu Verw. 10, 1. – Evius oder vielleicht richtiger Euius, Griechischer Beiname des Bacchus von dem Jubelrufe euan oder euoi. – Die Lsrten sind in diesem Verse so abweichend, besonders im Schlusse so verdorben, daß Heinsius erklärt, es ekle ihn, sie alle anzuführen. Bemerkenswerth scheint nur Hymenaea und evion evoe zu sein, welche letztere von einigen der vorzüglichsten Quellen gegeben wird und vielleicht den Vorzug verdient, indem der (Griechische) Accus. nach dem Lateinischen Gebrauche zu erklären wäre, die gerufenen Namen in die Construction des Satzes aufzunehmen. S. unsern Index z. Verw. unter Rufe. So fiele auch der übrigens bei Eigennamen gerade nicht anstößige Hiatus zwischen Evie euoe weg. Freilich läge eine Ungleichheit des Ausdrucks in den beiden Sätzen vor, indem im ersten der eigentliche Vocativ, im zweiten der Accusativ des gerufenen Namens stände, was aber dem Dichter wohl nachzusehen wäre bei der Schwierigkeit, Hymenäus im Accusativ anzubringen.
  46. V. 565 f. knüpft wieder an V. 526 an. – Wird nun &c.; s. zu Verw. 8, 674 und vergl. oben V. 231; sowie zu Verw. 8, 566. – A. L. contingent.
  47. V. 567. Den Vater Nyctelius; s. zu Verw. 13, 669, sowie zu 4, 15.
  48. V. 569. S. zu Liebeserg. II, 5, 19. – Denn daß der Dichter hier Dasselbe meint und die von uns gegebene Lsrt fast aller Hdschrften die echte sei, unterliegt keinem Zweifel; wiewohl auch die von Burmann aus zwei Pal. u. Commel. aufgenommene licentia tecto einen guten Sinn giebt.
  49. V. 571 f. Vergl. Liebeserg. I, 4, 20. – A. L. praescribere.
  50. V. 575 f. Vergl. ebend. – A. Lsrten bibet, dann für parte puella in manchen Hdschrften tu quoque parte, wahrscheinlich Reminiscenz aus Her. 17, 80.
  51. V. 577. Um die Speisen zum Munde zu bringen, bediente man sich größtentheils der bloßen Finger. Vergl. unten III, 755. Die einzigen Werkzeuge, welche erwähnt werden – denn das Messer gehört nur dem structor (Anrichter) an, und Gabeln werden gar nicht genannt – sind zwei Arten Löffel, wovon die eine ligula unsern Suppenlöffeln gleich gewesen sein mag, die andere, kleinere, aber (cochlear) am Stiele eine Spitze hatte, um damit die Schnecken der Muscheln aus dem Gehäuse zu ziehen. Derselben Spitze bediente man sich auch, um die Eier, mit welchen die Mahlzeit in der Regel begann, zu öffnen, und vermutlich des am andern Ende befindlichen Löffels, um sie zu leeren. Beckers Gallus. Die schmierigen Finger wischte man sich an Brod ab, in späteren Zeiten an Servietten (mantele, mappa), die man wohl vor die Brust steckte, übrigens auch zum Abwischen des Tisches verwendete, da man Tischtücher nicht kannte (vergl. Verw. 8, 665). – Aus einer einzigen Quelle gab Heinsius quodcumque cibi.
  52. V. 580. Die Lsrt votis mancher Hdschrften für vobis zieht Burmann vor, indem er eine »elegante Wiederholung« annimmt. Allein votis würde hier doch in einem anderen specielleren Sinne stehen, als im vorhergehenden Satze.
  53. V. 581 f. Wir können nicht der Meinung sein, daß, wie Heinsius und die folgenden Herausgeber erklären, hier von einem durch das Loos zu bestimmenden Trinkkönig die Rede sei. Denn wurde ein solcher durch die Würfel bestimmt, so war er es eben und konnte das Amt nicht einem Andern abtreten. Wir verstehen daher sors prior tropisch vom Vorrange und lesen mit allen Hdschrften vorher si forte bibas, wofür Heinsius si sorte bibes auf die bloße Autorität der Exc. Put. und Scal. aufbrachte. Der Dichter räth also dem Liebhaber an, wann der Becher herumgehe, denselben, ehe er selbst zulange, dem Manne der Geliebten zukommen zu lassen. Ebenso will es uns nicht einleuchten, warum der Liebhaber, was nämlich der Sinn nach der Lsrt einiger weniger Hdschrften demta für missa sein würde, seinen eignen Kranz (vergl. Liebeserg. I, 6, 67 und s. zu Verw. 3, 665) abnehmen und dem Manne geben soll. Als ob nur ein Kranz vorhanden gewesen wäre, da doch jeder Gast oder Theilnehmer einen hatte. Vielmehr ist es ebenfalls, wie beim Becher, von der Aufmerksamkeit zu verstehen, wann die Kränze von dem Anordner, Verwalter hereingeschickt, herumgereicht werden, den Mann zuerst zugreifen und wählen zulassen. Denn man bot Kränze nicht nur von Epheu, sondern vorzüglich auch von Rosen zur Auswahl herum. Diese unsere Erklärung findet auch im nächsten Satze ihre volle Bestätigung, wenn es deren noch bedürfte.
  54. V. 585. Für amici hat Heinsius aus Cod. Iun. und einem Vat. amicum aufgebracht.
  55. V. 587 f. Dann &c., wenn er sich die Freundschaft und das Vertrauen des Mannes erworben hat, wird er von diesem in seiner Abwesenheit zum Verwalter seines Hauswesens bestellt – ein Fall, der nicht selten vorkam – und verwaltet nur allzuviel, nämlich auch die Frau mit. – In diesem Sinne steht hier procurator, Generalbevollmächtigter, welcher nur ein Freigeborner sein konnte und in den Rechtsquellen oft vorkommt. Dieser ist nicht zu verwechseln mit dem procurator, der die erste Stelle in dem ganzen Sklavenstande eines Hauses einnahm und die Verwaltung des Vermögens oder eines Theils desselben von dem Herrn übertragen erhielt. Beckers Gallus. – Die Lsrt propinator . . propinet . . putet in einem Theile der Hdschrften verdient keine Berücksichtigung; ebensowenig iubenda und bibenda in einigen.
  56. V. 591 f. Andere nicht minder gute Lsrt stimulante. – Ebenso giebt die Lsrt verba in mehreren guten Hdschrften einen guten Sinn. Hände, die leicht und schnell bereit sind zu den Worten hinzuzutreten, den Worten Nachdruck zu geben.
  57. V. 593. Eurytion oder Eurytus, wie er Verw. 12, 220 heißt, der grimmste der grimmen Centauren, der auf der Hochzeit des Pirithous die Braut Hippodame wegschleppte und von Theseus mit dem Mischkruge erschlagen wurde.
  58. V. 595. Bewegliche Arme, so tanze; s. zu Liebserg. II. 4, 29.
  59. V. 601 f. Nach unserem Verständnisse ist bene von dic zu trennen und das zweite bene blos eine nachdrückliche Wiederaufnahme des ersten, dic aber einfach mit dominae zu verbinden, so daß der Liebhaber die Worte bene, bene (sit ei) cum quo dormiat zu der Gebieterin und nur für sie hörbar sagen soll. Denn es ist doch nicht denkbar, daß er sie in Gegenwart des Mannes für seine Geliebte erklären soll. Sollte er aber nur im Allgemeinen die Geliebte leben lassen, dann paßte der Zusatz oder die damit verbundene Gesundheit bene cum quo d. nicht. Die früheren Erklärer construirten theils et dic: Bene (sit) dominae, bene &c., theils et bene dic dominae, bene dic.
  60. V. 603. Nach Entfernung des Tisches. Wie die Tische beim Beginn des Essens besonders hingestellt (s. zu Ve rw. 5, 40), so wurden sie auch nach Beendigung der Mahlzeit entfernt. Vergl. Liebeserg. II, 5, 21.
  61. V. 607. Colloquii hat Baumgarten-Crusius mit Recht wiederhergestellt für das von Burmann aus zwei bis drei ungenannten Hdschrften aufgebrachte colloquio.
  62. V. 608. A. L. audentes. Gem. L. audacem.
  63. V. 609. Wenn, wie Heinsius angiebt, veniat »die besseren« haben gegen veniet der übrigen, so ist zu erklären mag immerhin &c., nicht, wie derselbe Gelehrte will, ne für non zu lesen.
  64. V. 610. A. L. fac tantum cupias.
  65. V. 612. Für hinc andere Lsrten hic und haec.
  66. V. 618. A. L. fictus erat, aus dem vorhergehenden finxerat.
  67. V. 619. Versteht sich, daß dies wieder an den Liebhaber gerichtet ist. – Die meisten Codices geben fas sit, nunc wird aber bestätigt durch das wenn auch widersinnige non sit in Reg. Oxon. und einem andern nebst Exc. Scal..
  68. V. 625 f. Die bekannte Geschichte, da Paris, der Sohn des Königs Priamus von Troja, der seines Vaters Herden auf dem Ida in Phrygien weidete, den Apfel mit der Aufschrift der Schönsten unter den drei Göttinnen Juno, Minerva und Venus, die sich darum stritten und Paris zum Schiedsrichter wählten, der Letzteren zusprach.
  69. V. 627. Ostentat aus Sarrav. und einigen andern, bestätigt durch ostendat in Helmstad. gegen die gem. Lsrt. ostendit, in zweien auch extendit.
Nec timide promitte: trahunt promissa puellas;
Pollicito testes quoslibet adde deos.
Iupiter ex alto periuria ridet amantum
Et iubet Aeolios irrita ferre notos.
Per Styga Iunoni falsum iurare solebat
Iupiter: exemplo nunc favet ipse suo.
Expedit esse deos: et, ut expedit, esse putemus;
Dentur in antiquos tura merumque focos.
Nec secura quies illos similisque sopori.
Detinet: innocue vivite, numen adest.
Reddite depositum; pietas sua foedera servet;
Fraus absit; vacuas caedis habete manus.
Ludite, si sapitis, solas impune puellas:
Hac minus est una fraude tuenda fides.
Fallite fallentes: ex magna parte profanum
Sunt genus; in laqueos, quos posuere, cadant.
Dicitur Aegyptos caruisse iuvantibus arva
Imbribus atque annos sicca fuisse novem:
Cum Thrasius Busirin adit monstratque piari
Hospitis effuso sanguine posse Iovem.
Illi Busiris: Fies Iovis hostia primus,
Inquit, et Aegypto tu dabis hospes aquam.
Et Phalaris tauro violenti membra Perilli
Torruit; infelix imbuit auctor opus.
Iustus uterque fuit: neque enim lex aequior ulla,
Quam necis artifices arte perire sua.
Ergo ut periuras merito periuria fallant,
Exemplo doleat femina laesa suo.
Et laerimae prosunt: lacrimis adamanta movebis.
Fac madidas videat, si potes, illa genas.
Si lacrimae – neque enim veniunt in tempore semper –
Deficient: uda lumina lange manu.
Quis sapiens blandis non misceat oscula verbis?
Illa licet non det, non data sume tamen.
Pugnabit primo fortassis et: Improbe, dicet;
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Auch versprich nicht schüchtern; es locken Versprechen die Mädchen;
Rufe zu Zeugen dafür jegliche Götter auch an.
Jupiter lacht aus der Höh‘ der falschen Schwüre der Liebe,
Läßt sie von Äolus‘ Süd ohne Bedeutung verwehn.285
Bei den Fluthen der Styx pflog falsch zu schwören der Juno286
Jupiter; sein Beispiel selber ist günstig für euch.
Vortheil bringt’s, daß Götter es giebt; drum laßt uns sie glauben;
Weihrauch laßt uns und Wein opfern auf altem Altar.287
In schlafähnlicher Ruhe auch hält sorgloses Behagen
Nicht sie zurück. Schuldlos lebt, und die Gottheit ist nah.288
Gebt das Anvertraute zurück; treu haltet Verträge;
Trug sei fern; von Mord haltet die Hände euch rein.
Habt, wenn klug ihr seid, straflos nur Mädchen zum Besten;289
Außer dem einen Betrug halte man redlich sein Wort.
Täuschet die Täuschenden denn, die großenteils nur gemeiner
Schlag sind; fallen ins Netz mögen sie, das sie gestellt.
Einst entbehrte der Fluth, zu erquicken die Fluren, Ägypten,290
War neun Jahre hindurch trocken, berichtet die Mähr.
Da kommt Thrasius hin zu Busiris und zeigt ihm, es könne291
Eines Fremdlings Blut sühnen nur Jupiters Zorn.
Ihm erwiedert Busiris: Du sollst als Jupiters Opfer
Fallen zuerst und dem Land Wasser als Fremder verleihn.
Phalaris hat im Stier auch geröstet des grausen Perillus292
Glieder, und eingeweiht hat der Erfinder sein Werk.
Beide waren gerecht. Das Gesetz ist billig, wie keines,
Daß Anstifter des Mords sterben durch eigene Kunst.
Also damit nach Verdienst Meineid Meineidige täusche,293
Fühle das Weib sich gekränkt, wie es erst selber gekränkt.
Thränen auch haben ihr Gutes; man rührt mit Thränen ein Stahlherz.
Laß, wo möglich, sie sehn Wangen von Thränen benetzt.
Wenn es an Thränen gebricht – rechtzeitig ja kommen nicht immer
Thränen – mit feuchter Hand fahre dir übers Gesicht.294
Wer, der klug ist, mischte nicht Kuß mit zärtlichem Worten
Ob sie versage den Kuß, nimm den versagten dir doch.
Kämpfen wird sie vielleicht anfangs und sagen: Du Böser!
    Pugnando vinci sed tamen illa volet.
Tantum ne noceant teneris male rapta labellis,
Neve queri possit dura fuisse cave.
Oscula qui sumsit, si non et cetera sumet,
Haec quoque, quae data sunt, perdere dignus erit.
Quantum defuerat pleno post oscula voto?
Hei mihi, rusticitas, non pudor ille fuit!
Vim licet apellent; grata est vis ista puellis:
Quod iuvat, invitae saepe dedisse volunt.
Quaecumque est subita veneris violata rapina,
Gaudet, et improbitas muneris instar habet.
At quae, cum cogi posset, non tacta recessit,
Ut simulet vultu gaudia, tristis erit.
Vim passa est Phoebe, vis est allata sorori:
Et gratus raptae raptor uterque fuit.
Fabula nota quidem, sed non indigna referri,
Scyrias Haemonio iuncta puella viro.
Iam dea laudatae dederat sua praemia formae,
Colle sub Idaeo vincere digna duas;
Iam nurus ad Priamum diverso venerat orbe,
Graiaque in Iliacis moenibus uxor erat.
Iurabant omnes in laesi verba mariti:
Nam dolor unius publica causa fuit.
Turpe, nisi hoc matris precibus tribuisset, Achilles
Veste virum longa dissimulatus erat.
Quid facis, Aeacida? non sunt tua munera lanae.
Tu titulos alia Palladis arte petas.
Quid tibi cum calathis? clipeo manus apta tenendo est.
Pensa quid in dextra, qua cadet Hector, habes?
Reiice succinctos operoso stamine fusos:
Quassanda est ista Pelias hasta manu.
Forte erat in thalamo virgo regalis eodem:
Haec illum stupro comperit esse virum.
Viribus illa quidem victa est; ita credere oportet:
Sed voluit vinci viribus illa tamen.
Saepe: Mane, dixit, cum iam properaret Achilles:
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    Aber sie wird besiegt werden doch wollen im Kampf.295
Nur daß nicht, zu gröblich geraubt, er schade den Lippen,
Und nicht klagen sie kann, daß er gewesen zu hart.
Wenn, wer Küsse sich nimmt, nicht auch das Übrige mitnimmt,
Wird, was schon man ihm gab, werth zu verlieren auch sein.296
Was nach den Küssen er fehlen noch ließ zum vollen Genusse,297
Bäurische Einfalt war’s wahrlich, nicht Folge der Schaam.
Nennen sie auch es Gewalt, lieb solche Gewalt ist den Mädchen.298
Geben, was ihnen behagt, wollen mit Sträuben sie oft.
Jede, an der der plötzliche Raub des Genusses verübt ist,
Freut sich; Verwegenheit ist ihr ein werthes Geschenk.
Doch die, während sie konnte genöthiget werden, es nicht ward,
Wird durch trübes Gesicht heucheln genossene Lust.
Angethan warb Phöben Gewalt, Gewalt auch der Schwester;299
Und den Geraubten doch lieb waren die Räuber zumal.
Wohlbekannt ist die Mähr, doch nicht unwerth des Erzählens,300
Wie der Hämonische Mann liebte die Scyrische Maid.301
Schon für der Schönheit Preis Lohn hatte gegeben die Göttin,302
Würdig am Idaberg zwei zu besiegen erklärt;
Schon zu Priamus war die Schnur aus der Fremde gekommen,
Und in Iliums Burg hauste das Grajische Weib.
Alle schwuren den Eid auf den Ruf des beleidigten Gatten,303
Denn des Einzigen Schmerz war ein gemeinsames Leid.
Schimpflich, wofern es geschehn nicht wäre auf Bitten der Mutter,
Hatte Achilles den Mann unter dem Rocke versteckt.304
Was machst, Äacus‘ Sproß, du? Dein Dienst ist nicht für die Wolle.305
Pallas‘ andere Kunst möge gewähren dir Ruhm.
Nicht sind Körbe für dich; der Schild gehört in die Linke.306
Nicht für die Zahl ist die Hand – Hector erliege durch sie.307
Wirf die Spindel hinweg, mit dem mühsamen Faden umwunden;
Diese Rechte, sie muß schwingen den Pelischen Speer.308
Grad‘ in demselben Gemache befand sich die Tochter des Königs.
Ihr ward, daß er ein Mann war, durch Entehrung bekannt.
Zwar sie ward durch Stärke besiegt, so muß man ja glauben;
Aber sie wollte doch gern werden durch Stärke besiegt.
Bleibe, begann sie oft, als nun forteilte Achilles:
    Fortia nam posita sumserat arma colo.
Vis ubi nunc illa est? quid blanda voce moraris
Auctorem stupri, Deidamia, tui?
Scilicet, ut pudor est quondam coepisse priorem,
Sic alio gratum est incipiente pati.
Ah, nimia est iuveni propriae fiducia formae,
Expectat si quis, dum prior illa roget!
Vir prior accedat, vir verba precantia dicat.
Excipiet blandas comiter illa preces.
Ut potiare, roga: tantum cupit illa rogari.
Da causam voti principiumque tui.
Iupiter ad veteres supplex Heroidas ibat:
Corripuit magnum nulla puella Iovem.
Si tamen a precibus tumidos accedere fastus
Senseris, incepto parce referque pedem.
Quod refugit, multae cupiunt; odere, quod instat.
Lenius instando taedia tolle tui.
Nec semper veneris spes est profitenda roganti:
Intret amicitiae nomine tectus amor.
Hoc aditu vidi tetricae data verba puellae:
Qui fuerat cultor, factus amator erat.
Candidus in nauta turpis color: aequoris unda
Debet et a radiis sideris esse niger.
Turpis et agricolae, qui vomere semper adunco
Et gravibus rastris sub Iove versat humum.
Et tibi, Palladiae petitur cui fama coronae,
Candida si fuerint corpora: turpis eris.
Palleat omnis amans: hic est color aptus amanti.
Hic decet: hoc multi non valuisse putant.
Pallidus in Lyrice silvis errabat Orion;
Pallidus in lenta Naide Daphnis erat.
Arguat et macies animum; nec turpe putaris,
Palliolum nitidis imposuisse comis.
Attenuant iuvenum vigilatae corpora noctes,
Curaque et in magno qui fit amore dolor.
Ut voto potiare tuo, miserabilis esto:
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    Denn mit tapferer Wehr hatt‘ er den Rocken vertauscht.
Wo ist jetzt die Gewalt? Was hältst du mit schmeichelnder Stimme309
Ihn, der erst dich entehrt, Deidamia, zurück?
Freilich man schämt sich zuweilen wol selbst zu machen den Anfang;310
Fängt ein Anderer an, ist man zu leiden erfreut.
Ha, es vertrauet zu sehr der Jüngling der eigenen Schönheit,
Wenn er wartet darauf, daß sie ihn bitte zuerst.
Kommen zuerst muß er, vorbringen die Worte der Bitte;
Sie wird freundlichen Blicks schmeichelnde Bitten empfahn.
Bitte um ihren Besitz; sie will nur bitten sich lassen;
Anlaß gieb ihr und Grund, was du begehrest, zu thun.
Jupiter kam mit Flehn zu den Heroinen der Vorzeit;
Und kein Mädchen entzog sich dem erhabenen Gott.311
Solltest du merken jedoch, daß Bitten geschwollenem Hochmuth312
Nahrung nur giebt, halt‘ ein mit dem Beginnen und geh.
Was sich entzieht, wünscht Manche und haßt zudringliches Wesen;
Dringst du gelaßner in sie, machst du sie leichter geneigt.
Auch darf Hoffnung der Lust nicht immer gestehn der Bewerber;
Unter dem Namen des Freunds schleiche die Liebe sich ein.
Solchergestalt sah oft ich überlistet die Spröde;
Der der Verehrer erst war, ward der Geliebte zuletzt.313
Schiffern geziemt nicht Weiße der Haut; von den Strahlen der Sonne314
Sei die Farbe geschwärzt und von der Woge der See.
Weiße geziemt dem Bauer auch nicht, der immer im Freien315
Stürzt mit dem Pfluge das Land und dem gewichtigen Karst.
Du auch, der du erstrebst den Ruhm Palladischen Kranzes,316
Sollte dein Leib weiß sein, sähest geziemend nicht aus.
Blaß sei Jeder, der liebt; die Farbe ist passend zur Liebe;317
Die steht gut, die läßt glauben, daß leidend du warst.
Blaß war Daphnis, der Hirt, für die spröde Najade; Orion318
Irrte für Lyrice blaß tief in den Wäldern umher.
Magerkeit auch beweise die Lieb‘; die Kapuz‘ auch zu legen319
Auf das glänzende Haar halte für schimpflich du nicht.
Hager machen den Leib durchwachte Nächte dem Manne.320
Hager der Schmerz, den stets heftige Liebe erzeugt.
Um zu erreichen den Wunsch, sei mitleidswürdig und leidend;
    Ut, qui te videat, dicere possit: Amas.
Conquerar, an moneam, mixtum fas omne nefasque?
Nomen amicitia est, nomen inane fides.
Hei mihi, non tutum est, quod ames, laudare sodali!
Cum tibi laudanti credidit, ipse subit.
At non Actorides lectum temeravit Achillis:
Quantum ad Pirithoum, Phaedra pudica fuit.
Hermionen Pylades, quo Pallada Phoebus, amabat,
Quodque tibi geminus, Tyndari, Castor erat.
Si quis idem sperat, iacturas poma myricas
Speret et e medio flumine mella petat.
Nil nisi turpe iuvat: curae est sua cuique voluptas;
Haec quoque ab alterius grata dolore venit.
Heu facinus! non est hostis metuendus amanti;
Quos credis fidos, effuge: tutus eris.
Cognatum fratremque cave carumque sodalem:
Praebebit veros haec tibi turba metus.
Finiturus eram; sed sunt diversa puellis
Pectora: mille animos excipe mille modis.
Nec tellus eadem parit omnia: vitibus illa
Convenit, haec oleis; hac bene farra virent.
Pectoribus mores tot sunt, quot in orbe figurae:
Qui sapit, innumeris moribus aptus erit;
Utque leves Proteus modo se tenuabit in undas;
Nunc leo, nunc arbor, nunc erit hirtus aper;
Hi iaculo pisces, illi capiuntur ab hamis;
Hos cava contento retia fune trahunt.
Nec tibi conveniat cunctos modus unus ad annos:
Longius insidias cerva videbit anus.
Si doctus videare rudi, petulansve pudenti;
Diffidet miserae protinus illa sibi.
Inde fit, ut, quae se timuit committere honesto,
Vilis in amplexus inferioris eat.
Pars superat coepti, pars est exhausta laboris.
Hic teneat nostras anchora iacta rates.
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    Daß, sobald man dich sieht, sagen man könne: Du liebst.
Ob ich beklag‘, ob warne, daß Recht verwirrt ist und Unrecht?321
Freundschaft ist ein Schall, Treue ein nichtiges Wort.
Ach, es ist gegen den Freund die Geliebte zu loben bedenklich!
Schenkt er Glauben dem Lob, schleichet er selber sich ein.
Aber nicht Actors Sproß befleckte das Bett des Achilles;322
Gegen Pirithous war Phädra ein züchtiges Weib.323
Pylades liebte Hermione nur, wie Phöbus Minerven;324
War, was, Hélena, dir Castor, der doppelte, war.325
Wer das Nämliche hofft, der hoffe, daß Obst Tamarisken326
Tragen; und Honigseim hol‘ er immitten des Stroms.
Nur das Entehrende reizt; für seinen Kitzel nur sorgt man:
Der kommt lieb und genehm auch von des Anderen Schmerz.
Ha, abscheulich! den Feind nicht muß der Liebende fürchten;
Die du für treu dir hältst, fliehe; so bist du geschützt.
Nimm dich vor Vetter und Bruder in Acht und dem lieben Genossen:327
Grund dir wird dies Volk wahrer Befürchtungen sein.
Schließen schon wollt‘ ich; doch sind die Herzen der Mädchen verschieden:
Tausendfach sei die Kunst, tausend Gemüter zu fahn.
Einerlei Land auch erzeugt nicht Alles: es ist der Olive
Jenes, doch dieses dem Wein, dieses gedeihlich dem Spelt.
Arien auch giebts der Gemüther soviel als auf Erden Gestalten.
Bist du weise, so schmiegst jeglicher Art du dich an;
Wirst wie Proteus bald dich verdünnen zu flüchtiger Welle;328
Wirst bald Löwe, bald Baum, struppiger Eber bald sein.
Fische fängt man, die einen mit Speer, an der Angel die andern;
Andere ziehet gespannt straffen Geflechtes das Netz.
Einerlei Art auch beliebe dir nicht bei jeglichem Alter.
Weiter entfernt schon sehn ältere Hirsche das Garn.329
Wenn du gebildet der Rohen erscheinst und keck der Verschämten;
Wird mißtrauen alsbald sicher die Arme sich selbst.330
Daher kommt’s, daß, die sich gescheut zu gehören dem Hohen,331
Nun dem Niedrigern auch feil in die Arme sich wirft.
Übrig noch ist ein Theil, ein Theil vollendet des Werkes.332
Hier zu halten mein Schiff werfe den Anker ich aus.
  1. V. 634. S. zu Liebeserg. II, 6, 44. – Äolus‘ Süd, dem Äolus als Beherrscher der Winde unterthan. S. zu Verw. 14, 86. 223 ff. n. Anmerkungen. Es könnte aber auch der Sinn sein die Äolischen Süde, d. h. die von den Äolischen Inseln her oder um dieselben wehenden, da nicht selten eine örtliche Beziehung hinzugefügt wird.
  2. V. 635 f. Vergl. Liebeserg. II, 8, 19. III, 3, 11. – Bei der Styx, dem Flusse der Unterwelt, schwuren die Götter. S. Verw. 1, 188. 737. 2, 46. 3, 290. – Bei Besprechung der Lsrten falso und falsum zieht Burmann mit den besten Hdschrften die letztere vor, will sie aber als Adjectiv nehmen, ohne daran zu denken, daß styx weibl. Geschlechts ist.
  3. V. 638. Auf altem Altar, wie und weil es von alten Zeiten hergebracht ist.
  4. V. 640. Andere wenig beglaubigte Lsrt innocui.
  5. V. 643 f. In allen andern Dingen haltet Wort und seid redlich, nur in Angelegenheiten der Liebe mögt ihr täuschen, das weibliche Geschlecht zum Besten haben. – Die Lsrten haec, parte und putenda verdienen keine Berücksichtigung.
  6. V. 647. Der Fluth, der Nilüberschwemmung.
  7. V. 649. Die Entstehung der Menschenopfer in Ägypten. Die Abschaffung derselben durch Hercules s. Verw. 9, 182. Von diesem Thrasius ist weiter Nichts bekannt als das hier Erzählte.
  8. V. 653. Perillus, nach andern Periláus, ein Metallarbeiter, bot dem Phalaris, einem grausamen Tyrannen von Agrigent in Sicilien, einen hohlen Ochsen aus Erz an, um darin mittelst darunter angemachten Feuers die Opfer seiner Grausamkeit zu rösten, mit der Versicherung, sie würden brüllen, wie wirkliche Ochsen. Der Tyrann machte den ersten Versuch mit dem Künstler selbst.
  9. V. 657 f. Die verschiedenen Lsrten et fallant, ut fallant (auch fallent), ut fallunt geben alle guten Sinn und Zusammenhang; am meisten beglaubigt ist die gegebene. – Für laesa hat Heinsius auf das einzige Zeugniß seines Codex lusa aufgebracht.
  10. V. 662. Mehrere vorzügliche Quellen geben uncta, das in einzelnen anderen mit cuncta, unda, tincta Bestätigung zu finden scheint und von Heinsius vorgezogen wird. Der Liebhaber soll die Augen, um sie zu Thränen zu reizen, mit etwas bestreichen; ziemlich umständlich!
  11. V. 666. A. L. se tamen, wie Liebeserg. I, 5, 14.
  12. V. 670. Für erit andere Lsrt erat, wo es dann auch für sumet oder sumit wieder sumsit heißen müßte.
  13. V. 671. Für voto, das eigentliche Wort für die gemeinte Sache, einige Hdschrften facto; offenbare Erklärung.
  14. V. 673. Aus zwei Hdschrften hat Heinsius appelles aufgenommen und alle folgenden Herausgeber beibehalten. Wir haben appellent, auf die Mädchen bezogen, wieder hergestellt.
  15. V. 679 f. Phöbe und Ilaira (die Schwester), Töchter des Leucippus, wurden, obgleich schon mit anderen Männern verlobt, von Castor und Pollux entführt und ergaben sich in ihr Schicksal. Sie hatten als Gemahlinnen der Genannten unter dem Namen Leucippides ihre Kapelle und ihre Priesterinnen zu Sparta. – Allata wird hier wie Her. 17, 21 von mehreren vorzüglichen Hdschrften bezeugt gegen die gem. Lsrt. illata. – Raptae, wozu man utrique aus dem folgenden uterque zu denken hat, geben »die besseren« für raptis der gewöhnlichen Hdschrften.
  16. V. 681 ff. S. Verw. 13, 162 ff. n. Anmerkungen. Denn der Hämonische Mann ist Achilleus als Fürst von Phthia in Thessalien, sowie die Scyrische Maid Deïdamía, Tochter des Königs Lycomédes auf der Insel Scyros.
  17. V. 682. A. L. victa.
  18. V. 683 ff. S. oben zu V. 625. Der Lohn war die Helena, welche als das schönste Weib die Göttin Venus dem Paris verheißen und Letzterer aus Sparta (aus der Fremde) nach Ilium oder Troja entführt hatte. – Für sua andere Lsrt mala, auch male, was eine Glosse zu sein scheint. Auch Venus für duas ist wol nichts Anderes. Vergl. Her. 16, 70. – Graia, wie Naugerius für grata der von ihm eingesehenen Hdschrften vermuthete, wird von Cod. Iur. und einigen andern bestätigt.
  19. V. 687. Alle Griechen. – Des bel. Gatten, des Menelaus.
  20. V. 690. Unter dem Rocke, unter weiblicher Kleidung.
  21. V. 691 f. S. z. Verw. 4, 10. – Pallas‘ andere Kunst, die Kriegskunst, das Waffenhandwerk. S. ebendas. zu 2, 553.
  22. V. 693. Über die Körbe s. unsern Index z. Verw. – Tenendo hat Burmann unter Berufung auf Verw. 13, 352 gegeben nach Oxon., in welchem tenenda steht. Die gem. Lsrten sind terendo (auch terenda) und ferendo.
  23. V. 694. Die Zahl, die Aufgabe, das zugewogene Maß der zu spinnenden Wolle. – Für cadet, das prophetische Futur, findet sich in einem Theile der Hdschrften der Conjunctiv cadat.
  24. V. 696. Den Pelischen Speer; s. zu Verw. 12, 74.
  25. V. 703. Wo ist jetzt die Gewalt, die er früher anwendete, um sie zu besiegen. Er denkt nicht mehr daran, von der Gewalt, wie früher, Gebrauch zu machen.
  26. V. 705. Quondam hat Heinsius nach Ed. pr. mit drei ungenannten Hdschrften gegeben. Die gem. Lsrt ist quiddam, in »den besseren« quadam oder quandam. Letzteres würden wir vorgezogen haben, wenn uns ein Beispiel von pudor est mit dem Accusativ der Person beim Infinitiv bekannt wäre. Andererseits spricht für quondam die möglicherweise beabsichtigte Allgemeinheit der Sätze, nach welcher eine Beziehung auf das Weib nicht bestimmt ausgedrückt ist, sondern dem Leser nur zu denken überlassen wird.
  27. V. 714. Entzog sich dem Gott, im Original ließ ihn hart an.
  28. V. 715. Aus einer einzigen Quelle, dem Fragm. Oxon., hat Heinsius flatus für fastus aller übrigen gegeben und die spätren Herausgeber beibehalten. Allein wenn auch flatus in diesem Sinne bei Dichtern vorkommt, so findet es sich doch nirgends bei Ovid. Denn unten III, 511, worauf sich Heinsius beruft, kann fatus in einer Hdschrft weit eher für fastus als für flatus verschrieben sein, da eben alle andere fastus haben.
  29. V. 722. Für factus haben einige Hdschrften victus, wofür theils dictus, theils fictus vermuthet worden ist.
  30. V. 723. Ein neuer Punct.
  31. V. 725. A. Lsrten in agricola für et agricolae, quia für qui.
  32. V. 727 f. Dies wird nicht etwa zu dem Liebe-Suchenden gesagt, sondern ist blos dichterische Anrede – Derjenige, welcher &c., d. h. der Kämpfer in den Olympischen Spielen (s. zu Verw. 14, 324), wo der Preis ein Kranz von Olivenblättern (Palladischer Kranz, s. ebendas. zu 2, 553) war. – Für tibi geben einige namhafte Hdschrften tua, dann einige ungenannte für fama palma, das Heinsius aufgenommen und die späteren Herausgeber alle bis auf den heutigenTag beibehalten haben. Wenn aber auch palma für victoria gesagt wird, wie z. B. Liebeserg. II. 5, 12. III, 2, 82, auf welche Stellen Heinsius sich beruft; so bezweifeln wir doch, daß palma Palladiae (oleagineae) coronae eine passende Zusammenstellung sei.
  33. V. 729 f. S. zu Liebeserg. II, 7, 9. III, 6, 25. – Die gem. Lsrt ist hoc decet, hoc &c., worin das erste hoc vermuthlich vom zweiten veranlaßt ist, während mehrere das richtige hic erhalten haben. Für das zweite hoc geben einige unpassend hunc, da man doch nicht füglich sagen kann color valet. In einem Codex bei Heinsius findet sich vultu für multi, und das ist von ihm aufgenommen worden und herrscht noch in den Ausgaben. Ebenso putent, das Reg. mit zwei anderen hat. Putant ist aber jedenfalls passender als putent. Dagegen erwartete man multae; aber auch multi ist zulässig, allgemein gefaßt = man. Vergl. unten V. 738.
  34. V. 731 f. Unter den verschiedenen Darstellungen der Fabel des Daphnis (s. zu Verw. 4, 276) ist der Dichter hier der Darstellung Theokrits gefolgt, nach welcher Daphnis sich wegen unerwiderter Liebe zu einer Nymphe (Najade) selbst verzehrte. – Von der hier angedeuteten Liebe Orions (s. zu Verw. 8, 207) ist sonst Nichts bekannt, weder wer die Schöne gewesen sei, noch wie sie geheißen habe. Die meisten Hdschrften geben Lyricen oder, wie es nach dem andern Satze heißen muß, Lyrice; die seltsamen Verstümmelungen in vielen Hdschrften übergehen wir. Heinsius stellt die Vermuthung Dirces, mit silvis zu verbinden, auf, da Orion ein Thebaner gewesen sei und daher von den Dichtern oft der Böoter genannt werde.
  35. V. 733 f. »Bedeckungen des Kopfes sind im städtischen Leben für Männer ganz ungebräuchlich« und, wie sich schon aus unserer Stelle ergiebt, selbst schimpflich. »In gewissen Fällen«, beim Opfer, im Anklagestand, wol auch in der Trauer, »zog man die Toga über den Kopf. Indessen hatte man doch für üble Witterung einen Schutz an dem cucullus, auch cucullio, eine Art Capuchon, den man namentlich für die Reise oder wenn man (des Nachts) unerkannt sein wollte, an die lacerna und die paenula (dicke Oberkleider auf Reisen und im Felde) heftete. Einen Hut (von Filz) trug man auf der Reise (daher auch die Fischer und Seeleute überhaupt) und selbst bei Schauspielen zum Schutz gegen die Sonne. Augustus trug gewöhnlich einen petasus (Hut mit breiter Krempe, ebenfalls von Filz).« Beckers Gallus. Ob nun hier eine Kapuze oder ein Hütchen zu verstehen sei, kann beim ersten Blicke zweifelhaft sein, denn die Lsrt schwankt zwischen palliolum und pileolum. Für Letzteres scheint imponere zu sprechen, für Ersteres theils nach Heinsius »die besseren« Hdschrften, theils und besonders eine Stelle Quinctilians XI, 3, 144, wo es heißt: »Das palliolum sowie die Binden, mit welchen die Beine bekleidet werden (s. oben zu 506), Halstücher und Ohrenbänder kann nur die (Berücksichtigung der) Gesundheit entschuldigen.« Da also das palliolum (Mäntelchen, Kapuze) ganz besonders der Gesundheit wegen gebraucht, der Hut aber vorzüglich nur zum Schutze gegen die Sonne getragen wurde; so ist palliolum hier, wo der Liebende den Kranken spielen soll, wol vorzuziehen. Übrigens scheint das palliolum von dem eigentlichen Capuchon oder cucullus noch verschieden gewesen zu sein, wahrscheinlich nicht so dicht und umfänglich, da in der oben ang. Stelle Hals- und Ohrenverwahrungen noch besonders erwähnt werden, und vermuthlich auch nicht an die Toga angeheftet, sondern ein für sich bestehendes Stück. – Das glänzende Haar, von Salben glänzend; s. zu Verw. 3, 555. Vergl. Liebeserg. I, 6, 38. unten II, 734.
  36. V. 735. Nach drei ungenannten Hdschrften gab Heinsius attenuent, ohne zu bedenken, daß dem Liebhaber doch unmöglich zugemuthet werden kann, absichtlich die Nächte zu durchwachen, um hager zu werden. Der Lehrmeister stellt einen Erfahrungssatz auf, um dadurch theils das Vorhergehende (arguat) zu rechtfertigen, theils das Folgende (miserabilis esto) zu begründen. Auch e magno giebt derselbe für in magno auf schwache Beglaubigung. Micyll hat mit einigen Quellen immenso.
  37. V. 739. Der Zusammenhang ist: wenn du nun dein Ziel bei der Schönen erreicht hast, so sei verschwiegen gegen deine Freunde und lobe deine Geliebte nicht etwa gegen sie. Denn ich weiß nicht, ob ich es als Klage oder vielmehr als Warnung zur Nachachtung aussprechen soll, es ist weder der Redlichkeit der Freunde noch der Treue der Geliebten zu trauen. – So ist der Sinn und Zusammenhang, freilich ohne allen Übergang, was bei dem Dichter nicht anstößig sein kann. – Etwas sonderbar ist nur das conqueror, an moneam; und da eine namhafte Quelle conquerar admoneam, eine andere cum querar admoneam, eine ferner conquerar an taceam, einige endlich conquerar an sileam haben: so hat Heinsius num querar ac moneam &c. und im Pentameter ohne allen Grund nomen amicitias nomen &c. vermuthet, Burmann aber sich für eine der letzteren Lsrten conquerar an sileam od. taceam unter Berufung auf Virg. Än. III, 39 eloquar an sileam erklärt; nach unserer Meinung ohne Noth und Glück. Ferner giebt ein Theil der Hdschrften fas esse für fas omne, welches Letztere jedenfalls sinnvoller ist, wenn wir es auch in der Übersetzung nicht haben ausdrücken können.
  38. V. 743. Actors Sproß = Enkel, Patroclus, Freund Achills.
  39. V. 744. Gegen Pirithous, den Freund ihres Gemahls Theseus (aber freilich nicht gegen Hippolytus, s. Verw. 15, 500. Liebeserg. II, 18, 24. oben V. 511). S. Verw. 8, 303.
  40. V. 745. Pylades, der Freund, Hermione die Gattin Orests. S. ebendas. zu 15, 489. Wie Phöbus Minerven, die ewige Jungfrau. – Über quo s. oben zu V. 285.
  41. V. 746. Und (Pylades) war (der Hermione) nur, was der Helena Castor und Pollux (Brüder und zwar Zwillingsbrüder, s. zu Verw. 6, 109) waren. Denn so: der doppelte Castor oder der doppelte Pollux werden die Zwillingsbrüder Castor und Pollux von den lateinischen Dichtern bezeichnet.
  42. V. 747 f. Die Tamariske (myrica), ein Strauch mit cypressenartigen Blättchen an Flußufern auf feuchtem, steinigem Boden, wird von den alten Dichtern häufig als Symbol der Schwächlichkeit und Niedrigkeit oder Unbedeutendheit gebraucht, oder doch mit einem derartigen Beiworte genannt. Vergl. unten III, 691. Verw. 10, 97. – Iacturas wird von mehreren der vorzüglichsten Quellen bezeugt gegen die gem. Lsrt laturas. Gleichwohl würde werfen im Deutschen unpassend gewesen sein. – Für in medio a. L. e medio.
  43. V. 753. Für carum a. Lsrt fidum, vom vorhergehenden V. veranlaßt.
  44. V. 761 f. Proteus war wegen seiner Fähigkeit sich zu verwandeln (s. Verw. 8, 733 n. A.) sprichwörtlich das, was bei uns das Chamäleon, nur noch mit dem Nebenbegriffe aalartiger Glätte. Das allein richtige tenuabit haben nur eine Vatic. Hdschrft und der Urdruck gegen tenuabat aller übrigen, erit aber gegen erat mehrere der vorzüglichsten Quellen; ebenso leves gegen die gem. Lsrt levis.
  45. V. 766. Als Curiosum führen wir an, daß alle Hdschrften für cerva lächerlicher Weise curva geben, cerva nur von Cod. Reg. und als Variante von Fragm. Ox. erhalten ist.
  46. V. 768 f. Sie wird das Vertrauen auf ihre Widerstandsfähigkeit verlieren, ihre Schwäche erkennen und sich ergeben.
  47. V. 769. Dem Würdigen; s. zu Liebeserg. I, 8, 19.
  48. V. 771 f. Für exhausta einige wenige Hdschrften exacta, gleich gut und gewöhnlich in diesem Sinne. – Für nostras im Pentameter giebt Cod. Reg. fessas, wahrscheinlich nur Glosse oder Reminiszenz des Schreibers aus anderen Stellen. Denn da eben dieses Beiwort nicht selten ist, so wäre die Abweichung oder Verderbniß in allen andern Quellen schwer zu erklären.

LIBER SECUNDUS.

Zweites Buch.

Dicite: Jo Paean! et io, bis dicite, Paean!
Decidit in casses praeda petita meos.
Laetus amans donat viridi mea carmina palma:
Praeferor Ascraeo Maeonioque seni.
Talis ab armiferis Priameius hospes Amyclis
Candida cum rapta coniuge vela dedit;
Talis erat, qui te curru victore ferebat,
Vecta peregrinis Hippodamia rotis.
Quid properas, iuvenis? Mediis tua pinus in undis
Navigat, et longe, quem peto, portus abest.
Non satis est venisse tibi me vate puellam:
Arte mea capta est; arte tenenda mea est.
Nec minor est virtus, quam quaerere, parta tueri:
Casus inest illic; hic erit artis opus.
Nunc mihi, si quando, puer et Cytherea, favete;
Nunc Erato: nam tu nomen amoris habes.
Magna paro: quas possit Amor remanere per artes,
Dicere, tam vasto pervagus orbe puer.
Et levis est et habet geminas, quibus avolet, alas.
Difficile est illis imposuisse modum.
Hospitis effugio praestruxerat omnia Minos;
Audacem pennis reperit ille viam.
Daedalus ut clausit conceptum crimine matris
Semibovemque virum semivirumque bovem:
Sit modus exilio, dixit, iustissime Minos;
Accipiat cineres terra paterna meos.
Et quoniam in patria, fatis agitatus iniquis,
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Ruft Juchheisa, Triumph! und nochmals rufet Juchheisa!333
Eingegangen nach Wunsch ist mir die Beute in’s Garn.
Fröhlich beschenkt der Erhörte mein Lied mit der grünenden Palme,334
Zieht dem Ascräischen Greis mich, dem Mäonischen vor.
Also fuhr, die Segel gespannt, vom bewehrten Amyclä335
Mit dem erbeuteten Weib ab der Trojanische Gast.
So frohlockte, der dich siegreich mit dem Wagen davontrug,336
Hippodamia, dahin rollend auf fremdem Gespann.
Jüngling, wohin so eilig? Der Hafen, nach welchem ich steure,337
Ist noch weit, und es schwimmt mitten im Meer noch dein Schiff.
Daß ein Mädchen dir ward durch meine Dichtung, genügt nicht;338
Fesseln auch meine Kunst muß sie, die erst sie gefahn.
Kleiner ist nicht das Verdienst zu erhalten, als erst zu gewinnen;
Dies ist Zufalls Werk, jenes ist Sache der Kunst.
Jetzt, wenn irgend einmal, seid hold mir, mein Knab‘ und Cythéra,339
Erato jetzt; denn du bist von der Liebe benannt.340
Großes beginn‘ ich: zu singen, durch welcherlei Künste man Amor
Halte, der weit und breit schweift auf der Erde umher.
Leicht ja ist er und hat zwei Flügel von dannen zu fliegen,341
Flügeln aber ist schwer Schranken zu setzen und Ziel.
Minos hatte versperrt dem Gast jedwedes Entfliehen:342
Kühn mit Fittichen wußt‘ er sich zu bahnen den Weg.
Dädalus, als er den Mann, der Ochs, und den Ochsen, der Mann war,
Den die Mutter empfahn hatte in Sünden, verwahrt,
Sprach: Setz‘ endlich ein Ziel der Verbannung, o würdiger Minos;
Lasse der Väter Land meine Gebeine empfahn.
Und dieweil ich, verfolgt von bösem Geschick, in der Heimat
    Vivere non potui, da mihi posse mori.
Da reditum puero, senis est si gratia vilis;
Si non vis puero parcere, parce seni.
Dixerat haec; sed et haec et multo plura licebat
Dicere: at egressus non dabat ille viro.
Quod simul ac sensit: Nunc, o nunc, Daedale, dixit,
Materiam, qua sis ingeniosus, habes.
Possidet et terras et possidet aequora Minos:
Nec tellus nostrae, nec patet unda fugae.
Restat iter caeli: caelo tentabimus ire.
Da veniam coepto, Iupiter alte, meo.
Non ego sidereas affecto tangere sedes.
Qua fugiam dominum, nulla nisi ista via est.
Per Styga detur iter; Stygias tranabimus undas.
Sunt mihi naturae iura novanda meae.
Ingenium mala saepe movent. Quis crederet unquam,
Aerias hominem carpere posse vias?
Remigium volucrum disponit in ordine pennas,
Et leve per lini vincula nectit opus;
Imaque pars ceris astringitur igne solutis;
Finitusque novae iam labor artis erat.
Tractabat ceramque puer pennasque renidens,
Nescius haec humeris arma parata suis.
Cui pater: His, inquit, patria est adeunda carinis;
Hac nobis Minos effugiendus ope est.
Aera non potuit Minos, alia omnia clausit.
Quem licet, inventis aera rumpe meis.
Sed tibi nec virgo Tegeaea comesque Bootae
Ensiger Orion aspiciendus erit;
Me pennis sectare datis; ego praevius ibo;
Sit tua cura sequi; me duce tutus eris.
Nam sive aetherias vicino sole per auras
Ibimus: impatiens cera caloris erit.
Sive humiles propiore freto iactabimus alas:
Mobilis aequoreis penna madescet aquis.
Inter utrumque vola. Ventos quoque, nate, timeto;
30

35

40

45

50

55

60

 

    Leben nicht konnte, so laß, lasse mich sterben darin.343
Wenn dir der Greis Nichts gilt, so gewähre dem Knaben die Rückkehr;344
Thust du dem Knaben es nicht, thu‘ es zu Liebe dem Greis.
Dieses sprach er; doch Dies und Mehr noch mochte er sagen;
Fortzugehen erlaubt Jener mit nichten dem Mann.345
Jetzt, o Dädalus, jetzt, beginnt er, sobald er es merkte,346
Bietet sich Stoff dir, woran Geist du bewährest und Witz.
Minos ist im Besitze des Lands, im Besitze des Meeres;347
Offen ist weder das Land unserer Flucht, noch das Meer.
Übrig nur ist die Luft. Durch diese zu gehen versuch‘ ich.348
Meinem Beginnen verzeih‘, hoher Gebieter der Luft.
Nicht zu ersteigen erkühne ich mich der Himmlischen Sitze;
Keinen anderen Weg giebt’s zu entfliehen dem Herrn.
Gehe ein Weg durch die Styx, die stygischen Wogen durchschwimm‘ ich.
Wandeln meine Natur muß ich nach neuem Gesetz.349
Unglück weckt die geistige Kraft. Wer glaubte es jemals,
Daß durchschneiden ein Mensch könnte die Bahnen der Luft?
Federn, die Ruder der Vögel, der Reihe nach legt er zusammen;350
Und mit Linnenverband knüpft er das leichte Gemächt.
Wachs, am Feuer gelöst, hält fest die untersten Theile;
Und so war nun das Werk neuer Erfindung vollbracht.
Lachend betastet das Wachs und die Federn der Knabe; er weiß nicht,351
Daß das Geräte ihm selbst ist für die Schultern bestimmt.
Dieses Segel, beginnt der Vater, entführ‘ uns zur Heimat;352
Damit müssen der Macht wir des Gebieters entfliehn.
Alles versperrt‘ er, die Luft nur konnt‘ er nicht. Diese durchschneide –
Sie nur ist möglich – mit dem, was ich erfunden, o Sohn!353
Doch die Tegeerin nicht und Bootes‘ Begleiter, Orion354
Mit dem geschwungenen Schwert, darfst du mit Augen erschaun.
Nimm im Flug die Richtung nach mir; ich werde vorangehn,
Leiten dich ohne Gefahr; sorge zu folgen du nur.
Denn wenn wir durch die höhere Luft in der Nähe der Sonne355
Fliegen, so wird mit der Glut nicht sich vertragen das Wachs.
Wenn wir niedrigen Flugs hinschweben zu nahe dem Meere,
Wird von den Wellen der See werden die Schwinge benetzt.
Halt‘ in der Mitte den Flug. Auch mußt du fürchten die Winde,
    Quaque ferent aurae, vela secunda dato.
Dum monet, aptat opus puero monstratque moveri,
Erudit infirmas ut sua mater aves.
Inde sibi factas humeris accommodat alas,
Inque novum timide corpora librat iter.
Iamque volaturus parvo dedit oscula nato,
Nec patriae lacrimas continuere genae.
Monte minor collis, campis erat altior aequis:
Hinc data sunt miserae corpora bina fugae.
Et movet ipse suas et nati respicit alas
Daedalus, et cursus sustinet usque suos.
Iamque novum delectat iter, positoque timore
Icarus audaci fortius arte volat.
Hos aliquis, tremula dum captat arundine pisces,
Vidit, et inceptum dextra reliquit opus.
Iam Samos a laeva fuerant Naxosque relictae,
Et Paros et Clario Delos amata deo.
Dextra Lebynthos erat silvisque umbrosa Calymne,
Cinctaque piscosis Astypalaea vadis:
Cum puer, incautis nimium temerarius annis,
Altius egit iter deseruitque patrem.
Vincla labant, et cera deo propiore liquescit;
Nec tenues ventos brachia mota tenent.
Territus a summo despexit in aequora caelo:
Nox oculis pavido venit oborta metu.
Tabuerant cerae: nudos quatit ille lacertos
Et trepidat, nec, quo sustineatur, habet.
Decidit, atque cadens: Pater, o pater, auferor, inquit.
Clauserunt virides ora loquentis aquae.
At pater infelix, iam non pater: Icare, clamat,
Icare, clamat, ubi es? quove sub axe volas?
Icare, clamabat: pennas aspexit in undis.
Ossa tegit tellus; aequora nomen habent.
Non potuit Minos hominis compescere pennas;
Ipse deum volucrem detinuisse paro.
Fallitur, Haemonias si quis decurrit ad artes;
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    Mußt dem Zuge der Luft willige Segel vertraun.
So legt an er das Werk dem Knaben und zeigt die Bewegung,
Wie die befiederte Brut mahnend die Mutter belehrt.
Dann fügt an er sich selbst an die Schultern die künstlichen Flügel,
Und für den neuen Weg wiegt er nur schüchtern den Leib.356
Und zum Fluge bereit nun gab er noch Küsse dem Söhnlein;
Thränen nicht konnte das Aug‘ halten des Vaters zurück.
Nicht zum Berge erhob auf dem ebenen Feld sich ein Hügel:
Hier vertrauten sich an Beide der traurigen Flucht.
Seine Flügel bewegt und schaut auf die Flügel des Sohnes
Dädalus, und er erhält sich in dem Lauf und den Sohn,
Und schon macht Vergnügen die Fahrt, die neue; und furchtlos
Fliegt mit keckem Geschick Icarus stärkeren Flugs.357
Sie sah Mancher, indeß an zitternder Angel er Fische
Fieng; und im Stiche die Hand ließ das begonnene Werk.358
Schon war Samos zur Linken zurück und Naxos gelassen,359
Paros und Delos dazu, theuer dem Clarischen Gott;360
Rechtshin lagen Lebynth und das waldbedeckte Calymne,361
Von fischwimmelnder Fluth Astypaläa umringt:362
Als der Knabe, zu keck durch das unvorsichtige Alter,363
Höher den Lauf stets trieb, lassend den Vater im Stich.364
Locker wird das Gebinde, das Wachs, zu nahe dem Gott, weich;365
Wehende Luft nicht faßt mehr der geschwungene Arm.366
Hoch vom Himmel hinab in die Meersfluth blickt er erschrocken;367
Und sein Auge umhüllt Nacht vor verzagender Furcht.
Nackt – es war geschmolzen das Wachs – nackt schlägt er die Arme;
Schwankend hat er, womit er sich erhalte, nicht mehr.
Und so fiel er und rief im Fall: o Vater, ich stürze.
Während er sprach, verschloß grünes Gewässer den Mund.368
Doch der unglückliche Vater, schon Vater nicht, rufet: Wo bist du,369
Icarus? wo in der Luft fliegst du, in welchem Gebiet?
Icarus, rief er oft: Da sieht er im Wasser die Federn.
Erde empfängt das Gebein, aber den Namen das Meer.370
Nicht war Minos im Stand zu bezähmen die Flügel des Menschen:
Ich den beflügelten Gott schicke zu halten mich an.
Der betrügt sich, der greift zu Hämonischen Künsten und giebt, was
    Datque, quod a teneri fronte revellet equi.
Non facient, ut vivat amor, Medeides herbae
Mixtaque cum magicis naenia Marsa sonis.
Phasias Aesoniden, Circe tenuisset Ulixen,
Si modo servari carmine possit amor.
Nec data profuerint pallentia philtra puellis:
Philtra nocent animis vimque furoris habent.
Sit procul omne nefas. Ut ameris, amabilis esto:
Quod tibi non facies solave forma dabit.
Sit licet antiquo Nireus adamatus Homero,
Naiadumque tener crimine raptus Hylas:
Ut dominam teneas nec te mirere relictum,
Ingenii dotes corporis adde bonis.
Forma bonum fragile est, quantumque accedit ad annos,
Fit minor, et spatio carpitur ipsa suo.
Nec violae semper, nec hiantia lilia florent:
Et riget amissa spina relicta rosa.
Et tibi iam cani venient, formose, capilli;
Iam venient rugae, quae tibi corpus arent.
Iam molire animum, qui duret, et astrue formae.
Solus ad extremos permanet ille rogos.
Nec levis ingenuas pectus coluisse per artes
Cura sit, et linguas edidicisse duas.
Non formosus erat, sed erat facundus Ulixes;
Et tamen aequoreas torsit amore deas.
O quoties illum doluit properare Calypso
Remigioque aptas esse negavit aquas!
Haec Troiae Casus iterumque iterumque rogabat;
Ille referre aliter saepe solebat idem.
Litore constiterant; illic quoque pulchra Calypso
Exigit Odrysii fata cruenta ducis.
Ille levi virga – virgam nam forte tenebat –
Quod rogat, in spisso litore pingit opus.
Haec, inquit, Troja est – muros in litore fecit –;
Hic tibi sit Simois, haec mea castra puta,
Campus erat – campumque facit – quem caede Dolonis
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    Ab von der Stirne er reißt eben geborenen Pferds.371
Nicht bewirken, daß Liebe besteht, Medeksche Kräuter372
Und der Marsische Sang unter bezauberndem Ruf.373
Circe hätte Ulyß, Medéa Jáson gehalten,374
Könnte nur Liebe gebannt werden durch Zaubergesang.
Blasser Liebestrank, den Mädchen gegeben, auch nützt nicht;375
Ja er schadet dem Geist, steigert die Liebe zur Wuth.
Fern sei jegliche Schuld. Das Liebenswürdige liebt man;376
Und nicht giebt das Gesicht dies und die blose Gestalt.
Sei’s, daß Nireus ward gepriesen vom alten Homerus,377
Hylas. der zarte, geraubt ward durch der Nymphen Vergehn:
Füge, damit du erhältst die Geliebte und nicht dich verlassen
Siehst, zu den Gütern des Leibs Gaben des Geistes hinzu.
Schönheit ist vergänglich, und wie mit den Jahren sie zunimmt,
Nimmt sie auch ab; es verzehrt eigene Dauer sie selbst.
Weder Violen auch blühn, noch prangende Lilien immer;378
Und nach der Rose Verlust starrt der verbliebene Dorn.379
Dir auch wird, o Schöner, das Grau bald kommen des Haares,
Kommen die Runzel dir bald, welche den Körper dir furcht.
Baue den Geist, der dauert, denn an, zu heben die Schönheit.380
Bis zu dem Holzstoß bleibt dieser Besitz dir allein.381
Sei nicht wenig das Herz auch zu bilden durch edele Künste382
Und die Sprachen mit Fleiß beide zu lernen bemüht.
Schön nicht war von Gestalt, doch war beredsam Ulysses,383
Und Meergöttinnen hat Qualen der Lieb‘ er gemacht.384
O, wie jammerte oft, daß fort er eile, Calypso,
Sagte, dem Ruderschlag füge das Wasser sich nicht!
Wieder und wieder befragt sie ihn um Trojas Geschicke;
Oft zu erzählen ihr pflegt anders das Nämliche er.
Als sie standen am Strand schon, hatte die schöne Calypso
Nach des Odrysenhaupts blutigem Ende geforscht.385
Jener, mit leichtem Stab, den eben er hielt in der Rechten,
Zeichnet im dichten Sand ihr die erbetene That.
Dies ist Troja, beginnt er, indem er Mauern im Sand macht,
Das der Simois da, denke mein Lager dir hier.386
Hier auf dem Feld – und er macht ein Feld – verspritzten wir Dolons387
    Sparsimus, Haemonios dum vigil optat equos.
Illic Sithonii fuerant tentoria Rhesi;
Hac ego sum raptis nocte revectus equis.
Pluraque pingebat, subitus cum Pergama fluctus
Abstulit et Rhesi cum duce castra suo.
Tum dea: Quas, inquit, fidas tibi credis ituro,
Perdiderint undae nomina quanta, vides?
Ergo age, fallaci timide confide figurae,
Quisquis es; aut aliquid corpore pluris habe.
Dextera praecipue capit indulgentia mentes:
Asperitas odium saevaque bella movet.
Odimus accipitrem, qui semper vivit in armis,
Et pavidum solitos in pecus ire lupos.
At caret insidiis hominum, quia mitis, hirundo;
Quasque colat turres, Chaonis ales habet.
Este procul, lites et amarae proelia linguae:
Dulcibus est verbis mollis alendus amor.
Lite fugent nuptaeque viros nuptasque mariti,
Inque vicem credant res sibi semper agi.
Hoc decet uxores: dos est uxoria lites.
Audiat optatos semper amica sonos.
Non legis iussu lectum venistis in unum;
Fungitur in vobis munere legis amor.
Blanditias molles auremque iuvantia verba
Affer, ut adventu laeta sit illa tuo.
Non ego divitibus venio praeceptor amandi:
Nil opus est illi, qui dabit, arte mea.
Secum habet ingenium, qui, cum libet: Accipe, dicit.
Cedimus: inventis plus placet ille meis.
Pauperibus vates ego sum, quia pauper amavi.
Cum dare non possem munera, verba dabam.
Pauper amet caute, timeat maledicere pauper,
Multaque divitibus non patienda ferat.
Me memini iratum dominae turbasse capillos:
Haec mihi quam multos abstulit ira dies!
Nec puto, nec sensi tunicam laniasse; sed ipsa
Dixerat: et pretio est illa redemta meo.
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    Blut, indeß er Achills Rosse als Wächter begehrt.
Dorthin standen gereiht des Sithonischen Rhesus Gezelte;388
Hieher fuhr ich zurück aus dem errafften Gespann.389
Mehr noch zeichnete er, als Troja und Rhesus‘ Gezelte
Sammt dem Führer hinweg spülte ein plötzlicher Schwall.
Siehst du, begann die Göttin, wie große Namen die Wellen,
Die für die Fahrt du dir treu glaubst, ins Verderben gestürzt
Darum, wer du auch seist, trau scheu nur der trüglichen Schönheit,
Oder besitze Etwas höheren Werths als den Leib.390
Schickliche Milde gewinnt vor Allem die Herzen der Mädchen;
Härte erregt nur Haß, führet zu widrigem Streit.391
Haßt man den Habicht doch, der immer nur lebt in den Waffen;
Hasset den Wolf, der stets geht auf das schüchterne Lamm.
Aber es hat, wo hausen er mag, der Chaonische Vogel,392
Thürme; und weil sie sanft, stellt man der Schwalbe nicht nach.
Fern sei Zank und Streit und erbitterte Zungengefechte;
Zärtliche Liebe verlangt Worte gefälligen Tons.
Weiber nur scheuchen mit Streit die Männer, und Männer die Weiber;393
Und mit einander Proceß glauben zu haben sie stets.
Streit geziemet der Frau, die Mitgift ist er der Frauen;
Worte, dem Herzen erwünscht, höre die Freundin nur stets.
Nicht des Gesetzes Gebot hat euch im Bette vereinigt,
Liebe verwaltet das Amt strengen Gesetzes bei euch.
Zärtliche Schmeichelei’n und Worte, das Ohr zu gewinnen,
Sag‘ ihr, daß sie erfreut werde durch deinen Besuch.
Nicht für die Kinder des Glücks tret‘ auf ich als Lehrer des Liebens,394
Nicht der Künste bedarf, wer da zu geben vermag.
Bei sich hat den Verstand, wer, wann’s ihn gelüstet, da, nimm! spricht.
Mehr, als was ich erfand, hat er; ich trete zurück.395
Armen nur gilt mein Rath; denn arm selbst habe geliebt ich;
Worte statt allen Geschenks hatte zu geben ich nur.
Hübsch mit Vorsicht liebe der Arme; er scheue das Schelten,
Lasse gefallen sich Viel, was sich der Reiche nicht läßt.
Einmal hab‘ ich im Zorn das Haar verwirrt der Geliebten.
Dieser Zorn, wie viel hat er mir Tage geraubt!396
Daß ich zerrissen den Rock, nicht hab‘ ich gemerkt es, noch glaub‘ ich’s.
Aber sie sagt‘ es, und ich mußte ersetzen den Rock.
  1. V. 1 ff. Nachdem der Dichter im ersten Buche die Orte und Gelegenheiten Mädchen zu sehen und Eine zu wählen angegeben und die Mittel und Wege sie zu gewinnen auseinandergesetzt hat, lehrt er nun, wie die gemachte Eroberung zu behaupten, das ins Garn gegangene Wild festzuhalten sei.
  2. V. 3. Der Liebhaber erkennt meiner Dichtung, durch deren Anweisung er eine Geliebte gefunden, den gebührenden Preis zu und giebt mir den Vorzug vor den ältesten und berühmtesten Dichtern, Hesiod (s. zu Liebeserg. I, 15, 11) und Homer (s. ebendas. V. 9). – Donat bezeugt Cod. Reg. mit einigen andern, auch Ed. pr. gegen donet (auch ornet) der übrigen. Bei donet müßte es auch praeferar heißen, wie auch der und jener alte Gelehrte vermuthet, keine Hdschrft aber bestätigt hat. Offenbar ist auch der Indicativ bedeutungsvoller als der Conjunctiv. Für carmina findet sich in einem Theile der Quellen tempora, sowie für palma in einigen myrto, in andren lauro.
  3. V. 5 f. So fröhlich war Paris (der Trojanische Gast, der aus Troja als Gast gekommen war), als es ihm gelungen war, die Helena aus Amyclä, dessen Einwohner doch ein bewehrtes, streitbares Volk waren, glücklich zu entführen. Amyclä, Stadt in der Nähe von Sparta, war die Residenz des Tyndarus und Geburtsort und frühere Heimath der Helena.
  4. V. 7 f. S. zu Liebeserg. III, 2, 15. Auf fremdem Gespann, auf dem Gespanne eines Fremdlings, des Pelops.
  5. V. 9 f. Der Jüngling glaubt mit der Belehrung im ersten Buche, wo und wie er eine Schöne gewinnen könne, Alles zu wissen und eilt gleichsam aus der Schule fort, um die Anwendung des Gehörten und Gelernten zu machen. Daher die Mahnung des Lehrers: Du bist noch lange nicht an dem Ziele, zu welchem ich dich führen will.
  6. V. 11. A. Lsrt. non satis invenisse tibi est aus Unkenntniß des Gebrauchs von venire in dem Sinn zu Theil werden.
  7. V. 15. Mein Knabe, Cupido. Cythera statt Cytheréa (s. zu Verw. 4, 190) haben wir nach dem Vorgange eines Lateinischen Dichters und mehrerer Deutscher Dichter uns zu sagen erlaubt.
  8. V. 16. Erato, die Muse der Liebessänger, von dem Griechischen erán, lieben.
  9. V. 19. A. L. evolet; nicht wenige Hdschrften advolet, das auf das richtige avolet weist.
  10. V. 21 ff. S. zu Verw. 8, 155 ff. 183 ff. n. Anmerkungen. – A. L. praecluserat. Vergl. Verw. 8, 185.
  11. V. 28. Auf eine einzige Autorität hat Heinsius sit mihi für da mihi gegeben, welches Letztere daher Baumgarten-Crusius mit Recht wiederhergestellt hat.
  12. V. 29. Gewähre dem Knaben die Rückkehr, d. h. gewähre uns die Rückkehr um des Knaben willen.
  13. V. 32. Die seit der Urausgabe nach wenigen Hdschrften herrschende Lsrt. ist dicere regressus, wogegen egrerssus von allen übrigen bezeugt wird. Letzteres steht mithin hdschrftlich fest und verdient auch rücksichtlich des Sinnes, freier Ausgang, Abzug aus der Gefangenschaft, Weggang von der Insel, den Vorzug, während regressus im eigentlichen Sinne = reditus wol selten ist. Nur ob et vor egressus, wie die meisten Quellen geben, oder at, wie einige haben, das Echte sei, ist schwer zu entscheiden. Et steht nicht selten in dem Sinne von et tamen und ist daher oft von Abschreibern und Herausgebern in at verwandelt worden (vergl. unsern Index zu Verw.). Der Gegensatz ist aber doch hier zu stark, als daß er füglich mit et eingeführt werden könnte, und et kann leicht aus dem mehrmaligen et des vorigen Verses entstanden sein.
  14. V. 33. Beginnt er, nämlich Dädalus zu sich selbst.
  15. V. 35. Zwei bis drei Quellen haben possidet en terras, wonach Heinsius nicht nur für dieses et, sondern auch für das nächste en las.
  16. V. 37. Wenige Quellen geben iter caelo, das Heinsius nicht übel fand und seine Nachfolger bis auf Baumgarten-Crusius aufnahmen.
  17. V. 42. Alle bisherigen Ausgaben haben mit Heinsius allerdings nach Cod. R. und Ex. Put. sint, aber gewiß mit Unrecht. S. zu Liebeserg. II, 3, 10.
  18. V. 45. Aus einer einzigen Quelle brachte Heinsius volucres auf, das erst Baumgarten-Crusius in der neuesten Ausgabe wieder beseitigte. Einige wenige Hdschrften haben volucris.
  19. V. 49. Das seltnere renidens, das übrigens, wenn es einer Bestätigung bedürfte, dieselbe Verw. 8, 197 fände, hat zu verschiedenen Verderbnissen Veranlassung gegeben, als renitens, remittens, recudens &c.
  20. V. 51 f. Cod. Reg. giebt Hac . . carina. Hac . . effugiendus erit. Est nach ope soll nach Heinsius blos von den »neueren« geboten werden.
  21. V. 54. A. Lsrten qua licet, quam licet, quemlibet, quamlibet.
  22. V. 55 f. Vergl. Verw. 8, 206 f. Die Tegeerin ist die in das hier gemeinte Sternbild des Bären verwandelte Callisto aus Arcadien (f. Verw. 2, 405–507) welches durch eine seiner vorzüglichsten Städte bezeichnet wird. Wenn Orion der Begleiter des Bootes (s. zu Verw. 2, 176) genannt wird, der ihm keineswegs so nahe steht, um diese Bezeichnung zu rechtfertigen, so muß man dies dem Dichter verzeihen, dem es nur darauf ankam, einige der namhaftesten Gestirne zu nennen. Vergl. dieselbe Zusammenstellung in derselben Erzählung Verw. 8, 206 f. – Die allein richtige Lsrt. Bootae geben nur Cod. Reg. und ein Patavinischer, die übrigen alle fehlerhaft Bootes.
  23. V. 59 f. S. unsern Index z. Verw. unter Sonnenwärme.
  24. V. 68. In novum iter, das freilich nur eine Hdschrft giebt, ist, wie der folg. Vers lehrt, allerdings passender, als per nov. it. aller übrigen.
  25. V. 76. Icarus ist der Name des Sohnes.
  26. V. 78. Für reliquit oder relinquit, wie einige wenige Quellen, von captat verführt, haben, findet sich gleich gut in einer remisit, in einer andern remittit.
  27. V. 79 ff. Es wäre vergebliche Mühe, nach den Angaben des Dichters den Weg der Fliegenden zu verfolgen, wenn man auch, da sie dem Zuge des Windes folgen mußten, eine höchst unregelmäßige Fahrt annehmen wollte. Der Dichter nennt, man möchte fast annehmen, aufs Gerathewohl, einige der berühmtesten von den oberhalb Creta gelegenen Inseln, nicht einmal in der natürlichen Aufeinanderfolge, blos um sie zu nennen und der Erzählung Intresse zu verleihen, die rechts liegenden aber besonders. um die Gegend des Icarischen Meeres anzudeuten. Vergl. Verw. 8, 220 ff. n. A. Baumgarten-Crusius hat die Geographie des Dichters dadurch retten wollen, daß er die Worte von fuerant bis deo parenthetisch genommen hat, eine Auffassung, die nach unserer Meinung mehr sinnreich als in den Worten begründet ist.
  28. V. 80. Theuer dem Clarischen Gott ist blos auf Delos zu beziehen. S. übrigens hier sowie zu den folgenden Namen unsern Index z. Verw.
  29. V. 81. Erat, der Singular, ist von allen Hdschrften bezeugt bis auf zwei, welche den Plural erant geben, den Heinsius und Burmann unnöthiger Weise durch eine unzählbare Menge von Beispielen gerechtfertigt und aufgenommen haben. So unbedeutend nun auch die Sache ist, so muß man doch fragen, warum hier so viele Quellen erant in erat verwandelt hätten, da gleich vorher alle ohne Abweichung fuerant haben. – Für Calymne, das durch die Parallele in den Verw. zweifellos ist, geben die Hdschrften die seltsamsten Verstümmelungen.
  30. V. 82. Über das Beiwort fischwimmelnd s. zu Verw. 10, 531 u. vergl. das. 12, 10.
  31. V. 83. Auf die einzige Autorität einer Vaticanischen Hdschrft nahm Heinsius für die untadelhafte gemeine Lsrt. annis das an sich sehr schöne ausis auf, das bis auf die neueste Teubnersche Ausgabe herrschend blieb. Nur einzeln findet sich alis und armis, welches Letztere Ed. pr. hat.
  32. V. 84. Patrem haben wir auf die überwiegende Autorität der Hdschrften hergestellt für das von Heinsius aus Cod. Mor. und Ment. aufgebrachte ducem.
  33. V. 85. Zu nahe dem Gott, dem Sonnengotte, der Sonne.
  34. V. 86. Ein Theil der Quellen giebt venti, eine auch aurae; die leichtere und gewöhnlichere Fügung.
  35. V. 87. Für a summo hatte Heinsius auf sehr geringe Autorität e summo gegeben.
  36. V. 92. Grünes Gewässer; grau- oder blaugrün ist die Farbe des Meeres.
  37. V. 93. Mit Recht bemerkt Burmann, daß iam non, wie hier nicht wenige Hdschrften haben, keineswegs zu verwerfen sei gegen die Lsrt. nec iam, wie in derselben Sache Verw. 8, 231 steht. Denn wenn auch zwischen beiden Stellen eine große Übereinstimmung herrscht, so sind sie doch nicht wörtlich gleich, und iam non findet sich in ganz ähnlichen Stellen nicht nur bei Ovid, z. B. Verw. 4, 382, sondern auch bei andern Dichtern und selbst Prosaikern.
  38. V. 96. S. Verw. 8, 230. 235 n. Anmerkungen. Den in der letzteren Stelle angeführten Umstand, daß der Vater den Sohn bestattet habe, übergeht der Dichter hier als zu seinem Zwecke nicht nöthig, sowie er überhaupt dort sowohl als hier unerklärt läßt, wie die Gebeine des in das Meer gefallenen Körpers haben begraben werden können.
  39. V. 100. Das zur Welt kommende Fohlen hat nach Plinius an der Stirne ein Stückchen Fleisch, so groß wie eine getrocknete Feige, (nach Aristoteles eine Blase) von schwarzer Farbe, welches die Mutter alsbald wegleckt. Dies, Griechisch Hippómanes, Roßwuth, Roßbrunst genannt, wurde, wie der Schleim brünstiger Stuten selbst (Liebeserg. I, 8, 8), in der Zauberei, besonders zu Liebestränken gebraucht. – Revellet hat Heinsius aus Cod. R. gegeben; die andern haben revellit, einige revellat.
  40. V. 101. Medeïsche Kräuter, Zauberkräuter, von der Zauberin Medea, deren Geschichte s. Verw. 7, 9–424. – Für vivat findet sich in einigen Hdschrften duret, erklärende Glosse.
  41. V. 102. Die Marser, eine Völkerschaft Latiums, standen im Rufe der Zauberei. Besonders sollten sie Schlangen beschwören und deren Bisse heilen, auch Verwandlungen bewirken können. Vergl. Schönheitsmittel 39. Festkal. 6, 122. – In den meisten Hdschrften finden sich die Worte naenia Marsa in mersa, marsa venena verdorben.
  42. V. 103. Auf der Heimkehr von Troja kam Odysseus (Ulyß) auch zu der Zauberin Circe und blieb ein Jahr bei ihr; länger ließ er sich nicht halten. S. Verw. 14, 258 ff., besonders 297. 308. 438 f. – Über Medea und Jason s. Verw. 7, besonders zu V. 394.
  43. V. 105. Blaß heißt der Liebestrank von der Wirkung auf die Gesichtsfarbe. Vergl. Liebeserg. II, 7, 10.
  44. V. 107. Schuld, schuldvolles, verbrecherisches Thun.
  45. V. 109 f. Nireus war nach Homer, wie Thersites der häßlichste (s. zu Verw. 13, 233), so nächst Achilleus der schönste Mann unter den Griechen vor Troja. Seine Schönheit war bei den Griechen sprichwörtlich. – In Hylas, einen schönen Knaben und Liebling des Hercules, verliebten sich, als ihn Letzterer auf der Argonautenfahrt in Mysien, wo man gelandet war, ausgeschickt hatte, um Wasser zu holen, die Nymphen und raubten ihn. – Weil in einigen Handschriften fehlerhafter Weise scilicet, sic licet, si licet steht, hat Heinsius nach dem einzigen C. Mor. sis licet zu schreiben befohlen und im Pentameter nach einem Vaticanischen crimina.
  46. V. 115. Prangende haben wir mehr sinngemäß als wortgetreu das Lateinische hiantia, klaffende, weit geöffnete, übersetzt, das übrigens in den meisten Hdschrften vielfach verstümmelt, nur in sehr wenigen erhalten ist.
  47. V. 116. Zwei Quellen geben Aret et am., eine Et caret amissa.
  48. V. 119. Nur wenige Hdschrften haben das allein richtige formae erhalten, während die übrigen den hier sinnlosen Accusativ formam geben.
  49. V. 120. Holzstoß, Scheiterhaufen.
  50. V. 121 f. Edele Künste; s. zu Liebeserg. III, 8, 1. – Beide Sprachen, die Griechische und Lateinische. Das correcte Latein mußte natürlich ebenso gut gelernt werden, als die Deutsche Schriftsprache von uns; und die Erlernung der Griechischen Sprache gehörte ebenso zur feineren Bildung, wie heutigen Tags oder vor nicht langer Zeit in weiteren Kreisen das Französische bei uns. Griechisch war die Conversationssprache der Vornehmen, und die Kenntniß desselben ward für so unerläßlich gehalten, daß Cato, der stets gegen Ausländerei gekämpft hatte, noch in hohem Alter selbst Griechisch lernte.
  51. V. 123. Nach Homer war er kurz und gedrungen, wie ein Widder.
  52. V. 124. Unter den Meergöttinnen ist die im nächsten Verse genannte Nymphe Calypso gemeint. Über die Sache s. zu Liebeserg. II, 17, 15. – Der Plural Meergöttinnen ist dichterische Steigerung und daher Heinsiussens Behauptung, daß der Singular zu setzen sei oder man die Circe mit verstehen müsse, völlig unbegründet.
  53. V. 130. Des Odrysenhaupts, des Thracierfürsten Rhesus. S. zu Verw. 13, 98, sowie zu 6, 490.
  54. V. 134. Der Simois, Fluß bei Troja.
  55. V. 135. Dolon; s. zu Verw. 13, 98. 244.
  56. V. 137. Sithonisch; s. zu Verw. 6, 588.
  57. V. 138. A. Lsrten captis für raptis und reversus für revectus. Auch für nocte findet sich in der Kopenhagener Hdschrft parte, das Heinsius vorziehen möchte, um nicht in Versuchung zu kommen, nocte mit hac zu verbinden!
  58. V. 144. A. L. atque aliquid.
  59. V. 146. Die gegebene gemeine Lsrt halten wir für untadelhaft gegen die von Heinsius nach zwei Quellen gebilligte saevaque verba movent. In einigen findet sich auch saevaque verba movet.
  60. V. 149 f. Der Chaonische Vogel ist die Taube, so genannt von den Chaonen, den alten Einwohnern von Epírus, wo zu Dodóna nicht nur aus dem Rauschen der Eichen der Wille Jupiters von den Priestern erkannt wurde (s. zu Verw. 7, 623), sondern auch Tauben, mit menschlicher Stimme begabt, Orakelsprüche ertheilten. Über Thürme s. zu Verw. 4, 48.
  61. V. 153 f. Weiber . . Männer hier in dem besonderen Sinne verheirathete. – Die Conjunctive fugent und credant geben mehrere der vorzüglichsten Quellen. Der Sinn ist völlig gleich; daher wir im Deutschen den Indicativ haben setzen können.
  62. V. 161. Die Hdschrften schwanken hier zwischen amoris und amandi. Ersteres zieht Heinsius vor unter Berufung auf unten V. 497. und oben I, 17. Allein wenn der Dichter an diesen beiden Stellen praeceptor amoris gesagt hat, so folgt daraus nicht, daß er auch hier so gesagt haben müsse. Im Gegentheil läßt sich eher denken, daß man in Erinnerung dieser Parallelen auch hier amoris für amandi geschrieben oder wenigstens beigeschrieben und dann in den Text selbst aufgenommen habe, als daß gerade nur hier amoris mit amando glossirt worden wäre, während an den beiden andern Stellen amoris ohne Abweichung steht.
  63. V. 164. Wenn wir auch mehr hat er übersetzt haben, so glauben wir darum nicht, daß die gemeine Lsrt plus habet echt sei. Auch die von übrigens guten Hdschrften bezeugte Lsrt plus valet ist schwerlich für die echte zu halten gegen die von Cod. Reg. und vielen andren vorzüglichen Quellen gebotene plus placet, obgleich oder vielmehr weil die Letztere eine eigentlich unrichtige Kürze des Ausdrucks enthält. Denn da inventis meis gleich quam inventa mea ist, so steht dies für qui inventis meis utitur.
  64. V. 170. A. L. heu od. hei mihi.
At vos, si sapitis, vestri peccata magistri
Effugite et culpae damna timete meae.
Proelia cum Parthis, cum culta pax sit amica,
Et iocus, et causas quicquid amoris habet.
Si nec blanda satis, nec erit tibi comis amanti;
Perfer et obdura: postmodo mitis erit.
Flectitur obsequio curvatus ab arbore ramus;
Frangis, si vires experiere tuas.
Obsequio tranantur aquae: nec vincere possis
Flumina, si contra, quam rapit unda, nates.
Obsequium tigresque domat Numidasque leones;
Rustica paulatim taurus aratra subit.
Quid fuit asperius Nonacrina Atalanta?
Succubuit meritis trux tamen illa viri.
Saepe suos casus nec mitia facta puellae
Flesse sub arboribus Milaniona ferunt.
Saepe tulit iusso fallacia retia collo,
Saepe fera torvos cuspide fixit apros.
Sensit et Hylaei contentum saucius arcum:
Sed tamen hoc arcu notior alter erat.
Non te Maenalias armatum scandere silvas,
Nec iubeo collo retia ferre tuo;
Pectora nec missis iubeo praebere sagittis.
Artis erunt cautae mollia iussa meae.
Cede repugnanti: cedendo victor abibis;
Fac modo, quas partes illa iubebit, agas.
Arguet, arguito; quicquid probat illa, probato.
Quod dicet, dicas; quod negat illa, neges.
Riserit, arride; si flebit, flere memento;
Imponat leges vultibus illa tuis.
Seu ludet numerosque manu iactabit eburnos:
Tu male iactato, tu male iacta dato.
Seu iacies talos: victam ne poena sequatur,
Damnosi facito stent tibi saepe canes.
Sive latrocinii sub imagine calculus ibit:
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Seid ihr aber gescheit, so meidet die Fehler des Lehrers;397
Scheuet Verluste, wie mir eigene Schuld sie gebracht.
Lebt mit den Parthern in Krieg, mit der reizenden Freundin in Frieden,398
Freude und Lust und was fördern die Liebe nur kann.
Wenn nicht zärtlich genug und hold sie dem Liebenden sein wird,399
Trag‘ es und habe Geduld; milder schon wird sie nachher.400
Durch fügsame Geduld läßt krümmen am Baume der Ast sich;
Aber er bricht dir, versuchst du ihn zu krümmen Gewalt.
Fügsam dem Strom, durchschwimmest du ihn; du wärest die Fluthen
Nicht zu bezwingen im Stand, schwämmest du gegen den Strom.
Tiger durch Fügsamkeit und Numidische Löwen bezwingt man;401
Unter des Landmanns Joch fügt mit der Zeit sich der Stier.
Was war grausamer als Atalanta, Arcadiens Tochter?402
Und es erlag ihr Trotz doch den Verdiensten des Manns.
Über sein Schicksal soll und das spröde Gebaren des Mädchens
Unter Bäumen geweint haben Milanion oft.
Oft trug, wie sie befahl, am Hals er bezügliche Netze;
Trotzige Eber erlegt‘ oft er mit sausendem Spieß.403
Auch empfand er, verwundet, den Pfeil, von Hyläus geschossen.404
Aber bekannter als der, war ihm ein anderer Pfeil.
Nicht die Mänalischen Wälder jedoch zu ersteigen mit Waffen
Will ich dir heißen, auch nicht Netze zu tragen am Hals;
Auch nicht darzubieten die Brust geschossenen Pfeilen.
Leicht ist, was dir gebeut meine bedächtige Kunst.405
Gieb der sich Sträubenden nach, so gehst du als Sieger von dannen;
Spiele die Rolle du nur, die sie zu spielen befiehlt.
Tadelt sie, mußt du tadeln, und billigen, was sie nur billigt;
Nein auch, spricht sie nein, sprechen; bejaht sie, bejahn.
Lacht sie, so lache mit ihr; und weint sie, bemüh‘ dich zu weinen:406
Deinem Gesicht und Blick lege Gesetze sie auf.
Spielt sie und wirft mit der Hand die elfenbeinernen Zahlen,407408

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Wirf du schlecht und gieb, wie du geworfen, auch schlecht.
Oder wirfst du die Knöchel, so mache, daß, um die Besiegte
Nicht zu bestrafen, dir oft stehe der schädliche Hund.
Oder laßt ihr den Stein im Soldatenspiele marschiren,

    Fac pereat vitreo miles ab hoste tuus.
Ipse tene distenta suis umbracula virgis;
Ipse face in turba, qua venit illa, locum.
Nec dubita tereti scamnum producere lecto,
Et tenero soleam deme vel adde pedi.
Saepe etiam dominae, quamvis horrebis et ipse,
Algentis manus est calfacienda sinu.
Nec tibi turpe puta – quamvis sit turpe, placebit –
Ingenua speculum sustinuisse manu.
Ille, fatigatae perimendo monstra novercae
Qui meruit caelum, quod prior ipse tulit,
Ionias inter calathum tenuisse puellas
Creditur et lanas excoluisse rudes.
Paruit imperio dominae Tirynthius heros.
I nunc et dubita ferre, quod ille tulit.
Iussus adesse foro, iussa maturius hora
Fac semper venias, nec nisi serus abi.
Occurras aliquo, tibi dixerit: omnia differ;
Curre, nec inceptum turba moretur iter.
Nocte domum repetens epulis perfuncta redibit:
Tunc quoque pro servo, si vocat illa, veni.
Rure eris, et dicet: Venias – Amor odit inertes –:
Si rota defuerit, tu pede carpe viam.
Nec grave te tempus, sitiensve Canicula tardet,
Nec via per iactas candida facta nives.
Militiae species amor est: discedite, segnes:
Non sunt haec timidis signa tuenda viris.
Nox et hiems longaeque viae saevique dolores
Mollibus his castris et labor omnis inest.
Saepe feres imbrem caelesti nube solutum,
Frigidus et nuda saepe iacebis humo.
Cynthius Admeti vaccas pavisse Pheraei
Fertur et in parva delituisse casa.
Quod Phoebum decuit, quem non decet? Exue fastus,
Curam mansuri quisquis amoris habes.
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    Mache, daß dein Soldat falle vom gläsernen Feind.
Selber auch halte gespannt in seinen Stäben das Schirmdach;410
Selber mach‘ im Gewühl, wo sie erscheinet, ihr Platz.
Sei auch bereit, an das zierliche Bett den Schemel zu rücken;411
Aus auch die Sohle und an ziehe dem niedlichen Fuß.412
Oft auch muß ihr die Hand, obgleich es selber dich schauert,
Wann die Gebieterin friert, werden im Busen erwärmt.
Halt‘ es für schimpflich auch nicht – so schimpflich es ist, es gefällt doch –413
Daß mit eigener Hand vor du den Spiegel ihr hältst.414
Er, der, auf Stiefmutters Geheiß die Ungeheuer415
Fällend, den Himmel verdient, welchen er selber erst trug,
Unter den Töchtern Ioniens soll er gehalten das Körbchen,
Rohe Wolle gedreht haben zu feinem Gespinnst.
Seiner Gebieterin Wink vollzog der Tirynthische Heros.
Geh‘ und besinne dich noch, ob du ertragest, was er.
Sollst auf dem Forum du sein, so sorge noch früher zu kommen,416
Als zur befohlenen Zeit; spät auch nur gehe hinweg.
Sollst du irgendwohin ihr gehn, laß Alles im Stiche;417
Laufe, und kein Gewühl halt‘ auf dem Wege dich auf.
Kehrt sie bei Nacht nach Hause zurück von beendetem Schmause,
Statt des Sclaven auch da komme, sobald sie ihn ruft.
Läßt sie dir sagen auf’s Land: Komm; mache, im Fall es am Wagen
Fehlet – die Säumigen haßt Amor – die Reise zu Fuß.
Lästiges Wetter auch halte dich nicht und der dürstende Hundsstern,418
Nicht auch ein Weg dich auf, weiß von gefallenem Schnee.419
Ähnlich dem Kriegsdienst ist die Liebe: hinweg da, ihr Trägen!
Dieses Panier nicht darf schützen ein furchtsamer Mann.420
Weite Wege und Winter und Nacht faßt dieses so sanfte421
Lager und tobenden Schmerz in sich und jegliche Müh‘.
Ströme aus himmlischer Wolke gelöst wirst oft du ertragen,
Liegen auf bloßer Erd‘ oft, von der Kälte erstarrt.
Soll doch die Kühe Admets in Pherä geweidet Apollo422
Haben und unter dem Dach niedriger Hütte gehaust.
Wem ziemt nicht, was Phöbus geziemt? Laß fahren den Hochmuth,
Der du sorglich bedacht bist auf der Liebe Bestand.
Si tibi per tutum planumque negabitur ire,
Atque erit apposita ianua fulta sera:
At tu per praeceps tecto delabere aperto;
Det quoque furtivas alta fenestra vias.
Laeta erit, ut causam tibi se sciet esse pericli.
Hoc dominae certi pignus amoris erit.
Saepe tua poteras, Leandre, carere puella:
Tranabas, animum nosset ut illa tuum.
Nec pudor ancillas, ut quaeque erit ordine prima,
Nec tibi sit servos demeruisse pudor.
Nomine quemque suo – nulla est iactura – saluta,
Iunge tuis humiles, ambitiose, manus.
Sed tamen et servo – levis est impensa – roganti
Porrige fortunae munera parva tuae.
Porrige et ancillae, qua poenas luce pependit
Lusa maritali Gallica veste manus.
Fac plebem, mihi crede, tuam: sit semper in illa
Ianitor, et thalami qui iacet ante fores.
Nec dominam iubeo pretioso munere dones:
Parva, sed e parvis callidus apta dato.
Dum bene dives ager, dum rami pondere nutant,
Afferat in calatho rustica dona puer.
Rure suburbano poteris tibi dicere missa,
Illa vel in sacra sint licet emta via.
Afferat aut uvas, aut quas Amaryllis amabat,
At nunc castaneas non amat illa nuces.
Quin etiam turdoque licet missaque columba
Te memorem dominae testificere tuae.
Turpiter his emitur spes mortis et orba senectus.
Ah, pereant, per quos munera crimen habent!
Quid tibi praecipiam teneros quoque mittere versus?
Hei mihi, non multum carmen honoris habet.
Carmina laudantur, sed munera magna petuntur.
Dummodo sit dives, barbarus ipse placet.
Aurea nunc vere sunt saecula; plurimus auro
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Wenn dir den sichern und ebenen Weg zu gehen versagt wird,423
Und die Thüre verwahrt ist mit dem Riegel davor:
Nun, so laß durch das offene Dach in die Tiefe dich nieder;424
Heimlichen Weg auch biet‘ oben das Fenster dir dar.
Freuen sich wird sie zu wissen, sie sei Ursach der Gefahr dir;425
Sein wird dies der Beweis sicherer Liebe für sie.
Missen wol konntest du oft dein Mädchen, Leander; hinüber426
Schwammst du über das Meer, daß sie erkenne dein Herz.
Halt‘ es für Schande auch nicht, der Reihe nach dir die Mägde,
Minder die Diener auch nicht dir zu verpflichten zu Dank.427
Grüße – es ist kein Schaden dabei – jedweden mit Namen;
Schließe die niedrige Hand eifrig in deine hinein.428
Auf sein Bitten auch mußt du dem Sclaven – gering ist der Aufwand –
Reichen aus deines Glücks Fülle ein kleines Geschenk.
Reich‘ ein Geschenk auch der Magd an dem Tag, an welchem, betrogen429
Durch das Frauengewand, büßte die Gallische Schaar.
Glaube mir, mache das Volk dir geneigt; es befinde darunter430
Stets sich der Pförtner und der liegt vor der Thür des Gemachs.431
Nicht kostbare Geschenke auch sollst der Geliebten du geben.
Kleinigkeiten, jedoch passende gieb mit Geschmack.
Während ergiebig das Land, und unter der Last sich der Ast beugt,
Bringe der Knabe im Korb ländliche Gaben ihr hin.432
Daß sie vom Stadtgut wären geschickt dir, kannst du ihr sagen,
Mögen sie immer gekauft sein auf dem heiligen Weg.433
Trauben bringe er hin, er bringe Kastaniennüsse,434
Die Amaryllis geliebt, aber mit nichten mehr liebt.
Ja ein Täubchen sogar und eine Drossel ihr schickend,435
Magst du beweisen, du seist deiner Geliebten gedenk.
Schande, erkauft damit man sich Hoffnung auf Tod und verwaistes436
Alter! Und wehe, durch wen werden Geschenke zur Schuld!
Was soll rathen ich dir, auch zärtliche Verse zu schicken?
Ach, es stehn nicht hoch leider, Gedichte im Preis!
Versen ertheilt man Lob, doch große Geschenke verlangt man.
Ist er nur reich, so gefällt selber der roheste Mann.
Jetzt ist wirklich die goldene Zeit; am höchsten in Ehren
    Venit honos; auro conciliatur amor.
Ipse licet Musis venias comitatus, Homere:
Si nihil attuleris, ibis, Homere, foras.
Sunt tamen et doctae, rarissima turba, puellae:
Altera non doctae turba, sed esse volunt.
Utraque laudentur per carmina: carmina lector
Commendet dulci qualiacumque sono.
His ergo atque illis vigilatum carmen in ipsas
Forsitan exigui muneris instar erit.
At quod eris per te facturus et utile credis,
Id tua te facito semper amica roget.
Libertas alicui fuerit promissa tuorum:
Hanc tamen a domina fac petat ille tua.
Si poenam servo, si vincula saeva remittis:
Quod facturus eras, debeat illa tibi.
Utilitas tua sit; titulus donetur amicae.
Perde nihil; partes illa potentis agat.
Sed te, cuicumque est retinendae cura puellae,
Attonitum forma fac putet esse sua.
Sive erit in Tyriis: Tyrios laudabis amictus;
Sive erit in Cois: Coa decere puta.
Aurata est: ipso tibi sit pretiosior auro;
Gausapa si sumsit: gausapa sumta proba.
Astiterit tunicata: Moves incendia, clama;
Sed timida, caveat frigora, voce roga.
Compositum discrimen erit: discrimina lauda;
Torserit igne comam: torte capille, place.
Brachia saltantis, vocem mirare canentis;
Et, quod desierit, verba querentis habe.
Ipsos concubitus, ipsum venerere licebit,
Quod iuvat, et [quadam] gaudia voce notes.
Ut fuerit torva violentior illa Medusa:
Fiet amatori lenis et aequa suo.
Tantum, ne pateas verbis simulator in illis,
Effice, nec vultu destrue dicta tuo.
Si latet ars, prodest; affert deprensa pudorem
Atque adimit merito tempus in omne fidem.
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    Stehet das Gold; für Gold stehet die Liebe zu Dienst.
Möchtest du selbst auch kommen, Homer, von den Musen begleitet;
Wenn Nichts mit du gebracht, wirft man, Homer, dich hinaus.
Aber es giebt, doch selten nur giebt’s, auch gebildete Mädchen;
Nicht ist’s, aber doch sein will es der übrige Schwarm.437
Beiden ertheil‘ in Gedichten man Lob, die, welcherlei Art sie438
Seien, der vor sie liest, hebe durch lieblichen Ton.
Diesen nun wird, auch Jenen, ein nächtlich gedichtetes Liedchen439
Auf sie selber vielleicht gelten als kleines Geschenk.440
Doch was selbst du zu thun vorhast und ersprießlich erachtest,441
Darum bitten dich erst laß die Gebieterin stets.
Hättest du zugesagt der Deinigen einem die Freiheit,
Von der Gebieterin doch laß sie erbitten ihn erst.
Wenn du dem Sclaven die Strafe und schreckliche Fesseln erlässest,
Habe zu danken sie dir, was du beschlossen zu thun.
Dein sei stets der Gewinn, der Gebieterin werde die Ehre;
Ohne Verlust für dich spiele die Mächtige sie.442
Bist du aber bedacht das Mädchen auch fortzubehalten,
Laß sie glauben, du seist trunken von ihrer Gestalt.
Ist sie in Tyrischem Kleid, so lobe die Tyrische Kleidung;443
Ist sie im Coergewand, lobe das Coergewand.
Geht sie in Gold, so sei kostbarer sie dir als das Gold selbst;
Zieht die Kutte sie an, finde die Kutte bewährt.444
Steht sie im Hauskleid da, so rufe: Du stiftest ja Brand an;445
Bitte sie schüchtern jedoch, daß sie erkälte sich nicht.
Ist das Haar in Flechten gelegt, so preise die Flechten;
Lockt sie mit Feuer das Haar, preise das lockige Haar.446
Wenn sie tanzt, bewundre den Arm; und singt sie, die Stimme:447
Und daß auf sie gehört, klage bedauernden Munds.448
Selber den Beischlaf magst du und was ihn fördert, verehren,
Und mit besonderem Laut deuten den Liebesgenuß.449
Wäre sie unerbittlicher auch als die stiere Medusa,450
Gegen den Liebenden wird werden sie sanft und gefüg.
Nur daß deine Verstellung dabei nicht selbst du verrathest,
Nicht mit der Miene zerstörst, was du mit Worten gebaut!
Nur die verborgene Kunst nützt dir, die entdeckte beschämt dich,
Hebt für immer mit Recht auf das Vertrauen zu dir.
  1. V. 173. A. L. qui sapitis.
  2. V. 175. Mit den Parthern, den gefürchtetsten Feinden der Römer. S. oben I. 177 ff. n. Anm.
  3. V. 177. Gem. Lsrt comis amica.
  4. V. 178. A. Lsrten franges und experiare.
  5. V. 183. Numidisch = Afrikanisch. – Gem. Lsrt tumidos.
  6. V. 185 ff. S. zu Liebeserg. III, 2, 29. Den Verdiensten der Fügsamkeit gegen ihre Befehle u. Zumuthungen. Unter Bäumen; vergl. Liebeserg. III, 9, 23 n. A.
  7. V. 190. A. Lsrten feros saeva od. iussa od. missa.
  8. V. 191. Atalanten stellten die Centauren Hyläus und Rhöcus nach. Milanion beschützte sie gegen ihre Zumuthungen (V. 195) und setzte sich dadurch der Rache derselben aus, so daß Hyläus nach ihm schoß u. ihn verwundete. Atalante erlegte die Zudringlichen mit dem Bogen.
  9. V. 196. Für cautae (einzeln certe, certae, tantae) hat Heinsius ohne Umstände cauto gegeben. Wir können aber in cautae durchaus nichts Unpassendes finden. Ich muthe dir keine großen Anstrengungen, nichts Gefährliches zu; meine Kunst geht bedächtig zu Werke, und ihre Vorschriften werden sanft, leicht zu erfüllen sein.
  10. V. 201. Burmann findet die Lsrt der Frankf. Hdschrft flerit, deflere memento treffend. Deflere sei stärker als flere und das eigentliche Wort von dem Beweinen der Todten am Scheiterhaufen. Der Dichter rathe nun dem Liebhaber, wenn das Mädchen den Tod eines Angehörigen beweine, tüchtig mit zu weinen. Schwerlich aber hat der Verfasser an etwas so Specielles gedacht; der Sinn ist vielmehr ganz allgemein: freue dich mit der Fröhlichen und traure mit ihr, wenn sie traurig ist.
  11. V. 203 ff. Zum Verständnisse der hier gemeinten Spiele diene, was Becker in seinem Gallus darüber sagt. »Was das Würfelspiel, alea, anlangt, so sind zwei Arten von Würfeln zu unterscheiden: tali und tesserae. Die tali waren ursprünglich aus Thierknöcheln gefertigt; späterhin aus sehr verschiedenem Material.« Aus welchem Material sie aber auch gefertigt sein mochten, so hießen sie doch nur tali, Knöchel. »Sie hatten nur vier ebene Flächen, zwei einander gegenüberstehende waren uneben oder gerundet, so daß auf ihnen der Würfel nicht leicht zu stehen kommen konnte. Die vier ebenen Flächen waren mit Punkten oder Strichen bezeichnet, so daß auf zwei sich entgegenstehenden Seiten 1 und 6, auf den beiden andern 3 und 4 sich befanden. Die Zahlen 2 und 5 fehlten ganz. Diese vier Würfel wurden nicht aus der Hand, sondern aus einem Becher von Horn, Buchsbaum, Elfenbein und dergl. geworfen, der innerlich stufenartige Absätze hatte, damit die Würfel besser durch einander geworfen, und jeder mögliche Betrug verhütet würde. Dieser Becher war aber, anders als bei uns, oben enger als unten und hieß eben von dieser Form pyrgus oder turricula (Thurm, Thürmchen), auch phimus und am gewöhnlichsten fritillus (Becher). Der Wurf geschah auf einer besonders dazu eingerichteten Tafel, alveus, alveolus, abacus, die vermuthlich einen etwas hohen Rand hatte, damit die Würfel nicht herabfallen könnten. Das Spiel selbst kennen wir freilich nicht genau. Wir wissen im Grunde nur, welches der beste, und welches der schlechteste Wurf war. Der erstere hieß Venus oder venereus (iactus, Venuswurf), der letztere canis (Hund). Jener war, wenn alle vier Würfel verschiedene Zahlen zeigten, dieser nach der gewöhnlichen Meinung, wenn alle vier eine Zahl zeigten, richtiger aber, wenn alle vier die Eins zeigten. Das Spiel wurde aber nicht immer so gespielt, daß Gewinn oder Verlust vom venereus oder canis abhingen, sondern man ließ auch die Zahl der geworfenen Augen entscheiden (wobei wahrscheinlich eine gewisse Zusammenstellung eine höhere Zahl galt, als die gefallenen Augen ausmachten). Am häufigsten mochte dies mit den eigentlichen sechsseitigen Würfeln, tesseris, geschehen.«
  12. »Diese (die tesserae) waren ganz wie die bei uns gebräuchlichen Würfel (und werden nie nach dem Stoffe, woraus sie gefertigt waren, und der vermuthlich kein anderer als bei den Knöcheln war, sondern eben nach der Form Würfel, aber dichterisch, wie in unserer Stelle und unten III, 355, Zahlen, numeri, genannt). Ihre sechs Seiten oder ebenen Flächen waren mit 1–6 bezeichnet. so daß jederzeit die einander entgegenstehenden Seiten zusammen sieben Augen zählten. Gehörten zum Spiele der Knöchel vier Würfel, so brauchte man der tesserae nur drei und später gar nur zwei. Ob es dabei immer darauf ankam, wer die meisten Augen geworfen hatte; ob der Pasch etwas galt, das ergiebt sich, soviel mir bekannt ist, aus keiner Stelle. Das einfache πλειστοβολίνδα παίζειν (wo die meisten Augen gelten) mochte aber jedenfalls das Gewöhnlichste sein.« Ob auch unten III, 354 ff. und Trist. II, 475 f. so zu verstehen sei, werden wir dort sehen. Übrigens gebrauchte man die Würfel beider Art nicht bloß zum Hazardspiele, sondern sie dienten theils auch anderen Gesellschaftsspielen, theils gebrauchte man sie bei der Commissatio (Trinkgelag) zur Wahl des magister convivii (Tafelmeister).« Zu der ersteren Art gehörte das hier V. 203 f. und unten III, 363 f. gemeinte, lusus duodecim scriptorum, Zwölflinienspiel, »halb ein Glücksspiel.« »Es scheint etwas unserm Puffspiele Ähnliches gewesen zu sein. Wenigstens bestimmten die Würfel (tesserae) das Rücken der Steine. Die Tafel war mit zwölf Linien bezeichnet, auf welchen die (weißen und schwarzen) Steine (calculi) gerückt wurden. Das Rücken oder Setzen der Steine nannte man dare, wie auch wir sagen: einen Wurf geben.«
  13. Ein anderes Spiel, wo »das Gewinnen von Überlegung und Geschicklichkeit abhing,« war das V. 207 f. und unten III, 357 ff. sowie Trist. II, 477 ff. genannte Räuber– oder Soldatenspiel, lusus latrunculorum, für welches wahrscheinlich die andere Seite desselben Bretes, worauf das vorige Spiel gespielt wurde, eingerichtet war (Mart. XIV, 17). »Es war ein unserem Schach ähnliches Spiel, oder mehr eine Art Belagerungsspiel; denn die (an mehreren Stellen) erwähnten mandrae können nur für Steine gelten, die eine Art Verschanzung bildeten. Verschiedene Geltung mögen überhaupt die calculi (Steine) gehabt haben; sie mögen deßhalb auch verschieden bezeichnet gewesen sein. Allein daß sie, wie in unserem Schachspiele, als verschiedene Figuren erschienen wären, dafür scheint sich nirgends ein Beweis zu finden. Nur die mandrae unterschieden sich vielleicht von den latronibus (Räubern, Soldaten). Sie waren gewöhnlich von Glas. Doch wurden sie gewiß auch von kostbarerem Material gefertigt. Die Kunst des Spielers bestand darin, entweder die Steine des Gegners zu schlagen, oder sie festzusetzen. Das erstere geschah, wenn man einen feindlichen Stein zwischen zwei der seinigen zu stehen gebracht hatte. Daher gebot die Vorsicht, daß sich kein Stein ohne Begleiter (Deckung), compar, unter die Feinde wagte. Das Festsetzen hieß ligare, alligere, obligare, und solche Steine hießen inciti; denn ciere ist der eigentliche Ausdruck für ziehen. Ad incitas redactus aber hieß der, welcher keinen Stein mehr ziehen konnte (matt); oft figürlich gebraucht. Je weniger der Sieger Steine verloren hatte, desto rühmlicher war der Sieg.« Über andere Spiele wird an den oben angeführten Stellen gehandelt werden.
  14. V. 209. Das Schirmdach gegen die Sonne.
  15. V. 211. S. unfern Index zu Verw. Bett.
  16. V. 212. S. zu Liebeserg. III, 13, 26.
  17. V. 215. Für sit fand Heinsius tibi in zwei Hdschrften schön und nahm es auf. Die Beziehung auf den Einzelnen ist aber offenbar unpassend.
  18. V. 216. Mit eigener Hand heißt im Original mit freier Hand, d. h. du, ein Freier, Freigeborner, während dies ein Geschäft der Sclaven war.
  19. V. 217 ff. S. zu Verw. 9, 15. 190. Hercules konnte für den an Iphitus verübten Mord (s. zu Verw. 12, 549) nach dem Ausspruche des Orakels auf keine andere Weise gesühnt werden, als daß er sich als Sclaven verkaufen ließ, um durch den erlangten Kaufpreis die Kinder des Ermordeten zu entschädigen. Er ward daher an die Königin Omphale in Lydien (Ionien) verkauft und diente derselben nicht nur als Sclave, sondern bald auch als Liebhaber. Das Körbchen; s. zu Verw. 4, 10. Der Tirynthische Heros; s. zu Verw. 7, 410. – Daß wir fatigatae nicht eigentlich ausgedrückt haben, wird die Schwierigkeit der Wörter Stiefmutter und Ungeheuer für das Maß entschuldigen; es bedeutet, daß sie dadurch, daß er die Ungeheuer fällte, endlich ermüdet, befriedigt wurde. – Perimendo hat Heinsius aus Cod. Argent. gegeben, worauf auch premendo in einigen führt. Andere Hdschrften haben perdendo, das die Ed. pr. giebt und Burmann billigt. Die gem. Lsrt ist vincendo. – Ionisch im weitern Sinne, sodaß es Lydien mit inbegriffe, wollen die alten Kritiker nicht gelten lassen und vermuthen daher Maeonidas oder Maeonias, Heinsius Mygonidas. Cod. Comm. hat Achaiadas, die meisten inter Ionicas oder Ionicas inter (Ed. pr.) oder endlich Ionias inter. Die letztere Lsrt halten wir für die echte, da von Personen schwerlich Ionicus und noch viel weniger Ioniacus, wie jetzt in den Ausgaben, wir wissen nicht auf welche Autorität, steht, gebraucht worden ist, letztere Form sich auch unseres Wissens sonst nirgends findet. Die Quantität kann nach andern Stellen unseres Dichters, (s. unsern Index zu Verw.) sowie nach Virgils Vorgange kein Bedenken erregen.
  20. V. 223. Sollst auf dem Forum (s. zu Verw. 15, 841) du sein in ihren Angelegenheiten, um ihre Sache in irgend einem Falle vor Gericht zu führen.
  21. V. 225. In dem occurras liegt: zu irgend einem Geschäfte, Auftrage &c. Man könnte glauben, es liege darin der Sinn: ihr entgegen; dann würde aber für das entbehrliche tibi gewiß sibi stehen. Statt aliquo will Heinsius alio lesen, da ja schon von einem Orte, dem Forum, die Rede gewesen sei. Hier ist aber nicht sowohl der Ort, als die Art des Geschäftes der Hauptbegriff.
  22. V. 231. Der durstende Hundsstern; s. zu Liebeserg. II, 16, 4.
  23. V. 232. Für iactas findet sich einzeln altas, latas, longas.
  24. V. 234. Für tuenda viele Quellen ferenda, eine tenenda; für signa zwei arma.
  25. V. 235 f. Ein Theil der Quellen giebt im Hexameter saevique labores und im Pentameter omnis dolor. Das Unpassende dieser Lsrt leuchtet ein.
  26. V. 239 f. S. zu Verw. 6, 122. – Wie so oft, ist der Eigenname am Ende des Hexameters in den meisten Hdschrften verstümmelt, und zwar in per aestus oder per herbas. Nur wenige haben denselben erhalten und entweder auf vaccas oder auf Admeti bezogen. Letzteres ziehen wir nach Cod. Reg. vor. Sodann giebt Cod. Mor. servasse für pavisse, wahrscheinlich aus I, 28. Burmann hält jedoch jenes für das Echte, dieses für Glosse.
  27. V. 243. Für das nur in einer Vatic. Hdschrft erhaltene planum geben alle übrigen placitum oder placidum.
  28. V. 245 f. »Das Erdgeschoß machte das Hauptgebäude aus und diente zur eigentlichen Wohnung. Da aber die einzelnen Abtheilungen desselben von sehr verschiedener Höhe waren und zum Theil von oben ihr Licht erhielten, so war es unmöglich, über das ganze Haus hinweg ein zweites Stockwerk anzulegen. Theilweise geschah es indessen, um Platz zu gewinnen (auch für Sclavenzimmer), und alle solche über dem Erdgeschosse liegenden Gemächer hießen mit einem gemeinschaftlichen Namen coenacula. Zu den coenaculis führten verschiedene Treppen, scalae, von Stein und Holz, meistens steil und unbequem. Solche Treppen führten zuweilen auch von der Straße hinauf. Über diesen coenaculis endlich, oder auch über dem ersten Stockwerke legte man Terrassen an, die man mit Bäumen, Sträuchern, Weinreben und Blumen besetzte. Solche Dachgärten hießen solaria.« Beckers Gallus. Über die Fenster s. zu Verw. 14, 752. – Für apposita gem. Lsrt opposita. Vergl. Liebeserg. III, 14, 10.
  29. V. 247. A. Lsrt sentiet.
  30. V. 249 f. Wenn du auch oft ohne sie sein konntest oder hättest sein können, so schwammst du gleichwohl hinüber, scheutest die Lebensgefahr nicht, um ihr deine Liebe zu beweisen. Daß das in der Schillerschen Ballade Hero und Leander gefeierte Liebesverhältniß gemeint ist, bedarf wol nicht der Erwähnung. – Sciret in einigen Hdschriften für nosset.
  31. V. 252. A. L. emeruisse.
  32. V. 254. Die niedrige Hand, die Hand der Sclavin. – Nur Cod. Reg. tuis, alle übrigen tuas.
  33. V. 257 f. An dem Festtage der Mägde. Als nämlich einst die Galler (die Gallische Schaar) Rom belagerte und die Belagerten aufs Äußerste gebracht sahen, erboten sie sich zum Abzuge, wenn ihnen die Römer ihre Frauen zur Benutzung überlieferten. Da gab eine Magd den Rath, die Mägde wie Römische Frauen zu kleiden und so ins Lager der Galler zu schicken. Und so geschah es. In der folgenden Nacht überfielen die Römer auf ein von den Mägden verabredetermaßen gegebenes Zeichen die in Wein, Genuß und Schlaf begrabenen Feinde und machten sie alle nieder. Zum Andenken hatten die Mägde jährlich an demselben Tage, dem 7 Juli, einen Festtag. – Wie allgemein und hartnäckig manchmal ein Fehler ist, zeigt hier quae, von ancillae veranlaßt, in allen Handschriften.
  34. V. 259. Das Volk, die Dienerschaft.
  35. V. 260. Der liegt &c.; f. zu Liebeserg. II, 2, 1.
  36. V. 264. Der Knabe, vorzugsweise der Sclave.
  37. V. 266. An dem heiligen Weg oder vielmehr Straße (s. zu Liebeserg. I, 8, 100) hatten die Obst- und Fruchthändler feil.
  38. V. 267 f. In einer Idylle Virgils (II, 52) preist der Hirt Córydon die Kastanien dadurch an, daß er sagt, seine Amaryllis, die ihn doch verschmähte, habe dieselben geliebt. Darauf beziehen sich mehrere Dichter, wenn sie Kastanien anführen; ja sie bezeichnen dieselben, ohne sie zu nennen, blos als Früchte oder Nüsse, welche Amaryllis geliebt habe. So unser Dichter wieder unten III, 183. So Petron. Catal: Ich mag nicht deine Nüsse, Amaryllis, noch Wachspflaumen. Diese Geschenke mag der Bauer Córydon für groß halten. Wenn Ovid aber hier hinzufügt, daß sie jetzt dieselben nicht oder nicht mehr liebe; so liegt darin, was eben auch Petron sagt, daß eine jetzige Amaryllis oder eine Römische Schöne mit einer solchen Hirten- oder Bauerngabe nicht zufrieden sei. – Die richtige Lsrt non amat haben nur zwei bis drei Quellen, darunter Cod. Reg. erhalten; die anderen alle wiederholen nunc. Nur noch zwei andere geben aut, worin Heinsius mit Recht haut oder haud vermuthet.
  39. V. 269 f. Vergl. Verw. 7, 372. 10, 260. 13, 812 ff. besonders 832 f.
  40. V. 271 f. Zu solchem Zwecke, das Herz einer Schönen zu erfreuen und zu gewinnen, sind dergleichen Geschenke erlaubt und löblich. Schimpflich und verbrecherisch aber ist es, Erbschleicherei damit zu treiben.
  41. V. 282. A. L. doctae, sed tamen esse.
  42. V. 283. Laudentur hat Heinsius nach seiner Art aus der Neap. und einer Vat. Hdschrft gegeben gegen laudetur aller übrigen.
  43. V. 285. Nächtlich gedichtet, mit Entziehung des Schlafes, folglich mit großer Sorgfalt. – Nach Heinsius haben die besseren Hdschrften aut für atque. Wir bekennen jedoch, dies nicht zu verstehen. Nach unserer Meinung giebt nur atque den beabsichtigten Sinn. Diesen, sagt der Dichter, den gebildeten Mädchen, und auch wohl Jenen, fügt er gleichsam nachträglich hinzu, ganz in dem eigentlichen Gebrauche von atque.
  44. V. 286. Einige wenige Quellen geben habet für erit.
  45. V. 287. Hiermit geht der Dichter zu einem neuen Puncte über.
  46. V. 294. Die Mächtige, die Alles über dich Vermögende. – Gem. Lsrt petentis.
  47. V. 297 f. In Tyrischem Kleid, in purpurrothem Wollenkleide. S. zu Verw. 5, 51. – Im Coergewand, in Seide. S. zu Liebeserg. I. 14, 6.
  48. V. 300. Die Kutte, gausapa oder gausape (ursprünglich linnener, später wollener Stoff, der durch besondere Bearbeitung zottig wurde), trug man theils bei üblem Wetter, theils auf der Reise. Dasselbe Zeug wurde gebraucht um kostbare Tische zu bedecken, auch um sie während der Mahlzeit abzuwischen.
  49. V. 301 f. Im Hauskleid; s. zu Liebeserg. I, 5, 9. – Du stiftest Brand an, du entzündest Herzen, so reizend bist du. – Bitte sie &c., weil sie eben dünn und knapp gekleidet ist.
  50. V. 304. Place bietet Cod. Reg. mit wenigen andern, die übrigen geben places.
  51. V. 305 Wenn sie tanzt, bewundre den Arm; s. zu Liebeserg. II, 4, 29.
  52. V. 306. Auch quod giebt nur Cod. Reg. mit zwei anderen gegen cum der übrigen.
  53. V. 308. In allen Ausgaben, die uns einzusehen möglich war, steht et querula gaudia voce notes. Woher aber dieses querula rühre, finden wir nirgends bemerkt. Denn die Quellen alle geben et quaedam gaudia, sodann aber die meisten voce notes oder vocis habe, einige, worunter auch Reg., noctis habe. Dieses querula ist daher vor allen Dingen zu beseitigen, zumal da querentis unmittelbar vorhergegangen und daraus querula, wenn es handschriftliche Begründung hat, wahrscheinlich entstanden ist. Aus dem Vorhergehenden ist gewiß auch habe hierher gekommen. Denn gaudia habe ist sicher falsch. Der Liebhaber soll ja erst Mittel anwenden, die Spröde zu gewinnen, also kann er den Genuß nicht schon haben oder haben sollen. Zudem wird durch den Imperativ die begonnene Construction unpassend unterbrochen. Mit habe fällt durch prosodische Nothwendigkeit auch noctis oder vocis; und so steht also gaudia voce (denn nocte findet sich in keiner Hdschrft) notes diplomatisch fest. Quaedam gaudia aber giebt keinen passenden Sinn. Denn da ipsi concubitus und noch specieller ipsum quod iuvat vorausgegangen ist, kann nicht so unbestimmt quaedam gaudia folgen. Auch bedarf gaudia keiner näheren Bestimmung, da es schon überhaupt von dem Liebesgenusse vorzugsweise gebraucht wird und hier insbesondere, wie gesagt, concubitus und quod iuvat vorausgeht. Da das Wort gleichwohl in allen Quellen vorhanden ist, so vermuthen wir, der Verfasser habe quadam geschrieben, das vor gaudia leicht in quaedam übergehen konnte, und damit, wie wir übersetzt haben, einen besonderen, etwa schnalzenden Laut oder eine besondere Modulation der Stimme ausdrücken wollen, der eben nicht leicht anders als durch quidam bezeichnet werden konnte.
  54. V. 309. Die stiere Medusa; s. zu Verw. 4, 774. – Ut bietet Cod. Reg. mit wenigen anderen Quellen gegen die gem. Lsrt si.
Saepe sub autumno, cum formosissimus annus,
Plenaque purpureo subrubet uva mero;
Cum modo frigoribus premimur, modo solvimur aestu:
Aere non certo corpora languor habet,
Illa quidem valeat: sed si male firma cubarit,
Et vitium caeli senserit aegra sui:
Tunc amor et pietas tua sit manifesta puellae;
Tunc sere, quod plena postmodo falce metas.
Nec tibi morosi veniant fastidia morbi;
Perque tuas fiant, quae sinet ipsa, manus.
Et videat flentem, nec taedeat oscula ferre;
Et sicco lacrimas combibat ore tuas.
Multa vove, sed cuncta palam; quotiesque libebit,
Quae referas illi, somnia laeta vide.
Et veniat, quae lustret anus lectumque locumque;
Praeferat et tremula sulfur et ova manu.
Omnibus his inerunt gratae vestigia curae:
In tabulas multis haec via fecit iter.
Ne tamen officiis odium quaeratur ab aegra,
Sit suus in blanda sedulitate modus.
Neve cibo prohibe, nec amari pocula succi
Porrige; rivalis misceat illa tuus.
Sed non, quo dederas a litore carbasa, vento
Utendum, medio cum potiere freto.
Dum novus errat amor, vires sibi colligat usu;
Si bene nutrieris, tempore firmus erit.
Quem taurum metuis, vitulum mulcere solebas;
Sub qua nunc recubas arbore, virga fuit.
Nascitur exiguus, sed opes acquirit eundo,
Quaque venit, multas accipit amnis aquas.
Fac tibi consuescat – nil consuetudine maius –;
Quam tibi dum capias, taedia nulla fuge.
Te semper videat, tibi semper praebeat aures;
Exhibeat vultus noxque diesque tuos.
Cum tibi maior erit fiducia, posse requiri:
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Oft geschieht es im Herbst, dann, wann am schönsten das Jahr ist,451
Und von dem purpurnen Wein strotzend die Traube sich färbt,
Wann vor Kälte wir bald starr sind, bald schmelzen vor Hitze,
Daß bei schwankender Lust Schwäche den Körper befällt:
Möge sie wohl dann sein! Doch läge danieder sie unwohl452
Und empfände erkrankt schädliche Folgen der Lust:
Dann beweise, wie treu, wie zärtlich du liebest, dem Mädchen;
Säe, was später du magst ernten mit vollem Ertrag.
Nicht auch komme Verdruß dir an ob der mürrischen Krankheit;
Und es geschehe durch dich Alles, was selber sie läßt.453
Weinen auch sehe sie dich; und es ekle dich nicht, sie zu küssen;
Und mit dem trockenen Mund schlürfe die Thränen sie ein.
Thue Gelübde auch viel, doch laut; und fröhliche Träume,454
Die du erzählen ihr magst, schaue, so oft es beliebt.
Auch ein Mütterchen komme, zu reinigen Lager und Stätte,455
Eier und Schwefel voran haltend in zitternder Hand.
In dem Allen erkennt sie die Spuren erfreuender Sorge.
Vielen schon hat zum Vertrag Solches geebnet den Weg.456
Doch daß Dienste auch nicht zuwider dich machen der Kranken,
Halte gehöriges Maß zärtlicher Eifer bei dir.
Wehr‘ auch zu essen ihr nicht, noch reich‘ ihr bitteren Trank dar.457
Nebenbuhler nur laß solchen ihr machen zurecht.
Doch des Windes, mit dem du gespannt die Segel vom Strand aus,458
Darfst du bedienen dich nicht, wann du die Mitte erreichst.
Schweift die Liebe noch jung, so sammle sie Kräfte durch Übung;459
Stark wird sie mit der Zeit, wenn du gehörig sie pflegst.
Was du fürchtest als Stier, das pflegtest als Kalb du zu streicheln.
Ruthe erst war der Baum, welcher dir Schatten gewährt.
Klein entspringet der Strom, doch wird er mächtig im Laufe;
Überall nimmt auf dem Weg viele Gewässer er auf.
Laß sie an dich sich gewöhnen, denn mächtiger Nichts als Gewohnheit.460
Scheue nur keinerlei Müh‘, bis du eroberst sie dir.
Immer sehe sie dich, ihr Ohr dir leihe sie immer;461
Dein Bild steh‘ ihr bei Tag, steh‘ ihr vor Augen bei Nacht.
Kannst du sicherer schon, man werde vermissen dich, hoffen;
    Tum procul, absenti cura futurus, eris.
Da requiem: requietus ager bene credita reddit,
Terraque caelestes arida sorbet aquas.
Phyllida Demophoon praesens moderatius ussit;
Exarsit velis acrius illa datis.
Penelopen absens sollers torquebat Ulixes.
Phyllacides aberat, Laodamia, tuus.
Sed mora tuta brevis: lentescunt tempore curae;
Vanescitque absens et novus intrat amor.
Dum Menelaus abest, Helene, ne sola iaceret,
Hospitis est tepido nocte recepta sinu.
Quis stupor hic, Menelae, fuit? Tu solus abibas;
Isdem sub tectis hospes et uxor erant.
Accipitri timidas credis, furiose, columbas?
Plenum montano credis ovile lupo?
Nil Helene peccat, nil hic committit adulter:
Quod tu, quod faceret quilibet, ille facit.
Cogis adulterium dando tempusque locumque.
Quid nisi consilio est usa puella tuo?
Quid faciat? Vir abest, et adest non rusticus hospes;
Et timet in vacuo sola cubare toro.
Viderit Atrides: Helenen ego crimine solvo:
Usa est humani commoditate viri.
Sed neque fulvus aper media tam saevus in ira,
Fulmineo rabidos cum rotat ore canes;
Nec lea, cum catulis lactentibus ubera praebet;
Nec brevis ignaro vipera laesa pede:
Femina quam socii deprensa pellice lecti
Ardet, et in vultu pignora mentis habet.
In ferrum flammasque ruit, positoque decore
Fertur, ut Aonii cornibus icta dei.
Hoc bene compositos, hoc firmos solvit amores:
Crimina sunt cautis ista timenda viris.
Coniugis admissum violataque iura maritae
Barbara per natos Phasias ulta suos.
Altera dira parens haec est, quam cernis, hirundo:
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    Dann wirst fern du ihr sein, daß sie sich sehne nach dir.462
Laß ihr Ruhe; ein Feld, das geruht, giebt reichlichen Segen;
Und das himmlische Naß saugt ein vertrocknetes Land.
Mäßiger brannt‘, als bei ihr er war, für Demóphoon Phyllis;463
Stärker erglühte die Lieb‘, als er die Segel gespannt.
Zehrt‘ an Penelope nicht der Gram um den fernen Ulysses?464
Dein Phylacide auch war, Laodamía, entfernt.
Doch sei kurz der Verzug; mit der Zeit ermattet die Sehnsucht.
Liebe zum Fernen vergeht, neues Verlangen erwacht.
Während der Gatte entfernt, ruht Helena, daß sie nicht einsam465
Schlafe, bei Nacht von dem Arm zärtlich des Gastes umarmt.
Welch ein Blödsinn das, Menelaus! Du ließest allein sie;466
Unter dem nämlichen Dach waren der Gast und dein Weib.
Schüchterne Tauben vertrauest du an, Verrückter, dem Habicht?
Anvertrauest des Stalls Fülle dem Wolfe des Bergs?
Kein Verbrechen begeht hier Helena, keines der Buhle;
Thut er doch nur, was Du würdest und Jeglicher thun.
Zwingest zum Ehebruche du nicht, die Gelegenheit bietend?
Deinem eigenen Rath ist nur die Gattin gefolgt.467
Was soll thun sie? Der Mann ist fern und ein artiger Gast da,
Und im verwittweten Bett mag sie nicht liegen allein.
Sehe der Mann da zu; denn Helena sprech‘ ich von Schuld frei;
Umgang hat sie gepflegt nur mit gefälligem Mann.
Nicht so rasend jedoch ist mitten im Zorne der Eber,
Wann er mit blitzendem Zahn wüthige Hunde zerfetzt;468
Nicht die Löwin, gewährt sie den saugenden Jungen das Euter;
Kleine Nattern auch nicht, tritt sie unwissend ein Fuß:
Als ein Weib, betrifft sie im Ehebette ein Kebsweib,
Wüthet und auf dem Gesicht Zeichen des Inneren trägt.
Stürzend nach Feuer und Schwert, wie von des Aonischen Gottes469
Hörnern gestoßen, einher stürmt sie, entäußert der Schaam.
Dies löst innig geschlossenen Bund und die festeste Liebe;470
Solche Vergehn zu scheun hat der behutsame Mann.
Ihres Gemahles Vergehn und der Gattin beleidigte Rechte471
Hat an dem eignen Geschlecht grausam Medea gerächt.
Minder nicht grausam war die Mutter auch, welche als Schwalbe472
    Aspice, signatum sanguine pectus habet.
Nec mea vos uni damnat censura puellae.
Di melius! vix hoc nupta tenere potest.
Ludite; sed furto celetur culpa modesto;
Gloria peccati nulla petenda sui.
Nec dederis munus, cognosse quod altera possit;
Nec sint nequitiae tempora certa tuae.
Et, ne te latebris capiat sibi femina notis,
Non uno est omnis convenienda loco.
Et quoties scribes, totas prius ipse tabellas
Inspice: plus multae, quam sibi missa, legunt.
Laesa Venus iusta arma movet telumque remittit,
Et, modo quod questa est, ipse querare facit.
Dum fuit Atrides una contentus, et illa
Casta fuit; vitio est improba facta viri.
Audierat laurumque manu vittasque ferentem
Pro nata Chrysen non valuisse sua;
Audierat, Lyrnesi, tuos, abducta, dolores,
Bellaque per turpes longius isse moras.
Haec tamen audierat; Priameida viderat ipsam:
Victor erat praedae praeda pudenda suae.
Inde Thyestiaden thalamoque animoque recepit,
Et male peccantem Tyndaris ulta virum.
Quae bene celaris, si qua tamen acta patebunt:
Illa licet pateant, tu tamen usque nega;
Tu neque subiectus, solito nec blandior esto.
Haec animi multum signa nocentis habent.
Sed lateri nec parce tuo: pax omnis in uno
Concubitu; prior hoc infitianda venus.
Sunt, qui praecipiant herbas, satureia nocentes
Sumere; iudiciis ista venena meis.
Aut piper urticae mordacis semine miscent
Tritaque in annoso flava pyrethra mero.
Sed dea non patitur sic ad sua gaudia cogi,
Colle sub umbroso quam tenet altus Eryx.
Candidus Alcathoe qui mittitur urbe Pelasga,
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    Jetzt du erblickst; die Brust hat sie gezeichnet mit Blut.
Auch verdammet euch nicht zu einem Mädchen mein Ausspruch.473
Das sei fern . Kaum kann dieses verlangen die Frau.
Liebt! Doch werde verhehlt die Schuld in bescheidnem Genusse;
Ruhm mit seinem Vergehn suche mit nichten der Mann.474
Gieb Geschenke auch nicht, die könnte erkennen die Andre;475
Laß auch bestimmt die Zeit deiner Bestellung nicht sein.
Daß dich die Frau nicht sah‘ auch in ihr bekanntem Verstecke,
Hüt‘ an dem nämlichen Ort Jede zu treffen dich hübsch.476
Wann du schreibst, sieh selber erst ein die sämmtlichen Blätter;477
Mehr als ihnen geschickt, lesen so Manche darin.
Liebe, gekränkt, rücksendet den Pfeil in gerechter Vergeltung;
Was sie nur eben beklagt, läßt sie beklagen dich selbst.478
Keusch war, während sich noch der Atride mit einer begnügte,479
Auch sein Weib; durch die Schuld wurde sie böse des Manns.
Chryses, hörte sie, hab‘, obgleich in der Hand er den Lorbeer480
Trug und die Binden ums Haupt, Nichts für die Tochter vermocht;
Hörte, Lyrnesierin, als weg man dich führte, dein Jammern,
Und daß schimpflich der Krieg längere Dauer gehabt.
Doch dies hörte sie nur; selbst sah sie des Priamus Tochter:481
Seiner Erbeuteten war schimpfliche Beute der Held.
Drum nahm auf in das Bett wie in’s Herz den Sohn des Thyestes482
Tyndars Tochter und straft‘ übel den fehlenden Mann.
Kommt dein Thun, wie gut auch verhehlt, doch irgend zu Tage;483
Wär‘ es auch klar, wie der Tag, leugne du dennoch es stets;
Sei demüthig du weder, noch schmeichlerischer als immer:484
Solches Benehmen enthält schuldigen Herzens Beweis.
Schone jedoch die Brust auch nicht; in einer Umarmung485
Gänzlicher Friede; mit der leugne den frühern Genuß.486
Kräuter, wie Knabenkraut, die schaden, empfehlen zu nehmen487
Manche; ich halte dafür, damit empfehlen sie Gift.
Oder sie mischen mit Pfeffer den Samen der stechenden Nessel,488
Gelbes Pyrethrum, in Wein alten Gewächses gerührt.
Doch läßt zwingen nicht so sich zu ihren Genüssen die Göttin,489
Die auf des Eryx Höh‘ thronet im schattigen Hain.490
Weiße Zwiebel, geschickt aus Alcáthoe, Stadt der Pelasger,491
    Bulbus, et, ex horto quae venit, herba salax,
Ovaque sumantur, sumantur Hymettia mella,
Quasque tulit folio pinus acuta nuces.
Docta, quid ad medicas, Erato, derverteris artes?
Interior curru meta tenenda meo est.
Qui modo celabas monitu tua crimina nostro,
Flecte iter, et monitu detege furta meo.
Nec levitas culpanda mea est: non semper eodem
Impositos vento panda carina vehit.
Nam modo Threicio borea, modo currimus euro;
Saepe tument zephyro lintea, saepe noto.
Aspice, ut in curru modo det fluitantia rector
Lora, modo admissos arte retentet equos.
Sunt, quibus ingrate timida indulgentia servit;
Et, si nulla subest aemula, languet amor.
Luxuriant animi rebus plerumque secundis;
Nec facile est aequa commoda mente pati.
Ut levis absumtis paullatim viribus ignis
Ipse latet, summo candet in igne cinis:
Sed tamen extinctas admoto sulfure flammas
Invenit, et lumen, quod fuit ante, redit:
Sic, ubi pigra situ securaque pectora torpent,
Acribus est stimulis eliciendus amor.
Fac timeat de te, tepidamque recalface mentem;
Palleat indicio criminis illa tui.
O quater et quoties numero comprendere non est
Felicem, de quo laesa puella dolet!
Quae, simul invitas crimen pervenit ad aures,
Excidit, et miserae voxque colorque fugit.
Ille ego sim, cuius laniet furiosa capillos;
Ille ego sim, teneras cui petat ungue genas;
Quem videat lacrimans, quem torvis spectet ocellis;
Quo sine non possit vivere, posse velit.
Si spatium quaeras; breve sit, quo laesa queratur,
Ne lenta vires colligat ira mora.
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    Und das geile Gewächs, das aus dem Garten uns kommt,492
Eier auch magst du nehmen und nehmen Hymettischen Honig;493
Nüsse auch, welche am Blatt stachliche Fichten erzeugt.494
Doch was schweifst du, Erato, ab zu ärztlichen Mitteln?495
Halten mit meinem Gespann muß ich auf näheres Ziel.496
Der du nach meinem Rath erst deine Vergehen verhehltest,497
Kehre nun um, thu‘ kund heimlicher Freuden Genuß.498
Zeiht leichtfertigen Sinnes mich nicht. Nicht fördert derselbe499
Wind die Schiffenden stets auf dem gebogenen Kiel.500
Denn mit dem Ostwind fahren wir bald, mit dem Thracischen Nord bald;
Oft von dem Zephyr und oft schwellen die Segel vom Süd.501
Sieh, bald läßt auf dem Sitz der Lenker die flatternden Zügel
Schießen, und wieder geschickt hemmt er das rasche Gespann!
Mancher erweist man widrigen Dienst mit schüchterner Nachsicht,
Und der Liebe gebricht ohne Rivalin der Reiz.502
Meist ist übermüthig das Herz in günstiger Lage,
Und gleichmüthig das Glück ist zu ertragen nicht leicht.
Wie schwach glimmendes Feuer, an Kraft abnehmend allmählich,
Selber sich birgt, und weiß oben die Asche nur glüht;503
Doch, wann Schwefel hinan man hält, die erloschene Flamme
Wieder erhält und hell wieder entbrennt, wie zuvor:
So, wann träge vor Ruh und frei von Besorgniß die Brust starrt,
Muß die Liebe geweckt werden durch wirksamen Reiz.
Laß sie fürchten um dich, daß wieder erwarme das Herz ihr;
Durch die Entdeckung blaß werde sie deines Vergehns.504
O viermal und so oft nicht möglich zu sagen mit Zahlen505
Glücklich, um den sich ein Weib wegen Verletzung betrübt!
Wenn sie, sobald mit sich sträubendem Ohr sie vernimmt die Verschuldung,
Außer sich wird und vor Schmerz Stimme und Farbe verliert!
Der wünscht‘ ich mir zu sein, deß Haar sie wüthend zerzauste,506
Dem mit den Nägeln sie wild führ‘ in das zarte Gesicht;
Den sie mit Thränen im Blick ansähe, mit trotzigen Augen;507
Ohne welchen sie nicht wäre zu leben im Stand.
Doch sei kurz nur die Zeit, in der die Beleidigte jammert,
Daß nicht Kräfte der Zorn sammle durch trägen Verzug.
  1. V. 315 ff. Die starre (drückende, wie es im Original heißt) Kälte scheint freilich mit der schönsten Jahreszeit in Widerspruch zu stehen; man denke aber an diejenigen Herbsttage, wo die Luft, während sie am Tage glühend heiß ist, während der Nacht sich bedeutend abkühlt, so daß die empfindlichen Schönen des Südens wohl frieren und in Folge dessen Unwohlsein befallen kann. – Für sub autumno a. Lsrt. wie gewöhnlich bei dem Zeitbegriffe dieser Präposition, sub autumnum. Ferner hat Cod. Reg. mit Francof. und Lincoln, premitur und solvitur, wahrscheinlich von der in letzterem erhaltenen Lsrt des folgenden Verses aer et invertus &c. herrührend, wo aer als Subject dazu anzusehen und incertus zu languor zu ziehen ist. Die Beziehung auf annus wäre kaum zulässig.
  2. V. 319. Die Verbesserung Heinsiussens cubarit für das handschriftliche cubabit ist in Berücksichtigung des folgenden senserit wohl unzweifelhaft.
  3. V. 324. Was sie läßt, nämlich geschehen.
  4. V. 327. Libebit geben bloß Reg. und Sarr., die übrigen fälschlich licebit.
  5. V. 329. Die Reinigung eines Krankenzimmers ist etwas Natürliches. Hier ist aber nicht sowohl an eine solche natürliche Reinigung. als vielmehr an eine zauberhafte Handlung zu denken, durch welche eine etwaige Behexung gelöst oder doch die Gesundheit auf wunderbare Weise – denn wozu sonst ein Mütterchen oder altes Weib, wie es im Original heißt? – hergestellt werden sollte. Der Schwefel war übrigens bei Reinigungen aller Art etwas Gewöhnliches. Vergl. Verw. 7, 261. Weniger bekannt ist uns, wie die Eier angewendet wurden und inwiefern sie symbolische Bedeutung hatten; vielleicht weil ihr Inhalt noch mit Nichts in Berührung gekommen war. – Vermuthlich weil dergleichen Lustration gewöhnlich, wie in der angef. Stelle der Verw. in dreimaliger Wiederholung vollzogen wurde, so fängt eine Vatic. Hdschrft sowohl den Hexameter als den Pentameter mit ter an: Ter veniat &c. Ter ferat &c.
  6. V. 332. Zum Vertrag, zum Ehevertrag, zur Ehe. – Daher in vielen Quellen die in den Text gekommene Erklärung in thalamos.
  7. V. 335 f. Vergl. Mittel wider die Liebe 227. – Die meisten Hdschrften geben cibos prohibe, manche auch praebe; Die richtige Lsrt hat wieder Cod. Reg. mit zwei Vatic. und Ed. pr.
  8. V. 337 ff. Was der Lehrer mit diesem Satze bezweckt, ergiebt sich aus V. 350 ff. Für quo dederas vento will Heinsius nach Spuren in Cod. Reg. cui dederis vento oder quis d. ventis lesen; ganz gut, aber ohne Grund. – Potiere geben nur wenige Quellen, die meisten unpassend potiare, durch cum verführt; Cod. Reg. verschrieben potiore.
  9. V. 339. Colligat wieder Cod. Reg. mit einigen anderen gegen die gem. übrigens sehr wohl zulässige Lsrt colligit.
  10. V. 345. Es scheint ungereimt, daß nach dem Rathe fac tibi consuescat wieder von capere die Rede ist, das doch in dem gewöhnlichen Sinne dem consuescere schon vorangegangen sein muß. Außerdem erklärt es Burmann gegen Heinsius mit Recht für unvereinbar mit den Gesetzen der Lateinischen Sprache, quam nicht auf consuetudo (a. Lsrt assuetudo), sondern darüber zurück auf das in consuescat liegende Subjekt puella zu beziehen. Daher bezieht er, unter Berufung auf Cic. Off. I, 18. in omni officio consuetudo exercitatioque capienda (muß man erwerben, sich aneignen, also etwas von dem Subjecte Beabsichtigtes), quam auf consuetudo. Allein nicht er, sondern sie soll sich ja die Gewohnheit aneignen und zwar, ohne daß sie es beabsichtigt, ja nur merkt. Dies wohl fühlend, will er lieber auf Grund einiger Hdschrften und alter Ausgaben tu für tibi lesen und capias in capiat verwandeln, auf puella bezüglich. Abgesehen aber, daß eine Verderbniß anzunehmen keinerlei Veranlassung vorliegt, wie könnte das zu fuge gehörige tu zwischen quam dum capiat stehen? Nach reiflicher Erwägung glauben wir die Stelle nicht anders erklären zu können, als daß wir nil consuetudine maius als Parenthese fassen, quam auf das Mädchen beziehen und capias = captam teneas in dem Sinne einer vollendeten Eroberung nebmen: bis du durch solche Gewöhnung die Schöne dir vollständig erobert hast, ihrer völlig sicher bist. In diesem Sinne kann man, glauben wir, auch Deutsch erobern gebrauchen.
  11. V. 347. Den Sing. aurem hat Heinsius auf die einzige Autorität des Cod. Sarr. gegeben.
  12. V. 350. Für eris hat abermals Heinsius blos aus zwei Quellen abi aufgenommen. Scheint nun auch der Imperativ zu einer Vorschrift passender als das Futur, so steht doch auch dieses in allen Sprachen nicht selten für jenen und ist eigentlich noch nachdrücklicher, indem man den Befehl mit der bestimmten Erwartung ausspricht, daß demselben werde Folge geleistet werden. In dieser Hinsicht ist also kein Grund vorhanden eris zu verwerfen. Auf der andern Seite aber ist nicht einzusehen, warum der Liebhaber gerade weit weggehen soll. Wie groß ist die Entfernung, wenn man weit weggeht? Nein, er soll sich nur fern von ihr halten, soll sie nicht besuchen, nicht mit ihr zusammentreffen &c., und das heißt procul esse.
  13. V. 353 f. S. zu Liebeserg. II, 18, 22.
  14. V. 355 f. S. zu Liebeserg. III, 9, 30. II, 18, 38. Der Phylacide ist Protesilaus. S. zu Liebeserg. II. 6, 41. – Weil dieses Distichon in einem Cod. Ment. fehlt, hat es Heinsius als unecht verdächtigt.
  15. V. 359 ff. Während der Anwesenheit des Paris (des Gastes) in Sparta sah sich Helenas Gemahl Menelaus durch einen wichtigen Grund, der verschieden angegeben wird, zu einer plötzlichen Reise nach Creta genöthigt, und er legte vor der Abfahrt noch der Gattin angelegentlich die Sorge und Pflege des Gastes ans Herz. S. den Brief der Helena an Paris, den siebzehnten, V. 155 ff.
  16. V. 361. Qui stupor wird zwar von Cod. Reg. und einigen anderen bezeugt; das s von quis konnte aber vor stupor leicht ausfallen. Mehr für quis spricht auch quis furor in zwei Hdschriften.
  17. V. 368. Quid nisi, was hat sie gethan, als daß sie &c. ist weit angemessener als welchem Rathe ist sie gefolgt, als dem deinigen; daher wir uns nur wundern können, daß weder Heinsius, der doch eine Menge Beispiele dieser Ausdrucksweise bei unserem Dichter anführt, noch ein späterer Herausgeber diese von Cod. Reg. und Jun. beglaubigte Lsrt aufgenommen hat. Daß quid eher in quo als quo in quid übergehen konnte, ist einleuchtend.
  18. V. 374. Gem. Lsrt. rapidos, gewöhnliche Variante von rabidus, sowie umgekehrt.
  19. V. 379. Wie von des Aonischen Gottes, des zu Theben in Böotien (Aonien, s. zu Verw. 1, 313) geborenen Bacchus (s. das. 3, 307 ff.) Hörnern (s. das. 4, 19) gestoßen, wie eine Bacchantin. – Wir haben zwar Schaam übersetzt, halten jedoch nicht pudore wie mehrere Quellen haben, sondern decore, wie wir gegeben, für das Ursprüngliche, da Ersteres einer Glosse von Letzterem eher ähnlich sieht als umgekehrt und überhaupt das Gewöhnlichere ist.
  20. V. 381. Mit Recht setzen diese beiden Verse die Aldinischen Ausgaben hieher, nicht nach V. 384, wo die andern sie haben.
  21. V. 383 f. S. zu Verw. 7, 394. – Maritae bietet nur Reg., die andern alle haben mariti.
  22. V. 385 f. S. Verw. 6, 426 ff., besonders 636 ff. u. 470.
  23. V. 387. Das sinnreiche damnat findet sich nur in Cod. Linc., in den andern allen donat. Hätte Ovid nicht damnat geschrieben, so würde er sich freuen, so geschrieben zu finden.
  24. V. 390. Für sui ein Theil der Quellen tui, nach ludite allerdings nicht recht passend, obgleich nicht falsch.
  25. V. 391. Douza las mit Cod. Lincoln. poscit für possit.
  26. V. 394. Statt omnis manche Hdschrften unpassend wegen des fehlenden Subjects semper.
  27. V. 395 f. Da ein Brief nicht aus einem einzelnen Blatte, sondern wenigstens aus zwei Täfelchen bestand (s. zu Liebeserg. I, 12, 27 vergl. mit I. 11, 27), auch in der Regel nicht in den Händen des Empfängers blieb, sondern durch den Überbringer mit oder ohne Antwort dem Verfasser zurückgebracht wurde (s. das. I, 12, 1); so geschah es wohl, daß die Schrift, wann die Schreibtafel anderweitig benutzt wurde, noch nicht gelöscht oder getilgt (s. zu Verw. 9, 522) war, der Empfänger des nächsten Briefes also auch den früheren noch vorfinden und folglich mehr lesen konnte, als ihm geschickt, bestimmt war. Um dies zu verhüten und nicht etwa einen früheren Liebesbrief an eine andere Geliebte in die Hände der dermaligen gerathen zu lassen, soll der Liebhaber die sämmtlichen Blätter oder die ganzen Täfelchen, wie es im Lateinischen heißt, erst einsehen, und zwar selbst, d. h. er soll sich nicht etwa auf den Sclaven verlassen, der dieses Geschäft zu besorgen, auch wohl den dictirten Brief zu schreiben hatte, so daß der Herr die Schreibtafel gar nicht in die Hände nahm und ansah. Ganz falsch ist daher die Erklärung in einer alten Holländischen Ausgabe, er solle sich hüten Etwas zu schreiben, was die Freundin verletzen und woraus sie mehr schließen könne, als er geschrieben hätte.
  28. V. 398. A. Lsrt. quae questa est ipsa, die keiner Widerlegung bedarf.
  29. V. 399 f. Der Atride, Agamemnon. Sein Weib, Klytämnestra.
  30. V. 401 ff. S. zu Verw. 13, 443. Chryses, Vater der Chryséis oder Astýnome. In der Hand &c.; s. zu Verw. 11, 279. Lyrnesierin, aus Lyrnesos (s. unsern Index z. Verw.), die Briséis oder Hippodamía. Hörte, nämlich durchs Gerücht. Als weg man dich führte, von Achilleus, im Auftrage Agamemnons und zu ihm. Daß schimpflich &c. dadurch, daß sich Achilleus in Folge der ihm zugefügten Beleidigung, einer für Agamemnon so schimpflichen Ursache, lange Zeit aller Theilnahme am Kampfe enthielt.
  31. V. 405 f. Des Priamus Tochter Cassandra (s. zu Verw. 13, 99) fesselte durch ihre Schönheit Agamemnon so, daß er sich dieselbe als Beuteantheil zueignete (Liebeserg. I, 9,37) und mit nach Hause nahm. – Eras. . . tuae hat Heinsius aus dem einen Cod. Ment. ohne weitere Begründung gegeben.
  32. V. 407 f. Der Sohn des Thyestes ist Ägisthus, sowie Tyndars Tochter eben Klytämnestra.
  33. V. 409. Der Schreiber des Cod. Reg. (auch einiger anderer) hat si qua für den Nominativ genommen und als prosodisch falsch in si quae verwandelt.
  34. V. 411. Nach Heinsius sollen »die besseren« tum neque haben. In jedem Falle ist tu das vorhergehende tu fortsetzend, vorzüglicher.
  35. V. 413. Schone die Brust nicht; s. zu Liebeserg. I, 8, 48.
  36. V. 414. Mit der, mit dieser einzigen Umarmung, leugne, widerlege, mache vergessen, den frühern Genuß, den eben zu Tage gekommenen.
  37. V. 415. Die Richtigkeit der Lsrt satureia bezweifelt Micyll, da satureia von Plinius und Columella als fem. nach der ersten Declination gebraucht werde. Er meint daher, es sei satyrea zu lesen, unmittelbar von Satyrus abgeleitet, und das satyrium (σατύριον), ein Bollengewächs (Orchidee), zu verstehen, dem man allgemein die Kraft Geilheit zu erregen zugeschrieben habe. Hätte der Verfasser wirklich das letztere gemeint, so würden wir eher glauben, er habe sich erlaubt, das viermal kurze satyria in der dritten Silbe lang zu gebrauchen, weil es außerdem im daktylischen Maße gar nicht anzubringen war. Und dies hätte er sich vielleicht insofern erlauben dürfen, als in Rom viele andere gleich auslautende Griechische Wörter mit langem i oder e oder mit schwankender Quantität, wie academia, Alexandria &c., gehört wurden. Vergl. auch im Allgemeinen Ītalia, Iŏonius, Macēdonius. Doch bedarf es dessen gar nicht; satureia ist nicht anzutasten. Erstens kann das Pfefferkraut (satureia) schon an sich ebenso gut als zu dem beabsichtigen Zwecke dienlich genannt werden, als der Pfeffer. Zweitens hat Martial III, 75 satureia in diesem Sinne und in derselben Form, nämlich als neutr. plur., wirklich genannt. Und sollte er es vielleicht auch nur nach Ovids Vorgange gethan haben, so beweist es jedenfalls die Echtheit der Lesart an unserer Stelle.
  38. V. 417 f. Die erhitzende Kraft des Pfeffers ist bekannt. Dieselbe Kraft legte man dem Nesselsamen bei. Nesselsame mit Leinsamen, sagt Plinius, sei gut für die Brust (s. zu Liebeserg. I, 8, 48), wenn man Isop und etwas Pfeffer hinzufüge. Von Pyrethrum weiß man nur, daß es ebenfalls ein hitziges Gewürzkraut (daher sein Name; pyr heißt im Griechischen das Feuer) war. Es scheint die im Linnéischen System Anthemis pyrethrum genannte gelbe Wucherblume zu sein, deren lange fleischige Wurzel, Bertramswurzel bei uns genannt, von beißendem Geschmack ist und gegen Zahn-, Gesichts- und andre Schmerzen helfen soll.
  39. V. 419. Nicht so, nicht durch schädliche, giftartig wirkende Mittel. Aber mildere (V. 421–424) kann man anwenden.
  40. V. 420. S. zu Verw. 5, 363. 10, 687. Der Eryx ist nach dem Ätna der höchste Berg Siciliens mit einem ziemlich geräumigen Plateau, worauf der Tempel der Venus stand, der schönste und reichste der ganzen Insel. – Collis heißt hier offenbar die von dem Körper des Bergs sich abhebende oberste Spitze oder die Kuppe. Auch sonst findet sich colles von solchen einzelnen Erhebungen eines und desselben Berges. So unten III, 687. Wenn es aber sub umbroso colle heißt, so hat der Dichter sub umbra oder sub umbrosis arboribus collis im Sinne gehabt, wenn man nicht sub dichterisch überhaupt =  in nehmen will.
  41. V. 421. Weiße Zwiebel, wenn nicht etwa Knoblauch gemeint ist, gilt auch heutiges Tages noch für schärfer als gelbe oder rothe. Man bezog sie. wie wir hier erfahren, theils aus Mégara (Alcathoe, Stadt der Pelasger; s. zu Verw. 7, 443. 12, 70), theils, wie aus Mittel w. d. Liebe 797 erhellt, aus Daunien oder Apulien in Unteritalien, theils auch, wie ebendaselbst zu ersehen, von der Afrikanischen Küste. – Burmann hat auch hier, wie Verw. 8, 8, gegen die Autorität der Quellen Alcathoi, wie in einer stehen soll, aufgenommen, das bis jetzt in den Ausgaben geherrscht hat.
  42. V. 422. Das geile Gewächs, welches der Garten erzeugt, wo es, wie unten III, 799, genannt wird, eruca, scheint (weißer) Senf zu sein.
  43. V. 423. Die nährende Kraft der Eier ist bekannt. Vom Honig (wegen des Beiwortes s. zu Liebeserg. I, 12, 10 sowie zu Verw. 7, 207) finden wir anderweitig nichts hieher Gehöriges.
  44. V. 424. Nüsse auch, welche am Blatt (doch wohl an den Enden der jungen Zweige) stachliche Fichten (Fichten, Tannen, Kiefern) gebracht (getragen haben). Die Kerne der Fichtennuß stärken nach Plinius die Zeugungsglieder und sind gut für Nieren und Blase.
  45. V. 425. Erato; s. oben zu V. 16. – Mit Recht hat Heinsius unter Berufung auf Rem. 797 aus Cod. Mor. medicas für magicas aller übrigen hergestellt.
  46. V. 426. S. zu Liebeserg. III, 2, 12. – Tenenda, das Reg. mit tenda bezeugt, scheint uns hier, wo die Richtung, das Streben ausgedrückt werden soll, den Vorzug vor der Lsrt. terenda zu verdienen.
  47. V. 427. S. vorher V. 389.
  48. V. 428. Kehre um, thue das Entgegengesetzte.
  49. V. 429 ff. Von der Schiffarth, vom Kriegswesen, vom Ackerbau, von der Jagd und den Wettkämpfen als den gewöhnlichsten und vorzüglichsten Beschäftigungen der Römer sind die meisten Vergleichungen und Bilder der Lateinischen Dichter hergenommen.
  50. V. 430. Nicht übel hat Cod. Ambros. in portus für impositos.
  51. V. 432. Für tument giebt Reg. damus, an sich sehr gut, besonders in Rücksicht des vorausgegangenen currimus, aber gegen tument gehalten doch schwerlich echt.
  52. V. 436. Für subest hat vielleicht Cod. Palat. das Echte mit subit erhalten, das aus prosodischem Bedenken leicht mit jenem vertauscht werden konnte.
  53. V. 440. In dem Worte nach summo schwankt die Lsrt zwischen calet, wie Cod. Reg. und ein Vat. gegen das Maß haben, qui calet, cum calet, sed calet, auch qui latet und candet. Letzteres ist das Gewöhnliche. Aber, fragt Heinsius, wie kann Asche weiß glühen? Er verbessert daher canet, und dies, bemerkt Burmann, werde von einer Hdschrft bestätigt. Aber warum, fragen wir, sollte canet, ein so bekanntes Wort, in candet übergegangen sein? Wohl aber läßt sich denken, daß Mancher, wie Heinsius und aus demselben Grunde, an candet Anstoß genommen habe. Allein wenn hinangehaltener Schwefel sofort entbrennen kann, so muß die Asche eben noch Glut enthalten und folglich weiß glühend sein, nur daß keine lohe Flamme mehr bemerkbar ist. Glühende Asche ist ja ein ganz gewöhnlicher Ausdruck, folglich auch keine unmögliche Sache.
  54. V. 446. Das Blaßwerden bezeichnet nicht blos die augenblickliche Wirkung der unvermuthet gemachten Entdeckung, sondern ist mit Beziehung auf das zu Liebeserg. II, 7, 9 Bemerkte zu verstehen.
  55. V. 447. Quoties hat Reg. mit einigen andern. Gem. Lsrt quantum.
  56. V. 451. Für laniet findet sich einzeln rapiat, für petat secet
  57. V. 453. Cod. Reg. und Pal. torvus . . . ocellus.
Candida iamdudum cingantur colla lacertis,
Inque tuos flens est accipienda sinus.
Oscula da flenti, Veneris da gaudia flenti.
Pax erit: hoc uno solvitur ira modo.
Cum bene saevierit, cum certa videbitur hostis;
Tum pete concubitus foedera: mitis erit.
Illic depositis habitat Concordia telis.
Illo, crede mihi, Gratia nata loco est.
Quae modo pugnarunt, iungunt sua rostra columbae,
Quarum blanditias verbaque murmur habet.
Prima fuit rerum confusa sine ordine moles,
Unaque erant facies sidera, terra, fretum.
Mox caelum impositum terris, humus aequore cincta est,
Inque suas partes cessit inane chaos.
Silva feras, volucres aer accepit habendas;
In liquida pisces delituistis aqua.
Tum genus humanum solis errabat in agris;
Idque merae vires et rude pectus erat.
Silva domus fuerat, cibus herba, cubilia frondes;
Iamque diu nulli cognitus alter erat.
Blanda truces animos fertur mollisse voluptas.
Constiterant uno femina virque loco.
Quid facerent, ipsi nullo didicere magistro:
Arte Venus nulla dulce peregit opus.
Ales habet, quod amet; cum quo sua gaudia iungat,
Invenit in media femina piscis aqua.
Cerva parem sequitur; serpens serpente tenetur;
Haeret adulterio cum cane nexa canis.
Laeta salitur ovis, tauro quoque laeta iuvenca est;
Sustinet immundum sima capella marem.
In furias agitantur equae, spatioque remota
Per loca dividuos amne sequuntur equos.
Ergo age et iratae medicamina fortia praebe:
Illa feri requiem sola doloris habent;
Illa Machaonios superant medicamina succos;
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Alsbald werde der Arm um den glänzenden Nacken geschlungen,
Werde das weinende Weib zärtlich gedrückt an die Brust.508
Küsse sie unter den Thränen, gewähr‘ ihr Genuß in den Thränen:
Friede wird sein; es läßt so nur sich stillen der Zorn.509
Hat sie tüchtig gerast, erscheint sie als sichere Feindin;
Suche im Beischlaf dann Einigung, und sie verzeiht.
Allda ruhen die Waffen, allda ist heimisch die Eintracht;
Da ward, glaube es mir, da die Versöhnung gezeugt.510
Tauben, die eben gekämpft mit einander, vereinen die Schnäbel;
Ihr Liebkosen, ihr Herz spricht in dem Girren sich aus.511
Anfangs war die Welt nur eine verworrene Masse,
Boten nur ein Ansehn Erde, Gestirne und Meer.
Da legt‘ über die Erde der Himmel, das Meer um das Land sich;
Und nach der Theile Natur schied sich des Chaos Gewirr.
Vögel bekam die Luft, Wildthiere der Wald zum Besitze;512
In durchsichtiger Fluth barg sich die schuppige Schaar.
Einsam schweifte umher das Menschengeschlecht auf den Fluren,
Und in der rohen Brust waltete einzig die Kraft.513
Wald war Wohnung und Lager das Laub und Kräuter die Speise.
Lange hindurch da war Keinem der Andre bekannt.
Milder gemacht soll haben die trotzigen Herzen die Wollust:
Ein an demselbigen Ort fand sich der Mann und das Weib.
Was sie da sollten, erkannten sie selbst ohn‘ alle Belehrung;514
Kunstlos gänzlich vollzog Venus das süße Geschäft.
Vögelchen hat sein Lieb, Fischweibchen immitten des Wassers
Findet das Männchen, mit dem seine Genüsse es paart.
Ihresgleichen gesellt sich die Hindin, die Schlange der Schlange;515
Mit dem Hunde verstrickt hängt zur Begattung der Hund.
Die plattnäßige Ziege erträgt den unsauberen Gatten;
Fröhlich des Sprungs ist das Schaaf, fröhlich des Stieres die Kuh,
Brunst treibt an die Stute, und über geräumige Strecken516
Folgt sie dem wiehernden Hengst, ist er getrennt durch den Strom.
Darum auf und gieb der Beleidigten kräftige Mittel;
Diese gewähren allein Ruhe von wüthendem Schmerz.
Diese Mittel, sie thun es zuvor den Säften Machaons:517
    His, ubi peccaris, restituendus eris.
Haec ego cum canerem, subito manifestus Apollo
Movit inauratae pollice fila lyrae.
In manibus laurus, sacris inducta capillis
Laurus erat; vates ille videndus adit.
Is mihi: Lascivi, dixit, praeceptor Amoris,
Duc, age, discipulos ad mea templa tuos.
Est ibi diversum fama celebrata per orbem
Litera, cognosci quae sibi quemque iubet.
Qui sibi notus erit, solus sapienter amabit
Atque opus ad vires exiget omne suas.
Cui faciem natura dedit, spectetur ab illa;
Cui color est, humero saepe patente cubet.
Qui sermone placet, taciturna silentia vitet;
Qui canit arte, canat; qui bibit arte, bibat.
Sed neque declament medio sermone diserti;
Nec sua non sanus scripta poeta legat.
Sic monuit Phoebus. Phoebo parete monenti.
Certa dei sacro est huius in ore fides.
Ad propiora vocor. Quisquis sapienter amabit,
Vincet et e nostra, quod petet, arte feret.
Credita nec semper sulci cum foenore reddunt:
Nec semper dubias adiuvat aura rates.
Quod iuvat, exiguum; plus est, quod laedit amantes.
Proponant animo multa ferenda suo.
Quot lepores in Atho, quot apes pascuntur in Hybla;
Caerula quot baccas Pallados arbor habet;
Litore quot conchae: tot sunt in amore dolores.
Quae patimur, multo spicula felle madent.
Dicta erit isse foras, quam tu fortasse videbis:
Isse foras et te falsa videre puta.
Clausa tibi fuerit promissa ianua nocte:
Perfer et immunda ponere corpus humo.
Forsitan et vultu mendax ancilla superbo
Dicet: Quid nostras obsidet iste fores?
Postibus et durae supplex blandire puellae,
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    Damit, hast du gefehlt, mache dich wieder beliebt.
Während ich also sang, da ließ, urplötzlich erscheinend,
Seines vergoldeten Spiels Saiten ertönen Apoll.518
Lorbeer war in der Hand; um das heilige Haar ihm geschlungen519
War Lorbeer – er kommt sichtbar zum Dichtergeschlecht –.520
Dieser begann zu mir: Du Lehrer der üppigen Liebe,
Meinem Tempel, wohlan, führe die Lernenden zu!
Allda stehet ein Wort, weithin auf der Erde gefeiert,521
Das Jedweden ermahnt kennen zu lernen sich selbst.
Wer sich selber erkannt, nur der wird lieben mit Weisheit,
Seinen Kräften gemäß treiben ein jedes Geschäft.
Hat dir Wuchs verliehen Natur, so lasse ihn sehen;
Hast du Farbe, so lieg‘ öfters, die Schulter entblöst.522
Wer durch Rede gefällt, der meide die schweigsame Stille:523
Singe, wer singt mit Kunst; trinke, wer trinket mit Kunst.524
Reden jedoch nicht halt‘ in gewöhnlichem Stile der Redner;525
Euere Schriften auch lest, schlechte Poeten, nicht vor.526
Also des Phöbus Rath. So gehorchet dem Rathe des Phöbus:
Wahr ist, was der Gott spricht mit dem heiligen Mund.
Näherem wend‘ ich mich zu. Es wird, wer weise nur liebet,527
Siegen, und was er begehrt, haben durch unsere Kunst.
Nicht giebt immer mit Zinsen zurück den Samen die Furche,
Noch begünstigt der Wind immer das schwankende Schiff.
Wenig ist, was da erfreut; Mehr ist, was Liebende kränket.
Stelle dir vor, daß Viel, Viel zu ertragen du hast.528
So viel Hasen ernährt der Athos und Bienen der Hybla;529
So viel Pallas‘ Baum bläuliche Beeren beschert;
So viel Muscheln der Strand: so viel hat Schmerzen die Liebe;
Reichlich in Galle getaucht ist der uns treffende Pfeil.
Die du vielleicht wirst sehn, sei, wird man sagen, daheim nicht.
Glaube, daß falsch du siehst, daß sie zu Hause nicht ist.
Findest du in der versprochenen Nacht die Thüre verschlossen,
Sei auf die schmutzige Erd‘ auch dich zu legen bereit.530
Auch sagt wohl die Lügnerin Magd mit verächtlicher Miene:
Was belagert denn der unsere Thüre da so?531
Auch liebkos‘ auf den Knieen der Thür der grausamen Schönen;532
    Et capiti demtas in fore pone rosas.
Cum volet, accedes; cum te vitabit, abibis.
Dedecet ingenuos taedia ferre sui.
Effugere hunc non est, quare tibi possit amica
Dicere? Non omni tempore sensus adest.
Nec maledicta puta, nec verbera ferre puellae
Turpe, nec ad teneros oscula ferre pedes.
Quid moror in parvis? Animus maioribus instat.
Magna canam: toto pectore, vulgus, ades.
Ardua molimur; sed nulla nisi ardua virtus.
Difficilis nostra poscitur arte labor.
Rivalem patienter habe: victoria tecum
Stabit; eris magni viotor in arce Iovis.
Haec tibi non hominem, sed quercus crede Pelasgas
Dicere: nil istis ars mea maius habet.
Innuet illa, feras; scribet, ne tange tabellas;
Unde volet, veniat; quoque libebit, eat.
Hoc in legitima praestant uxore mariti;
Cum, tener, ad partes tu quoque, somne, venis.
Hac ego, confiteor, non sum perfectus in arte.
Quid faciam? Monitis sum minor ipse meis.
Mene palam nostrae det quisquam signa puellae?
Et patiar? nec me quolibet ira ferat?
Oscula vir dederat, memini, suus: oscula questus
Sum data. Barbaria noster abundat amor.
Non semel hoc vitium nocuit mihi. Doctior ille,
Quo veniunt alii conciliante viro.
Sed melius nescisse fuit: sine furta tegantur,
Ne fugiat victo fassus ab ore pudor.
Quo magis, o iuvenes, deprendere parcite vestras.
Peccent; peccantes verba dedisse putent.
Crescit amor prensis. Ubi par fortuna duorum est,
In causa damni perstat uterque sui.
Fabula narratur toto notissima caelo,
Mulciberis capti Marsque Venusque dolis.
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    Nimm die Rosen vom Haupt, leg‘ auf die Schwelle sie hin.533
Wann sie es wünscht, so komm; geh‘ weg, sobald sie dich meidet.
Fallen zu sehn sich zur Last ziemt für den Edlen sich nicht.
Laß sie sagen dir nicht: Ist dem denn nicht zu entgehen?534
Nicht zu jeglicher Zeit sind die Gefühle erregt.
Halt‘ auch Schmähungen nicht, noch Schläge zu leiden vom Mädchen,
Noch dem niedlichen Fuß Küsse zu geben, für Schimpf.
Doch was weil‘ ich bei Kleinem? Auf Größeres richtet der Geist sich.535
Wichtiges sing‘ ich. Herbei, Hörer, mit ganzem Gemüth!
Schwer ist, was ich beginne; doch schwer ist jegliches Hohe.536
Sauere Mühe und Kampf fordert auch unsere Kunst.
Nebenbuhler ertrag‘ in Geduld: so wird dir zur Seite
Stehen der Sieg, und im Kranz Jupiters Tempel dich sehn.537
Glaube, ein Mensch nicht sagt dir dies, nein, Griechische Eichen.538
Größeres kann dir Nichts bieten, als dieses, die Kunst.
Winkt sie ihm zu, so ertrag’s; und schreibt sie, berühre den Brief nicht.539
Laß sie kommen, woher, gehen, wohin sie nur will.
Dieses gesteht der Mann ja zu der gesetzlichen Gattin,540
Da denn ein lockerer Schlaf selber zu Hülfe ihm kommt.541
Ich bin zwar, ich gesteh’s, hierin mit nichten ein Meister;
Meinen Lehren vermag selber zu folgen ich nicht.
Sehen sollt‘ ich, daß Wer zuwinkte meiner Geliebten,
Ohne daß mich der Zorn triebe ich weiß nicht wohin?542
Einmal hatte geküßt sie ihr Mann. Ich klagte darüber;
Meiner Liebe gebricht feinere Bildung zu sehr.543
Nicht nur ein Mal schadete mir der Fehler; gescheiter544
Ist, auf wessen Betrieb andere Männer sich nahn!
Besser nun war’s, unwissend zu sein. Deck‘ auf nicht die Buhlschaft;545
Sonst vom besiegten Gesicht flieht die geständige Schaam.546
Hüte darum, o Jüngling, dich wohl, zu betreffen dein Mädchen.
Sündige sie und glaub‘ immer, sie führe dich an.
Stärker nur lieben Betroffne. Wo zwei in der nämlichen Lage,547
Da beharret bei dem Jeder, was schädlich ihm ist.
Stoff zur Erzählung giebt im ganzen Himmel das Märchen,548
Wie durch Mulcibers List Venus gefahen und Mars.549
Mars pater, insano Veneris turbatus amore,
De duce terribili factus amator erat.
Nec Venus oranti – neque enim dea mollior ulla est –
Rustica Gradivo difficilisve fuit.
Ah, quoties lasciva pedes risisse mariti
Dicitur et duras igne vel arte manus!
Marte palam simul est Vulcanum imitata; decebat,
Multaque cum forma gratia mixta fuit.
Sed bene concubitus primos celare solebant:
Plena verecundi culpa pudoris erat.
Indicio Solis – quis Solem fallere possit? –
Cognita Vulcano coniugis acta suae.
Quam mala, Sol, exempla moves? Pete munus ab illa:
Et tibi, si taceas, quod dare possit, habet.
Mulciber obscuros lectum circaque superque
Disponit laqueos; lumina fallit opus.
Fingit iter Lemnon: veniunt ad foedus amantes;
Impliciti laqueis nudus uterque iacent.
Convocat ille deos: praebent spectacula capti;
Vix lacrimas Venerem continuisse putant.
Non vultus texisse suos, non denique possunt
Partibus obscoenis opposuisse manus.
Hic aliquis ridens: In me, fortissime Mavors,
Si tibi sunt oneri, vincula transfer, ait.
Vix precibus, Neptune, tuis captiva resolvit
Corpora. Mars Threcen occupat, illa Paphon.
Hoc tibi profectum, Vulcane: quod ante tegebant,
Liberius faciunt; et pudor omnis abest.
Saepe tamen demens stulte fecisse fateris;
Teque ferunt irae poenituisse tuae.
Hoc vetui: vos, ecce, vetat deprensa Dione
Insidias illas, quas tulit ipsa, dare!
Nec vos rivali laqueos disponite, nec vos
Excipite arcana verba notata manu.
Ista viri captent, si iam captanda putabunt,
Quos faciunt iustos ignis et unda viros.
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Vater Mars, für Venus entbrannt in unsinniger Liebe,550
War Liebhaber in Form worden, der schreckliche Held.
Für des Gradivus Flehen auch war – denn weicher ist keine551
Unter der Göttinnen Zahl – Venus nicht spröde und taub.
Ach, wie soll sie so oft, die Lose, der Füße des Gatten
Haben gelacht und der Hand, hart von der Gluth und der Kunst!
Auch nachahmte zugleich sie vor Mars den Vulcan; und es stand ihr;552
Reizende Anmuth war da mit der Schönheit gepaart.
Doch verhehlten sie wohl die ersten Umarmungen immer,553
Und es war noch die Schuld voll der erröthenden Schaam.
Aber durch Sols Verrath – wer könnte vor Sol sich verbergen? –
Wurde Vulcan das Thun seiner Gemahlin bekannt.
Böses Beispiel giebst du da, Sol. Bitt um ein Geschenk sie.
Sicherlich hätte sie eins, wärst du verschwiegen, für dich.
Mulciber legt und vertheilt ringsher verborgene Schlingen
Über und um das Bett, daß sie dem Auge entgehn;
Stellt sich darauf nach Lemnos zu gehn. Die Liebenden kommen.554
Beide nun liegen sie nackt da, in die Schlingen verstrickt.
Da ruft Jener die Götter zum Schauspiel, das die Gefangnen
Boten. Der Thränen enthielt Venus, erzählt man, sich kaum.555
Nicht ihr Antlitz sind zu verhüllen sie, noch auch die Hände
Vor nur zu halten im Stand selber den Theilen der Schaam.556
Da sprach Einer mit Lachen: Auf mich trag‘ über die Banden,557
O du tapferer Mars, wenn sie beschwerlich dir sind.
Kaum auf Bitten Neptuns löst er die Gefesselten wieder.
Thraciens Flur sucht Mars, Venus die Paphische auf.558
Das nur hast du gewonnen, Vulcan: was erst sie verbargen,559
Thun sie nun freier; es hält keinerlei Schaam sie zurück.560
Oft bekennst du jedoch, verstandlos thöricht gewesen561
Wärst du, und deinen Zorn hättest du, glaubt man, bereut.
Davor warnt‘ ich; es warnt euch da die betroffne Dione,562
Fallen zu stellen, wie die, welche man stellte ihr selbst.
Legt auch ihr nicht Schlingen dem Nebenbuhler und fanget
Worte, von heimlicher Hand etwa geschrieben, nicht auf.
Dem nachstrebe der Mann, wenn ja er glaubt es zu müssen,
Den zum gesetzlichen Mann Feuer und Wasser gemacht.563
  1. V. 458. A. Lsrt tuo . . . sinu, sowie excipienda.
  2. V. 460. Die gem. Lsrt. solvitur verdient hier den Vorzug vor der Lsrt tollitur des Cod. Reg. und einiger andern.
  3. V. 464. Für nata geben einige Quellen, worunter Arond., iuncta, und dies zog Scriver vor und billigte Gronov. Mit Unrecht. Wenn von dem Stiften einer Versöhnung die Rede sein sollte, so müßte nothwendig das Präsens, oder es müßte oft beim Perfect stehen. Auch würde die offenbar beabsichtigte Personification wegfallen.
  4. V. 466. Cod. Reg. hat blanditiae; ob auch habent, wie es dann heißen müßte, wird von diesem nicht angegeben, wohl aber von mehreren andern bemerkt. Der Sinn ist ganz derselbe, ob es heißt das Murmeln oder Girren der Tauben enthält (drückt aus) Liebkosungen und Worte, oder Liebkosungen und Worte haben (zu ihrem Ausdrucke) ein Murmeln, Girren. Nur ist es eher zu denken, daß die Erwartung, nach quorum das Subject zu hören, blanditias unwillkürlich in blanditiae habe übergehen lassen, als umgekehrt: habent war eine nothwendige Folge davon.
  5. V. 471. Die Ausgaben des Aldus geben den Vers Silva feras cepit, volucres agitabilis aer.
  6. V. 474. Für idque viele Hdschriften hisque, sowie für pectus corpus, häufige Variante. Auch zwischen erat und erant schwanken die Quellen.
  7. V. 479. Quod facerent Cod. Arond..
  8. V. 483. Mehrere Hdschrften marem für parem.
  9. V. 487 f. Remota unzweifelhaft gegen remoto, remotae und remotos. Ebenso dividuos gegen die Glossen diversos und divisos.
  10. V. 491. Machaon war ein berühmter Arzt in dem Heere der Griechen vor Troja.
  11. V. 494. Für pollice Cod. Reg. consona, Reminiscenz aus Am. I, 8, 60.
  12. V. 495. A. Lsrt. induta, gewöhnliche Variante bei inducta, welches letztere auch durch obducta in einer Hdschrft bestätigt wird.
  13. V. 496. Das von den meisten und besten Quellen bezeugte adit haben wir für das von Heinsius aus dem einzigen Cod. Comm. aufgebrachte agit ohne Bedenken hergestellt. Außer der Bestätigung, welche adit theils äußerlich durch das nur verschriebene oder verhörte abit in Cod. Reg. und einem Palat., theils durch das als Erklärung anzusehende adest in vielen anderen (erat und ait in noch anderen rührt daher, daß man vates, durch ille verleitet, als Nominativ nahm) erhält, verlangt auch der Sinn ein Wort, das eine äußerlich sichtbare Handlung ausdrückt. Ja, es ist geradezu ein Widerspruch, videndus mit agere zu verbinden, man müßte denn agere in der sinnlichen Bedeutung nehmen wollen!
  14. V. 499 f. Der Tempel Apollos zu Delphi trug die berühmte Inschrift: Lerne dich kennen. – Ein Theil der Hdschriften est ubi, natürlich als Nachstellung des Relativs zu nehmen. Auch tibi findet sich und, eher annehmbar, mihi. Im Pentameter hat Cod. Neap. decet für iubet, worin Heinsius docet vermuthet.
  15. V. 504. Lieg‘ öfters &c.; s. zu Verw. 8, 566.
  16. V. 505. Auf geringe Autorität gab Heinsius rumpat für vitet, und es behielten dies seitdem alle Herausgeber bei. Es wäre aber doch abgeschmackt, vom Brechen des Sch weigens zu reden, wo ein Herrschen des Schweigens weder erwähnt, noch passend vorausgesetzt werden kann. Für taciturna hat die Frankfurter Hdschrft nocitura, ein nicht übler, aber unnöthiger stilistischer Versuch!
  17. V. 506. Trinke, wer trinket mit Kunst. Über ein kunstreiches Trinken, wodurch man sich hätte die Liebe oder zunächst das Wohlgefallen einer Schönen erwerben können, vermögen wir nichts Näheres anzugeben. Wir wissen wohl, daß es bei Trinkgelagen gewisse Regeln und Gesetze zu beobachten gab. welche der jedesmalige durch die Würfel bestimmte Trinkkönig vorschrieb. Diese bezogen sich jedoch theils auf das Maß der Mischung des Weines mit Wasser. theils auf die Anzahl, auch wohl Größe der Becher und Ähnliches. Auch trank man Gesundheiten auf Mädchen oder sonst werthe Personen, indem man das Schöpfgefäß (cyathus) so oft in den Becher entleeren ließ, als der Name der genannten oder gedachten Person Buchstaben enthielt; man trank auch einander selbst zu, indem man den Namen desjenigen, dem man zutrank und den Becher dann übergeben wollte, nannte. Aber von einer besonders kunstreichen, d. h. etwa zierlichen, anstandsvollen Art des Trinkens selbst – und eine solche muß doch hier verstanden werden – ist uns durchaus Nichts bekannt. Auch ist hier nicht etwa von Vermeidung unanständigen Trinkens die Rede, sondern von einem geflissentlichen Anwenden des Trinkens als eines Talentes, gleichwie des Singens und beredten Unterhaltens, um dadurch die Gunst einer Schönen zu gewinnen.
  18. V. 507. Der Redner, d. h. der der Beredsamkeit Beflissene, etwa der Jurist nach unserer Art, spreche nicht in dem Stile, welcher bei den Übungen in den Redeschulen gewöhnlich ist, gleichsam schülermäßig, sondern einfach und natürlich; wobei gut und gewählt sich auszudrücken nicht ausgeschlossen ist.
  19. V. 508. Schlechte Poeten; so stark ist der Ausdruck im Lateinischen freilich nicht, sondern es heißt da nur nicht gesunde. – Ganz sinnwidrig ist in einem Theile der Hdschrften vesanus.
  20. V. 511. Näherem wend‘ ich mich zu, entweder was nun zunächst zu beobachten ist, oder was näher, eigentlicher mit der Unterhaltung eines Liebesverhältnisses in Verbindung steht. Für das auf das Vorhergehende zu beziehende oder allgemein zu fassende sapienter bezeichnet Heinsius patienter, das sich in einigen Hdschrften findet, als vielleicht richtiger, wahrscheinlich mit spezieller Beziehung auf das Folgende, so daß nun gleichsam ein neuer Theil des Themas aufgestellt würde: nach dem sapienter amare soll das patienter amare folgen.
  21. V. 516. Stelle dir vor, mache dich darauf gefaßt.
  22. V. 517. Daß den Römern bekannt war, daß es auf dem weit entlegenen Athos (s. zu Verw. 2, 17) vorzüglich viel Hasen gab, darf nicht Wunder nehmen, wenn man weiß, daß der Hase der geschätzteste Braten, der erste Ruhm, wie Martial sagt, der Tafel war, und die Römer ihre Leckerbissen aus den entferntesten Theilen der Erde herbeischafften. Bienen des Hybla; s. zu Liebeserg. I, 12, 10. Pallas‘ Baum; s. zu Verw. 2, 553.
  23. V. 524. S. zu Liebeserg. I, 9, 7. – Da mehrere Hdschr. ponito für ponere geben, so könnte das et, das unbeschadet des Sinnes sehr gut fehlen könnte, ja eigentlich unbegründet ist, sehr leicht eine Folge davon sein, so daß Heinsius vielleicht Recht hat, wenn er perfer in immunda ponere c. h. lesen will, zumal da et in einer Quelle wirklich fehlt und das in vor immunda leicht ausfallen konnte. Übrigens findet sich auch in dura und in nude.
  24. V. 526. Cod. Vat. hat quis nostras, dann einige possidet für obsidet.
  25. V. 527. Für supplex liest man in vielen alten Ausgaben precibus, ohne daß dessen Beglaubigung durch Hdschrften bekannt wäre. Dirae für durae in einem Theile der Quellen verdient kaum Erwähnung.
  26. V. 528. S. zu Verw. 14, 708 und vergl. Liebeserg. I, 6, 67 f. – Halben wir auch Schwelle gegeben, so halten wir darum nicht die Lsrt limine für echt, die vielleicht der angef. Stelle der Liebeserg. ihren Ursprung verdankt.
  27. V. 531 f. Nicht zu jeglicher Zeit &c., Worte des Dichters zur Entschuldigung der Freundin. – Ob der gegebene Text der echte ist, steht sehr zu bezweifeln. Die Hdschrften geben erstens huic oder hinc nach effugere. Dafür hat nun Heinsius hunc vermuthet. Dann hat derselbe Kritiker für das allerdings etwas sonderbare quare dem vermutheten Sinne gemäß cave ne vorgeschlagen. Doch ist dies nicht gerade nothwendig. Warum soll dir die Freundin sagen können? d. h. warum willst du es so weit kommen lassen, daß &c. ist wenigstens erträglich. Der Widerspruch in hunc und tibi läßt sich erklären, wenn man tibi nicht zu dir, sondern in Bezug auf dich = von dir versteht, wie der Dativ bei dicere unten V. 628 steht. Ob bei tibi dicere an den warnenden oder drohenden Sinn dieser Verbindung (f. Verw. 9, 122) zu denken sei, getrauen wir uns nicht zu entscheiden. Im Pentameter geben die bei weitem meisten obest, andere abest, wenige, worunter DCod. Neap., adest. Wir ziehen mit Heinsius die letztere vor, obwohl alle denselben Sinn, nur mit verschiedener Beziehung der Worte non omni tempore, geben. Mit obest ist der Sinn: nicht zu jeder Zeit ist die Stimmung, das Gefühl bei dem Mädchen deinen Wünschen entgegen; komm also zu einer anderen Zeit wieder, wo ihre Stimmung dir nicht entgegen sein wird. Dasselbe heißt abest, nur daß es schwächer ist und nicht das Entgegensein, sondern nur den Mangel der Geneigtheit ausdrückt Bei adest ist mit non omni tempore die gegenwärtige Zeit gemeint, also: bestehe nicht gerade jetzt auf deinem Sinne; ein anderes Mal wird die deinen Wünschen günstige Stimmung vorhanden sein. Und weil in dieser Lsrt die Beziehung auf die gegenwärtige Zeit liegt, ziehen wir diese eben vor; bei den beiden anderen Beziehungen würde passender das Futurum stehen.
  28. V. 535 ff. Dieser hochtrabende Anlauf ist ohne Zweifel scherzhaft zunehmen. – Für den tadellosen Indicativ instat hat Heinsius nach seiner Liebhaberei den Conjunctiv instet aus einer einzigen Hdschrft gegeben.
  29. V. 537. Für virtus haben viele Hdschrften und alte Ausgaben vincunt, gewiß weit minder passend. Auch würde dann eher nihil als nulla zu erwarten gewesen sein.
  30. V. 540. Im Kranz &c.; s. zu Verw. 1, 560.
  31. V. 541 f. S. zu Verw. 7, 622 u. vergl. Liebeserg. III, 10, 9. Dies und dieses mag der Deutsche Leser immerhin auf das Vorhergehende beziehen; im Lateinischen scheint es wenigstens mit auf die folgenden Einzelheiten zu gehen.
  32. V. 543 f. Berühre den Brief nicht, d. h. erbrich ihn nicht etwa, um den Inhalt kennen zu lernen. Mag sie &c., bekümmere dich nicht darum. – Für feras geben einige Quellen feres, sowie für volet libet (als Präsens verwerflich) und für quoque manche quove, andere quaque, das zwar eben so gut stehen könnte, aber doch wobl Glosse von quoque ist.
  33. V. 545. Wieder hat Heinsius auf eine einzige Autorität praestent für praestant gegeben.
  34. V. 546. Ein gescheiter Mann stellt sich sogar schlafend (vergl. Liebeserg. I, 9, 25), um die Untreue seiner Frau zu ignoriren (V. 555), ja zu begünstigen (V. 554). Er thut daran besser, als die Sache offenkundig zu machen; denn dann schämt sich die Frau vollends nicht mehr (V. 556).
  35. V. 550. Ne me hat die Ausgabe Micylls, also von patiar abhängig. Dagegen giebt die Ed. pr. mit vielen Hdschrften unpassend feret.
  36. V. 552. Ein feiner Hieb auf die angeblich feine Bildung! – Die Form barbaria läßt Heinsius durchaus nicht passiren. Auch hier, wo sie von dem vortrefflichen Cod. Reg. bezeugt wird, hat er sie, wie Am. III, 8, 4, ausgemerzt.
  37. V. 553 f. Gescheiter ist &c., mehr Weltbildung, feineren Ton besitzt derjenige Mann, der selbst die Annäherung anderer Männer an seine Frau vermittelt. – Mit aller Gewalt und den Hdschrften zum Trotz will Heinsius fortior für doctior lesen. Nein, sagt Burmann, doctior ist nicht anzutasten; man hat mit Beziehung auf V. 547 ad praecepta danda zu denken. Diese Beziehung und Erklärung ist aber durchaus unzulässig, Daß er nicht geeignet wäre, hierüber Vorschriften zu geben, sagt der Dichter nicht, er giebt sie ja; sondern nur, daß er selbst seine Vorschriften in diesem Puncte nicht zu befolgen im Stande sei (V. 548). Doctior bezieht sich auf die unmittelbar vorher an sich selbst gerügte barbaria und heißt folglich gebildeter, mit mehr feiner Weltbildung vergehen. Ebenso wenig kann man Heinsiussen beistimmen, wenn er im nächsten Verse zu veniunt als unzweifelhaftes Subject mulieres versteht und alii als Dativ erklärt. Das heißt dem Sinne Gewalt anthun! Wo steht denn vorher mulieres, oder aus welchem Satze kann es sinngemäß entnommen werden? Und wie unklar hätte der Dichter gesprochen, wenn er ohne ein ausdrücklich genanntes Subject alii als Dativ neben veniunt gesetzt hätte! Nein alii ist und muß Subject sein, man mag nun viri lesen, wie die gemeine Lsrt, wahrscheinlich von alii veranlaßt, lautet, oder viro, wie viele der besseren mit Cod. Reg. bieten; woraus dann viri zu alii zu ergänzen ist.
  38. V. 555. Besser nun war’s &c. knüpft an das vorhergehende nicht nur einmal schadete mir der Fehler an.
  39. V. 556. Die vorher noch vorhandene Scheu (Schaam) wird durch die Aufdeckung und Nöthigung zum Geständnisse von dem besiegten Gesichte wie von einem verlorenen Posten verscheucht, sie räumt das bisher noch behauptete Feld = das Weib sündigt nun ungescheut. – Einfacher wäre der Gedanke, wenn es fasso victus hieße, wie nach Heinsius Cod. Neap. hat, nur nach Burmanns Berichtigung nicht mit ab ore, sondern mit amore. Übrigens geben für victus viele Hdschrften falsus, viele nebst Ed. pr. laesus.
  40. V. 559 f. Wo zwei &c., wo zwei ein Loos theilen, Jedes weiß, daß es dem Andern ebenso geht, da wird es ihm nicht nur leicht, eine solche Lage zu ertragen, sondern Jedes beharrt sogar bei demjenigen, was ihnen den erlittenen Schaden, d. h. die ihrem Rufe schädliche Entdeckung zugezogen hat.
  41. V. 561 ff. S. Verw. 4, 171 ff. Mulciber; s. zu der angef. Stelle, vergl. mit der A. zu 2, 5.
  42. V. 562. Wir haben zwar die Genitivform Mulciberis auf Priscians Autorität, der sich ausdrücklich auf diese Stelle beruft, und weil die Construction mit Rücksicht auf das folgende capti allerdings an Klarheit gewinnt, beibehalten, bemerken aber, daß dieselbe von keiner Hdschrft, von keiner alten Ausgabe bezeugt wird, und daß den Anführungen und Zeugnissen der alten Grammatiker nicht unbedingt zu glauben und zu folgen ist, wie wir an verschiedenen Stellen der Verwandlungen nachgewiesen haben. S. z. B. 1, 15. 290. 502.
  43. V. 563. Vater Mars; s.zu Verw. 13, 669. – Übersetzt haben wir zwar entbrannt, halten aber die Lsrt des Cod. Reg. succensus für Glosse von dem von allen übrigen Quellen beglaubigten turbatus.
  44. V. 565. Gradivus; s. unfern Index z. Verw.
  45. V. 569. Weil in einigen Hdschrften simulet (entweder aus simul et oder aus simul est), in einer similis und in Cod. Mor. simulat steht; so hat man die gem. Lesart simul est gleich für verdorben angesehen und das tautologische simulat imitata gegeben. Es kann aber nichts Passenderes geben, als simul est imitata nach dem vorausgegangenen visisse dicitur = visit.
  46. V. 571. A. Lsrt primo.
  47. V. 579. Stellt sich nach Lemnos zu gehn, aus dem Himmel gleichsam nach seiner Werkstatt.
  48. V. 582. S. zu Verw. 2, 621. – Für putant findet sich in den Handschriften einzeln auch ferunt.
  49. V. 584. Andere Lsrten apposuisse und imposuisse.
  50. V. 585. Vergl. Homer Odyss. VIII, 334 ff.
  51. V. 588. Beide Gottheiten verlassen den Himmel, den Schauplatz ihrer Schande, und begeben sich jede nach ihrer irdischen Residenz. – Daher erscheint auch die Vermuthung Threcen für die Lsrt der Hdschrften Creten unzweifelhaft und findet auch Bestätigung durch Thracem (tracem) in einer Patavischen Handschrift.
  52. V. 589. Profectum hat nur eine Vat. Hdschrift erhalten; die andern alle haben fehlerhaft profecit, profecto, pro facto, Reg. perfecto (wenigstens ein Sinn).
  53. V. 590. Mit Recht hat Baumgarten-Crusius in der neuen Teubnerschen Ausgabe das von Heinsius auf eine einzige Autorität aufgebrachte ut beseitigt und et aller andern Quellen hergestellt.
  54. V. 591 f. Wie demens zu construiren sei, gestehen wir nicht klar einzusehen. Soll es mit fecisse verbunden und durch stulte noch verstärkt gefaßt werden? Aber kann man sagen demens facio, ich handle als Unverständiger? Oder soll demens als Grund zu stulte fecisse genommen werden = propter dementiam, quia demens fueris? Das Letztere scheint uns eher zulässig. – Scheinbar nicht übel, gleichwohl verwerflich haben einige Hdschrften artis für irae.
  55. V. 593 f. Dione, Venus. Für dare berichtet Heinsius in einigen älteren Hdschrften pati gefunden zu haben und findet dies richtiger, bleibt jedoch die Erklärung schuldig. Obgleich nun schon Burmann das Sinnwidrige dieser Lsrt nachgewiesen hat, so steht sie doch in allen Texten bis auf den neuesten von Baumgarten-Crusius besorgten; erst in diesem ist die gem. Lsrt dare hergestellt. Dare insidias findet sich in ganz einfachem Sinne bei Plaut. Bacchid. II. 3, 52. Mil. II, 3, 32.
  56. V. 598. »Mit Wasser und Feuer empfing der Bräutigam die Braut und bot ihr diese beiden Elemente zur Berührung dar; was eine sehr bedeutungsvolle Ceremonie war.« Beckers Gallus. Wasser und Feuer wurden als die Hauptelemente des Lebens angesehen. Daher wurden auch Verurtheilte von Wasser und Feuer ausgeschlossen. Ohne Zweifel hing mit dieser Bedeutung der genannten Elemente diejenige alte philosophische Vorstellung zusammen, nach welcher alle Zeugung durch Feuchtigkeit und Wärme bedingt war. Vergl. Verw. 1, 416 ff. – Für faciunt andere Lsrt faciet.
En, iterum testor: nihil hic nisi lege remissum
Luditur; in nostris instita nulla iocis.
Quis Cereris ritus ausit vulgare profanis
Magnaque Threicia sacra reperta Samo?
Exigua est virtus praestare silentia rebus;
At contra gravis est culpa tacenda loqui.
O bene, quod frustra captatis arbore pomis
Garrulus in media Tantalus aret aqua!
Praecipue Cytherea iubet sua sacra taceri:
Admoneo, veniat ne quis ad illa loquax.
Condita si non sunt Veneris mysteria cistis,
Nec cava vesanis ictibus aera sonant:
Attamen inter nos medio versantur in usu,
Sed sic, inter nos ut latuisse velint.
Ipsa Venus pubem, quoties velamina ponit,
Protegitur laeva semireducta manu.
In medio passimque coit pecus: hoc quoque viso
Avertit vultus saepe puella suos.
Conveniunt thalami furtis et ianua nostris;
Parsque sub iniecta veste pudenda latet.
Et si non tenebras, at quiddam nubis opacae
Quaerimus, atque aliquid luce patente minus.
Tunc quoque, cum solem nondum probibebat et imbrem
Tegula, sed quercus tecta cibumque dabat,
In nemore atque antris, non sub Iove, iuncta voluptas:
Tanta rudi populo cura pudoris erat.
At nunc nocturnis titulos imponimus actis,
Atque emitur magno nil nisi posse loqui.
Scilicet excuties omnes ubicumque puellas,
Cuilibet ut dicas: Haec quoque nostra fuit.
Ne desint, quas tu digitis ostendere possis,
Ut quamque attigeris, fabula turpis erit.
Parva queror: fingunt quidam, quae vera negarent,
Et nulli non se concubuisse ferunt.
Corpora si nequeunt, quae possunt nomina tractant;
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Wieder erklär‘ ich es laut: hier gilt’s nur gesetzlich erlaubtes564
Kosen; von unserer Lust schließen die Falbel wir aus.
Wer wagt kund wol zu thun Unheiligen Ceres‘ Gebräuche565
Und die erhabenen Weihn, die Samothrace erfand?566
Klein ist die Tugend, Etwas zu verschweigen; dagegen zu sagen,567
Was zu verschweigen man hat, straft sich als schweres Vergehn.
Wohlverdient ist, daß der geschwätzige Tantalus schmachtet568
Mitten im Strom und umsonst hascht nach den Früchten des Baums.
Venus vor allen befiehlt von ihren Opfern zu schweigen.
Daß kein Schwätzer daher ihren Altären sich naht!
Sind Cytherens Geheimnisse nicht in Kästen verborgen,569
Schallt auch bauchiges Erz nicht von unsinnigem Schlag;
Sind sie doch unter uns in allgemeinem Gebrauche,
Aber doch so, daß wir halten sie sollen geheim.
Venus selber auch hält, so oft sie ab das Gewand legt,570
Halb gebogen die Schaam sich mit der Linken bedeckt.
Frei an jeglichem Ort paart nur sich das Vieh; auch von diesem
Anblick wendet das Weib immer ihr Auge hinweg.
Passend für uns zu geheimem Genuß sind Kammer und Hausthür,571
Und es verbirgt sich die Schaam unter der Hülle des Kleids.572
Und wenn Finsterniß nicht, doch Etwas von düsterem Schatten573
Suchen wir, Etwas, das offenem Tage nicht gleicht.
Auch zu der Zeit, da Dachung noch nicht vor Sonne und Regen
Schützt‘ und die Eiche nur noch Speise gewährte und Dach,574
Paarte in Höhlen und Wald sich, nicht im Freien, die Wollust;
So sich beflissen der Schaam zeigte das rohe Geschlecht.
Aber in jetziger Zeit legt Ruhm man dem nächtlichen Thun bei,575
Läßt viel kosten es sich, sprechen zu können davon.
Freilich du wirst durchmustern die Mädchen alle, damit du576
Sagen von jeder nur kannst: Diese auch hab‘ ich gehabt.
Daß nicht fehlen dir Mädchen, darauf mit den Fingern zu zeigen,
Machst du zum Märchen der Stadt Jede, die an du gerührt.
Mehr noch: Mancher ersinnt, was, wäre es wahr, er bestritte,577
Und sagt Jeglicher nach, daß er geschlafen bei ihr.
Kann den Körper er nicht, so faßt er – das kann er – den Namen;578
    Famaque, non tacto corpore, crimen habet.
I nunc, claude fores, custos odiose, puellae,
Et centum duris postibus adde seras.
Quid tuti superest, cum nominis extat adulter
Et credi, quod non contigit esse, cupit?
Nos etiam veros parce profitemur amores,
Tectaque sunt solida mystica furta fide.
Parcite praecipue vitia exprobrare puellae,
Utile quae multis dissimulasse fuit.
Nec suus Andromedae color est obiectus ab illo,
Mobilis in gemino cui pede penna fuit.
Omnibus Andromache visa est spatiosior aequo;
Unus, qui modicam diceret, Heotor erat.
Quod male fers, assuesce: feres bene. Multa vetustas
Lenit, et incipiens omnia sentit amor.
Dum novus in viridi coalescit cortice ramus,
Concutiat tenerum quaelibet aura, cadet.
Mox eadem ventis, spatio durata, resistet,
Firmaque adoptivas arbor habebit opes.
Eximet ipsa dies omnes e corpore mendas;
Quodque fuit vitium, desinit esse mora.
Ferre novae nares taurorum terga recusant;
Assiduo domitas tempore fallit odor.
Nominibus mollire licet mala. Fusca vocetur,
Nigrior Illyrica cui pice sanguis erit.
Si paeta, est Veneri similis; si flava, Minervae.
Sit gracilis, macie quae male viva sua est.
Dic habilem, quaecumque brevis; quae turgida, plenam;
Et lateat vitium proximitate boni.
Nec quotus annus eat, nec quo sit nata require
Consule – quae rigidus munera censor habet –;
Praecipue, si flore caret, meliusque peractum
Tempus, et albentes iam legit illa comas.
Utilis, o iuvenes, aut haec aut serior aetas:
Iste feret segetes, iste serendus ager.
Dum vires annique sinunt, tolerate labores:
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    Und er schändet den Ruf ohne Berührung des Leibs.
Geh‘ jetzt, schließe die Thür, du verhaßter Hüter, des Mädchens,
Riegel hundert und mehr leg‘ an die eichene Thür.579
Was ist sicher, wofern ein Ehrenschänder vorhanden?
Scheinen er will, was ihm nimmer gelungen zu sein?
Wir gestehen nur karg selbst wirklich genossene Liebe;
Treulich verborgen von uns bleibt die verstohlene Lust.
Meid‘ es zumal, Gebrechen dem Weib zu machen zum Vorwurf,580
Die zu verhehlen mit Fleiß Vielen ersprießlich schon war.
Ihre Farbe auch warf nicht vor der Andrómeda Jener,
Der an der Füße Paar schwingbare Fittige trug.
Allen erschien Andrómaches Form als allzubehäbig;
Aber von mäßigem Wuchs nannte sie Hector allein.
Was dich verdrießt, das werde gewohnt; du erträgst es. Gar Vieles581
Mildert die Zeit, nur bemerkt Alles die Lieb‘ im Beginn.
Während das junge Reis mit der grünen Rinde noch anwächst,582
Wird es erliegen, noch zart, jeder Erschüttrung der Luft.
Aber gehärtet im Laufe der Zeit, beut Trotz es den Winden,583
Trägt, ein erstarkter Baum, Schätze veredelter Art.
Jeglichen Makel benimmt der Zeitlauf selber dem Körper;584
Aufhört Fehler zu sein, was es erst war, mit der Zeit.
Neulingsnasen verschmähn den Geruch zu ertragen der Stierhaut;585
Stete Gewöhnung läßt merken sie nicht den Geruch.
Garstiges mildere man durch die Namen; man nenne die Braune,
Deren Geblüt aussieht schwarz wie Illyrisches Pech.
Ist sie blinzelnd, so gleicht sie der Venus, und blond der Minerva;586

At pater ut nati, sic nos debemus amici,
Si quod sit, vitium non fastidire: strabonem
Appellat paetum pater.

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Pacta sub Idaco iudice Cypris erat:

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Schlank sei, die da kaum leben vor Magerkeit kann.589
Nenne gefüg, die kurz; die strotzt vor Dicke, voll Fülle:590
Birg die Fehler in Lob, welches den Fehlern verwandt.
Forsche auch nicht nach dem Alter, in welchem Jahre das Licht sie
Habe erblickt – das ist strenger Censoren Geschäft –;591
Wenn sie zumal nicht blühend mehr ist und die bessere Zeit schon
Hinter sich hat und heraus weißliche Haare sich zupft.592
Brauchbar, Jünglinge, ist dies oder ein späteres Alter:
Das ist ein Feld, das Frucht trägt, das besäen man muß.
Weil es Jahre und Kraft noch gestatten, so scheuet nicht Mühen;

    Iam veniet tacito curva senecta pede.
Aut mare remigiis, aut vomere findite terras;
Aut fera belligeras addite in arma manus;
Aut latus et vires operamque afferte puellis.
Hoc quoque militia est, hoc quoque quaerit opes.
Adde, quod est illis operum prudentia maior,
Solus et artifices qui facit usus adest.
Illae munditiis annorum damna rependunt,
Et faciunt cura, ne videantur anus.
Utque velis, venerem iungunt per mille figuras:
Inveniet plures nulla tabella modos.
Illis sentitur non irritata voluptas:
Quod iuvat, ex aequo femina virque ferant.
Odi concubitus, qui non utrumque resolvunt:
Hoc est, cur pueri tangar amore minus.
Odi quae praebet, quia sit praebere necesse,
Siccaque de lana cogitat ipsa sua.
Quae datur officio, non est mihi grata voluptas:
Officium faciat nulla puella mihi.
Me voces audire iuvat sua gaudia fassas;
Utque morer memet sustineamque roget.
Aspiciam dominae victos amentis ocellos;
Langueat, et tangi se vetet illa diu.
Haec bona non primae tribuit natura iuventae,
Quae cito post septem lustra venire solent.
Qui properant, nova musta bibant; mihi fundat avitum
Consulibus priscis condita testa merum.
Nec platanus nisi sera potest obsistere Phoebo,
Et laedunt nudos prata novella pedes.
Scilicet Hermionen Helenae praeponere posses?
Et melior Gorge, quam sua mater, erat?
At venerem quicumque voles attingere seram,
Si modo duraris, praemia digna feres.
Conscius, ecce, duos accepit lectus amantes!
Ad thalami clausas, Musa, resiste fores.
Sponte sua sine te celeberrima verba loquentur,
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685

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705

    Bald mit schweigsamem Fuß nahet das Alter gebückt.
Mögt ihr mit Rudern das Meer, mit der Pflugschaar spalten die Erde,593
Oder den krieg’rischen Arm rüsten mit grausamer Wehr,594
Oder Lenden und Kraft und Arbeit widmen den Weibern:
Dieses auch ist Kriegsdienst, dieses auch bringet Gewinn.595
Größere Klugheit auch wohnt diesen bei im Geschäfte596
Und die Übung, allein Meister zu machen geschickt.
Diese ersetzen durch netten Geschmack den Schaden der Jahre;
Und die Pflege bewirkt, daß sie erscheinen nicht alt.
Wie du nur willst, gewähren sie Lieb‘ in tausend Gestalten.
Mehrere Arten ersinnt eine Tabelle dir nicht.597
Sie empfinden ein nicht durch Reiz erzeugtes Entzücken:598
Gleichen Theil am Genuß trage das Weib und der Mann.599
Beischlaf ist mir verhaßt, bei dem nicht Beide zerschmelzen.600
Knabenliebe auch sagt darum mir weniger zu.601
Nicht mag haben ich die, die nur gezwungen sich hingiebt
Und für ihre Person kalt an den Rocken nur denkt.602
Liebeswonne, gewährt von der Pflicht, ist ohne Genuß mir;
Dienste der Pflicht soll mir leisten mit nichten ein Weib.
Hören will ich die Laute, wodurch ihr Entzücken sie kund giebt;
Aus noch zu halten bei ihr, möge sie bitten mich selbst.
Sehen will ich die Augen des trunkenen Mädchens bezwungen;
Matt verbiete sie mir, lange nicht wieder zu nahn.
Gaben der Art verlieh die Natur nicht erstem Erblühen;
Jahre dreißig und fünf sind zu erfüllen vorher.
Hast du es eilig, so trinke nur Most; mir spende bejahrten
Trank ein Fäßchen, zur Zeit alter Consulen verwahrt.603
Spät erst kann die Platane den Weg versperren der Sonne;604
Eben geschorenes Feld stachelt den nackenden Fuß.605
Könntest Hermionen du vor Helena geben den Vorzug?606
Gorge käme dir vor besser, als die sie gebar?
Ja, wenn widmen du dich willst einer reiferen Liebe,
Wirst, wenn aus du nur hältst, reichlich belohnt du dich sehn.
Siehe das trauliche Bett! Zwei Liebende hat es empfangen.
Bleib‘, o Mus‘, an der Thür stehn des verschloßnen Gemachs.607
Ohne dich schon werden geläufige Worte sie sprechen,
    Nec manus in lecto laeva iacebit iners.
Invenient digiti, quod agant in partibus illis,
In quibus occulte spicula figit Amor.
Fecit in Andromache prius hoc fortissimus Hector,
Neo solum bellis utilis ille fuit.
Fecit et in capta Lyrneside magnus Achilles,
Cum premeret mollem lassus ab hoste torum.
Illis te tangi manibus, Brisei, sinebas,
Imbutae Phrygia quae nece semper erant.
An fuit hoc ipsum, quod te, lasciva, iuvaret,
Ad tua victrices membra venire manus?
Crede mihi, non est Veneris properanda voluptas,
Sed sensim tarda prolicienda mora.
Cum loca repereris, quae tangi femina gaudet:
Non obstet, tangas quo minus illa, pudor.
Aspicies oculos tremulo fulgore micantes,
Ut sol a liquida saepe refulget aqua.
Accedent questus, accedet amabile murmur,
Et dulces gemitus aptaque verba ioco.
Sed neque tu dominam velis maioribus usus
Desere, nec cursus anteat illa tuos;
Ad metam properate simul: tum plena voluptas,
Cum pariter victi femina virque iacent.
Hic tibi servandus tenor est, cum libera dantur
Otia, furtivum nec timor urget opus.
Cum mora non tuta est, totis incumbere remis
Utile, et admisso subdere calcar equo.
Finis adest operi: palmam date, grata iuventus,
Sertaque odoratae myrtea ferte comae.
Quantus apud Danaos Podalirius arte medendi,
Aeacides dextra, pectore Nestor erat;
Quantus erat Calchas extis, Telamonius armis,
Automedon curru: tantus amator ego.
Me vatem celebrate, viri, mihi dicite laudes;
Cantetur toto nomen in orbe meum.
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    Und unthätig nicht wird liegen die Linke im Bett.
Finden werden die Finger zu thun an den reizenden Theilen,608
Wo, von Amor gesandt, haftet der heimliche Pfeil.609
Das that bei Andrómache einst der tapfere Hector,
Und nicht war er ein Held, tauglich zum Kriege allein.
Bei der gefangnen Lyrneserin that’s der große Achilles,610
Wann er sich müde vom Feind streckt‘ auf den schwellenden Pfühl.
Von den Händen betasten sich ließ die Tochter des Brises,
Die fortwährend getaucht waren in Phrygisches Blut,611
Oder war es das eben, was dich, du Lose, erfreute,
Daß du an deinem Leib fühltest den siegenden Arm?
Glaube mir, übereilen nicht darf man den Kitzel der Liebe,
Sondern nur nach und nach reizen mit zögernder Lust.612
Hast du die Orte entdeckt, die gern sich betasten das Weib läßt,
Stehe die Schaam dir nicht sie zu betasten im Weg.
Funkeln wirst du dann sehn die Augen in zitterndem Glanze,
Wie die Sonne zurück glänzt aus dem Spiegel der Fluth.613
Klagen stellen sich ein, einstellt sich ein liebliches Flüstern,614
Und ein Seufzen so süß; Worte, entsprechend der Lust.615
Doch laß nicht die Geliebte im Stich, mit volleren Segeln
Schiffend; und deiner Fahrt komme auch sie nicht zuvor.616
Schreitet zum Ziele zugleich: dann ist vollkommen die Wonne,
Wann gleichzeitig besiegt liegen der Mann und das Weib.
Dies ist der Weg, den gehen man muß, gestattet die Zeit es,
Und beschleunigt die Furcht nicht das verstohlene Werk.
Drohet Gefahr im Verzug, so lege mit Macht dich aufs Ruder,
Rath‘ ich, und setze dem Pferd ein zum Galoppe den Sporn.
Da ist das Ende des Werks. Gieb dankbar, Jugend, die Palme;617
Winde den Myrtenkranz mir in das duftende Haar.618
Was Podalirius war bei dem Danaervolk in der Heilkunst,619
Nestor an klugem Sinn, Äacus‘ Sproß mit dem Arm,
Calchas im Eingeweid‘, Autómedon war auf dem Wagen,
Télamons Sohn mit der Wehr: das in der Liebe bin ich,
Feiert als Sänger denn mich, ihr Männer, und stimmet mein Lob an;
Weit und breit in der Welt werde mein Name gerühmt.
Arms dedi vobis; dederat Vulcanus Achilli:
Vincite muneribus, vicit ut ille, datis.
Sed quicumque meo superarit Amazona ferro,
Inscribat spoliis: Naso magister erat.
Ecce, rogant tenerae, sibi dem praecepta, puellae!
Vos eritis chartae proxima cura meae.
745 Waffen euch hab‘ ich gegeben, es gab sie Vulcan dem Achilles:620
Sieget nun mit dem Geschenk, das ihr empfangen, wie er.621
Doch wer immer bezwingt mit meinem Stahle ein Mädchen,622
Schreib‘ auf die Beute: Es war Naso der Lehrer der Kunst.623
Siehe, es bitten die Mädchen, nun Lehren auch ihnen zu geben!
Sorge für euch denn wird tragen das folgende Blatt.
  1. V. 599 f. S. oben I, 31 ff. n. Anmerkungen.
  2. V. 601. Hiermit geht der Dichter zu einem neuen Puncte über. Wegen des Sinnes s. zu Verw. 10, 431. – Gemeine Lsrten audet und profanus.
  3. V. 602. Auch die an der Thracischen Küste gelegene Insel Samothrace war durch den Geheimdienst der Ceres berühmt; und zwar sollte derselbe hier früher als zu Eleusis heimisch (erfunden) gewesen und erst von hier nach Griechenland verpflanzt worden sein.
  4. V. 603. Für exigua findet sich in einigen Hdschrften eximia (vergl. jedoch Am. II, 2, 28), sowie et für at.
  5. V. 605 f. S. in unsrem Index z. Verw. Tantalus. – Andere Lsrt quam bene. Vergl. Trist. I, 2, 41.
  6. V. 609–12. Das Satzgefüge ist nicht logisch genau. Es sollte heißen: Sind die Geheimnisse der Venus einerseits nicht in Kästen verborgen, so wollen sie doch geheim gehalten sein; und werden sie andrerseits nicht mit Lärm zur Schau getragen, so sind sie doch in allgemeinem Gebrauche. In Kästen verborgen waren die Gegenstände, welche zum Geheimdienste der Ceres gehörten. Unter Paukenschlag (bauchiges Erz) aber, dem Klirren der Klapperschaalen &c. wurde der Dienst der Cybele und der Isis (an Bacchus ist hier nicht zu denken) begangen. S. Verw. 9, 693. 14, 536. Liebeserg. II, 13, 11. – Weil sich die Glieder der Periode nicht gehörig entsprechen, haben mehrere alte Ausleger V. 610 als Nachsatz genommen, auch zum Theil die Lsrt einiger Hdschrften sonent (als Imperativ) gebilligt und mit V. 611 einen neuen Satz begonnen. Aber V. 611 erweist sich durch at als entschiedener Nachsatz zu si, sonst müßte sed stehen. Übrigens würde durch diese andere Fügung der Sätze für den logischen Zusammenhang Nichts gewonnen. In dieser Hinsicht ist es z. B. gleich, ob ich sage: bist du nicht krank, auch nicht gesund; so befindest du dich doch leidlich, doch nur insoweit, daß du das Zimmer hüten mußt. Oder. bist du nicht krank, so bist du doch auch nicht gesund; aber du befindest dich doch &c. Für sed sic findet sich auch sic tamen und et sic.
  7. V. 613 f. In plastischer Darstellung nämlich, wie die Bildsäule der Mediceischen Venus. Halbgebogen oder, wie es im Original bestimmter heißt, halbzurückgebogen, nämlich mit dem mittleren Körper, so daß also der obere Körper ein wenig vorgebeugt ist. Vergl. die Stellung Dianens Verw. 3, 187.
  8. V. 617. Inwiefern die Hausthüre dazu passend war, ist schwer einzusehen, wenn man nicht annehmen will, daß unter der Hausthüre zugleich die kleine Hausflur mit zu verstehen sei, welche zwischen der Hausthüre selbst und dem atrium oder der Halle anzunehmen ist und keinen besonderen Namen hatte, sondern unter dem Namen ostium mit begriffen wird.
  9. V. 618. Zwei Quellen geben superiecta, eine Variante, die sich für sub iniecta auch Am. I, 4, 48 findet.
  10. V. 619 f. Etwas, das offenem Tage nicht gleicht, Dämmerung. – Für nubis einige Hdschrften noctis, sowie aliud für aliquid.
  11. V. 622. Die Eiche gewährte Speise; s. Verw. 1, 106 u. 112 n. Anmerkungen.
  12. V. 625 f. Statt die nächtlichen Genüsse zu verschweigen, berühmt man sich derselben und legt viel Werth darauf, giebt viel darum, nur davon sprechen zu können.
  13. V. 627–630. Diese Sätze sind ironisch zu verstehen; und es ist gleich gültig, ob man sie, wie Burmann und nach ihm Baumgarten-Crusius in der neuesten Ausgabe gethan, als Fragesätze ansieht, oder als gewöhnliche Sätze mit ironischem Tone ausspricht. – Ubicumque puellas hat Heinsius aus einigen Quellen aufgenommen für die gem. Lsrt ubicumque puella oder ubi quaeque puella est bei Gryphius.
  14. V. 631. Quidam ist nicht eben stark bezeugt. Gem. Lsrt quaedam.
  15. V. 633 f. Die ältesten Ausgaben geben die zweite Hälfte des Verses quod possunt nomine tangunt. Die aufgenommene weit vorzüglichere Lsrt bieten eine Ambros. und die Königl. Hdschrft. Im Pentameter giebt es eine Variante non facto crimine.
  16. V. 636. Wie groß die Lust Heinsiussens nur überhaupt zu ändern war, zeigt sich hier durch die weitschweifige Verteidigung der übrigens gut bezeugten Lsrt obde für adde, während derselbe an anderen Stellen, z. B. Am. III, 14, 10 ebenso eifrig und zwar mit Berufung auf die Stelle hier apponere seram gegen opponere vertheidigt. Treffend hält ihm hier Burmann entgegen, daß addere zu centum weit besser passe, als obdere.
  17. V. 641. Burmann bemerkt, daß viele Ausgaben praeterea für praecipue hätten. Obwohl dies aber passender scheint, so finden wir doch beim Übergange zu einem neuen Puncte nicht selten praecipue, um das Interesse des Lesers zu steigern oder neu zu wecken. Vergl. oben V. 145. I, 591.
  18. V. 647 f. Sehr gut hat Cod. Linc. cuncta für multa; es ist aber eben zu schwach bezeugt, um für echt angesehen werden zu können. Aus diesem Grunde ist auch at vor incipiens nicht für echt zu halten. Nur eine Mediceische Hdschrift giebt es, und Heinsius hat es, wie an vielen anderen Stellen, für et aller übrigen aufgenommen. Der Sinn ist nicht adversativ, sondern restrictiv und nur. Äußerlich wird et auch noch bestätigt durch die Lsrt leniet incipiens.
  19. V. 649. Für coalescit hat ein Theil der Hdschrften callescit, dann einzelne calescit, candescit, durescit, pubescit, theils Fehler, theils Erklärungen oder Reminiszenzen.
  20. V. 651. Für eadem aus Cod. Reg., wo es als Variante steht, und wenigen andern gem. Lsrt etiam.
  21. V. 653. Ein alter Grammatiker aus dem fünften Jahrhundert citirt diesen Vers mit eximet und de corpore, während alle Hdschrften eximit, zwei exuit, und e corpore geben: wieder ein Beweis, daß die Alten bei Citaten nicht mit diplomatischer Genauigkeit verfuhren. Burmann vermuthet ohne Grund exigit.
  22. V. 655. Neulingsnasen, die nicht daran gewöhnt sind. – Dem Schreiber des Cod. Barthol. sind taurorum terga nicht zuwider gewesen; er hat hircorum gegeben.
  23. V. 659. S. Liebeserg. III, 1, 33. Gelbe, wenn auch nicht gerade erbsengelbe Augen, wenn das bezügliche Texteswort richtig ist und wirklich auf die Augen geht, sind zwar selten, aber nicht ohne Beispiel. Vielleicht kommen dergleichen bei südlichen Völkern öfter vor, als bei uns. – Der Text, wie er in den Ausgaben vorliegt und wie auch wir denselben gegeben haben, unterliegt, zumal was flava anlangt, nicht unerheblichen Bedenken. Denn wenn paetus auch blinzelnd heißt, räsonnirt Heinsius, so kann dies doch darum kein Gebrechen sein. weil das Blinzeln vorzugsweise der Venus in dem Sinne von Liebäugeln beigelegt wird, wie Am. III. 1, 33, wo zwar nicht paetus sondern limus, aber in demselben Sinne steht. Ferner, fährt er fort, ist flava zwar ein gewöhnliches Beiwort der Minerva, geht aber auf das Haar, nicht auf die Augen. Da nun auch die Hdschrften zum Theil offenbare Verderbnisse enthalten, als laeta, crassa oder grassa, Cod. Reg. creasia für paeta: so will Heinsius si qua straba, est Veneri &c. lesen, allerdings höchst sinngemäß: wenn Eine schielend ist, ist sie der Venus ähnlich, d. h. nenne man sie blinzelnd. Schlagend für seine Vermuthung ist die Parallele bei Horat. Sat. I, 3, 47.
  24. Heinsiussen stimmt Bentley zu dieser Stelle bei, nur will er lieber si straba sit, Veneri &c. haben. Was nun flava anlangt, so berechtigen entschiedene Verderbnisse der Quellen ebenfalls zu einer Vermuthung. Edit. princ. hat mit mehreren Hdschrften, worunter auch die Königliche, parva, eine Ambros. prava, die Arond. flamma (doch wol verschrieben oder verhört für flava). Heinsius vermuthet nun rava. Die mit ravus bezeichnete Farbe stehe, bemerkt er, nach Festus zwischen flavus und caesius, und Horatius nenne den Löwen bald caesius, bald ravus (rava auch die Wölfin); daher seien caesii (graue) oculi, die oft der Minerva (aber nicht gerade als eine Schönheit) beigelegt würden, sowie flavi (gelbe) nicht so fehlerhaft als den fehlerhaften, den ravis (fahlen), am nächsten. Wenn es aber überhaupt gelbe (flavi) Augen bei Menschen giebt und der Ausdruck hier auf die Augen gehen kann und soll; so ist auch kein Grund vorhanden, von der so stark bezeugten Lsrt flava abzugehen, mag nun die Verderbniß parva und prava herrühren, woher sie will. Doch würden wir die Vermuthung rava für flava immer noch weit annehmbarer finden als si qua straba für si paeta, so treffend sie auch für den Sinn ist. Denn wohin wäre qua gekommen? Und wenn das Blinzeln mit den Augen der Venus beigelegt wird, wo sie einen besonders bedeutungsvollen, gewinnenden Ausdruck in den Augen haben soll, wie in der oben angef. Stelle der Liebesergüsse und in dem von Heinsius citirten Verse
  25. so folgt daraus keineswegs, daß das Blinzeln der Augen überhaupt und als bleibende Eigenschaft kein Fehler sei.
  26. V. 660. Male viva wird von mehreren der vorzüglichsten Quellen geboten gegen male oder mala visa, male nisa, auch male sicca. Vergl. Met. 15, 379.
  27. V. 661. Von den beiden Lsrten agilem und habilem erweist sich letztere als die echte durch Vergleichung von Am. II, 4, 35.
  28. V. 664. Die Censoren waren eine aus zwei Personen bestehende Staatsbehörde zu Rom, welcher »die Untersuchung und Verzeichnung der Namen, des Geschlechts, (Alters,) Standes und Vermögens der Bürger« oblag. »Damit verbunden war das Sittenrichteramt; daher umfaßte die Censorengewalt alle Lebensverhältnisse in dieser Hinsicht!« – Merkwürdig ist in einer Hdschrft bei Heinsius sidere für consule. Die Neap. giebt quaerere für munera.
  29. V. 666. Legit giebt Ed. pr. mit mehreren anderen vorzüglichen Quellen. Heinsius erklärt leget des Cod. Reg. für richtig, und so hat auch Baumgarten-Crusius in der neueren Ausgabe. Uns will jedoch nicht einleuchten, wie nach caret et peractum (est) nun leget folgen könne. Soll der Sinn sein: sie wird es nun bald thun? Wäre dies passend? Die übrigen haben legat, ligat, liget.
  30. V. 671. Gemeine Lsrten navigiis und terram. Ob terras hier vorzuziehen sei, möchten wir bezweifeln. Heinsius will es allerdings in den »vorzüglicheren« gefunden haben.
  31. V. 672. Kaum Erwähnung verdient das von wenigen Quellen, obgleich auch Cod. Reg. darunter, gegebene vertite für addite. Vergl. Am. I, 7, 1. III, 8, 48.
  32. V. 674. Vergl. Liebeserg. I, 9. – Militiae hat Heinsius blos aus Exc. Jur. gegeben und Baumgarten-Crusius in der neueren Ausgabe mit Recht wieder beseitigt. Warum es aber nicht haec heiße, ist leicht zu sehen. Für quaerit (Vergl. Am. II, 10, 33. III, 8, 20. 66) findet sich auch fecit, jedenfalls eine Erklärung, die des Maßes wegen ins Perfect gesetzt worden ist.
  33. V. 675. Diesen, den Älteren. Im Geschäfte, des Liebesgenusses. – So oft auch opus in diesem Sinne gebraucht wird, so bezweifelt Burmann doch, ob auch im Plural, und will daher rerum vermuthen, das allerdings häufig mit prudentiaverbunden wird. Es liegt aber erstens keine äußere Veranlassung zu einer Änderung vor, und zweitens kann der Verfasser wohl aus leicht zu denkenden Gründen absichtlich den Plural gebraucht haben, wofür besonders V. 679 spricht.
  34. V. 680. Inveniet hat schon Baumgarten-Crusius hergestellt für inveniat, das Heinsius aus einem einzigen seiner Codices aufgebracht hatte. Gem. Lsrt ist invenit plures; Ed. pr. giebt mit wenigen Hdschrften invenit et.
  35. V. 681. Jüngere sind also kälter und bedürfen erst des Reizes? Denn es kann der zu illis zu denkende Gegensatz kein anderer sein. Der Verfasser muß also meinen, jüngere Mädchen sind minder entgegenkommend, wollen erst vom Manne gereizt sein oder geben sich gar dem Manne ohne Selbstgenuß hin (V. 682 ff.), während ältere im Gegentheile gleichmäßig am Genusse Theil nehmen (V. 689 ff). Es giebt freilich auch eine Lsrt tractu (auch tactu) irritata oder nutrita, mit welcher jedoch das zunächst Folgende sich nicht vereinigen ließe.
  36. V. 682. Zwischen Indicat. und Conjunct. in beiden Verben des Satzes schwanken die Hdschrften. Daß es ferant heißen muß, unterliegt keinem Zweifel, aber für iuvet können wir nicht stimmen. Quod iuvat ist eine reine Umschreibung des Hauptworts voluptas, wie sie sich bei unserem Dichter so oft findet. Auch bestätigt den Indicativ hier Cod. Reg. mit lubet.
  37. V. 683. Andere Lsrt utrimque.
  38. V. 684. S. zu Verw. 3, 353. 10, 83.
  39. V. 686. An den Rocken oder, wie es im Original heißt, an ihre Wolle, an ihre gewöhnlichen, täglichen Geschäfte.
  40. V. 696. Die Römer bestimmten die Zeit nach den Consuln, ihren obersten Regenten, deren jährlich zwei gewählt wurden. Das und das, sagten sie, ist geschehen unter dem Consulate der und der. Und so wurde an die gewöhnlich irdenen Weingefäße der Name des Weins und der Consuln geschrieben, um den Jahrgang zu bezeichnen. Verwahrt oder aufbewahrt wurden die Gefäße, weil sie nicht selten unten spitz zuliefen, entweder auf einem Gestell oder in die Erde eingelassen, im Weinkeller, einer kühlen nach Norden gelegenen Kammer, welche ganz oder wenigstens so weit über der Erde sich befand, daß sie Fenster haben konnte. S. Beckers Gallus.
  41. V. 697. S. zu Verw. 10, 95. – Phoebo bietet Cod. Reg. mit mehreren anderen gegen vento oder ventis der übrigen.
  42. V. 698. Für nudos einige Hdschrften teneros, sonst ein gewöhnliches Beiwort der Füße, wie oben V. 212, unten III. 625.
  43. V. 699 f. Hermione, der Helena, Gorge, der Althäa (Verw. 8, 543) Tochter. Sonderbare Beispiele. Als ob es allgemein bekannt und angenommen wäre, daß diese Frauen zu besagtem Zwecke geeigneter gewesen wären, als ihre Töchter. Und wenn man auch Helena wegen ihrer bekannten Schönheit und Praxis passiren lassen wollte; so wäre es immer blos dieser Eigenschaften, nicht aber ihres vorgerückten Alters wegen und nicht im Vergleiche mit der Tochter. Von Althäa ist aber gar nichts Derartiges bekannt, wenn man nicht etwa daran denken will, daß sie ihren Sohn Meleager von Mars geboren haben soll. In der Wahl seiner Beispiele aus der Mythologie ist unser Dichter nicht immer glücklich, oder er nennt überhaupt oft berühmte mythologische oder heroische Namen in Beziehungen, von denen gar nichts bekannt ist, blos um sie zu nennen und dem, was er sagt, ein besonderes Intresse zu verleihen. So gleich weiter unten.
  44. V. 704 f. Sie brauchen dich, d. h. meine, des Dichters, Belehrung hierzu nicht, sie werden ohne dich &c.– Daher ist auch sine me, wie einige Quellen, auch Ed. pr. haben, Nichts als Erklärung von sine te.
  45. V. 707. Quod von Cod. Reg. und einigen andern bezeugt gegen quid der übrigen. Vergl. Verw. 10, 273.
  46. V. 708. Ohne das herrschende, von Exc. Jur. und fünf andern Quellen bezeugte figit ändern zu wollen, bemerken wir doch, daß die gemeine Lsrt tingit, auf welche auch tangit in vielen weist, wahrscheinlich das Echte giebt. Denn figere spicula ist eine zu gewöhnliche Redensart, als daß sie leicht hätte in das eigenthümliche tingere übergehen können. Viel eher ist der umgekehrte Fall denkbar.
  47. V. 711. S. oben zu V. 403. – Für magnus geben einige Hdschrften fortis, wie oft. S. zu Am. I. 9, 33.
  48. V. 714. Phrygisch = Trojanisch.
  49. V. 718. Prolicienda, obgleich nur von einer Patav. Hdschrft bezeugt, ist wohl unzweifelhaft gegen proiicienda oder perficienda, wie die meisten geben, oder proficienda in einigen wenigen, oder prospicienda in Reg..
  50. V. 722. Einzeln findet sich in liquida, in liquidis aquis, in Reg. ad liquidas aquas.
  51. V. 723. Andere Lsrt accedant . . accedat.
  52. V. 724. Für ioco einige Quellen loco.
  53. V. 726. Für desere giebt Heinsius, angeblich nach den meisten Hdschrften und Ed. pr., desine und vertheidigt es nach seiner nicht seltenen Art mit einer Anzahl anderer Stellen Ovids, in welchen er es erst herstellt. Auch Baumgarten-Crusius hat es auffallender Weise hier beibehalten. Desinere quem hat kein Römer gesagt. Auch gleich nachher V. 729 haben die vorzüglicheren Hdschrften nebst Ed. pr. offenbar fehlerhaft versandus für servandus.
  54. V. 733. Operis Ed. pr.. Für grata uiventus mehrere Hdschrften laeta iuv..
  55. V. 734. Das duftende Haar, s. zu Verw. 3, 555.
  56. V. 735 ff. Podalirius, Bruder Machaons (s. oben V. 491) und gleich diesem berühmter Arzt im Heere der Griechen (bei dem Danaervolk) vor Troja. Über Nestor s. unsern Index z. Verw. Äacus‘ Sproß, Achilles als Enkel des Äacus. Calchas (s. unsern Index) im Eingeweide, in der Kunst, aus den Eingeweiden der geschlachteten Opferthiere den Willen der Götter zu erkennen und die Zukunft vorauszusagen (s. zu Verw. 7, 600). Automedon s. oben zu I, 5. Telamons Sohn, Ajax; s. unsern Index.
  57. V. 741. Es gab &c.; s. zu Verw. 12, 614.
  58. V. 742. Wie er, wie Achilles über Hector.
  59. V. 743. Ein Mädchen, im Original freilich sinnvoller eine Amazone, also ein Mädchen, das die Männer verschmäht, sich gegen dieselben wehrt, sträubt.
  60. V. 744. Die dem besiegten Feinde abgenommene Beute an Rüstung und Waffen hing der Sieger gewöhnlich, mit seinem Namen versehen, im Tempel auf. Vergl. Verw. 8, 154 n. Anm. Ebenso soll der siegreiche Liebhaber auf die gemachte Eroberung figürlich den Namen des Dichtes schreiben, sich also dankbar erinnern und anerkennen, durch wessen Kunst und Hülfe er gesiegt habe. – Dasselbe Bild mit denselben Worten gebraucht unser Dichter im letzten Verse des folgenden Buches, und dort wie hier findet sich in den meisten Hdschrften die spaßhafte Verderbniß foliis für spoliis, jedenfalls entstanden aus einer Reminiscenz von Verw. 10, 215.

LIBER TERTIUS.

Drittes Buch.

Arma dedi Danais in Amazonas; arma supersunt,
Quae tibi dem et turmae, Penthesilea, tuae.
Ite in bella pares: vincarit, quibus alma Dione
Faverit, et toto qui volat orbe puer.
Non erat armatis aequum concurrere nudas;
Sic etiam vobis vincere turpe, viri.
Dixerit et multis aliquis: Quid virus in anguem
Adiicis? et rabidae tradis ovile lupae?
Parcite paucarum diffundere crimen in omnes;
Spectetur meritis quaeque puella suis.
Si minor Atrides Helenen, Helenesque sororem
Quo premat Atrides crimine maior habet;
Si scelere Oeclides Talaioniae Eriphyles
Vivus et in vivis ad Styga venit equis:
Est pia Penelope, lustris errante duobus
Et totidem lustris bella gerente viro.
Respice Phylaciden et quae comes isse marito
Fertur et ante annos occubuisse suos.
Fata Pheretiadae coniux Pagasaea redemit,
Proque sui est uxor funere lata viri.
Accipe me, Capaneu; cineres miscebimus! inquit
Iphias in medios desiluitque rogos.
Ipsa quoque et cultu est et nomine femina Virtus.
Non mirum, populo si favet illa suo.
Nec tamen hae mentes nostra poscuntur ab arte:
Conveniunt cymbae vela minora meae.
Nil nisi lascivi per me discuntur amores:
5

10

15

20

25

 

Gegen die Amazonen bewehrt‘ ich die Dánaer; Wehr auch624
Habe für dich und dein Volk, Penthesiléa, ich noch.625
Geht in den Krieg denn gleich. Wem Venus Gunst und der Knabe,
Welcher die Welt durchfliegt, spendet, gewinne den Sieg.
Nicht war’s billig, zu gehn in den Kampf mit Bewaffneten wehrlos.
So war schimpflich es auch, Männer, zu siegen für euch.
Der und Jener vielleicht wird sagen: Was giebst du der Schlange626
Gift noch? und giebst den Stall reißenden Wölfinnen Preis?
Möget ihr nicht nur Weniger Schuld ausdehnen auf Alle;
Jegliches Mädchen geschätzt werde nach ihrem Verdienst.
Wenn der jüng’re Atride die Hélena, Helenas Schwester627
Eines Verbrechens zu zeihn freilich der ältere hat;
Wenn der Öclide durch Schuld Eriphýles, Tálaus‘ Tochter,628
Lebend zum Ufer der Styx kam auf lebend’gem Gespann:
Ist Penélope treu, indeß zehn Jahre der Gatte
Irret umher und Krieg ebenso lange auch führt.
Denk‘ an Phýlacus Sproß und an die, die ihrem Gemahle629
Folgte und vor der Zeit, sagt man, sich weihte dem Tod.
Pheres‘ Sprößling erlöste vom Tod die Thessalische Gattin;630
Statt der Leiche des Manns trug man zu Grabe die Frau.
Nimm mich, Cápaneus, auf, sprach Iphis‘ Tochter, die Asche631
Mischen wir noch! und sie sprang mitten hinein in die Gluth.
Selber die Tugend auch ist ein Weib nach Kleidung und Namen.632
Ist’s ein Wunder, wenn hold ihrem Geschlecht sie sich zeigt?
Solche Gesinnung jedoch beansprucht unsere Kunst nicht;633
Unserem Fahrzeug stehn kleinere Segel nur an.
Lockerer Liebesgenuß nur lernt sich durch meine Belehrung;
    Femina praecipio quo sit amanda modo.
Femina nec flammas, nec saevos discutit arcus;
Parcius haec video tela nocere viris.
Saepe viri fallunt; tenerae non saepe puellae;
Paucaque, si quaeras, crimina fraudis habent.
Phasida iam matrem fallax dimisit Iason;
Venit in Aesonios altera nupta sinus.
Quantum in te, Theseu, volucres Ariadna marinas
Pavit, in ignoto sola relicta loco.
Quaere, novem cur una viae dicantur, et audi,
Depositis silvas Phyllida flesse comis.
Et famam pietatis habet, tamen hospes et ensem
Praebuit et causam mortis, Elissa, tuae.
Quid vos perdiderit, dicam? Nescistis amare;
Defuit ars vobis: arte perennat amor.
Nunc quoque nescirent; sed me Cytherea docere
Iussit, et ante oculos constitit ipsa meos.
Tum mihi: Quid miserae, dixit, meruere puellae?
Traditur armatis vulgus inerme viris.
Illos artifices gemini fecere libelli;
Haec quoque pars monitis erudienda tuis.
Probra Therapnaeae qui dixerat ante maritae,
Mox cecinit laudes prosperiore lyra.
Si bene te novi, cultas ne laede puellas:
Gratia, dum vivis, ista petenda tibi.
Dixit, et e myrto – myrto nam vincta capillos
Constiterat – folium granaque pauca dedit.
Sensimus acceptis numen quoque: purior aether
Fulsit, et e toto pectore cessit onus.
Dum facit ingenium, petite hinc praecepta, puellae,
Quas pudor et leges et sua iura sinunt.
Venturae memores iam nunc estote senectae:
Sic nullum vobis tempus abibit iners.
Dum licet, et veros etiamnum editis annos;
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    Vorschrift über die Art geb‘ ich zu lieben ein Weib.634
Weder der Flammen erwehrt sich das Weib, noch des grausamen Bogens;635
Weniger schaden dem Mann sehe ich dieses Geschoß.
Männer betrügen gar oft, nicht oft die liebenden Mädchen;
Selten begehn sie die Schuld, forschest du nach, des Betrugs.
Colchis‘ Tochter, schon Mutter, verstieß der falsche Jáson;636
Eine andere Frau kam ins Äsonische Bett.
Kam es auf Theseus an, so hätt‘ Ariadne, verlassen637
An unwirtlichem Strand, Vögel geweidet der See.
Frage, warum ein Weg neun Wege geheißen, und höre:638

1.  Quaere  novem cur isse vices dicatur
2. vias     „
3. vicibus cur una feratur
4. cur una vices iter isset
5. sic isset
6. feratur
eine auch 7. vices cur una ter isset;
Cod. Reg. endlich 8. cur una vices dicantur und später verbessert wie 4.

639

Wälder geschorenen Haars haben die Phyllis beweint.
Und den Ruf der Treue wol hat, war aber, Elissa,640
Dir Ursache des Tods, reichte das Schwert dir, dein Gast.
Was verderblich euch war, ist, daß ihr zu lieben nicht wußtet;
Ja, euch fehlte die Kunst: Liebe bestehet durch Kunst.
Heute noch wüßten sie’s nicht; doch mich wies an es zu lehren
Venus, und meinem Blick stellte sie selber sich dar.
Was doch haben, begann sie, die armen Mädchen verschuldet,
Daß man sie wehrlos Preis giebt dem bewaffneten Mann?
Diesen haben gemacht zwei Bücher zum fertigen Meister;
Komm‘ auch dem anderen Theil deine Belehrung zu gut.
Er, der Schmähungen erst gesagt dem Therapnischen Weibe,641
Bald in günstigerm Ton ließ er erschallen ihr Lob.
Kenn‘ ich dich recht, so kränkest du nicht die reizenden Mädchen;642
Streben nach deren Gunst mußt du, so lange du lebst.643
Sprach’s und reicht‘ aus der Myrte – das Haar mit Myrte durchflochten644
Stand sie da – mir ein Blatt dar und der Beeren ein Paar.
An dem Empfangnen auch merkt‘ ich die Gottheit; es strahlte der Himmel645
Reiner, und eine Last fiel mir hinweg von der Brust.
Während noch wirkt der Geist, schöpft hier Vorschriften, ihr Mädchen,646
Denen besonderes Recht, Schaam und Gesetz es erlaubt.
Nehmet Bedacht schon jetzt auf das einst annahende Alter,
So wird unnütz euch keine Minute vergehn.
Liebet, so lange ihr könnt und die wirklichen Jahre ihr angebt;647

    Ludite: eunt anni more fluentis aquae.
Nec quae praeteriit, iterum revocabitur unda;
Nec quae praeteriit, hora redire potest.
Utendum est aetate: cito pede labitur aetas;
Nec bona tam sequitur, quam bona prima fuit.
Hos ego, qui canent, frutices violaria vidi;
Hac mihi de spina grata corona data est.
Tempus erit, quo tu, quae nunc excludis amantem,
Frigida deserta nocte iacebis anus;
Neo tua nocturna frangetur ianua rixa;
Sparsa nec invenies limina mane rosa.
Quam cito, me miserum, laxantur corpora rugis,
Et perit in nitido qui fuit ore color!
Quasque fuisse tibi canas a virgine iures,
Spargentur subitae per caput omne comae.
Anguibus exuitur tenui cum pelle vetustas,
Nec faciunt cervos cornua iacta senes.
Nostra sine auxilio fugiunt bona: carpite florem;
Qui, nisi carptus erit, turpiter ipse cadet.
Adde, quod et partus faciunt breviora iuventae
Tempora: continua messe senescit ager.
Latmius Endymion non est tibi, Luna, rubori,
Nec Cephalus roseae praeda pudenda deae.
Ut Veneri, quem luget adhuc, donetur Adonis:
Unde habet Aenean Harmonienque suos?
Ite per exemplum, genus o mortale, dearum,
Gaudia nec cupidis vestra negate viris.
Ut iam decipiant, quid perditis? Omnia constant.
Mille licet sumant, deperit inde nihil.
Conteritur ferrum, silices tenuantur ab usu;
Sufficit et damni pars caret illa metu.
Quis vetet apposito lumen de lumine sumi?
Quisve cavo vastas in mare servet aquas?
Et tamen ulla viro mulier: Non expedit, inquit?
Quid nisi quam sumes, dic mihi, perdis aquam?
Nec vos prostituit mea vox, sed vana timere
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    Denn die Jahre vergehn gleich der entströmenden Fluth.
Wie die Welle, vorübergeströmt, nicht wieder zurückkommt,648
Kehrt die Stunde auch nicht, einmal vergangen, zurück.
Darum benutzt die Zeit; denn flüchtigen Fußes enteilt sie;649
Keine, die folgt, ist so, wie die gewesene, gut.
Hab‘ ich nicht dieses Gestrüpp, jetzt grau, als Violen gesehen?
Hat mir der Dorn da nicht liebliche Kränze gewährt?650

Wenige Zeit nur blüht die Rose; und ist sie vergangen,
Nicht die Rose dann wirst finden du, sondern den Dorn.

Kommen auch wird’s, daß du, die jetzt den Liebenden ausschließt,651

Es erschüttern schon das geschloßne Fenster
Seltner kecke Burschen mit vielen Würfen,
Und benehmen nicht dir den Schlaf; es liebt die
Thüre die Schwelle,
Welche sonst so gern zu bewegen pflegte
Ihre Angeln; minder und minder hörst du:
Während dein Getreuer in langer Nacht stirbt,
Lydia, schläfst du?
Deinerseits wirst weinen ob übermüthger
Buhler alt, verschmäht du im öden Gäßchen &c.

652

Alt und kalt daliegst in der verlassenen Nacht.
Weder in nächtlichem Streit wird dann die Thür dir zerbrochen,
Noch mit Rosen bestreut findest die Schwelle du früh.
Ach, wie so schnell wird leider die Haut durch Runzeln erweitert,
Schwindet die Farbe, die erst hatte das schöne Gesicht!653
Haare, von denen du schwörst, daß grau sie gewesen von klein auf,654
Zeigen sich über den Kopf überall plötzlich gesprengt.
Mit dem Balge zugleich ziehn aus die Schlangen das Alter;
Nicht zum Greise den Hirsch macht das geworfne Geweih.
Unsere Reize entfliehn unhaltbar: pflücket die Blume,655
Die, wird nicht sie gepflückt, schmählich von selber verwelkt.
Auch Geburten verkürzen die Zeit der flüchtigen Jugend.656
Durch fortwährenden Schnitt altert am Ende das Feld.657
Über Endymion nicht auf dem Latmus erröthest du, Luna;658
Über des Céphalus Raub, rosige Göttin, du nicht.659
Sieht man der Venus Adónis auch nach, den noch sie betrauert,660

Ut taceam de te, quem nunc quoque luget, Adoni:
Unde habet Aenean Harmionenque Venus?

661

Ihren Äneas doch hat, ihre Harmónia sie.
Ahme, o sterblich Geschlecht, nur nach der Göttinnen Beispiel:
Euere Freuden versagt nimmer dem brünstigen Mann.
Mag er genießen nun auch, was kostet’s euch? Alles ja bleibt euch.
Nehm‘ er auch tausendmal, darum verliert ihr doch Nichts.
Eisen nützet sich ab; dünn wird vom Gebrauche der Kiesel;
Aushält stets der Theil, hat nicht zu fürchten Verlust.662
Wer verböte, vom Licht, das da steht, Licht zu entnehmen?663
Wer bewahrte der Fluth Fülle im Becken des Meers?664
Und doch spricht noch ein Weib zum Manne: Es ist mir nicht dienlich?665

Det tamen ulla viro mulier non expedit, inquis.

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Sage mir, was für Verlust hast du als Wasserverbrauch?667
Auch giebt Preis euch nicht mein Wort; nur eitle Verluste668

    Damna vetat: damnis munera vestra carent.
Sed me flaminibus venti maioris iturum,
Dum sumus in portu, provehat aura levis.
Ordior a cultu. Cultis bene liber ab uvis
Provenit, et culto stat seges alta solo.
Forma dei munus: forma quota quaeque superbit!
Pars vestrum tali munere magna caret.
Cura dabit faciem; facies neglecta peribit,
Idaliae similis sit licet illa deae.
Corpora si veteres non sic coluere puellae,
Nec veteres cultos sic habuere viros.
Si fuit Andromache tunicas induta valentes,
Quid mirum? duri militis uxor erat.
Scilicet Aiaci coniux ornata venires,
Cui tegumen septem terga fuere boum.
Simplicitas rudis ante fuit; nunc aurea Roma
Edomiti magnas possidet orbis opes.
Aspice, quae nunc sunt Capitolia, quaeque fuerunt:
Alterius dicas illa fuisse Iovis.
Curia, concilii quae nunc dignissima tanti est,
De stipula, Tatio regna tenente, fuit.
Quae nunc sub Phoebo ducibusque Palatia fulgent,
Quid nisi araturis pascua bubus erant?
Prisca iuvent alios; ego me nunc denique natum
Gratulor; haec aetas moribus apta meis.
Non quia nunc terrae lentum subducitur aurum,
Lectaque diverso littore concha venit;
Nec quia decrescunt effosso marmore montes;
Nec quia caeruleae mole fugantur aquae:
Sed quia cultus adest, nec nostros mansit in annos
Rusticitas priscis illa superstes avis.
Vos quoque non caris aures onerate lapillis,
Quos legit in viridi decolor Indus aqua;
Nec prodite graves insuto vestibus auro:
Per quas nos petitis, saepe fugatis, opes.
Munditiis capimur: non sint sine lege capilli.
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    Sollt ihr nicht fürchten: Verlust bringet Gewährung euch nicht.
Doch da segeln ich will mit dem Wehen stärkeren Windes,669
Führe ein sanfterer Hauch erst aus dem Hafen das Schiff.
Mit der Pflege beginn‘ ich. Gepflegt gewähren die Trauben
Wein, und üppige Saat steht im gepflegten Gefild.
Schönheit schenket ein Gott. Wie Wenige prangen in Schönheit!
Wahrlich, dem größeren Theil fehlt es an solchem Geschenk.
Pflege bewirkt Ansehn; Ansehn, versäumet, entschwindet,
Wär‘ es der Göttin auch gleich, die auf Idálium thront.670
Pflegten in ältester Zeit nicht so den Körper die Mädchen,
Hatten sie Männer auch nicht, so auf die Pflege bedacht.671
War Andrómache nur mit starkem Gewande bekleidet,672
War’s ein Wunder? Sie war rauhem Soldaten vermählt.
Freilich dem Ajax, dem Stierhäute sieben zur Deckung673
Dienten, ihm hätte die Frau sollen im Schmucke sich nahn!
Rohe Einfalt herrschte vordem; der bezwungenen Erde674
Große Schätze besitzt jetzo das goldene Rom.
Schaue das Capitol, wie jetzt es ist, wie es gewesen.675
Einem anderen Gott, meintest du, hab‘ es gehört.676
Und die Curia, jetzt so würdig so hoher Versammlung,677
War, als Tatius‘ Hand lenkte das Steuer, von Stroh.
Und das Palatium, das jetzt unter Phöbus und Fürsten678
Schimmert, es bot nur dar Weide dem pflügenden Stier.
Andre erfreue das Alte; ich schätze mich jetzt erst zu leben679

Goldene Tempel erfreuen auch uns, so sehr wir die alten
Billigen; dieser Glanz stehet den Himmlischen an.
Loben wir auch die vergangene Zeit, wir genießen die unsre,

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Glücklich; die jetzige Zeit eignet sich meinem Geschmack.
Nicht weil jetzt das geschmeidige Gold man entziehet der Erde,681
Und die Muschel, gesucht, kommt vom entlegenen Strand;682
Nicht weil durch Entgrabung des Steins abnehmen die Berge,683
Und die bläuliche Fluth wird durch Gebäude verdrängt:
Nein, weil Bildung herrscht, und nicht forterbend die Rohheit684
Unserer Väter gewährt hat bis auf unsere Zeit.
Ihr auch belastet das Ohr euch nicht mit theueren Steinen,685
Die der Indische Mohr sucht in der grünlichen Fluth.686
Tretet auch auf nicht schwer in golddurchwobenen Kleidern.
Solches Geschmeide verscheucht, statt uns zu fesseln, uns oft.
Sauberkeit nimmt uns ein; nicht regellos hange das Haupthaar;

    Admotae formam dantque negantque manus.
Nec genus ornatus unum est: quod quamque decebit,
Eligat; et speculum consulat ante suum.
Longa probat facies capitis discrimina puri:
Sic erat ornatis Laodamia comis.
Exiguum summa nodum sibi fronte relinqui,
Ut pateant aures, ora rotunda volunt.
Alterius crines humero iactentur utroque.
Talis es assumta, Phoebe canore, lyra.
Altera succinctae religetur more Dianae:
Ut solet, attonitas cum petit illa feras.
Huic decet inflatos laxe iacuisse capillos:
Illa sit astrictis impedienda comis.
Hanc placet ornari testudine Cyllenea:
Sustineat similes fluctibus illa sinus.
Sed neque ramosa numerabis in ilice glandes:
Nec quot apes Hyble, nec quot in Alpe ferae:
Nec mihi tot positus numero comprendere fas est.
Adiicit ornatus proxima quaeque dies.
Et neglecta decet multas coma: saepe iacere
Hesternam credas; illa repexa modo est.
Ars casum simulet. Sie capta vidit ut urbe
Alcides Iolen: Hanc ego, dixit, amo.
Talem te Bacchus, Satyris clamantibus Euoe,
Sustulit in currus, Gnosi relicta, suos.
O quantum indulget vestro natura decori.
Quarum sunt multis damna pianda modis!
Nos male detegimur, raptique aetate capilli,
Ut Borea frondes excutiente, cadunt.
Femina canitiem Germanis inficit herbis,
Et melior vero quaeritur arte color.
Femina procedit densissima crinibus emtis,
Proque suis alios efficit aere suos.
Nec rubor est emisse palam: venire videmus
Herculis ante oculos virgineumque chorum.
Quid de veste loquar? Nec vos, segmenta, requiro,
Nec quae bis Tyrio murice lana rubes.
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    Schönheit giebt und benimmt eine geschäftige Hand.
Arten auch giebt es des Schmucks gar viel. Es wähle sich Jede,
Was ihr steht; nur um Rath frage den Spiegel sie erst.
Scheiteln des bloßen Kopfs ist passend dem langen Gesichte:687
Also trug das Haar Laodamia im Schmuck.688
Daß ein kleineres Nest an der Stirn‘ ihr oben verbleibe,689
Frei zu lassen das Ohr, fordert ein rundes Gesicht.
Eine Andere lasse das Haar umflattern die Schultern,
Wie mit dem Saitenspiel Phöbus als Sänger erscheint.
Diese bind‘ es zurück nach Art der geschürzten Diana,690
Wie sie es trägt bei der Jagd auf das erschrockene Wild.
Jener steht’s, wenn locker gebauscht ihr liegen die Haare;691
Diese erscheine, das Haar straff an den Schädel gelegt.
Diese gefällt, geordnet den Zopf in Cyllenischer Leier;692
Jener walle das Haar busig wie Fluthen des Meers.693
Wie du zählen nicht kannst an der Eiche die Eckern, die Bienen694
Nicht auf des Hybla Höhn, noch auf den Alpen das Wild:695
So ist’s möglich mir nicht, die Lagen des Haares zu zählen.696
Andere Arten der Tracht bringet ein jeglicher Tag.697
Auch ein versäumtes Haar steht Vielen. Das gestrige meinst du
Hängen zu sehn; es ist eben nur wieder gekämmt.
Zufall scheine die Kunst. So sah der Alcide und liebte698
Íole, wie er sie sah, als er erobert die Stadt.
So nahm Bacchus dich, du verlassenes Mädchen von Gnossus,699
Auf in den Wagen, indeß schrieen die Sátyrn Juchhei.
O wie ist willfährig Natur für euere Schönheit,
Da ausgleichen ihr könnt Mängel auf vielerlei Art.
Uns deckt schmählich es ab; und geraubt von den Jahren, entfallen,700
Gleich dem Laub bei des Nords Toben, die Haare dem Kopf.
Weiber färben ihr Grau mit Germanischen Kräutern, und beßre701
Farbe verschafft die Kunst, als die natürliche ist.
Weiber gehen einher mit dem dichtesten Zopf, der erkauft ist;
Und zu eigenem Haar machen sie fremdes für Geld.
Offen zu kaufen erröthet man nicht; vor Hercules‘ Augen702
Und vor der Jungfraun Chor sehn wir den Handel geschehn.
Was erwähn‘ ich die Kleidung? Da fehlt es weder an Spitzen,703
Noch an Wolle, getaucht doppelt in Tyrisches Roth.
  1. V. 1 f. Wie der Dichter am Schlusse des vorigen Buches (s. das. zu V. 743) eine spröde Schöne schon eine Amazone genannt hat, so vergleicht er jetzt das ganze Verhältniß zwischen begehrenden Männern und abwehrenden Frauen mit dem Kampfe zwischen den Griechen (Danaern) und den Amazonen im Trojanischen Kriege (s. zu Verw. 12, 611) und sagt folglich, wie er (in den beiden vorhergehenden Büchern) den Männern gezeigt, mit welchen Waffen sie spröde Frauen gewinnen könnten, so wolle er nun auch die Frauen belehren, mit welchen Waffen sie sich gegen die Männer vertheidigen oder überhaupt den Kampf führen sollten. – Für das erste arma giebt ein Theil der Handschriften prima, wo also nach dem zweiten arma der Satz zu schließen und mit supersunt der neue anzufangen ist. Turmae ist ziemlich stark bezeugt, auch von Cod. Reg.; es findet sich aber fast regelmäßig als Variante für turba, und Heinsius hat es öfters für dieses eingeschwärzt. Allerdings sollen die Amazonen, und zwar zuerst, beritten gewesen sein; daraus folgt aber nicht, daß der Dichter hier, wo es blos zur Umschreibung der Amazonen selbst dienen soll = Deine Leute, dein Volk, Penthesilea, auf diesen Umstand habe anspielen wollen. Uns wenigstens sagt es nicht zu, indeß wollen wir den herrschenden Text nicht ändern.
  2. V. 2. Gleich an Waffen.
  3. V. 7 f. Sowohl der Sing. anguem, als besonders rabidae lupae wird von vorzüglichen Quellen bezeugt gegen die entsprechenden Plurale; ebenso rabidus gegen rapidus, gewöhnliche Variante.
  4. V. 11 f. S. zu Verw. 12, 623 und oben II, 399 ff.
  5. V. 13 f. S. zu Verw. 8, 316 und 9, 406 f. Seinen Tod fand der Öclide dadurch, daß sich, während er in dem Kampfe vor Theben auf seinem Gespanne vor einem verfolgenden Feinde mit verhängtem Zügel dahinfuhr, plötzlich die Erde spaltete und ihn mit Roß und Wagen lebendig verschlang. – Die Hdschrften geben, soviel bekannt, Talaonidae. Burmann bemerkt, es müsse Talaionidae geschrieben werden, wie Gronov zu Stat. Theb. II, 141 lehre, wo Talaionides Adrastus, Talaus‘ Sohn, Eriphyles Bruder, heiße. Ob sich Gronovs Belehrung blos auf das einschaltete i bezieht oder auch auf die Form des Patronymicums ides von einer weiblichen Person, wissen wir nicht, da uns das Buch nicht zu Gebote steht, halten aber das letztere für unmöglich und geben nach der Ausgabe des Gryphius v. 1554 Talaioniae ohne zu wissen, ob diese Lsrt auf handschriftlicher Autorität beruht oder nur eine, jedenfalls treffende Vermuthungist. Ob Talaus auch Talaion geheißen habe, oder ion blos eine dichterische Ableitungsform sei, läßt sich nicht entscheiden.
  6. V. 17 f. S. zu Liebeserg. II. 6, 41 und 18, 38.
  7. V. 19 f. Man verbinde: Die Thessalische Gattin erlöste &c. S. zu Verw. 8, 310. – Die ursprüngliche Lsrt des Pentameters ist aus der Menge der Varianten nicht zu ergründen, zumal da die Quellen nicht namentlich angeführt werden. Die Lsrten sind außer der gegebenen proque viro est uxor funere lata viri oder laeta mori oder passa mori oder lecta mori. Burmann findet die Lsrt der Frankf. Hdschrft proque suo est uxor funera passa viro am schönsten. worin wir ihm vollkommen beistimmen.
  8. V. 21 f. Evadne (Iphis‘ Tochter) liebte ihren Gemahl Capaneus (s. zu Verw. 9, 404) so innig, daß sie ihn nicht überleben mochte und, als dessen Leichnam verbrannt wurde, that, was der Dichter hier erzählt. – Ohne alle hdschrftliche Autorität hat Heinsius miscebimur vermuthet und gegeben, das erst von Baumgarten-Crusius in der neueren Ausgabe wieder beseitigt worden ist.
  9. V. 23 f. Tugend ist, wie im Deutschen, ein Wort weiblichen Geschlechts und wird als Gottheit (Virtus) in weiblicher Kleidung dargestellt und verehrt. – Für favet gem. Lsrt placet.
  10. V. 25. Solche Gesinnung, solche Treue und Aufopferung, wie die vorhergenannten Frauen sie bewiesen. – In einem Theile der Hdschrften steht pascuntur, in einer auch gar nicht übel nascuntur.
  11. V. 28. Dies scheint mit der Absicht, jetzt von Wehr und Waffen des weiblichen Geschlechts zu sprechen, im Widerspruche zu stehen. Allein dieser Satz bezieht sich nicht speciell auf den Inhalt des Folgenden, sondern ist blos eine nähere Bestimmung oder weitere Ausführung des vorhergehenden Satzes und geht daher auf Stoff und Inhalt des ganzen Werkes, auf die Liebeskunst überhaupt. – Daher geben wir auch der Lsrt praecipio den Vorzug vor praecipiam, obwohl Letzteres »von den vorzüglicheren« geboten werden soll. Heißt es doch auch im vorhergehenden Satze discuntur, nicht discentur.
  12. V. 29 f. Welche Flammen, welcher Bogen, welches Geschoß zu verstehen sei, bedarf wohl keiner Erklärung. – Discutit ist, auch durch Cod. Reg., zu stark bezeugt gegen excutit, sonst würden wir Letzteres vorziehen unter Berufung auf Met. 7, 17.
  13. V. 33. Colchis‘ Tochter, Medea. S. zu Verw. 7, 394. Ins Äsonische Bett, in das Bett Jasons, des Sohnes des Äson. – Phasida iam matrem giebt Ed. pr. mit drei Hdschrften, mehrere Phasiadem, sehr viele, darunter auch Reg., Phasideam. Als unecht ist jedenfalls auch anzusehen in Cod. Reg. toros für sinus, welches Letztere von allen übrigen beglaubigt wird. Daß wir jedoch sinus hier nicht wörtlich übersetzen konnten, wird der Kundige leicht begreifen.
  14. V. 35 f. Vgl. oben I, 527 ff.
  15. V. 37 f. Auch Phyllis war ein Opfer nicht gehaltenen Wortes, und ein Denkmal ihres Todes ist noch vorhanden. An der Thracischen Küste war nämlich eine Örtlichkeit Neueweg genannt. Dieser Name sollte daher rühren, daß Phyllis an dem Tage, wo sie ihres geliebten Demophoon Rückkehr erwartete, neunmal an den Strand lief und beim neunten Male ihren Tod durch Verwandlung in einen entlaubten Baum fand. S. zu Liebeserg. II, 18, 22. Ausführlich erzählt die Sache unser Dichter Mittel w. d. Liebe V. 591 ff., erwähnt des hierher besonders gehörigen Umstandes aber auch ebend. V. 55 f. Auf die Verwandlung in einen entlaubten Baum bezieht sich wahrscheinlich der Ausdruck im Pentameter, wiewohl auch sonst Wälder mit geschorenem Haar, Zeichen der Trauer bei Menschen, als Beweis tiefer und allgemeiner Trauer der Natur angeführt werden. Vergl. z. B. Verw. 11, 46. – Dies ist der Sinn dieser Stelle, soviel den ersten Satz anlangt, nach der auf die Lsrt des Cod. Reg. gegründeten Vermuthung Heinsiussens. Die Hdschrften weichen nämlich außerordentlich ab, als
  16. Hiernach [8.] hat nun Heinsius für vices viae vermutet, gestützt auf Hygin, der da erzählt, daß Phyllis, als Demophoon am bestimmten Tage nicht gekommen sei, neunmal an den Strand gelaufen wäre, welcher seitdem Enneodos griechisch genannt werde. Auch Hesychius und Andere erwähnen des Orts mit εννέα δρόμοι. Wie die jetzt in den Ausgaben herrschende Lsrt unter 2 zu erklären ist, will uns nicht einleuchten, wenn man es nicht als eine sprichwörtliche Redensart auffassen will in dem Sinne: frage warum man sagt, also woher der Ausdruck, das Sprichwort rührt neun Wege gehen, oder mit vices neunmal gehen.
  17. V. 39 f. S. zu Verw. 14, 441 und 78; auch zu Liebeserg. II, 18, 31. – Wieder (vergl. oben II, 648) hat Heinsius auf die Autorität zweier ungenannten Hdschrften at als »richtiger« für et aufgebracht, Baumgarter-Crusius aber erst in der neuern Ausg. wieder beseitigt.
  18. V. 49 f. Der Griechische Dichter Stesichorus (aus Himera in Sicilien) schrieb Anklage und dann wieder Lobeserhebungen der Helena (des Therapnischen Weibes, so genannt, weil sie zu Therapne in Laconica geboren war).
  19. V. 51. A. L. si bene te nosti; Reg. si b. te monui
  20. V. 52. Vivis geben alle Hdschrften, und die kurze Silbe findet Entschuldigung durch Arsis und Cäsur. Vergl. Met. 12, 127. Heinsiussens Vermuthung vives ist also unbegründet und unnöthig.
  21. V. 53. Reicht‘ aus der Myrte &c. Symbol der Mittheilung dichterischer Begeisterung und Weihe. – Für vincta einige cincta, einzeln auch nexa, wie Am. I, 2, 23.
  22. V. 55. In einigen Hdschrften acceptum, dann in zweien clarior.
  23. V. 57 f. Während noch wirkt der Geist in Folge der empfangenen Begeisterung. Denen &c. s. oben I, 31. II. 599. n. Anmerkungen. – Für facit (vergl. Trist. III, 8, 23) geben viele Quellen favet, eine auch valet. Unbegreiflicher Weise nimmt Burmann Anstoß an quas, glaubt kaum, daß es sprachlich richtig sei, und will quae auf praecepta bezogen lesen. Für iura sinunt liest Reg. vita (worin Heinsius vitta vermuthet) sinit.
  24. V. 61. Die wirklichen Jahre noch angebt, nämlich vor dem Censor; s. oben zu II, 664. – Wir freuen uns, nach der Angabe der Lsrt des Cod. Reg. etiamnum reciditis die richtige Form des ersteren Wortes für das in allen Ausgaben herrschende etiam nunc herstellen zu können. S. Kritz zu Sall. Cat. 2.
  25. V. 63. Rursum in einem Theile der Hdschriften für iterum verdankt seinen Ursprung sicher nur der Absicht die letzte Silbe des vorhergehenden praeteriit positionslang zu machen. S. zu Verw. 1, 660.
  26. V. 65. Eine Hdschrft volvitur, zwei hora.
  27. V. 68. Der Dorn, der Rosenstock, an dem blos die Dornen noch vorhanden sind. Vielleicht eine Benutzung dieser Stelle ist ein Distichon in der Griechischen Anthologie:
  28. V. 69 ff. Wahrscheinlich hat unserem Dichter vorgeschwebt Horat. Od. I, 25, an Lydia:
  29. In der verlassenen Nacht; es ist dichterisch auf die Nacht übergetragen, was sich auf die Person bezieht. Noch mit Rosen &c.; vergl. Liebeserg. I, 6, 67 und oben II, 528.
  30. V. 74. Für nitido geben einige Hdschriften niveo, hier schwerlich passend.
  31. V. 75 f. Du wirst plötzlich graue Haare bekommen, aber, um nicht merken zu lassen, daß sie Anzeichen des Alters sind, schwören, daß du von Jugend auf solche Haare gehabt hättest. – Juresgeben die meisten Hdschrften nebst Ed. pr. gegen iuras. Bemerkenswert ist ab origine in Cod. Pal.. Ob subitae handschriftlich begründet ist, läßt sich nicht bestimmen; Heinsius sagt nur, man solle subitae für subito lesen.
  32. V. 79. A. Lesart vestra.
  33. V. 81. So gewählt seniora, das Reg,, Exc. Pol. und einige andere Quellen, auch Ed. pr. geben und Burmann billigt, auf den ersten Blick scheint; so halten wir es doch nicht für echt, erstens weil gleich senescit folgt und der gewandte Ovid schwerlich den fast gleichen Ausdruck zweimal nach einander gesetzt hat, und zweitens weil breve oder brevius facere tempus wohl zu einer Erklärung veranlassen konnte, welche mit seniora zu geben einen gelehrten Schreiber oder Leser eben das folgende und darunter stehende senescit bestimmen konnte.
  34. V. 82. Durch fortwährenden Schnitt, d. h. Ernte, wie es im Original allerdings deutlicher heißt.
  35. V. 83. S. zu Liebeserg. I, 13, 43.
  36. V. 84. S. zu Verw. 7, 493. 700 ff. Rosige Göttin, Aurora.
  37. V. 85 f. Um von der Liebe der Venus zu Adonis (s. Verw. 10,520 ff.) zu schweigen, von dem sie nicht gebar, so ist um so mehr ihrer Liebschaft mit Anchises, von welchem sie den Äneas, ihrer Liebschaft mit Mars, von dem sie die Harmonia gebar, zu gedenken. – So giebt dieses Distichon Cod. Reg., der für dieses Gedicht die erste und vorzüglichste Quelle ist, nur mit ponetur, dessen Berichtigung in donetur Heinsiussens Verdienst ist. In allen übrigen Hdschrften lautet es.
  38. nur mit der gewöhnlichen Variante Hermionen. Daß durch diese Fassung die ursprüngliche erklärt werden sollte, ist einleuchtend, wenn man nicht annehmen will, daß der Dichter selbst eine doppelte Fassung gegeben habe.
  39. V. 92. Der Theil, der bei dem Genusse in Frage kommende Theil des Körpers.
  40. V. 93. Niemand hat etwas dawider oder verliert etwas, wenn an seinem Lichte ein anderes angezündet wird. – Auf das Zeugniß einer einzigen Quelle giebt Heinsius quid für quis und führt zu Her. 10, 88, worauf er sich hier beruft, eine Fluth von Beispielen für quid vetat an, als ob dadurch bewiesen würde, daß es auch hier so heißen müsse. Nach unserer Meinung ist hier, abgesehen von der Autorität der Hdschriften, die persönliche Beziehung passender als das Sächliche.
  41. V. 94. Wer bewahrte, d. h. wäre auf Erhaltung bedacht. – Wenn sich auch cavum findet, so hat man sich wahrscheinlich nicht getraut mare für den Ablativ zu nahmen. Als solcher steht es aber unzweifelhaft Trist. V. 2, 20. Vergl. auch Met. 15, 743.
  42. V. 95. So einfach und dem Zusammenhange entsprechend der Sinn diesem Worte erscheint, so wollte doch Heinsius gar keinen darin finden, nur, man kann nicht anders denken, um zu ändern, oder um den besonderen Gebrauch des absoluten dare anzubringen und nachzuweisen. Denn der von ihm den Hdschrften zum Trotz, wie er selbst sagt, fabricirte Text
  43. giebt gerade denselben Sinn: Dennoch sagst du, es ist nicht zuträglich, daß irgend ein Weib dem Manne gewährt. Auch Micyll, nachdem er die richtige Erklärung des hdschrftlichen Textes nach Merula, der übrigens oft kläglich fehlschießt, gegeben hat, irrt sprachlich und sachlich, wenn er, non mit dem Hauptsatze verbindend, expedit als Äußerung des Weibes annimmt und erklärt: es giebt kein Weib, das sich selbst anböte, und nicht irgend einen Verlust oder Nachtheil vorschützte.
  44. V. 96. S. zu Liebeserg. III, 7, 84.
  45. V. 97 f. Ich verlange nicht, daß ihr euch Preis geben, selbst anbieten sollt; ihr sollt nur nicht ohne Grund Verluste fürchten. – Einige wenige Quellen geben munera nostra, auf die Lehren des Dichters bezogen.
  46. V. 99. Ich will bei dern Geringfügigeren anfangen, um dann das Wichtigere folgen zu lassen.
  47. V. 106. Idalium s. in unsrem Index z. Verw.
  48. V. 108. So auf die Pflege bedacht, die so auf die Pflege bedacht waren, wie die jetzigen. – Gem. Lsrt. cultus viri; die gegebene wird von Reg., Neap. und zwei anderen bezeugt.
  49. V. 109. Valentes ist ohne Zweifel das Richtige und von Micyll richtig erklärt grob und dick. Die gemeine Lsrt ist nämlich vagantes, außerdem einzeln volantes, volentes, squalentes, die sämmtlich auf valentes führen, keineswegs auf fluentes, wie Heinsius, diesmal sehr unglücklich, vorgeschlagen hat.
  50. V. 111 f. S. zu Verw. 12, 96. – Wir haben zwar in der dritten Person übersetzt, den Text aber in der zweiten gegeben, wie ihn Reg. mit einigen andern bezeugt. Nach demselben Reg. und einem Ambr. haben wir tegumen für tegimen oder tegmen der übrigen aufgenommen. Möglich, daß der Dichter, wo er von dem alten rauhen Helden spricht, auch die alte Form gewählt hat. Vergl. Verw. 13, 96.
  51. V. 113 f. Die gewöhnliche Lsrt ist nunc aurea Roma est Et domiti etc. Nun fehlt in einigen Hdschrften est, und Cod. Linc., welcher einer der besten ist, hat Edomiti. Hiernach hat Heinsius mit großer Wahrscheinlichkeit den Text constituirt, wie wir denselben gegeben.
  52. V. 115. S. zu Verw. I, 561.
  53. V. 116. Man sollte glauben, daß es gar nicht demselben Jupiter, sondern einem ganz anderen, minder erhabenen, einem armseligen, geweiht gewesen wäre. – Auch hier hat Cod. Linc. allein wieder die richtige Lsrt dicas für dices aller übrigen erhalten. Baumgarten-Crusius hat zwar in der neueren Ausg. dices hergestellt, wir können jedoch diese Bestimmtheit des Ausdrucks hier nicht recht passend finden.
  54. V. 117. S. zu Verw. 15, 801 sowie zu 14, 801. – Wie gewöhnlich in den Hdschrften, sind auch hier concilium und consilium verwechselt. Vergl. Met. 1, 167. Wenn sodann nicht nur mehrere alte Ausgaben, sondern auch mehrere der besten Hdschrften, darunter Reg. und Arond., den Genitiv für den Ablativ bezeugen, so halten wir diesen hier, wie Trist IV, 3, 57, für ursprünglich und nehmen ihn ohne Bedenken auf.
  55. V. 119. S. zu Verw. 1, 170. 15, 865. Unter Phöbus und Fürsten, unter dem Tempel des Phöbus und dem Palaste des Augustus. Durch die Zusammenstellung mit Phöbus wird eine schmeichelnde Gleichstellung des Augustus mit dem Gotte beabsichtigt; denn Augustus ist unter den Fürsten zu verstehen. Möglich, aber nicht nothwendig ist es, den Plural, wie Burmann meint, auf Cajus und Lucius Cäsar mit zu beziehen, oder, wie wir noch passender finden, an des Augustus Haus und Familie überhaupt dabei zu denken.
  56. V. 121. Ovid gehörte nicht zu den Freunden der alten Zeit, wenn er auch bisweilen in das Lob derselben einstimmte.
  57. sagt er ausdrücklich Festkal. I, 223 ff.
  58. V. 123. Geschmeidig wird das Gold genannt, insofern es sich zur Verarbeitung, besonders in Kleiderstoffe eignet. S. nachher V. 131. – Für lentum haben einige Hdschrften nicht übel laetum, eine tectum.
  59. V. 124. Ob mit der Muschel Perlen gemeint sind, wie die Ausleger erklären, auch einige Hdschrften mit bacca für concha zu erkennen geben, oder der Purpur, getrauen wir uns nicht zu entscheiden, möchten aber eher das Letztere glauben, da der Verfasser nach dem vorhergehenden Verse hier an prachtvolle Kleidung gedacht zu haben scheint, nicht an Hals- oder Ohrenschmuck.
  60. V. 125 f. Nicht weil Berge geebnet und Paläste ins Meer gebaut werden, also überhaupt nicht wegen des herrschenden Luxus. Was der Verfasser hier sagt, ist nicht etwa dichterische Übertreibung. Sallust sagt (Cap. 12). Man hat Häuser und Landgüter wie Städte. (Cap. 13) Wer es nicht gesehen hat, dem ist es unglaublich. Von mehreren Privatleuten sind Berge ausgerottet, Meere angelegt worden. Es ist, als ob sie nur ihr Spiel mit dem Reichthume trieben. (Cap. 20, 11) Man vergeudet den Reichthum in Bebauung des Meeres (mit Häusern &c.) und Ebnen der Berge. Vergl. auch oben zu I, 171.
  61. V. 127 ff. Ihr auch, ist der Zusammenhang im Anschlusse an Vers 105, pflegt euren Körper, aber nicht mit prachtvollem Schmuck, sondern &c.
  62. V. 129. Der Luxus im Ohrenschmucke war ungeheuer. Vergl. oben zu I, 432. Schönheitsmittel 22. – Gem. Lsrt. ornate.
  63. V. 130. Der Indische Mohr ist freilich dem Originale nicht ganz entsprechend, aber doch besser als etwa der Inder entstellt oder entfärbt, gebräunt &c. Vergl. Verw. 4, 21. – Für decolor geben zwei Quellen discolor. S. jedoch die ang. Stelle, sowie Trist V, 3, 24.
  64. V. 137 ff. Vergl. überhaupt zu Liebeserg. I. 14, 13. Scheiteln des bloßen Kopfes, d. h. Scheiteln des Haares in zwei Hälften ohne allen Schmuck.
  65. V. 138. S. zu Liebeserg. II, 18, 38 u. vergl. die Bemerkung oben zu II, 699.
  66. V. 139 f. Ein kleineres, nicht zu umfängliches Nest müssen wir unter dem kleinen Knoten des Originals verstehen, nicht, wie Heinsius erklärt, mehrere kleine Ringe oder Ringellocken. – In dem Beiwort exiguus liegt auch der Grund für die Unzulässigkeit der Lsrt ne pateant in der Ausgabe Micylls und am Rande der Bersmannschen Ausgabe.
  67. V. 143. Vergl. Verw. 3, 170, auch 8, 319.
  68. V. 145. Huic bezeugt Cod. Reg. nebst zwei anderen gegen die gem. Lsrt. hanc; und wieder bezeugt derselbe Codex V. 147 hanc gegen huic aller übrigen.
  69. V. 147. In Cyllenischer Leier, so daß das Haar in zwei Flügeln, ähnlich einer Bandschleife, emporsteht. Durch das Beiwort Cyllenisch ist nämlich diejenige Form der Leier oder Cither ausgedrückt, welche in zwei Hörner ausläuft, für deren Erfinder der auf dem Berge Cyllene geborene Mercurius galt. Doch kann in dem Lateinischen Ausdrucke der Hauptbegriff auch die Schildkrötenform sein. Denn über eine Schildkrötenschaale soll der Erfinder zuerst die Saiten gespannt haben.
  70. V. 148. Für sinus geben zwei Quellen comas. Vergl. Am. I, 14, 26.
  71. V. 149. Ohne Noth will Heinsius numeraris lesen. Dann schwanken, wie häusig, die Hdschrften zwischen glandes und frondes.
  72. V. 150. Des Hybla Höhn; s. zu Liebeserg. I, 12, 10.
  73. V. 151. Gem. Lsrt cultus für positus.
  74. V. 152. Die Mode schon in aller Macht!
  75. V. 155. So sah &c.; s. zu Verw. 9, 136. – In den meisten Quellen fehlt unrichtig ut und steht dafür in, andere haben ut nach capta und dann in; nur Reg. mit noch zwei anderen hat den Text, wie wir ihn gegeben. Dagegen giebt derselbe Codex den Anfang des Distichons fehlerhaft ars casus similis.
  76. V. 157 f. S. oben I, 527 ff.
  77. V. 161 f. Kahlköpfe waren bei den Römischen Männern nicht selten, vielleicht weil sie für gewöhnlich keine Kopfbedeckung trugen, und Perrücken für Männer scheinen nicht bekannt gewesen zu sein.
  78. V. 163 ff. S. Liebeserg. I, 14, 1. 44 ff. n. Anmerkungen. Mit Germanischen Kräutern, mit dem Mittel, mit welchem die Germanischen Weiber ihre Haare roth oder gelb färben. Ob diese Pomade oder Seife wirklich aus Kräutern zusammengesetzt war, wie der Wortlaut hier besagt, oder ob unter den Kräutern wirksame Stoffe überhaupt zu verstehen sind, läßt sich nicht entscheiden, Martial gebraucht den Ausdruck Schaum (spuma), oder Kugel (pila) von der Form.
  79. V. 167 f. Vor Hercules Augen &c, d. h. vor dem Tempel des Hercules und der Musen. S. Festkal. VI, 800 ff. Um die Tempel waren sehr gewöhnlich Verkaufsplätze, Buden &c. – Für rubor findet sich die gewöhnliche Variante pudor auch hier. Dann geben viele Quellen venisse für emisse, wahrscheinlich von dem folgenden venire veranlaßt. Zwei Hdschrften ziehen palam, dem Sinne nach gleich passend, zum folgenden Satze.
  80. V. 169. Spitzen haben wir übersetzt weniger der eigentlichen Bedeutung des Wortes, als der Art der Anwendung und dem Werthe entsprechend, ohne jedoch vollkommen diejenige Vorstellung ausdrücken zu können, die der Römische Leser damit verband. Das Lateinische Wort (segmentum) heißt eigentlich ein Schnitt, ein abgeschnittenes Stück. Frauenkleider nun wurden an den Säumen, dann auch an der Schleppe (s. zu Liebeserg. III, I3, 23) überhaupt mit Goldplättchen besetzt, und diese hießen vorzugsweise Schnitte oder Schnittchen. Man verband also mit dem Worte die Vorstellung, daß sie aus Gold und werthvoll waren. Dem Wortlaute, der Anwendung und dem Werthe nach sind unsere Spitzen sehr ähnlich. – Gem. Lsrten de Tyrio und rubet.
Cum tot prodierint pretio leviore colores,
Quis furor est census corpore ferre suo?
Aeris ecce color, tum cum sine nubibus aether,
Nec tepidus pluvias concitat Auster aquas!
Ecce tibi similis, qui quondam Phryxon et Hellen
Diceris Inois eripuisse dolis!
Hic undas imitatur, habet quoque nomen ab undis:
Crediderim nymphas hac ego veste tegi.
Ille crocum simulat: croceo velatur amictu,
Roscida luciferos cum dea iungit equos;
Hic Paphias myrtos; hic purpureas amethystos,
Albentesve rosas, Threiciamve gruem.
Nec glandes, Amarylli, tuae, nec amygdala desunt;
Et sua velleribus nomina cera dedit.
Quot nova terra parit flores, cum vere tepenti
Vitis agit gemmas pigraque cedit hiems:
Lana tot aut plures succos bibit. Elige certos:
Nam non conveniens omnibus omnis erit.
Pulla decent niveas: Briseida pulla decebant;
Cum rapta est, pulla tum quoque veste fuit.
Alba decent fuscas: albis, Cephei, placebas;
Sic tibi vestitae pressa Seriphos erat.
Quam paene admonui, ne trux caper iret in alas,
Neve forent duris aspera crura pilis!
Sed non Caucasea doceo de rupe puellas,
Quaeque bibant undas, Myse Caice, tuas.
Quid, si praecipiam, ne fuscet inertia dentes,
Oraque suscepta mane laventur aqua?
Scitis et inducta candorem quaerere cera;
Sanguine quae vero non rubet, arte rubet.
Arte supercilii confinia nuda repletis,
Parvaque sinceras velat aluta genas.
Nec pudor est oculos tenui signare favilla,
Vel prope te nato, lucide Cydne, croco.
Est mihi, quo dixi vestrae medicamina formae,
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205

Da der Farben so viel vorhanden geringeren Preises,
Ist’s nicht rasend, am Leib Habe zu tragen und Gut?704

Frauen gehen einher mit der Habe bekleidet der Enkel.

705

Siehe, die Farbe der Luft, wann ohne Wolken der Himmel,706
Und der lauliche Süd nicht sie mit Regen erfüllt!
Siehe die Farbe, die ähnlich ist dir, der Phryxus und Helle707
Einst du der Ino List habest, erzählt man, entrückt!
Die ist ähnlich den Wogen und hat von den Wogen den Namen.708
Nymphen bedecken sich wohl, mein‘ ich, mit solchem Gewand.
Die stellt Safran dar; ein safranfarbenes Kleid schmückt,
Wann sie ihr leuchtend Gespann schirret, die Göttin des Thaus.709
Purpurnem Amethyst gleicht die, die Paphischer Myrte;710
Weißen Rosen die, Thracischen Kranichen die.
Mandeln gebrechen auch nicht, noch deine Frucht, Amarýllis;711
Seinen Namen auch gab flockiger Wolle das Wachs.712
So viel Blumen die Erde erzeugt, wann Knospen der Weinstock
Treibt, und des Winters Frost weichet dem sonnigen Lenz:713
So viel oder noch mehr trinkt Farben die Wolle. Gewisse714
Wähle denn aus: nicht ist jede für Jede gemacht.715
Schwarz steht schneeiger Haut. Schwarz stand der Tochter des Brises;716
Als sie geraubt ward auch, trug sie ein schwarzes Gewand.717
Weiß steht dunkeler Haut. Weiß, Cepheus‘ Tochter, gefielst du.718
So warst an du gethan, als du Seríphus betratst.
Wie fast hätt‘ ich gewarnt, daß gräulicher Bock in die Achseln719

Schaden verursacht dir ein übles Gerede, nach welchem
Unter den Achseln dir soll hausen ein gräulicher Bock.

720

Euch nicht komme, nicht rauch strotze von Haaren das Bein!
Aber ich spreche ja nicht zu Mädchen von Caucasus‘ Felsen,721
Oder die Mysiens Strom, wilder Caícus, du tränkst.
Wie, wenn lehren ich wollte, nicht schwarz die Zähne vor Trägheit
Werden zu lassen und früh aus euch zu spülen den Mund?
Weiß auch euch wißt ihr zu machen mit aufgetragenem Wachse;722
Die nicht wirkliches Blut röthet, die röthet die Kunst.
Künstlich füllet ihr aus die nackenden Grenzen der Brauen,723
Hüllt das natürliche Lid ein in ein niedliches Fell;
Schämt euch zu zeichnen auch nicht mit gestoßener Asche die Augen,
Oder mit Safran, an dir, schimmernder Cydnus, erzeugt.
Nicht umfänglich, doch groß an Sorgfalt, hab‘ ich ein Büchlein,724

    Parvus, sed cura grande libellus opus.
Hinc quoque praesidium laesae petitote figurae:
Non est pro vestris ars mea rebus iners.
Non tamen expositas mensa deprendat amator
Pyxidas: ars faciem dissimulata iuvat.
Quem non offendat toto faex illita vultu,
Cum fluit in tepidos pondere lapsa sinus?
Oesypa quid redolent, quamvis mittatur Athenis,
Demtus ab immundo vellere succus ovis?
Nec coram mistas cervae sumsisse medullas,
Nec coram dentes defricuisse probem.
Ista dabunt faciem, sed erunt deformia visu.
Multaque, dum fiunt turpia, facta placent.
Quae nunc nomen habent operosi signa Myronis,
Pondus iners quondam duraque massa fuit.
Annulus ut fiat, primo colliditur aurum;
Quas geritis vestes, sordida lana fuit.
Cum fieret, lapis asper erat, nunc nobile signum,
Nuda Venus madidas exprimit imbre comas.
Tu quoque dum coleris, nos te dormire putemus:
Aptius a summa conspiciere manu.
Cur mihi nota tuo causa est candoris in ore?
Claude forem thalami! Quid rude prodis opus?
Multa viros nescire decet: pars maxima rerum
Offendat, si non interiora tegas.
Aurea quae pendent ornato signa theatro,
Inspice, quam tenuis bractea ligna tegat.
Sed neque ad illa licet populo, nisi facta, venire:
Nec nisi summotis forma paranda viris.
At non pectendos coram praebere capillos,
Ut iaceant fusi per tua terga, veto.
Illo praecipue, ne sis morosa, caveto
Tempore; nec lapsas saepe resolve comas.
Tuta sit ornatrix. Odi, quae sauciat ora
Unguibus et rapta brachia figit acu.
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    Wo die Mittel ich dar euerer Schönheit gelegt.
Da auch holet euch Rath für verblichene Reize; es wird nicht725
Unnütz meine Kunst euren Bedürfnissen sein.
Aber es finde der Mann die Büchsen nicht auf dem Tische726
Ausgekramt; dem Gesicht dienet verheimlichte Kunst.
Wen beleidigte nicht ein Gesicht in Schminke getaucht ganz,
Daß sie durch Schwere entschlüpft fließt in den Busen herab?
Warum Ösypgeruch? Und wird er geschickt von Athen auch,727
Saft vom unsauberen Vließ ist es genommen des Schaafs.
Offen auch nicht das bereitete Mark zu nehmen der Hirschkuh728
Rathe, die Zähne auch euch offen zu putzen ich nicht.
Das giebt Ansehn wohl, doch ist es häßlich zu sehen.729
Vieles, das, wann es geschieht, garstig, gefällt uns geschehn.
Myrons Meistergebilde von jetzt hochrühmlichem Namen730
Waren untaugliche Last, starrende Klumpen zuvor.
Daß sich gestalte ein Ring, schlägt erst das Gold man zusammen;731
Euere Kleidung war schmutzige Wolle vorher.
Als sie entstand, war rauhes Gestein, jetzt edeles Standbild732
Venus, die nackend entpreßt triefenden Locken die Fluth.
Auch wann dich man schmückt, magst uns für schlafend du gelten;733
Erst mit der letzten Hand lasse dich sehen vor uns.734
Wozu weiß ich, woher das Weiß in deinem Gesichte?735
Was zeigst roh du das Werk? Schließe die Thür des Gemachs.736
Vieles ja darf nicht wissen der Mann, da euere Dinge
Meist anstößig, wofern nicht ihr das Innre verhüllt.737
Siehe die goldenen Bilder, die schweben im prächt’gen Theater;738
Schaue, wie dünnes Blech da nur bekleidet das Holz!
Gleichwie diesen das Volk nicht nahn darf, ehe sie fertig,
Darf sich auch schmücken das Weib nur nach Entfernung des Manns.
Doch nicht wehr‘ ich das Haar vor dem Manne zum Kämmen zu bieten,739
Daß es dir walle zerstreut über den Rücken hinab.740
Hüte zu der Zeit ja vor Allem dich, daß du nicht mürrisch
Seist, und reiße nicht ein oft das geordnete Haar.741
Sicher sei die Zofe. Verhaßt ist mir, die mit den Nägeln742
Kratzt ins Gesicht und den Arm zornig mit Nadeln zersticht.
Devovet et dominae tangit caput illa, simulque
Plorat ad invisas sanguinolenta comas.
Quae male crinita est, custodem in limine ponat,
Orneturve Bonae semper in aede Deae.
Dictus eram cuidam subito venisse puellae:
Turbida perversas induit illa comas.
Hostibus eveniat tam foedi causa pudoris,
Inque nurus Parthas dedecus illud eat.
Turpe pecus mutilum, turpis sine gramine campus,
Et sine fronde frutex, et sine crine caput.
Non mihi venistis, Semele Ledeve, docendae;
Perque fretum falso, Sidoni, vecta bove;
Aut Helene, quam non stulte, Menelae, reposcis,
Tu quoque non stulte, Troie raptor, habes.
Turba docenda venit, pulcrae turpesque puellae:
Pluraque sunt semper deteriora bonis.
Formosae minus artis opem praeceptaque curant:
Est illis sua dos, forma sine arte potens.
Cum mare compositum est, securus navita cessat;
Cum tumet, auxiliis assidet ille suis.
Rara tamen mendo facies caret: occule mendas,
Quamque potes, vitium corporis abde tui.
Si brevis es, sedeas, ne stans videare sedere;
Inque tuo iaceas quantulacumque toro.
Hic quoque ne possit fieri mensura cubantis,
Iniecta lateant fac tibi veste pedes.
Quae nimium gracilis, pleno velamina filo
Sumat; et ex humeris laxus amictus eat.
Pallida purpureis tingat sua corpora virgis;
Nigrior, ad Pharii confuge piscis opem.
Pes malus in nivea semper celetur aluta,
Arida nec vinclis crura resolve suis.
Conveniunt tenues scapulis analectrides altis;
Inflatum circa fascia pectus eat.
Exiguo signet gestu, quodcumque loquetur,
Cui digiti pingues et scaber unguis erunt.
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Jene verwünscht das Haupt der Herrin, sowie sie es anrührt,
Bei dem verhaßten Haar jammernd und triefend von Blut.
Wache sich stell‘ an die Thür und laß‘ in der gütigen Göttin
Tempel sich machen das Haar Eine, die übel behaart.743
Einem Mädchen einmal war plötzlich gemeldet ich worden;
In der Verwirrung verkehrt setzte die Haare sie auf.
Feinde betreffe das Loos, so schmählich sich schämen zu müssen;744
Und derartiger Schimpf fall‘ auf die Parthischen Fraun!
Häßlich ist kahles Vieh, das Feld auch ohne Begrasung,745
Unbelaubt das Gesträuch, ohne Behaarung der Kopf.
Nicht die Sidonierin, die der fälschliche Stier durch die Fluth trug,746
Leda und Sémele nicht kamen zu lernen zu mir.
Hélena nicht, die wieder verlangt nicht dumm Meneláus,
Aber auch du nicht dumm, Troischer Räuber, behältst.
Lehre verlangt nur die Menge, so schöne wie häßliche Mädchen;
Und des Garstigen giebt’s Mehr als des Guten doch stets.747
Minder um Hülfe der Kunst und Lehren bekümmern sich Schöne;748
Schönheit ist ihr Theil, mächtig auch ohne die Kunst.749
Wann beruhigt das Meer, dann sorglos feiert der Schiffer;750
Schäumt es, so wendet er auf sämmtliche Mittel der Kunst.
Selten jedoch ist frei ein Gesicht von Makeln: verbirg sie,
Und verstecke des Leibs Fehler, soviel du vermagst.
Sitze, wenn klein du bist; sonst scheinst du stehend zu sitzen;
Strecke auf deinem Pfühl aus dich, so lange du bist.751
Und damit man auch hier im Liegen dich messen nicht könne,
Sorge, daß unter dem Kleid bleiben die Füße versteckt.
Eine, die gar zu schlank, muß Hüllen von dickerem Faden
Nehmen, ihr hänge das Kleid schlaff von der Schulter herab.
Bist du blaß, so färbe den Leib mit purpurnen Streifen;752
Schwarz, so suche dafür Hülfe beim Pharischen Fisch.753
Einen übelen Fuß birg immer in schneeigem Leder,754
Und den Banden entnimm nimmer ein mageres Bein.
Dünne Wattirungen sind bei Schultererhöhungen passend;755
Um die strotzende Brust schlinge ein Band sich herum.756

Fascia, crescentes dominae compesce papillas,
Ut sit quod capiat nostra tegatque manus.

Fascia, halte zurück die wachsenden Warzen der Herrin,
Auf daß unsere Hand fassen und decken sie kann,

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Taurino poteras pectus constringere tergo;
Nam pellis mammas non capit ista tuas.

Mit Stierhaut wohl konntest die Brust zusammen du schnüren.
Deine Brüste ja faßt nicht so ein Leder wie dies.

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Mit nur geringer Geberde begleite, was immer sie spreche,760
Deren Finger zu fett sind und die Nägel zu rauh.761

Cui gravis oris odor, numquam ieiuna loquatur
Et semper spatio distet ab ore viri.
Si niger aut ingens aut non erit ordine natus
Dens tibi, ridendo maxima damna feres.
Quis credat? discunt etiam ridere puellae,
Quaeritur atque illis hac quoque parte decor.
Sint modici rictus parvaeque utrimque lacunae,
Et summos dentes ima labella tegant.
Nec sua perpetuo contendant ilia risu,
Sed leve nescio quid femineumque sonet.
Est quae perverso distorqueat ora cachinno;
Cum risu laeta est altera, flere putes.
Illa sonat raucum quiddam atque inamabile ridet,
Ut rudit ad scabram turpis asella molam.
Quo non ars penetrat? discunt lacrimare decenter,
Quoque volunt plorant tempore quoque modo.
Quid, cum legitima fraudatur litera voce,
Blaesaque fit iusso lingua coacta sono?
In vitio decor est, quaedam male reddere verba:
Discunt posse minus, quam potuere, loqui.
Omnibus his, quoniam prosunt, impendite curam.
Discite femineo corpora ferre gradu.
Est et in incessu pars non temnenda decoris:
Allicit ignotos ille fugatque viros.
Haec movet arte latus tunicisque fluentibus auras
Excipit, extentos fertque superba pedes.
Illa velut coniux Umbri rubicunda mariti
Ambulat, ingentes varica fertque gradus.
Sed sit, ut in multis, modus hic quoque: rusticus alter
Motus in incessu, mollior alter erit.
Pars humeri tamen ima tui, pars summa lacerti
Nuda sit, a laeva conspicienda manu.
Hoc vos praecipue, niveae, decet. Hoc ubi vidi,
Oscula ferre humero, qua patet, usque libet.
Monstra maris Sirenes erant, quae voce canora
Quamlibet admissas detinuere rates.
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310

 

Der aus dem Munde es riecht, die hüte sich nüchtern zu sprechen
Und steh‘ immer ein Stück ab vom Gesichte des Manns.
Wenn die Zähne dir schwarz, zu groß sind, oder nicht richtig
Stehen; so wirst du viel Schaden durch Lachen dir thun.
Ja – wer sollte es glauben? – es lernen auch Lachen die Mädchen;
Und hierinnen auch sucht man für die Schönheit Gewinn.
Mäßig nur öffnet den Mund, daß kleine Grübchen entstehen;762
Und das Zahnfleisch sei stets von den Lippen bedeckt.
Spannet den Leib auch nicht in unaufhörlichem Lachen;
Sanft nur, ich weiß nicht wie, klinge und weiblich der Ton.763
Manche verziehn das Gesicht beim Lachen wol bis zur Verzerrung;
Andere weinen, so scheint’s, sind sie im Lachen vergnügt.764
Heiser erschallt bei Andern und gar unlieblich das Lachen,765
Wie bei der Mühle Geknarr häßlicher Esel Geschrei.766
Alles durchdringt die Kunst. Anmuthig auch lernen sie weinen;
Wann sie nur wollen und wie, sind sie zu heulen bereit.
Ja, Buchstaben beraubt man sogar des gehörigen Lautes,
Nöthigt zu stammeln die Zung‘ in dem befohlenen Wort.
Anmuth liegt in dem Fehler, ein Wort schlecht wiederzugeben;767
Minder zu sprechen verstehn lernet man, als man verstand.768
Auf dies Alles verwendet – es nützt euch – sorgliche Pflege,769
Eueren Körper auch lernt tragen mit weiblichem Halt.770
Nicht der mindeste Theil der Anmuth liegt auch im Gange.
Männer, euch unbekannt, lockt er und scheucht er hinweg.771
Kunstreich wendet sich diese und fängt mit dem flatternden Kleide
Auf die Luft; und gestreckt trägt sie die Füße voll Stolz.772
Gleich des Umbrischen Manns rothbäckigem Ehegemahle773
Schreitet Jene und macht mächtige Schritte gespreizt.
Aber es sei auch hier, wie überall, Maaß. Es erscheinet
Diese Bewegung im Gang bäuerisch, jene geziert.774
Aber der untere Theil der Schulter, der ob’re des Armes775
Bis an die linke Hand zeige dem Auge sich bloß.
Das steht euch vorzüglich, ihr Weißen. So oft ich das sehe,
Habe die Schulter, soweit möglich, zu küssen ich Lust.
Wunder des Meers, die Sirenen vermochten mit reizender Stimme776
Aufzuhalten im Lauf selber das rascheste Schiff.
  1. V. 172. Die Verschwendung der Römerinnen in Schmucksachen war ungeheuer. Wie unser Dichter hier sagt auch Propertius:
  2. Und bei Tertullian liest man von einer etwas späteren Zeit: Haus und Hof trägt der zarte Hals umher, die schmächtigen Ohrläppchen wiegen ein Schuldbuch, und die Linke spielt an jedem Finger mit einem vollen Beutel. – Suo hat Heinsius nach drei ungenannten Hdschrften gegeben; die übrigen haben suos, das mindestens eben so gut ist.
  3. V. 173 f. Die gem. Lsrt ist sine nubibus aer, eine Wiederholung des letzteren Wortes, die Burmann mit Recht widerlich findet. Aber auch seine Verbesserung, die er auf exstat einiger Hdschrften gründet, cum sol sine nubibus exstat, gefällt uns nicht. Wir ziehen das von mehreren Quellen bezeugte aether vor. Im Pent. findet sich in zwei Hdschrft. incitat, in zwei anderen concipit.
  4. V. 175 f. S. zu Verw. 7, 1. Gemeint ist folglich die Farbe des Goldes.
  5. V. 177. Die Meerfarbe, also bläulichgrün oder wasserblau. Hat auch von den Wogen den Namen, nämlich von dem Griechischen kyma, die Woge, cumatilis. Daß, wie die Ausleger annehmen, auch das Lateinische undulatus gemeint sei, bezweifeln wir, da dieses Wort entweder auf das Gewebe oder auf die Form des Kleides, nicht auf die Farbe geht. – Aus einer Vat. Hdschrft und Exc. Pol. hat Heinsius imitatus als richtiger aufgenommen. Dieses richtiger können wir aber nicht anerkennen, da der Hauptbegriff die Bezeichnung der Farbe, der Name aber nur Nebensache ist.
  6. V. 180. Die Göttin des Thaus, Aurora. Ein Cod. Pal. hat sehr schön lucida rorifluos, Jun. roscida purpureos; dann Reg. movit, Linc. movet.
  7. V. 181 f. Paphisch heißt die Myrte als der Göttin von Paphos, der Venus, heilig. Die gemeinte Farbe ist also dunkelgrün, sowie die durch das Gefieder des Kranichs bezeichnete aschgrau. In den Sumpfgegenden Thraciens muß es besonders viele Kraniche gegeben haben. Auch Virgil nennt sie die Strymonischen, am Strymon, dem Grenzfluße zwischen Thracien und Makedonien, zu Hause. Übrigens galt der Kranich den Römern, wie noch heutzutage den Polen und Tataren, als Leckerbissen und war im Herbste zur Zugzeit ein Gegenstand der Jagd. – Die weibliche Form purpureas bezeugen Reg., Sarr. und noch zwei andre.
  8. V. 183. Mandeln und deine Frucht &c. d. h. die Farbe der Mandeln und der Kastanien. S. oben zu II, 267.
  9. V. 184. Auch wachsfarbigen Wollenstoff giebt’s.
  10. V. 186. Viele Hdschrften fugit für cedit.
  11. V. 187. Gewisse, irgendwelche.
  12. V. 188. Gem. Lsrt omnibus unus.
  13. V. 189. Vergl. die Bemerkung oben zu II, 699. – Gem. Lsrt decet und decebat.
  14. V. 190. S. zu Verw. 13, 443. Als sie geraubt ward muß, wenn der Text richtig ist, von der gewaltsamen Behandlung und Fortschleppung bei der Gefangennehmung nach Eroberung der Stadt Lyrnesus verstanden werden, nicht von der halb gewaltsamen Wegführung aus dem Zelte Achills durch die Abgesandten Agamemnons (oben II, 403). Der Dichter will den Eindruck des in passender Kleidung erscheinenden Mädchens auf Achilleus andeuten. Da jedoch Her. III, 16 ein Theil der Hdschrften ebenfalls rapi hat, die vorzüglicheren aber capi geben; so behauptet Heinsius mit großer Wahrscheinlichkeit, daß auch hier capta für rapta zu lesen sei. Doch getrauen wir uns ohne handschrftlichen Anhalt nicht zu ändern.
  15. V. 191 f. Cepheus‘, des Äthioperkönigs (daher dunkele Haut) Tochter, Andrómeda, welche von Perseus befreit und geliebt wurde. S. Verw. 4, 670 ff. Mit ihr als Gattin begab er sich zunächst nach Argos, dann nach der Insel Seriphos (s. das. 5, 236–251), während sie ihrer Tracht treu blieb und seine Liebe sich bewahrte.
  16. V. 193 f. S. oben zu I. 522 und 506. Der gräuliche Bock scheint ein gewöhnlicher Ausdruck für die Sache gewesen zu sein. Wir finden denselben auch bei Catull 69, 5:
  17. – Die gemeine Lsrt saepe widerlegt sich durch das ganze Werk von selbst. Paene giebt Cod. Reg. und ein Pal., letzterer nur mit quod für quam, endlich Exc. Pal. mit bene bezeugen es.
  18. V. 195. Mädchen von Caucasus Felsen oder &c. aus den Ländern der höchsten Barbarei, die so roh wären, daß man ihnen die Pflege des Körpers in dieser Beziehung erst noch anempfehlen müßte. – Der Conjunctiv bibant wird nach Heinsius von Cod. Reg. und fünf anderen bezeugt; die übrigen haben den Indicativ, der hier ebenfalls untadelhaft ist. Übrigens wird der Kundige die Übersetzung des Pentameters zu würdigen wissen.
  19. V. 199 ff. Wie bei den Griechischen Frauen, so war auch bei den Römischen die Sitte des Schminkens allgemein. Becker in seinem Charikles glaubt den Grund dieser Unsitte darin zu finden, daß das Zuhausestecken der Mädchen und Frauen ihnen die natürliche Munterkeit und Frische der Gesichtsfarbe raubte, und daß sie darum bemüht waren, durch erborgtes Roth und Weiß sich ein täuschendes Ansehen zu geben. Wie das Wachs, wahrscheinlich gebleichtes und wer weiß mit welchen andern Substanzen versetztes, dazu verwendet wurde, wissen wir freilich nicht. Die Hdschrften bestätigen aber alle ohne Abweichung die Lsrt cera, und es hieße dem Texte Gewalt anthun, wenn man, wie Micyll, Heinsius und andere Erklärer wollen und wirklich geben, creta läse. Auch läßt sich wohl denken, daß Wachs wegen des Glanzes noch geeigneter war, als Kreide oder Bleiweiß, die sonst zur Auftragung des Weiß gebraucht wurden. Zum Rothschminken wurde besonders fucus (φυκος), eine Flechte, und anchusa, Ochsenzunge, verwendet.
  20. V. 201–4. Man hielt es für schön, wenn die Augenbrauen nach der Mitte möglichst weit zusammentraten, und setzte dieselben daher in dieser Richtung künstlich, d. h. mit schwarzer Farbe, ja geradezu mit Ruß fort. Ebenso schwärzte man die Augenbrauen selbst. Ferner wurden feine Lederstückchen auf die Augenlider geklebt, und die Wimpern mit fein gestoßener Asche dunkel, oder mit Safran gelb gefärbt. Der beste Safran wuchs an dem Flusse Cydnus in Cilicien.
  21. V. 205 f. Der Dichter hatte also die Schönheitsmittel schon verfaßt. – Für quo dixi geben zwei Hdschrften qui dicit, einige qui dixit, Ed. pr. seltsam quo duxi.
  22. V. 207. Figurae haben nur wenige Quellen erhalten, die meisten geben puellae.
  23. V. 209 f. Obgleich, wie vorher bemerkt, das Schminken kein Geheimniß war, so soll der Liebhaber doch die Werkstatt der Reize seiner Schönen nicht sehen. Daher räth der Verfasser im Gegentheile dem Liebenden als Recept gegen die Liebe an, die Geliebte zu überraschen, wann sie ihren Apparat aufgestellt habe, Mittel wider die Liebe V. 351. – Andere Lsrt iuvet, Cod. Voss. facit.
  24. V. 213 f. Das oder der Ösyp (Griechisch oísypos oder oísypon) war ein Öl oder ein Fett, gewonnen aus Schaafwolle, die man frisch mitsammt dem daranklebenden Schmutze von dem Hintertheile der Schaafe nahm und bei gelindem Feuer kochte. Die obenaufschwimmende Fettigkeit wurde abgeschöpft und durch verschiedene Operationen gereinigt, bis sie weiß und durchsichtig war. Das so gewonnene Erzeugniß wurde in zinnernen Büchsen aufbewahrt. Die Römerinnen bezogen es aus Athen, ihrem Paris. Daß es auch so noch seinen Ursprung durch den Geruch verrieth und durch die Vorstellung seines Ursprungs widerlich war, lehrt unsere Stelle und Mittel w. d. L. V. 354 ff. – Ein Theil der Quellen giebt mittantur, auf oesypa bezogen; richtiger andere mittatur, von Cod. Reg. durch imitatur bestätigt, mit der folgenden Apposition zu verbinden. Ebenso verdient die Lsrt immundo den Vorzug vor immundae.
  25. V. 215. Hirschmark (es mußte aber von einem weiblichen Hirsche sein) diente die Sprödigkeit der Haut zu mildern. Wahrscheinlich war es noch mit andern Substanzen versetzt (bereitet), so daß es der Haut zugleich das Ansehen der Frische verlieh. Doch müssen wir bemerken, daß der Ausdruck nehmen mehr auf einen inneren Gebrauch deutet, vielleicht um üblen Geruch des Athems zu dämpfen oder gar um Mattigkeit in Folge des Beischlafs zu heben.
  26. V. 217. Für faciem einzeln formam und speciem, Cod. Reg. und einige andere widersinnig curam.
  27. V. 219. Myron war einer der größten Griechischen Meister der bildenden Kunst.
  28. V. 221. Einige gute Hdschrften contunditur.
  29. V. 223 f. Die berühmte Darstellung der Venus, wie sie dem Meere entsteigt; eine Darstellung, die von vielen Künstlern theils auf der Leinwand (f. zu Liebeserg. I, 14, 33), theils in Stein ausgeführt wurde. Die berühmteste Bildsäule von ihr war die von Praxiteles gearbeitete zu Knidos (nackt), auch eine auf Kos (bekleidet). Daß es deren auch zu Rom gab, unterliegt keinem Zweifel; dennoch ist hier wohl an keine bestimmte zu denken, ebensowenig als Trauererg. II, 527; wogegen die letztere, die Koische, ausdrücklich genannt wird Briefe aus dem Pontus IV, 1, 29, wenn dort nicht das von Apelles gemalte Bild gemeint ist.
  30. V. 225. Für schlafend gelten, keinem Besucher zugänglich. – Gem. Lsrt Tu faciem cura, dum te cett.
  31. V. 226. Aus Cod. Sarr. und einem Pat. hat Heinsius conspiciare gegeben und alle folgenden Herausgeber beibehalten. Wir können aber keinen Grund finden, von der allgemein beglaubigten Lsrt conspiciere abzugehen.
  32. V. 227. Tuo hat Heinsius aus einigen Hdschrften für tui der übrigen gegeben. Dann haben einige Quellen, besonders alte Ausgaben, spendoris für candoris.
  33. V. 228. Fores für forem, gewöhnliche Variante. Für quid einige quae (eine quod), ferner Reg. cogis für prodis.
  34. V. 230. Offendat bezeugt Reg. mit mehreren anderen; offendet giebt Ed. pr. nebst drei Hdschrften; gem. Lsrt offendit.
  35. V. 231 f. Unter den hier bezeichneten Bildern stellen wir uns Schnitzbilder vor, und zwar kleinere, welche vielleicht auf vorspringenden Fußgestellen (Consolen) an den Tragsäulen sowohl als an den Brüstungen standen, daher schweben. Fußgestelle anzunehmen ist jedoch nicht nothwendig, sie können auch auf andere Weise befestigt gewesen sein, so daß sie noch eigentlicher zu schweben schienen. Im Theater des Scaurus sollen dergleichen 3000 sich befunden haben. – Für das räthselhafte pendent vermuthet Burmann splendent. Sodann will Heinsius, weil Cod. Farn. ligat für tegat giebt und tegas eben erst vorhergegangen sei, linat lesen. Da jedoch eine Vergleichung Statt findet, muß es erst recht tegat heißen.
  36. V. 235. Zu bieten, nämlich der Dienerin.
  37. V. 236. Für tua will Heinsius durchaus sua, als Variante in Cod. Francof. bemerkt, geschrieben haben. Dann ist gem. Lsrt colla. Endlich hat Heinsius aus einer einzigen seiner Hdschrften vetem aufgebracht, das wir daher als unecht wieder beseitigt haben.
  38. V. 238. Das gefallene Haar der Urschrift können wir nicht anders verstehen, als das Haar in dem Zustande, wo es herabgefallen, also noch nicht in irgend einer Form aufgesetzt, aber doch schon gekämmt, abgetheilt, überhaupt theilweise geordnet ist. Die Lsrt nexas, worin Heinsius pexas vermuthet, wäre freilich für uns verständlicher und verdankt diesem Umstande wahrscheinlich ihre Entstehung.
  39. V. 239 f. Die mit den Nägeln &c, die Schöne, welche der Dienerin das Gesicht zerkratzt &c. Vergl. Liebeserg. I, 14, 16 ff. n A. – Rapta bedeutet entweder, wie in der ang. Stelle direpta, die sie aus dem Haare herausreißt oder der Sclavin entreißt, oder überhaupt im Zorn hastig ergreift; daher wir es durch zornig ausgedrückt haben.
  40. V. 244. In der Gütigen Göttin Tempel, wo Männer keinen Zutritt hatten, soll doch wohl, da dies schwerlich im eigentlichen Sinne genommen werden kann, nur heißen. in einer Abgeschiedenheit, wie im Tempel der gemeinten Göttin. Ihr Name, welcher Fauna Fatua gewesen sein soll. wurde nie genannt; sie hieß eben nur die Gütige oder Gute Göttin, Bona dea.
  41. V. 247 f. Ich gönne das meinem ärgsten Feinde nicht, sagt der christliche Deutsche, um etwas recht Schlimmes auszudrücken; der heidnische Römer dagegen sagte in demselben Falle das wiederfahre dem Feinde. Die gefürchtetsten Feinde der Römer aber waren damals die Parther. S. oben I, 177 ff. n. Anmerkungen.
  42. V. 249 f. Vergl. Verw. 13, 847 ff. Kahles Vieh braucht man keineswegs von haarlosem, wie Heinsius erklärt, zu verstehen, sondern kann, wie gewöhnlich, ohne Hörner heißen; diese gehören aber zur natürlichen Zierde, wie beim Menschen, besonders aber beim Weibe das Haar. – Auf das Zeugniß einer einzigen Quelle, des ersten Cod. Pat., hat Heinsius turpe est sine gr. campus aufgenommen, während alle übrigen turpis sine cett. geben, das wir daher wieder hergestellt haben, so tadellos auch jene Lsrt wäre.
  43. V. 251 ff. Jene berühmten Frauen, wie die Sidonierin &c., bedurften bei ihrer hohen natürlichen Schönheit meiner Belehrung freilich nicht und sind nicht bei mir in die Schule gegangen. Die Sidonierin, die &c., Europa. S. Verw. 2, 839 ff. Leda, Semele, Hélena s. in unsrem Index z. d. Verw. Troischer Räuber, Paris. – Eine Hdschrft giebt die Form Troie, eine pastor, eine victor, worin Heinsius vector vermuthet hat.
  44. V. 256. Für pluraque hat ein Theil der Quellen widersinnig pulchraque; eine plurima.
  45. V. 257. Die meisten Hdschrften geben quaerunt, das vielleicht ursprünglich, mindestens eben so gut ist.
  46. V. 258. Für potens andere Lsrt decens, in einigen placens, in einer patens, welche letztere beide auf potens führen.
  47. V. 259. Nicht wenige Quellen haben transit für cessat. Soll man auxilia sua dazu denken?
  48. V. 264. Während man auf der mit Polstern (Pfühl) belegten Bank gewöhnlich lehnte, soll die Kurze sich ganz legen.
  49. V. 269. Färbe den Leib (das Gesicht, vielleicht auch andre bloße Theile) mit purpurnen Streifen, d. h. Strichen, die man mit einem Pinsel oder auch mit den Fingern zog. – Andere Lsrt tangat, die Heinsius vorziehen will; mit Unrecht, da tingat nicht blos die Anwendung sondern zugleich die hervorgebrachte Wirkung ausdrückt. Daß virgis Erklärungen veranlaßt, ist leicht zu denken, und so findet sich dafür guttis und sucis.
  50. V. 270. Pharisch, von Pharos (s. zu Verw. 15, 287), daher = Ägyptisch. Gemeint ist das Krokodill, dessen Unrath zu dem hier angegebenen Zwecke gebraucht worden sein soll.
  51. V. 271. Einen übelen, d. h. häßlichen Fuß birg‘ immer, auch zu Hause (denn in der Regel ging man zu Hause die Füße nackt in den Sohlen und legte vollere Fußbekleidung nur beim Ausgehen an), in schneeigem Leder, in weißlederner Fußbekleidung, wobei es unentschieden bleibt, ob eine Art Socken oder Strümpfe gemeint ist, von denen die Sohlen noch getrennt zu denken sind, oder ganze bis an die Waden reichende Schnürstiefel zu verstehen sind. Denn die Arten der Fußbekleidung waren ebenso mannigfaltig, als unsere Kenntniß davon mangelhaft. Das Riemenwerk (die Banden) der Socken oder Stiefeletten ging ein Stück an den Beinen hinauf und deckte diese insoweit, daß deren Dürre nicht so leicht wahrgenommen werden konnte. Diesen Banden entnahm man das Bein aber sonst nicht nur, wie gesagt, zu Hause, sondern regelmäßig auch wenn man sich auswärts zur Mahlzeit lagerte. Auch da soll es vermutlich die Dürrbeinige nicht thun. – Suis bezeugen Exc. Jureti und mehrere andere Quellen gegen tuis der übrigen.
  52. V. 273. Schwerlich giebt es eine andere Stelle in der ganzen alten Literatur, wo die Hdschrften eine solche Zahl ungeheuerliche Wörter darbieten, als hier. Es sind deren ein gutes halbes Schock, eins abenteuerlicher als das andere. Um nur einige anzuführen, erwähnen wir analentrides in Sarr., analedides in Neap., amaletides in Comm., dann analatrides, analantrides, analentrides, anacledides, anasecrides, analemptrides, anchiletrides cett.. Im Reg. steht analecptrides, und am Rande analectrides, in Exc. Jur. und einigen anderen analectides, in fünf anderen analectrides. So zweifellos nun auch der Sinn des fraglichen Wortes aus dem Zusammenhange sich ergiebt, so unergründlich ist das Wort selbst. Scaliger wollte omaletides (ομαλήτιδες von ομαλός) Ausgleichungen, Turnebus ometides (von ωμος) etwa Schulterstückchen, beides seltsame Bildungen. Micyll billigte nach Coelius Rhodiginus analectides mit dessen Erklärung (von αναλέγειν, ανάλεκτος, aufgelesen, also eigentlich Aufleslinge, aufgelesene, einzelne Stückchen) kleine Kissen von Zeug zum Unterlegen und Ausstopfen, Stopfflecke. Heinsius entscheidet sich für analectrides (zwar von demselben Stamm, aber zunächst von λέκτρον) unter Vergleichung von ομολεκτρίδες; und läugnen läßt sich nicht, daß die Lesarten mehr auf diese Form als auf jene führen. Auffallend bleibt es immer, daß Sache und Wort weder bei einem Römischen noch bei einem Griechischen Schriftsteller vorkommt.
  53. V. 274. Um die allzu üppige, ins Widerliche gehende Fülle des Busens, die den Römischen Frauen noch heutiges Tages nicht selten eigen sein soll, zu beschränken. Ein solches Band wurde über der Tunica angelegt und hieß mit dem eigentlichen Namen strophium oder mamillare, bei Dichtern aber auch fascia; und Becker ist in Irrthum, wenn er Gall. III, 141 behauptet, fasciae wären blos angelegt worden, um die Brust in ihrem Wachsthume zu beschränken. Zu letzterem Zwecke mag allerdings die fascia vorzugsweise gedient haben nach Martial XIV, 134
  54. wenn nicht etwa gar wachsend (crescentes) uneigentlich so viel als schwellend (bei Catull luctantes) heißt. Daß die fascia aber auch überhaupt zu der gemeinten Beschränkung diente, lehrt unsere Stelle, wo an einen noch wachsenden Busen nicht zu denken ist, ebenso unwiderleglich als Mittel w. d. L. V. 337. Wenn übrigens das eigentliche mamillare nach Martial XIV. 66
  55. von Leder war, so war die fascia wahrscheinlich nur von Wolle und wesentlich nicht verschieden von den wollenen Binden, mit welchen man die Beine umwand (oben zu I, 506).
  56. V. 274. So vorzüglich die Lsrt inflatum für den Sinn ist, so ist sie doch schwerlich echt; nur der andere Cod. Reg. hat sie; die übrigen Quellen alle geben angustum, gewiß keine Verderbniß von inflatum. Sollte angustum ein zu schmaler Busen heißen, der durch die Binde breiter werden sollte?
  57. V. 275. Loquetur wird gegen loquatur von Reg. bezeugt, auch von einem Vat. durch loqueris nach vorausgegangenem signes bestätigt. Übrigens will Heinsius, da zwei Hdschrften signi geben, signa und loqueris, Burmann ferner, weil loquatur gleich wieder folge, iocatur oder iocetur lesen; Beides ohne Grund. Die Wiederkehr von loqui hat hier durchaus nichts Anstößiges.
  58. V. 276. Aus der Erklärung Heinsiussens, daß erunt in einer gewissen Hdschrft richtig sei, ergiebt sich, daß die gemeine und wahrscheinlich echte Lsrt erit ist.
  59. V. 283. Vermutlich nur um seine unnöthige Änderung sint parvae utrimque zu rechtfertigen, sollen blos die meisten Hdschrften mit Ed. pr. parvaeque utrimque haben; welche aber nicht so haben oder seine Lsrt begründen, sagt er nicht.
  60. V. 286. Ohne Umstände schreibt Heinsius sonent, obgleich er angiebt, daß die Hdschrften sonet haben. Wolle man sonet lesen, so müsse es, behauptet er, im vorhergehenden Verse auch contenderit oder contendat ut heißen. In seinem Eifer zu ändern hat er nicht gesehen, daß entweder risus oder leve nescio quid femineumque das Subject ist.
  61. V. 288. Cod. Reg. hat für laeta usa oder lata, usa auch noch zwei andere, und einer lusa, noch zwei andere risuque usa. Hierin vermuthet Heinsius Cum risu effusa est, oder weil das eine zu gewöhnliche Construction ist, gleich In risum effusa est!
  62. V. 289. Ohne die mindeste Spur einer Verschiedenheit der Hdschrften bei dem Worte ridet hat Heinsius wieder ganz willkürlich stridet eingeschwärzt. Der Dichter führt die verschiedenen Arten des Lachens an, wodurch der Schönheit Eintrag geschieht. Manche, hat er im Vorhergehenden gesagt, verzerrt das Gesicht, eine Andere scheint zu weinen. Jene, d. h. wieder eine Andere, fährt er jetzt fort, stößt beim Lachen einen gewissen heiseren Ton aus und lacht daher unliebenswürdig. Hieraus ergiebt sich auch, daß das unbestimmte quiddam vielmehr zu raucum als zu inamabile gehört. Heinsius hat nämlich auch hier, hier jedoch nicht ohne die Autorität mehrerer Hdschrften, für raucum quiddam atque inamabile raucum quiddamque inamabile gegeben.
  63. V. 290. Das Beiwort scabra soll blos malen, das häßliche Thier in seinem niedrigen Dienste darstellen, daher wir uns auch kein Gewissen daraus gemacht haben, die auf den Anblick des Mühlsteins bezügliche Vorstellung mit einer andern gewiß nicht minder passenden zu vertauschen.
  64. V. 295. Zwei gute Hdschrften geben male verba recidere quaedam, eine als Variante quaedam rescindere verba ohne male.
  65. V. 296. Dies nebst dem Vorhergehenden scheint sich auf eine gemüthliche Umgangssprache im Volksdialecte zu beziehen.
  66. V. 297. A. L. quando für quoniam.
  67. V. 298. Soviel wir uns entsinnen, ist dies der erste Fall, daß im Pentameter ein neuer Punct beginnt.
  68. V. 300. Ein großer Theil der Quellen, auch Reg., giebt alligat, schon an sich unpassend, noch mehr aber rücksichtlich des Gegensatzes fugat.
  69. V. 302. Viele Hdschrften geben accipit, worin das Absichtliche minder hervortritt. Übrigens sagte man auch concipere in demselben Sinne. Extentos haben wir auf die Autorität des Reg. gegeben für extensos der übrigen. Diese Schwankung ist fast regelmäßig in den Hdschrften.
  70. V. 303 f. Die Umbrer waren ein besonders kräftiger Volksstamm Italiens. – Witzig ist in einer Patav. Hdschrft. catonis für mariti.
  71. V. 306. Auffallender Weise finden wir in allen Ausgaben nach motus interpungirt, als ob der Zusatz in incessu blos zum Folgenden gehörte. Wahrscheinlich liegt die Schuld an uns, daß wir dies nicht einsehen, und bitten wir Kundigere um Belehrung.
  72. V. 307 f. S. zu Verw. 3, 480, wo man statt vorn in der Mitte lese nicht vorn in der Mitte. Es fand in Bezug auf den linken Arm gerade das Gegentheil von der Tracht unserer Frauen in den höheren Ständen Statt. die Schulter war bedeckt, der Arm bloß.
  73. V. 311 f. Ein neues Mittel Männer zu gewinnen. S. zu Verw. 5, 561. Sisyphus Sprößling, Odysseus oder Ulyß. S. zu Verw. 11, 313. Wenn es sonderbar, fast lächerlich klingt die Leute waren mit Wachs verstopft anstatt ihre Ohren, so ist diese Kürze des Ausdrucks nicht die Schuld des Übersetzers; es heißt so in der Urschrift. Übrigens giebt dieser Zusatz den Grund an, warum der Gesang blos auf ihn, nicht auch auf seine Gefährten gewirkt habe. – Quamlibet giebt Cod. Reg., die übrigen unpassend quaslibet.
His sua Sisyphides auditis paene resolvit
Corpora: nam sociis illita cera fuit.
Res est blanda canor: discant cantare puellae.
Pro facie multis vox sua lena fuit.
Et modo marmoreis referant audita theatris,
Et modo Niliacis carmina lusa modis.
Nec plectrum dextra, citharam tenuisse sinistra
Nesciat arbitrio femina docta meo.
Saxa ferasque lyra movit Rhodopeius Orpheus,
Tartareosque lacus tergeminumque canem.
Saxa tuo cantu, vindex iustissime matris,
Fecerunt muros officiosa novos.
Quamvis mutus erat, voci favisse putatur
Piscis, Arioniae fabula nota lyrae.
Disce etiam duplici genialia naulia palma
Verrere: conveniunt dulcibus illa iocis.
Sit tibi Callimachi, sit Coi nota poetae,
Sit quoque vinosi Teia Musa senis.
Nota sit et Sappho – quid enim lascivius illa? –
Cuive pater vafri luditur arte Getae.
Et teneri possis carmen legisse Properti,
Sive aliquid Galli, sive, Tibulle, tuum;
Dictaque Varroni fulvis insignia villis
Vellera, germanae, Phryxe, querenda tuae;
Et profugum Aenean, altae primordia Romae,
Quo nullum Latio clarius extat opus.
Forsitan et nostrum nomen miscebitur istis,
Nec mea Lethaeis scripta dabuntur aquis.
Atque aliquis dicet: Nostri lege culta magistri
Carmina, quis partes instruit ille duas;
Deve tribus libris, titulus quos signat Amorum,
Elige, quod docili molliter ore legas.
Vel tibi composita cantetur Epistola voce:
Ignotum hoc aliis ille novavit opus.
O ita, Phoebe, velis; ita vos, pia numina vatum,
Insignis cornu Bacche novemque deae!
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335

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Als er diese vernahm, da hätte des Sisyphus Sprößling
Fast sich gelöst; mit Wachs waren die Leute verstopft.
Etwas Reizendes ist der Gesang. Lernt singen, ihr Mädchen.
Mancher die Stimme schon war Kupplerin statt des Gesichts.
Singt bald nach, was schon ihr gehört im marmornen Schauplatz,777
Bald Gesänge im Ton Nilischer Weisen gesetzt.778
Auch in der Rechten den Stab, in der Linken zu halten die Leier779
Wisse ein Weib. wie ich wünsche gebildet sie mir.
Felsen bewegte und Wild mit der Leier des Rhódope Sänger,780
Den dreiköpfigen Hund selbst und des Tártarus Seen.781
Steine durch deinen Gesang, du gerechtester Rächer der Mutter,782
Haben zu neuer Stadt Mauern sich willig gefügt.
War er auch stumm, der Fisch, – von Arions Leier bekannt ja783
Ist die Erzählung – er hat, glaubt man, den Tönen gelauscht.
Lerne mit doppelter Hand die heitere Harfe auch fegen;784
Wohl ist diese zur Lust passend und süßem Gekos.
Kund sei dir des Callímachus Sang und des Cóischen Dichters,785
Kund der Téische Sang von dem betrunkenen Greis.
Sappho auch sei dir bekannt – was ist wollüst’ger als diese? –786
Und der Väter durch List pfiffiger Geten betrügt.787

Roh ist der Lyder, verschmitzt der Gete, der Phrygier weibisch.

788

Auch die Dichtungen magst du des zarten Propertius lesen,789
Oder von Gallus Etwas, oder, Tibullus, von dir;790
Auch das von Varro besungne durch goldene Zotteln berühmte791
Vließ, zu beklagen im Tod, Schwester des Phryxus, von dir;
Und des Änéas Flucht, Ursprung der erhabenen Roma,792
Derengleichen an Ruhm nicht man in Latium kennt.
Auch mein Name vielleicht wird unter diese sich mischen,
Nicht in der Lethe Fluth, was ich gesungen, vergehn.793
Mancher gewiß wird sagen dereinst: Lies unseres Meisters794
Glatte Gedichte, worin beide Geschlechter er lehrt.
Oder aus den drei Büchern, betitelt die Liebesergüsse,
Wähle, was lesen du magst zärtlich gelehrigen Munds.
Oder man trage auch vor mit gehöriger Stimme die Briefschaft.795
Anderen unbekannt, ward sie erfunden von ihm.
Das gieb, Phöbus; o gebt’s, ihr heiligen Mächte der Sänger,
Bacchus, geziert mit dem Horn, Göttinnen, neun an der Zahl!796

Quis dubitet, quin scire velim saltare puellam,
Ut moveat posito brachia iussa mero?
Artifices lateris, scenae spectacula, amantur:
Tantum mobilitas illa decoris habet.
Parva monere pudet: talorum dicere iactus
Ut sciat, et vires, tessera missa, tuas;
Et modo tres iactet numeros, modo cogitet apte
Quam subeat partem callida quamque vocet;
Cautaque non stulte latronum proelia ludat,
Unus cum gemino calculus hoste perit,
Bellatorque suo prensus sine compare bellat,
Aemulus et coeptum saepe recurrit iter.
Reticuloque pilae leves fundantur aperto,
Nec, nisi quam tolles, ulla movenda pila est.
Est genus in totidem tenui ratione redactum
Scriptula, quot menses lubricus annus habet.
Parva tabella capit ternos utrimque lapillos,
In qua vicisse est continuasse suos.
Mille facesse iocos: turpe est nescire puellam
Ludere: ludendo saepe paratur amor.
Sed minimus labor est sapienter iactibus uti,
Maius opus mores composuisse suos.
Dum sumus incauti studioque aperimur in ipso,
Nudaque per lusus pectora nostra patent;
Ira subit, deforme malum, lucrique cupido
Iurgiaque et rixae sollicitusque dolor.
Crimina dicuntur, resonat clamoribus aether,
Invocat iratos et sibi quisque deos.
Nulla fides tabulis, quae non per vota petuntur;
Et lacrimis vidi saepe madere genas,
Iupiter a vobis tam turpia crimina pellat,
In quibus est ulli cura placere viro.
Hos ignava iocos tribuit natura puellis;
Materia ludunt uberiore viri.
Sunt illis celeresque pilae iaculumque trochique
Armaque, et in gyros ire coactus equus.
350355

360

365

370

375

380

 

Wer hegt Zweifel, daß Tanzen auch soll verstehen ein Mädchen,
Daß sie beim Weine des Mahls schwenke die Arme nach Wunsch.797
Meister der Leibesgeberden im Spiel der Bühne zu schauen798

Ioner Buhltanz lernet herangereift
Mit Lust die Jungfrau, übet in Künsten sich &c. (Strodtmann)

799

Lieben wir: so viel hat diese Beweglichkeit Reiz.
Kleinigkeiten nur sind, daß sagen die Würfe der Knöchel800
Könne das Mädchen, und was Würfel bedeuten im Spiel;
Die drei Zahlen bald werfe, bald schlau bedenke, auf welchen801

Tessera quot (A. quos) numeros habeat, distante vocato
mittere quo deceat, quo dare missa modo
;

802

Theil sie passend den Satz halte und welchen sie nenn‘;
Schlecht auch spiele mit nichten der Räuber bedächtige Schlachten,803
Wann in dem Kampf ein Stein zweien der Feinde erliegt,
Und der Streiter den Krieg führt, ohne Gefährten betroffen,
Oft der Gegner zurück läuft den begonnenen Weg.
Auch in ein offenes Netz mag glatte Bälle man schütten,804
Und der entnommene Ball darf sich bewegen allein.
Ferner ein Spiel durch saubere Schrift in Striche geordnet805
Ebenso viel, als sind Monden im rollenden Jahr.
Je drei Steine enthält auf beiden Seiten ein Bretchen,806

Klein steht da ein Bret, mit je drei Steinchen versehen,
Wo an einander zu reihn deine zum Sieger dich macht. –

807

Wo an einander zu reihn deine zum Sieger dich macht.
Sei auf tausend Scherze bedacht. Nicht scherzen zu können808
Schadet; denn scherzend erwirbt Liebe ein Mädchen sich oft.
Aber gering ist die Mühe, geschickt zu benutzen die Würfe;809
Größere macht es, der Herr seines Benehmens zu sein.
Während wir achtlos sind und gehen uns lassen im Eifer,810
Und im Spiele die Brust offene Blöße sich giebt;
Schleicht sich ein häßliches Übel, der Zorn, ein und die Gewinnsucht,
Hader und Streit und Zank und der bekümmerte Schmerz,
Laut beschuldigt man sich, von Geschrei hallt wieder der Luftkreis,811
Und ein Jeglicher ruft Götter, die zürnen ihm, an.
Kein Vertrauen, wo nicht mit Gelübden man geht an die Tafel812
Auch mit Thränen benetzt hab‘ ich oft Wangen gesehn.
Jupiter möge von euch fern halten so schimpfliche Laster,
Wünscht ihr, daß irgend ein Mann finde Gefallen an euch.
Diese Vergnügen nur hat die träge Natur euch gegeben;
Reicheren Stoffes erfreut sich zu vergnügen der Mann.
Der hat Reifen und Speer zum Spiel und die flüchtigen Bälle,813
Waffen dazu und das Roß, welches er tummelt im Kreis.

Nec vos Campus habet, nec vos gelidissima Virgo,
Nec Tuscus placida devehit amnis aqua.
At licet et prodest Pompeias ire per umbras,
Virginis aetheriis cum caput ardet equis.
Visite laurigero sacrata Palatia Phoebo –
Ille Paraetonicas mersit in alta rates –
Quaeque soror coniuxque ducis monumenta pararunt,
Navalique gener cinctus honore caput.
Visite turicremas vaccae Memphitidos aras:
Visite conspicuis terna theatra locis.
Spectentur tepido maculosae sanguine arenae,
Metaque ferventi circueunda rota.
Quod latet, ignotum est: ignoti nulla cupido;
Fructus abest, facies cum bona teste caret.
Tu licet et Thamyran superes et Amoebea cantu,
Non erit ignotae gratia magna lyrae.
Si Venerem Cous nusquam posuisset Apelles:
Mersa sub aequoreis illa lateret aquis.
Quid petitur sacris nisi tantum fama poetis?
Hoc votum nostri summa laboris habet.
Cura ducum fuerant olim regumque poetae,
Praemiaque antiqui magna tulere chori.
Sanctaque maiestas et erat venerabile nomen
Vatibus, et largae saepe dabantur opes.
Ennius emeruit, Calabris in montibus ortus,
Contiguus poni, Scipio magne, tibi.
Nunc hederae sine honore iacent, operataque doctis
Cura vigil Musis nomen inertis habet.
Sed famae vigilare iuvat. Quis nosset Homerum,
Ilias aeternum si latuisset opus?
Quis Danaen nosset, si semper clausa fuisset
Inque sua turri perlatuisset anus?
Utilis est vobis formosae cura puellae,
Saepe vagos ultra limina ferre pedes.
In multas lupa tendit oves, praedetur ut unam,
Et Iovis in multas devolat ales aves.
385390

395

400

405

410

415

420

Euch sieht nicht der Campus, euch nicht die kürende Jungfrau;814
Nicht in der lieblichen Fluth führt euch der Tuscische Strom.
Doch ist erlaubt es und gut, im Pompejischen Schatten zu wandeln,815
Wann der Jungfrau Haupt glüht in dem Sonnengespann.816
Nach dem Palatium geht, geweiht dem Apoll mit dem Lorbeer,817
Der die Schiffe versenkt vom Parätonischen Strand.
Geht nach den Malen, gesetzt von Schwester und Gattin des Fürsten818
Und von dem Eidam, im Kranz prangend des Siegers zur See.
In der Memphitischen Kuh von Weihrauch knisternde Tempel819
Geht, und die drei weithin freien Theater besucht.820
Schauet den Sand des Plans, rothfleckig von warmem Geblüte;821
Schauet das Ziel, das muß glühend umfahren das Rad.
Unbekannt ist, was sich verbirgt, und Niemand begehrt es;
Was nützt schöne Gestalt, wenn sie der Zeugen entbehrt.
Thámyras übertriff in der Kunst des Gesangs und Amöbeus;822
Kennt man es nicht, wird stehn wenig in Gunsten dein Spiel.823
Hätte nicht dargestellt wo Venus der Coer Apelles,824

Gleichwie Venus das Werk und der Ruhm des koischen Meisters

825

Läge die Göttin versenkt unter den Wellen des Meers.
Was erstreben, als Ruhm allein, die heiligen Dichter?
Dieses Verlangen beherrscht einzig all unser Bemühn.
Sorge der Fürsten vordem und der Könige waren die Dichter;826
Hohe Belohnung zu Theil wurde dem alten Gesang.
Heilige Würde besaß und verehrungswürdigen Namen
Sonst der Sänger, und reich flossen die Schätze ihm zu.
Ennius, aus dem Gebirge entstammt Calabriens, – würdig827
Ist, Held Scipio, dir er an die Seite gestellt.
Jetzt ist der Epheukranz ruhmlos; und die wachende Sorge,828
Die du den Musen geweiht, nennt man vergeudete Müh‘.
Doch für den Ruhm zu wachen ist schön. Wer kennte Homerus,829
Gäb’s das unsterbliche Werk, gäb‘ es die Ilias nicht.
Dánae kennte man nicht, wenn eingeschlossen sie immer830
Und in dem Thurme versteckt blieb in das Alter hinein.
Nützlich euch ist es, dafür, ihr reizenden Schönen, zu sorgen,831
Daß ihr den schweifenden Fuß über die Schwelle oft setzt.
Dringt nicht ein in die Herde der Wolf, ein Schaaf zu erbeuten?832
Stößt auf der Vögel Schwarm nieder nicht Jupiters Aar?

Se quoque det populo mulier speciosa videndam:
Quem trahat, e multis forsitan unus erit.
Omnibus illa locis maneat studiosa placendi,
Et curam tota mente decoris agat.
Casus ubique valet. Semper tibi pendeat hamus:
Quo minime credas gurgite, piscis erit.
Saepe canes frustra nemorosis montibus errant,
Inque plagam nullo cervus agente cadit.
Quid minus Andromedae fuerat sperare revinctae,
Quam lacrimas ulli posse placere suas?
Funere saepe viri vir quaeritur: isse solutis
Crinibus et fletus non tenuisse decet.
Sed vitate viros cultum formamque professos,
Quique suas ponunt in statione comas.
Quae vobis dicunt, dixerunt mille puellis;
Errat et in nulla sede moratur Amor.
Femina quid faciat, cum sit vir levior ipsa?
Forsitan et plures possit habere viros?
Vix mihi credetis, sed credite: Troia maneret,
Praeceptis Priami si foret usa sui.
Sunt qui mendaci specie grassentur amoris
Perque aditus tales lucra pudenda petant.
Nec coma vos fallat liquido nitidissima nardo,
Nec brevis in rugas cingula pressa suas.
Nec toga decipiat filo tenuissima, nec si
Annulus in digitis alter et alter erit.
Forsitan ex horum numero cultissimus ille
Fur sit et uratur vestis amore tuae.
Redde meum! clamant spoliatae saepe puellae;
Redde meum! toto voce boante foro.
Has, Venus, e templis, multo radiantibus auro,
Lenta vides lites, Appiadesque deae.
Sunt quoque non dubia quaedam mala nomina fama:
Deceptae a multis crimen amantis habent.
Discite ab alterius vestris timuisse querelis;
Ianua fallaci nec sit aperta viro.
425

430

435

440

445

450

455

So aufstelle zur Schau ein reizendes Weib sich der Menge;833
Einer aus Tausenden doch wird zu erobern wohl sein.
Aller Orten verweile das Weib, nur bestrebt zu gefallen;
Und ihr ganzes Bemühn sei zu erhöhen den Reiz.
Überall waltet das Glück. Wirf aus nur immer die Angel:
Wo du am wenigsten denkst, steckt in der Tiefe der Fisch.
Oftmals jagen umsonst auf den waldigen Bergen die Hunde;
Und wann keiner ihn hetzt, fällt in die Schlinge der Hirsch.834
Weniger konnte wohl Nichts die gebundne Andrómeda hoffen,835
Als daß Einem nur je könnte gefallen ihr Schmerz.
Oft bei Bestattung des Mannes erwirbt man sich einen; gelösten836
Haares zu gehn und im Blick Thränen, verleihet euch Reiz.
Meidet die Männer jedoch, die prangen mit Pflege und Schönheit,
Die ein geschniegeltes Haar öffentlich stellen zur Schau.837
Was sie sagen zu euch, das haben gesagt sie zu tausend.
Bleibenden Sitz nicht hat Amor; er flattert umher.
Was soll machen das Weib, ist glatter der Mann als sie selber?838
Dürfte da haben vielleicht mehrere Männer die Frau?839
Glauben mir werdet ihr kaum; doch glaubt mir: noch stände auch Troja,
Kam es den Weisungen nach, die ihm sein Priamus gab.840
Manche schwärmen umher mit erlogenem Scheine der Liebe,841
Suchen auf solchem Weg schändlicher Weise Gewinn.
Weder euch täusche das Haar, hellglänzend von triefender Narde,842
Noch der verengernde Gurt, straff auf die Falten gedrückt;843
Noch betrüg‘ euch die Toga vom feinsten Gespinnste; auch das nicht,844
Wenn an den Fingern sich zeigt ein und der andere Ring.845
Jener von ihnen vielleicht, der als der geschmückteste auftritt,
Ist ein Dieb; und dein Kleid ist es, für welches er brennt.
Gieb mir das Meine zurück! schrein oft die bestohlenen Mädchen;
Gieb mir das Meine zurück! hallt auf dem Platze es weit.846
Diesem Gezänk siehst du aus dem golbenstrahlenden Tempel
Ruhig, o Venus, sehn Appius‘ Göttinnen zu.
Einige Namen auch giebt’s unzweifelhaft bösen Geruches,847
Die sich bei Vielen gemacht schuldig getäuschten Vertrauns.
Lernet von Anderer Leid Furcht haben vor eigenen Klagen,848
Daß dem betrüblichen Mann nicht sich erschließe die Thür.849
  1. V. 317. Im marmornen Schauplatz, in der Oper, würden wir sagen. Vergl. oben I, 103. – Zwei gute Hdschrften resonent.
  2. V. 318. Nilischer (Ägyptischer) Weisen. Durch die Unterwerfung Ägyptens unter die Römische Herrschaft waren nicht nur Ägyptische Culte, sondern auch die damit verbundenen, nicht durch Sittsamkeit sich auszeichnenden Gesänge und Melodien nach Rom gekommen. Ägypten war das Land üppigen Lebensgenusses. Vergl. Liebeserg. II, 13, 7 u. A. S. übrigens auch zu Verw. 1, 728.
  3. V. 319. Vergl. Verw. 11, 168 n. A.
  4. V. 321 f. S. zu Verw. 10, 3. 11 ff. 11, 1 f.
  5. V. 322. S. zu Verw. 7, 408.
  6. V. 323 f. Antiope, des Böotischen Königs Nycteus Tochter, von Jupiter in Satyrsgestalt beschlichen (Verw. 6, 110), floh aus Furcht vor des Vaters Zorn nach Sicyon zum Könige Epópeus und gebar daselbst den Zethus und Amphíon, wurde jedoch von des inzwischen verstorbenen Vaters Bruder Lycus nach Eroberung Sicyons und Tödtung des Epopeus nach Theben gebracht, und hier von dessen Gemahlin Dirce aus Eiferfucht aufs grausamste behandelt, bis ihre indeß herangewachsenen Söhne sie rächten, indem sie Dirce denselben Tod sterben ließen, den sie der Antiope bestimmt hatte. Sie ward an einen wilden Stier gebunden, dem man brennende Fackeln an die Hörner befestigt hatte, und so zu Tode gehetzt. Um so gerechter war der Rächer. Übrigens s. noch zu Verw. 6, 178.
  7. V. 325 f. Es bedarf für keinen Leser der Hinweisung auf Schlegels Ballade Arion.
  8. V. 327 f. Von dem hier genannten Instrumente ist uns etwas Näheres nicht bekannt. Harfe haben wir es übersetzt, weil es wenigstens insofern diesem Instrumente ähnlich gewesen sein muß, als es mit zwei Händen gespielt wurde; ob auch rücksichtlich der Form zum Stehen und des Spielens auf zwei Seiten, läßt sich nicht ermitteln. Jedenfalls muß es mit mehr Heftigkeit gespielt worden und daher auch lärmender gewesen sein, da die Bewegung der Hände fegen genannt wird. Griechisch hieß es nable (νάβλη) oder in späteren Nebenformen naula (ναυλα) und naulon (ναυλον); beide Formen, nur durch i verlängert, nablia und naulia, geben auch hier die Quellen, jedoch letztere überwiegend. Verrere wird von Reg. u. Arond. bezeugt gegen vertere der übrigen, in welches letztere das erstere fast regelmäßig in den Hdschrften übergegangen ist.
  9. V. 329 f. Des Callimachus Sang (wir lieben zwar das Wort Sang in edlem Sinne nicht, konnten aber hier ein einsilbiges Collectivum nicht entbehren, sonst würden wir Lied gesagt haben); s. zu Liebeserg. I, 15, 13. Des Coischen Dichters, des Philétas aus Cos, eines vorzüglichen elegischen Dichters, dem vorher Genannten ebenbürtig, welchen sich Propertius zum Vorbilde nahm. Nur einzelne Bruchstücke haben sich von seinen Gedichten erhalten. Der Teische Sang von dem betrunkenen Greis (= des betrunkenen Greises), die Gedichte Anákreons aus der Ionischen Stadt Teos, der durch seine Liebeslieder, von welchen nur wenige unbestritten echt auf uns gekommen sind, ebenso berühmt ist wie durch seinen heiteren Lebensgenuß. Er lebte lange am Hofe des durch Schillers Ballade allgemeiner bekannten Polykrates zu Samos (im sechsten Jahrhunderte vor Chr.) und wurde 85 Jahre alt, und wäre vielleicht noch älter geworden, wenn er nicht, wie erzählt wird, an einer Weinbeere erstickt wäre.
  10. V. 331. S. zu Liebeserg. II, 18, 26.
  11. V. 332. Der = derjenige (Dichter), welcher &c., der Griechische Komödiendichter Menander, in dessen Stücken, wie in den Komödien überhaupt, in der Regel harte Väter durch listige Sclaven im Interesse verliebter Söhne und Töchter betrogen werden. Vergl. Liebeserg. I, 15, 17 n. A. Unter den Sclaven, deren die Griechen und Römer aus den verschiedensten Theilen der Welt hatten, waren die Geten von der untern Donau und dem schwarzen Meere durch ihre Verschmitztheit berüchtigt. Daher es bei Ausonius heißt:
  12. Doch könnte auch der Römische Komödiendichter Terentius gemeint sein, in dessen Phormio ein Sclave Geta zwei Väter betrügt.
  13. V. 333. Propertius, ohne Zweifel der größte Lateinische Elegieendichter, Zeitgenosse und Freund des Virgilius, Gallus, Tibullus und unsers Ovidius. Vier Bücher Elegieen hat er gedichtet, die uns auch erhalten sind.
  14. V. 334. Über Gallus s. zu Liebeserg. I, 15, 29, sowie über Tibullus ebendas. V. 28.
  15. V. 335 f. Varro; s. ebendas. zu V. 21; wegen des Übrigen zu Verw. 7, 1.
  16. V. 337 f. S. zu Verw. 13, 624.
  17. V. 340. In der Lethe Fluth; s. zu Verw. 7, 152.
  18. V. 341 f. Unseres Meisters &c., eben die Liebeskunst.
  19. V. 345 f. S. zu Liebeserg. II, 18, 21. Von dieser Dichtungsgattung war Ovid der Erfinder.
  20. V. 348. Auch Bacchus ist Dichtergott. S. Liebeserg. I, 3, 11 n. A. III, 1, 23. 15, 17; ferner oben I. 525. Geziert mit dem Horn; s. zu Verw. 4, 19.
  21. V. 350. Über den Tanz der Alten s. zu Liebeserg. II, 4, 29. Beim Weine des Mahls; denn nur bei Gelagen, wenn der Wein aufgetragen war, wurde getanzt und, wie der nächste Vers besagt, auf der Bühne. S. nachher. Nach Wunsch, wie es die Anwesenden wünschen, je nachdem sie verlangen, daß das oder jenes dargestellt und ausgedrückt werde. – Einen anderen Sinn kann iussa nicht haben, mag man es nun auf das Subject puella oder dichterisch auf brachia beziehen. Burmann zieht freilich die Lsrt des Cod. Scheff. passa, die ausgebreiteten, vor; in iussa liegt aber Mehr, es ist mit Bezug auf das vorhergegangene scire gesagt
  22. V. 351 f. Zusammenhang: daß eine Schöne bei einem lustigen Gelage tanze, wird man um so weniger anstößig finden, als wir ja sogar öffentlich auf der Bühne Tänzer mit so vielem Vergnügen sehen. Eine solche Entschuldigung hält der Verfasser für nöthig, da, wie an der oben angef. Stelle bemerkt, die altrömische Strenge das Tanzen als unanständig und eines Freigebornen unwürdig verwarf, und die Pantomimen zur verachtetsten Classe gehörten. Gleichwohl drang die Tanzwuth wie eine Pest in die Familien ein, und die jungen Leute beiderlei Geschlechts nahmen Tanzstunden. Daher Horaz Od. III, 6, 21:
  23. Daß selbst ältere Männer dem Strome oder der Mode nicht zu widerstehen vermochten, ergiebt sich aus einem Verbote des Tiberius, es solle kein Senator die Häuser der Pantomimen betreten, Römische Ritter sollten sie nicht auf der Straße begleiten, und sie sollten nirgends anders als im Theater gesehen werden.
  24. V. 353 f. Daß sagen &c, daß ein Mädchen bei dem Knöchelspiele (s. oben zu II, 203) die verschiedenen Benennungen der geworfenen Augen, die Kunstausdrücke, als Venus, Hund &c.. bei dem Würfelspiele aber (s. ebendas.) die Bedeutung der geworfenen Zahlen kenne, also die Regeln, das Positive des Spieles verstehe. – Aus diesem Grunde, weil, wie der zweite Satz zeigt, nur von der Kenntniß der Spiele die Rede ist, lesen wir nicht ducere wie Heinsius aus Cod. Jun. und dem einen Pat.gegeben hat, indem er sich auf V. 493 unten beruft, eine Berufung, die wir nicht zu verstehen bekennen, sondern dicere, wie die gemeine Lsrt ist neben discere, das ebenfalls für dicere zeugt.
  25. V. 355 f. (Daß sie) die drei Zahlen, die drei Würfel (s. zu der angef. Stelle). Das Nächstfolgende ist nicht zu verstehen ohne genaue Kenntniß des Spiels, und diese haben wir nicht. Wir versuchen folgende Erklärung: Aus dem bald, bald erhellt, daß, gerade wie bei unserem sogenannten Knöcheln, das Würfeln und Halten zwischen zwei Personen wechselte. Folglich soll sie bald selbst werfen, bald, während der Gegner wirft, halten. Bei unsrem Knöchelspiel gewinnt der Werfende, wenn er 11 und darüber wirft, verliert mit 10 und darunter, indem die ersten 8 Augen (von 3 an, da unter 3 nicht geworfen werden kann) verlieren, die zweiten 8 gewinnen. Hing es bei den Römern vielleicht von der Wahl und Vorausbestimmung des Werfenden oder des Haltenden ab, welcher Hälfte (welchem Theile) der Augen er den Satz anvertrauen wollte, indem er sie nannte (quam subeat partem quamque vocet)? Welche Hälfte gewinnen würde, ließ sich freilich nicht berechnen; aber man konnte doch Wahrscheinlichkeitsberechnungen anstellen, wie solche z. B. unsere Pharospieler auch anstellen, daß z. B. wenn die eine Hälfte schon mehrere Male gestanden hätte, nun die entgegengesetzte fallen würde. Hierdurch erklärte sich auch Trist. II, 475:
  26. wenigstens zunächst der Ausdruck numerus distans. Denn daß unter distans numerus überhaupt eine größere Zahl zu verstehen sei, wie Lörs erklärt, ist durchaus unzulässig, da es voraussetzen würde, wie Lörs auch wirklich thut, daß der Gegner nur wenige Augen geworfen gehabt hätte. Und welche größere Zahl sollte es sein? Eine bestimmte konnte man ja nicht nennen. Auch das folgende missa dare erklärt Lörs irrthümlich die Würfel dem Andern übergeben. Missa kann nimmermehr die Würfel bedeuten, sondern nur das Geworfene, die geworfenen Augen, und dare heißt, wie oben zu II, 204 gezeigt, die Steine rücken, so daß also vom Zwölflinienspiel (s. ebendas. und nachher V. 363) die Rede ist; was auch dadurch noch wahrscheinlicher wird, daß der Verfasser, wo er alle, oder doch die gewöhnlichsten Spiele aufzählt, dieses Spiel ganz unerwähnt lassen würde. – Für numeros will Burmann mit einigen Quellen numero lesen und giebt sich nicht wenig Mühe, das pleonastische numero bei Zahlen zu beweisen. Numeri steht dichterisch für tesserae, wie oben II, 263. Tres könnte auch unmöglich mit Beziehung auf den vorausgegangenen Sing. tessera stehen.
  27. V. 357 ff. Das Räuber- oder Soldatenspiel, lusus latrunculorum; s. oben zu II, 207. Wann in dem Kampfe &c.; es werden einige der wesentlichsten Fälle, die das Spiel charakterisiren, genannt: erstens wann ein Stein, zwischen zwei feindliche gerathen, geschlagen wird; zweitens wann ein Stein, ohne Deckung überrascht, kämpft und sich wehren muß, während der Gegner (im Original der Nebenbuhler, insofern er denselben Platz einzunehmen bemüht ist) wiederholt angreift und immer wieder zurückweichen muß. – Für prensus haben viele Hdschrften pressus, das mindestens ebenso gut ist. Auffallend ist in mehreren vorzüglichen Quellen sua compare und in vielen, jedenfalls Erklärung davon, sua coniuge, da von weiblichen Figuren bei diesem Spiele unseres Wissens sich nirgends eine Spur findet. Hat man an unsere Schachkönigin gedacht? Oder hat man Am. III, 5, 38 im Sinne gehabt, wo compar vacca steht? Wir haben suo hergestellt. Ferner geben die Hdschrften einzeln pugnat für bellat, mehrere fälschlich den Conjunctiv in beiden Sätzen.
  28. V. 361 f. Ein hübsches Unterhaltungsspiel, wo man eine Anzahl glatte (aus Glas oder Elfenbein) Bälle oder Kugeln in ein offenes Netz warf, um sie einzeln wieder herauszunehmen, wobei sich jedoch kein anderer Ball, als der herauszunehmende rühren durfte. So hat Becker das Spiel hier, das die alten Erklärer weidlich gequält hat, einfach und anschaulich erklärt.
  29. V. 363 f. Das Zwölflinienspiel lusus duodecim scriptorum, worüber man sehe oben II, 203, n. A. – Für redactum einige Hdschrften fehlerhaft reductum, und alle spicula für scriptula. Letzteres ist eine zweifellose Verbesserung Scaligers.
  30. V. 365 f. Ein Spiel, offenbar unserer Mühle ähnlich. Es wurde von zwei Personen gespielt, deren jede 3 Steine hatte. Diese drei Steine in eine Reihe zu bringen, ohne daß der Gegner einen der seinigen dazwischen brachte oder bringen konnte, war die Kunst des Spiels und bestimmte den Sieg. Zum Theil mit denselben Worten schildert der Dichter dieses Spiel Trauerg. I, 481 f.
  31. Einige wenige Hdschrften continuisse, einige duos, Varianten, die sich auch an der angef. Stelle finden.
  32. V. 367. Facesse geben nur wenige, darunter Reg., die übrigen fac esse oder face esse.
  33. V. 369. Beziehung auf V. 355.
  34. V. 371. Die meisten Hdschrften haben unrichtig tunc sumus, viele ab ipso.
  35. V. 375. Von Geschrei hallt wieder &c.; der Dichter schlägt scherzend einen höheren, einen epischen Ton an mit einer Anspielung auf Virgils resonat tonitribus aether.
  36. V. 377. An die Tafel, an das Spielbret. Man traut dem Glücke nicht und thut keinen Wurf, ohne frevelhafter Weise erst Gelübde zum Himmel zu schicken. – Dieser Sinn ist nicht unpassend. Ob es aber der vom Verfasser beabsichtigte und mit seinen Worten gegebene sei, ist sehr zweifelhaft. Die gemeine Lsrt ist nämlich Nulla fides tabulis, quae non per vota petuntur, und diese haben wir in der gegebenen Weise verstanden und übersetzt. Der Sinn bleibt derselbe, wenn man nach der Variante des Cod. Reg. 3 talis für tabulis liest und dann natürlich qui statt quae. In dieser Construction wäre aber ohne Zweifel der Conjunctiv petantur erforderlich. Daher wollte Douza lesen nulla fides tabulis; quae non per vota petuntur? Nun hat aber ein Codex bei Heinsius nulla fides, tabulaeque novae per vota petuntur und que novae konnte nach der Schreibart der Hdschrften leicht in quae non übergehen, und einige Bestätigung findet diese Lsrt auch bei Reg. 1 in tabulae; und so hat Burmann denn diese Lsrt wirklich aufgenommen und alle späteren Herausgeber bis auf den heutigen Tag beibehalten. Nun wissen wir zwar, was novae tabulae sind, eine Umstoßung des ganzen vorhergehenden Spiels in Bezug auf Gewinn und Verlust und Beginn eines neuen, und fänden ein solches Verlangen bei Frauenzimmern ebenso wie den scherzhaften Gebrauch des politischen Ausdrucks sehr passend; aber was hieße dann nulla fides und besonders per vota? Ersteres könnte man allenfalls erklären: man hält nicht Wort, leugnet z. B., daß man so und so viel gehalten habe, schuldig sei &c.; allein mit per vota wüßten wir gar Nichts anzufangen. Wir haben daher die gem. Lsrt wieder hergestellt.
  37. V. 383 f. Die gewöhnlichsten Belustigungen der männlichen Jugend und der Männer überhaupt: das Schlagen der Reifen (denn es scheinen mehrere zugleich im Spiele gewesen zu sein), vorzüglich für Knaben, das Werfen des Speers, besonders aber das Ballspiel oder vielmehr die Ballspiele, da es deren mehrere Arten gab. Die Ballspiele gehörten so wesentlich zum täglichen Leben, daß man in den Häusern und Bädern besondere Räume hatte, die, wenn auch nicht ausschließlich, doch vorzugsweise zum Ballschlagen eingerichtet und danach benannt waren (sphaeristeria).
  38. V. 385. Der Campus; s. oben I, 513 n. A. Die kühlende Jungfrau, eine kalte Quelle, deren Wasser in die Stadt geleitet war. Der Tuscische Strom, der Tiber; s. zu Verw. 14, 615.
  39. V. 387. Im Pompejischen Schatten zu wandeln; s. oben I, 67 n. A.
  40. V. 388. Gegen das Ende des Sommers, wo die Sonne im Sternbilde der Jungfrau steht. Der Dichter spricht von ihr wie von einer wirklichen Jungfrau, er legt ihr ein Haupt und Empfindung bei. Vergl. die vorher ang. Stelle sowie besonders Verw. 2, 80.
  41. V. 389 f. In den Tempel Apollos auf dem Palatinischen Berge, von Augustus geweiht nach dem Siege bei Actium über die Ägyptische Flotte (Schiffe vom Parätonischen [zu Verw. 9, 772] Strand). Vergl. zu Verw. 13, 715. 15, 865. – Paraetonicas haben wir mit Cod. Reg. und zwei anderen gegeben gegen Paraetonias der übrigen. Erstere Form hat auch Statius.
  42. V. 391 f. Nach den Säulengängen, welche von Octavia, Schwester, und Livia, Gattin Augusts (des Fürsten) und dessen Eidame Agrippa als Denkmäler erbaut und von den beiden Ersteren benannt waren. S. oben I, 69 ff. n. Anmerkungen. Agrippa hatte sich in der Seeschlacht gegen Sextus Pompejus ausgezeichnet und war von August mit dem Seekranze belohnt worden.
  43. V. 393. Der Memphitischen Kuh; s. oben I, 77 n. A.
  44. V. 394. Die drei Theater, des Pompejus, des Marcellus und des Cornelius Balbus. Vergl. oben I, 90.
  45. V. 395 f. Besucht das Amphitheater mit den Klopffechterspielen und den Circus mit den Wettrennen. S. oben zu I, 135.
  46. V. 399. Thamyras, oder Thamyris, ein berühmter Thracischer Barde, der mit den Musen in der Gesangeskunst wetteiferte. S. zu Liebeserg. III, 7, 62. Amöbeus gleichfalls ein berühmter Sänger aus Athen. – Für diesen minder bekannten Namen giebt ein Theil der Hdschrften den ungleich bekannteren Orphea mit atque für et.
  47. V. 400. Für gratia mehrere Quellen gloria, häufige Variante.
  48. V. 401. Hiernach hätte Apelles zuerst die Venus, wie sie aus dem Meere emporstieg, künstlerisch dargestellt, (vergl. oben V. 224) und sie gleichsam aus der Tiefe des Meeres ans Tageslicht gebracht. – Daß Ovid, wie man aus dieser Stelle und Briefe a. d. Pont. IV, 1, 29:
  49. geschlossen hat, Apelles als aus Kos gebürtig angenommen habe, während er zu Ephesus oder noch wahrscheinlicher zu Kolophon geboren war, ist keineswegs ausgemacht. Denn da Apelles seine letzte Lebenszeit in Kos zubrachte, daselbst auch das berühmte Venusbild malte und starb, so kann ihn der Dichter auch in dieser Beziehung füglich als Koer bezeichnet haben. Jener irrthümlichen Folgerung hat wahrscheinlich auch die Lsrt mehrerer Hdschrften und alten Ausgaben Cois für Cous ihren Ursprung zu verdanken. Man hat den Dichter von dem angeblichen Irrthume reinigen wollen. Auch pinxisset in den meisten Hdschrften ist jedenfalls unecht und nur Erklärung von posuisset, das mehrere der besten Quellen, darunter Reg., Sarr., Jur. Exc., bezeugen. Ponere wird, ganz wie das Deutsche darstellen, von jeder Art der Darstellung gesagt. Eine Folge von pinxisset ist wahrscheinlich auch numquam in vielen Hdschrften für nusquam.
  50. V. 405. Deum für ducum in Reg. und einigen anderen ist hier, wo es sich um Anerkennung und Belohnung handelt, schwerlich echt. Dagegen haben wir auf die Autorität aller Hdschrften fuerant für das von Heinsius blos nach Exc. Jur. aufgebrachte fuerunt hergestellt. Heinsius hat an unzähligen Stellen, oft ohne alle schriftliche Autorität, das Perfect mit verkürztem e für das Plusquamperfect eingeschmuggelt und es fast nur wo das Versmaß zwingend war, wie in der dritten Pers. Sing. (Am. III, 6, 3), stehen lassen. An unserer Stelle gleichwie an der eben angef. der Amor. ist das Plusquamperf. so zu erklären, daß der Sprechende einen Erzähler im Sinne hat, zu oder vor dessen Zeit das Berichtete schon geschehen und vorüber war; in anderen Fällen, daß er an etwas Folgendes denkt, mit dessen Eintritt das im Plusquamperfect Ausgedrückte aufhörte. Von letzterer Art sind Stellen, wie unten V. 429. 618, oben I, 104. II, 475. So oder ähnlich ist das Plusquamperfect auch in vielen anderen Fällen zu erklären und herzustellen, wo es auf überwiegender hdschriftlicher Autorität beruht. Denn anzunehmen, daß die Abschreiber aus Unkenntniß des in der 3. Pers. pl. perf. dichterisch kurz gebrauchten e das Plusquamperf. gesetzt hätten, heißt ihnen im Allgemeinen zu Wenig und zu Viel zutrauen. S. zu Am. III, 5, 2 vergl. mit I, 14, 25. II, 1, 22, wo wir überall jetzt das Plusquamperf. herstellen möchten. [Warum steht z. B. Rem. 263 profuerunt ohne alle Variante?]
  51. V. 409 f. Beispiel verdienter Anerkennung eines alten Dichters. Ennius (s. zu Liebeserg. I, 15, 19), aus Rudiä in der Nähe Tarents in Calabrien gebürtig, was der Verfasser anführt, um anzudeuten, daß er in einem rauhen und rohen Winkel, nicht etwa in Rom, dem Mittelpuncte feiner Bildung, geboren gewesen, wurde von dem älteren Scipio in hohen Ehren gehalten und zum Gesellschafter und Freund erkoren, auch in der Gruft desselben bestattet und sein Standbild neben dem des Scipio (dir an die Seite) auf derselben aufgestellt. – Der Text lautet in allen Hdschrften verdorben: hortos oder ortos Contiguos paene [ Reg. poenis] tibi oder tuis. Die treffliche Berichtigung in unseren Ausgaben verdankt man Jan. Parrhasius.
  52. V. 411. Der Epheukranz; da der Epheu dem Bacchus als dem Spender der Freude und des Genusses heilig (s. zu Verw. 3, 664), Bacchus aber ebenfalls Dichtergott ist (Liebeserg. I, 3, 11 und oben I, 525); so gehört der Epheu zum Dichterschmucke (vergl. Verw. 5, 338) und wird zur Bezeichnung der Dicht- und Gesangeskunst selbst gesetzt. – Für operata haben einige Hdschrften operosa, gewöhnliche Variante, hier freilich ganz unzulässig
  53. V. 413. Für den Ruhm zu wachen, dem Ruhme den Schlaf zu opfern. – Wieder einmal hat Heinsius auf eine einzige Autorität höchst unpassend den Conj. iuvet aufgebracht und erst Baumgarten-Crusius in der neuern Ausgabe wieder beseitigt. Dann giebt ein Theil der Hdschrften invigilare.
  54. V. 415 f. S. unsern Index z. Verw. – A. Lsrten si latuisset, delatuisset, delituisset, praelatuisset.
  55. V. 417 f. Für cura haben Cod. Reg. und ein Vat. nebst Ed. pr. turba, das Heinsius aufnahm und ferre, welches sich damit nicht vereinigen ließ, ohne Bedenken in ferte verwandelte. Für ultra andere Lsrt extra.
  56. V. 419. In multas haben wir mit Reg., Francof. u. anderen für die gem. Lsrt ad m. gegeben.
  57. V. 421. A. Lsrt formosa.
  58. V. 428. Für cadit einige Hdschrften venit.
  59. V. 429. S. zu Verw. 4, 670. Ihr Schmerz = sie in ihrem Schmerze. – Gem. Lsrt Andromede potuit sp. revincta; dann in einigen relictae, Reg. jedoch revinctae, wofür auch einige mit revictae zeugen.
  60. V. 431. Gem. Lsrt ire.
  61. V. 434. In statione ponere kann dem Zusammenhange nach nicht einfach heißen in Stand setzen; denn dies enthielte keinen Tadel, den der Dichter doch beabsichtigt: sondern der Ausdruck ist ohne Zweifel vom Kriegswesen hergenommen und wird eigentlich von dem Führer gesagt, der seine Leute auf Posten stellt, dann aber, wenn wir nicht irren, auf einen Verkäufer übergetragen, der seine Waaren ausstellt, zur Schau stellt, um Käufer anzulocken.
  62. V. 437. In der Stellung der beiden Wörter vir sit schwanken die Hdschrften. Heinsius hat unter Berufung auf die meisten und den Urdruck sit vir gegeben; der Sinn verlangt jedoch vir sit.
  63. V. 438. Nicht ohne einige Zurückhaltung sagt der Lebrer. daß es einer Frau, wenn sie einen solchen Zierbengel habe, nicht zu verdenken sei, auch mehrere Männer zu haben.
  64. V.440. Den Weisungen, Helena sammt den geraubten Schätzen zurückzugeben. S. Verw. 13, 196 ff. n. Anmerkungen. Laßt euch also das Schicksal Trojas zur Warnung dienen, denkt, ich sei euer Priamus, kommt meinen Weisungen nach. – Auffallender Weise geben die vorzüglichsten Quellen, darunter auch Cod. Reg., Priame . . tuis. Die gem. Lsrt ist Priami . . senis, das vermuthlich von einem Abschreiber herrührt, der gemeint hat, dem angeführten Beispiele dadurch mehr Würde zu verleihen, ohne zu bedenken, daß der Dichter sich schwerlich ausdrücklich mit einem Greise hat vergleichen wollen. Die aufgenommene Lsart wird von mehreren alten Handschriften geboten.
  65. V. 441 f. Die Conjunctive stehen keineswegs hdschrftlich fest. Heinsius giebt sie nach »den besseren und der Ed. pr. « Und es ist in der Regel verdächtig, wenn derselbe, wo es seine Liebhabereien betrifft, die Autoritäten nicht namentlich anführt.
  66. V. 443. Öl sowohl als Salbe, aus der Blüthe des Indischen und Arabischen Nardengrases (s. zu Verw. 15, 398) bereitet, war vorzüglich geschätzt. Namentlich diente es dazu, sich bei festlichen Gelagen vor dem Bekränzen Haar und Nacken zu salben. – Liquido für liquida haben wir auf überwiegende Autorität der Hdschrften hergestellt. Für diese Form zeugen auch einige mit nitido liquidissima, und wenn Acro zu Horat. Od. II, 11, 16 es für bemerkenswerth erklärt, daß er Assyria nardo im Feminin gesagt habe, so folgt daraus, daß dies ganz ungewöhnlich und folglich nardum als neutrum das Gewöhnliche gewesen sei.
  67. V. 444. Eine enge Gürtung des Unterkleides mittelst eines Gürtels, der, straff angezogen, fest anliegt (drückt) an den Falten, die er bewirkt (daher im Original seine Falten). und somit den Wuchs schlank erscheinen läßt. So trugen sich ohne Zweifel blos Stutzer, also vornehmere Römer oder wenigstens solche, denen man unmöglich diebische Absichten zutrauen konnte. – Irrthümlich erklärt Heinsius cingula von einer Binde, mit welcher die Toga gegürtet worden sei. Die Toga wurde aber nie gegürtet, sondern, wo sie unbequem war, also im Hause und gleich beim Eintritt in dasselbe abgelegt. Zu bemerken ist noch, daß einige Hdschrften, darunter Reg., lingula oder ligula für cingula haben und daß nach Servius zu Virg. Aen. 9, 360 die Form cingula sonst nur von dem Gurte der Thiere gesagt werden soll, wie es wirklich Rem. 236 vom Sattelgurt des Pferdes steht. Aber was ist lingula oder ligula? Wenn es dem Zusammenhange nach nicht etwas an dem getragenen Gewande Sichtbares sein müßte, könnte man an die Bretchen denken, welche, nachdem man die Toga abgelegt hatte, zwischen die Falten gelegt wurden, um ihre Regelmäßigkeit zu erhalten. So aber ist dies nicht zulässig. Endlich führen wir noch die Lsrt des Cod. Reg. an nec brevis impexas lingula nexa comas für einen etwaigen Apollo unter den gelehrten Lesern.
  68. V. 445. Über die Toga s. oben zu I, 514.
  69. V. 446. Vielleicht nicht allein als Beweis der Wohlhabenheit überhaupt, sondern besonders als Abzeichen des Ritterstandes. Vergl. zu Liebeserg. III, 8, 15. – Ein Theil der Hdschrften giebt unus et alter.
  70. V. 450 ff. Auf dem Platze, auf dem Forum Cäsars, wo nach oben I, 82 der Tempel der Venus-Erzeugerin und in unmittelbarer Nähe der Appische Brunnen oder die Mündung der Appischen Wasserleitung, wahrscheinlich mit Bildsäulen von Nymphen, von dem Dichter Appius‘ Göttinnen genannt, sich befanden: ein Haupttummelplatz der Buhlmädchen; daher Venus selbst als Patronin dieser Liebe die Appische (Mittel w. d. L. V. 660) heißt. Der Dichter drückt nun mit den Worten, daß diesem Gezänke die dort hausende Venus und die nahe befindlichen Nymphen ruhig zusähen, aus, daß dergleichen Vorkommnisse an diesem Orte, in dem eigentlichen Quartiere der Buhlmädchen, nicht selten wären und gleichsam von den Gottheiten des Orts begünstigt würden. – Derselbe Sinn bleibt, wenn man, wie Heinsius thut, mit Cod. Reg. und einigen andern für deae tuae oder bei der Lsrt videt, suae liest, indem die Nymphen dann wegen der Nähe des Standorts so bezeichnet werden. Wie die Buhldirnen selbst nach Heinsiussens Behauptung darunter verstanden werden können, will uns nicht einleuchten, man müßte denn, gewiß nicht passend, annehmen, daß sie aus Schadenfreude zusähen. Lenta giebt übrigens blos Reg. gegen laeta der übrigen. Vergl. zu Am. III, 11, 30.
  71. V. 453 f. Wie es Männer giebt, von denen ihrem noblen Äußeren nach kein Mädchen ahnen kann, daß sie in einer ganz andern Absicht kommen, als Liebesgenuß zu suchen; so giebt es deren auch, die, wie böse Schuldner – denn von solchen ist der Ausdruck im Original hergenommen – allgemein dafür bekannt sind, daß sie schon viele Mädchen betrogen, also sie zu ehelichen versprochen und dann im Stiche gelassen haben. – Reg. 2 giebt dubiae famae, und man könnte glauben, daß diese Lsrt sehr annehmbar wäre, um den häufigen A-Laut zu vermeiden. Allein man scheint die Wiederkehr dieses Lautes, zumal bei verschiedener Quantität, geliebt zu haben; unser Dichter wenigstens hat dieselbe keineswegs gescheut. Beispiele sind unzählig. S. unsern Index z. Verw. An dem Texte des Pentameters hat man vielfach Anstoß genommen und geändert; nach unserer Meinung ohne Grund. Crimen habere ist ein von Ovid häufig gebrauchter Ausdruck gleich reum esse, und deceptae amantis a multis (eigentlich von vielen Mädchen her = bei vielen) so viel als multarum amantium (puellarum) deceptarum.
  72. V. 455. Furcht haben vor eigenen Klagen, fürchten, daß ihr selbst Ursache bekommen möget zu klagen. – Vobis für vestris, wie Cod. Tomas. hat, erklärt Heinsius für passender. Wenn es das aber auch wäre, so könnte es auf diese einzige Autorität gegenüber den übrigen allen immer nicht für echt angesehen werden. Auch Burmanns Vermuthung cavisse, gestützt auf caruisse zweier Hdschrften, während mehrere tenuisse, eine renuisse hat, ist zwar ganz sinngemäß, aber nicht nöthig.
  73. V. 456. Nec sit bezeugt Cod. Reg. gegen ne sit der übrigen.
Parcite, Cecropides, iuranti credere Theseo:
Quos faciet testes, fecit et ante, deos.
Et tibi, Demophoon, Thesei criminia heres,
Phyllide decepta nulla relicta fides.
Si bene promittent, totidem promittite verbis:
Si dederint, et vos gaudia pacta date.
Illa potest vigiles flammas extinguere Vestae
Et rapere e templis, Inachi, sacra tuis,
Et dare mista viro tritis aconita cicutis;
Accepto venerem munere si qua negat.
Fert animus propius consistere: supprime habenas,
Musa, nec admissis excutiare rotis.
Verba vadum tentent abiegnis scripta tabellis;
Accipiat missas apta ministra notas:
Inspice, quodque leges, ex ipsis collige verbis,
Fingat, an ex animo sollicitusque roget,
Postque brevem rescribe moram: mora semper amantes
Incitat, exiguum si modo tempus habet.
Sed neque te facilem iuveni promitte roganti:
Nec tamen ex toto, quod petit ille, nega.
Fac timeat speretque simul; quotiesque remittes,
Spesque magis veniat certa minorque metus.
Munda, sed e medio consuetaque verba, puellae,
Scribite: sermonis publica forma placet.
Ah, quoties dubius scriptis exarsit amator,
Et nocuit formae barbara lingua bonae!
Sed quoniam, quamvis vittae careatis honore,
Est vobis vestros fallere cura viros:
Ancillae puerive manus ferat arte tabellas,
Pignora nec iuveni credite vestra novo.
Vidi ego pallentes isto terrore puellas
Servitium miseras tempus in omne pati.
Perfidus ille quidem, qui talia munera servat;
Sed tamen Aetnaei fulminis instar habet,
Iudice me fraus est concessa repellere fraudem;
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Hütet euch, Cecropiden, zu glauben dem schwörenden Theseus.850
Götter, bei welchen er schwört, hat er betrogen auch sonst.
Auch Demóphoon, dir, dem Erben von Theseus‘ Verbrechen,851
Schenkt man Glauben nicht mehr, da du die Phyllis getäuscht
Wenn sie tüchtig versprechen, versprecht ihr ebenso wortreich;852
Geben sie, gebt auch ihr dann den bedungnen Genuß.
Die kann weg aus dem Tempel die Heiligthümer der Isis853
Rauben, auf Vestas Herd löschen die ewige Gluth,
Wolfswurf geben dem Mann, gemischt mit geriebenem Schierling,
Die nach empfangenem Lohn weigert den Liebesgenuß.
Näher zu halten gedenk‘ ich dem Ziel; straff halte die Zügel,854
Muse, und laß dich nicht schleudern vom jagenden Rad.
Würde versucht die Furth mit Worten auf tännenen Bretchen,855
Nähme die Dienerin schlau an den gesendeten Brief;856
Siehe hinein und entnimm aus den Worten selber, ob ernstlich,857
Was du liesest, gemeint, oder geheuchelt nur sei.
Schreib‘ ihm wieder nach kurzem Verzug; stets reizet das Zaudern
Liebende, wenn der Verzug kürzere Dauer nur hat.
Weder zu leicht versprich dich jedoch dem bittenden Jüngling,
Noch auch schlage ihm ab gänzlich, wonach er verlangt.858
Laß ihn fürchten und hoffen zugleich; und so oft du zurückschreibst,
Werde die Hoffnung für ihn fester, geringer die Furcht.859
Artige Worte, doch nur alltäglichem Kreise entnommen,860
Schreibt, ihr Mädchen; es nimmt ein der gebräuchliche Stil.861
Oft war, über die Schrift in Zweifel, erzürnt der Bewerber,862
War der barbarische Mund schädlich der schönen Gestalt.
Doch weil, ob es euch auch gebricht an der Ehre der Binde,863
Doch zu täuschen bedacht euere Männer ihr seid;
Bringe geschickt den Brief der Magd Hand oder des Burschen,864
Und vertrauet nicht an Neulingen euere Gunst.865
O wie Manche schon hab‘ ich von solchem Schrecken erbleichen,866
Ewige Sclaverei leiden die Arme gesehn!
Treulos zwar ist der, der aufhebt solche Beweise;867
Aber des Ätna Blitz führt er in Händen darin.868
Meines Bedünkens ist Täuschung erlaubt, um wieder zu täuschen.
    Armaque in armatos sumere iura sinunt.
Ducere consuescat multas manus una figuras.
Ah, pereant, per quos ista monenda mihi!
Nec nisi deletis tutum rescribere ceris,
Ne teneat geminas una tabella manus.
Femina dicatur scribenti semper amator;
Illa sit in vestris, qui fuit ille, notis.
Sed libet a parvis animum ad maiora referre,
Plenaque curvato pandere vela sinu.
Pertinet ad faciem rabidos compescere mores:
Candida pax homines, trux decet ira feras.
Ora tument ira; nigrescunt sanguine venae;
Lumina Gorgoneo saevius igne micant.
I procul hinc, dixit, non es mihi, tibia, tanti,
Ut vidit vultus Pallas in amne suos.
Vos quoque si media speculum spectetis in ira:
Cognoscet faciem vix satis ulla suam.
Nec tumeat vultu damnosa superbia vestro:
Comibus est oculis alliciendus amor.
Odimus immodicos – experto credite! – fastus.
Saepe tacens odii semina vultus habet.
Spectantem specta, ridenti mollia ride;
Innuet, acceptas tu quoque redde notas.
Sic ubi prolusit, rudibus puer ille relictis
Spicula de pharetra promit acuta sua.
Odimus et maestas. Tecmessam diligat Aiax;
Nos hilarem populum femina laeta capit.
Numquam ego te, Andromache, nec te, Tecmessa, rogarem,
Ut mea de vobis altera amica foret.
Credere vix videor, cum cogar credere partu,
Vos ego cum vestris concubuisse viris.
Scilicet Aiaci mulier maestissima dixit:
Lux mea, quaeque solent verba iuvare viros.
Quid vetat a magnis ad res exempla minores
Sumere, nec nomen pertimuisse ducis?
Dux bonus huic centum commisit vite regendos,
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    Gegen Bewaffnete ist Waffen zu nehmen gerecht.
Vielerlei Zeichen zu ziehn gewöhne dieselbige Hand sich.869
Wehe den Männern, für die Solcherlei rathen ich muß!
Auch nicht ohne zu löschen das Wachs mögt wieder ihr schreiben,870
Daß der Hände nicht zwei habe das nämliche Blatt.
Frau von der Schreiberin auch werd‘ immer genannt der Geliebte;871
Der ein Er ist, Sie heiß‘ er in euerer Schrift.872
Doch von Geringerem will den Geist ich auf Höheres richten873
Und zu strotzendem Bauch spannen die Segel gesammt.874
Schöner Gestalt steht’s an, das wüthende Wesen zu zähmen.875
Ruhiger Friede geziemt Menschen, dem Thiere der Zorn.
Aufschwellt Zorn das Gesicht, schwarz werden vom Blute die Adern;
Gräßlicher funkelt der Blick als die Gorgonische Gluth.876
Weg von mir, weit weg! so viel nicht giltst du mir, Pfeife,877
Sprach, als ihr Gesicht Pallas erblickte im Strom.
Auch wenn ihr immitten des Zorns in den Spiegel hineinschaut,
Wird kaum leidlich darin Eine erkennen ihr Bild.878
Auch schwell‘ euere Miene euch nicht von verdammlichem Hochmuth;879
Mit sanftmüthigem Blick weckt man der Liebe Gefühl.880
Glaubt dem Erfahrenen es, wir hassen unmäßigen Dünkel;881
Samen des Hasses enthält öfters ein schweigend Gesicht.
Sieh den an, der dich ansieht; dem Lächelnden lächle
Sanft zu; wenn du empfängst Winke, erwiedere sie.
Hat so vor er gespielt, dann wirft die Rapiere der Knabe882
Weg; aus dem Köcher hervor holt er das scharfe Geschoß.
Traurige hassen wir auch. Mag Ajax lieben Tecmessa;883
Uns, ein fröhliches Volk, fesselt ein fröhliches Weib.
Niemals würd‘ ich Tecmessa, noch dich, Andrómache, bitten,
Daß die Eine von euch wäre die Freundin von mir.
Glauben kann ich es kaum, obgleich die Geburt es beweiset,884
Daß gelegen ihr seid eueren Männern im Arm.
Nun, es sagte das Weib voll Trauer zu Ajax: mein Leben,
Und was Andres noch sonst pflegt zu erfreuen den Mann.
Warum sollten wir nicht Beispiele von Großem für Kleines885
Nehmen und rathen zu thun, was für den Führer sich schickt?
Diesem hat den Befehl von hundert ein tüchtiger Führer,886
    Huic equites; illi signa tuenda dedit.
Vos quoque, de nobis quem quisque sit aptus ad usum,
Inspicite, et certo ponite quemque loco.
Munera det dives; ius qui profitebitur, assit;
Facundus causam saepe clientis agat.
Carmina qui facimus, mittamus carmina tantum:
Hic chorus ante alios aptus amare sumus.
Nos facimus placitae late praeconia formae:
Nomen habet Nemesis, Cynthia nomen habet.
Vesper et Eoae novere Lycorida terrae;
Et multi, quae sit nostra Corinna, rogant.
Adde, quod insidiae sacris a vatibus absunt;
Et facit ad mores ars quoque nostra suos.
Nec nos ambitio, nec amor nos tangit habendi:
Contemto colitur lectus et umbra foro.
Sed facile haeremus validoque perurimur aestu,
Et nimium certa scimus amare fide.
Scilicet ingenium placida mollitur ab arte,
Et studio mores convenienter eunt.
Vatibus Aoniis faciles estote, puellae:
Numen inest illis, Pieridesque favent.
Est deus in nobis, et sunt commercia caeli.
Sedibus aetheriis Spiritus ille venit.
A doctis pretium scelus est sperare poetis.
Me miserum, scelus hoc nulla puella timet.
Dissimulate tamen, nec prima fronte rapaces
Este: novus viso casse resistet amans.
Sed neque vector equum, qui nuper sensit habenas,
Cum paribus frenis artificemque reget.
Nec stabiles annis animos viridemque iuventam
Ut capias, idem limes agendus erit.
Hic rudis et castris nunc primum notus Amoris,
Qui tetigit thalamos praeda novella tuos,
Te solam norit, tibi semper inhaereat uni.
Cingenda est altis sepibus ista seges.
Effuge rivalem: vinces, dum sola tenebis.
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    Diesem die Reiter, die Hut Jenem der Fahnen vertraut.
Ihr auch sehet darauf, zu welchem Gebrauche sich Jeder887
Eignet von uns, und stellt Jeden, wohin er gehört.
Schenkungen mache der Reiche, der Rechtsbeflissene helfe;
Und der Clientin Proceß führe des Redners Talent.
Die Gedichte wir machen, uns laßt nur schicken Gedichte;
Wir vor Anderen sind Leute, zu lieben geschickt.888
Wir verbreiten umher das Lob der geselligen Schönheit.
Némesis‘ Name ist weit, Cynthias Name berühmt.889
Abend- und Morgenland, sie kennen den Namen Lycóris;890
Und gern wüßte man, wer meine Corinna wol sei.891
Wisset, auch Hinterlist ist fremd den heiligen Sängern;
Wißt, daß unsere Kunst adelt auch unser Gemüth.892
Weder der Ehrgeiz reizt, noch Sucht zu haben uns Dichter;893
Wir verachten den Markt, schätzen nur Schatten und Bett.894
Aber wir hängen gar leicht und entbrennen in heftiger Wallung,
Bleiben nur allzufest unserer Liebe getreu.
Denn von der friedlichen Kunst wird milder und sanfter das Herz auch,895896
Und dem Berufe gemäß bilden die Sitten sich aus.
Gegen die Sänger beweist willfährig euch; ihnen ja wohnet
Gottheit innen und sind die Pieriden geneigt.897
Gottheit wohnet in uns, mit dem Himmel haben wir Umgang;
Zuweht dieser Geist uns aus ätherischem Raum.
Von den gebildeten Dichtern ist Lohn zu hoffen Verbrechen.
Doch wo scheute sich wohl dieses Verbrechens ein Weib?
Laßt’s nicht merken jedoch; tragt nicht an der Stirne die Raubsucht.
Sehn sie das Netz, so stehn neue Bewerber zurück.
Wie der Lenker das Roß, das jüngst den Zügel gefühlt erst,898
Nicht mit gleichem Gebiß wie das geschulte regiert;
So nicht geht man den nämlichen Weg, die blühende Jugend
Wie durch der Jahre Gewicht festere Herzen zu fahn.
Hier der Neuling, zuerst in Amors Lager bekannt jetzt,899
Welcher, ein frischer Fang, deinem Gemache genaht,
Kenne nur dich allein, sei stets dir einzig ergeben.
Hohes Gehege zu ziehn hat man um solcherlei Saat.
Flieh‘ die Rivalin; du siegst, so lange allein du ihn fesselst.
    Non bene cum sociis regna Venusque manent.
Ille vetus miles sensim et sapienter amabit,
Multaque tironi non patienda feret.
Nec franget postes, nec saevis ignibus uret,
Nec dominae teneras appetet ungue genas.
Nec scindet tunicasve suas tunicasve puellae;
Nec raptus flendi causa capillus erit.
Ista decent pueros aetate et amore calentes;
Hic fera composita vulnera mente feret.
Ignibus hic lentis uretur, ut humida taeda,
Ut modo montanis silva recisa iugis.
Certior hie amor est, brevis et fecundior ille.
Quae fugiunt, celeri carpite poma manu.
Omnia tradantur: portas reseravimus hosti;
Et sit in infida proditione fides.
Quod datur ex facili, longum male nutrit amorem:
Miscenda est laetis rara repulsa iocis.
Ante fores iaceat: Crudelis ianua, clamet;
Multaque submisse, multa minanter agat.
Dulcia non ferimus: succo renovemur amaro.
Saepe perit ventis obruta cymba suis.
Hoc est, uxores quod non patiatur amari:
Conveniunt illas, cum voluere, viri.
Obde forem, et duro dicat tibi ianitor ore
Non potes; exclusum te quoque langet amor.
Ponite iam gladios hebetes; pugnetur acutis.
Nec dubito, telis quin petar ipse meis.
Dum cadit in laqueos captus quoque nuper amator,
Solum se thalamos speret habere tuos.
Postmodo rivalem partitaque foedera lecti
Sentiat: has artes tolle, senescet amor.
Tum bene fortis equus reserato carcere currit,
Cum, quos praetereat quosque sequatur, habet.
Quamlibet extinctos iniuria suscitat ignes.
En, ego, confiteor, non nisi laesus amo!
Causa tamen nimium non sit manifesta doloris,
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    Nicht mit Genossen ja theilt Herrschaft und Liebe sich gut.
Dort der alte Soldat wird zögernd und weise nur lieben,
Vieles ertragen auch, was nimmer der Neuling erträgt;
Wird nicht Thüren erbrechen, noch brennen in wüthenden Flammen,
Noch die Gebieterin auch kratzen ins zarte Gesicht;
Noch sein eignes Gewand, noch das der Geliebten zerreißen,
Noch durch Entraufen des Haars Quelle der Thränen ihr sein.
Knaben geziemt solch Thun, die glühen von Jugend und Liebe;
Dieser jedoch erträgt grausame Wunden gefaßt.900
Nur in schmauchendem Qualm brennt dieser, wie wäßrige Fackeln,901
Wie auf bergigen Höhn eben geschlagenes Holz.
Sicherer ist dies Lieben; nur kurz, doch ergiebiger jenes.902
Pflücket die flüchtige Frucht, pflückt sie mit eiliger Hand.
Alles liefer‘ ich aus, dem Feind aufschloß ich die Thore;903
Im treulosen Verrath liege des Wortes Gewähr.
Was zu leicht man gewährt, nährt schlecht nachhaltige Liebe;904
Mischen mit frohem Genuß müßt ihr bisweilen den Korb.
Laßt vor der Thür ihn liegen und schrein: O grausame Thüre,
Bald mit Bitten ihn sich, bald sich vernehmen mit Drohn.
Süßes vertragen wir nicht; neu stärke ein bitterer Saft uns.905
Oft geht unter ein Kahn, wehet zu günstig der Wind.
Dieses der Grund, der nicht läßt lieben die eigenen Weiber:
Weil es den Männern erlaubt, wann sie nur wollen, zu nahn.
Schließe die Thür‘, und es sage dir barsch der Hüter: du kannst nicht;906
Wird, bist aus du gesperrt, fassen die Liebe auch dich.
Legt die stumpfen Schwerter nun weg und kämpfet mit scharfen.907
Meine Waffen gekehrt seh‘ ich wohl gegen mich selbst?
Während, gefangen erst jüngst, eingeht in die Schlinge der Freier,908
Laß ihn hoffen, allein werd‘ er besitzen dein Bett.
Bald mag Nebenbuhler und Theilung des Bettes er merken.
Ohne Gebrauch der Kunst gehet die Liebe zu Grab.
Gut dann läuft ein muthiges Roß nach eröffneter Schranke,
Reizen es andere an neben und vor ihm zum Lauf.
Selber erloschene Gluth weckt wieder erlittene Kränkung.909
Ja, ich kann, ich gesteh’s, lieben nur, bin ich gekränkt.
Aber die Ursach sei nicht allzudeutlich des Schmerzes;910
    Pluraque sollicitus, quam sciat, esse putet.
Incitet et ficti tristis custodia servi
Et nimium duri cura molesta viri.
Quae venit ex tuto, minus est accepta voluptas.
Ut sis liberior Thaide, finge metus.
Cum melius foribus possis, admitte fenestra,
Inque tuo vultu signa timentis habe.
Callida prosiliat dicatque ancilla: Perimus!
Tu iuvenem trepidum quolibet abde loco.
Admiscenda tamen venus est secura timori,
Ne tanti noctes non putet esse tuas.
Qua vafer eludi possit ratione maritus,
Quaque vigil custos, praeteriturus eram.
Nupta virum timeat, rata sit custodia nuptae.
Hoc decet, hoc leges iusque pudorque iubent.
Te quoque servari, modo quam vindicta redemit,
Quis ferat? Ut fallas, ad mea sacra veni.
Tot licet observent, – assit modo certa voluntas –
Quot fuerant Argo lumina, verba dabis.
Scilicet obstabit custos, ne scribere possis,
Sumendae detur cum tibi tempus aquae?
Conscia cum possit scriptas portare tabellas,
Quas tegat in tepido fascia lata sinu?
Cum possit sura chartas celare ligatas,
Et vincto blandas sub pede ferre notas?
Caverit haec custos, pro Charta conscia tergum
Praebeat inque suo corpore verba ferat.
Tuta quoque est fallitque oculos e lacte recenti
Litera: carbonis pulvere tange; leges.
Fallet et humiduli quae fiet acumine lini
Et feret occultas pura tabella notas.
Affuit Acrisio servandae cura puellae;
Hunc tamen illa suo crimine fecit avum.
Quid faciat custos, cum sint tot in urbe theatra?
Cum spectet iunctos illa libenter equos?
Cum sedeat Phariae sistris operata iuvencae,
Quoque sui comites ire vetentur, eat?
Cum fuget a templis oculos Bona Diva virorum,
Praeterquam si quos illa venire iubet?
Cum, custode foris tunicas servante puellae,
Celent furtivos balnea multa viros?
Cum, quoties opus est, fallax aegrotet amica
Et cedat lecto quamlibet aegra suo?
Nomine cum doceat, quid agamus, adultera clavis,
Quasque petas non det ianua sola vias?
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    Mehr, vermuth‘ er besorgt, sei es, als wirklich er weiß.
Auch die mürrische Hut reiz‘ eines erdichteten Sclaven
Ihn und die lästige Sorg‘ eines zu harten Gemahls.
Minder erfreuet Genuß, der ohne Gefahr uns zu Theil wird;911
Seist du wie Thais frei, heuchle Besorgnisse doch.912
Laß durchs Fenster ihn ein, ging‘ auch durch die Thüre es besser;913
Und in deinem Gesicht lese er Zeichen der Furcht.914
Listig gesprungen auch komme die Magd und rufe: Verloren!
Bergen den Zitternden dann mußt du, wo immer du kannst.
Doch ist auch sorgloser Genuß mit der Furcht zu verbinden,915
Daß er für werthlos nicht halte die Nächte bei dir.
Wie den verschlagenen Mann, nicht minder den wachsamen Hüter
Haben zum Besten man kann, wollte berühren ich nicht.
Fürcht‘, o Gattin, den Mann und laß dir die Wache gefallen.916
Dieses geziemt, dies will Ehre und Recht und Gesetz.917
Daß man auch dich bewacht, die eben der Stab erst erlöst hat,918
Wer ertrüg‘ es? So laß weihen zum Trug dich von mir.
Mögen auch Augen so viel dich bewachen, als Argus besessen,919
Wirst du sie hintergehn, wenn du den Willen nur hast.
Wird im Wege etwa der Hüter dir stehen zu schreiben,
Da man die nöthige Zeit Wasser zu nehmen dir gönnt?920
Da Botschaften im Brief kann eine Vertraute doch tragen,
Die an der warmen Brust unter der Binde ihn birgt?921
Da sie doch kann das Papier, an der Wade befestigt, verbergen,922
Unter gebundenem Fuß tragen die Worte der Gunst?
Sähe der Hüter das vor, so reich‘ als Papier die Vertraute923
Dar den Rücken; die Schrift trage ihr eigener Leib.
Sicher auch sind und entgehen dem Blick Buchstaben mit frischer924
Milch; thu Kohlenstaub drüber, so liest du sie leicht.
Auch ein Briefchen, gemacht mit der Spitze des saftigen Leines,
Täuschet und bringt, ganz rein, eine verborgene Schrift.
Wohl dem Acrisius lag’s am Herzen, zu hüten die Tochter;925
Zum Großvater ihn doch machte des Mädchens Vergehn.
Was soll machen der Hüter, da sind so viele Theater?
Da die Gebieterin schaut Rossegespanne so gern?926
Da den Klappern der Pharischen Kuh ergeben sie dasitzt,927
Gehet, wohin zu gehn ihren Begleitern verwehrt?
Da von den Tempeln verbannt die Gütige Göttin der Männer928
Augen, nur derer nicht, die sie zu kommen bestellt?
Da die Menge der Bäder verbirgt verstohlene Männer,929
Während des Mädchens Gewand draußen der Hüter bewacht?
Da, so oft sie es braucht, betrüglich die Freundin erkranket930
Und, so krank sie auch ist, ein doch das Lager ihr räumt?
Da Nachschlüssel uns auch, was thun wir sollen, belehren?931
Auch nicht einzig die Thür Wege zum Kommen erschließt?932
  1. V. 457. Cecropiden, Athenerinnen; s. unsern Index z. Verw. Da Theseus ein Athener war. so warnt der Dichter die Athenerinnen vor Männern wie Theseus. Auch Rom hat seine Theseuse, hütet euch vor ihnen, ihr Römerinnen. S. übrigens oben I, 527 ff.
  2. V. 459 f. S. zu Liebeserg. II, 18, 22.
  3. V. 461. Mit promittent haben wir die gem. Lsrt gegeben für den von Heinsius angeblich nach »einigen der besseren« aufgenommenen Conjunctiv promittant. Übrigens findet sich auch promittunt.
  4. V. 463 ff. Die kann &c., ist fähig die schwersten Verbrechen zu begehen. Auf Vestas Herd &c.; s. zu Verw. 15, 730. Wolfswurz oder Eisenhut, Aconit.
  5. V. 467. Bis jetzt hat der Lehrer nur allgemeinere, zum Theil negative Vorschriften gegeben, sich also mehr gleichsam in der Ferne gehalten und Vieles nur im Fluge berührt; jetzt will er näher, unmittelbar auf das Ziel halten und heißt seine Muse das rasche Gespann anhalten. Dabei malt er das Bild weiter aus, indem er sie warnt, bei dem plötzlichen Anhalten der jagenden Rosse nicht herab zu fallen.
  6. V. 469. Vergl. oben I, 437 sowie zu Liebeserg. I, 11, 27. – Die erstere Stelle meint Forcellinis Lexikon. Wir bemerken dies ausdrücklich, weil Baumgarten-Crusius hier sagt, er wisse nicht, woher Forcellini Cera vadum tentet habe. Aus alienis einiger Quellen, auch der Ed. pr., will Heinsius acernis nach Am. I, 11, 28 vermuthen, läßt es aber wieder fallen. Burmann führt auch planis inscripta aus einer Vatic. Hdschrft an und meint, es sei vielleicht plenis inscripta das Echte.
  7. V. 470. Über das Verhältniß dieses Satzes kann man zweifelhaft sein, ob er nämlich Nachsatz oder fortgesetzter Vordersatz sei. Für Ersteres spricht der Mangel der Verbindung, zum Theil auch der Sinn; für Letzteres, daß sich dann das Nächste eng und scharf anschließt, während außerdem wieder hier die Verbindung vermißt würde. Nach langem Schwanken haben wir uns für die letztere Auffassung entschieden.
  8. V. 471. A. Lsrt dumque leges.
  9. V. 476. Nach Heinsius geben »die besseren Hdschrften« nebst der Urausgabe nec tamen e duro, quod petit ille, nega; dann »einige andere« e toto oder ex toto für e duro, endlich Reg. 3 und ein Vatic. e duro, quod petit, ore; und nach der letzteren Lsrt hat er eduro, quod petit, ore gegeben und alle folgenden Herausgeber beibehalten. Wie schwach aber diese Lsrt überhaupt und eduro als ein Wort insbesondere begründet sei, ist einleuchtend. Edurus steht unseres Wissens blos Virg. Georg. IV, 145 hdschrftlich fest; das. II, 65 ist es längst in et durae berichtigt, und oben II, 527, worauf sich Heinsius beruft, ist es seine eigne Erfindung. Ore paßt überdem schlecht zu einer schriftlichen Antwort. Dies vermuthlich fühlend, schlägt Heinsius vor, e duro adverbialisch zu fassen, wie ex facili, ex difficili &c.; und es bliebe allerdings weiter Nichts übrig, wenn man nicht e toto hätte. Warum man dies aber stillschweigend verwirft, ist nicht einzusehen. Wenn Heinsius die Quellen nicht nennt, führt er gewöhnlich Etwas im Schilde. Er wollte sein edurus einschwärzen; was ihm auch gelungen ist. Nach unserer Meinung kann es nichts Passenderes geben, als e oder ex toto – denn ein adverbialisches e duro für echt zu halten könnten wir uns nur schwer entschließen –, nur zwischen e und ex schwanken wir noch. E toto schließt sich äußerlich mehr an e duro an, ex toto ist die übliche Form dieser und aller ähnlichen Ausdrucksweisen. Die letztere Rücksicht scheint uns überwiegend.
  10. V. 478. A. Lsrt spes magis hinc, worin Heinsius huic vermuthet.
  11. V. 479. Für munda hat eine Vat. Hdschrft blanda, wahrscheinlich aus I, 467.
  12. V. 480. Ein Theil der Quellen giebt verba placent, offenbar aus dem vorhergehenden Verse, oder Erklärung von forma, das hier von Münzen übertragen ist, Gepräge.
  13. V. 481. Über die Schrift, über den Sinn der verkehrten Ausdrücke, falsche Construction &c. – Wenn wir auch im Deutschen über die Schrift mit in Zweifel verbunden haben, so haben wir darum nicht scriptis mit dubius construirt. – Dubius ist nur von wenigen Quellen, darunter Reg., erhalten; die gemeine Lsrt ist dubiis.
  14. V. 483. Ob es euch auch &c., obgleich ihr, als nicht zu den ehrbaren Frauen gehörend, gar nicht nöthig habt, euere Angelegenheiten heimlich zu betreiben. Über die Bedeutung der Binde s. oben zu I, 31.
  15. V. 485. Die von Heinsius aus Cod. Argent. Vat. und einem Pat. aufgenommene und bis jetzt in den Ausgaben herrschende Lsrt apta, so passend sie an sich ist, können wir nicht als echt anerkennen. Es ist schwer zu glauben, daß ein so einfaches und bei unserem Dichter so oft vorkommendes Wort solche Abweichungen veranlaßt hätte, als da sind ante, arce, arta, apte und, was die gemeine Lsrt ist, arte. Vielmehr ist jedenfalls dieses Letztere, arte, das Ursprüngliche und hat wegen seiner allerdings nicht ganz gewöhnlichen, bei unserem Dichter aber nicht seltenen adverbialischen Bedeutung in der Verbindung mit einem Zeitworte bei Dem und Jenem Anstoß erregt oder das Verständniß gehindert oder eine Erklärung veranlaßt. Zur Besorgung einer solchen Bestellung ist Abrichtung. Kenntniß, Geschick nöthig. Mit Geschick also händige der Bote dem Liebhaber die Brieftafel ein. Arte steht so adverbialisch z. B. oben I, 544. II, 434. In einem Codex hat die anstößige Verbindung arte ferat die Änderung in arte premat verursacht.
  16. V. 486. Neulingen in der Liebe, Anfänger, die, wie das Nächste lehrt, die Briefe aufheben und, wenn ihnen etwa die Frau einmal nicht Recht thut, aus Rache dem Manne verrathen, während ein alter Soldat eine Laune der Geliebten geduldiger hinnimmt. Vergl. unten V. 566. Der Bote soll also die Schreibtafel, nachdem der Inhalt von dem Empfänger gelesen ist, zurückbringen; oder die Schöne soll eine schriftliche Antwort gar nicht ertheilen. – Ganz im Widerspruche mit dem Zusammenhange, wie er sich in dem Folgenden darstellt, hat man iuveni novo zum Theil von dem Besteller des Briefes verstanden; und aus diesem Mißverständnisse ist ohne Zweifel die Lsrt puero für iuveni in nicht wenigen Hdschrften entstanden. Hätte Ovid aber auch puero geschrieben, wie er denn blutjunge Liebhaber z. B. unten V. 571 wirklich pueros nennt, so dürfte es immer nicht auf den Sclaven bezogen werden.
  17. V. 487 f. Von solchem Schrecken, von dem Schrecken darüber, daß sie einem Neulinge einen Brief anvertraut, d. h. geschrieben oder überlassen, und von demselben sich verrathen gesehen hatte. Ewige Sclaverei leiden von ihrem Manne. – Die falsche Auffassung des vorhergehenden Verses hat wieder auf diesen gewirkt und in einigen isto oder ipso latore, in vielen fallentes für pallentes veranlaßt. Für Letzteres findet sich auch deflentes.
  18. V. 489. Für pignora andere Lsrt munera, sowie in Linc. captat für servat.
  19. V. 490. Aber es hilft dir nur Nichts, wenn er auch als treulos erkannt und erklärt wird; er ist und bleibt doch im Besitze einer Waffe gegen dich, die er wie einen zerschmetternden Blitz gebrauchen kann. Des Ätna Blitz, einen Blitz, wie ihn die Cyclopen vom Feuer des Ätna dem Jupiter schmieden (s. zu Verw. 13, 755) = einen furchtbaren.
  20. V. 493. Vielerlei Zeichen, Buchstaben von vielerlei Art, viele (verschiedene) Alphabete oder Hände.
  21. V. 495. Ohne zu löschen das Wachs die in das Wachs eingegrabene Schrift des Liebhabers. S. zu Verw. 9, 522.
  22. V. 497. Scribenti hat Heinsius aus vier ungenannten, also keinenfalls vorzüglichen Hdschrften für scribentis der übrigen gegeben. Das s kann vor semper freilich leicht hinzugekommen, aber ebenso leicht ausgefallen sein. Da jedoch der Dativ schwerer zu verstehen war, als der Genitiv, derselbe auch den Sinn schärfer ausdrückt; so haben wir den herrschenden Text beibehalten.
  23. V. 498. Fuit im Lateinischen bezieht sich auf die Zeit, ehe sie schreibt und ihn zur Sie macht.
  24. V. 499. Wie der Lehrer V. 467 von Allgemeinerem zu Speciellerem überging, so will er sich hier wieder von unbedeutenden Dingen zu wichtigeren wenden. – Die vorzüglicheren Hdschrften nebst alten Ausgaben haben freilich sed licet, libet nur die Hdschrft Morets mit si und die eine des Mentel.; Arondel. placet, das auch auf libet weist.
  25. V. 500. Für pandere haben wir auf Burmanns Empfehlung das vielbezeugte tendere, wofür auch die Berner Hdschrft mit prendere spricht, aufgenommen. Pandere, sagt Burmann, ist einfach entfalten, tendere aber spannen. S. Her. 13, 15.
  26. V. 501. Gem. Lsrt rapidos, gewöhnliche Verwechslung.
  27. V. 504. Die Gorgonische Gluth, die Gluth in den Augen der Gorgonen; s. zu Verw. 4, 774. – Mehrere Hdschrften angue, leicht erklärlich.
  28. V. 505 f. S. zu Verw. 6, 383.
  29. V. 508. Das bis jetzt in den Ausgaben herrschende cognoscat beruht auf schwacher Autorität; wir haben daher cognoscet hergestellt.
  30. V. 509. Obwohl Heinsius bezeugt, daß die meisten Hdschrften nebst dem Urdrucke nec tumeat vultu haben, giebt er doch, ohne eine einzige Autorität zu nennen, nec minus in vultu, weil ora tument ira kurz vorhergegangen sei. Aber liegt denn in einer Wiederholung, wie diese, etwas Ungeschicktes? Das Gesicht schwelle nicht von Zorn &c. Auch Hochmuth schwelle nicht in euer er Miene. Daß nec minus damnosa (est) prosaischer ist und einer Erklärung ähnlicher sieht als nec tumeat, bedarf keines Beweises.
  31. V. 510. A. Lsrten dulcibus und mollibus.
  32. V. 511. Für experto haben Reg., Neap. und ein Vat. expertae, und dies erklärt Heinsius für argute. Wir gestehen aber hinter diese argutia nicht kommen zu können. Auch vermuthet er in fatus einer seiner Hdschrften flatus unter Berufung auf oben I, 715, wo er es glücklich aufgebracht hat.
  33. V. 515. So, mit gegenseitigem Anblicken, Zulächeln, Zuwinken, vorgespielt, Einleitung getroffen. Die Rapiere; s. zu Liebeserg. II, 9, 20. Der Knabe, Cupido oder Amor. – A. Lsrt praelusit, das in diesem Sinne für unrichtig erklärt wird.
  34. V. 517 ff. Tecmessa und And romache werden nicht etwa einer von Natur trüben Gemüthsart wegen, von welcher uns wenigstens Nichts bekannt ist, genannt, sondern wegen ihrer traurigen Schicksale und vielleicht mit besonderer Rücksicht darauf, daß sie beide Heldinnen von bekannten Trauerspielen waren. Die Andromache des Euripides besitzen wir noch, wogegen die Tecmessa des Sophokles gänzlich verloren gegangen ist. Tecmessa war übrigens die Tochter eines Phrygischen Fürsten, Namens Teuthras, die während des Trojanischen Krieges von Ajax, Telamons Sohne, gefangen und geliebt wurde. S. auch Horat. Od. II, 4, 4.
  35. V. 521. Die Geburt; Andromache gebar den Astyanax (s. Verw. 13, 415 n. A.), Tecmessa den Eurýsaces, von welchem die edle Familie der Eurysaciden in Athen abstammte. – Ed. pr. nebst zwei Hdschrften giebt nisi cogar credere partus, Cod. Mentel. partu, die Ausgabe des Gryphius v. 1554 sehr annehmbar nisi cogat credere partus. Für videor commandirt Heinsius natürlich videar.
  36. V. 525 ff. Benutzt jeden Mann nach seinen Fähigkeiten und seinem Leistungsvermögen, gleichwie ein guter General jedem Manne nach seiner Fähigkeit und Tüchtigkeit seinen Platz anweist.
  37. V. 527. Hat . . vertraut; wann das Heer ausrückt oder aufgestellt ist, sind diese Anordnungen bereits getroffen. – Für den Lateinkundigen bemerken wir, daß der Centurio oder Hauptmann als solcher eine Weinrebe führte. Die Unkenntniß dieses Umstandes hat die fast allgemeine Verderbniß in iure (einzeln auch turre und marte) verursacht; vite haben nur Reg. und ein Vat. erhalten.
  38. V. 529. Auffallend geben alle Codices erit, nur Neap. und der erste Ambros. sit.
  39. V. 534. Hic chorus geben die besseren mit dem Urdrucke, die übrigen nam chorus; nur Reg. nos chorus, das vielleicht den Vorzug verdient.
  40. V. 536. Wie Nemesis von Tibullus. (s. Liebeserg. III, 9, 31), so ward Cynthia von Propertius gefeiert und besungen.
  41. V. 537. Lycoris, Geliebte des Dichters Gallus; vergl. Liebeserg. I, 15, 30.
  42. V. 538. Wahrscheinlich waren die Namen aller dieser Mädchen nur erdichtet; gewiß war es der Name Corinnas, der von unserem Dichter gefeierten Schönen. S. Liebeserg. I, 5, 11. II, 8, 13. 17.
  43. V. 540. Die gemeine Lsrt bonos für suos ist sicher Glosse. Ovid liebt suus in dem Sinne von gehörig, zukommend ganz besonders. Vergl. z. B. oben V. 236, dann II, 334. Met. 2, 403.
  44. V. 541. Tangit geben die besseren Hdschrften mit der Urausgabe. Andere Lsrten sind urget und urit. Welche die echte sei, getraut sich Burmann nicht zu entscheiden; er möchte urit vorziehen. Sollte nicht tangit, abgesehen von der besseren hdschrftlichen Begründung, als das schwächste = ne tangit quidem hier das passendste Wort sein?
  45. V. 542. Den Markt; s. zu Verw. 15, 841 und vergl. Liebeserg. I, 15, 5 f. n. A. Über Schatten s. ebendas. zu I, 9, 42.
  46. V. 545. Aus Sarr. und vier anderen Quellen hat Heinsius mollimur aufgebracht unter Berufung auf den häufigen Gebrauch dieses Gräcismus bei Ovid. Dieser Gräcismus beim verbo finito ist aber keineswegs so häufig bei Ovid, wenn man zumal die Stellen abrechnet, wo Heinsius ihn erst aufgebracht hat, und beschränkt sich meist nur auf Begriffe, die in eine mediale Bedeutung übergehen. Wir haben daher die Lsrt der besten Hdschrften mollitur wiederhergestellt.
  47. V. 545. Für placida andere Lsrten blanda und nostra. Placida ars entspricht dem lectus et umbra und bildet Gegensatz zu forum.
  48. V. 548. Die Pieriden; s. unsern Index zu Verw.
  49. V. 555 f. Vector gegen die gem. Lsrr rector wird auch durch victor in mehreren bestätigt. Dann haben wir für das von Heinsius aufgenommene und bis jetzt beibehaltene comparibus aus den vorzüglichsten Quellen cum paribus hergestellt, wofür sich schon Burmann entschied unter Berufung auf Festus Funebres tibiae cum quibus in funere canitur. S. auch unsern Index zu Verw. unter Cum. Endlich hat Heinsius unter regit, reget und regat natürlich das Letztere vorgezogen, so schwach es auch (von drei ungenannten Hdschrften) bezeugt ist.
  50. V. 559 ff. Ein Neuling in der Liebe ist vor Bekanntschaft mit anderen Mädchen zu hüten, weil er leicht entzündlich ist und leicht abfällt. – Für inhaereat ein Theil der Quellen adhaereat.
  51. V. 572. Dieser, der alte Soldat.
  52. V. 573. Für taeda haben viele Hdschrften faena (foena), viele ligua.
  53. V. 575. Dies Lieben, des alten Soldaten; jenes, des Neulings. Statt brevis, für welches der folgende Vers entschieden spricht, lesen viele Quellen gravis, statt et mehrere alte Ausgaben at, anderer einzelner Abweichungen nicht zu gedenken.
  54. V. 577 f. Der Dichter vergleicht sich in Bezug auf die rücksichtslose Darlegung des Wesens der Männer mit dem Verräther einer Festung und fügt hinzu, daß eben in der Treulosigkeit des Verrathes die Bürgschaft für die Wahrheit seiner Eröffnungen liege. Für den des Lateinischen unkundigen Leser sei bemerkt, daß das Lateinische Wort ausliefern zugleich das eigentliche Wort vom Lehrer ist, also mittheilen, vortragen, darlegen bedeutet. – Einige Hdschrften geben die Futura tradentur und reserabimus. Dann haben einige Quellen ut sit, einige et fit, wofür Heinsius gleich mit sit sua bei der Hand war.
  55. V. 579. Nachhaltige, d. h. die nachhalten soll.
  56. V. 583. Die gemeine Lsrt renovamur giebt zwar einen ganz guten Sinn, gleichwohl ist der von Heinsius hier mit Recht aus Cod. Reg.. gegebene Conjunctiv, für den auch einige andere mit removemur zeugen, noch passender.
  57. V. 587 f. Wenn du dagegen die Thüre zum Gemache deiner Ehefrau schließest und dir von dem Hüter (s. zu Liebeserg. II, 2, 1) sagen lässest, daß du nicht zu ihr könnest; so wird &c. – Zwischen adde (Reg.) und obde (Sarr.) schwanken, wie gewöhnlich, die Hdschrften. Letzteres ist von dem Urdrucke an eingebürgert und scheint hier auch den Sinn bestimmter auszudrücken. Nach der offenbaren Glosse claude fores duro träumte Heinsius von einem Cede foro et. Nach den Anführungszeichen hinter amor zu schließen, läßt Baumgarten-Crusius die Worte exclusum &c. noch vom Thürhüter sagen, gewiß irrthümlich.
  58. V. 589. Ihr seid nun unterrichtet genug, um die stumpfen Schwerter, die Rapiere, wie es oben von Amor hieß, wegzulegen und zu scharfen Waffen zu greifen, zur Praxis überzugehen.
  59. V. 591. Das quoque wissen wir nicht zu erklären. Cod. Ment. hat zwar modo, offenbar aber nur ein Besserungsversuch, der jedoch äußerlich dem quoque wenigstens näher steht, als das von Heinsius vorgeschlagene, wenn auch sinngemäße tibi. Noch ist cadat als Lsrt und factus für captus in einer Hdschrft zu bemerken.
  60. V. 597. Quamlibet geben Reg., Arond. und ein Pat, andere quaelibet, noch andere quoslibet; dann einige wenige suscitet, einer auch sustinet.
  61. V. 599. Die Ursach des Schmerzes, dasjenige, wodurch er sich gekränkt fühlen soll.
  62. V. 603. Ex voto Vat..
  63. V. 604. Thais, berüchtigte Geliebte Alexanders des Großen, nach dessen Tode Geliebte und zuletzt Gemahlin des Ägyptischen Königs Ptolemäus.
  64. V. 605. Fenster s. in unsrem Index zu Verw.
  65. V. 606. Cod. Pal. ut melius, jedenfalls aus dem vorhergehenden Verse. Dann geben die meisten Hdschrften seltsamer Weise verba für signa, Pat. timoris für timentis. Vergl. Rem. 510.
  66. V. 609. Für admiscenda ein Theil der Hdschrften sed miscenda.
  67. V. 613. Gattin ist hier von der freigebornen, ebenbürtigen Ehefrau zu verstehen.
  68. V. 614. Mehrere vorzügliche Quellen geben für ius höchst unpassend dux, obwohl es sich nach Heinsius von der lex Julia verstehen ließe.
  69. V. 615. Die eben der Stab erst erlöst hat, die kürzlich erst freigelassen worden ist. Die gewöhnliche Freilassung eines Sclaven geschah dadurch, daß der Prätor demselben einen Schlag mit einem Stabe (festuca) gab. – Von dieser Art der Freilassung sagte man, sie geschehe per vindictam. Daher hier quam vindicta redemit.
  70. V. 617. Argus s. in unsrem Index z. Verw. – Die Hdschrften schwanken zwischen certa, vera, grata, vestra; auch sola (die Berner). Es ist kein Grund vorhanden, von dem hergebrachten certa abzugehen. Auffallend ist dagegen, daß die besten Quellen voluptas geben, das doch gewiß unzulässig und nur aus Irrthum entstanden ist. Burmann verweist zum Überflusse auf Am. II, 3, 16.
  71. V. 620. Benutze zum Schreiben die Zeit, wo du dich angeblich wäschest und der Hüter folglich nicht gegenwärtig ist. S. zu Liebeserg. III, 7, 84.
  72. V. 622. Über die Binde s. oben zu V. 274. – Minder beglaubigte Lsrt in medio.
  73. V. 623 f. Vor Erfindung des Pergaments und nachher neben demselben bediente man sich außer den Wachstafeln zum Schreiben des Bastes der Ägyptischen Papyrusstaude – daher das Wort Papier – und als Feder eines gleich dieser zugeschnittenen Rohrs. Als Dinte diente theils eine schwarze Farbe, die mehr Körper hatte, als unsere Dinte, theils der Saft der Sepia. Übrigens s. oben zu V. 271. – Für chartas einige Hdschrften ceras, auch ceram, Solea für sura in einigen widerlegt sich durch den Pentameter.
  74. V. 625 f. Wenn die Vorsicht und Wachsamkeit des Hüters dies verhindern sollte, so diene der Rücken der Vertrauten selbst als Papier, worauf der Brief geschrieben werde.
  75. V. 627 ff. Becker Gallus II, 316 bemerkt mit Bezug auf diese Stelle. »Eine künstliche sympathetische Dinte, welche die Schrift nur bei einer gewissen Behandlung dem in das Geheimniß Eingeweihten zeigen sollte, scheinen die Alten nicht gekannt zu haben. Dagegen war ihnen für solchen Zweck der Gebrauch einiger natürlicher Substanzen, wie der Milch oder eines saftenden Leinstengels nicht fremd.« – In Bezug auf den saftenden Leinstengel bestehen jedoch Zweifel, da die Lsrt noch keineswegs fest steht. Zwei Codices nämlich geben ex humili für humiduli, Apros. qua fit, Vat. liquefiet für quae fiet; dann findet sich a oder de semine für acumine, endlich ligni für lini. Heinsius vermuthete alumine nitri, Burmann alumine limi mit Beibehaltung des übrigen Theils des Verses, wie er im Texte oben lautet. Den Pentameter meint Letzterer außerdem von einer anderen Täuschung verstehen zu müssen, da bisher von Schrift auf Papier oder Pergament, nicht auf Wachs, die Rede gewesen sei; man müsse denn tabella überhaupt für charta nehmen oder pura tabella von einer glatten, ebenen Wachstafel verstehen, in welcher Nichts mit dem Griffel eingegraben erscheine. Daß zwei Arten Täuschung gemeint seien, glauben wir nicht, sondern nehmen an, daß tabella in dem Sinne von schriftlicher Mittheilung in einem Briefe stehe, wobei, ob dieselbe auf Papier oder Wachstafel geschrieben sei, unentschieden bleibt, sowie sich auch über das von dem Empfänger anzuwendende Verfahren, um die mit dem saftigen Leinstengel gemachte Schrift zu lesen, keinerlei Vermuthung aufstellen läßt. Zierlich ist diese Schrift auf keinen Fall gewesen.
  76. V. 631 f. S. zu Verw. 4, 611.
  77. V. 634. Rossegespanne, die Wettfahrten im Circus. S. zu Liebeserg. III. 2, 1 und oben I, 99.
  78. V. 635 f. Vergl. oben V. 270. 393. I, 77. zu Verw. 9, 693. zu Liebeserg. I, 8, 74. – Bei operata gewöhnliche Variante operosa; dann suae comites iubentur, Bern. verentur.
  79. V. 637 f. S. oben zu V. 244. – A templis haben wir hergestellt für das von Heinsius aus drei ungenannten Hdschrften aufgenommene e templis, wonach sie schon darin gewesen wären, während sie gar nicht hinein durften.
  80. V. 639 f. Tägliches Baden, oft mehrmaliges, gehörte wesentlich zur Pflege des Körpers. Vergl. zu Verw. 8, 654. Wohlhabendere hatten Bäder in ihren eigenen Häusern. Für minder Bemittelte, oder wer sonst Gebrauch davon machen wollte, gab es zahlreiche allgemeine Badeanstalten, wo gegen Bezahlung gebadet wurde. Sclaven, bei Frauen die Hüter, trugen den Herrschaften die nöthigen Geräthe, als Striegel, Bürsten, Salben &c. nach und bewachten die Kleidungsstücke, über deren Entwendung oft Klage geführt wird. Daß die Bäder auch willkommene Gelegenheit zu verliebtem Umgange boten, läßt sich leicht denken und ergiebt sich aus unserer Stelle hier. – Aus einer einzigen Quelle, den Esc. Jur., hat Heinsius tuta für multa aller übrigen gegeben. So dichterisch und sinngemäß dies aber auch an sich sein würde, so ist es doch auf keinen Fall echt und drückt folglich nicht den vom Verfasser beabsichtigten Sinn aus, daß es nämlich viele dergleichen Badeanstalten gab, und die Gelegenheit zu so gesuchtem Genusse leicht und überall sich darbot, der Hüter also ein schwieriges Amt hatte. Viros wird von mehreren der besten Hdschrften bezeugt gegen die gem. Lsrt iocos.
  81. V. 641 f. Die Freundin, nämlich des Mädchens, welche sie nun besucht und von ihr, wenn sie auch wirklich krank sein sollte, dennoch das Bett zu ihrem Gebrauche mit dem Liebhaber eingeräumt erhält. – Diese treffende Erklärung von amica hat schon Micyll gegeben, obgleich er die richtige Lsrt cedat, die Reg., Apros. und Exc. Scal. bieten, nicht kannte, sondern celet l. quemlibet &c. oder tollat et in l. quemlibet aegra suum las. Cedat wird übrigens auch durch credat in Farn. bestätigt. Die Verderbniß von quamlibet in quemlibet hat wahrscheinlich zu celet oder tollat als nothwendiger Verbesserung Veranlassung gegeben.
  82. V. 643 ist zwar auch so nicht ohne Sinn, hat aber im Lateinischen einen weit bestimmteren, indem ein Nachschlüssel Ehebruchschlüssel oder Buhlschlüssel heißt. Der Ausdruck wird nämlich überhaupt auf alles Unechte übergetragen. – Andre Lsrt quid agatur.
  83. V. 644. Vergl. vorher V. 605 und oben II, 245. – Die vorzüglichern Quellen geben zwar petes (eine potes), einige aber doch das wohl allein richtige petas.
Fallitur et multo custodis cura Lyaco:
Illa vel Hispano lecta sit uva iugo.
Sunt quoque, quae faciant altos medicamina somnos,
Victaque Lethaea lumina nocte premant.
Nec male deliciis odiosum conscia tardis
Detinet; et longa iungitur ipsa mora.
Quid iuvat ambages praeceptaque parva movere,
Cum minimo custos munere possit emi?
Munera, crede mihi, capiunt hominesque deosque:
Placatur donis Iupiter ipse datis.
Quid stultus faciat? Sapiens quoque munere gaudet.
Ipse vir accepto munere mutus erit.
Sed semel est custos longum redimendus in aevum:
Saepe dabit, dederit quas semel, ille manus.
Questus eram, memini, metuendos esse sodales:
Non tangit solos ista querela viros.
Credula si fueris, aliae tua gaudia carpent;
Et lepus hic aliis exagitatus erit.
Haec quoque, quae praebet lectum studiosa locumque,
Crede mihi, mecum non semel illa fuit.
Nec nimium vobis formosa ancilla ministret:
Saepe vicem dominae praestitit illa mihi.
Quo feror insanus? Quid aperto pectore in hostem
Mittor et indicio prodor ab ipse meo?
Non avis aucupibus monstrat, qua parte petatur.
Non docet infestos currere cerva canes.
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Auch mit reichlichem Weine betrügt man die Sorge des Hüters;
Und es sei das Gewächs selbst von Hispanischem Berg.933
Ärztliche Mittel auch giebt’s, in tiefen Schlaf zu versenken
Und zu begraben das Aug‘ unter Lethäische Nacht.
Gut auch, wenn den Verhaßten zurück mit bedächtigem Schäker
Hält die Vertraute und ihm zögernd sich selber ergiebt.934
Aber wozu Umschweife, wozu so kleinliche Lehren,935
Da mit dem kleinsten Geschenk man ja den Hüter erkauft?
Menschen und Götter – du kannst es mir glauben – gewinnen Geschenke.936
Bringst du ihm Gaben, so wird Jupiter selber versöhnt.
Was soll thun der Thor? Den Weisen auch freuen Geschenke;937

Quid sapiens faciat? Stultus quoque munere gaudet.

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Selber der Mann ist stumm, wenn er Geschenke empfängt.939
Doch ist einmal nur zu erkaufen der Hüter auf lange;940
Hat einmal er gereicht, reicht er auch öfter die Hand.
Klage führt‘ ich einmal, man habe die Freunde zu fürchten.941
Diese Klage berührt nicht nur die Männer allein.
Trauest den Freundinnen du, so werden für dich sie genießen;942
Und auf wirst du das Wild haben für Andre gejagt.943
Die auch, welche das Bett mit Eifer gewährt und die Kammer,944
Ist nicht einmal nur, glaub‘ es, gelegen bei mir.
Laßt auch bedienen euch nicht von allzureizenden Mägden.
Oft die Stelle bei mir nahmen der Herrin sie ein.945
Wohin reißt’s Unsinnigen mich? Was biet‘ ich dem Feinde
Offen die Brust und bin selbst ein Verräther an mir?946
Nicht dem Vogler ja zeigt das Vöglein, wo er es fahe;
Nicht dem feindlichen Hund lehret zu laufen der Hirsch.947

Viderit utilitas; ego coepta fideliter edam.
Lemniasi gladios in mea fata dabo.
Efficite, et facile est, ut nos credamus amari:
Prona venit cupidis in sua vota fides.
Spectet amabilius iuvenem, suspiret ab imo
Femina, tam sero cur veniatque roget.
Accedant lacrimae, dolor et de pellice fictus;
Et laniet digitis illius ora suis.
Iamdudum persuasus erit; miserebitur ultro
Et dicet: Cura carpitur ista mei.
Praecipue si cultus erit speculoque placebit,
Posse suo tangi credet amore deas.
Sed te, quaecumque es, moderate iniuria turbet;
Neu sis audita pellice mentis inops.
Nec cito credideris. Quantum cito credere laedat,
Exemplum vobis non leve Procris erit.
Est prope purpureos colles florentis Hymetti
Fons sacer et viridi caespite mollis humus.
Silva nemus non alta facit, tegit arbutus herbam;
Ros maris et lauri nigraque myrtus olent.
Nec densae foliis buxi fragilesque myricae,
Nec tenues cytisi cultaque pinus abest.
Lenibus impulsae zephyris auraque salubri
Tot generum frondes herbaque summa tremunt.
Grata quies Cephalo: famulis canibusque relictis
Lassus in hac iuvenis saepe resedit humo.
Quoque meos releves aestus, cantare solebat,
Accipienda sinu, mobilis aura, veni.
Coniugis ad timidas aliquis male sedulus aures
Auditos memori detulit ore sonos.
Procris ut accepit nomen, quasi pellicis, aurae:
Excidit, et subito muta dolore fuit.
Palluit, ut serae, lectis de vite racemis,
Pallescunt frondes, quas nova laesit hiems;
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Sei’s um den Nutzen geschehn: das Beginnen vollend‘ ich getreulich;948
Lemnos‘ Weibern das Schwert geb‘ ich zu meinem Verderb.949
Macht – und es ist nicht schwer – macht, daß wir glauben geliebt uns.950
Leicht zu dem Wunsche gesellt Glaube bei Liebenden sich.
Liebevoll blicke das Weib auf den Jüngling und frage, aus tiefster951
Brust aufseufzend: Warum, Lieber, denn kommst du so spät?
Thränen auch spare sie nicht und erheuchelten Schmerz ob der Kebsfrau;952
Und mit den Fingern erbost kratze sie ihn ins Gesicht.
Alsbald überzeugt, wird selbst Mitleiden er haben,
Sagen bei sich: Der nagt Kummer am Herzen um mich.
Wenn er geschniegelt zumal sein sollt‘ und dem Spiegel gefiele,
Glaubt er, es könnten in ihn Göttinnen werben verliebt.
Wenn von der Kebsfrau Kunde dir wird, so verliere den Kopf nicht.
Kränkung, wer du auch seist, fechte nur mäßig dich an.953
Glaube zu schnell auch nicht. Wie sehr schnell glauben verderblich,
Warnendes Beispiel deß lasset die Procris euch sein.954
Nahe den purpurnen Höhn des blütenreichen Hymettus
Ist ein heiliger Quell, schwellender Rasen umher.
Waldung macht nicht hohes Gehölz; Gras schützet der Hagbaum;955
Lorbeer, Rosmarin duften und Myrten vereint.
Nicht dichtblätt’riger Bux, Tamarisken gebrechlichen Holzes,956
Schmächtiger Schneckenklee fehlt und der Pinie Zier.957
Von mild wehenden Westen bewegt und erquicklichem Luftzug,
Zittern die Zweige gesammt. zittern die Halme gesammt:
Cephalus liebliche Ruh‘. Die Diener und Hunde entlassend,958
Setzte ermüdet allhier nieder der Jüngling sich oft;
Pflegte zu singen: O komm, daß meine Gluthen du linderst,959
Komm, o säuselnde Luft, dring‘ in den Busen mir ein.960
Zutrug übel geschäftig dem Ohr der fürchtenden Gattin
Einer getreulichen Munds, was er für Töne gehört.961
Procris, hörend von Luft, als wäre es eine Geliebte,
Schwanden die Sinne; und stumm war sie vor plötzlichem Schmerz.962
Bleich ward sie, wie, wann von der Rebe gelesen die Traube,963
Späte Belaubung erbleicht, welche die Kälte verletzt;
Quaeque suos curvant matura cydonia ramos,
Cornaque adhuc nostris non satis apta cibis.
Ut rediit animus, tenues a pectore vestes
Rumpit et indignas sauciat ungue genas.
Nec mora, per medias sparsis furibunda capillis
Evolat, ut thyrso concita Baccha, vias.
Ut prope perventum, comites in valle relinquit;
Ipsa nemus tacito clam pede fortis init.
Quid tibi mentis erat, cum sic male sana lateres,
Procri? quis attoniti pectoris ardor erat?
Iam iam venturam, quaecumque erat aura, putabas
Scilicet, atque oculis probra videnda tuis.
Nunc venisse piget – neque enim deprendere velles –;
Nunc iuvat: incertus pectora versat amor.
Credere quae iubeant, locus est et nomen et index;
Et quia mens semper, quod timet, esse putat.
Vidit ut oppressam, vestigia corporis, herbam;
Pulsantur trepidi corde micante sinus.
Iamque dies medius tenues contraxerat umbras,
Inque pari spatio vesper et ortus erant.
Ecce, redit Cephalus silvis, Cyllenia proles,
Oraque fontana fervida spargit aqua!
Anxia, Procri, lates: solitas iacet ille per herbas,
Et: Zephyri molles auraque, dixit, ades.
Ut patuit miserae iucundus nominis error:
Et mens et rediit verus in ora color.
Surgit et oppositas agitato corpore frondes
Movit, in amplexus uxor itura viri.
Ille feram sonuisse ratus, iuveniliter arcum
Corripit; in dextra tela fuere manu.
Quid facis, infelix? Non est fera: supprime tela!
Me miserum, iaculo fixa puella tuo est!
Hei mihi! conclamat, fixisti pectus amicum.
Hic locus a Cephalo vulnera semper habet.
Ante diem morior, sed nulla pellice laesa:
Hoc faciet positae te mihi, terra, levem.
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Wie die Quitte, die reif die Äste durch Schwere herabzieht;
Wie die Cornelle, noch nicht recht zum Genusse geschickt.964
Als die Besinnung ihr kehrt, da reißt sie die dünnen Gewänder965
Ab von der Brust und zerkratzt wild das unschuld’ge Gesicht.
Wüthend mit fliegendem Haar, gleich einer vom Thyrsus gejagten966
Bacchin, hinaus alsbald stürzt sie die Straßen entlang.
Wie in die Nähe sie kommt, läßt ihre Begleitung im Thal sie;967
Selber mit lauschendem Schritt geht sie voll Muth in den Hain.968
Was doch dachtest du, da so unklug du dich verstecktest,
Procris? Und was für Gluth brannt‘ im betäubten Gemüth?
Kommen nun, glaubtest du, werde die Luft, wer immer sie wäre;969
Und du müßtest die Schmach eigenen Auges nun sehn.
Jetzt bereust du dein Kommen – du möchtest nicht sie betreffen –;
Jetzt ist’s lieb dir: es kämpft Zweifel und Lieb‘ in der Brust.
Was sie zu glauben bewegt, ist Ort und Erzähler und Name,970
Und daß immer das Herz, was es befürchtet, auch glaubt.971
Wie sie niedergedrückt das Gras sieht, Spuren von Körper,972
Schlägt das klopfende Herz hoch in der zitternden Brust.973
Jetzt schon hatte verkürzt die dünnen Schatten der Mittag;
Gleichweit waren im Raum Morgen und Abend entfernt.
Sieh, aus dem Wald kehrt Cephalus jetzt, des Cylleniers Sprößling;974
Und mit dem Wasser des Quells sprengt er das heiße Gesicht.975
Procris lauert voll Angst; er wirft sich, wie sonst, auf den Rasen.
Komm, du lieblicher West, ruft er, und Luft du herbei.
Wie sich der Armen ergiebt des Namens erfreulicher Irrthum,976
Kehrt die natürliche Farb‘ ihr und Besinnung zurück.
Aufsteht, um an die Brust des Mannes zu eilen, die Gattin;977
Und vorstrebend bewegt hemmende Zweige ihr Arm.
Wähnend, es habe gerauscht ein Wild, greift jugendlich hitzig978
Er nach dem Bogen und hält rasch in der Rechen den Pfeil.
Was, Unglücklicher, thust du? Ein Wild nicht ist es; den Pfeil weg!
Wehe, es ist durchbohrt von dem Geschosse dein Weib.
Wehe mir, ruft sie, du hast durchbohrt den Busen der Freundin.
Diese Stelle, sie hat Wunden von Cephalus stets.
Vor der Zeit, doch nicht gekränkt von der Buhlerin, sterb‘ ich.979
Dies wird, lieg‘ ich im Grab, machen die Erde mir leicht.980
Nomine suspectas iam Spiritus exit in auras:
Labor, io! Cara lumina conde manu.
Ille sinu dominae morientia corpora maesto
Sustinet et lacrimis vulnera saeva lavat.
Exit et, incauto paullatim pectore lapsus,
Excipitur miseri spiritus ore viri.
Sed repetamus opus. Mihi nudis rebus eundum est,
Ut tangat portus fessa carina suos.
Scilicet expectas, dum te in convivia ducam,
Et quaeris monitus hac quoque parte meos?
Sera veni positaque decens incede lucerna.
Grata mora veniens: maxima lena mora est.
Etsi turpis eris, formosa videbere cunctis;
Et latebras vitiis nox dabit ipsa tuis.
Carpe cibos digitis – est quiddam gestus edendi –,
Ora nec immunda tota perunge manu.
Neve diu praesume dapes; et desine, citra
Quam cupis; es paullo, quam potes esse, minus.
Priamides Helenen avide si spectet edentem,
Oderit, et dicat: Stulta rapina mea est.
Aptius est deceatque magis potare puellas.
Cum Veneris puero non male, Bacche, facis.
Hoc quoque, qua patiens caput est: animusque pedesque
Constent; nec, quae sint singula, bina vide.
Turpe iacens mulier, multo madefacta Lyaeo:
Digna est concubitus quoslibet illa pati.
Nec somnis posita tutum succumbere mensa:
Per somnos fieri multa pudenda solent.
Ulteriora pudet docuisse: sed alma Dione:
Praecipue nostrum est, quod pudet, inquit, opus.
Nota sibi sit quaeque: modos a corpore certos
Sumite. Non omnes una figura decet.
Quae facie praesignis erit, resupina iaceto.
Spectentur tergo, quis sua terga placent.
Milanion humeris Atalantes crura ferebat:
Si bona sunt, hoc sunt accipienda modo.
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In die als Name verdächtige Luft entströmet der Athem.981
Drücke mit liebender Hand zu mir die Augen im Tod.982
Cephalus wäscht mit Thränen die grausame Wunde der Gattin,
An der trauernden Brust haltend den sterbenden Leib.
Und aus der unvorsichtigen Brust allmählig entströmend,983
Wird von des armen Manns Munde gefangen der Geist.
Aber erneun wir das Werk! Ohn‘ Umweg müssen wir fahren,984
Daß der ermüdete Kiel endlich den Hafen erreicht.
Freilich, du wartest gewiß, bis auch zu Gast ich dich führe,985
Suchest für diesen Punkt meine Belehrung auch noch.
Komme denn spät, und bei Licht tritt ein mit geziemendem Anstand.
Zögerst du, kommst du erwünscht. Zögerung kuppelt zumeist.986
Solltest du häßlich auch sein, wirst Allen doch schön du erscheinen;987
Deinen Gebrechen auch wird dienen zum Schleier die Nacht.
Nimm mit den Fingern die Speisen; es liegt auch etwas im Essen.988

Quod precor, eveniet: sunt quaedam oracula vatum

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Nicht mit schmieriger Hand salbe das ganze Gesicht.
Iß auch daheim nicht erst, und hör‘ auf, ehe du völlig990
Satt bist; iß etwas weniger, als du vermagst.
Sähe des Priamus Sohn mit Gier die Helena essen,991
Haßte er sie. Mich reut, würde er sprechen, mein Raub.
Passender ist und schickt sich wol mehr für Mädchen zu trinken.
Mit Cupido verträgst, Bacchus, nicht übel du dich.
Dies auch, soweit der Kopf es verträgt, und Besinnung und Füße992
Stand dir halten und nicht Einfaches doppelt du siehst.
Häßlich ein Weib, das liegt, von vielem Weine betrunken.
Beischlaf jeglicher Art ist zu erleiden sie werth.
Auch dem Schlaf zu erliegen bei Tisch ist ohne Gefahr nicht;
Vieles geschieht im Schlaf, dessen man schämen sich muß.
Weiteres schäme zu lehren ich mich; die holde Dione993
Spricht: Nur mein Werk ist, das man zu lehren sich schämt.
Jegliche kenne sich selbst; von dem Körper die passende Lage994
Nehme sie ab. Nicht ziemt Allen die nämliche Art.
Deren Gesicht mit Reizen begabt, die lieg‘ auf dem Rücken;995
Der ihr Rücken gefällt, laß‘ auf dem Rücken sich sehn.996
Trug Atalantens Schenkel Milánion nicht auf den Schultern?997
Sind sie gut, so sind so sie zu nehmen gar wohl.

Parva vehatur equo. Quod erat longissima, numquam
Thebais Hectoreo nupta resedit equo.
Strata premat genibus, paullum cervice reflexa,
Femina per longum conspicienda latus.
Cui femur est iuvenile, carent quoque pectora menda;
Stet vir, in obliquo fusa sit ipsa toro.
Nec tibi turpe puta crinem ut Phylleia mater
Solvere, et effusis colla reflecte comis.
Tu quoque, cui rugis uterum Lucina notavit,
Ut celer aversis utere Parthus equis.
Mille modi veneris: simplex minimique laboris,
Cum iacet in dextrum semisupina latus.
Sed neque Phoebei tripodes, nec corniger Ammon
Vera magis vobis, quam mea musa, canent.
Si qua fides arti, quam longo fecimus usu,
Credite: praestabunt carmina nostra fidem.
Sentiat ex imis venerem resoluta medullis
Femina, et ex aequo res iuvet illa duos.
Nec blandae voces iucundaque murmura cessent,
Nec taceant mediis improba verba iocis.
Tu quoque, cui veneris sensum natura negavit,
Dulcia mendaci gaudia finge sono.
Infelix, cui torpet hebes locus ille, puella es,
Quo pariter debent femina virque frui.
Tantum, cum finges, ne sis manifesta, caveto:
Effice per motum luminaque ipsa fidem.
Quod iuvet, et voces et anhelitus arguat oris.
Ah pudet! Arcanas pars habet ista notas.
Gaudia post veneris quae poscet munus amantem,
Ipsa suas nolet pondus habere preces.
Nec lucem in thalamos totis admitte fenestris:
Aptius in vestro corpore multa latent.
Lusus habet finem: cycnis descendere tempus,
Duxerunt collo qui iuga nostra suo.
Ut quondam iuvenes, ita nunc, mea turba, puellae
Inscribant spoliis, Naso Magister erat.
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Rittlings sitze die Kleine. Es setzte die Gattin aus Theben,998
Weil sie so gar lang war, nie sich auf Hector als Pferd.
Knieend drücke das Lager, zurück den Nacken gebogen,
Die langseitig gebaut fällt in die Augen dem Mann.
Sind die Schenkel voll Kraft, auch frei von Tadel die Brüste;999
Stehe der Mann, und sie selbst liege der Quer auf dem Pfühl.1000
Halte für häßlich auch nicht, das Haar wie die Mutter aus Phyllus1001
Loszubinden, und so beuge den Nacken zurück.1002
Du auch, welcher den Schooß mit Runzeln Lucina gezeichnet,1003
Reite, wie Parther es thun, fliehen sie, rücklings das Pferd.1004
Viel giebt’s Arten der Lust; die leichteste und die bequemste,1005
Wann halb rücklings gelehnt rechts auf der Seite sie liegt.
Phöhus‘ Dreifuß wird und der Hörner tragende Ammon1006
Wahreres, als mein Werk, nimmer verkündigen euch.
Ist zu glauben der Kunst, geübt in langem Gebrauche,
Glaubt, und es wird mein Lied täuschen nicht euer Vertraun.
Tief durchbebe das Weib im innersten Marke die Wollust,
Und es erfreue den Mann gleiches Entzücken mit ihr.1007
Süßes Geflüster auch höre nicht auf und zärtliche Laute;
Geiles Gerede auch nicht schweige immitten der Lust.
Du auch, der die Natur den Sinn für die Liebe versagt hat,
Gieb mit täuschendem Laut süße Gefühle doch kund.1008
Unglückseliges Weib, dem der Ort ohne Gefühl ist,1009
Wo der Mann und das Weib sollen genießen zugleich.
Nur nimm wohl dich in Acht, die Verstellung merken zu lassen;1010
Glaubhaft mache die Lust durch die Bewegung, den Blick.
Daß es dich kitzle, beweise der Laut und der Athem des Mundes,1011
Heimliche Zeichen noch sonst, die ich verschweige aus Schaam.
Die nach dem Liebesgenuß um Lohn den Liebenden angeht,1012
Wird sich bescheiden von selbst, daß man die Bitte versagt.
Laß in das Zimmer auch nicht aus dem ganzen Fenster das Licht ein;
Besser verborgen dann bleibt Vieles an euerem Leib.1013
Jetzt ist zu Ende das Spiel; Zeit ist’s von den Schwänen zu steigen,1014
Welche an ihrem Hals haben gezogen mein Joch.
Wie ihr Männer vordem, so schreibt, mein Völkchen, ihr Mädchen,1015
Jetzt auf die Beute: Es war Naso der Lehrer der Kunst.
——— ———
  1. V. 646. Man scheue keine Kosten, dem Hüter guten und starken Wein zu geben, daß er um so bereitwilliger trinkt und um so eher trunken wird.
  2. V. 650. Manche Hdschrften geben illa für ipsa, alte Ausgaben ille, Cod. Reg. frangitur illa, für welches Letztere es wenigstens ille heißen müßte, wenn es einen Sinn geben sollte.
  3. V. 651. Mit Recht hat Burmann mit Ed. pr., Ald. und mehreren Hdschrften movere für monere gegeben, das weder zu ambages, noch besonders zu praecepta paßt.
  4. V. 653. Andere Lsrt placant, auch captant.
  5. V. 655. Der Text dieses Verses lautet in allen Quellen mit Ausnahme einer einzigen widersinnig
  6. Und so steht derselbe bis jetzt in den Ausgaben, unmöglich verstanden, blos diplomatisch treu. Ovid kann keinen Unsinn geschrieben haben, und wir können keinen übersetzen. Wir lassen daher die beiden Wörter sapiens und stultus ihre Stelle tauschen und sind äußerlich dazu berechtigt durch die Lsrt des ersten Cod. Pal., in welchem quid faciat stultus, sapiens si munere gaudet steht, und die Verbindung mit si wahrscheinlich nur eine stilistische Glosse des Schreibers ist. So schließt sich auch der folgende Satz vortrefflich an. Warum sollte sich ein einfältiger, gemeiner Hüter nicht bestechen lassen, wenn auch Weise, Hochstehende, wie Jupiter, Freude an Geschenken haben, ja, der Ehemann selbst für Geld sich zum Hahnrei machen läßt?
  7. V. 656. Vergl. Liebeserg. III, 8, 64. – Für ipse vir viele vorzügliche Quellen ipse quoque; dann mehrere mitis für mutus, eine auch victus.
  8. V. 657. Aevum haben wir auf die Autorität aller Hdschrften hergestellt für das von Heinsius blos aus Exc. Jur. aufgenommene annum.
  9. V. 659. Beziehung auf oben I, 752 ff.
  10. V. 661. Trauest den Freundinnen du, wenn du den Versicherungen treuer Ergebenheit leicht Glauben schenkst.
  11. V. 662. Für exagitatus meint Heinsius, heiße es in einigen Hdschrften richtiger exagitandus. Dieses »richtiger« will uns aber nicht einleuchten. Wir haben daher die gemeine Lsrt hergestellt.
  12. V. 663. Die auch, welche &c., die angeblich kranke Freundin, welche so bereitwillig ihre Kammer und ihr Bett dir und mir zu unsrem Gebrauche einräumt.
  13. V. 666. Andere Lsrten praebuit für praestitit und suae für mihi.
  14. V. 668. Aus Cod. Cavalc. und zwei Vat. hat Heinsius nitor für mittor aller übrigen aufgenommen. Was der Lehrer aber im Vorhergehenden verrathen hat, das hat er unwillkürlich verrathen, er hat sich vergessen, hat sich gehen, fortreißen lassen. Nun wollen wir zwar nicht in Abrede stellen, daß dies in affectvoller Rede auch niti heißen könne; aber mitti ist doch das eigentliche Wort dafür und daher bei so überwiegender Autorität nicht anzutasten.
  15. V. 670. Unsere Ansicht über die Construction der Wörter heißen, lehren s. zu Liebeserg. III, 13, 35. – Aus der Frankfurter Hdschrft hat Burmann infestas gegeben.
  16. V. 671. Sei’s um den Nutzen geschehn, mag es immerhin nicht zu meinem Nutzen sein. – Ego coepta fid. edam, d. h. quae a me edi coepta sunt, fid. edere pergam. So geben alle Hdschrften, nur zwei bei Heinsius praecepta, das dieser aufnahm und erst Baumgarten-Crusius in der späteren Ausgabe wieder beseitigte.
  17. V. 672. S. zu Verw. 13, 399. – Lemniasi ist eine gewiß treffende Vermuthung Heinsiussens. Die gemeine Lsrt ist Lemniadum; dann geben Cod. Reg. Lemnias et, Farn. Lemnios et, fünf Lemniades, drei Lemniadis, zwei Lemniadi, einer Lemniados: alles Lsrten, deren Verdorbenheit einleuchtet und die auf eine höchst seltene Form hinweisen. Und diese hat eben Heinsius in dem Griechischen Dativ ohne Zweifel gefunden. Freilich ist dieser Dativ äußerst selten und auch da, wo er sich findet, erst durch Vermuthung hergestellt. So Her. 13, 137. Trist. V, 5, 43. Die lang gebrauchte Endsilbe findet übrigens Entschuldigung oder, wenn man will, Begründung nicht allein in der Hebung, sondern auch in der durch gladios bewirkten Position. Noch ist zu bemerken. daß die meisten Hdschrften damna für fata geben, Letzteres aber auch durch fama in Reg. bestätigt wird.
  18. V. 673. Die Ed. pr. hat sinnwidrig credamur. So auch eine Vat. und eine Berner Hdschrft.
  19. V. 675. Amabiliter steht in einer Berner Hdschrft. Ob amabilibus bei Barthol. ein bloßer Fehler oder, wie Heinsius und Burmann anzunehmen geneigt sind, zu limis, torvis specatre zu rechnen ist, wagen wir nicht zu entscheiden. Ein Theil der Quellen hat ferner et vor suspiret.
  20. V. 677. Mit Unrecht verwirft Burmann die Lsrt der meisten und besten Hdschrften fictus gegen questus des Pal. und vier anderer. Die Schöne soll, ohne Etwas wirklich zu wissen, sich stellen, als ob sie den Liebhaber mit einer Andern in Verdacht habe, um ihn desto mehr von ihrer Liebe zu überzeugen und zu desto größerer Zärtlichkeit zu reizen.
  21. V. 684. Wer du auch seist, d. h. magst du zu den schöneren oder minder schönen, zu den edleren oder gemeineren Mädchen gehören, Mädchen jeder Art. – Neu wird blos von einem Pal. bezeugt; einige geben nec, die meisten ne, das wir für das Echte zu halten geneigt sind, ohne jedoch ändern zu wollen.
  22. V. 686. Vergl. Verw. 7, 694 ff.
  23. V. 689. Nicht eben hohe Bäume machen eine Waldung, bilden einen Hain, und der Hagbaum (s. unsern Index z. Verw.) erhält durch seinen Schutz vor der Sonne das Gras, den Rasen grün.
  24. V. 691. Über die Tamariske s. oben zu I, 747. Den gegebenen Text bieten vier ungenannte Hdschrften; vier andere haben densus f. buxus. Die gem. Lsrt ist densum f. buxum. Eine Pat. Hdschrft giebt densaque nec f. buxus, was Heinsius für das Echte hält. Dann geben Neap. und Pat. humilesque, das Burmann aus Virg. Ecl. 4, 2 entnommen glaubt, Vat. viridesque, Bern. fragilesve. Der Schneckenklee ist ein baum- oder strauchartiges Gewächs.
  25. V. 692. Die Pinie, vorzugsweise in Italien heimisch und von den alten Römern sehr geschätzt und in Gärten angebaut (daher culta und domestica), ist ein Baum von mäßiger Höhe mit außerordentlich langen Nadeln und schirmähnlicher Krone. – Auch Columella verbindet eytisus und pinus, weßhalb und weil silva non alta vorausgeht, man pinus auch von bloßem Buschwerk versteht.
  26. V. 695. Cephalus liebliche Ruh‘, ein lieblicher Ruheplatz für Cephalus.
  27. V. 697. Quoque geben nur zwei Vat. Hdschrften, die andern quaeque.
  28. V. 698. Mehrere alte Ausgaben, auch ein Codex bei Heinsius nobilis.
  29. V. 700. Viele Quellen retulit, einige auch pertulit.
  30. V. 702. Gem. Lsrt mota.
  31. V. 703. Die meisten Hdschrften geben sera lectus de v. racemus oder lectis racemis, andere sectis, einige auch sacra lectus de v. racemus.
  32. V. 706. Noch nicht &c., noch nicht reif.
  33. V. 707 f. S. zu Verw. 2, 335 sowie zu 1, 509. – Gem. Lsrt utque animus rediit zur Vermeidung der vermeintlichen Kürze rediit animus. S. zu Verw. 1, 660 und die Beispiele in unsrem Index z. Verw. unter It.
  34. V. 709 f. Der Thyrsus (s. zu Verw. 3, 542), das Zeichen bacchantischer Wuth, steht hier für diese selbst. Vergl. übrigens zu Verw. 4, 25. – Passis für sparsis, fast regelmäßige Variante.
  35. V. 711. Gem. Lsrten perventum est und reliquit.
  36. V. 712. Einige wenige adit für init.
  37. V. 715. Wer immer sie wäre = die Unbekannte.
  38. V. 719. Name, der Name aura, Luft, der wie der Name einer weiblichen Person klingt.
  39. V. 720. Wir haben mit quia mens die gemeine Lsrt hergestellt für das von Heinsius zum Theil nach Vermuthung gegebene quia amans. Cod. Reg. mit vier anderen hat nämlich quod amans. Da scheint uns denn amans als das Speciellere eher eine Erklärung von mens, als dieses von jenem, und quod nur zur Vermeidung der in quia amans liegenden Härte, oder Undeutlichkeit für quia gesetzt zu sein. Dieses quod ist übrigens auch stilistisch anstößig. Für die gem. Lsrt zeugt auch quae mens in einigen Hdschrften.
  40. V. 721. Die Apposition verkennend, geben einige Hdschrften in pressa oder impressa, auch oppressa . . herba, einige auch unpassend et für ut.
  41. V. 722. A. Lsrt tremens für micante; Mor. veste micante.
  42. V. 725. Des Cylleniers, Mercurs; s. zu Verw. 1, 714. Der Dichter scheint hier einem anderen Mythus als Verw. 6, 681 und 7, 672 zu folgen.
  43. V. 726. Spargit führt Ciofan aus alten Quellen an. Die meisten bekannten Hdschrften nebst dem Urdruck geben pulsat, worin Burmann nicht unpassend purgat vermuthet. Zwei Quellen haben lavit.
  44. V. 729. Sich ergab daraus, daß er die Luft, aura, in Verbindung mit dem Weste nannte.
  45. V. 731. Wenn auch Nauger appositas als alte Lsrt anführt und Cod. Sarr. dieselbe hat, so will das den andern Zeugnissen und dem Sinne gegenüber Wenig sagen; und die Stellen, welche Heinsius zu Her. 7, 100 anführt und auf welche er sich hier beruft, beweisen Nichts für unsere Stelle. Mit Recht hat daher Baumgarten-Crusius in der neuern Ausgabe oppositas hergestellt.
  46. V. 733 f. Cod. Reg. und sechs andere geben vidisse, wonach Heinsius movisse gelesen haben will; Bern. sensisse. Dann haben die meisten Hdschrften arcus, einige wenige arripit.
  47. V. 739. A. Lsrt moriar.
  48. V. 740. Gem. Lsrt positam.
  49. V. 741. Der Sing. auram, den mehrere alte Ausgaben haben, scheint allerdings passender. Da aber die Hdschrften nebst der Urausgabe den Plural auras geben, und dieser in der fraglichen Redensart stehend ist, so ist doch wohl nicht davon abzugehen.
  50. V. 742. Labor io geben Reg., zwei Vat. und Ed. pr.. Die gem. Lsrt ist iam morior. In vier Hdschrften steht labor iam, in zweien labor et o, was wir vorziehen würden, wenn es mehr beglaubigt wäre. Für conde hat ein Theil der Hdschrften claude.
  51. V. 745 geben alle Hdschrften und die ersten Ausgaben mit dixit et incauto &c. Die nachfolgenden Herausgeber aber, auch Baumgarten-Crusius in der neueren Ausgabe, haben, um dieses dixit, das sich nur an die Worte der Procris anschließen könnte, zu retten, dieses Distichon dem folgenden Ille sinu &c. vorgesetzt. Es ist jedoch einleuchtend, daß die Erzählung mit letzterem ille sinu &c. nicht schließen kann, sondern mit dem Satze spiritus excipitur ore viri schließen muß. Die Ordnung, in welcher alle Quellen die beiden Disticha geben, ist also nicht anzutasten. Aber dixit ist dann freilich widersinnig. Wir haben daher Heinsiussens Vermuthung exit, die ebenso treffend als leicht ist, an- und aufgenommen. Vixit, das Burmann vorschlug, ist nicht annehmbar.
  52. V. 747. Erneun wir das Werk, die Arbeit (des Ruderns), d. h. fahren wir fort in unserem Gegenstande, in unserer Aufgabe. – Heinsius sagr uns zwar, daß die meisten Hdschrften nebst der Urausgabe sed repetamus opus. mihi nudis rebus eundum est hätten, giebt aber s. r. iter, nudis mihi rebus agendum est, ohne die Quellen zu nennen, aus welchen er geschöpft hat. Es läßt sich daher nicht beurtheilen, inwieweit der von ihm gegebene Text für echt zu halten ist. Gegen opus läßt sich durchaus Nichts einwenden, mag man es nun im weitern Sinne von Arbeit überhaupt, oder speciell von der Arbeit des Ruderns verstehen. Schwieriger ist nudis rebus zu erklären, während ire an sich von der Fahrt höchst passend wäre, da der Verfasser, wenn nicht schon in repetamus opus, wenigstens nun an einen auf die Schiffarth bezüglichen Ausdruck gedacht haben muß, sonst hätte er nicht füglich ut tangent &c. hinzufügen können. Deßhalb scheint uns agendum unzulässig, so passend es zu nudis rebus an sich sein mag. Nudis rebus wissen wir freilich nicht anders zu erklären, denn als stehende Redensart = ohne Umschweife, Abwege, hergenommen allerdings vom Redner, der ohne Umschweife, ohne Bekleidung und Schmuck, die einfachen Sachen giebt. Der volle Ausdruck mag daher wohl nudis rebus agere gewesen, und daher von einem Kundigen agendum an unserer Stelle dazu geschrieben worden sein, wenn es sich wirklich in Quellen findet; was wir so lange zu bezweifeln uns erlauben, bis sie genannt werden. Auch die Stellung nudis mihi in den bisherigen Ausgaben scheint blos von Heinsius herzurühren.
  53. V. 749 f. Die meisten Hdschrften geben expectes, nur einige im nächsten Verse quaeras. Da aber nur Eins von Beiden richtig sein kann, scilicet jedoch unsers Wissens nie mit dem Conjunctiv steht, so ziehen wir den Indicativ vor. Außerdem geben viele Quellen sollicite für scilicet, gewiß sehr unpassend. Endlich ist auch ut in einem Theile der Quellen für dum zu bemerken.
  54. V. 752. Der von Heinsius gegebene bisherige Text lautete grata mora est Veneri: maxima cett. und beruhte auf Neap. und Cavalc.. Eine Hdschrft hat grata mora est veneris, der Urdruck nach einer Vat. grata mora Venus est. Ist eine von diesen Lsrten die echte, so kann es nur die letzte sein, weil diese allein einen richtigen Sinn giebt. Die Verzögerung des Genusses ist keineswegs erwünscht, sondern der Genuß durch oder nach Verzögerung. Nach unserer Meinung ist aber vom Liebesgenuß hier gar nicht die Rede, sondern nur von dem durch verzögertes und späteres Kommen erhöhten Eindruck; und diesen Sinn giebt die Lsrt des Cod. Reg. und vier anderer grata mora veniens, woraus die gemeine Lsrt venies leicht erklärlich, aber minder gut ist, weil der Verfasser die Vorschrift sera veni durch einen allgemeinen Satz begründen will. Wir glauben daher mit der Lsrt des Cod. Reg. die Worte des Dichters unzweifelhaft hergestellt zu haben.
  55. V. 753. Cunctis haben die meisten alten Ausgaben und 22 Hdschrften. Potis, das Heinsius dafür ohne Bemerkung gegeben und die folgenden Herausgeber bis heute beibehalten haben, scheint uns um so mehr eine Glosse zu sein, als zunächst nur von den Vortheilen des Spät- und Beilichtkommens die Rede ist, und dann erst vom Essen gesprochen wird, nach dessen Beendigung das Trinken erst begann, wie auch hier geschieht (V. 761).
  56. V. 755. Mit den Fingern, nicht mit der ganzen Hand. S. oben zu I, 577. – Quiddam hat Heinsius nach einer Vat. Hdschrft und dem Urdrucke gegeben für quidam der übrigen Quellen. Derselbe Fehler, wenn es einer ist, findet sich Ep. Pont. II, 1, 55, wo die Hdschrften
  57. geben.
  58. V. 757 f. Wie gierige Frauenzimmer hin und wieder noch heut zu Tage, nahmen die Römischen Schönen wohl, ehe sie zum Schmause gingen, einen Imbiß, um als möglichst ätherische Wesen zu erscheinen, die mehr von der Luft als von irdischer Nahrung lebten. Davon räth der Dichter ab. Sie sollen immerhin mit gutem Appetite kommen und zulangen, nur nicht gierig und übermäßig essen. – Dies scheint und ist zum Theil gewiß der vom Verfasser beabsichtigte Sinn, wie er sich besonders aus dem folgenden Verse ergiebt. Zweifelhaft ist nämlich der Text im ersten Satze und offenbar verdorben im zweiten. Für domi hat Pal. minus, das Daniel Heinsius für nimis verschrieben hält. Alte Ausgaben aber, wie die Gryphische, deren Text jedenfalls auf hdschrftlichen Zeugnissen beruht, geben diu, worin Burmann den höchst passenden Sinn findet, die Schöne soll nicht unschicklicher und gieriger Weise lange vorher zulangen; ehe die übrigen Gäste zulangen; nur wäre freilich gerade das diu anstößig; denn daß Eine lange vorher zulangte, läßt sich doch nicht füglich denken. Dann geben alle Hdschrften sed vor desine, dessen Entstehung aus dem s des vorhergehenden dapes zwar äußerlich leicht zu erklären, seiner Sinnwidrigkeit wegen aber unbegreiflich ist. Et dafür hat Heinsius hergestellt. Den nach desine folgenden Text nun giebt Heinsius und nach ihm Burmann citra quam capies (Reg. und vier andere, drei andere capias, viele cupies) paullo &c. mit der Erklärung desine priusquam capies paullo minus, quam potes edere; eine Erklärung, die wir nicht verstehen. Es müßte vielmehr plus für minus heißen: bevor du, nicht etwas weniger, sondern etwas mehr fassen, d. h. zu dir nehmen wirst, als du essen kannst. Daher verwirft Baumgarten-Crusius mit Recht die Lesart capies und nimmt cupies auf, indem dies, wie er sagt, der Sinn selbst verlange. Aber welcher Sinn? Bevor du wünschen wirst, etwas weniger zu essen, als du kannst? Es müßte ebenfalls entweder mehr zu essen, oder weniger gegessen zu haben heißen. Der allein passende und richtige Sinn ist in der Lsrt dreier ungenannter Hdschrften ede statt esse enthalten. Daß aber ede in esse verdorben worden wäre, ist undenkbar. Tan. Faber vermuthete daher cupies paullo esque. Der Einwand Heinsiussens, daß es für ede bei keinem Lateiner nachzuweisen sei, ist nicht stichhaltig. Es ist der Analogie gemäß und findet sich in allen namhaften Sprachlehren aufgeführt. Aber dieses einem Zwischengliede nachgesetzte que sagt uns nicht zu. Bei weitem vorzüglicher und unserer Meinung nach unzweifelhaft, weil rücksichtlich der Wiederkehr desselben Lautes ganz in der Weise Ovids und die Verderbniß ebenso leicht erklärend als hebend, ist die Vermuthung eines Freundes, des Gymnasiallehrers Vogel hier, quam cupis; es paullo, quam potes esse, minus. Cupis absolut; folglich citra quam cupis, vor dem Zeitpuncte, wo du noch begehrst, noch Appetit hast. Diese Vermuthung haben wir unbedenklich aufgenommen.
  59. V. 759. Des Priamus Sohn, Paris.
  60. V. 763. Dies auch thue nur, insoweit &c. – Qua giebt nur Voss. für die gem. Lsrt quam, jedoch mit bibe für quoque, wie auch viele andere haben; offenbare Glosse.
  61. V. 769. Dione; s. oben zu II, 593.
  62. V. 771. Aus Cod. Reg. und einem Vat. hat Heinsius sint gegeben, und so steht zu unserer Verwunderung in allen Ausgaben. Was falsch gedacht ist, kann weder ein Cod. Reg., noch ein Heinsius, noch irgend eine Autorität bewahrheiten. Man kann wohl sagen homines sibi quisque noti sint, nimmermehr aber homines sibi quisque notus sint oder notus sint sibi quisque. Für a corpore haben einige Quellen ad corpora, sowie zwei cunctos für certos.
  63. V. 773. Eris sollen viele alte Hdschrften haben und hat Heinsius aufgenommen. Wir können aber von dem Richtig, womit es Daniel Heinsius, und von dem Gut, womit es Nicol. Heinsius billigt, Nichts darin finden, glauben vielmehr, daß eris durch den Ansgang des vorhergehenden Wortes veranlaßt ist, und stellen die gem. Lsrt her.
  64. V. 774. Gem. Lsrt spectetur tergo cui.
  65. V. 775 f. S. zu Liebeserg. III, 2, 29. Was der Verfasser hier und im Folgenden sagt und meint, mögen Kundigere wissen. – Gem. aspicienda.
  66. V. 777 f. Es setzte die Gattin aus Thebe (Andromache, s. zu Verw. 12, 110) &c.; vergl. oben zu II, 699.
  67. V. 781. Für quoque hat Heinsius auf eine einzige Autorität cui gegeben. Er nimmt, bei Ovid schwerlich mit Grund, an, daß quoi geschrieben gewesen sei. Dann hat ein Theil der Hdschrften caetera für pectora. Endlich will Heinsius mendo für menda gelesen haben, damit nicht zwei Wörter nach einander auf a auslauten!
  68. V. 782. Gemeine Lsrt semper für stet vir.
  69. V. 783. Die Mutter aus Phyllus ist eine verheirathete Thessalierin, wie sich aus Her. 13, 35 zweifellos ergiebt. Vergl. auch oben V. 138 sowie zu Verw. 12, 479. Es war also die hier gemeinte Art das Haar zu tragen den Thessalischen Frauen eigentümlich. Merula hat fälschlich eine Bacchantin verstanden. – Für Phylleia hat Bersmann Phyllaceia; ob auf hdschrftliche Autorität, ist uns unbekannt.
  70. V. 784. So, mit entfesseltem Haar, beuge den Nacken zurück, indem nun kein Aufsatz dieser bequemen Lage hinderlich ist. – Hierin findet Heinsius keinen Sinn und will, weil eine Hdschrft renecte, eine reflente, zwei referre haben, replere, sei es nun als Infinitiv oder als Imperativ, lesen. Für effusis giebt Cod. Reg. emissis, worin Burmann immissis vermuthet.
  71. V. 785. S. zu Verw. 9, 283 und vergl. Liebeserg. II, 14, 7.
  72. V. 786. S. oben I, 210 n. A.
  73. V. 787. Einige Quellen geben irrthümlich ioci für modi.
  74. V. 789. Phöbus‘ Dreifuß; s. zu Verw. 15, 635. Der Hörner tragende Ammon; s. zu Verw. 4, 670. 5, 327 f. – Für Phoebei haben Reg. und Pat. Phoebe, tui.
  75. V. 794. Ut für et in Vat. billigt Burmann; nach unserer Meinung mit Unrecht. Dagegen finden wir una in mehreren vorzüglichen Quellen für illa oder ista, wie ebenfalls einige haben, wenigstens ganz in der Weise Ovids, ohne deshalb das stark beglaubigte illa zu verwerfen.
  76. V. 798. Für mendaci zwei Hdschrften mentito.
  77. V. 799. Für es, das durch die zweite Person im nächsten Distichon bestätigt wird, führt Heinsius allerdings blos Cod. Sarr. an. Vielleicht ist auch das übrigens untadelhafte puellae in Cod. Reg. daraus entstanden. Mehrere Hdschrften nebst Ed. pr. geben puella est.
  78. V. 801. Mehrere Quellen haben simulas für finges, jedenfalls Erklärung. Für tantum findet sich einzeln at tu, tute; auch dum nimium in einigen für tantum cum.
  79. V. 803. Gem. Lsrt iuvat; hier ganz unzulässig, wenn man den Satz, was man doch muß, im Zusammenhange mit dem Vorhergehenden versteht.
  80. V. 805 f. Dies scheint insofern mit dem Vorhergehenden zusammenzuhängen, als die Schöne durch Beanspruchung einer Bezahlung verräth, daß sie ohne Gefühl (V. 797) sich hingegeben hat; was nun für den Mann voraussichtlich der Grund ist, die Forderung zurückzuweisen. Sie muß also vorher fordern, oder sie darf gar nicht fordern, sondern muß die Bezahlung der Freigebigkeit des Mannes überlassen. – A. Lsrten ista und nollet, Letzteres stark bezeugt.
  81. V. 808. Cod. Flor. und Pal. lesen menda für multa.
  82. V. 809 f. Von den Schwänen, von dem von Schwänen gezogenen Wagen, wie der Zusatz ergiebt. Vergl. Verw. 14, 820 n. A. Der Verfasser, als Sänger der Liebe, identificirt sich mit der Liebesgöttin selbst, die auf einem Schwanengespann fuhr (Verw. 10, 708. 718); oder er dichtet, daß er in ihrem Dienste mit ihrem Gespanne gefahren sei. Mein Joch, worein ich sie gespannt habe. – Cod. Reg. discedere (nicht discendere, wie, wahrscheinlich durch einen Druckfehler, in der Burmannschen Ausgabe steht).
  83. V. 811 f. Vergl. oben II, 744. – Einige wenige Hdschrften geben nicht übel mea cura für mea turba.

Liebeskunst

arsamato


Inhalt:

Vorwort
Erstes Buch Vers 1 – 170
171 – 344
345 – 486
487 – 630
631 – 772
Zweites Buch Vers 1 – 172
173 – 314
315 – 456
457 – 598
599 – 746
Drittes Buch Vers 1 – 170
171 – 312
313 – 456
475 – 644
645 – 812