23. Novelle

Ein Student verliebt sich in eine Witwe, welche einen andern Liebhaber hat und ihn im Winter eine ganze Nacht im Schnee zappeln läßt. Dafür bringt er es durch List dahin, daß sie mitten im Sommer einen ganzen Tag auf einem hohen Turme nackend zubringen muß, wo sie den Wespen und Bremsen und der Sonne ausgesetzt ist.

Vor nicht gar langen Jahren. befand sich in Florenz eine junge Dame namens Elena, die sehr schön von Gestalt, stolz von Gemüt, von sehr edler Herkunft und mit Glücksgütern reichlich begabt war. Sie war durch den Tod ihres Mannes Witwe geworden und hatte nicht Lust, sich wieder zu verheiraten, sondern unterhielt mit Hilfe einer vertrauten Magd ein Liebesverhältnis mit einem schönen, liebenswürdigen jungen Mann, den sie sich auserwählte, und da sie sonst keine Sorgen hatte, so suchte sie nur, sich mit ihm die Zeit wonnesam zu vertreiben. Ein junger Edelmann, namens Rinieri, der einige Jahre in Paris studiert hatte, nicht etwa in der Absicht, seine Gelehrsamkeit im kleinen wieder auszukramen, wie so viele es tun, sondern um sich selbst vom Wesen aller Dinge und ihrer Ursachen Rechenschaft zu geben, wie es einem wahrhaft adligen Mann wohl ansteht, kam um diese Zeit nach Florenz zurück, wo er sowohl wegen seines Adels als auch wegen seiner Wissenschaft in großen Ehren unter seinen Mitbürgern lebte.

So wie es sich aber oft zuträgt, daß die, die in den Lauf der Welt tiefe Einsicht haben, sich von der Liebe am ersten berücken lassen, so ging es auch diesem Rinieri. Denn als er einst zum Zeitvertreib einem öffentlichen Fest beiwohnte, fiel ihm Elena in ihren schwarzen Witwenkleidern so ausbündig schön und liebenswürdig in die Augen, wie er noch keine glaubte gesehen zu haben, und er schätzte den über alles glücklich, den Gott würdigte, ihn so viel Schönheit nackt umarmen zu lassen. Mehr als einmal musterten seine Augen ihre Reize, und da er wußte, daß ein großes und seltenes Kleinod nicht ohne viel Mühe erworben wird, so nahm er sich vor, es weder an Fleiß noch an Aufmerksamkeit fehlen zu lassen, um ihr zu gefallen und sich dadurch ihre Liebe und in der Folge ihren Besitz zu erwerben. Die junge Dame, die ihre Augen nicht an die Erde zu heften pflegte, sondern soviel von sich hielt und noch mehr wohl, als sie wert war, und ihre Blicke fleißig, jedoch mit aller Behutsamkeit umherwandern ließ, ward es bald gewahr, wenn jemand sie mit Wohlgefallen betrachtete, und Rinieri entging ihrem Scharfblicke nicht. Sie lachte heimlich und dachte: »Heute bin ich gewiß nicht umsonst gekommen, und wenn ich mich nicht irre, so habe ich einem Zeisig das Netz über den Kopf geworfen.« Sie ermunterte ihn deswegen durch verstohlene Blicke um ihn glauben zu machen, daß er ihr nicht gleichgültig wäre; denn sie meinte, je mehr Männer sie in ihr Garn ziehe, um desto mehr würde der Wert ihrer Schönheit erhöht, zumal in den Augen des Mannes, dem sie alles mit ihrer Liebe geschenkt hatte.

Der gelehrte Schüler der Weisheit dagegen vergaß seine ganze Philosophie und richtete alle seine Gedanken nur auf die Schöne. Sobald er ihre Wohnung erfahren hatte, ging er beständig unter allerlei Vorwand an ihrem Hause vorbei, in der Hoffnung, ihr zu gefallen.

Die Dame, die ihre Eitelkeit dadurch geschmeichelt fand, stellte sich, als ob sie ihn gern sähe. Der junge Gelehrte fand einen Weg, die Bekanntschaft ihrer Magd zu machen, und bat sie, ihm die Gunst ihrer Gebieterin zu verschaffen. Das Mädchen war nicht sparsam mit ihren Versprechungen und hinterbrachte alles ihrer Dame, die ihn herzlich auslachte und zu ihrer Magd sagte: »Siehst du, wie dieser um seine Weisheit kommt, die er aus Paris mitgebracht hat? Schon gut, wir wollen ihm so aufspielen, wie er Lust hat zu tanzen. Wenn er dich wieder anspricht, so sage ihm, daß ich ihn zwar nicht weniger liebe als er mich, daß ich aber meinen guten Namen in acht nehmen muß, um mich vor anderen Frauen mit freier Stirn zeigen zu können, und daß er mich deswegen, wenn er so weise ist, wie man sagt, desto höher schätzen muß.«

Armes Weib! Armes Weib! Sie wußte nicht, wie gefährlich es ist, gerade mit einem Schüler der Weisheit anzubinden.

Die Magd richtete den Auftrag ihrer Dame aus, sobald sie ihn antraf. Der Student war froh darüber, er ward von Stund‘ an immer dringlicher in seinen Bitten, schrieb Briefe und sandte Geschenke. Alles ward angenommen; allein es erfolgte nichts weiter darauf als lauter unbestimmte Antworten, und die Dame hielt ihn auf diese Weise eine lange Zeit mit leeren Hoffnungen hin. Endlich, nachdem sie ihrem Liebhaber alles gesagt und bisweilen darüber einen kleinen Zank mit ihm gehabt und auch wohl einige Spuren von Eifersucht bei ihm bemerkt hatte, wollte sie diesem einen Beweis geben, wie wenig Ursache er zu seinem Verdacht hätte. Als demnach der Student noch ferner in sie drang, ließ sie ihm durch ihre Magd sagen, sie hätte seit seiner Liebeserklärung noch keine Gelegenheit gehabt, seine Wünsche zu erfüllen, sie hoffe aber, in der Weihnachtswoche einmal mit ihm zusammen sein zu können. Er möchte also am Abend nach dem ersten Feiertage, sobald es dunkel würde, in ihren Hof kommen und da warten, so würde sie ihn, sobald sie nur könne, zu sich ins Haus lassen. Rinieri war darüber seliger als je ein Mensch; er ging zur bestimmten Zeit nach dem Hause der Dame, ward von ihrer Magd in einen Hof gelassen und dort eingeschlossen, um seine Dame zu erwarten. Elena hatte inzwischen diesen Abend ihren Liebhaber zu sich eingeladen, und nachdem sie mit ihm fröhlich zu Nacht gegessen hatte, erzählte sie ihm, was sie die Nacht vorhabe und sprach zu ihm: »Jetzt sollst du sehen, wie lieb mir der ist, auf den du törichterweise eifersüchtig bist.« — Es war ein kalter Winterabend und es hatte des Tages vorher stark geschneit, und alles war mit Schnee bedeckt, so daß der Schüler der Weisheit im Hof, von einem Bein auf das andere tretend, bald anfing, es kälter zu finden als ihm lieb war; doch ließ ihn die Hoffnung, sich bald wieder zu erwärmen, die Kälte mit Geduld ertragen. Der Liebhaber vernahm diese Worte mit lebhafter Freude und war begierig, das ins Werk gesetzt zu sehen, was die Dame ihm mit Worten versprochen hatte. Eine Weile darauf sagte die Dame zu ihrem Liebhaber: »Komm mit mir in die Kammer ans Fenster; wir wollen sehen, was der macht, auf den du eifersüchtig bist, und was er der Magd antwortet, die ich hingeschickt habe, mit ihm zu sprechen.« Sie führte ihn darauf an ein kleines Guckloch, wo sie Rinieri sehen konnten, ohne von ihm bemerkt zu werden, und sie hörten, daß die Magd an einem andern Fenster zu ihm sprach: »Rinieri, es tut meiner Frau außerordentlich leid, daß einer von ihren Brüdern diesen Abend unerwartet zu ihr gekommen und nach einer langen Unterredung bei ihr zum Essen geblieben ist. Ich hoffe aber, er wird bald weggehen, und dann wird sie dich einlassen. Sie bittet dich, dir die Zeit nicht lang werden zu lassen.«

Der Schüler der Weisheit, der alles für Wahrheit hielt, gab ihr zur Antwort: »Sage deiner Gebieterin, daß sie sich meinetwegen keinen Kummer machen soll, bis sie gelegene Zeit hat, mich einzulassen; ich will jedoch hoffen, daß es bald geschehen wird.«

Die Magd schlug das Fenster zu und ging zu Bett. Die Dame aber sagte zu ihrem Liebhaber: »Was meinst du? Glaubst du, wenn ich ihn liebte, wie du argwöhnst, ich würde ihn da unten in der Kälte stehen und frieren lassen?« Darauf ging sie mit ihrem Geliebten, der sich schon beruhigt hatte, zu Bett, und sie verbrachten den größten Teil der Nacht zu gegenseitiger Freude und Wonne, des armen Schülers der Weisheit lachend und spottend. Dieser lief indes im Hofe auf und ab und rührte sich heftig, um sich zu erwärmen, da er nirgends weder einen Sitz noch ein Obdach fand. Er fluchte auf den langweiligen Bruder, und bei jedem Geräusche, das er hörte, meinte er, daß die Dame die Tür öffne, um ihn einzulassen. Er hoffte umsonst. Nachdem sie sich bis nach Mitternacht mit ihrem Liebhaber vergnügt hatte sagte sie zu ihm: »Was dünkt dich, geliebte Seele, von unserem Schüler der Weisheit? Was dünkt dich größer, sein Verstand oder die Liebe, die ich für ihn hege? Wird der Frost, den ich ihn ausstehen lasse, aus deiner Brust das verscheuchen, was durch meine Scherzworte neulich hineingedrungen ist?« Der Liebhaber antwortete: »Herz meines Lebens! Ich sehe nun ein, daß du mein Kleinod, mein Frieden, meine Wonne und all meine Hoffnung bist, wie ich die deinige.« »Nun,« sagte die Dame, »so küsse mich tausendmal, damit ich sehe, ob du die Wahrheit sprichst.«

Der Geliebte schloß sie fest in seine Arme und küßte sie nicht tausend-, sondern wohl hunderttausendmal. Als sie sich einige Zeit auf diese Art unterhalten hatten, sagte die Dame: »Laß uns aufstehen und nachsehen, ob das Feuer, in dem mein neuer Liebhaber immerfort brennt, wie er mir schrieb, ein wenig heruntergebrannt ist.« Sie standen auf, traten an das erwähnte Fenster und blickten in den Hof hinab. Dort sahen sie den Scholaren im Schnee nach dem Takt seines eigenen, von der Kälte hervorgerufenen Zähneklapperns herumhopsen und herumtanzen, und zwar so hoch und so schnell und hin und her, daß sie sich nicht erinnerten, dergleichen schon gesehen zu haben. Darauf sagte die Dame: »Nun, was sagst du nun, meine holde Hoffnung? Glaubst du jetzt, daß ich die Männer ohne Trompete und Sackpfeife tanzen lassen kann?« Der Liebhaber erwiderte lachend: »Meine einzige Wonne; ja, ich glaube es.« Die Dame meinte: »Komm, wir gehen hinunter bis zur Tür. Du hältst dich im Hintergrund ganz still, während ich mit ihm rede. Wir werden ja hören, was er zu sagen hat. Das wird uns nicht weniger Spaß machen, als wir schon gehabt haben, da wir ihm zusahen.« Sie öffneten ganz leise das Zimmer und traten an die Tür. Und ohne sie zu öffnen, rief ihn die Dame durch eine Ritze mit leiser Stimme. Als der Scholar sich beim Namen genannt hörte, lobte er Gott, indem er endlich eingelassen zu werden hoffte. Er trat an die Tür und sagte: »Hier bin ich, Madonna; öffnet um Gottes willen die Tür, denn ich sterbe vor Kälte!«

»Ei, ja doch!« sprach sie. »Du bist mir auch so frostig, als wenn’s so grimmig kalt wäre, weil ein wenig Schnee gefallen ist. Weiß ich etwa nicht, daß es in Paris noch viel kälter ist? Ich kann dich noch nicht einlassen, weil mein verdammter Bruder, der gestern zum Abendessen kam, noch nicht von der Stelle weicht. Er wird jedoch nun wohl bald gehen, und dann will ich dich gleich einlassen. Ich habe mich kaum einen Augenblick von ihm wegschleichen können, um dir Mut einzusprechen, damit dich das Warten nicht verdrießt.«

»Ach Madonna!« seufzte der Ritter der Weisheit. »Öffnet mir um Gottes willen die Tür, daß ich nur unter Dach komme; denn es hat seit kurzem wieder angefangen heftig zu schneien, und es schneit noch immerfort. Ich will hernach gern warten, solange es Euch gefällt.«

»Ach, mein Liebster!« antwortete sie. »Ich kann nicht aufmachen; denn die Tür knarrt so sehr, daß mein Bruder es hören würde, wenn ich sie öffnete; ich will aber hingehen und ihn fortzuschicken suchen, damit ich wiederkommen und dich einlassen kann.«

»So geht denn«, sprach Rinieri, »und macht’s nur bald und sorgt, ich bitte, für ein gutes Feuer, damit ich mich wieder erwärmen kann, denn der Frost hat meine Glieder schon ganz betäubt.«

»Das kann nicht sein,« sprach sie, »wenn es wahr ist, was du mir so oft geschrieben hast, daß du vor Liebe zu mir ganz entbrannt bist. Ich glaube gewiß, du scherzest mit mir. Ich gehe; habe nur Geduld.«

Damit ging sie fort und wieder ins Bett und brachte den übrigen Teil der Nacht damit zu, daß sie mit ihrem Liebhaber, der ihr Gespräch angehört und sich daran ergötzt hatte, fast ohne zu schlafen in Wonne beisammen war und sich über den armen Schüler der Weisheit lustig machte.

Rinieri, der mit den Zähnen klapperte wie ein Storch, ward endlich gewahr, daß man ihn zum besten hatte. Vergebens machte er mehr als einmal den Versuch, die Tür zu öffnen; vergebens suchte er irgendeinen anderen Ausweg, um zu entkommen. Bald trabte er auf und ab wie ein Löwe in seinem Käfig, bald fluchte er auf das böse Wetter, auf das boshafte Weib, auf die lange Dauer der Nacht, nicht zuletzt auf seine eigene Torheit. Heftig ergrimmt über die Dame, wandelte sich die lange und brünstige Liebe, die er zu ihr gehegt, in inbrünstigen, grausamen Haß, und er sann über mehrere wirksame Mittel nach, seine Rache zu befriedigen, die ihn jetzt weit wilder entflammte als zuvor die Sehnsucht, mit ihr zusammen zu sein. Zuletzt, nach endlosem Warten, wich die langwierige Nacht dem anbrechenden Tage, und der Morgen fing an zu dämmern. Die Magd ging nunmehr auf Befehl ihrer Frau hinunter, öffnete den Hof und heuchelte Mitleid mit ihm: »Der Henker soll ihn holen, der uns gestern die Suppe versalzen hat. Die ganze Nacht hat er uns geplagt und geplackt, und du bist seinetwegen halb erfroren. Laß es dich aber nicht verdrießen. Einmal ist keinmal, was gestern nacht nicht war, kann noch werden. So viel weiß ich: nichts Unangenehmeres hätte der Madonna passieren können als dies.«

Rinieri war bei all seinem Zorn klug genug, um zu bedenken, daß man durch Drohungen dem Bedrohten nur Waffen leiht. Er verschloß seinen heftigen Unwillen, so gern er ihn auch wild hinausgeschrien hätte, und sagte mit anscheinender Gelassenheit und halbgebrochener Stimme: »Ich habe in der Tat eine sehr böse Nacht gehabt; allein ich bin überzeugt, daß deine Dame daran nicht schuld ist; denn sie selbst ist mitleidig heruntergekommen, sich bei mir zu entschuldigen und mir Trost zuzusprechen; und wie du sagst: was diese Nacht nicht hat sein können, das wird ein andermal geschehen. Grüße deine Dame und sei Gott befohlen!«

Er kroch hierauf, an allen Gliedern gelähmt, so gut er konnte, nach Hause und warf sich ganz ermattet auf sein Bett, um sich durch ein wenig Schlaf zu erquicken; doch als er erwachte, hatte er den Gebrauch seiner Hände und Füße fast gänzlich verloren. Er schickte augenblicklich nach einem Arzt, berichtete, welchen Frost er ausgestanden, und bat ihn, seine Gesundheit wiederherzustellen. Der Arzt wandte ohne Verzug die kräftigsten Mittel an, um seinen Nerven wieder Spannkraft und Geschmeidigkeit zu verschaffen; dennoch ging eine geraume Zeit damit hin, und wenn ihm nicht seine Jugend und die Wiederkehr der warmen Witterung zustatten gekommen wären, so würde er nicht so leicht davongekommen sein. Als er wiederhergestellt war, behielt er den Groll im Herzen und stellte sich dabei äußerlich mehr als je in die schöne Witwe verliebt. Nach einiger Zeit verschaffte ihm aber der Zufall eine erwünschte Gelegenheit, sich zu rächen: Der Jüngling, in den Elena so sehr verliebt war, vergaß die große Anhänglichkeit, die sie ihm erwiesen hatte, verliebte sich in eine andere Frau, vernachlässigte seine vorige Gebieterin gänzlich und verursachte ihr dadurch den bittersten Kummer. Ihre Magd, die Mitleid mit ihr hatte und nicht wußte, wie sie ihre Frau über den schmerzlichen Verlust ihres Liebhabers trösten sollte, kam auf einen törichten Einfall, als sie Rinieri, seiner Gewohnheit nach, noch immer durch die Straße gehen sah. Sie meinte nämlich, daß der Liebhaber ihrer Frau wohl durch schwarze Magie könne zurückgebracht werden, und daß der Schüler der Weisheit wahrscheinlich auch in dieser Kunst ein großer Meister sei. Sie trug dieses ihrer Frau vor, und Elena war so einfältig, ihren Vorschlag gutzufinden, ohne daran zu denken, daß Rinieri, wenn er ein Schwarzkünstler gewesen wäre, seine Kunst wohl für sich selbst würde gebraucht haben. Sie empfahl demnach sogleich ihrer Magd, sich bei ihm zu erkundigen, ob er ihr behilflich sein wolle, und ihm zu versprechen, daß sie unter dieser Bedingung ihm stets zu Willen sein würde. Die Magd ermangelte nicht, alles aufs fleißigste auszurichten.

Rinieri war sehr erfreut über den Antrag und dankte dem Schicksal, daß es ihm die Gelegenheit an die Hand gab, sich an der boshaften Witwe für die Kränkung zu rächen, womit sie seine zärtliche Liebe vergolten hatte. Er sprach zu der Magd: »Sage deiner Frau, sie solle sich keine Sorge machen; denn selbst wenn ihr Liebhaber in Indien wäre, so würde ich es zustande bringen, daß er sich augenblicklich stellen und ihr alles abbitten sollte, was er ihr zuwider getan hat. Was sie aber zu diesem Endzweck beobachten muß, das will ich ihr selbst sagen, wann und wo sie es mir befiehlt. Sage ihr das zum Trost in meinem Namen.«

Die Magd überbrachte seine Antwort ihrer Frau, die Rinieri nach Santa Lucia del Patro bestellte. Sie trafen sich hier, und sie entdeckte ihm unter vier Augen, ohne sich daran zu erinnern, daß sie ihn einst an den Rand des Grabes gebracht hatte, ihr ganzes Geheimnis, was sie von ihm verlange, und bat ihn um Hilfe in ihrer Not. Rinieri antwortete: »Madonna, ich habe mich zwar wirklich in Paris unter anderen Dingen auch auf die schwarze Kunst gelegt, und ich weiß in der Tat mit allem Bescheid, was sie nur zu lehren vermag. Weil ich sie aber für eine höchst sündige Sache halte, so war ich fest entschlossen, weder für mich selbst noch für andere jemals Gebrauch davon zu machen. Allein meine Liebe zu Euch ist freilich so groß, daß ich nicht weiß, wie ich Euch etwas abschlagen könnte, und ich bin bereit zu tun, was Ihr begehrt, wenn ich mir auch die höllische Verdammnis damit zuziehen sollte. Aber soviel muß ich Euch vorher sagen, daß die Sache zugleich ihre großen Schwierigkeiten hat, was Ihr vielleicht nicht glaubt, zumal wenn eine Frau ihren Liebhaber oder ein Mann seine Geliebte wiedergewinnen will; denn alsdann kann kein anderer die Handlung verrichten als die Person selbst, die die Sache angeht, und wer sie unternimmt, muß unerschrockenen Mutes sein, weil sie zur Nachtzeit und an einem einsamen Ort, und ohne daß noch jemand dabei ist, geschehen muß. Ich weiß nicht, wieviel Ihr Euch in dieser Hinsicht zutraut.«

Die Dame, die mehr verliebt als verständig war, gab ihm zur Antwort: »Die Liebe treibt mich so mächtig, daß mir nichts in der Welt zu schwer werden kann, wodurch ich hoffen darf, den wiederzugewinnen, der mich wider Recht und Anstand verlassen hat. Doch sage mir bitte auf jeden Fall, bei welcher Gelegenheit ich meine Unerschrockenheit beweisen muß.«

Der Schüler der Weisheit, dem der Teufel im Nacken saß, sagte: »Madonna, ich werde ein Bild aus Zinn gießen, und das soll den darstellen, den Ihr wiederzugewinnen trachtet. Mit diesem müßt Ihr, sobald ich es Euch geschickt habe, kurz vor Neumond siebenmal nackt in nächtlicher Einsamkeit im fließenden Wasser baden und hernach, so nackt wie Ihr seid, auf einen hohen Baum oder auf ein hohes unbewohntes Gebäude steigen und mit dem Bild in der Hand, das Gesicht nach Norden gekehrt, siebenmal gewisse Worte sprechen, die ich Euch aufschreiben will. Sobald Ihr diese gesagt habt, werden Euch zwei wunderschöne Jungfrauen erscheinen, die Euch freundlich grüßen und Euch fragen werden, was Ihr begehrt. Diesen müßt Ihr deutlich und umständlich Eure Wünsche erklären und Euch in acht nehmen, daß Ihr nicht meinen Namen statt des anderen nennt. Wenn Ihr ihnen alles gesagt habt, so werden sie verschwinden, und Ihr könnt wieder hinuntersteigen, Euch ankleiden und nach Hause gehen. Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß Euer Liebhaber, ehe es wieder Mitternacht wird, in Tränen aufgelöst zu Euch kommen, Euch um Gnade und Barmherzigkeit bitten und Euch nie wieder untreu werden wird.«

Die Dame glaubte alles, was er sagte; sie dachte schon ihren Liebhaber wieder in ihren Armen zu halten und gab erfreut zur Antwort: »Ich versichere Euch, daß ich alles genau erfüllen werde, und ich habe dazu die beste Gelegenheit; denn ich habe ein Gut in der Gegend des oberen Arnotales, welches dicht am Ufer des Flusses liegt; und da es jetzt Juli ist, so ist das Baden eine Lust. Nicht weit vom Ufer steht auch, wie ich mich erinnere, ein kleiner, verfallener Turm, dessen sich nur noch die Hirten bisweilen bedienen und mit einer Leiter von Kastanienholz, die dort angelehnt steht, hinaufsteigen, um sich auf dem Dache nach ihren verirrten Tieren umzusehen. Dieser Turm liegt einsam genug, und ich will ihn besteigen, um das zu verrichten, was Ihr mir vorschreibt.«

Rinieri kannte das Gut der Dame und den kleinen Turm sehr wohl, den sie ihm beschrieb; er gab ihr jedoch, als er merkte, daß sie in seine Schlinge fiel, zur Antwort: »Madonna, ich kenne weder Euer Gut noch den Turm; wenn aber alles so gelegen ist, wie Ihr sagt, so könnt ihr keinen bequemeren Ort wählen. Ich will Euch zu gehöriger Zeit das Bild und die Worte der Beschwörung schicken; allein, ich verlasse mich fest darauf, daß Ihr mich und das mir gegebene Versprechen nicht vergeßt, wenn die Erfüllung Eurer Wünsche Euch überzeugt, daß ich Euch gut gedient habe.«

Sie versprach ihm, treulich Wort zu halten, worauf sie Abschied von ihm nahm und nach Hause ging.

Rinieri, erfreut, daß sein Plan in Erfüllung zu gehen versprach, ließ das Bild mit dem Zauberzeichen machen, schrieb ein selbsterdachtes Geschwätz statt einer Beschwörung auf und schickte es Elena, als es ihm Zeit schien, indem er ihr zugleich empfahl, am folgenden Abend unfehlbar alles zur Ausführung zu bringen, was er ihr gesagt hatte. Er begab sich hierauf in der Stille mit einem seiner Bedienten nach dem Hause eines Freundes, das nahe bei dem kleinen Turm gelegen war, um seinen Entwurf auszuführen.

Elena machte sich mit ihrer Magd gleichfalls auf den Weg nach ihrem Gut. Als der Abend kam, stellte sie sich, als ob sie zu Bett ging und schickte ihre Magd zur Ruhe. Um die Zeit des ersten Schlafes schlich sie an das Arnoufer, nahe bei dem Turm, und nachdem sie sich umgesehen und gehorcht hatte und allein zu sein glaubte, entkleidete sie sich, verbarg ihre Kleider in einem Busch und badete sich siebenmal in dem Strome mit dem Bilde, worauf sie sich, das Bild in der Hand, nackt nach dem Turm begab.

Rinieri hatte sich bei anbrechender Nacht mit seinem Diener nahe bei dem Turm unter Weidengesträuch und anderem Gestrüpp versteckt und alles mit angesehen. Als das schöne Weib an ihm so nackt vorbeiging, als der blendende Schnee ihres Körpers die Schatten der Nacht um sie her zerstreute, und als er den bezaubernden Busen und das liebliche Ebenmaß ihrer Glieder betrachtete und bedachte, wie alle diese Schönheit in wenigen Stunden würde verwandelt werden, fühlte er sich fast zum Mitleid bewogen. Zu gleicher Zeit überkam ihn die Begierde des Fleisches und weckte jemand, der bisher geschlafen hatte, so daß er aufstand, und es reizte ihn mächtig, hervorzuspringen, sich der schönen Beute zu bemächtigen und seine Lust an ihr zu kühlen. Fast hätte er sich von dem einen oder andern überwinden lassen; allein plötzlich besann er sich, wer er wäre und welche Schmach er erduldet hätte und warum und von wem. Seine Rachsucht siegte über das Mitleid und über die fleischliche Begierde; er blieb standhaft und ließ sie vorübergehen. Die Schöne stieg die Leiter hinan, wandte sich oben auf dem Turme gegen Norden und begann die Worte der Beschwörung herzuleiern, die ihr der Schüler der Weisheit gegeben hatte. Unterdessen schlich dieser hinter ihr in den Turm, nahm leise die Leiter weg, die nach dem Dache des Turmes führte, und wartete ab, was sie sagen und wie sie sich gebärden würde. Nachdem sie siebenmal ihre Beschwörung hergesagt hatte, fing sie an, auf die beiden Jungfrauen zu harren. Diese ließen aber solange auf sich warten, bis sie anfing, es kühler zu finden als ihr behagte, und bis zuletzt die Morgenröte darüber anbrach. Es verdroß sie, daß das Versprechen des Schülers der Weisheit nicht in Erfüllung ging, und sie dachte bei sich: Ich fürchte, er hat mir eben eine solche Nacht verursachen wollen als ich ihm, allein wenn dieses seine Absicht gewesen ist, so hat er sich nicht recht auf seine Rache verstanden; denn er hat gewiß dreimal so lange zappeln und ganz anders vor Frost aushalten müssen als ich.

Damit nun der helle Tag sie nicht an diesem Ort überrasche, wollte sie wieder vom Turm hinuntersteigen. Allein wie groß war ihr Entsetzen, als sie die Leiter vermißte. Sie glaubte, die Welt wäre unter ihren Füßen geschwunden, und ohnmächtig sank sie auf dem Dach des Turmes nieder. Als sie wieder zur Besinnung kam, fing sie an, laut zu weinen und zu jammern, denn sie merkte nun wohl, daß Rinieri alles mit Fleiß so angestiftet hatte, und sie bedauerte, ihn erst beleidigt und sich hernachdem zu sehr anvertraut zu haben, den sie mit Recht für ihren Feind halten mußte. Lange wehklagte sie so. Umsonst suchte sie Mittel und Wege, sich hinunterzuhelfen; sie fand sie nicht und begann von neuem zu weinen, und ein bitterer Gedanke bemächtigte sich ihrer, als sie zu sich selbst sagte: Ich Unglückselige! Was werden meine Brüder und Verwandten, was werden meine Nachbarn und alle Einwohner in Florenz von mir sagen, wenn sie hören, daß man mich hier nackt auf diesem Turm gefunden hat? Man wird gewahr werden, daß meine Ehrbarkeit, die man für so bewährt gehalten hat, nur eine Scheintugend war; und wenn ich auch ein Märchen zu ersinnen wüßte, um diesen Vorfall zu bemänteln, so würde der verwünschte Scholar meine Lüge nicht gelten lassen. Wie elend bin ich, daß ich zu gleicher Zeit den zu meinem Unheil von mir Geliebten und meine Ehre eingebüßt habe!

Der Schmerz überwältigte sie so sehr, daß sie in Versuchung geriet, sich vom Turm hinabzustürzen. Unterdessen war die Sonne völlig aufgegangen, und indem sich Elena ein wenig dem Rande des Daches näherte, um zu sehen, ob sie nicht irgendwo einen Hirtenknaben mit seiner Herde gewahr würde, den sie nach ihrer Magd schicken könnte, erwachte Rinieri, der unter einem Strauch geschlafen hatte, und sie wurden zu gleicher Zeit einander gewahr. »Ei, guten Morgen, Madonna«, sprach Rinieri. »Sind die Jungfrauen noch nicht gekommen?«

Als sie ihn sah und hörte, fing sie von neuem bitterlich zu weinen an und bat ihn, in den Turm zu kommen, damit sie mit ihm sprechen könne, und er hatte die Gefälligkeit, ihr zu willfahren. Sie legte sich flach auf das Dach nieder, streckte nur den Kopf über den Rand hervor und sprach mit bitteren Tränen: »Rinieri, wenn ich dir einst eine böse Nacht verursacht habe, so hast du dich wahrlich genug dafür an mir gerächt; denn obgleich es Juli ist, so habe ich doch in meiner Nacktheit diese Nacht Kälte genug ausgestanden, und ich habe meine Treulosigkeit gegen dich und die blinde Leichtgläubigkeit, womit ich mich dir nachher anvertraute, bereits so sehr beweint, daß es ein Wunder ist, wenn ich noch meine Augen behalten habe. Ich bitte dich, nicht aus Liebe zu mir, die du nicht lieben darfst, sondern aus Liebe zu dir selbst, der du ein Edelmann bist, laß dir die Rache genügen, die du für die empfangene Beleidigung bis jetzt an mir geübt hast, und schicke mir meine Kleider, damit ich wieder hinunterkommen kann. Raube mir nicht das, was du mir später nie wiedergeben kannst, auch wenn du es wolltest, meine Ehre; und wenn ich dich um die eine Nacht gebracht habe, die ich dir versprochen hatte, so bedenke, daß ich sie dir gern mehr als einmal wieder einbringen will. Begnüge dich, als ein Biedermann, mit dem Geschehenen und mit der Betrachtung, daß die Rache in deiner Macht stand, und daß du mich davon fühlbar überzeugt hast, aber suche nicht, deine ganze Übermacht gegen ein schwaches Weib zu gebrauchen. Es bringt dem Adler keinen Ruhm, über eine Taube obzusiegen. Um Gottes willen und um deiner eigenen Ehre willen, habe Erbarmen mit mir!«

Mit hartem Herzen erwog Rinieri die Beleidigung, die er empfangen hatte. Als er das Jammern und Flehen sah, fühlte er in seinem Herzen zugleich Lust und Schmerz. Lust über die Rache, die er mehr als sonst etwas ersehnt hatte, Schmerz, da seine Menschlichkeit ihn zum Mitleid mit der Unglücklichen bewegte. Doch siegte die grausame Lust der Rache, nach welcher ihn dürstete, über sein menschliches Gefühl. »Madonna Elena,« sprach er, »wenn meine Bitten, die ich zwar nicht so wie du in Tränen zu baden und mit Schmeicheleien zu versüßen wußte, dich in jener Nacht, als ich in deinem überschneiten Hof vor Kälte erstarrte, hätten bewegen können, mir nur ein wenig Obdach zu gewähren, so könnte ich dir vielleicht jetzt willfahren. Liegt dir jedoch deine Ehre jetzt ebensosehr oder noch mehr am Herzen wie damals, und fällt es dir so schwer, da oben nackt zu verweilen, so wende deine flehentlichen Bitten an den, in dessen Armen du jene Nacht nackt zubrachtest, ohne daß es dir damals schwer fiel und ohne dich meiner zu erbarmen, als ich in deinem Hof im Schnee herumtrabte, daß mir die Zähne klapperten. Ihn, für den du deine Ehre so oft aufs Spiel gesetzt hast, ihn bitte, daß er sie jetzt beschütze, daß er dir die Kleider reiche und dir die Leiter ansetze, um dich herunterzulassen. Warum rufst du ihn nicht, daß er komme und dir beistehe? Wem geziemt dieses mehr als ihm? Du gehörst ihm zu; wen in aller Welt wird er schützen, wem wird er beistehen, wenn du es nicht bist? Rufe ihn, Närrin! Und sieh zu, ob seine Liebe und seine und deine Klugheit dich aus den Händen des Dummen erretten können, dessen du spottetest, als du jenen liebkosend fragtest, was größer wäre, meine Dummheit oder deine Liebe zu ihm. Biete mir das nicht als Preis an, was für mich keinen Wert mehr hat und was du mir nicht verweigern könntest, wenn ich es forderte. Spare deine Nächte für deinen Liebhaber, wofern du lebendig von hier entrinnst, und widme sie deinem und seinem Vergnügen. Ich habe an einer Nacht schon zuviel gehabt, und es ist mir genug, daß man mich einmal zum Narren gehalten hat. Noch immer redest du listig daher; du meinst wohl, indem du mich lobst und mich einen Edelmann und Biedermann nennst, dich bei mir wieder einzuschmeicheln, und suchst nur, mich dadurch zu bewegen, dich aus Großmut für deine Bosheit nicht zu strafen; aber deine Schmeicheleien sollen mir die Augen des Verstandes nicht wieder blenden, wie einst deine trügerischen Versprechungen. Ich kenne mich selbst, und ich habe während der ganzen Zeit in Paris mich nicht so gut kennengelernt, als ich dich in einer einzigen Nacht habe kennenlernen. Gesetzt aber, ich wollte mich großmütig zeigen, so bist du nicht die, an welcher ich Ursache hätte, meine Großmut zu beweisen. Wilde Tiere, zu welchen du gehörst, muß man quälen und seine Rache an ihnen sättigen bis in den Tod, und nur bei Menschen soll man ihr solche Schranken setzen, wie du sagtest. Ich bin zwar kein Adler, allein ich habe auch erfahren, daß du keine Taube bist, sondern eine giftige Schlange, und deswegen will ich dich wie ein erbitterter Feind mit Grimm und mit Härte verfolgen; obgleich alles, was ich dich empfinden lasse, noch nicht eigentlich Rache, sondern nur Züchtigung genannt zu werden verdient, indem die Rache die Beleidigung übertrifft, was hier nicht der Fall ist. Denn wenn ich mich an dir rächen wollte nach Maßgabe der Gefahr, in welche du mein Leben gebracht hast, so wäre meine Rachgier nur schlecht befriedigt, wenn ich dir und Hunderten deinesgleichen das Leben raubte; denn ich wurde an dir nur ein boshaftes und nichtswürdiges schuldiges Weib opfern, und was bist du denn im Grunde mehr, dein glattes Gesicht abgerechnet, das die Runzeln in einigen Jahren zerfurchen werden, als irgendeine kümmerliche Magd. An dir hat es nicht gelegen, daß du nicht einen braven Biedermann, wie du mich jetzt eben genannt hast, ums Leben brachtest, mit dem der Welt an einem Tage mehr gedient ist als mit hunderttausend deinesgleichen, solange sie steht? Lerne denn von mir durch das, was du leidest, was es auf sich hat, über Leute zu spotten, die einige Einsicht haben, besonders über Schüler der Weisheit, und wenn du davonkommst, so laß es dir eine Warnung sein, nicht mehr dergleichen Torheiten zu begehen. Bist du aber so sehr eilig, herunterzukommen, so springe herab und brich mit Gottes Hilfe den Hals, dann bist du auf einmal von aller Qual befreit. Mir wird es nicht leid, sondern überaus angenehm sein. Und so sage ich dir zum Schluß: Ich habe Mittel gefunden, dich dort hinaufzuschicken; suche du jetzt Mittel, wieder herunterzukommen, so wie du verstandest, meiner zu spotten.«

Indem Rinieri dieses sprach, tat das arme Weib nichts, als Tränen vergießen. Die Zeit rückte vor, und die Sonne stieg immer höher. Als er schwieg, erwiderte sie schluchzend: »Ach, Grausamer! Wenn jene unselige Nacht dir so sehr am Herzen liegt, und wenn dir mein Verbrechen so schwer scheint, daß weder meine Jugend und meine Schönheit noch meine Tränen und Bitten dich zum Mitleid bewegen können, so laß doch dies eine dich einigermaßen rühren und deinen strengen Zorn entwaffnen, daß ich selbst mich dir anvertraute, dir alle meine Geheimnisse entdeckte und dir das Mittel in die Hände gab, mich mein Vergehen so schwer empfinden zu lassen. Denn wenn ich nicht so große Zuversicht zu dir gehabt hätte, so wäre es nimmer in deiner Macht gewesen, die Rache, wonach du dich so sehr scheinst gesehnt zu haben, an mir auszuüben. Ich bitte dich, laß deinen Zorn fahren und verzeihe mir. Ich bin bereit, wenn du mir vergeben und mich hinunter lassen willst, jenem untreuen Jüngling gänzlich zu entsagen und dich allein als meinen Geliebten und Gebieter zu erkennen. So sehr du auch meiner Schönheit spottest und sie als gering und vergänglich herabwürdigst, so bietet sie doch, ohne mich mit anderen Frauen zu vergleichen, meiner Überzeugung nach Sehnsucht, Lust und Wonne genug für einen jungen Mann, und du bist kein Greis. Und so grausam du mir auch immer begegnest, so kann ich doch nicht glauben, daß du mir einen so schmählichen Tod gönnest, daß ich mich hier vor deinen Augen hinunterstürzen sollte, da ich dir doch sonst, wenn du mir nicht geheuchelt hast, so sehr gefiel. Ach, erbarme dich doch meiner um Gottes willen und aus Mitleid. Die Sonne fängt an heiß zu glühen, und wie mich die Kälte in der Nacht gequält hat, so beginnt die Hitze mir jetzt sehr beschwerlich zu werden.«

Rinieri, der seine Schadenfreude daran hatte, sie mit Worten hinzuhalten, antwortete: »Madonna, du hast mir dein Vertrauen diesmal nicht aus Liebe zu mir geschenkt, sondern um den wiederzubekommen, den du verloren hast, und du kannst demnach nichts anderes damit von mir verdienen, als noch größere Strafe. Du irrst auch sehr, wenn du meinst, daß mir nur dieser Weg offen stand, um mich an dir nach Herzenslust zu rächen. Ich hatte tausend andere. Ich hatte dir unter dem Deckmantel meiner Liebe wohl tausend Fallstricke gelegt, und wenn mir dieser Streich nicht gelungen wäre, so hättest du dich doch bald in einer anderen Falle fangen müssen und in keine hättest du geraten können, die dir nicht noch weit mehr Schmerz und Schande gebracht hätte als diese, die ich indessen wahrlich nicht gewählt habe, um dich leichter davonkommen zu lassen, sondern nur, um desto eher meiner Rache froh zu werden. Und wären auch alle meine Entwürfe gescheitert, so wäre mir noch meine Feder geblieben, mit welcher ich solche Dinge und in einem solchen Tone von dir würde geschrieben haben, daß du tausendmal hättest wünschen sollen, nie geboren zu sein, wenn sie dir zu Ohren gekommen wären; und dafür hätte ich schon gesorgt. Die Macht der Feder ist unendlich größer, als die wähnen, die ihre Wirkung nicht selber erfahren haben. Ich schwöre dir bei Gott, so wahr ich hoffe, meine Rache, die so hübsch begonnen, ganz an dir zu sättigen, man sollte Dinge von dir gelesen haben, daß du dich nicht nur vor anderen Leuten, sondern vor dir selbst hättest schämen und dir die Augen auskratzen sollen, um nur nie dein Gesicht wiederzusehen. Laß also den Bach nicht zum Meere sagen: ich habe dich angeschwellt. Ich habe dir schon gesagt, daß ich mir aus deiner Liebe und aus deinem Besitze nichts mache. Schenke dich, wenn du kannst, dem wieder, dem du angehört hast. Ehemals war er mir zuwider, doch jetzt bin ich ihm gut wegen seines Betragens gegen dich. Ihr Weiber liebt die jungen Bürschchen und sucht, von ihnen geliebt zu werden, weil sie rotwangiger und schwarzbärtiger sind, aufrecht einhergehen und rüstig sind zum Tanz und zum Turnier. Das alles haben ältere Leute auch gekonnt, und was diese vergessen haben, das müssen jene noch erst lernen. Ihr glaubt auch wohl, daß sie bessere Reiter sind und mehr Meilen im Tag zurücklegen als Männer von reiferen Jahren. Ich gebe offen zu, daß sie den Pelz mit größerer Kraft auszuklopfen wissen, aber die älteren wissen als erfahrene Leute besser, wo die Flöhe sitzen. Wenig und gut ist besser als viel und schlecht. Ein starker Trab ermattet und nimmt jeden Reiter mit, er sei noch so jung. Dahingegen führt ein sanfter Paßgang, wenn auch viel langsamer, so doch angenehmer zur Herberge. Ihr einfältigen Dinger wißt nicht wieviel Böses unter der glatten Außenseite verborgen ist. Die jungen Leute begnügen sich nicht mit einer Liebschaft, sondern sie begehren so viele, als sie sehen, und glauben auf soviel Anspruch machen zu können, daß die Beständigkeit unmöglich eine Begleiterin ihrer Liebe sein kann; davon lieferst du selbst ein lebendiges Beispiel. Sie meinen auch, ihre Damen müßten ihnen immer mit Schmeicheleien und Liebkosungen zuvorkommen, und suchen eine Ehre darin, mit den Gunstbezeigungen derer zu prahlen, die sie gehabt haben. Durch dieses Laster haben sie sie schon oft den Mönchen zugetrieben, welche wenigstens nichts ausplaudern. Du denkst zwar, niemand habe von deinem Liebeshandel etwas gewußt außer deiner Magd und mir, dem du alles gestanden hast; allein du bist übel berichtet und irrst dich sehr, wenn du dieses glaubst. In deiner Straße und in der Straße deines Geliebten wird fast von nichts anderem gesprochen; aber gemeiniglich ist der, den die Sache am nächsten angeht, der letzte der etwas davon erfährt. Überdies plündern euch die jungen Leute, und die älteren bringen euch Geschenke. Du bist eine von denen, die übel gewählt haben; halte dich jetzt an deinen Erwählten und überlasse mich, den du verschmäht hast, einer anderen. Ich habe ein Weib gefunden, welches mir viel schätzbarer ist und mich auch besser zu würdigen weiß als du. Und damit du von dem, was meine Augen heiß ersehnen, eine bessere Erkenntnis in die andere Welt mithinübernimmst, als du aus meinen Worten zu schließen scheinst, so stürze dich nur endlich herab. Deine Seele, die, wie ich glaube, der Teufel schon in seinen Krallen hält, wird sehen können, ob meine Augen, als sie dich kopfüber stürzen sahen, feucht wurden oder nicht. Doch solche Freude wirst du mir nicht bereiten wollen. Fängt die Sonne jetzt an, dich zu stechen, so vergiß den Frost nicht, den du mich hast ausstehen lassen. Die Erinnerung daran wird hinreichend sein, die Hitze, wenn du sie mit jenem Frost mischst, abzukühlen, welche der brennende Sonnenstrahl dir verursacht.«

Als die arme geängstigte Elena fand, daß alle Reden des Rinieri auf neue Grausamkeiten abzielten, fing sie abermals an zu weinen und sagte: »Weil denn nichts, was sich auf mich selbst bezieht, dich bewegen kann, Mitleid mit mir zu haben, so laß dich wenigstens bei deiner Liebe zu der beschwören, von welcher du sagst, daß du sie verständiger als mich gefunden hast, und daß du von ihr geliebt wirst. Verzeihe mir um ihretwillen, reiche mir meine Kleider, um mich zu bedecken, und hilf mir von hier hinab.«

Rinieri lachte, und weil er sah, daß die dritte Morgenstunde schon vorüber war, so sprach er: »Wohlan, du beschwörst mich bei einer solchen Dame, daß ich dir nicht nein sagen kann. Sage mir nur, wo deine Kleider sind, damit ich sie dir bringe und dich erlöse.«

Die Worte verschafften ihr ein wenig Trost, weil sie sie glaubte, sie sagte ihm, wo sie ihre Kleider gelassen hatte, und Rinieri entfernte sich, indem er seinem Diener befahl, nicht wegzugehen, in der Nähe zu bleiben und niemand zu ihr zu lassen, bis er wiederkäme. Er ging indessen hin und frühstückte in aller Ruhe bei seinem Freunde in der Nähe und legte sich dann, als es ihm Zeit schien, zum Mittagsschlaf nieder. Elena, durch die törichte Hoffnung ihrer nahen Erlösung einigermaßen aufgerichtet, wenngleich sie noch immer sehr traurig war, setzte sich an der Seite des Turmes nieder, wo ihr die Mauer noch ein wenig Schatten gewährte. Bald saß sie tiefsinnig, bald weinte sie, bald hoffte sie, bald wollte sie über das lange Ausbleiben des Rinieri mit ihren Kleidern verzweifeln. So sprang sie von dem einen zum anderen Gedanken über, bis sie vor Schmerz und Müdigkeit, weil sie die ganze Nacht nicht geschlafen hatte, einschlummerte. Doch bald stieg die Sonne glühend und brennend bis in den Zenith und traf der Schutzlosen unbedecktes Haupt und zarten feinen Leib mit solcher Kraft, daß ihr nicht nur das Fleisch, so weit sie es erreichte, verbrannte, sondern daß es allenthalben riß und aufsprang. Und der Sonnenbrand war so stark, daß er sie aus dem tiefsten Schlafe weckte. Da sie den Brand fühlte und sich ein wenig bewegte, schien es ihr, als bräche die ganze versengte Haut auf und reiße in Fetzen, wie wir es bei verbranntem Pergament sehen, wenn man es zieht. Überdies tat ihr der Kopf zum Zerspringen weh, was nicht verwunderlich war. Auch war der Boden des Estrichs so glühend heiß, daß sie nicht wußte, wohin mit den Füßen, und weder stehend noch in anderer Stellung Ruhe fand, weshalb sie weinend hin und her taumelte, ohne irgendwo bleiben zu können. Bei der völligen Windstille fanden sich auch Fliegen und Bremsen in ganzen Schwärmen ein, die sich auf das blutende Fleisch setzten und sie wie mit Dolchstichen stachen, weshalb sie immer mit den Händen um sich schlagen mußte, während sie dabei ihr Dasein, ihren Geliebten und den Schüler der Weisheit verfluchte. Von der unerträglichen Hitze, dem Sonnenbrand, den Fliegen und Mücken, von Hunger und noch mehr von Durst, dazu von tausend quälenden Gedanken gepeinigt, gemartert und durchwühlt, richtete sie sich auf, Ausschau zu halten, ob nicht jemand in der Nähe sie sehe oder höre, und sie war entschlossen, es möchte kosten, was es wolle, um Hilfe zu rufen. Doch auch dies versagte ihr das feindliche Geschick. Wegen der Hitze war kein Ackersmann auf dem Felde zu sehen, niemand war zur Feldarbeit dort in der Nähe an diesem Tage gekommen, und die meisten waren auch wohl schon auf ihren Tennen mit dem Dreschen beschäftigt. Sie hörte nichts als das Geschrei der Zikaden. Zu ihren Füßen sah sie den Arno; allein der Anblick seines Wassers konnte ihren Durst nicht löschen, vielmehr diente er nur ihn zu vermehren, so wie die Wälder, Büsche und Häuser: welche sie um sich her erblickte, sie nur noch schmerzlicher empfinden ließen, daß sie umsonst nach dem kleinsten Schatten schmachten mußte. Was soll man noch mehr von der unglücklichen Frau erzählen? Oben brannte die Sonne, unten glühte der Estrich. Von allen Seiten stachen die Fliegen und Bremsen. Alles das hatte sie so übel zugerichtet, daß sie, die mit der Weiße ihrer Haut die Dunkelheit der vergangenen Nacht durchstrahlt hatte, jetzt wie die Räude, rot und mit Blut besudelt, jedem, der sie so gesehen, wie das häßlichste Geschöpf von der Welt vorgekommen wäre. Rat- und hoffnungslos erwartete sie eher den Tod als etwas anderes. Die zweite Stunde des Nachmittags war halb vorbei, als der Scholar aufwachte, sich der Dame erinnerte und, um zu sehen, was aus ihr geworden, zum Turm zurückkehrte. Er schickte seinen Diener, der noch nichts genossen hatte, nach Hause zum Essen. Als Elena ihn vernahm, kam sie an die Falltür setzte sich nieder und sprach weinend mit schwacher und gebrochener Stimme: »Rinieri, du hast dich über alle Maßen gerächt. Wenn ich dich einst in meinem Hofe frieren ließ, so hast du mich auf diesem Turm nicht nur braten, sondern gar verbrennen und vor Hunger und Durst verschmachten lassen. Ich bitte dich bei Gott, komm herauf und gib mir den Tod, den ich nicht das Herz habe, mir selbst zu geben, und den ich mir jetzt über alles wünsche; so groß ist die Qual, die ich dulde. Oder wenn du mir diese Gnade nicht erweisen willst, so verschaffe mir zum wenigsten einen Trunk Wasser um meine Lippen zu benetzen, weil meine Tränen bei der Trockenheit und Glut, die mich immer verzehrt, dazu nicht hinreichen.«

»Böses Weib!« erwiderte Rinieri. »Von meiner Hand sollst du nicht sterben. Bist du des Lebens überdrüssig, so töte dich selbst. Wasser sollst du von mir so viel zur Linderung deines Durstes bekommen, wie du mir Feuer gegeben hast, um der Kälte zu widerstehen. Fast ärgert es mich, da ich meine durch Kälte erstarrten Nerven mit heißem stinkenden Mist habe herstellen müssen, daß dir deine wenigen Brandblasen mit wohlriechendem kühlen Rosenwasser sollen geheilt werden; ich bin in Gefahr gewesen, den Gebrauch meiner Glieder und mein Leben zu verlieren, du hingegen wirst deine versengte Haut abschälen und deine Schönheit erneuert sehen, wie die Schlange.«

»Ach, ich Elende!« seufzte Elena. »Um einen solchen Preis möge meine ärgste Feindin ihre Schönheit erkaufen! Aber sage mir du, der du grausamer als irgendein reißendes Tier mit mir umgehst, wie ist es dir möglich, mich auf solche Art zu martern? Wahrlich, ich wüßte nicht, wie man noch grausamer gegen mich verfahren könnte, wenn ich dich und dein ganzes Geschlecht zu Tode gefoltert und gemartert oder verbrecherisch eine ganze Stadt mit Mord und Totschlag angefüllt hätte, da du mich hast von der Sonne braten und von den Fliegen auffressen lassen. Und bei all diesen Martern versagst du mir einen Tropfen Wasser, da man doch dem zu Recht verurteilten Mörder, der zum Tode geführt wird, wohl einen Becher Wein zu reichen pflegt, wenn er ihn fordert. Doch weil ich sehe, daß du bei deiner Grausamkeit beharrst, und daß meine Qualen nicht vermögen, dich im geringsten zu bewegen, so will ich mich geduldig zum Tode vorbereiten, damit der Himmel Erbarmen mit meiner Seele habe. Ihm will ich es anheimstellen, deine Handlung mit gerechtem Auge anzusehen.«

Mit diesen Worten schleppte sie sich schmerzvoll auf die Mitte des Daches und gab alle Hoffnung auf, der glühenden Hitze lebend zu entrinnen. Und nicht einmal, tausendmal meinte sie, vor Durst den Verstand zu verlieren, von ihren anderen Schmerzen abgesehen, die sie ebenfalls bejammerte und beklagte. Es wurde jetzt auch schon Abend; Rinieri glaubte weit genug gegangen zu sein und wollte seine Rache nicht aufs äußerste treiben. Er ließ seinen Diener ihre Kleider holen, hüllte sie in seinen Mantel und ging nach ihrem Hause. Hier fand er die Magd ganz trostlos, ratlos und betrübt vor der Tür sitzen. »Mädchen, was macht deine Frau?« fragte er sie. »Ach, Herr, ich weiß es nicht«, gab sie zur Antwort. »Ich meinte sie diesen Morgen im Bett, wo sie sich in meiner Gegenwart gestern abend niederlegte, zu finden; allein sie war weder dort noch sonst irgendwo zu sehen, und ich weiß nicht, wohin sie geraten ist, und bin äußerst bekümmert um sie. Aber vielleicht wißt Ihr es, mein Herr?«

»Ich wünschte,« sprach Rinieri, »daß ich dich nur auch da gehabt hätte, wo sie bis jetzt gewesen ist, um dich mit ihr zugleich für deine Schuld zu strafen; aber du sollst mir wahrlich auch nicht entgehen, bis du dermaßen für deine Schelmstücke gebüßt hast, daß du nie wieder jemand zum Narren haben wirst, ohne an mich zu denken.« Und zu seinem Diener sagte er: »Da, gib ihr die Kleider und sage ihr, sie soll zu ihrer Herrin gehn, wenn sie will.« Der Diener tat wie ihm geheißen. Die Magd griff nach den Kleidern, erkannte sie, und als sie hörte, was ihr gesagt wurde, glaubte sie nicht anders, als daß er ihre Frau erschlagen hätte, und kaum enthielt sie sich, laut zu schreien. Rinieri ging fort, und sie eilte mit den Kleidern verweinten Auges nach dem Turm. Zufälligerweise hatte ein Sauhirt der Dame ein paar von seinen Schweinen verloren und ging auch nach dem kleinen Turm, um sich nach ihnen umzusehen, bald nach dem Weggang des Gelehrten. Als er sich umsah, ob er seine Schweine nicht sähe, hörte er das Wehklagen der armen Frau, stieg empor und rief mit lauter Stimme: »Wer jammert dort oben?«

Elena kannte die Stimme ihres Hirten, nannte ihn bei seinem Namen und bat ihn, schleunigst ihre Magd zu rufen.

Der Hirt erkannte nun auch sie und fragte: »Madonna, wer hat Euch denn da hinaufgebracht? Euer Mädchen sucht Euch schon den ganzen Tag. Wer hätte Euch da oben vermutet!« Er nahm die Stangen der Leiter, begann sie aufzurichten, wie sie stehen müssen, und die Querstäbe mit Bast festzubinden. Indes kam die Magd schon gegangen, trat in den Turm und rief händeringend und laut klagend: »Ach, meine liebe Frau, wo seid Ihr?« »Ach, meine Schwester! Ich bin hier oben«, rief Elena, so laut sie konnte. »Weine nicht, sondern eile nur und bringe mir meine Kleider.«

Sobald das Mädchen sie sprechen hörte, stieg sie halb getröstet die Leiter hinauf, die der Hirt schon beinah wieder repariert hatte, und kam, von ihm geschoben auf den Estrich. Hier fand sie ihre Dame, kaum als menschlichen Körper, eher als verkohlten Holzstrunk, wieder. Ganz erschöpft, entstellt und nackt lag sie auf dem Boden. Da fuhr sich die Magd mit den Nägeln ins Gesicht und jammerte über sie nicht anders als ob sie tot wäre. Elena bat sie, um Gottes willen zu schweigen und sie ankleiden zu helfen. Als sie von ihr hörte, daß niemand wüßte, wo sie wäre, als Rinieri, die Magd und der Hirte, beruhigte sie sich einigermaßen und bat den Hirten, sich gegen niemand etwas merken zu lassen. Da sie zu schwach war, die Leiter hinabzusteigen, so nahm der Hirt sie nach vielem Hin und Her auf den Rücken und trug sie hinunter bis vor den Turm. Indem die Magd ihr folgen wollte, stieg sie die Leiter unvorsichtig hinab und tat einen Fehltritt, stürzte hinunter und zerbrach sich ein Hüftbein, worüber sie vor Schmerz brüllte wie eine Löwin. Der Hirt setzte die Dame auf einen Rasenfleck nieder und eilte zu sehen, was der Magd fehle; und als er ihr Bein gebrochen fand, half er ihr und legte sie neben ihre Dame auf den Rasen. Für Elena war der Unfall, der ihre Magd betroffen hatte, um desto schmerzlicher, je mehr sie jetzt ihrer Hilfe bedurfte, und sie weinte über das neue Unglück, das zu all dem alten kam, so bitterlich, daß auch dem Hirten, der sie zu trösten versuchte, die Tränen in die Augen traten.

Die Sonne stand schon tief. Um sie nicht von der Nacht überraschen zu lassen, ging er auf Wunsch der untröstlichen Frau in sein Haus, rief zwei seiner Brüder und sein Weib, und diese kehrten mit einer Tragbahre dahin zurück, worauf sie die Magd legten und nach Hause trugen. Die Dame labte er mit frischem Wasser und tröstlichen Worten, nahm sie auf die Schulter und trug sie in ihr Zimmer. Das Bauernweib gab ihr aufgeweichtes Brot zu essen, kleidete sie aus und brachte sie ins Bett. Nun trugen sie Sorge, daß sie und die Magd in der Nacht nach Florenz geschafft wurden, was geschah. Die Dame hatte Witz genug, ein Märchen zu erfinden, was sich von dem, was wirklich geschehen war, sehr unterschied. Sie machte ihren Brüdern, Schwestern und jedermann weis, sie und ihre Magd seien nur durch Teufelsspuk in diese verwünschte Lage gekommen. Die Ärzte waren bemüht, was nicht ohne Angst und Schmerzen abging, die Dame zu heilen, deren Haut mehrmals am Bettuch kleben blieb, und die von einem heftigen Fieber und anderen Übelkeiten befallen wurde. Die Magd genas von ihrem Beinbruch. Über all diesem vergaß die Dame ihren Geliebten und nahm sich in der Folge in acht vor Possenspielen und vor Liebeshändeln. Der Scholar glaubte, daß seiner Rache Genüge getan sei, zumal er von dem Beinbruch der Magd hörte, und ließ es dabei bewenden, ohne weiter darüber zu reden. So erging es also der törichten Frau, als sie einen Schüler der Weisheit um einen x-beliebigen zum Narren halten wollte, wo doch die Scholaren, wenn auch nicht alle, aber die meisten wohl wissen, wo des Teufels Schwanz heraussieht. Deshalb hütet euch, liebe Mädchen, jemand zum Narren zu haben — besonders einen Scholaren.

24. Novelle

Spinelloccio schläft bei der Frau seines Nachbarn und Freundes Zeppa. Dieser merkt es und macht, daß seine Frau ihn in eine Kiste einsperren muß, auf welcher er an der Frau des Spinelloccio das Vergeltungsrecht ausübt.

In Siena sollen einmal ein paar ziemlich wohlhabende junge Männer aus guter Bürgerfamilie gewesen sein, von denen der eine Spinelloccio Tanena und der andere Zeppa di Mino hieß. Sie wohnten Wand an Wand im Viertel Camollia. Diese beiden waren unzertrennliche Gesellschafter und schienen einander fast noch mehr als Brüder zu lieben. Beide hatten recht hübsche Frauen. Da nun Spinelloccio täglich in dem Hause des Zeppa aus und ein ging, dieser mochte zu Hause sein oder nicht, so ward er nach und nach mit seiner Frau so vertraut, daß er bei ihr lag. Dieses Verhältnis dauerte eine geraume Zeit, ohne daß irgend jemand davon erfuhr. Endlich aber traf es sich einmal, daß Zeppa zu Hause war, als Spinelloccio nach ihm fragte. Seine Frau wußte es nicht und sagte, er wäre ausgegangen. Spinelloccio kam deswegen sogleich zu ihr hinauf, und als er sie allein im Saale fand, umarmte er sie mit einem tüchtigen Kuß. Zeppa sah es, verhielt sich ganz still und wartete, wie das Spiel weiter ablaufen würde. Kurz, er sah, daß seine Frau und Spinelloccio Arm in Arm in die Kammer gingen und sich einschlossen, was ihn heftig wurmte. Er bedachte indessen, daß er durch Lärm und Gepolter die Beleidigung nicht abwaschen, sondern nur seinen Schimpf dadurch vermehren würde, und er sann deswegen auf Mittel, sich Genugtuung zu verschaffen, die sein Herz befriedige, ohne die Sache ruchbar werden zu lassen. Nach einigem Besinnen glaubte er dieses Mittel gefunden zu haben. Er hielt sich demnach so lange verborgen, bis Spinelloccio sich entfernte. Als dieser wegging, trat Zeppa den Augenblick in die Kammer seiner Frau, die noch beschäftigt war, ihren Kopfputz wieder in Ordnung zu bringen, den Spinelloccio ein wenig zerstört hatte. »Was machst du, Frau?« fragte Zeppa.

»Siehst du es nicht?« erwiderte sie.

»Jawohl, sehe ich’s,« sprach Zeppa, »und ich wünschte, ich hätte nicht noch manches mehr gesehen.« Er ließ sich hierauf deutlicher aus über alles, was vorgefallen war, und nach einigem Wortwechsel gestand sie ihm unter Angst und Furcht ihren vertrauten Umgang mit Spinelloccio, den sie nicht leugnen konnte, und bat ihren Mann unter Tränen um Vergebung.

»Höre, Frau,« sprach Zeppa, »du hast böse Streiche begangen, und wenn ich dir verzeihen soll, so mußt du mir alles treulich ausrichten, was ich dir befehlen will. Und das ist folgendes: Sage Spinelloccio, daß er sich morgen vormittag um die dritte Stunde, wenn wir beisammen sind, unter irgendeinem Vorwande von mir losmachen und zu dir kommen soll. Wenn er bei dir ist, werde ich plötzlich nach Hause kommen, und dann mußt du ihn, sobald du mich hörst, in diesen Kasten kriechen lassen und ihn darin einschließen. Was du weiter tun sollst, das will ich dir hernach sagen; du kannst es getrost tun und versichert sein, daß ihm nichts Böses geschehen soll.« Die Frau versprach alles, um ihren Mann wieder zu besänftigen, und hielt auch Wort.

Als Spinelloccio und Zeppa am anderen Vormittag um die dritte Stunde beisammen waren, sagte Spinelloccio, der der Frau versprochen hatte, um diese Zeit bei ihr zu sein, zu Zeppa: »Ich soll heute mittag bei einem Freunde essen und mag ihn nicht warten lassen. Gott befohlen!«

»Es ist ja noch lange hin bis zur Mittagszeit«, erwiderte Zeppa.

»Wohl wahr,« sprach Spinelloccio; »aber ich habe mit ihm noch über eines und das andere zu sprechen und will deswegen ein wenig früher zu ihm gehen.« Damit verließ er ihn, nahm einen kleinen Umweg und ging zu der Frau Zeppas, die ihn sogleich in ihre Kammer führte; doch waren sie noch nicht lange darin, als Zeppa nach Hause kam. Sobald seine Frau ihn hörte, stellte sie sich ganz erschrocken, hieß ihren Nachbar sich in die Kiste verstecken, schloß ihn ein und ging aus der Kammer. Zeppa kam hinauf und sagte: »Frau, ist es schon Zeit zum Essen?«

»Ja, es wird bald Zeit sein«, gab sie ihm zur Antwort. »Spinelloccio ist heute bei einem Freunde zu Gast,« sprach Zeppa, »und seine Frau ist allein. Gehe ans Fenster und bitte sie, herumzukommen, um mit uns zu essen.«

Die Frau, die für sich selber fürchtete und darum peinlich gehorchte, tat, was er befahl, und als ihre Nachbarin hörte, daß ihr Mann nicht nach Hause käme, ging sie nach einigem Bitten und Nötigen zu ihr hinüber. Zeppa empfing sie sehr freundlich, nahm sie vertraulich bei der Hand und gab seiner Frau einen Wink, sich in der Küche etwas zu schaffen zu machen. Unterdessen führte er seine Nachbarin in die Kammer und schloß plötzlich die Tür hinter sich zu.

»Himmel!« rief sie. »Was soll das bedeuten Zeppa? Habt Ihr mich darum in diese Kammer geführt? Ist das die Frucht Eurer Freundschaft für Spinelloccio und Eures vertraulichen Umganges mit ihm?«

Zeppa ging mit ihr näher zu der Kiste, in der ihr Mann verborgen war, und sagte zu ihr, indem er sie fest in seinen Armen hielt: »Weibchen, ehe du mir zürnst, so höre, was ich zu sagen habe: Ich habe Spinelloccio wie meinen Bruder geliebt und liebe ihn noch; aber gestern, als er sich’s nicht versah, habe ich entdeckt, daß meine große Vertraulichkeit mit ihm ihn dahin gebracht hat, daß er bei meiner Frau liegt wie bei dir. Weil ich ihn aber lieb habe, so will ich mich nicht strenger an ihm rächen, als er mich beleidigt hat. Er hat meine Frau gehabt, und ich will die seine haben. Gefällt dir das nicht, so ertappe ich ihn wohl einmal, und da ich nicht willens bin, das ungerächt hingehen zu lassen, so werde ich ihm dergestalt mitspielen, daß es dich und ihn auf immer gereuen soll.«

Die Frau sträubte sich lange, es zu glauben; als Zeppa es ihr aber so nahelegte, daß sie seine Worte nicht länger bezweifeln konnte, sagte sie: »Lieber Zeppa, wenn ich denn für meinen Mann büßen soll, so muß ich mich darein ergeben; doch mußt du mir versprechen, daß du deine Frau bewegen willst, mir deswegen ebensowenig böse zu werden, wie ich ihr das übelnehmen will, was sie an mir getan hat, und daß wir nach wie vor gute Freundinnen bleiben.«

»Das nehme ich auf mich,« sprach Zeppa, »und ich will dir noch überdies ein so hübsches und kostbares Kleinod verehren, wie dir wohl noch niemand eins geschenkt hat.« Mit diesen Worten schloß er sie noch fester und feuriger in seine Arme und warf sie unter Küssen über die Kiste, in der ihr Mann steckte, und vergnügte sich mit ihr und sie mit ihm, solange es ihm gefiel.

Spinelloccio in der Kiste, der jedes Wort Zeppas und die Antwort seiner Frau gehört hatte, und den Walzer, den sie ihm hernach über dem Kopfe tanzten, wollte anfänglich vor Qual schier sterben, und nur seine Furcht vor Zeppa konnte ihn abhalten, seine Frau mit Scheltworten aus seinem Gefängnis anzudonnern. Als er aber bedachte, daß er selbst den ersten Anlaß zu dem Schimpf gegeben hatte, daß Zeppa ein Recht hatte, zu tun, was er tat, und daß er menschlich und brüderlich mit ihm verfuhr, ließ er seinen Zorn fahren und wünschte nichts, als ferner noch mehr als zuvor in Freundschaft mit ihm zu leben, wenn der es wolle.

Als Zeppa seine Rache genügend befriedigt hatte, stieg er von der Kiste herab. Seine hübsche Nachbarin erinnerte ihn an das versprochene Kleinod. Er öffnete die Tür und rief seine Frau, welche lächelnd hereintrat und nichts weiter sagte als: »Madonna, Ihr habt mir Gleiches mit Gleichem bezahlt.«

»Öffne jetzt diese Kiste«, sprach Zeppa zu seiner Frau. Sie tat es, und Zeppa zeigte seiner Nachbarin ihren Mann, der darin lag. Viel wäre nötig zu sagen, wer von den beiden sich mehr schämte, ob Spinelloccio, als er Zeppa sah und nun wußte, daß jener wisse, was er getan, oder die Frau, als sie ihren Mann sah und erkannte, daß er alles, was sie über seinem Kopf getan hatten, gehört und gemerkt hatte. Zeppa aber sagte zu ihr: »Hier ist das Kleinod, womit ich dich beschenke.« Spinelloccio kroch aus der Kiste und sagte, ohne viel Redens weiter zu machen: »Zeppa, wir sind quitt. Und darum wird’s am besten sein, wir bleiben Freunde, wie du vorhin zu meiner Frau sagtest. Und weil wir bisher alles gemeinsam hatten, nur unsere Frauen nicht, so wollen wir von jetzt ab auch unsere Frauen gemeinsam haben.« Zeppa war damit zufrieden. Sie aßen alle vier zusammen in schönster Eintracht zu Mittag. Und von nun an hatte jede der zwei Frauen zwei Männer und jeder von den Männern zwei Frauen, ohne daß deshalb je Zank oder Zwietracht zwischen ihnen entstanden wäre.

25. Novelle

Eine Äbtissin steht im Finstern eilends auf, um eine ihrer Nonnen mit ihrem Liebhaber zu ertappen. Da sie selbst einen Priester bei sich hat, so wirft sie aus Versehen statt ihre Kappe seine Beinkleider über den Kopf. Als die verklagte Nonne dieses gewahr wird und die Äbtissin aufmerksam darauf macht, rettet sie sich dadurch vor der Strafe und darf ihren Liebhaber ungestört bei sich behalten.

In der Lombardei liegt ein wegen seiner Gottesfurcht und Heiligkeit sehr berühmtes Kloster, in dem unter mehreren Nonnen sich ein junges Mädchen von edler Abkunft und von bewunderungswürdiger Schönheit befand, namens Lisabetta, die sich bei einem Besuche, den sie einst von einem ihrer Verwandten am Gitter empfing, in einen schönen Jüngling verliebte, der mit ihm gekommen war. Den Jüngling reizte ihre Schönheit nicht weniger, und da ihre Blicke ihm ihre Wünsche verrieten, so verliebte er sich ebenfalls in sie. Eine Zeitlang mußten sie zu ihrem großen Schmerz ihre Flamme fruchtlos nähren; doch da sie beide sich so innig sehnten, so gelang es endlich dem Jüngling, sich einen geheimen Zugang zu seiner Nonne zu verschaffen und sie hernach mehrmals zu ihrem beiderseitigen Vergnügen nicht ein, sondern viele Male zu besuchen. Indem sie diesen Umgang fortsetzten, traf es sich jedoch einmal, daß eine andere Nonne den Jüngling in der Nacht gewahr ward, als er Lisabetta eben verließ. Weder er noch sie argwöhnten, daß sie bemerkt worden waren. Die Nonne teilte es noch einigen andern Nonnen mit. Diese waren zuerst willens, sie sogleich bei ihrer Äbtissin Madonna Usimbalda, die von allen, die sie kannten, für eine fromme, heilige Frau gehalten ward, anzuzeigen. Hernach aber kamen sie auf den Gedanken, es sei besser, sie von der Äbtissin selbst mit ihrem Liebhaber ertappen zu lassen, damit sie sich nicht aufs Leugnen legen könne. Sie schwiegen demnach und wachten und lauerten abwechselnd heimlich, um sie zu überraschen. Da Lisabetta sich nichts Arges versah und von nichts wußte, so ließ sie eines Abends ihren Liebhaber wieder zu sich kommen, was alsobald von denen, die Wache hatten, bemerkt ward. Diese teilten sich, sobald es tief genug in der Nacht war, in zwei Parteien. Die eine bewachte den Ausgang aus Lisabettas Zelle, die andere eilte nach dem Zimmer der Äbtissin. Sie klopften so lange an ihre Tür, bis sie antwortete, und sagten: »Madonna, steht geschwind auf, Lisabetta hat einen jungen Menschen bei sich in ihrer Zelle.«

Die Äbtissin hatte diese Nacht einen Priester bei sich, den sie zuweilen in einem Kasten zu sich tragen ließ. Als sie das Klopfen hörte und befürchtete, daß die Nonnen vor lauter Eifer die Tür aufsprengen möchten, wenn sie sich nicht beeilte, sprang sie geschwind aus dem Bett, kleidete sich im Finstern an, so gut sie konnte, und indem sie glaubte ihr faltiges Kopftuch (das, was die Nonnen tragen und was sie Psalterium nennen) aufzusetzen, ergriff sie aus Versehen die Hosen des Priesters, stülpte sie eilends über ihren Kopf, ging hinaus, schloß die Zelle hinter sich zu und schrie: »Wo ist diese vermaledeite Sünderin?« Die anderen, die nur darauf erpicht waren, Lisabetta auf der Tat zu ertappen, gaben nicht acht auf den Kopfputz ihrer Äbtissin, die mit ihnen nach Lisabettas Zelle lief. Die Tür ward aufgesprengt, und als sie hineinkamen, fanden sie das verliebte Paar in zärtlicher Umarmung. Dies erstaunte so sehr über den unvermuteten Überfall, daß es vor Schreck wie versteinert war. Die Nonnen bemächtigten sich augenblicklich des Mädchens und führten es auf Befehl der Äbtissin vor das Kapitel. Der Jüngling blieb indessen zurück, kleidete sich an und erwartete den Ausgang der Sache, entschlossen, denjenigen übel mitzuspielen, die sich an seiner Geliebten vergreifen würden, und diese alsdann mit Gewalt zu entführen. Als die Äbtissin im Kapitel den Vorsitz eingenommen hatte und die Blicke aller Nonnen auf die Angeklagte geheftet waren, fing sie an, coram publico diese mit den schrecklichsten Vorwürfen zu überhäufen, daß sie die Heiligkeit, die Ehrbarkeit und den guten Ruf des Klosters durch ihre ungeziemende und schändliche Aufführung befleckt hätte, und sie begleitete ihre Vorwürfe zugleich mit den fürchterlichsten Drohungen.

Das arme erschrockene und beschämte Mädchen, das sich schuldig fühlte, dachte an keine Antwort, sondern suchte nur durch ihr geduldiges Stillschweigen die andern Nonnen zum Mitleid zu bewegen. Darüber ward die Äbtissin nur noch aufgebrachter, bis die Beklagte zufällig einmal die Augen aufschlug und den Kopfputz der Äbtissin gewahr ward und die Hosenbänder, die ihr an beiden Seiten auf die Achseln herunterhingen. Als sie sah, was es war, faßte sie sich ein Herz und sagte: »Madonna, um Gottes willen, knüpft Euch doch nur erst Eure Haube fest und sagt mir dann, was Ihr wollt.«

Die Äbtissin, die nicht wußte, was ihre Rede besagen wolle, fuhr sie an: »Was schwatzest du von Haube, lasterhaftes Geschöpf? Hast du noch die Unverschämtheit, zu spotten? Oder meinst du dich so aufgeführt zu haben, daß du noch scherzen darfst?«

Das Mädchen antwortete ihr noch einmal: »Madonna, ich bitte Euch, knüpft die Bänder an Eurer Haube fest, ehe Ihr mir etwas Weiteres sagt.«

Jetzt richteten einige von den Nonnen ihre Blicke auf die Äbtissin, und sie selbst fühlte mit ihren Händen und begriff nunmehr, wohin Lisabetta mit ihren Worten gezielt hatte. Weil sie sich getroffen fühlte und fand, daß ihr keine Ausflüchte gegenüber dem helfen konnten, was alle Nonnen gesehen hatten, änderte sie ihre Sprache, zog gelindere Saiten auf und gestand am Ende, daß es unmöglich sei, dem Stachel des Fleisches zu widerstehen. Sie erlaubte demnach einer jeden, sich im stillen ihren Zeitvertreib zu verschaffen, wenn sie könnten, was auch bis auf diesen Tag geschehen war. Sie entließ das junge Mädchen, begab sich mit ihrem Priester wieder zu Bett, und Lisabetta verfügte sich gleichfalls wieder zu ihrem Liebhaber, der sie zum Ärger derer, die sie darum beneideten, noch oft besuchte. Die andern hingegen, die noch keinen Liebhaber hatten, suchten insgeheim, so gut sie konnten, ihren Bedürfnissen abzuhelfen.

26. Novelle

Doktor Simon muß auf Branos und Baffalmaccos Anstiften dem Calandrino einreden, daß er schwanger ist. Sie lassen sich von ihm Kapaune und Geld geben, um ihm Arznei zu verschaffen, worauf er ohne niederzukommen wieder gesund wird.

Als dem Calandrino eine Base starb, die ihm zweihundert Lire in Silber hinterließ, verbreitete er überall, daß er ein Gut dafür kaufen wolle, und er handelte deswegen mit so vielen Maklern in Florenz, als wenn er zehntausend Goldgulden hätte anzulegen gehabt, wie wohl der Handel sich immer wieder zerschlug, sobald von dem Preise des Gutes die Rede war.

Bruno und Buffalmacco, die davon gehört hatten, sagten ihm zwar oft, er täte besser, das Geld mit ihnen zu verjuxen, als Ländereien zu kaufen, gleich als wolle er Lehmkugeln daraus drehn. Allein sie konnten ihn nicht einmal dahin bringen, daß er ihnen ein einziges Mal etwas zum besten gegeben hätte. Indem sie sich nun einst darüber beklagten, und noch einer von ihren Mitgesellen, der Maler Nello, dazukam, fingen sie an, alle drei miteinander zu beratschlagen, wie sie sich auf Kosten des Calandrino einmal den Bauch füllen könnten. Sie wurden auch bald über einen Anschlag einig, dessen Ausführung und das, was jeder dabei zu tun hätte, sie auf den folgenden Morgen miteinander verabredeten.

Als Calandrino des Morgens kaum aus seinem Hause gegangen war, kam ihm Nello entgegen und sagte: »Guten Tag, Calandrino.«

»Gott gebe dir dergleichen,« antwortete Calandrino, »und ein gutes Jahr dazu!«

Nello stand ein wenig still und sah ihm steif ins Gesicht bis ihn Calandrino fragte: »Was betrachtest du?«

»Hast du diese Nacht nichts empfunden?« fragte Nello. »Du bist ja ganz verändert.«

Calandrino war gleich erschrocken und sagte: »Ach Gott! Was meinst du denn, das mir fehlen solle?«

»Ei, ich meine eben nichts Besonderes damit,« sprach Nello, »du scheinst mir ganz verändert, doch das mag wohl eine andere Ursache haben.«

Calandrino ging betroffen weiter, obwohl er nicht fühlte, daß ihm das geringste fehle. Bald darauf begegnete ihm Buffalmacco, der nur gelauert hatte, bis Nello ihn verließ, und fragte ihn, indem er ihn grüßte, ob er nichts fühle.

»Ich wüßte nicht,« sprach Calandrino; »allein eben jetzt sagte mir auch Nello, daß er mich ganz verändert fände. Sollte mir wirklich etwas fehlen?«

»Jawohl, es fehlt dir was, und keine Kleinigkeit«, sprach Buffalmacco. »Du scheinst mehr tot als lebendig.«

Jetzt glaubte Calandro schon ein Fieber zu haben; und siehe da, Bruno kam auch, und sein erstes Wort war: »Calandrino, was machst du für ein Gesicht? Du siehst ja aus wie eine Leiche; was fehlt dir?«

Als Calandrino sie alle so reden hörte, glaubte er ganz gewiß, daß er krank wäre, und fragte ängstlich, was er anfangen solle.

»Mich deucht,« sprach Bruno, »du solltest wieder nach Hause gehen, dich zu Bett legen und gut zudecken. Dann schickst du dein Wasser zum Doktor Simon, der unser guter Freund ist, wie du wohl weißt. Er wird dir bald sagen, was du tun mußt. Wir wollen mit dir gehen, und wenn es nötig ist, so wollen wir dir Hilfe leisten.«

Nello stieß auch wieder zu ihnen, und sie begleiteten sämtlich Calandrino nach Hause. Er trat ganz atemlos in seine Kammer und sprach zu seiner Frau: »Komm und decke mich warm zu, ich befinde mich gar nicht wohl.«

Sobald man ihn zu Bett gebracht hatte, schickte er sein Wasser durch ein kleines Mädchen zum Doktor Simon, der damals seine Budike am alten Markte im Zeichen der Melone hatte. Bruno sprach indessen zu seinen Kameraden: »Bleibt ihr jetzt bei ihm; ich will hingehen und hören, was der Doktor sagt, und will ihn, wenn es nötig ist, mit herbringen.«

»Ach ja, Bruder!« sprach Calandrino. »Geh hin und bringe mir Nachricht, wie es mit mir ist. Ich weiß nicht, was es ist, das ich im Leibe fühle.«

Bruno ging hin und kam zu dem Doktor, ehe das Mädchen ihm das Wasserglas brachte und gab ihm die nötigen Winke. Als demnach das Mädchen kam, und der Doktor das Wasser besah, sprach er zu ihm: »Geh und sage Calandrino, er soll sich recht warm halten; ich werde gleich zu ihm kommen und ihm sagen, was ihm fehlt und was er brauchen muß.«

Das Mädchen ging mit der Antwort zurück, und nicht lange danach kam auch der Doktor mit Bruno. Der Doktor setzte sich neben ihn, fühlte ihm den Puls und sagte zu ihm nach einer kleinen Pause in Gegenwart seiner Frau: »Höre, Calandrino, ich muß dir als dein Freund sagen, dir fehlt weder mehr noch weniger, als daß du schwanger bist.«

»Ach, du lieber Himmel, Tessa!« rief Calandrino mit kläglicher Stimme. »Daran bist du schuld! Hab‘ ich dir nicht längst gesagt, es würde nimmer gut gehen, daß du stets oben liegen willst?«

Die Frau, sittsam wie sie war, ward vor Scham bis über die Ohren rot, als sie ihren Mann so reden hörte. Sie schlug die Augen nieder und ging, ohne ein Wort zu reden, aus dem Zimmer. Calandrino fuhr indessen fort zu jammern und sagte: »Was soll ich machen, ich armer, unglücklicher Mann. Wie soll ich das Kind zur Welt bringen? Die törichte Grille meiner Frau wird mir noch das Leben kosten. Daß sie der Himmel züchtige! Wenn ich nur nicht so krank wäre wie ich bin, so könnt‘ ich aufstehen und ihr so viele Rippenstöße geben, daß sie keinen gesunden Fleck am Leibe behielte; und doch muß ich mich selbst schämen, denn ich hätt‘ es ihr nie erlauben sollen, immer oben zu liegen. Aber wenn ich nur wieder gesund werde, so will ich ihr künftig die Lust wohl vertreiben.«

Bruno, Buffalmacco und Nello wollten vor Lachen über sein Geschwätz bersten; doch hielten sie sich; aber der Doktor Eisenhart lachte aus vollem Halse derart, daß man ihm die Zähne hätte aus dem Mund nehmen können. Endlich bat Calandrino den Doktor um Rat und Hilfe, und der Doktor sagte: »Sei nur nicht bange, Calandrino; denn wir sind glücklicherweise das Ding noch früh genug gewahr geworden, um dich mühelos in kurzer Zeit von dem Übel befreien zu können. Du wirst aber ein wenig den Beutel ziehen müssen.«

»Ach ja, gerne,« sprach Calandrino, »helft mir nur um des Himmels willen! Ich habe hier zweihundert Lire, wofür ich ein Gütchen kaufen wollte. Nehmt sie alle hin, wenn’s nötig ist, damit ich nur nicht niederkommen muß; denn ich wüßte nicht, wie ich es anfangen sollte. Man hört ja, welchen Zeter die Weiber anheben, wenn das Gebären losgeht, und sie haben doch ganz andere Mittel und Wege, groß genug, sich ihrer Bürde zu entledigen. Ich aber glaube, ich müßte vor Schmerzen den Geist aufgeben, ehe ich damit zustande käme.«

»Mach dir keine Sorgen«, sprach der Doktor. »Ich will dir einen Trank verschreiben, der dir sehr gut und angenehm schmecken soll und dir in drei Tagen alles auflöst, daß du wieder so gesund wirst wie ein Fisch. Aber sieh zu, sei künftig klüger und begehe nicht wieder solch Torheiten. Zu dem Getränk brauchen wir drei Paar gut fette Kapaune, und zu allerhand andern Kleinigkeiten, die noch dazu erforderlich sind, gib einem deiner Kameraden fünf Lire an kleiner Münze mit, daß er sie einkauft und mir alles in meinen Laden liefert, so will ich dir morgen früh den Trank schicken, wovon du jedesmal eine tüchtigen Becher voll nehmen mußt.«

»Ich verlasse mich auf Euch, Doktor«, sprach Calandrino, als er das hörte, gab Bruno die fünf Lire und das Geld zu den drei Paar Kapaunen und bat ihn, er möcht sich ihm zuliebe die Mühe nicht verdrießen lassen. De Doktor nahm Abschied, ließ ein wenig Gewürzwein bereiten und schickte ihn hin. Bruno kaufte die Kapaune und was sonst zu einem trefflichen Mahl gehörte und machte sich mit dem Arzt und den übrigen einen fröhlichen Tag. Calandrino trank drei Tage nacheinander morgens von dem Gewürzwein, und am vierten Tage kam der Arzt nebst seinen Freunden zu ihm und sagte: »Calandrino, du bist völlig genesen, kannst von nun an deinen Geschäften wieder nachgehen und brauchst nicht mehr zu Haus zu hocken.« Calandrino stand fröhlich auf, ging an seine Hantierung und rühmte allenthalben, wohin er nur kam und mit Leuten redete, die treffliche Kunst, welche Doktor Simon an ihm bewiesen, indem er ihm in drei Tagen ohne alle Schmerzen die Schwangerschaft vertrieben hätte. Bruno, Buffalmacco und Nello freuten sich unterdessen, daß sie ihn mit seiner Knauserei ein wenig zum besten gehabt hatten. Monna Tessa aber, die den Streich merkte, schmollte mit ihrem Manne noch lange deswegen.

27. Novelle

Calandrino verliebt sich in ein Mädchen. Bruno gibt ihm ein Amulett, um sie damit zu berühren, worauf sie ihm nachfolgt; er wird aber von seiner Frau ertappt, welche darüber großen Lärm und Zank erhebt.

Niccolo Cornacchini war ein reicher Mann, der unter mehreren Besitzungen ein recht schönes Landgut in Camerta hatte, auf welchem er ein hübsches, ansehnliches Meierhaus bauen und es durch Bruno und Buffalmacco ausmalen ließ, und da sehr viel dabei zu arbeiten war, so nahmen diese Nello und Calandrino mit zu Hilfe. Weil nun schon ein paar Zimmer daselbst mit Betten und anderm Hausrat versehen waren, über welche eine alte Magd die Aufsicht hatte, so pflegte Filippo, der Sohn des Niccolo, ein junger, unverheirateter Bursche, bisweilen zu seinem Zeitvertreib ein Mädchen mit dahinzunehmen, einen Tag oder zwei mit ihr dort zuzubringen, und sie dann wieder wegzuschicken. So brachte er auch einst eine gewisse Niccolosa dahin, die ein liederlicher Kerl, Mangione genannt, in einem Haus in Camaldoli unterhielt und sie für Lohn vermietete. Das Mädchen war hübsch von Gestalt, wohlgekleidet und für eine Person von ihrem Gewerbe artig genug in ihren Manieren und Reden. Als sie einmal gegen Mittag in einem weißen Mieder und Röckchen, mit aufgeflochtenem Haar hinunter an den Brunnen im Hofe gegangen war, um sich Gesicht und Hände zu waschen, fügte es sich, daß Calandrino ebenfalls dahin kam, um Wasser zu holen, und sie freundlich grüßte. Sie dankte ihm und betrachtete ihn aufmerksam, nicht weil er ihr gerade übermäßig schön, sondern weil er ihr ein possierlicher Mensch zu sein schien. Calandrino besah sie sich gleichfalls, und, da er sie sehr hübsch fand, so zauderte er, solange er konnte, und ließ seine Kameraden auf das Wasser warten; doch getraute er sich nicht, das Mädchen anzureden, weil er sie nicht kannte. Da sie merkte, wie emsig er nach ihr gaffte, so warf sie gleichfalls bisweilen einen Blick auf ihn, um ihn zu kirren, und ließ einige Seufzerchen fahren. Darüber verliebte sich Calandrino auf der Stelle in sie und wich nicht vom Hof, bis Filippo sie wieder zu sich in die Kammer rief. Als Calandrino wieder an seine Arbeit ging, tat er nichts als seufzen und schnaufen, was Bruno, der ihm stets auflauerte und sich gern eine Kurzweil mit ihm machte, allsobald gewahr ward und ihn daher fragte: »Was, zum Henker, fehlt dir, Bruder Calandrino? Du tust ja nichts als seufzen?« »Bruder,« sprach Calandrino, »wenn ich jemand hätte, der mir helfen würde, so wär‘ ich wohl daran.«

»Wieso?« fragte Bruno.

»Eigentlich müßte man ja seinen Mund halten«, antwortete Calandrino. »Dort unten ist ein Mädchen, so schön wie eine Fee, die sich dermaßen in mich verliebt hat, daß du dein Wunder daran sehen würdest. Ich bin es eben jetzt gewahr geworden, als ich Wasser holte.«

»Der Henker! Nimm dich in acht«, sprach Bruno. »Wenn sie nur nicht gar die Frau des Filippo ist.« »Das glaub‘ ich fast,« sprach Calandrino; »denn er rief sie, und sie ging zu ihm in die Kammer. Allein was liegt daran? Ich würde mich in solchen Dingen zum Teufel selbst um Christus nicht kümmern, noch viel weniger um Filippo. Ich muß dir gestehen, Bruder, sie gefällt mir besser, als ich dir’s beschreiben kann.«

»Ich will auskundschaften, wer sie ist,« sprach Bruno, »und wenn sie des Filippo Frau ist, so will ich dir in zwei Worten zu deiner Sache verhelfen, denn sie spricht oft sehr vertraulich mit mir. Wie machen wir es aber, daß Buffalmacco nichts davon erfährt? Er folgt mir immer wie mein Schatten, wenn ich mit ihr spreche.«

»Um Buffalmacco sorge ich mich nicht,« sprach Calandrino, »aber vor Nello müssen wir uns hüten. Er ist verwandt mit Tessa und würde uns gewiß den ganzen Kram verderben.«

»Du hast recht«, sprach Bruno. Dieser wußte sehr wohl, wer das Mädchen war; denn er hatte gesehen, wie sie gekommen war, und Filippo hatte es ihm auch gesagt. Sobald nun Calandrino sich von der Arbeit ein wenig entfernte, um sie zu sehen, erzählte Bruno alles dem Buffalmacco und Nello und verabredete mit ihnen, was sie bei dieser Liebschaft mit ihm anstellen wollten. Kaum war Calandrino wiedergekommen, so raunte ihm Bruno ins Ohr: »Hast du sie gesehen?«

»Ach freilich! Sie bringt mich noch ins Grab«, sprach Calandrino.

»Ich will hingehen«, versetzte Bruno, »und sehen, ob sie die ist, wofür ich sie halte, und wenn das ist, so laß mich nur weiter machen.«

Bruno ging demnach hinunter zu Filippo und dem Mädchen und erklärte ihnen umständlich, wer Calandrino wäre und was er ihm entdeckt hätte, und nahm Abrede mit ihnen, was sie sagen und wie sie sich verhalten sollten, um sich an der Liebelei des Calandrino zu belustigen. Als er wieder zurückkam, sprach er zu Calandrino: »Sie ist’s allerdings, und wir müssen also vorsichtig zu Werke gehen; denn wenn Filippo etwas merkte, so würden alle Wasser des Arno uns nicht wieder weiß waschen. Was soll ich ihr aber in deinem Namen sagen, wenn es sich trifft, daß ich sie spreche?«

»Wahrhaftig,« sprach Calandrino, »du mußt ihr vor allen Dingen sagen, daß ich tausend Scheffel von dem in mir habe, wovon die Weiber zuweilen schwanger werden, und daß ich ihr ergebenster Diener sei, und wenn ich womit dienen könnte … verstehst du mich?«

»Ich verstehe,« sprach Bruno, »laß mich nur machen.« Als es Feierabend war und sie von der Arbeit gingen, hielten sie sich unten im Hofe, wo sich eben Filippo und Niccolosa befanden, dem Calandrino zu Gefallen ein wenig auf. Calandrino fing an, Niccolosa zu begaffen, und gebärdete sich dabei so tollpatschig, daß ein Blinder seine Absicht hätte merken können. Niccolosa ihrerseits tat alles, was sie konnte, um seine Flamme noch mehr anzufachen, und da Bruno ihr von allem Nachricht gegeben hatte, so machte ihr das Betragen des Calandrino den größten Spaß von der Welt. Filippo stellte sich indessen, als ob er nichts von allem merkte, indem er sich mit den beiden andern unterhielt. Endlich gingen sie weg, so ungern Calandrino sich auch entfernte. Auf dem Wege zur Stadt sprach Bruno zu Calandrino: »Ich kann dir versichern, daß sie für dich schmilzt wie das Eis an der Sonne. Beim Himmel! Wenn du einmal deine Hummel mitnähmst und sängst ihr dabei ein paar verliebte Lieder vor, so würde sie aus dem Fenster in deine Arme springen.«

»Meinst du, Bruder?« fragte Calandrino. »Soll ich sie mitbringen?«

»Allerdings!« sprach Bruno.

»Du wolltest mir heute nicht glauben, was ich dir sagte«, sprach Calandrino.

»Wahrhaftig, Bruder, nun siehst du wohl, daß ich besser als ein anderer verstehe, zu meinem Zweck zu kommen. Wer hätte wohl so schnell wie ich ein solches Weibchen wie dieses verliebt machen können? Da hätten dir die Stutzer erst lange zappeln müssen, die den ganzen Tag auf und ab trippeln und doch in tausend Jahren keinen Hund hinterm Ofen hervorlocken. Nun sollst du mich einmal mit der Hummel in der Hand sehen; du sollst deine Freude daran haben. Glaube mir sicherlich, ich bin nicht so alt wie ich dir scheine; das hat sie wohl gemerkt, und wo nicht, so soll sie’s gewahr werden, wenn ich sie unter die Hände kriege. Beim Himmel, ich will ihr ein Spiel zeigen, daß sie mir nachlaufen soll wie das Kalb hinter der Kuh.«

»Das denk‘ ich auch«, sprach Bruno. »Du wirst deinen Schnabel schon tüchtig an ihr wetzen. Mich deucht, ich sehe dich schon, wie du deine Zahnstummel in das rote Mäulchen schlägst und in ihre Rosenwangen und sie dann mit Haut und Haaren auffrißt.«

Calandrino glaubte bereits im Geiste alles zu tun, was Bruno sagte, und fing an zu singen und zu springen, als wenn er nicht in seiner Haut zu bleiben wüßte. Des andern Tages brachte er seine Hummel mit und sang verschiedene Lieder dazu. Kurz, da er das Mädchen oft vor Augen hatte, so ward er so in sie vernarrt, daß er keine Arbeit mehr anrührte, sondern den Tag über wohl tausendmal bald ans Fenster, bald an die Tür, bald in den Hof hinunterlief, um sie zu sehen, wozu sie ihm auf Brunos Anstiften immer die beste Gelegenheit zu geben wußte. Wenn sie abwesend war, was die meiste Zeit zu geschehen pflegte, so bestellte Bruno seine Aufträge an sie und brachte ihm bisweilen Briefe von ihr, in denen sie ihm große Hoffnung machte, seine Wünsche zu erfüllen, und zugleich vorgab, sie befände sich zu Hause bei ihren Eltern, wo er sie nicht zu Gesicht bekommen könne.

So machten sich Bruno und Buffalmacco, indem sie stets die Hand im Spiele hatten, manchen Spaß auf Kosten des Calandrino und ließen sich von ihm bald einen elfenbeinernen Kamm, bald einen Beutel, bald ein Messerchen und andere dergleichen Sächelchen geben, als wenn seine Geliebte sie haben sollte. Dagegen brachten sie ihm dann und wann einen unechten, wertlosen Ring, worüber er sich dann wie ein Kind freute. überdies gab er ihnen manches schöne Frühstück und er zeigte ihnen manche andere Gefälligkeit, damit sie sich seiner Angelegenheit eifrig annähmen. Nachdem sie ihn auf diese Weise wohl zwei Monate hingehalten hatten, ohne die Sache weiter zu fördern, fing Calandrino an, seinen Freund Bruno fleißig anzutreiben und aufzufordern, weil er sah, daß die Arbeit bald zu Ende ging und daß alle seine Hoffnungen zu Wasser würden, wenn er seine Liebe nicht vor deren Ende gekrönt sähe. Als nun einmal das Mädchen wiederkam und Bruno und Filippo alles verabredet hatten, was nötig war, sprach Bruno zu Calandrino: »Höre, Brüderchen, das Frauenzimmer hat mir nun wohl schon tausendmal versprochen, dir zu Willen zu sein, und hernach ist nichts daraus geworden. Es kommt mir vor, daß sie uns an der Nase herumführt; was sie also nicht von selbst tut, um ihr Versprechen zu erfüllen, dazu wollen wir sie zwingen, sie mag Lust haben oder nicht, wenn du es zufrieden bist.«

»Ei freilich«, sprach Calandrino. »Um des Himmels willen, beeile dich nur.«

»Hättest du wohl den Mut,« sprach Bruno, »sie mit einem Zauberzettel zu berühren, wenn ich dir einen gäbe?«

»Warum nicht?« sprach Calandrino.

»Gut!« versetzte Bruno. »So verschaffe mir nur ein Stückchen Jungfernpergament und eine lebendige Fledermaus, drei Körnchen Weihrauch und eine geweihte Wachskerze und laß‘ mich für das übrige sorgen.« Calandrino lauerte den ganzen Abend, um eine Fledermaus zu haschen, und als er sie gefangen hatte, brachte er sie nebst den andern Sachen Bruno. Dieser ging in eine Kammer, kritzelte ein paar Schnörkel und Zauberzeichen auf das Pergament und gab es ihm. »Wisse, Calandrino,« sprach er, »wenn du sie mit diesem Zettel anrührst, so wird sie dir nachlaufen und alles tun, was du haben willst. Wenn also Filippo heute ausgeht, so suche ihr auf irgendeine Art nahe zu kommen, berühre sie und laufe dann in die Strohscheune hierneben, wo der bequemste Ort ist, weil niemand dahinkommt; du wirst sehen, daß sie dir sogleich nachfolgt, und wenn du sie dort hast, so weißt du selbst, was du tun mußt.«

Calandrino war der glücklichste Mensch von der Welt; er nahm das Pergament und sagte: »Laß mich nur machen, Bruder.«

Nello, vor dem sich Calandrino so sorgfältig in acht nahm, hatte seine Lust am Spiele so gut wie die andern und trug das seinige bei, um ihn äffen zu helfen. Er ging also auf Brunos Anstiften nach Florenz zu der Frau des Calandrino und sagte: »Jessa, du weißt, wie dich Calandrino damals so ungerechtfertigt prügelte, als er mit den Steinen aus dem Mugnone kam. Ich meine, du solltest dich jetzt dafür an ihm rächen, und wenn du es nicht tust, so nenne mich nie wieder deinen Verwandten und Freund. Er hat sich dort oben in ein Weibsbild vernarrt, und sie ist solch ein liederliches Mensch, daß sie sich oft miteinander einschließen, und noch vor wenigen Minuten haben sie Abrede genommen, daß sie wieder zusammenkommen wollen. Du sollst deswegen mit mir gehen, um sie auf der Tat zu ertappen und nach Verdienst zu züchtigen.«

Frau Tessa, die das Ding nicht spaßhaft fand, sprang auf wie eine Furie und rief aus: »Ach, du Spitzbube! Spielst du mir solche Streiche? Beim Kreuze Christi! Das soll dir nicht so gelingen, ohne daß ich dir’s bezahle.« Damit warf sie ihr Mäntelchen um, nahm eine Frau mit sich und ging mehr laufend als schreitend mit Nello hinauf.

Als Bruno sie von ferne gewahr wurde, sprach er zu Filippo: »Da kommt unser Freund schon.« Filippo ging deswegen zu Calandrino und den andern Arbeitern und sagte: »Meister, ich muß jetzt in die Stadt gehen; arbeitet hübsch fleißig.« Damit entfernte er sich und verbarg sich an einem Orte, wo er ungesehen alles beobachten konnte, was Calandrino tun würde.

Sobald Calandrino glaubte, daß Filippo schon eine gute Strecke entfernt wäre, ging er in den Hof hinunter, wo er Niccolosa ganz allein fand. Er sprach einige Worte mit ihr, und da sie um alles wußte, so kam sie ihm näher und sprach etwas vertraulicher mit ihm als gewöhnlich.

Calandrino berührte sie also mit seinem Zauberzettel und ging, sobald dies geschehen war, ohne ein Wort zu sagen, nach der Scheune zu. Niccolosa folgte ihm nach, und als sie hineinkam, schloß sie die Tür zu, umarmte Calandrino, warf ihn auf das Stroh nieder, das dort lag, setzte sich rittlings auf ihn, stemmte ihm die Hände gegen die Schultern, so daß er ihr Gesicht nicht berühren konnte und sagte, indem sie sich stellte, als wenn sie ihn mit schmachtenden Augen betrachtete: »Ach, mein liebster Calandrino, mein Herz, meine Seele, mein Schatz, mein einziger Trost, wie lange hab‘ ich mich schon gesehnt, dich zu besitzen und in meiner Gewalt zu haben. Du hast mir mit deiner Artigkeit den Faden aus dem Hemd gezogen, du hast mir mit deiner Hummel das Innerste meines Herzens zerkratzt. Ist es möglich, daß ich dich habe?«

»Ach, liebstes Herz!« sprach Calandrino. »Laß mich dich küssen.«

»Nicht so eilig«, sprach Niccolosa. »Erst laß mich dich nach Herzenslust recht betrachten, und laß mich meine Augen sättigen an deinem reizenden Anblick.«

Bruno und Buffalmacco waren zu Filippo gegangen, und alle drei hörten und sahen das mit an. Indem nun Calandrino sich aus allen Kräften bestrebte, Niccolosa zu küssen, war Nello mit Frau Tessa schon angekommen. »Ich möchte schwören,« sprach Nello, »daß sie schon beisammen sind.« Vor Wut darüber stieß Frau Tessa mit beiden Händen so mächtig gegen die Tür der Scheune, als sie hinkamen, daß sie aufsprang, und im Hineintreten gewahrte Tessa, wie Niccolosa auf Calandrino lag. Diese sprang jedoch auf, sobald sie nur die Frau erblickte, flüchtete und lief zu Filippo. Frau Tessa fuhr indessen ihrem Mann, der sich nicht so geschwind aufraffen konnte, mit allen zehn Nägeln ins Gesicht, zerkratzte ihn jämmerlich, packte ihn bei den Haaren und schrie ihm zu, indem sie ihn herumzerrte: »Du ekelhafter, räudiger Hund! Unterstehst du dich, mir so zu kommen? Alter eingebildeter Narr! Verdammt sei die Liebe, die ich für dich gehabt habe! Meinst du nicht, daß du genug vor deiner eigenen Tür zu fegen hast, daß du auch noch anderswo herumliebeln mußt? Du bist mir ein schöner Liebhaber! Kennst du dich selbst nicht, du Jammerbild? Kennst du dich nicht, du Staatskrüppel? Weißt du nicht, daß man nicht so viel Saft aus dir pressen kann, daß es auch nur zu einer Suppe reichte? Beim Himmel! Diesmal war’s nicht Tessa, die dich geschwängert hat. Hol‘ sie der Teufel, wer sie auch war! Aber es mag gewiß ein rechter Haderlumpen gewesen sein, da sie sich nach einem solchen Kleinod, wie du bist, hat können gelüsten lassen.«

Calandrino war mehr tot als lebendig, als er seine Frau hereinkommen sah, und hatte nicht das Herz, sich ihr zu widersetzen, sondern so zerzaust und zerkratzt, wie er war, hob er seine Kappe wieder auf, machte sich auf die Füße und bat seine Frau demütig, nicht so laut zu schreien, wenn sie nicht wolle, daß man sie in Stücke zerhauen solle, weil die, die sie bei ihm gesehen hätte, die Frau des Herrn vom Hause wäre.

»Sei sie, wer sie will, so hole sie der Henker!« sprach Tessa.

Bruno und Buffalmacco, die bis dahin sich an dem Auftritte mit Niccolosa und mit Filippo belustigt hatten, kamen endlich dazu, als wenn der Lärm sie herbeigeführt hätte; sie besänftigten Frau Tessa mit vieler Mühe und rieten Calandrino, nach Florenz zu gehen und nicht wiederzukommen, damit Filippo ihm nicht übel mitspiele, wenn er etwas von der Sache erführe. Calandrino schlich demnach traurig und übel zugerichtet, zerkratzt und zerzaust nach Florenz zurück und getraute sich nicht wieder hinaufzukommen. Die Vorwürfe, womit ihn seine Frau Tag und Nacht folterte und peinigte, erstickten auch bald seine heiße Liebe, womit er seinen Kameraden Niccolosa und Filippo manche Kurzweil verschafft hatte.

28. Novelle

Ein paar Jünglinge kehren bei einem Bekannten ein. Der eine legt sich in der Nacht zu der Tochter des Wirts, und die Frau desselben steigt unversehens zu dem andern ins Bett. Derjenige, der bei der Tochter geschlafen hat, legt sich hernach zu dem Vater und erzählt ihm alles, indem er meint, mit seinem Kameraden zu sprechen. Sie geraten darüber in Zank; die Frau merkt Unrat, legt sich zu ihrer Tochter ins Bett und macht durch ein kluges Wort alles wieder gut.

In der Ebene des Mugnone lebte vor nicht langer Zeit ein ehrlicher Mann, der den Wandersleuten für ihr Geld zu essen und zu trinken gab, und der auch wohl im Fall der Not, so gut seine kleine Hütte und seine ärmlichen Umstände es gestatteten, zwar eben nicht einem jeden, aber doch einem oder dem andern Bekannten ein Nachtlager bei sich einräumte. Die Frau dieses Mannes war ein recht hübsches Weib, und er hatte zwei Kinder mit ihr. Das älteste war ein schönes, flinkes Mädchen von fünfzehn bis sechzehn Jahren, das noch unverlobt war, und das jüngste, das noch kein Jahr alt war, lag noch an der Brust seiner Mutter. Auf das Mädchen hatte ein feiner, artiger Jüngling von guter Herkunft aus unserer Stadt, der sich oft in ihrer Gegend aufhielt, ein Auge geworfen und sich heftig in sie verliebt. Das Mädchen, das sich’s zur Ehre rechnete, von einem solchen jungen Manne geliebt zu sein, und sich deswegen bemühte, ihn durch ein gefälliges Wesen aufzumuntern, verliebte sich darüber selbst in ihn, und mehr als einmal hätten sie beide gerne ihre geheimen Wünsche befriedigt, wenn nicht der Jüngling, der sich Pinuccio nannte, gefürchtet hätte, den guten Ruf des Mädchens und seinen eigenen in Gefahr zu bringen. Da indessen seine Glut sich von Tag zu Tag vermehrte, so wurde Pinuccios Sehnsucht nach ihrem Besitz übermächtig, und er beschloß, sich eine Gelegenheit zu verschaffen, um bei ihrem Vater eine Nacht zu herbergen, in der Meinung, daß er alsdann wohl Mittel finden würde, mit ihr zusammenzukommen, ohne daß es jemand merke, weil er den Bau des Hauses sehr gut kannte. Er säumte auch nicht lange, seinen Anschlag auszuführen, und nahm einen vertrauten Freund, namens Adriano, der um sein Liebesverhältnis wußte, zum Begleiter mit. Sie liehen an einem Abend ein paar Mietgäule, schnallten jedem ein Felleisen auf, das vielleicht nur mit Stroh gefüllt war, ritten aus Florenz und kamen auf einem kleinen Umweg in die Mugnoneebene herabgeritten, als es schon Nacht war, und wandten sich hierauf, als wenn sie aus der Romagna kämen, nach dem Hause des ehrlichen Gastwirts, wo sie anklopften, und wo ihnen, weil sie ihm beide sehr wohl bekannt waren, unverzüglich aufgemacht ward.

»Höre,« sprach Pinuccio zu ihm, »du mußt uns heute ein Nachtlager geben. Wir dachten noch zu rechter Zeit nach Florenz zu kommen; allein wir haben trotz aller Anstrengung um diese Zeit nicht weiter als bis hierher kommen können.«

»Du weißt wohl, Pinuccio,« antwortete der Wirt, »wie schlecht ich eingerichtet bin, um Leute, wie ihr seid, zu beherbergen. Da euch aber die Nacht überrascht hat und es nicht mehr Zeit ist, weiterzugehen, so will ich euch gerne unterbringen, so gut ich kann.«

Die jungen Leute stiegen demnach ab, gingen in die Hütte, besorgten zuvor ihre Gäule und setzten sich dann mit dem Wirt nieder, um ihr Abendessen mit dem zu halten, was sie in ihren Schnappsäcken mitgebracht hatten. Der Wirt hatte nur eine einzige kleine Kammer, in der, so gut es sich tun ließ, drei Betten aufgemacht wurden, die jedoch so nahe beieinander standen, daß man kaum zwischen ihnen durchgehen konnte. Den beiden Gästen räumte der Wirt das beste von den dreien ein und bat sie, sich niederzulegen. Als sie nach einer kleinen Weile sich stellten, als ob sie schliefen, aber beide noch wach waren, ließ der Wirt seine Tochter eines von den beiden übrigen Betten einnehmen, und in das andere legte er sich selbst mit seiner Frau, die darauf die Wiege mit dem kleinen Kinde an die Seite ihres Bettes stellte. Als dies alles in Ordnung gebracht war, und Pinuccio, der alles gesehen und bemerkt hatte, nach einer Zeit glaubte, daß jedermann im Zimmer schon schliefe, stand er leise auf, ging nach dem Bett des Mädchens, legte sich zu ihr und ward von ihr mit Vergnügen, wiewohl nicht ohne eine Mischung von Furcht, empfangen und überließ sich mit ihr den Wonnen, nach denen sie sich beide längst gesehnt hatten.

Indem Pinuccio bei dem Mädchen lag, traf es sich, daß die Katze etwas umstieß und ein Gepolter verursachte, wovon die Frau erwachte, und weil sie fürchtete, es möchte Schaden geschehen sein, so stand sie im Finstern auf und ging nach dem Ort, wo sie das Geräusch gehört hatte. Adriano, der sich darum nicht bekümmerte, stand indessen zufälligerweise wegen irgendeines natürlichen Bedürfnisses gleichfalls auf, und als er hinausgehen wollte, stand ihm die Wiege im Wege, die er deswegen zur Seite rückte und sie vor sein eigenes Bett schob. Als es seinem Bedürfnis abgeholfen hatte, stieg er wieder in sein Bett und bekümmerte sich nicht weiter um die Wiege.

Nachdem die Wirtin herumgetappt und gefunden hatte, daß nichts von Bedeutung umgefallen war, hielt sie es nicht für nötig, Licht anzuzünden, sondern schalt die Katze und ging wieder in die Kammer und tappte im Finstern richtig bis an das Bett ihres Mannes. Als sie aber die Wiege nicht vorfand, dachte sie bei sich: O weh! Himmelherrgott, da hätte ich bald etwas Schönes angerichtet und wäre schnurstracks zu meinen Gästen ins Bett gestiegen. Sie ging also ein wenig weiter, bis sie die Wiege fand, legte sich in das Bett, vor welchem diese stand, folglich zu Adriano, indem sie glaubte, sich bei ihrem Mann niederzulegen. Adriano, der noch nicht wieder eingeschlafen war, empfing sie mit Freuden, und ohne ein Wort zu sagen, ging er bei ihr an Bord und setzte zu ihrem großen Behagen mehr als ein Segel auf. Unterdessen besorgte Pinuccio, daß ihn der Schlaf bei seinem Mädchen überraschen möchte, und da er sich nach Herzenslust mit ihr vergnügt hatte, so stand er auf, um wieder nach seinem eigenen Bett zu gehen. Als er aber die Wiege davor fand, glaubte er an das Bett des Wirtes gekommen zu sein, ging also weiter und legte sich wirklich zu dem Wirt, der darüber erwachte. Pinuccio, der glaubte, neben seinem Kameraden zu liegen, sagte: »Ich kann dir versichern, Niccolosa ist ein süßes Geschöpf. Beim Leichnam Christi, ich habe die herrlichsten Wonnen genossen, die je ein Mann bei einer Frau empfangen hat. Ich versichere dir, daß ich wohl sechsmal und mehr eine Lustpartie mit ihr gemacht habe, seit ich von dir gegangen bin.«

Der Wirt, dem die Worte, die er hörte, keinen Spaß machten, dachte erstlich bei sich selbst: Was, Teufel, will der Mensch hier? Darauf sprach er mehr zornig als mit Überlegung: »Pinuccio, du hast einen bösen Bubenstreich begangen, und ich wüßte nicht, wie ich das um dich verdient hätte. Aber, beim Himmel, ich will dich dafür bezahlen!«

Pinuccio, der nicht der Gescheiteste war, dachte nicht daran, als er seinen Irrtum gewahr wurde, ihn so bald als möglich wieder gutzumachen, sondern er gab ihm zur Antwort: »Womit willst du mich bezahlen? Was kannst du mir tun?«

Die Wirtin, die noch immer glaubte, bei ihrem Manne zu liegen, sagte zu Adriano: »Ach, höre doch unsere Gäste; sie scheinen sich miteinander zu zanken.«

»Laß sie zanken!« sprach Adriano lachend. »Hol‘ sie der Henker! Sie haben gewiß gestern abend zuviel getrunken.«

Jetzt besann sich die Wirtin, daß sie ihren Mann hatte schelten hören, und da sie die Stimme des Adriano erkannte, so merkte sie nunmehr, wo und bei wem sie sich befand. Sie stand deswegen klüglich und ohne ein Wort zu sagen auf, nahm eiligst im Dunkeln die Wiege, rückte sie, so gut sie es in der stockfinstern Kammer vermochte, neben das Bett ihrer Tochter und legte sich zu ihr nieder. Hierauf rief sie, als wenn sie bei dem Geschrei eben aus dem Schlaf erwache, ihren Mann und fragte ihn, was er mit Pinuccio zu streiten hätte.

»Hörst du nicht, was er sagt,« sprach dieser, »daß er diese Nacht mit Niccolosa zu tun gehabt hat?«

»Das lügt er in seinen Hals,« sprach die Wirtin, »daß er bei der Niccolosa geschlafen hätte. Ich selbst habe bei ihr gelegen und habe die ganze Zeit über kein Auge zugetan, und du bist nicht gescheit, wenn du ihm glaubst. Ihr sauft des Abends so viel, daß ihr hernach die ganze Nacht träumt und im Schlaf umherwandelt, ohne zu wissen wohin, und man meint dann Wunderdinge getan zu haben. Es ist jammerschade, daß ihr nicht Hals und Bein brecht. Was hat Pinuccio dort zu tun? Warum bleibt er nicht in seinem eigenen Bett?«

Als Adriano merkte, wie listig die Wirtin ihre eigene und ihrer Tochter Schande verdeckte, rief er ebenfalls: »Pinuccio, ich habe dir wohl hundertmal gesagt, du sollst dir das Nachtwandeln und das Schwatzen im Traum abgewöhnen. Du wirst dich wahrhaftig noch einmal damit ins Unglück bringen. Komm wieder her, in Henkers Namen!«

Der Wirt hörte, was seine Frau und Adriano sagten, und glaubte in allem Ernst, daß Pinuccio träume; er packte ihn also beim Arm, rüttelte ihn und rief ihm zu: »Pinuccio, steh auf und gehe wieder in dein Bett.« Pinuccio machte sich die Winke zunutze, die man ihm gab, und fing an, wie ein Träumender noch allerlei närrisches Zeug zu schwatzen, worüber der Wirt herzlich lachte. Endlich stellte er sich, als wenn er von dem Rütteln erwache, und rief seinem Kameraden zu: »Was? Ist’s denn schon Tag, daß du mich weckst, Adriano?«

»Ja, ja, komm nur her«, sprach Adriano.

Pinuccio stellte sich noch immer schläfrig, stand endlich auf und ging wieder zu Adriano ins Bett. Beim Aufstehen des Morgens lachte der Wirt ihn aus und neckte ihn mit seinen Träumen. Unter mancherlei Scherzreden zäumten die Jünglinge ihre Gäule wieder auf, schnürten ihr Bündel, tranken einen Schluck mit dem Wirt, stiegen zu Pferde und ritten nach Florenz, nicht minder vergnügt über die Art und Weise, wie ihr Abenteuer abgelaufen war, als über den Genuß, den es ihnen verschafft hatte.

Pinuccio fand hernach andere Mittel, um wieder mit Niccolosa zusammenzukommen. Diese versicherte ihrer Mutter, daß er wirklich alles nur geträumt habe, und die Frau, die die Umarmung des Adriano noch nicht vergessen hatte, glaubte sehr gern, daß sie allein die Nacht über wach gewesen wäre.

16. Novelle

Perronella verbirgt, indem ihr Mann nach Hause kommt, ihren Liebhaber in einem Fasse. Der Mann sagt ihr, er habe das Faß verkauft, und sie erwidert ihm, sie habe es an einen andern noch besser verkauft, der eben hineingekrochen sei, um zu versuchen, ob es wasserdicht sei. Darauf steigt der Liebhaber heraus, befiehlt dem Manne, das Faß rein zu liefern, und nimmt es mit nach Hause.

In Neapel — es ist noch nicht lange her — hatte ein armer Mann ein niedliches und lebhaftes Mädchen namens Perronella zur Frau genommen; er selbst brachte sich in seinem Handwerk als Maurer und sie mit Spinnen durch, wobei sie jedoch nur kümmerlich ihr Leben fristeten. Einst warf ein junger lockerer Gesell seine Augen auf Perronella, und sie gefiel ihm so sehr, daß er sich in sie verliebte und auf mancherlei Weise so lange um ihre Gegenliebe warb, bis sie ihm nachgab.

Da nun der Mann am Morgen in aller Herrgottsfrühe ausgehen mußte, um zu arbeiten oder Arbeit zu suchen, so ward zwischen ihnen verabredet, daß der Liebhaber in der Nähe aufpassen sollte, wenn der Ehemann wegginge, um sich hernach ins Haus zu schleichen, und weil das Gäßchen, wo sie wohnte, es hieß Avorio, sehr wenig belebt war, wurde es ihnen leicht, auf diese Weise des öfteren zusammenzukommen.

Inzwischen traf es sich aber an einem Morgen, als der brave Maurer ausgegangen und der junge Gesell, der sich Giannello Strignario nannte, sich zu dem Weibchen ins Haus gestohlen hatte, daß der Mann, der sonst vor abends nicht wiederzukommen pflegte, sehr bald wieder zurückkehrte und, weil er die Tür verschlossen fand, anklopfte. Gott sei ewig Lob, dachte er bei sich selbst, der mich zwar in Armut leben läßt, aber mir doch ein zumeist tugendsames, ehrbares Weib beschert hat! Seht doch, wie sie den Augenblick, da ich kaum den Rücken wende, die Haustür verriegelt, damit sie keinen lästigen Besuch bekomme.

Perronella, die ihren Mann schon am Klopfen erkannte, rief: »Ach, Giannello, ich bin des Todes! Da führt der Teufel meinen Mann her, der sonst nie um diese Zeit heimzukommen pflegt. Ich begreife nicht, was das bedeutet; wenn er nur dich nicht etwa gesehen hat, wie du hereinkamst. Doch dem sei, wie ihm wolle, und so bitte ich dich, krieche in das Faß, das dort steht; ich will hingehen und ihm aufmachen und sehen, wie es zugeht, daß er so früh wieder nach Hause kommt.«

Giannello stieg geschwind in das Faß. Perronella öffnete hierauf ihrem Manne die Tür und sagte übelgelaunt zu ihm: »Was ist das für eine Neuerung, daß du diesen Morgen so früh wieder zurückkommst? Es hat schier den Anschein, als hättest du heute nicht Lust zu arbeiten, daß du so mit deinem Handwerkszeuge im Arm wieder da bist. Wenn’s so weitergeht, wovon sollen wir dann leben? Woher sollen wir Brot nehmen? Denkst du, daß ich es dulden werde, daß du mir meinen Rock und mein bißchen übrige Habseligkeit verpfändest? Da sitze ich Tag und Nacht und spinne mir die Haut von den Fingern, nur um das Lampenöl zu verdienen. Mann! Mann! Es ist keine Frau in der Nachbarschaft, die sich nicht darüber verwundert und darüber aufhält, daß ich mir so viele Mühe gebe und mir’s so sauer werden lasse, und hier kommst du mir wieder und läßt die Arme hängen, da du arbeiten solltest?« Bei diesen Worten fing sie an bitterlich zu weinen und fuhr fort zu klagen: »Ach, ich armes, geschlagenes Weib! Ich bin in einer Unglücksstunde geboren! Wie weit ist es mit mir gekommen; da ich doch den feinsten Jüngling zum Manne hätte haben können und ihn nur darum ausschlug, daß ich mir diesen nähme, der es nicht zu schätzen weiß, welch ein Weib er an mir bekommen hat. Andere Weiber tun sich gütlich mit ihren Liebhabern, und es gibt nicht eine, die nicht ein paar oder noch mehrere hat und läßt sich’s wohl sein und macht ihrem Manne weis, daß es um Mitternacht heller Tag ist. Aber ich armes Weib habe nichts als Kummer und Verdruß, weil ich zu gut bin und nicht an dergleichen Sachen denke; und ich weiß wahrlich nicht, warum ich mir nicht, so gut wie andere das tun, ein paar Liebhaber anschaffe. Merke dir’s nur, Mann, wenn ich das tun wollte, so würde sich bald genug jemand finden; denn es gibt feine, artige junge Leute genug, die mich lieben und die mir gewogen sind, und haben mir viel Geld und Kleider, Kleinode und was ich sonst nur wünsche, anbieten lassen. Ich hab’s aber nie übers Herz bringen können, weil ich nicht so eine oder so einer Tochter bin; und nun kommst du nach Hause, statt deiner Arbeit nachzugehen!«

»Ei, Frau,« sprach der Mann, »laß dir doch um des Himmels willen nicht deswegen das Herz schwer werden. Du kannst mir glauben, daß ich weiß, wer du bist, und daß ich es gerade diesen Morgen erst wieder bemerkt habe. Ich bin allerdings aus dem Hause gegangen, um zu arbeiten; allein ich sehe wohl, du weißt’s ebensowenig, als ich daran dachte, daß heute Sankt-Galleons-Tag ist und daß nicht gearbeitet wird, und deswegen siehst du mich um diese Stunde wiederkommen. Nichtsdestoweniger habe ich dafür gesorgt und auch Mittel gefunden, daß wir auf einen Monat und länger Brot haben werden; denn ich habe diesem Mann, der hier mit mir gekommen ist, das leere Stückfaß verkauft, das uns schon seit langer Zeit im Wege stand. Er gibt mir fünf Gulden dafür.«

»Das ist mir eben leid genug«, sprach Perronella. »Du bist ein Mann und gehst an allen Orten aus und ein und solltest daher am besten von allem Bescheid wissen, und doch verkaufst du ein Faß für fünf Gulden, das ich, als ein Weib, das kaum über die Schwelle kommt, da ich sah, daß es nur im Wege ist, für sieben an einen Menschen verkauft habe, der in dem Augenblicke, da du nach Hause kamst, hineingestiegen ist, um zu sehen, ob es auch dicht sei.«

Der Mann war froh, dies zu hören. »Guter Freund,« sprach er zu dem, der mit ihm gekommen war, das Faß zu besichtigen, »nehmt’s nicht übel, Ihr hört wohl, meine Frau hat das Faß schon für sieben Gulden verkauft; wofür Ihr mir nur fünf geboten habt.«

»Ei, in Gottes Namen«, sprach der andere und ging seiner Wege.

»Komm jetzt her,« sprach Perronella zu ihrem Manne, »weil du doch hier bist und mach‘ selbst die Sache mit ihm ab.«

Giannello, der beide Ohren gespitzt und gehorcht hatte, ob er etwas zu befürchten hätte oder sich sonst auf etwas gefaßt machen mußte, hörte kaum Perronellas Worte, als er geschwind aus dem Fasse sprang und sich stellte, als ob er nichts davon gemerkt hätte, daß der Mann gekommen war. »Wo seid Ihr, gute Frau?« sprach er.

»Ich bin hier. Was ist zu Dienst?« sprach der Mann, der hinzukam.

»Wer seid denn Ihr?« fragte Giannelllo. »Ich wollte die Frau sprechen, mit der ich über das Faß gehandelt habe.«

»Das könnt Ihr getrost mit mir abmachen,« antwortete der andere, »denn ich bin ihr Ehemann.«

»Das Faß scheint dicht genug zu sein,« versetzte Giannello; »allein Ihr scheint Hefe dringehabt zu haben, denn es sitzt voll krustigem Weinstein, der sich mit den Nägeln nicht abkratzen läßt, und ehe es nicht rein ist, mag ich’s nicht haben..«

»Darum soll der Handel nicht zurückgehen«, sprach Perronella. »Mein Mann wird es schon reinmachen.« »Das versteht sich«, sagte der Mann, legte sein Handwerkszeug ab, zog sein Wams aus, ließ ein Licht anzünden, sich eine Trogscharre geben, stieg in das Faß und fing an es abzukratzen. Perronella lehnte sich mit dem halben Leibe oben über das Faß, das nicht allzu hoch war, als wolle sie ihm zusehen, steckte den einen Arm bis über die Schultern hinein und zeigte ihm bald hier, bald dort eine Stelle, die er noch putzen müßte. »Schau, hier ist auch noch etwas sitzengeblieben.« Und während sie in dieser Lage den Mann auf dies und jenes aufmerksam machte, fiel es Giannello, der am Morgen sein Verlangen nicht völlig befriedigt hatte, weil der Ehemann zu früh heimkam, ein, es zu löschen, so gut er vermochte, da er im Moment nicht konnte, wie er eigentlich wollte. Er trat an die Frau heran, die mit ihrem Leib die ganze Öffnung des Fasses verschlossen hielt, und brachte seine jugendliche Begierde zur Erfüllung in der Art, wie in den weiten Steppen die zügellosen, brünstigen Hengste die parthischen Stuten bespringen, und ward in dem Augenblick fertig, als das Faß fertig ausgeschabt war. Dann zog er sich zurück, Perronella zog den Kopf aus dem Faß, und der Mann kroch heraus.

»Da habt Ihr das Licht, guter Freund,« sprach Perronella zu Giannello; »seht nach, ob es Euch jetzt rein genug ist.« Giannello warf einen Blick hinein, sagte, es sei in Ordnung, bezahlte die sieben Gulden und ließ das Faß nach seinem Hause bringen.

17. Novelle

Bruder Rinaldo ergötzt sich mit seiner Gevatterin, ihr Mann kommt nach Hause und findet ihn in ihrer Kammer; sie machen ihm aber weis, daß er dem Kinde die Würmer vertreibt.

In der Stadt Siena lebte vor einiger Zeit ein hübscher junger Mann aus einem wohlangesehenen Geschlecht, namens Rinaldo, welcher sich in eine sehr schöne Frau verliebte, die seine Nachbarin und Gattin eines reichen Mannes war, und er machte sich Hoffnung, alles, was er wünschte, von ihr zu erhalten, wenn er nur Gelegenheit finden könnte, mit ihr unter vier Augen zu sprechen. Da er aber diese Gelegenheit nicht herbeizuführen wußte, und die Dame eben schwanger war, so kam er auf den Einfall, ihr Gevatter zu werden. Er suchte demnach die Bekanntschaft ihres Mannes, bot sich diesem auf die unverdächtigste Art zum Gevatter an und wurde angenommen. Da ihm nun seine Gevatterschaft mit Frau Agnese manchen guten Vorwand verschaffte, sie zu sprechen, wagte er es, ihr das mit Worten zu erklären, was seine Blicke ihr längst entdeckt hatten; allein, obgleich es der Dame nicht unangenehm war, dies zu hören, so führte es ihn dennoch nicht zu seinem Ziel. Nicht lange danach ging Rinaldo, man weiß nicht, aus welcher Ursache, in ein Kloster, und wie es ihm daselbst auch behagen mochte, genug, er war und blieb ein Mönch. Doch wenn er gleich eine Zeitlang nach seinem Eintritt in den geistlichen Orden die Liebe zu seiner Gevatterin und andere weltliche Eitelkeiten ein wenig beiseite setzte, so kam er doch, ohne seiner Kutte zu entsagen, bald wieder darauf zurück und fand ein Vergnügen daran, sich in bestes Tuch zu kleiden, in seinem ganzen Wesen artig und zierlich zu tun, Canzonen, Sonette und Balladen zu dichten und Lieder zu singen und sich mit allerhand solchen Dingen die Zeit zu vertreiben. Doch warum galt das bei Bruder Rinaldo als etwas Besonderes? Wo ist der Mönch, der nicht dasselbe tut? Welch Schandfleck unserer verderbten Zeit ist nicht jeder von ihnen? Sie schämen sich nicht, mit feisten Wänsten und rubinroten Nasen in üppigen Kleidern einherzugehen und in allen Wollüsten zu leben, und gleichen nicht den Tauben, sondern den übermütigen Hähnen, die mit erhobenem Kamme protzen und sich brüsten. Nicht genug, daß sie ihre Zellen voll von Gläsern und Latwergen und Salben, von Schachteln und Morsellen, von Fläschchen mit abgezogenen Wassern und Ölen, von Fäßchen mit Malvasier, griechischen und anderen feinen Weinen haben, so daß sie dem Besucher nicht Mönchszellen, sondern vielmehr Apotheken und Spezereibuden zu sein scheinen. Auch schämen sie sich nicht, den Leuten zu zeigen, daß sie voll Gicht und Podagra stecken, und meinen, daß andere Leute nicht wissen, daß vieles Fasten, rauhe und kärgliche Kost und nüchternes Leben die Menschen dürr und hager machen und sie gesund erhalten; oder wenn sie krank dabei werden, daß sie wenigstens nicht das Zipperlein davon bekommen, gegen welches man den Kranken die Enthaltsamkeit und alles andere ordentlich zu empfehlen pflegt, was eigentlich zu der Lebensart eines bescheidenen Klosterbruders gehört. Sie meinen, man wisse nicht, daß außer der mageren Kost die langen Nachtwachen, Gebete und Bußübungen blasse Gesichter und abgemergelte Leiber zuwege bringen, und daß weder Sankt Franziskus noch Sankt Dominikus sich drei bis vier Kutten von dem feinsten, in der Wolle gefärbten Tuch und von anderem schönen Zeug machen ließen, sondern die grobe Wolle in ihrer natürlichen Farbe trugen, um die Kälte abzuhalten, und nicht, um darin zu prangen. Gott wird Einsehen haben und der frommen, einfältigen Seelen gedenken, welche sie unterhalten müssen.

Als demnach Bruder Rinaldo wieder zu seinen vorigen Neigungen zurückkehrte, fing er an, seine Gevatterin fleißig zu besuchen, und weil er unter der Kutte viel dreister geworden war als vorher, so trug er ihr sein Anliegen, wonach er Begehren trug, jetzt weit dringender vor. Die gute Frau, die sich so heftig attackiert sah, und die ihn vielleicht jetzt auch hübscher fand als vordem, nahm endlich, als er ihr einmal sehr lebhaft zusetzte, ihre Zuflucht zu den Worten, die diejenigen Frauen tun, die nicht übel Lust haben, das zu gewähren, um was man sie bittet. Sie sagte: »Bruder Rinaldo, tun denn auch die Mönche sowas?« »Madonna,« versetzte Rinaldo, »die Kutte ist bald abgeworfen, und dann sollt Ihr mich gewiß nicht für einen Mönch halten, sondern für einen so wackern Mann wie jeden andern.«

Das Weibchen verzog den Mund ein wenig zum Lächeln und erwiderte: »O weh! Ich bin ja Eure Gevatterin! Wie wird es damit werden? Das wäre ja, wie man mir gesagt hat, eine gar zu große Sünde. Sonst würde ich gern Euren Wünschen Gehör geben.«

»Ihr seid nicht gescheit,« versetzte Bruder Rinaldo, »wenn Ihr Euch deshalb wollt abhalten lassen. Ich will gerade nicht behaupten, daß es keine Sünde wäre, aber es werden wohl größere Sünden dem Reumütigen in der Beichte vergeben. Doch sagt mir nur, wer ist mit Eurem Kinde näher verwandt: ich, der ich es zur Taufe gehalten habe, oder Euer Mann, der es gezeugt hat?«

»Mein Mann, ohne Zweifel«, antwortete sie. »Ganz richtig«, sprach Bruder Rinaldo. »Und liegt denn Euer Mann nicht bei Euch?«

»Ei freilich«, sprach Frau Agnese.

»Gut!« erwiderte Bruder Rinaldo. »Wenn also Euer Mann bei Euch schlafen darf, der soviel näher mit Eurem Kinde verwandt ist als ich, warum sollte es dann mir verwehrt sein?«

Die Frau, die nichts von Logik verstand und bei der es keiner großen Überredung bedurfte, glaubte ihm entweder wirklich oder stellte sich, als wenn sie es glaubte. »Ach,« sprach sie, »wer kann gegen Eure gelehrten Gründe etwas vorbringen?« Mit einem Worte, es ward der Gevatterschaft unbeschadet eine Verwandtschaft von einer andern Art zwischen ihnen gestiftet, und sie ließen es nicht bei diesem ersten Male bewenden, sondern sie fanden unter dem Mantel der Gevatterschaft um desto bequemere Gelegenheit zu öfteren Zusammenkünften, weil man sie um desto weniger im Verdacht hatte.

Einmal traf es sich indessen, daß Bruder Rinaldo mit einem anderen Klosterbruder zu Frau Agnese kam und außer einem hübschen, niedlichen Dienstmädchen niemand bei ihr fand. Er schickte demnach seinen Gefährten mit dem Mädchen nach dem Taubenschlag hinauf, um ihr das Paternoster zu lehren, indes er selbst mit der Frau, die ihren kleinen Knaben an der Hand hatte, in die Kammer ging, die Tür hinter sich verschloß und sich auf einem Ruhebett mit ihr ergötzte. Mitten in ihrer Unterhaltung kam der Gevatter nach Hause, und unbemerkt von jedermann kam er bis an die Kammertür, klopfte an und rief seine Frau.

»Ich bin des Todes«, rief Frau Agnese, als sie ihren Mann vernahm. »Nun wird er dahinterkommen, was der Grund unserer Freundschaft ist.«

Bruder Rinaldo hatte Skapulier und Kutte abgelegt und war im bloßen Wams. »Ach, nur allzu wahr!« sprach er. »Wär‘ ich angekleidet, so ließe sich noch eher eine Ausrede finden. Aber wenn Ihr ihn einlaßt und er mich so antrifft, so wie ich hier bin, so hilft keine Entschuldigung.«

Die Frau fand den Augenblick Rat. »Zieht Euch nur an,« sprach sie, »und wenn Ihr fertig seid, so nehmt Euren kleinen Paten auf den Arm. Merkt aber wohl auf, was ich meinem Mann sagen werde, damit Eure Rede mit der meinigen übereinstimmt.«

Der gute Mann hatte kaum aufgehört zu klopfen, so antwortete ihm seine Frau: »Ich komme schon.« Sie öffnete ihm die Tür, ging ihm mit froher Miene entgegen und sagte: »Heute, lieber Mann, ist einmal Bruder Rinaldo zur guten Stunde, wie ein Schutzengel zu uns gekommen, sonst hätten wir gewiß unser Kind verloren.«

Als dies der arme Tropf hörte, war er ganz bestürzt und fragte, was denn geschehen wäre.

»Ach, lieber Mann,« sprach sie, »er fiel vorhin in eine so heftige Ohnmacht, daß ich dachte, er wäre schon tot, und daß ich nicht wußte, was ich tun oder wie ich mir raten sollte. Zum Glück kam Bruder Rinaldo, unser Gevatter, dazu und nahm ihn auf den Arm. ‚Gevatterin,‘ sprach er, ‚das Kind hat Würmer im Leibe, die ihm schon nahe ans Herz kommen und ihn nur gar leicht ums Leben bringen könnten. Seid aber unbesorgt; ich will sie beschwören, daß sie alle sterben sollen, und ehe ich wieder davongehe, sollt Ihr Euer Kind so gesund wiederhaben, als es jemals gewesen ist.‘ Wir hätten auch dich gerne hier gehabt, um einige Gebete dabei zu sprechen. Weil du aber nicht zu Hause warst und die Magd dich nicht finden konnte, so hat er die Gebete durch einen seiner Mitbrüder ganz zuoberst im Hause sprechen lassen. Er ging indessen mit mir in diese Kammer, weil niemand als die Mutter des Kindes bei der Beschwörung gegenwärtig sein durfte, und damit uns niemand stören möchte, schlossen wir die Tür zu. Er hat das Kind noch jetzt im Arm, und ich glaube, er wartet nur, bis sein Mitbruder die Gebete gesprochen hat, und der wird wohl schon zu Ende sein. Denn das Kind ist schon wieder bei völliger Besinnung.«

Der arme Kerl war so zärtlich um sein Kind besorgt, daß er alles glaubte und nicht das mindeste von dem Streiche argwöhnte, den ihm seine Frau gespielt hatte, sondern mit einem tiefen Seufzer sagte: »Ich will gleich hingehen und ihn sehen.«

»Beileibe nicht!« sprach die Frau. »Warte noch ein wenig, damit du nicht alles wieder verdirbst. Ich will hineingehen und zusehen, ob du kommen kannst, und will dich dann schon rufen.«

Bruder Rinaldo, der alles aufmerksam gehört und Zeit gehabt hatte, sich anzukleiden und das Kind auf den Arm zu nehmen, rief: »He! Gevatterin, höre ich nicht die Stimme des Gevatters?«

»Ja, Euer Ehrwürden«, antwortete der dumme Kerl.

»Kommt nur herein, Gevatter«, sprach Rinaldo.

Er ging hinein; Bruder Rinaldo kam ihm entgegen und sagte: »Da habt Ihr durch Gottes Gnade Euer Söhnchen frisch und gesund, um welches wir vor einem Stündchen besorgt waren, daß Ihr es diesen Abend nicht lebendig wiedersehen würdet. Lasset deswegen zur Ehre des Herrn dem heiligen Ambrosius ein Wachsbild des Kindes in Lebensgröße opfern; denn um seines Verdienstes willen hat es Euch der Himmel in Gnaden wiedergeschenkt.« Als der Knabe seinen Vater gewahrte, lief er ihm entgegen und schmeichelte ihm, wie Kinder zu tun pflegen. Der Vater hob ihn auf und vergoß Freudentränen, als wenn er ihn aus der Gruft gezogen hätte. Er küßte das Kind und dankte dem Gevatter, der ihm das Leben gerettet hätte.

Der Genosse des Paters, der die Magd mehr als ein Paternoster — es waren wohl deren vier — gelehrt, hatte ihr ein Beutelchen von weißem Zwirn gegeben, das ihm eine Nonne geschenkt hatte, und war ihr Seelsorger geworden, an dem sie mit frommer Verehrung hing. Als er hörte, daß der gute Ehemann in die Kammer seiner Frau gerufen wurde, schlich er sich leise an einen Ort, wo er alles hören konnte, was vorging. Als er nun merkte, daß alles glücklich abgelaufen war, kam er herunter und sagte: »Bruder Rinaldo, ich habe die vier Paternoster gesprochen, wie Ihr mir befohlen habt.«

»Wohlgetan, mein Bruder!« sprach Rinaldo. »Du hast guten Atem. Ich für meinen Teil hatte nur erst zwei sprechen können, als der Gevatter kam, allein der Herr hat meine und deine Arbeit gnädig gedeihen lassen, und das Kind ist wieder gesund.«

Der arme Betrogene ließ hierauf Wein und Erfrischungen bringen und bewirtete den Gevatter und seinen Mitbruder damit, womit ihnen beiden am besten gedient war. Er begleitete sie selbst bis zur Tür, empfahl sie Gott und versäumte nicht, das Wachsbild zu bestellen und es vor dem Bilde des heiligen Ambrosius neben den übrigen aufstellen zu lassen, übrigens nicht vor dem in Mailand.

18. Novelle

Ein Eifersüchtiger verkleidet sich als Priester und hört die Beichte seiner Frau. Sie beichtet ihm, daß sie einen Priester liebt, der sie alle Nächte besucht, und indem der Eifersüchtige deswegen vor seiner Tür Schildwache steht, läßt sie ihren Liebhaber über das Dach zu sich ins Haus kommen.

In Rimini war einmal ein Kaufmann, der an Geld und Gütern reich und auf seine sehr schöne Frau im höchsten Grade eifersüchtig war, und zwar aus keiner anderen Ursache, als weil er sie sehr liebte und sie für sehr schön hielt, und weil er sah, daß sie sich alle mögliche Mühe gab, ihm zu gefallen. Deswegen meinte er, ein jeder andere müßte sie ebenso liebenswürdig finden, und sie gäbe sich gleichfalls Mühe, einem jeden ebensosehr zu gefallen als ihm, die Schlußfolgerung eines Mannes von schlechtem Charakter und geringem Verstande. Seine Eifersucht verleitete ihn, sie so rigoros zu bewachen, daß mancher Missetäter, der zum Tode verurteilt ist, von seinem Kerkermeister nicht strenger gehalten werden kann. Nicht genug, daß er ihr nicht erlaubte, zu irgendeiner Hochzeit oder Feierlichkeit, oder auch nur in die Kirche zu gehen, sie durfte unter keiner Bedingung den Fuß aus dem Hause setzen sie wagte nicht einmal, sich am Fenster oder an der Tür zu zeigen, um auf die Straße hinauszusehen, so daß sie ein höchst unerträgliches Leben führte. Dieses empfand sie um desto schmerzlicher, je weniger sie es verdient hatte. Da sie nun unschuldigerweise so vieles von ihrem Manne dulden mußte, so beschloß sie endlich zu ihrer eigenen Genugtuung, wenn es möglich wäre, diese strenge Behandlung zu verdienen. Weil sie keine Gelegenheit hatte, sich am Fenster zu zeigen und irgendeinen Vorbeigehenden, der etwa mit ihr kokettierte, durch Blicke aufzumuntern, daß sie sich seine Liebe würde gefallen lassen, so machte sie einen Anschlag auf einen hübschen, anmutigen Jüngling, von dem sie wußte, daß er in dem Hause neben dem ihrigen wohnte, und sie beschloß, zu versuchen, ob nicht irgendwo ein Loch in der Mauer wäre, wo sie die Gelegenheit erspähen könnte, mit dem jungen Manne zu sprechen, ihm ihre Liebe anzutragen, die Mittel zu einer Zusammenkunft mit ihm zu verabreden und sich mit ihm die trüben Stunden solange zu vertreiben, bis der Eifersuchtsteufel aus ihrem Manne gefahren wäre. Indem sie nun, so oft ihr Mann nicht zu Hause war, bald hier, bald dort die Mauer des Hauses untersuchte, fand sie endlich an einem ziemlich verborgenen Orte einen kleinen Riß in der Mauer, durch den sie zwar nicht deutlich sehen aber doch so viel bemerken konnte, daß er in eine Kammer des benachbarten Hauses ausging. Sie wünschte nunmehr nichts sehnlicher, als daß diese die Kammer des Filippo, ihres jungen Nachbarn, sein möchte, und sie gab deswegen einer Magd, die sie bedauerte, den Auftrag, sich danach zu erkundigen. Zu ihrer großen Freude erfuhr sie, daß er wirklich dort ganz allein schlief. Von nun an besuchte sie den Spalt, so oft sie konnte, und als sie einst merkte, daß der junge Mann in seiner Kammer war, ließ sie Steinchen und Holzstückchen durch die Ritze in sein Zimmer fallen, bis sie seine Aufmerksamkeit erregte, und der Jüngling sich näherte, um zu sehen, was es zu bedeuten hätte. Jetzt rief sie ihn leise, und er, der ihre Stimme erkannte, antwortete ihr. Sie entdeckte ihm mit wenigen Worten ihr ganzes Herz, und der Jüngling war so froh darüber, daß er von seiner Seite alles beitrug, um den Spalt unbemerkt zu erweitern; so daß sie bequemer miteinander sprechen und sich die Hände geben konnten.

Weiter konnten sie es jedoch wegen der unermüdlichen Wachsamkeit des Eifersüchtigen nicht bringen.

Als das Weihnachtsfest herankam, sagte die Frau zu ihrem Manne, wenn er nichts dawider hätte, so wünschte sie am ersten Feiertage zur Frühmette in die Kirche zur Beichte und Kommunion zu gehen, wie andere gute Christen täten.

»Was hast du gesündigt, daß du beichten willst?« fragte der Eifersüchtige.

»Glaubst du denn, daß ich eine Heilige geworden bin, weil du mich so einschließest?« erwiderte die Frau. »Du kannst wohl denken, daß ich Sünden begehe wie andere sterbliche Menschen, aber dir will ich sie nicht bekennen, denn du bist kein Priester.«

Diese Worte waren ein neuer Zunder für den Verdacht des Eifersüchtigen; er nahm sich vor, zu wissen, welche Sünden seine Frau begangen hätte, und besann sich auch schnell auf ein Mittel dazu. Er antwortete demnach seiner Frau, er wäre es zufrieden; allein er verlangte, daß sie in keine andere Kirche gehen solle als in ihre eigene Kapelle, wohin sie sich frühmorgens begeben könne, auch solle sie entweder bei ihrem Kaplan beichten oder bei dem, den ihr dieser zuweisen würde, und bei keinem andern, und alsdann gleich wieder nach Hause kommen. Die Frau glaubte seine Absicht schon halb erraten zu haben, doch ließ sie sich nichts merken, sondern versprach bloß, alles so zu tun. Als der Christtag kam, stand sie des Morgens früh in der ersten Dämmerung auf, kleidete sich an und ging in die Kirche, die ihr Mann ihr angegeben hatte. Der Eifersüchtige war nicht minder früh bei der Hand und hatte sich schon vor seiner Frau nach derselben Kirche begeben. Mit dem Priester hatte er schon alles verabredet, was zu seiner Absicht diente; er zog einen Chorrock an, setzte eine große Kapuze mit Backenklappen auf, wie sie Priester zu tragen pflegen, zog sie tief ins Gesicht und nahm Platz im Chor. Als die Dame in die Kirche kam, fragte sie nach dem Kaplan. Dieser erschien, und als sie ihm sagte, daß sie beichten wolle, entschuldigte er sich, daß er zwar selbst nicht Zeit hätte, ihre Beichte zu hören, doch versprach er, ihr einen seiner Amtsbrüder zu schicken. Er ging darauf weg und schickte den Eifersüchtigen zu seinem bösen Stündlein hin. Dieser kam langsam einhergeschritten; allein ob es gleich noch nicht hell war und er seine Kapuze so tief als möglich in die Augen gerückt hatte, so erkannte ihn doch seine Frau auf den ersten Blick. Nun, gottlob dachte sie bei sich, mein Eifersüchtiger ist aus einem Kerkermeister zum Priester geworden, aber laßt ihn nur machen, er soll bei mir finden, was er sucht. Sie tat demnach, als ob sie nichts merke, und kniete vor ihm nieder. Der Eifersüchtige hatte ein paar Kieselsteine in den Mund genommen, um seine Stimme vor seiner Frau zu verstellen, und glaubte überhaupt sich so vermummt zu haben, daß niemand ihn erkennen könnte. Die Frau begann ihre Beichte, und nachdem sie ihm gesagt hatte, daß sie verheiratet sei, gestand sie, sie wäre sehr verliebt in einen Priester, und er schliefe alle Nächte bei ihr. Bei diesem Geständnisse ward dem Eifersüchtigen zumute, als wenn ihm ein Dolch ins Herz gestoßen würde und wenn er nicht begierig gewesen wäre, mehr zu erfahren, so wäre er mitten in der Beichte davongelaufen.

Er hielt indessen Stich und fragte: »Schläft denn nicht Euer Mann bei Euch?«

»Ei freilich, ehrwürdiger Herr«, sprach die Dame.

»Wie kann denn auch der Priester bei Euch schlafen?« fragte der verkappte Beichtvater.

»Herr,« versetzte sie, »ich weiß nicht, welche Kunst er anwendet, aber es ist keine Tür in unserem Hause so fest verschlossen, die sich ihm nicht öffnet, sobald er sie nur berührt, und er hat mir auch gesagt, daß er gewisse Worte spricht, ehe er in meine Kammer kommt, die meinen Mann augenblicklich einschläfern, und sobald er merkt, daß dieser schläft, öffnet er die Tür, kommt herein und bleibt bei mir, und dies schlägt ihm niemals fehl.«

»Madonna, das ist sehr übel getan,« sprach der Eifersüchtige, »und Ihr müßt es beileibe nicht mehr tun.«

»Ach, Ehrwürdiger,« versetzte die Frau, »ich glaube nicht daß ich es unterlassen kann, denn ich liebe ihn gar zu sehr.«

»Dann kann ich Euch nicht lossprechen«, antwortete ihr Mann.

»Das tut mir leid,« versetzte die Frau, »allein ich bin nicht hergekommen, um Euch zu belügen; wenn ich glaubte, daß ich es lassen könnte, so würde ich’s Euch sagen.«

»Es tut mir wahrlich leid um Euch, Madonna,« sprach der Eifersüchtige, »weil ich sehe, daß Ihr auf diese Weise Eure Seele ins Verderben stürzt. Ich will inzwischen Euch zuliebe besonders für Euch beten, vielleicht wird Euch das helfen. Ich will deswegen meinen Chorknaben bisweilen zu Euch schicken, und Ihr könnt ihm sagen, ob mein Gebet Euch geholfen hat oder nicht. Hilft es, so will ich damit fortfahren.«

»Tut das ja nicht, ehrwürdiger Herr,« sprach sie, »daß Ihr mir jemand ins Haus schickt. Mein Mann ist gar zu eifersüchtig, und wenn er’s erführe, so würde alle Welt ihm den Verdacht nicht aus dem Kopfe bringen, daß der Mensch um unerlaubter Dinge willen zu mir käme, und dann hätt‘ ich in Jahr und Tag keine gute Stunde mehr bei ihm.«

»Davor fürchtet Euch nicht, Madonna«, sprach der Eifersüchtige. »Ich will es schon so einrichten, daß Ihr nie ein Wort von ihm deswegen hören sollt.«

»Wenn Ihr das zuwege bringt, so bin ich’s zufrieden«, sprach die Frau. Sie schloß hierauf ihre Beichte, empfing die Absolution, stand auf und ging in die Messe.

Der Eifersüchtige keuchte vor Wut über sein Mißgeschick. Er legte seine Priesterkleider ab und ging nach Hause, voll Begier, den Priester bei seiner Frau zu ertappen und ihnen beiden übel mitzuspielen.

Als die Frau aus der Kirche kam, sah sie bald an der Miene ihres Mannes, daß sie ihm einen bösen Christtag verschafft hatte; er suchte jedoch soviel wie möglich sich nichts merken zu lassen, was er getan hatte und was er meinte erfahren zu haben. Da er nun beschlossen hatte, die folgende Nacht bei der Haustür aufzupassen, ob der Priester kommen würde, so sagte er zu seiner Frau: »Ich werde heute abend auswärts essen und auch die Nacht nicht zu Hause zubringen. Sieh zu, daß du die Haustür, die Treppentür und die Kammertür gut verschließest und geh zu Bett, wenn es Zeit ist.«

»Schön!« sagte die Frau und ging, sobald sie Zeit fand, zu ihrer Mauerspalte. Auf ein gegebenes Zeichen stellte sich Filippo den Augenblick ein. Sie erzählte ihm, was sie des Morgens getan und was ihr Mann ihr nach der Mahlzeit gesagt hatte. »Ich bin versichert,« sprach sie, »daß er nicht aus dem Hause gehen, sondern an der Tür Nachtwache halten wird. Versuche über das Dach zu mir ins Haus zu kommen, damit wir beieinander sein können.«

»Madonna, laßt mich nur machen«, sprach der Jüngling voller Freuden.

Als der Abend kam, nahm der Eifersüchtige seinen Degen und verbarg sich heimlich in einem Kämmerchen im Erdgeschoß, dicht neben der Haustür. Die Frau vergaß nicht, alle Türen zu verschließen, vor allen Dingen aber die Treppentür, damit ihr Eifersüchtiger nicht zu ihr herauf kommen könne. Zu gelegener Zeit kam der junge Nachbar still und vorsichtig zu ihr herüber, und beide legten sich zu Bett, um sich miteinander zu vergnügen, bis der Tag kam und der Jüngling in sein Haus zurückkehrte.

Indes klapperten dem Eifersüchtigen, der nichts zu Abend gegessen hatte, vor Hunger, Frost und Verdruß die Zähne. Er blieb fast die ganze Nacht hindurch wach und unter den Waffen und wartete auf den Priester. Als schon der Morgen dämmerte, legte er sich endlich in dem Kämmerchen zu ebener Erde nieder und schlief bis zur dritten Morgenstunde. Sobald die Haustür offen war, stand er auf und stellte sich als ob er eben nach Hause käme, ging hinauf in sein Zimmer und frühstückte. Bald nachher schickte er einen Knaben zu seiner Frau, der sich für den Chorknaben des Priesters, bei dem sie gebeichtet hatte, ausgeben und sich erkundigen mußte, ob der Bewußte wieder bei ihr gewesen wäre.

Die Frau kannte den Abgesandten recht gut und gab ihm zur Antwort, der Bewußte sei in der vergangenen Nacht nicht gekommen, und wenn er noch öfter ausbliebe, so wäre es möglich, so leid ihr das auch sein würde, daß sie ihn gar vergäße.

Der Eifersüchtige fuhr noch viele Nächte fort, an der Tür zu wachen, um den Priester zu ertappen; die Frau versäumte unterdessen nicht, sich mit ihrem Liebhaber gütlich zu tun. Endlich konnte der Eifersüchtige sich nicht länger halten und fragte mit zorniger Miene seine Frau, was sie dem Priester an jenem Morgen in der Beichte gesagt hätte.

Sie gab zur Antwort, sie würde es ihm nicht sagen, weil es weder ehrbar noch geziemend wäre, es ihn wissen zu lassen.

»Gottloses Weib!« fuhr er sie an. »Ich weiß trotzdem, was du ihm gebeichtet hast, und nun will ich durchaus wissen, wer der Priester ist, in den du dich vergafft hast, und der durch seine Zauberei alle Nächte bei dir schläft. Gestehe mir’s, oder ich schneide dir den Hals ab.«

Die Frau antwortete, es wäre nicht wahr, daß sie einen Priester liebe.

»Was?« sprach der Mann. »Hast du dem Priester nicht so und so alles gestanden, als du ihm beichtetest?«

»Das kann er dir nur selbst erzählt haben. Du sprichst so, als ob du selbst dabeigewesen bist. Freilich habe ich ihm das alles gesagt.«

»Wohlan, so sage mir, wer dieser Priester ist, und zwar sofort«, sprach der Eifersüchtige.

Die Frau lachte und gab ihm zur Antwort: »Es macht mir nicht wenig Spaß, daß ein kluger Mann sich von einem einfältigen Weib bei der Nase führen läßt wie ein Schöps bei den Hörnern zur Schlachtbank. Aber du bist freilich nicht recht klug und warst es nie, von dem Tage an, da du dich von dem verdammten Teufel der Eifersucht betören ließest, ohne selbst zu wissen warum; und je törichter und einfältiger du dich bewiesen hast, um so weniger Ehre macht es mir, dich überlistet zu haben. Meinst du denn, mein Herr und Gemahl, daß ich an den Augen des Leibes so blind bin wie du an den Augen des Geistes? Nein, das bin ich wahrlich nicht! Ich sah und wußte wohl, wer der Priester war, dem ich beichtete, und das warst du selbst. Ich nahm mir aber vor, dir zu geben, was du haben wolltest, und ich gab es dir. Wärst du so gescheit gewesen wie du dich dünkst, so hättest du freilich nicht auf solche Art gesucht, hinter die Geheimnisse deines guten Weibes zu kommen; du hättest auch wohl, ohne dir eitle und nichtige Grillen in den Kopf zu setzen, einsehen können, daß ich dir die reine Wahrheit bekannte, ohne jedoch das geringste wider dich gesündigt zu haben. Ich sagte dir, ich liebe einen Priester. Und hattest denn du, den ich mehr liebe, als du es verdienst, dich nicht in einen Priester verwandelt? Ich sagte dir, keine Tür in meinem Hause könne ihm den Weg versperren. Und welche Tür hätte dich denn jemals zurückhalten können, wenn du zu mir kommen wolltest? Ich sagte, der Priester schliefe alle Nächte bei mir. Und welche Nacht hättest du nicht bei mir geschlafen? So oft du nachher deinen Chorknaben zu mir sandtest, weißt du, daß ich dir jedesmal, wenn du nicht bei mir gewesen bist, dir ebenso oft habe sagen lassen, der Bewußte wäre ausgeblieben. Welcher Narr außer dir, der du dich von der Eifersucht hast verblenden lassen, hätte das alles nicht eingesehen? Überdies bist du zu Hause geblieben, hast an der Tür Schildwache gestanden, und mir glaubtest du weiszumachen, du hättest anderswo zur Nacht gegessen und geschlafen. Bessere dich doch endlich und werde wieder ein Mann, wie du gewesen bist, und mache dich nicht zum Gespött bei denen, die dich kennen, wie ich dich kenne, und laß das feierliche Wachestehen bleiben, wie du es bis jetzt ausübst. Denn ich schwöre dir bei Gott, wenn mir die Lust ankäme, dir Hörner aufzusetzen, und du hättest hundert Augen statt deiner zwei, ich würde wissen, meinen Willen durchzusetzen, ohne daß du das geringste gewahr würdest.«

Der Eifersüchtige, der meinte, das Geheimnis seiner Frau so schlau ausgekundschaftet zu haben, merkte nun, daß sie ihn zum besten gehabt hatte. Er erwiderte ihr kein Wort, und von der Stunde an hielt er sie für das beste und keuscheste Weib und entsagte seiner Eifersucht in dem Augenblick, da sie begründet gewesen wäre, nachdem er sich ihr zur Unzeit überlassen hatte, solange es nicht nötig war. Die kluge Frau hatte von der Zeit an fast freie Hand, sich ihrem Vergnügen zu überlassen, und sie brauchte nun nicht mehr ihren Liebhaber über die Dächer kommen zu lassen wie ein Kater, sondern konnte ihn zur Tür hereinlassen. Sie stellte es so vorsichtig an, daß sie zu vielen Malen frohe Stunden und ein heiteres Leben genoß.

19. Novelle

Lodovico macht Frau Beatricen eine Liebeserklärung. Sie schickt ihren Mann in ihrer Kleidung in den Garten und läßt den Lodovico unterdessen seinen Platz einnehmen, welcher hernach aufsteht und den Gemahl im Garten verprügelt.

In Paris war vor nicht gar zu langer Zeit ein florentinischer Edelmann, den seine zerrütteten Vermögensverhältnisse gezwungen hatten, ein Kaufmann zu werden, und das Glück war ihm bei seinen Geschäften so günstig gewesen, daß er ein sehr reicher Mann geworden war. Er hatte mit seiner Frau nur einen einzigen Sohn, namens Lodovico. Weil er nun wünschte, daß dieser, seiner Geburt gemäß, als ein Edelmann und nicht als Kaufmann sollte erzogen werden, so hatte er ihn nie in ein Geschäft stecken wollen, sondern ihn mit andern jungen Edelknaben am Hofe des Königs von Frankreich Dienst nehmen lassen, woselbst er seine Sitten sehr vorteilhaft gebildet und viel Gutes gelernt hatte. Während dieser Zeit kamen einmal einige Edelleute, die eben von einer Wallfahrt nach dem Heiligen Grabe zurückkehrten, in eine Gesellschaft junger Leute, bei der sich auch Lodovico befand; und indem sie von den schönen Frauen in Frankreich, England und anderen Ländern sprachen, behauptete einer von ihnen, daß es auf dem weiten Rund der Erde unter allen Frauen, die er gesehen hätte, keine schönere gäbe als Madonna Beatrice, die Gemahlin des Egano de Galuzzi in Bologna. Eben dies bestätigten auch alle seine Reisegefährten, die mit ihm in Bologna gewesen waren. Lodovico, der das hörte und noch nie geliebt hatte, ward durch diese Beschreibung so neugierig gemacht, sie zu sehen, daß er mit keinem anderen Gedanken umging und es sich fest vornahm, nach Bologna zu reisen, um sie kennen zu lernen und dazubleiben, wenn sie ihm gefiele. Er gab demnach gegen seinen Vater vor, daß er nach dem Heiligen Grabe wallfahren wolle, und erhielt die Erlaubnis dazu, nicht ohne viel Schwierigkeit. Unter dem angenommenen Namen Anichino kam er nach Bologna; und das Glück fügte es so, daß er schon am folgenden Tage bei einem öffentlichen Feste Beatrice zu sehen bekam, die er noch weit schöner fand, als er sie sich vorgestellt hatte, und sich deswegen vornahm, Bologna nicht eher zu verlassen, als bis er ihre Liebe gewonnen habe. Nachdem er sich lange über die Mittel bedacht hatte, seinem Ziel näherzukommen, deuchte ihm endlich das beste zu sein, von anderen Plänen abzusehen und bei ihrem Gemahl, der eine sehr zahlreiche Dienerschaft unterhielt, Dienste zu nehmen. Er verkaufte demnach seine Pferde, brachte seine Leute gehörig unter und befahl ihnen, sich nie merken zu lassen, daß sie ihn kannten. Hierauf entdeckte er seinem Wirte, daß er wohl Lust hätte, bei einem guten Herrn in Dienst zu gehen.

Der Wirt gab ihm zur Antwort: »Du scheinst mir gerade der Mann zu sein, um einem gewissen Edelmann zu Bologna, namens Egano, willkommen zu sein. Er hält viele Diener und sieht es gern, daß sie so manierlich aussehen wie du. Ich will mit ihm sprechen.«

Er hielt ihm auf der Stelle Wort und brachte es auch gleich bei der ersten Unterredung dahin, daß Egano den Anichino in seine Dienste nahm, was diesem sehr erfreulich war. Als er nun bei diesem angestellt war und öfter Gelegenheit hatte, seine Gebieterin zu sehen, ließ er es sich angelegen sein, seinen Herrn so aufmerksam zu bedienen, daß er seine Liebe bald in einem solchen Grade gewann, daß er nichts ohne ihn vornahm und ihm alle seine Angelegenheiten anvertraute.

Einmal, Egano war auf die Reiherbeize geritten und Anichino zu Hause geblieben, setzte sich Beatrice (die zwar von seiner Liebe noch nichts ahnte, aber an seinen Manieren viel Gefallen fand und ihm deswegen sehr zugetan war) mit ihm zum Schachspiel, und Anichino, um ihr Vergnügen zu machen, wußte es sehr geschickt so einzurichten, daß sie gewann, worüber sie große Freude hatte. Während des Spieles hatten sich ihre Frauen eine nach der andern entfernt, und sobald sie beide allein waren, tat Anichino einen tiefen Seufzer.

»Was ist dir, Anichino?« fragte Beatrice und sah ihn an. »Ist es dir so leid, daß ich gewinne?«

»Ach, Madonna!« antwortete Anichino, »etwas viel Wichtigeres hat mir diesen Seufzer ausgepreßt.«

»So sage es mir, wenn du mich lieb hast«, versetzte Beatrice.

Ein noch tieferer Seufzer als der erste entfuhr Anichino, als er die Worte »wenn du mich lieb hast« von der hörte, die er über alles liebte. Beatrice bat ihn deswegen nochmals, ihr zu sagen, worüber er seufze.

»Madonna,« erwiderte Anichino, »ich fürchte, Ihr werdet mir zürnen, wenn ich es Euch sage, und ich muß besorgen, daß Ihr es einer anderen Person wiedersagen werdet.«

»Ich verspreche dir,« versetzte sie, »daß ich es nicht übelnehmen will, und du kannst versichert sein, daß ich ohne deinen Willen von dem, was du mir entdeckst, nie einem andern etwas wiedersagen werde.«

»Wenn das ist, so will ich es Euch gestehen«, sprach Anichino, und fast traten ihm die Tränen in die Augen, als er ihr erzählte, wer er wäre, was er von ihr gehört hätte und wo und wie er verliebt in sie geworden wäre und weswegen er Dienst bei ihrem Gemahl genommen hätte. Zugleich bat er sie demütig, Mitleid mit ihm zu haben und seiner ebenso feurigen als verschwiegenen Liebe, wenn es möglich wäre, Gehör zu geben; oder wenn sie sich dazu nicht entschließen könne, ihm wenigstens zu vergönnen, sie ferner in seinem bisherigen Verhältnis zu verehren.

O du ausbündige, sanfte Wärme des bolognesischen Blutes! Wie bist du immer in solcher Herzensqual zu preisen gewesen! Nie konntest du dein Auge weiden an den Tränen, an den Seufzern der Liebenden; nie warst du taub gegen zärtliche Bitten, sondern mit gütiger Herablassung kamst du jederzeit den Wünschen der aufrichtigen Liebe entgegen. Wäre ich imstande, dich nach Verdienst zu rühmen, so würde mein Mund nie von deinem Lobe schweigen.

Die edle Frau verwandte keinen Blick von Anichino, indem er sprach, und da sie seinen Worten Glauben beimaß, wirkte die Liebe durch seine Bitten so mächtig auf ihr Herz, daß auch sie sich bewegt fühlte und mit mehr als einem Seufzer ihm zur Antwort gab: »Sei getrost, lieber Anichino! Mich haben zwar bisher weder Geschenke noch Verheißungen, weder Bitten noch Schmeicheleien von Rittern und Herren oder auch von anderen Personen zur Liebe reizen können, obwohl ich genug Anfechtungen dieser Art gehabt habe und noch habe. Aber du hast mich durch deine Worte in diesen wenigen Augenblicken mehr zu der Deinigen gemacht, als ich mir selbst gehöre. Ich halte dich meiner Liebe vollkommen wert und will sie dir gewähren, und ich verspreche dir, ehe die künftige Nacht zu Ende geht, dich ihre Früchte genießen zu lassen. Komm um Mitternacht in meine Kammer, du wirst die Tür offen finden. Du weißt, an welcher Seite des Bettes ich schlafe. Dort komm hin, und wenn ich ja eingeschlummert wäre, so wecke mich nur mit einer leisen Berührung und erwarte von mir den Lohn deiner langen Sehnsucht. Damit du mir glaubst, so nimm diesen Kuß zum Unterpfand.« Sie schlang ihm die Arme um seinen Hals und küßte ihn so liebevoll wie Anichino sie. Nachdem sie das besprochen hatten, ging Anichino weg, um seine Geschäfte zu besorgen, und erwartete mit zärtlicher Ungeduld die kommende Nacht. Egano kam von seiner Jagd zurück, und weil er sehr müde war, ging er bald nach dem Abendessen zu Bett, und seine Gemahlin folgte ihm und ließ wie verabredet, die Kammertür offen. Anichino kam um die bestimmte Zeit, trat leise in die Kammer, verschloß die Tür von innen, ging an die Seite des Bettes, wo die Dame lag, und legte die Hand auf die Brust der Dame, die er noch wachend antraf. Sie faßte mit ihren beiden Händen die seinige und hielt ihn fest. Hierauf warf sie sich, immer ihn festhaltend, so lange im Bett hin und her, bis ihr Gemahl erwachte. Als er wach war, sagte sie zu ihm: »Ich habe dich heut abend nicht aufhalten wollen, weil ich glaubte, du wärest müde, aber sage mir doch jetzt, ich bitte dich, wen hältst du wohl unter allen deinen Dienern für den treuesten und für den, der dir am meisten ergeben ist?«

»Was willst du mit dieser Frage sagen?« sprach Egano. »Weißt du das nicht selbst? Ich glaube nicht, daß ich jemals einen treueren Bedienten gehabt habe oder noch habe, auf den ich mehr Vertrauen setze, oder ihn lieber hätte, als Anichino. Aber noch einmal, warum stellst du diese Frage?«

Als Anichino fand, daß Egano wache, und als er hörte, daß von ihm die Rede war, versuchte er mehr als einmal, seine Hand wegzuziehen und sich zu entfernen, weil er fürchtete, die Dame wolle ihn verraten; allein sie hielt ihn so fest, daß er sich nicht loswinden konnte. Sie antwortete ihrem Gemahl: »Ich glaubte ebenfalls, daß es sich so verhielte, wie du sagst, und daß er dir treuer wäre als irgendein anderer; allein er selbst hat mir die Augen geöffnet. Denn als du heute auf die Beize geritten warst, blieb er zu Hause, und wie er glaubte, er hätte eine treffliche Gelegenheit gefunden, war er so unverschämt, von mir zu verlangen, ich solle ihm zu Willen sein. Um mich der Mühe zu überheben, dich davon weitläufig zu überführen, stellte ich mich, als ob ich dareinwillige, und versprach ihm, um Mitternacht in den Garten zu kommen und ihn unter dem Fichtenbaume zu erwarten. Du kannst wohl denken, daß ich nicht Lust habe, hinzugehn. Willst du aber die Treue deines Dieners auf die Probe stellen, so brauchst du nur eines von meinen Nachtkleidern anzulegen, einen Schleier über den Kopf zu werfen und ihn im Garten zu erwarten; ich glaube nicht, daß er ausbleiben wird.«

»Das will ich doch wirklich sehen!« sprach Egano, stand auf, zog, so gut es im Dunkeln ging, ein Nachtkleid seiner Frau an, hüllte sich in ihren Schleier und ging in den Garten, um unter dem Fichtenbaum auf Anichino zu warten. Kaum war er hinausgegangen, so stand auch sie auf und verriegelte die Tür von innen. Anichino, der die größte Angst von der Welt ausgestanden, sich immer aus den Händen der Dame loszuwinden gesucht und hunderttausendmal sie und seine Liebe, sich selbst und seine Leichtgläubigkeit verwünscht hatte, war nunmehr außer sich vor Wunder und Wonne und eilte, nachdem sie wieder zu Bett gegangen war und er sich nach ihrem Wunsch entkleidet hatte, in die Arme seiner Geliebten, die ihn mit den süßesten Freuden beglückte. Nachdem sie eine geraume Zeit zusammen zugebracht hatten und die Dame glaubte, daß es für Anichino Zeit wäre, sich wegzubegeben, ließ sie ihn sich wieder ankleiden und sagte zu ihm: »Jetzt, mein Lieber, versieh dich mit einem tüchtigen Stock, geh in den Garten und stell dich, als wenn du meinen Mann für mich hieltest und mich mit deinem Liebesantrag nur hättest in Versuchung führen wollen. Überhäufe ihn mit Vorwürfen und präge sie ihm ein mit dem Knüttel, es wird uns zu nicht geringem Nutzen und Vergnügen gereichen.«

Anichino stand auf, nahm einen schlanken Weidenstock mit und ging in den Garten. Als er sich dem Fichtenbaum näherte, und Egano ihn gewahr ward, ging ihm dieser entgegen, als wenn er ihn mit Freuden empfangen wollte.

»Ehrvergessenes Weib!« schrie Anichino ihn an. »Bist du denn wirklich gekommen und hast geglaubt, daß es mir jemals einfallen könne, diese Schandtat an meinem Herrn zu begehen? Aber warte, du sollst mir tausendmal dein böses Stündlein verfluchen, das dich hergeführt hat.« Damit erhob er seinen Stock und fing an, Egano die Schultern damit zu messen. Kaum hörte dieser seine Worte und fühlte den Knüttel, so lief er, ohne einen Laut von sich zu geben, aus Leibeskräften davon. Anichino verfolgte ihn und rief noch immer: »Daß dich der Teufel hole, du liederliches Weibsstück! Warte nur, ich will morgen Egano von deinen Streichen erzählen.«

Egano, der ein paar tüchtige Hiebe davongetragen hatte, lief so geschwind als möglich in seine Kammer zurück, und seine Frau empfing ihn mit der Frage, ob Anichino sich eingestellt habe.

»Ich wollte, er wäre weggeblieben«, sprach Egano. »Er hielt mich für dich und hat mir mit einem Knüttel die Rippen weichgedroschen und mir alle niederträchtigen Schmähworte gesagt, die man einem liederlichen Weibsstück nur sagen kann. Es hätte mich auch gewundert, daß er dir einen solchen Antrag sollte gemacht haben, in der ernstlichen Absicht, mich zu beleidigen; aber dein munteres und fröhliches Wesen hat ihn vermutlich auf den Einfall gebracht, dich in Versuchung zu führen.«

»Gott sei Dank,« sprach Beatrice, »daß er mich nur mit Worten und dich mit der Tat geprüft hat! Er wird gewiß denken, daß ich die Worte geduldiger ertragen habe als du die Taten. Weil er dir denn wirklich so treu ist, so müssen wir ihn lieb und in Ehren halten.«

»Du hast recht«, sprach Egano und glaubte von nun an, vollgültige Beweise empfangen zu haben, daß er die keuscheste Frau und den treuesten Diener hätte, deren sich jemals ein Edelmann hätte erfreuen können. Er selbst scherzte hernach noch oft mit seiner Gemahlin und mit Anichino über diesen Auftritt, und diese gewannen dadurch bequemere Gelegenheit, als sie sonst vielleicht gefunden hätten, zu tun, woran sie Freude und Lust fanden, solange Anichino es noch gefiel, bei Egano in Bologna zu bleiben.