Sechsunddreißigste Erzählung


Als ein Präsident von dem üblen Verhalten seines Weibes erfährt, schafft er derart Ordnung, daß er Rache nimmt, ohne daß etwas bekannt wird.

»Zu Grenoble lebte ein Präsident, der, wie ich ohne Namensnennung verraten kann, kein Franzose war. Er nannte ein schönes Weib sein eigen, und beide lebten miteinander in friedlichster Eintracht. Als aber die Frau ihren Mann altern sah, entflammte sie in Liebe zu einem Sekretarius von einnehmender Schönheit. Ging morgens der Präsident zum Gerichtsgebäude, so trat alsbald der Sekretarius in ihre Stube und nahm seinen Platz ein. Das bemerkte ein alter Diener, der schon seit dreißig Jahren in des Präsidenten Haus war und da er sich seinem Herrn treu ergeben fühlte, konnte er nicht schweigen und hinterbrachte es ihm.

Der Präsident war ein gesetzter Mann. Darum schenkte er ihm nicht so ohne weiteres Glauben und entgegnete, jener wolle wohl seine häusliche Eintracht stören. Wären seine Behauptungen wahr, so solle er sie beweisen; gelänge ihm das nicht, so wäre ja leicht festgestellt, daß er alles erlogen habe, um sein Einvernehmen mit seinem Weibe zu trüben. Der Diener aber verschwor sich hoch und teuer, ihm den Beweis vor Augen zu führen. Und als nun wieder eines Morgens der Präsident zum Gerichtshof gegangen und der Sekretarius in seines Weibes Stube geschlüpft war, ließ der Diener seinen Herrn durch einen Gefährten rufen und bewachte derweile die Tür, damit der Sekretarius nicht entwische.

Kaum bemerkte der Präsident, daß einer seiner Leute ihm ein Zeichen gab, so schützte er ein Unwohlsein vor, hob die Sitzung auf und eilte hastig heim. Vor der Tür fand er seinen alten Diener, der ihm versicherte, der Sekretarius sei erst vor kurzem eingetreten. So sprach sein Herr: ›Bleib hier stehen, denn du weißt, daß es nur noch einen Zugang durch eine Kammer gibt, zu der ich allein den Schlüssel besitze.‹ Dann trat er in die Stube und fand sein Weib und den Sekretarius zusammen im Bett liegend vor.

Der junge Mann warf sich ihm, nur mit einem Hemd bekleidet, alsbald zu Füßen und bat ihn um Verzeihung, derweile die Frau in bittere Tränen ausbrach. Der Präsident aber sprach zu ihr: ›Die Schwere Eures Vergehens möget Ihr selbst beurteilen. Doch ich will mein Haus nicht entehrt wissen noch meine Töchter durch Euch herabgesetzt sehen. Deswegen laßt Euer Jammern und hört was ich sage: Ihr, Nicolas‹ – so hieß der Sekretarius, verhaltet Euch lautlos.‹ So geschah es. Dann öffnete er die Tür, rief seinen alten Diener und sagte: ›Hast du mir nicht versprochen, mir mein Weib in den Armen des Sekretarius zu zeigen? Daraufhin kam ich hierher und hätte schier meine Frau getötet. Aber ich habe nichts von dem gefunden, davon du sprachest. Ich habe vergeblich alle Winkel durchsucht, und du selbst magst dich auch davon überzeugen.‹

Damit ließ er den Diener alles durchstöbern und selbst unter die Betten schauen. Und da der nichts fand, sagte er ganz verblüfft zu seinem Herrn: ›Den muß wahrhaftig der Gottseibeiuns davongetragen haben, denn ich sah ihn eintreten, herausgekommen ist er nicht, und hier ist er auch nirgends.‹ Alsbald erwiderte sein Herr: ›Welch unseliger Gedanke von dir, unsern häuslichen Frieden so stören zu wollen. Packe darum deine Sachen und geh fort. Ich will dir ob deiner früheren Dienste deinen Lohn auszahlen und sogar noch mehr, aber mach‘, daß du schleunigst fortkommst und binnen vierundzwanzig Stunden die Stadt verlassen hast.‹ Dann gab er ihm den fünf- bis sechsfachen Jahreslohn und bedachte angesichts seiner Treue auch weiter für ihn zu sorgen.

Als der Diener weinend hinausgegangen war, ließ der Präsident den Sekretarius aus seinem Versteck hervorkommen, führte ihm und der Frau ihre Schlechtigkeit eindringlichst vor Augen und verbot beiden, sich etwas merken zu lassen. Dann hieß er seinem Weibe, sich künftighin prächtiger als sonst zu kleiden und an allen Gesellschaften und Festen teilzunehmen. Desgleichen befahl er dem Sekretarius, mehr denn sonst dem Vergnügen nachzugehen. Wenn er ihm aber sage: ›Scher‘ dich fort!‹, so möge er sich wohl hüten noch länger als drei Stunden in der Stadt zu verweilen. Alsdann kehrte er in den Gerichtshof zurück als sei nichts geschehen.

Vierzehn Tage lang gab er nun, ganz gegen seine Gewohnheit, seinen Nachbarn und Freunden Festgelage, nach denen Musik für die Damen zum Tanz aufspielte. Als er eines Tages bemerkte, daß seine Frau nicht tanzte, hieß er den Sekretarius mit ihr tanzen, und der tat das voller Freuden, denn er vermeinte, sein Herr habe seinen Fehltritt vergessen. Kaum aber war der Tanz aus, da trat der Präsident an ihn heran, als ob er ihm irgendeinen Auftrag fürs Haus gäbe, und sagte ihm ins Ohr: ›Pack dich und komme nie wieder!‹ So war der Sekretarius zwar tief betrübt, die Dame seines Herzens verlassen zu müssen, aber im Grunde herzlich froh, mit dem Leben davonzukommen.

Nachdem nun der Präsident solchergestalt allen Verwandten und Freunden die Überzeugung beigebracht hatte, daß er seinem Weibe in inniger Liebe zugetan sei, pflückte er eines schönen Tages im Mai einen Salat in seinem Garten, nach dessen Genuß sein Weib binnen vierundzwanzig Stunden verstarb. Und er heuchelte solche Trauer, daß niemand die Ursache dieses Todesfalles argwöhnen konnte. So hatte er sich an seinem Feinde gerächt und die Ehre seines Hauses gerettet.

Ich will nun zwar nicht behaupten, daß der Präsident ob dieser Handlungsweise ein sehr gutes Gewissen haben sollte. Aber ich wollte die große Geduld und Klugheit eines Mannes der Leichtfertigkeit einer Frau gegenüberstellen. So zürnt mir nicht, meine Damen. Denn die Wahrheit zeigt, daß Laster und Tugenden so bei Männern zu finden sind wie bei Frauen.«

»Wenn alle Gattinnen, die ihre Untergebenen lieben, solchen Salat essen müßten,« meinte Parlamente, »so wüßte ich gar manche, die ihre Gärten weniger gern haben sollten als sie es tun, und sicher alle Kräuter ausreißen würden, um das Gift zu fliehen, das mit dem Tode der liebestollen Mutter ihren Kindern die Ehre rettet. Doch scheint mir, jene Frau erlitt eine wohlverdiente Strafe und ihr Mann waltete seiner Rache mit bewunderungswürdiger Klugheit.« – »Und mit großer Arglist und Bosheit!« rief Longarine. »Solch lange und grausame Rachgier zeigt, daß er Gott und sein Gewissen nicht mehr vor Augen hatte.« – »Und was hättet Ihr in diesem Fall getan?« fragte Hircan. – »Mir wäre es lieber gewesen,« entgegnete jene, »daß er sie im ersten Zorn getötet hätte. Denn die Gelehrten sagen, daß solche Sünde verzeihlich ist, maßen in der ersten Aufwallung der Mensch keine Gewalt über sich hat. Darum hätte man ihm dann wohl verzeihen können.«

»Freilich,« sprach Guebron, »aber der Makel wäre auf seinen Töchtern und der Familie hängen geblieben.« – »So durfte er sie überhaupt nicht töten,« erklärte Longarine, »denn da der große Zorn verraucht war, hätte sie als geachtete Frau weiter neben ihm leben können und alles wäre vergessen worden.« – »Meint Ihr,« fragte Saffredant, »daß sein Grimm verflogen war, weil er ihn verhehlte? Ich an seiner Stelle wäre an dem Tage, wo der Salat gepflückt wurde, genau so zornig gewesen als am Anfang. Denn die Wut dauert an, bis sie sich entladen hat. Aber ich freue mich sehr, zu hören, daß die Kirchenlehrer solche Aufwallungssünden verzeihlich finden; denn ich bin der gleichen Ansicht.« – »Man muß seine Worte sorglich wägen, wenn man mit so gefährlichen Leuten spricht, wie Ihr es seid,« lächelte Parlamente. »Was ich sagte, bezog sich auf Fälle, wo eine Leidenschaft so stark ist, daß sie unversehens all unsere Sinne ergreift und von Vernunft nicht mehr die Rede ist.« – »Ganz recht,« antwortete Saffredant, »daran halte ich mich auch und ziehe den Schluß, daß ein sehr verliebter Mann leichter Verzeihung finden kann, als einer, der bei ruhigem Verstande sich etwas zuschulden kommen läßt. Denn wer in den Banden der Liebe liegt, hat keine Einsicht mehr. Und nun laßt uns hören, wem Emarsuitte das Wort erteilt.« – »Ich gebe es Dagoucin,« sprach diese, »denn ich hoffe, er wird nichts gegen die Frauen sagen.« Und der hub also an:

»Gebe Gott, sie wären mir alle so wohlgeneigt, als ich ihnen. So will ich zeigen, wie ich allezeit ihren edlen Taten nachspürte, um ihre Tugend preisen zu können. Doch soll man nicht eines Menschen Tugend loben, indem man eine einzelne hervorhebt, so daß sie schier den Lastern als Deckmantel dient. Nur wer aus reiner Liebe zur Tugend preisliche Werke vollbringt ist lobenswert. Das hoffe ich euch an der Sittsamkeit und Geduld einer jungen Dame zu erweisen, die in ihrem edlen Wirken nichts anderes erstrebte als Gottes Ruhm und das Heil ihres Mannes.«

Siebenunddreßigste Erzählung


Wie weise es ein Weib verstund, ihren Mann einem tollen Liebeswahn zu entreißen, der ihn quälte.

»Auf einer großen Besitzung in Frankreich lebte eine Frau, deren Namen ich nicht nennen will. Sie war tugendsam und weise, von allen geliebt und geehrt, und so vertraute ihr Mann ihr all seine Angelegenheiten an, die ob ihrer klugen Verwaltung sein Haus bald zu einem der reichsten und prächtigsten in ganz Anjou und der Touraine entwickelten.

Nachdem sie lange Zeit mit ihrem Mann so gelebt und ihn mit einer Reihe schöner Kinder beschenkt hatte, begann ihr Glück zu verblassen, maßen ihr Gatte wohl diese ehrenhafte Ruhe unerträglich fand, anderweitig Zerstreuung suchte und alsbald die Gewohnheit bekam sich vom Bett zu erheben, sowie sein Weib eingeschlafen war, und erst gegen Morgen zurückzukehren. Das mißfiel der Frau gar sehr. Sie ward gewaltig eifersüchtig (ohne es sich aber merken zu lassen) und vernachlässigte ihren Hausstand, sich selbst und ihre Familie, maßen ihr die Frucht ihrer Mühen, die Liebe ihres Mannes, verloren gegangen war. Um seiner Liebe willen hätte sie keine Arbeit gescheut. Nun aber ließ sie alles gehen wie es ging, und bald machten sich die Folgen bemerkbar. Auf der einen Seite verschwendete der Mann das Geld, auf der andern kümmerte sie sich um nichts mehr, und so wurde die Lage bald so verwickelt, daß man den Hochwald abschlug und die Güter mit Schulden belastete.

Einer ihrer Verwandten, der die Ursache kannte, machte sie auf ihren Fehler aufmerksam und erklärte ihr: wenn sie auch nur um ihres Gatten willen ihren Hausstand liebe, so dürfte sie diesen doch um ihrer armen Kinder willen nicht vernachlässigen. So nahm sie aus Mitleid mit diesen ihre Arbeit wieder auf und versuchte obendrein, mit allen Mitteln ihres Mannes Liebe wieder zu erringen.

Und schon tags darauf gab sie wohl acht, wann er sich von seinem Bett erhob. Alsbald stand auch sie auf, nahm ihren Nachtkittel um, ließ das Bett machen und erwartete unter Gebeten die Rückkehr ihres Mannes. Als der wieder in ihr Zimmer trat, ging sie ihm entgegen, küßte ihn und reichte ihm ein Waschbecken, damit er sich die Hände wüsche. Er entgegnete erstaunt ob dieser Neuerung, er käme vom Abtritt, und so läge kein besonderer Grund vor, sich zu waschen. Darauf entgegnete sie, wenn es auch nichts Besonderes wäre, so sei es doch angemessen, wenn er sich die Hände wüsche, nachdem er an einem schmutzigen Ort geweilt habe. Dergestalt wollte sie ihm sein häßliches Leben vor Augen führen und verächtlich machen.

Er aber änderte sich nicht und so setzte die Dame diese Art ein Jahr lang fort. Als sie nun just sah, daß ihr Mittel nichts half, geschah es eines Tages, daß ihr Mann länger verweilte als er es sonst zu tun pflegte. Während sie seiner harrte, ergriff sie der Wunsch, ihn zu suchen, und als sie so von Zimmer zu Zimmer ging, fand sie ihn in einer entlegenen Kleiderkammer neben der häßlichsten, gemeinsten und schmutzigsten Magd des Hauses eingeschlafen liegen. Da bedachte sie, ihn wohl davon zu heilen, daß er seine tugendsame Frau um solcher dreckiger Vettel willen hinterging. Flugs nahm sie Stroh und steckte es inmitten der Stube an. Und als sie inne ward, daß der Qualm ihren Mann eher ersticken denn erwecken würde, packte sie ihn beim Arm und schrie: ›Feuer! Feuer!‹

Daß ihr Mann vor Scham schier verzweifelte, als er wahrnahm, daß sein ehrbares Weib ihn bei solcher Schlumpe gefunden hatte, ist wohl nicht wundersam. Die Frau aber sprach:

›Ein Jahr lang suchte ich Euch geduldig auf den rechten Weg zu bringen und Euch durch jene Waschung zu zeigen, wie sehr Ihr einer inneren Reinigung bedürfet. Wenn Ihr Euch nun aber nicht bessert, weiß ich nicht, ob ich Euch ein zweites Mal solcher Gefahr entreißen würde wie eben jetzt. Bedenket immerhin, welche Verzweiflung die Liebe auslösen kann. Hätte ich nicht Gott vor Augen gehabt, so hätte ich nie soviel Geduld finden können.‹

Alsbald versprach ihr Mann, voll Freude, daß er so leichten Kaufes davonkam, ihr nie wieder Grund zu Klagen geben zu wollen. Dem traute die Dame und jagte mit ihres Mannes Zustimmung alle fort, die ihr im Hause nicht paßten. Und fortan lebten sie in herzlichem Einvernehmen, das schier nach dem vergangenen Unheil noch gewachsen und mehr gefestigt schien.

Sollte nun Gott euch je solchen Mann bescheren, meine Damen, so verzweifelt nicht, bis ihr alle Mittel erprobt habt, um ihn zu bessern. Denn ein Weib sollte sich schier glücklicher schätzen, den Mann erst durch Geduld erworben zu haben, als wenn sie ihn durch Zufall und von Haus aus gleich viel vollkommener erhielte.«

»Ich könnte nicht so langmütig sein,« erklärte Parlamente. »Das mag tugendhaft sein, aber ein derartiger Schimpf führt zur Entfremdung, zur Verachtung und damit zum Ende aller Liebe. Was man liebt, will man auch hochschätzen.« – »Eine ungeduldige Frau kann aber ihren Mann zur Wut reizen,« meinte Emarsuitte. – »nd was hätte denn jener Ehemann tun können?« fragte Parlamente. – »Er hätte sie«, entgegnete jene, »tüchtig durchprügeln, ins Mägdebett verweisen und seine Liebste ins Ehebett nehmen können.« – »Ich glaube nicht,« überlegte Parlamente, »daß einer ehrenhaften Frau solch zornige Mißhandlung nähergehen könnte als jene Mißachtung. Darum verstehe ich auch recht gut, daß sie nur um ihrer Kinder willen versuchte, ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen.«

»Findet ihr es denn so geduldig, daß sie Feuer ansteckte?« fragte Nomerside. – »O ja,« versicherte Longarine, »und sie beging nur einen Fehler, indem sie ihn aufweckte. Ich hätte ihn getötet und alsdann mich selbst, denn solche Rache und mein Tod danach scheint mir erfreulicher als ein Leben neben einem Mann, der mich entehrt.« – »Freilich,« spottete Hircan, »ihr liebt die Manner nur um euretwillen. Sind sie gut, so ist alles recht, begehen sie aber nur einen kleinen Fehler, dann wird das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. So wollt ihr allezeit die Herrinnen spielen: meinetwegen, wenn nur alle Ehemänner dem zustimmen würden.« – »Wenn kein Teil Mißbrauch treibt, ist die Ehe doch eine wunderschöne Einrichtung,« rief Oisille. »Aber lassen wir nun den Streit und sehen wir, wem Dagoucin seine Stimme gibt.« – »Ich gebe sie Longarine,« sprach der.

»Das freut mich sehr,« entgegnete Longarine. »Denn ich weiß eine Geschichte, die zu der Euren paßt. Ich will euch eine Frau vorführen, die weit lobenswerter handelte als die eben beschriebene. Sie ist um so achtenswerter, als sie in einer Stadt lebte, wo doch ansonsten die Tugend nicht so blüht wie auf dem Lande.«

Erste Erzählung


Ein Weib in Alençon hat zwei Verehrer, den einen zur Lust, den andern für sein Geld. Den ersten, der den Betrug merkt, läßt sie töten und erwirkt Begnadigung für sich und ihren flüchtigen Mann. Der wendet sich dann, um eine Summe Geldes zu retten, an einen Schwarzkünstler. Ihr Treiben wird entdeckt und bestraft.

»Zu Lebzeiten des Herzogs Karl gab es in Alençon einen Prokurator Saint-Aignan, der eine liebreizende Frau jener Gegend geheiratet hatte. Doch war sie mehr schön denn sittsam: ob ihrer Reize und ihrer Leichtfertigkeit stellte ihr ein Prälat nach, dessen Name ich Standesrücksichten verschweigen will. Der wußte sich, um zum Ziele zu gelangen, gar wohl mit dem Ehemann zu stellen, also daß dieser von dem lästerlichen Umgange seiner Frau mit dem Prälaten nichts merkte, ja, daß er später seiner Ergebenheit für das Herrscherhaus vergaß, ins Gegenteil umschlug und endlich gar den Tod der Herzogin (Margarete) durch Zauberkraft betrieb.

Also lebte der Prälat lange Zeit im Ehebruche mit jener beklagenswerten Frau, die ihm mehr aus Geldgier denn aus Liebe ergeben war, zumal ihr Mann sie trieb, jenen an sich zu fesseln. Doch war in jener Stadt auch ein Jüngling, der Sohn des Stadtkommandanten, und den liebte sie bis schier zum Wahnsinn. Und oft mußte ihr der Prälat zu Diensten sein, indem er ihrem Mann Aufträge erteilte; dadurch fand sie Gelegenheit, den Sohn des Stadtkommandanten nach Gefallen zu sehen. Solchergestalt ging dies Treiben manche Zeit – des Vorteils wegen litt sie den Prälaten, zur Lust sah sie den Kommandantensohn, und diesem schwor sie, daß all ihr Liebesspiel mit jenem nur dem Zweck diene, für ihn freier zu sein. Jener habe nur Versprechungen empfangen und niemals fürwahr werde ein anderer denn er mehr erringen.

Als nun eines Tages ihr Mann zu dem Prälaten ging, bat sie ihn um Erlaubnis, aufs Land gehen zu dürfen, weil ihr die Stadtluft zuwider sei. Und als sie kaum auf ihrem Gutshofe angelangt war, da schrieb sie flugs dem Jüngling, er möge sie ja gegen zehn Uhr des Abends aufsuchen. Das tat der ärmste auch, doch fand er am Tore die Kammerzofe, die, statt ihn wie gewöhnlich hineinzulassen, ihm erklärte: ›Kehrt um, lieber Freund – Euer Platz ist besetzt.‹

Er vermeinte, der Gatte sei gekommen, und fragte, wie das käme. Als nun das gute Mädchen ihn so jung, schön und ehrenhaft vor sich stehen sah, so liebevoll und arg getäuscht, da erbarmte sie sich seiner. Sie berichtete ihm ihrer Herrin verräterisches Tun, da sie glaubte, es würde seine Liebe kühlen, wenn er das erführe. Sie erzählte, daß soeben der Prälat gekommen sei und ihr Lager teile; daß sie dessen Ankunst nicht erwartet hätte, maßen er erst tags darauf kommen sollte; daß der aber ihren Mann daheim festgehalten habe und noch spät abends aufgebrochen sei, um sie insgeheim zu sehen.

Der Sohn des Kommandanten war schier verzweifelt und konnt es gar nicht fassen. Er verbarg sich in einem Nachbarhause und wachte bis drei Uhr morgens; da sah er den Prälaten herausschlüpfen und erkannte ihn trotz seiner Verkleidung nur zu gut. Trostlos kehrte er nach Alençon zurück und alsbald kam auch seine treulose Freundin wieder dorthin. Die wollte ihn, gleichwie sie es gewöhnt war, weiter täuschen und suchte ihn auf. Doch er erklärte ihr: Maßen sie heilige Werkzeuge berührt habe, sei sie selbst zu heilig, um mit einem Sünder zu verkehren, der jetzt also tief in Reue versunken sei, um hoffentlich bald Vergebung zu finden.

Da sie erkannte, daß ihr Treiben durchschaut war, und da weder Entschuldigungen noch Schwüre noch Versprechen ihn zur Umkehr zu bringen vermochten, beklagte sie sich beim Prälaten. Und nach reiflicher Überlegung ging sie dann zu ihrem Mann und eröffnete ihm, sie könnte fürder nicht mehr in Alençon wohnen bleiben, weil des Kommandanten Sohn, auf den sie so große Stücke gehalten habe, unaufhörlich ihrer Tugend nachstelle. So möge er mit ihr nach Argentan übersiedeln, um allen Verdacht zu vermeiden. Und ihr Mann, der sich ganz von ihr leiten ließ, war ihr zu Willen.

Sie waren noch nicht lange in Argentan, da schrieb dies elende Weib an den jungen Mann, er sei ein ganz schlechter Kerl, denn sie habe erfahren, daß er öffentlich über sie und den Prälaten Übles rede, und sie werde dafür sorgen, daß er ihr das büße. – Der Jüngling hatte nie je außer mit ihr darüber gesprochen. Doch fürchtete er die Ungnade des Prälaten, und so reiste er mit zweien seiner Diener nach Argentan. Er fand die Dame in der Jakobinerkapelle beim Vespergottesdienst, kniete neben ihr nieder und sprach: ›Ich kam hierher, Madame, um Euch vor Gott zu schwören, daß ich niemals mit jemand anderem als Euch selbst über Euren Wandel gesprochen habe. Bös‘ war der Streich, den Ihr mir gespielt habt, und nicht die Hälfte der Vorwürfe habe ich Euch gesagt, die Ihr wohl verdient hättet. So aber jemand, sei es Mann oder Frau, behaupten will, ich hatte darüber gesprochen, den will ich vor Euch Lügen strafen, dafür bin ich hier!‹

Als sie erkannte, daß viel Volks in der Kirche war und daß er von zwei trefflichen Dienern begleitet war, zwang sie sich, gar anmutig mit ihm zu sprechen und versicherte ihm, ohne Zweifel sage er die Wahrheit. Sie habe ihn immer zu hoch geschätzt, um zu glauben, daß er Übles reden könne, und zumal über sie, die ihm so viel Freundschaft entgegenbrächte. Doch ihr Mann habe solcherlei vernommen, und so möge er vor ihm versichern, daß er mit niemandem gesprochen habe und auch keineswegs etwas dergleichen glaube.

Dazu war er gern bereit. Er vermeinte, sie wolle gleich von ihm begleitet werden und bot ihr den Arm. Doch sie entgegnete, es wäre nicht gut, wenn er mitkäme, denn ihr Mann würde glauben, sie hätte ihm seine Worte eingeschärft. Dann nahm sie einen seiner Diener beim Rockärmel und fuhr fort: ›Dieser hier mag mit mir gehen, und sowie es Zeit ist, schicke ich ihn zu Euch, um Euch zu rufen. Derweile ruht Euch in Eurem Gasthause aus.‹

Der junge Mann ahnte nichts Böses dahinter und ging. Indes gab sie dem Diener, den sie zurückbehalten hatte, ein reichliches Abendessen, und allemal, da er fragte, ob es nun nicht Zeit sei, den Herrn zu holen, erwiderte sie, er würde noch zu früh kommen. Um Mitternacht aber schickte sie heimlich einen ihrer Knechte, ließ den Jüngling kommen, und der eilte mutig und ahnungslos in das Haus besagten Saint-Aignans. Da jene Frau den andern Diener bewirtete, so hatte er nur noch einen bei sich. Kaum war er im Hause, so erklärte ihm der Knecht, der ihn gebracht hatte, die Dame wolle gern mit ihm vor ihrem Mann sprechen und erwarte ihn in einer der Stuben; doch habe sie nur einen ihrer Diener bei sich und darum täte er wohl daran, seinen andern Diener heimzuschicken. Also tat er und klomm sodann eine recht dunkle Stiege empor. Indessen hatte Prokurator Saint-Aignan in einer Kleiderecke Leute in den Hinterhalt gelegt und fragte nun, als er die Schritte hörte: ›Wer ist das?‹ Jemand antwortete, das sei ein Mann, der heimlich in sein Haus dringen wolle. Alsbald sprang ein gewisser Thomas Guérin hervor, ein gewerbsmäßiger Mörder, dessen gute Dienste sich der Prokurator teuer erkauft hatte. Der stach sogleich so oft und schnell auf den Jüngling ein, daß dieser trotz aller Gegenwehr sich nicht zu decken vermochte und tödlich getroffen niedersank. Der Diener, der mit der Dame sprach, sagte inzwischen: ›Ich höre meinen Herrn auf der Stiege sprechen; ich werde zu ihm gehen.‹ Doch sie hielt ihn zurück und entgegnete: ›Sorge dich nicht, er wird ja gleich kommen.‹ Als sodann sein Herr ausstieß: ›Ich sterbe –! Gott empfehle ich meine Seele!‹, da wollte er ihm zu Hilfe eilen. Doch sie hielt ihn wieder und meinte: ›Bleibe nur ruhig; mein Mann hat ihn ob seiner Jugendkeckheit gezüchtigt. Wir wollen sehen, was es da gibt.‹ Und sie trat an den Stiegenrand und fragte ihren Mann: ›Nun wie ist es? Erledigt?‹ Der erwiderte: ›Kommt her und seht! Soeben hab‘ ich Euch an dem gerächt, der Euch so schlimme Schande schuf!‹ Und nach diesem Worte zog er einen Dolch hervor und stach damit wohl zehn- oder zwölfmal in den Leib des Mannes, den lebend zu überfallen er nicht gewagt hätte.

Nachdem also der Mord vollbracht war und des Toten Diener davongeeilt waren, um dem armen Vater die Unglücksnachricht zu überbringen, bedachte Saint-Aignan, daß die Tat nicht geheim bleiben könne. Doch erwog er, daß die Diener des Ermordeten keine Augenzeugen waren und außer den Mördern nur eine alte Kammerfrau und eine junge Magd von fünfzehn Jahren die Tat mit angesehen hatten. So wollte er sich zunächst der Alten bemächtigen; doch die entschlüpfte zu den Jakobinern und war später die wertvollste Zeugin über dies Verbrechen. Die junge Magd blieb zwar noch einige Tage im Hause; aber der Prokurator ließ sie durch einen der Mörder verführen und dann in ein öffentliches Haus schleppen, auf daß sie nicht als glaubwürdige Zeugin auftreten könne. Um übrigens den Mord zu verbergen, ließ er den Leichnam des armen Opfers verbrennen und die Knochenreste in den Mörtel mischen, der bei Bauarbeiten in seinem Hause gebraucht wurde. Endlich schickte er eilends ein Gnadengesuch zu Hofe und gab darin an: zu wiederholten Malen habe er sein Haus einem Eindringling verbieten müssen, der augenscheinlich der Tugend seiner Frau nachstellte. Trotz dieses Verbotes habe sich jener nachts bei ihm eingeschlichen, um mit ihr zu reden. Maßen er ihn nun vor ihrer Stubentür fand, habe er ihn, von Zorn übermannt, getötet.

Trotz aller Eile kam sein Brief nicht schnell genug zur Kanzlei. Der Herzog und die Herzogin waren schon zuvor von dem armen Vater über die Tat unterrichtet worden und ließen den Kanzler wissen, daß er dem Gnadengesuche nicht entsprechen dürfe. Als der Elende sah, daß er nichts erreichen konnte, floh er nach Engelland und mit ihm sein Weib und etliche Verwandtschaft. Doch zuvor sagte er dem Mörder, der die Tat in Wirklichkeit vollbracht hatte, – der König habe in dringenden Briefen seine Festnahme und Hinrichtung angeordnet; doch er wolle ihm angesichts der erwiesenen Dienste das Leben retten, – und damit gab er dem Mörder zehn Taler und hieß ihn außer Landes zu gehen. Der tat es auch und ward nie je gefunden.

Indessen ward der Mord sowohl durch das Zeugnis der Diener des Verblichenen einwandsfrei festgestellt, als durch die Aussage der Kammerfrau, die zu den Jakobinern entwischt war, und endlich durch die Knochenreste, die sich im Mörtel fanden. So wurde ein Prozeß angestrengt und in Abwesenheit Saint-Aignans und seiner Frau verhandelt. Beide wurden in contumaciam zum Tode verurteilt, ihre Güter eingezogen und fünfzehnhundert Taler dem Vater zugesprochen. Nun erkannte Saint-Aignan in Engelland wohl, daß er von Rechts wegen in Frankreich ein toter Mann war. Doch erwies er hohen Herren manch guten Dienst, und hierdurch und durch gute Beziehungen über die Verwandtschaft seines Weibes hinweg erwirkte er, daß der König von Engelland dem König hier unterbreiten ließ, er möge doch Gnade walten und auch die Güter wieder freigeben lassen. Der unterrichtete sich über diese unerhörte schmutzige Tat und übersandte die Akten dem König von Engelland mit dem Ersuchen, er möge wohl erwägen, ob ein derartiger Fall Gnade verdiene. Zudem habe der Herzog von Alençon in seinem Gebiet allein das Recht, Begnadigung zu üben. Trotz alledem gab sich der König von Engelland nicht zufrieden und betrieb die Sache so eifrig, daß der Prokurator schließlich wirkich begnadigt wurde und nach Hause heimkehrte.

Um nun seiner Schlechtigkeit die Krone aufzusetzen, trat Saint-Aignan zu einem Schwarzkünstler in Beziehung, des Name Gallery war. Durch dessen Kunst erhoffte er der Zahlung jener fünfzehnhundert Taler freizuwerden, die er dem Vater des Ermordeten als Buße schuldete. Zu diesem Behufe begab er sich mit seinem Weibe verkleidet nach Paris. Da nun jene Frau inne ward, daß er mit besagtem Gallery lange Zeit hindurch in einer Stube eingeschlossen verblieb und nicht sagen wollte, aus welchem Grunde, so bespähte sie ihn eines Morgens und gewahrte, wie ihm Gallery fünf Holzfiguren vorwies. Die Arme von dreien derselben hingen herab, bei zweien waren sie emporgehoben3. Der Zauberer aber sprach zum Prokurator:

›Wir bedürfen solcher Figuren aus Wachs, dergestalt, daß die mit hängenden Armen diejenigen darstellen, die wir zu Tode bringen wollen, die mit erhobenen Armen aber jene, deren Gunst und Zuneigung wir wünschen.‹

Und der Prokurator erwiderte:

›So sei diese hier für den König, dessen Wohlgeneigtheit ich erstrebe, und jene dort für Brinon, den Herrn Kanzler von Alençon.‹

Gallery erklärte: ›Die Bildnisse müssen unter den Altar gelegt werden, und dort müßt Ihr eine Messe über sie sprechen mit Worten, die ich Euch allsogleich ansagen will.‹

Dann wandte sich der Prokurator zu den Figuren mit hängenden Armen und bestimmte: die eine solle für Gilles du Mesmil sein, den Vater des Ermordeten – denn er wußte gar wohl, daß jener nicht aufhören würde, ihn zu verfolgen, solange er am Leben sei. Die erste der beiden Frauenfiguren mit hängenden Armen solle der Frau Herzogin von Alençon, der Schwester des Königs, gelten, weil sie ihrem alten treuen Diener Mesnil so zugetan war und andererseits in so vielerlei Beziehungen des Prokurators Bosheit kannte, daß dieser bei ihren Lebzeiten seines Lebens nicht sicher war. Die andere Frauenfigur endlich mit hängenden Armen sei für sein Weib, der er all dieses Ungemach verdanke und die sicherlich nicht von ihrem lästerlichen Leben lassen würde.

Derweile erspähte seine Frau alles durchs Schlüsselloch. Und da sie inne ward, daß er sie dem Tod bestimmte, beschloß sie, ihn zuerst ins Jenseits zu schicken. Alsbald gab sie vor, von einem Onkel Geld leihen zu wollen suchte diesen, der Rentmeister des Herzogs von Alençon war, auf und berichtete ihm alles, was sie von ihrem Mann gesehen und gehört hatte. Der Onkel war ein greiser, pflichtgetreuer Mann. Flugs ging er zum Kanzler, erzählte ihm die Geschichte, und sintemalen das Herzogspaar an diesem Tage nicht bei Hofe war, übermittelte der Kanzler den seltsamen Fall der Frau Regentin, der Mutter des Königs, und der Herzogin. Die ließ alsbald La Barre, den Profoß zu Paris, holen, und der veranlaßte umgehend die Festnahme des Prokurators und seines Hexenmeisters Gallery.

Beide gestanden ohne Folter noch Kreuzverhör ihr Vergehen. So wurde ihnen der Prozeß gemacht und die Sache dem König überantwortet. Zwar wollten einige Personen sie retten und sagten dem König, die beiden hätten nur seine Gunst erstrebt. Doch dem König war seiner Schwester Leben gleich teuer wie das seinige, und so bestimmte er, das Urteil solle lauten, als ob sie auf seine eigene Person einen Mordanschlag verübt hätten. Desohngeachtet beschwor ihn seine Schwester, die Herzogin von Alençon, dem Prokurator das Leben zu schenken und eine schwere körperliche Strafe über ihn zu verhängen. Also geschah es denn auch, und dieser und mit ihm Gallery wurden nach Marseille auf die Galeeren von Saint-Blanquart geschickt, allwo sie ihr Leben in strengster Gefangenschaft beendeten und Muße fanden, der Schwere ihrer Sünden inne zu werden. Das schlimme Weib aber beharrte auch in Abwesenheit ihres Mannes in ihrem lästerlichen Leben, ward schlimmer denn je und starb im Elend.

So bitte ich euch, verehrte Damen, schaut wohl, was für Jammer ein boshaftes Weib anrichten kann. Seit Adams Fall durch Eva haben alle Frauen das ihre getan, um die Männer zu quälen, zu töten und in Verdammnis zu stürzen. Auch ich werde nach allem, was ich schon erlebt habe, gewißlich dermaleinst an der Verzweiflung sterben, die ich einer von ihnen verdanke. Und doch bin ich toll genug, zu sagen, daß mir Höllenqualen von ihr köstlicher erscheinen, denn Paradieseswonnen von einer anderen.«

Parlamente tat, als verstände sie ihn nicht und meinte: »Dann dürstet Ihr wohl auch die Teufelin, die Euch zu solcher Hölle schleppte, nicht so sehr fürchten?« Doch er erwiderte erregt:

»Wäre sie gleich schwarz von Angesicht, wie schlimm zu mir, so würde sie gewißlich der Gesellschaft ebensoviel Furcht schaffen, als mir Lust, wenn ich sie anschaue. Doch läßt der Liebe Glut mich die der Hölle vergessen. – Und nun will ich abbrechen und der edlen Frau Oisille das Wort geben. Sicherlich wird sie meine Ansicht bestätigen, wenn sie alles sagen wollte, was sie von Frauen weiß.«

Alsbald wandten sich alle zu jener hin und baten sie, zu beginnen. Des war sie zufrieden und hub also an: »Der mir das Wort erteilte, meine Damen, hat durch den wahrhaften Bericht von einem beklagenswerten Weib so viel schlimme Vorwürfe auf die Frauen gehäuft, daß ich meines ganzen langen Lebens Erinnerungsbild überblicken muß, um ein Geschehnis zu finden, das so üble Meinung widerlegen kann. Doch nun ist mir eines beigefallen, das wohl verdient, dem Staube der Vergessenheit entrissen zu werden, und das will ich euch berichten.«

  1. Hierüber ist näheres in der einleitenden Betrachtung zu finden. (Anmerkung des Übersetzers.)

Siebenundzwanzigste Erzählung


Wie ein dummer Schreiber ob der Frechheit, mit der er lüstern dem Weibe seines Gefährten nachstellte, jämmerlich beschämt wird.

»Zu Amboise wohnte der Kammerdiener einer Fürstin, ein ehrenwerter Mann, der gern Bekannte zu Gaste sah, und zumal seine Gefährten. So bekam er auch einmal den Besuch eines der Schreiber seiner Herrin, eines häßlichen Kerls mit einem Kannibalengesicht, der zehn oder zwölf Tage bei ihm wohnen blieb. Obgleich der nun gleich einem Bruder und Freund behandelt wurde, vergaß er aller Ehrbarkeit, maßen er wohl solche nie besessen hatte; er stellte nämlich dem Weibe seines Wirtes, das keineswegs etwa liebestoll und begehrlich war, in schamloser und ungeziemlicher Weise nach. Als nun jene seiner Lüsternheit inne ward, entschloß sie sich, durch Verstellung seine Niedertracht zu entschleiern, statt sie durch nachdrückliche Ablehnung wohl verhüllt zu belassen. So tat sie, als wäre sie seinem Vorhaben geneigt. Und er kümmerte sich weder um ihr Alter (sie war an die Fünfzig), noch um ihren Mangel an Reizen, noch gar um den Ruf ihrer Wohlanständigkeit und Liebe zu ihrem Mann, und da er sie jetzt gewonnen glaubte, ließ er schon gar nicht mehr locker.

Eines Tages nun war ihr Mann im Hause beschäftigt und sie mit dem Schreiber allein in einer Stube. Da erklärte sie ihm mit gutgespieltem Bedauern, leider wüßte sie keinen sicheren Ort, um ungestört, so wie er es wolle, mit ihm zu kosen; und flugs riet er ihr, in das Dachgeschoß zu gehen. Alsbald erhob sie sich, doch hieß sie ihn, voranzugehen. Er grinste zuckersüß, gleichwie ein brünstiger Affe, und klomm eifrig die Stiege hinauf. Als er aber oben ihrer harrte und die Glut seines Begehrens – nicht etwa hell flammte wie Wachholderzweige, sondern trübe schwelte gleich einer schmutzigen Kohle, da vernahm er statt ihres Schrittes die Worte: ›Wartet ein weniges, Herr Schreiber, ich will erst meinen Mann fragen, ob es ihm recht ist, wenn ich mit Euch kose.‹

Stellt euch bitte sein Gesicht vor, als er heulend herbeilief – maßen er doch lachend schon so häßlich war – und sie bei Gott beschwor, doch ja nichts zu sagen und gar die Freundschaft zu seinem Gefährten zu zerstören. Sie aber entgegnete: ›Sicherlich liebt Ihr ihn so herzlich, daß Ihr nur Dinge wünscht, die auch ihm Freude machen. Deshalb will ich es ihm erzählen.‹ Und das tat sie trotz allen Jammerns und Bittens. Da floh er also beschämt von dannen, wie der Ehemann ob der List seines Weibes erfreut war. Ja, die Tugend seiner Frau beglückte ihn so, daß er der Lasterhaftigkeit seines Gefährten gar nicht weiter gedachte und ihn für genügend bestraft hielt mit der Schande, die nun über ihn selbst gekommen war.

So mag man sich als anständiger Mensch wohl hüten, Gäste bei sich aufzunehmen, deren Gewissen und Begriffsvermögen von Gott, Ehre und wahrer Liebe nichts wissen.«

»War Eure Erzählung auch kurz,« meinte Oisille, »so pries sie doch in selten anmutiger Weise die Ehrbarkeit der Frau« – »Bei Gott« rief Simontault, »dazu gehört wahrlich keine große Ehrbarkeit, einen so häßlichen Kerl abzulehnen. Wäre jener Schreiber jung und schön gewesen, dann hätte sie viel mehr ihre Sittsamkeit erweisen können. Da könnte ich Euch aber, wenn ich an der Reihe wäre, eine nicht minder vergnügliche Geschichte erzählen« – »Wenn´s weiter nichts ist,« entgegnete Emarsuitte, »so gebe ich Euch gern das Wort.« Und jener hub alsbald folgendermaßen an:

»Wer am Hofe oder in großen Städten lebt, hält sich meist für besonders klug. Doch gibt es allenthalben Menschen, die gar schlau und listig sind. Und wenn nun jene, die sich stolz für die klügeren halten, den kürzeren ziehen, ist der Spott um so größer, wie ich euch durch jene kürzlich vorgefallene Geschichte erweisen will.«

Achtundzwanzigste Erzählung


Ein Schreiber glaubt jemanden zu überlisten, wird aber selbst hineingelegt, und daraus entstehen allerlei spaßhafte Folgen.

»Als der König Franz, der erste seines Namens, mit seiner Schwester, der Königin von Navarra, zu Paris weilte, hatte diese einen Schreiber, der wahrlich keinen Heller zur Erde fallen ließ, ohne ihn aufzuheben. Solchermaßen suchte er jedes Präsidenten oder Rates Bekanntschaft und verkehrte angelegentlichst bei Kaufleuten und reichen Männern.

Nun kam auch eines Tages ein Kaufmann aus Bayonne nach Paris. Der hieß Bernard du Ha und war hierher gereist, weil er außer seinen Geschäften auch des Rates und der Hilfe des Stadtrichters bedurfte, der ein Landsmann von ihm war. Nun besuchte jener Schreiber oftmals den Richter, der seiner Herrschaft treu ergeben war. Als er derart eines Feiertages wieder zu ihm ging, fand er weder ihn noch sein Weib, wohl aber besagten Bernard du Ha, der just auf einer Laute spielte und den Mägden die Sprünge des Gascogner Tanzes lehrte. Der Schreiber wollte ihn überzeugen, daß er damit nicht recht täte und der Richter und sein Weib sicher unzufrieden sein würden. Und nachdem er ihm so bange gemacht hatte, daß jener ihn bat, die Sache totzuschweigen, fragte er: ›Was gebt Ihr mir dafür, daß ich reinen Mund haltet?‹

Bernard du Ha war aber gar nicht so ängstlich als er tat, und wie er nun sah, daß jener ihn betrügen wollte, versprach er ihm eine unübertreffliche baskische Schinkenpastete, wie er nie eine bessere gesehen habe. Der Schreiber bat ihn hocherfreut, ihm die Pastete am Sonntag zuzustellen. Und als ihm das zugesagt wurde, eilte er beglückt zu einer Dame, die er für sein Leben gern geheiratet hätte, und sagte zu ihr: ›Ich werde, wenn es Euch recht ist, am Sonntag zu Euch zum Essen kommen. Ihr braucht aber nur für Brot und Wein zu sorgen, denn ich habe einen dummen Gascogner übertölpelt, der nun für den Rest sorgen muß. So werden wir den besten baskischen Schinken der Welt zu essen bekommen!‹

Flugs lud die Dame noch zwei oder drei hochachtbare Nachbarinnen ein und versprach ihnen ein ganz neues Gericht. Und als nun der Schreiber den Kaufmann am Sonntag suchte, traf er ihn auf der Wechslerbrücke, grüßte ihn gar anmutsvoll und rief: ›Wo zum Teufel steckt Ihr denn? Ich habe Euch wie eine Stecknadel gesucht!‹ Bernard du Ha entgegnete, mancher hätte sich oft schon mehr Mühe gegeben, ohne am Ende mit solch trefflichem Bissen belohnt zu werden; und damit zeigte er ihm unter dem Mantel die Pastete, die so groß war, als sollte ein ganzes Heer damit gespeist werden. Darüber ward der Schreiber so voller Freuden, daß er sein häßliches großes Maul spitzte, als bisse er bereits in den Schinken hinein. Hastig riß er die Pastete an sich, lud den Kaufmann nicht einmal mit ein und rannte zu dem Weiblein, um es kosten zu lassen, wieviel besser solche Guyenner Leckerbissen wären als die Pariser.

Und als sie sich nun zum Essen setzten und die Suppe zu löffeln begannen, da rief er: ›Laßt dies fade Essen stehen und versucht lieber diesen herrlichen Gaumenkitzel.‹ Damit versuchte er die Pastete aufzuschneiden. Doch sie war so hart, daß das Messer abglitt. Und nach mehreren vergeblichen Versuchen gewahrte er, daß es ein Gascogner Holzschuh war, den man sorglich geschwärzt, mit Kohle beschmiert und mit Eisenstaub und wohlriechenden Gewürzen bestreut hatte.

Als der Schreiber sich also genasführt sah von dem, den er selbst zu betrügen vermeinte, fiel er aus allen Wolken und war um so betretener, als er so gerade die geutzt hatte, der er eine Freude schaffen wollte. Und obendrein mußte er sich nun mit einem mageren Süpplein begnügen. Auch die Damen waren herzlich enttäuscht und hätten ihm gern einen Vorwurf gemacht, wenn sein Gesicht nicht noch enttäuschter gewesen wäre. So mußte der Herr Schreiber mit etwas Brühe mäßig gespeist und zorngeschwellt von dannen ziehen.

Doch da Bernard du Ha also sein Versprechen nicht gehalten hatte, wollte der Schreiber auch seines brechen und ging flugs zu dem Richter, um jenen schlecht zu machen. Bernard war ihm aber zuvorgekommen und hatte dem Richter die geheimnisvolle Geschichte bereits erzählt. So belehrte denn der Richter den biederen Schreiber mit dem schönen Spruch: ›Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.‹

Das mögen sich die Überklugen merken. Denn: ›Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu.‹ Und um nun keine Zeit zu verlieren, will ich gleich meine Stimme Nomerfide geben, die uns sicher auch keine zu lange Geschichte erzählen wird.«

»Gut,« meinte diese, »euern Wunsch kann ich erfüllen. Ich meine, es ist eigentlich nicht erstaunlich, wenn sich Prinzen und wohlerzogene Menschen mit List aus gefährlichen Lagen retten; vielmehr erweist sich die Erfindungsgabe in Liebeslagen am eindringlichsten bei beschränkten Menschen, und so will ich euch von den Streichen eines Priesters erzählen, der nur Liebesgedanken im Kopfe hatte, maßen er ansonsten so ungebildet war, daß er kaum eine Messe sagen konnte.«

Neunundzwanzigste Erzählung


Ein Bauerntölpel, dessen Weib mit dem Pfarrer der Liebe pflegt, läßt sich leichtlich hinters Licht führen.

»In dem Dorfe Arcelles in der Grafschaft Maine heiratete ein reicher Bauer auf seine alten Tage ein schönes junges Weib. Das beschenkte ihn zwar nicht mit Kindern, doch tröstete sie sich dafür mit etlichen guten Freunden. Und wenn es ihr an Edelleuten und sonstigen ansehnlichen Herren fehlte, so nahm sie zur Kirche ihre Zuflucht und erkor zum Genossen ihrer Sünden den Mann, der sie eigentlich ihrer Sünden ledig sprechen sollte: den Herrn Pfarrer, der als fürsorglicher Hirte oft sein verirrtes Schaf aufsuchte.

Der alte, schwerfällige Ehemann argwöhnte nicht das geringste. Doch da er ein grober, handfester Kerl war, so hielt sein Weib solche geheimen Freuden wohl verborgen, denn es fürchtete, er könne solch einen Liebhaber einfach totschlagen, wenn er ihn abfinge.

Eines Tages nun war er draußen beschäftigt, und da sein Weib vermeinte, er würde erst spät wiederkehren, ließ es den Herrn Pfarrer holen, um ihm zu beichten. Während sie nun just in die schönsten Betrachtungen über außereheliche Sünden versunken waren, kam der Ehemann heim, und zwar so überraschend, daß der Pfarrer nicht mehr aus dem Hause entwischen konnte. Und um sich zu verbergen, stieg er auf Rat der Frau auf den Bodenspeicher und deckte die Falltür mit einer Kornschwinge zu.

Inzwischen trat der Ehemann ins Haus, und maßen sein Weib jedem Argwohn aus dem Wege gehen wollte, setzte es ihm flugs das Essen vor und gab ihm so reichlich zu trinken, daß er darob und nach der Feldarbeit auf einem Stuhl vor dem Herde einschlief. Der Pfarrer begann sich bald in seinem Speicher zu langweilen, und als er keinen Laut mehr in der Stube vernahm, öffnete er die Klappe, machte einen langen Hals und sah also, daß der gute Alte schlief. Doch beim Hinunterschauen stützte er sich versehentlich auf die Kornschwinge, also daß diese und er mit ihr hinunterpurzelten und neben dem schlafenden Bauern niederfielen. Der wachte von dem Lärm auf, doch der Pfarrer war schon auf den Beinen, ehe jener aus den Augen sehen konnte, und sagte: ›Gevatter, hier ist Eure Kornschwinge; und übrigens schönen Dank!‹ Und flugs machte er sich davon. Der arme Bauer fragte sein Weib ganz verblüfft: »Was soll das heißen« Und die antwortete: »Ach, der Pfarrer hatte Eure Kornschwinge entliehen, und eben brachte er sie zurück.« Da brummte der Mann unzufrieden: »Dann braucht er doch nicht solchen Lärm zu machen. Ich glaubte schier, das Haus fällt zusammen.« Also rettete sich der Pfarrer, indem er den Bauern überlistete, der sich am Ende nur über den Lärm ärgerte. Damals, meine Damen, verschonte also Gott seinen Diener, um ihn länger auf Erden zu lassen und zu strafend »Glaubet nur ja nicht,« erklärte Guebron, »daß die Menschen niederen Standes ohne Ränke sind; vielmehr sind sie schier verschlagener als wir. Seht nur die Spitzbuben, Mörder, Schwarzkünstler, Falschmünzer und ähnliches Gesindel an, die immer neuen Trug ersinnen: alle sind es arme Leute und Arbeiter« – »Ich finde das auch gar nicht so merkwürdig,« versicherte Parlamente. »Vielmehr wundere ich mich, daß sie überhaupt von Liebesgefühlen gequält werden und daß ein so zartes Gefühl seinen Weg in so unedle Herzen findet.« »Ach, edle Frau,« rief Saffredant, »vergeßt Ihr denn das Verslein von Johann de Meun:

›Verliebte Launen findet man
Beim Adel wie beim schlichten Mann.‹

Auch sind die eben beschriebenen Liebesgefühle nicht die gleichen, wie wir sie unter dem Harnisch tragen. Der niedere Stand genießt zwar nicht unsere Ehren und Reichtümer, dafür aber manch andere Annehmlichkeiten. Ihr Essen ist frugaler, aber nährt sie besser, als uns die schmackhafte Küche. Ihre Betten sind härter, aber sie schlafen darauf besser. Ihre Frauen sind nicht geputzt und geschminkt wie die unseren, die wir vergöttern, dafür aber ergötzen sie sich öfter und genußreicher an ihnen wie wir und brauchen dabei nur das Geschwätz – neugieriger Vögel zu fürchten. Was wir besitzen, fehlt ihnen wohl, was uns aber fehlt, das haben sie im Überfluß« – »Um Gottes willen, laßt die Bauern bei ihren Glücksgütern,« unterbrach Nomerfide, »sonst werden wir vor der Vesperstunde nicht fertig. Hircan wird unsern Tag beschließen.«

»Mit einer tieftraurigen Geschichte,« sprach der. »Zwar ist es mir gar nicht erwünscht, etwas Schlechtes von einer Frau zu erzählen, weil die boshaften Männer das verallgemeinern und dann alle schelten. Der Vorfall aber, der mir gerade in den Kopf kommt, ist so seltsam, daß ich meine Scheu überwinde; und vielleicht macht es die Frauen einsichtiger, wenn sie diesen Fall von Unüberlegtheit erfahren.«

Dreißigste Erzählung


Ein merkwürdiger Fall menschlicher Schwäche, wo das Bestreben, die Ehre zu retten, aus dem Regen in die Traufe führt.

»Damals, als unter Ludwig dem Zwölften Georg von Amboise Legat in Avignon war, lebte in Languedoc eine Dame, deren Name ich um ihrer Familie willen verschweigen will. Sie war sehr jung Witwe geworden, besaß nur einen Sohn, mehr denn viertausend Taler Rente und war aus Liebe zu ihrem verstorbenen Manne und dem Kinde entschlossen, sich nicht wieder zu verheiraten. Daher verkehrte sie, um jede Versuchung zu vermeiden, nur mit frommen Menschen, lebte ganz einem gottergebenem Wandel und floh so sehr jede Geselligkeit, daß sie selbst einer Hochzeit oder einem Orgelkonzert nur mit Gewissensbissen beiwohnte. Als ihr Sohn sieben Jahre alt wurde, ließ sie ihn von einem gottergebenen Manne in Gottesfurcht und Sittsamkeit erziehen. Doch als das fünfzehnte Jahr nahte, lehrte ihn die Natur, die geheimnisvolle Lehrerin, allerlei anderes, davon jener Lehrer nichts sagten; denn der Knabe war viel zu wohlgenährt und unbeschäftigt, und so schaute er bald nach Dingen, die ihm wohlgefielen, so etwa nach einem Mägdelein, das in der Stube der Mutter jenes Knaben schlief. Davon ahnte natürlich niemand etwas und darum nahm man sich vor ihm so wenig in acht wie vor einem kleinen Kinde und zudem redete man ja fast nur von Gott.

Dieser Jüngling begann also dem Mägdelein heimlich nachzustellen. Das ging zu seiner Herrin und sagte es ihr, aber die Mutter vermeinte, sie täte das nur, um gegen den Jungen zu hetzen. Als nun aber das Mägdelein ihr dieserthalben weiter zusetzte, sprach sie: Ich werde feststellen, ob das wahr ist, und ihn gehörig züchtigen, wenn Ihr recht habt. Habt Ihr aber unrecht, so treffen Euch die Folgen.‹

Um nun die Probe zu machen, hieß sie dem Mägdelein, es solle dem Sohne zu verstehen geben, daß er nachts zu ihr käme, maßen es nahe der Tür ihr Bett stehen hatte. Das Mägdelein tat also, und als der Abend kam, legte sich die Dame an ihrer Stelle in jenes Bett; denn sie war entschlossen, ihn gegebenen Falles so derb zu strafen, daß ihm die Lust, Frauen heimzusuchen, verginge. Während sie dies bedachte, kam ihr Sohn in die Stube und schlüpfte in das Bett. Mochte sie nun geglaubt haben, daß er doch nichts Unehrenhaftes tun würde, oder wollte sie erst Beweise seiner lasterhaften Gesinnung abwerten, in der Meinung, ein so junger Mensch wäre zu solch schändlicher Wollust noch nicht entwickelt genug – kurz, sie ließ ihn gewähren, bis plötzlich des Fleisches Schwäche sie übermannte, bis sie ihre Eigenschaft als Mutter vergaß und ihr Zorn sich in schändliche Sinnenfreude verwandelte. Und so wie ein gestauter Strom alles fortreißt, wenn das Hindernis fortfällt, so riß plötzlich die Begier all die stolze Zurückhaltung hinweg, die sie ihrem Körper auferlegt hatte, Und als sie erst den ersten Schritt gemacht hatte, war sie schnell beim letzten angelangt und so ward sie noch in dieser Nacht von ihrem Sohne schwanger, den sie hatte hindern wollen, andere Frauen mit Kindern zu beschenken.

Kaum aber war die Sünde begangen, da ergriff sie die Qual namenloser Reue, die sie ihr ganzes Leben auch nie wieder verließ. Doch setzte sie gleich so brennend ein, daß sie aussprang – derweile ihr Sohn immer nur vermeinte, es sei jenes Mägdelein –, in eine Kammer eilte und in Gedanken an ihren löblichen Entschluß und sein klägliches Scheitern die ganze Nacht unter Weinen und Klagen einsam verbrachte. Doch die Hoffahrt in ihrem Herzen ward nicht geheilt, sondern verleitete sie zu neuen Torheiten in dem Streben, jene Sünde gutzumachen.

Am nächsten Tage nämlich ließ sie den Erzieher ihres Sohnes kommen und sagte zu ihm: »Mein Sohn ist nun so weit erwachsen, daß er aus dem Hause muß. Ein Verwandter von mir gehört zum Gefolge des Großmeisters von Chaumont, der wird ihn gern zu sich nehmen. Deshalb gehet mit ihm über die Alpen dorthin, und um mir den Abschiedsschmerz zu erleichtern, reiset mit ihm ab, ohne daß er mir Lebewohl sagt.« Und damit gab sie ihm das nötige Reisegeld, und am selben Morgen noch reiste der Jüngling sehr erfreut von dannen; maßen er sich nämlich nunmehr an einer Freundin verlustiert hatte, wollte er gern auch das Kriegshandwerk erlernen.

Lange Zeit lebte nun die Dame in Trübsinn und Trauer, und nur die Furcht vor Gottes Strafe hinderte sie, die unselige Frucht ihres Leibes abzutreiben. Um die Wahrheit zu verhüllen, stellte sie sich krank. Doch als die Zeit der Niederkunft nahte, bedachte sie, daß sie von allen ihren Freunden zu einem Bastardbruder von ihr das meiste Vertrauen haben konnte, den sie immer mit Wohltaten überhäuft hatte. Den ließ sie holen, erzählte ihm ihr Mißgeschick (doch verschwieg dessen Urheber) und bat ihn, ihre Ehre zu retten. Also tat er: wenige Tage vor der Niederkunft riet er ihr einen Luftwechsel an und forderte sie auf, bei ihm sich zu erholen. Mit nur wenigen Dienern kam sie also zu ihm ins Haus. Dort war bereits eine Wehmutter, die angeblich der Frau des Bruders beistehen sollte und sie nicht kannte. Mit deren Hilfe gebar sie eines Nachts ein Kind, eine wunderschöne Tochter. Und der Edelmann gab es einer Amme und ließ es unter seinem Namen großziehen.

Nachdem die Dame dort einen Monat geblieben war, kehrte sie wieder nach Hause zurück und lebte noch sittenstrenger denn zuvor unter Fasten und Kasteiungen. Inzwischen war ihr Sohn groß geworden, und da in Italien kein Krieg mehr war, übersandte er seiner Mutter die Bitte, wieder heimkommen zu dürfen. Sie aber fürchtete in das alte Übel zurückzuverfallen und wollte es nicht zugeben. Doch als er immer weiter drängte und sie doch gar nichts vorschieben konnte, ließ sie ihm sagen, er dürfe nur vor sie treten, wenn er eine Frau zu eigen hätte, die er herzlich liebe. Reich brauche sie nicht zu sein, aber edler Abkunft.

Indessen ward ihr Bruder, der Bastard, inne, daß seine angenommene Tochter groß und vollendet schön geworden war, und so bedachte er, es sei gut, sie auswärts unterzubringen, wo sie unbekannt wäre. So sandte er sie auf Rat der Mutter zur Königin von Navarra. Und da das Mägdelein, das inzwischen zwölf oder dreizehn Jahre alt geworden war, sich als so wunderschön und tugendhaft erwies, schloß die Königin sie in ihr Herz und wünschte sie mit einem angesehenen Mann zu vermählen. Maßen sie aber arm war, fand sie nur Verehrer, keine Brautwerber.

Da kam eines Tages ihr natürlicher Vater, jener junge Edelmann, über die Alpen her zum Hofe der Königin, und kaum hatte er das Mägdelein erblickt, so liebte er es schon. Und da er ob des Geheißes seiner Mutter sicher war, daß diese ihm nichts dawider sagen würde, hielt er bei der Königin um des Mägdeleins Hand an; und die willigte gern ein, da sie seinen Reichtum und seine Ehrenhaftigkeit kannte.

Nachdem die Ehe vollzogen war, schrieb er seiner Mutter, nun könne sie seine Rückkehr nicht mehr verwehren, denn er führe ihr eine wahrhaft vollkommene Schwiegertochter zu. Aber als die Dame sich erkundigte, wen er geheiratet habe, ward sie inne, daß es ihrer beider Tochter war. Hierob ward sie so verzweifelt, daß sie fast gestorben wäre; denn sie sah nun, daß sie das Unheil um so schlimmer machte, je mehr sie es verhüten wollte. Und da sie nicht wußte, was tun, so ging sie zu dem Legaten von Avignon, beichtete ihm ihre grauenhafte Sünde und erbat sich seinen Rat. Der ließ etliche Doktores theologiae rufen, um ihr Gewissen zu beruhigen, unterbreitete ihnen ohne Namensnennung den Fall und eröffnete alsdann der Dame: sie dürfe ihren Kindern nie enthüllen, wie es mit ihnen stände. Denn jene hätten in ihrer Unwissenheit keine Sünde begangen; sie hingegen müsse nun ihr Lebelang büßen, ohne es sich aber merken zu lassen.

Alsbald kehrte denn also die Dame wieder heim, und bald kamen dann auch ihre Kinder, die sich in so heißer Liebe zugetan waren, daß ihre Zuneigung kaum je ihresgleichen finden dürfte; immerhin war sie ja aber auch zugleich seine Tochter, seine Schwester und sein Weib, und er hinwiederum ihr Vater, Bruder und Gatte. Und ihre Liebe ließ niemals nach; die arme Mutter aber, die unter Kasteiungen lebte, konnte nie mit ansehen, daß jene sich herzten, ohne von dannen zu eilen und bitterlich zu weinen.

Das ist ein Beispiel dafür, wie es denen ergeht, die aus eigener Kraft Liebe und Natur und alle gottgegebenen Kräfte zu überwinden vermeinen.«

»Wahrlich,« rief Parlamente, »mit jedem Schritt zum Selbstvertrauen entfernt sich der Mensch vom Gottvertrauen.« – »Wer weise ist,« sprach Guebron, »der erkennt sich selbst als seinen schlimmsten Feind« – »Nie sollte eine Frau wagen, bei einem Mann zu schlafen,« versicherte Longarine, »mag er ihr auch noch so nahe verwandt sein; denn Pulverfässer sind eben feuergefährlich.« »Das kann auch nur ein ruhmsüchtiges Weib tun,« bestätigte Emarsuitte, »das sich für heilig hält und vermeint, sündhafte Begierden könnten ihm nichts antun.« – »Wäre es möglich,« fragte Oisille, »daß es Toren gibt, die so etwas glauben können?«

»Schlimmer noch,« erzählte Longarine. »Sie sagen, man müsse sich an die Keuschheit gewöhnen. Und um ihre Kräfte zu erproben, kosen sie mit den schönsten Frauen und prüfen, ob ihr Fleisch allen Küssen und Berührungen abgestorben ist. Fühlen sie, daß sie solches wollüstig erregt, so ziehen sie sich zurück, fasten und kasteien sich grausam; und ist ihr Fleisch endlich also zermürbt, daß es weder bei Kosen noch Küssen in Erregung kommt, so unterziehen sie sich jener blödsinnigen Verführung, schlafen mit Frauen und suchen sie ohne Lüsternheit zu umfangen. Aber auf einen, dem es glückte, kamen so viele Unterlegene, daß der Erzbischof von Mailand, wo diese Übung betrieben wurde, die Geschlechter trennte und die Frauen m die Männerklöster, die Männer in Frauenklöster steckte.«

»Wahrhaftig, das heißt schon dem Irrsinn die Krone aufsetzen,« rief Guebron, »seine Sündlosigkeit erstreben und dazu solche Versuchung selbst suchen.« – »Manche fliehen im Gegenteil jede Versuchung,« meinte Saffredant, »aber die Lüsternheit folgt ihnen auf den Fersen. Der Heilige Hieronymus verbarg sich in der Wüste und geißelte sich vergebens: dennoch konnte er die Glut nicht stillen, die in seinem Marke tobte.«

»Aber merkt ihr denn nichts unterbrach Hircan, »solange wir erzählten, überhörten die Mönche hinter der Hecke die Vesperglocke; seit wir von Gott reden, sind sie fortgegangen und läuten nun zum zweiten Male.« – »So wollen wir ihnen flugs folgen,« sprach Oisille, »und Gott für diesen fröhlichen Tag danken.« Alsbald hörten sie also die Messe, speisten hernach und besprachen mancherlei Ereignisse, ob diese erzählenswert sein könnten. Und schließlich, nachdem sie auch den Abend froh verbracht hatten, legten sie sich zu sanfter Ruhe nieder in der Hoffnung, ihr unterhaltsames Beginnen fortzuführen. Und so endete der dritte Tag.

Der vierte Tag

Frau Oisille stand ihrer guten Gewohnheit zufolge früher auf als die anderen und erwartete die Gesellschaft, so sich nach und nach einfand. Die faulen Herren entschuldigten sich mit der Erklärung: »Ich habe eine Frau und darum konnte ich nicht so früh kommen.« So Hircan und Parlamente, die recht spät und weit nach Beginn der Vorlesung kamen. Dann aber waren alle höchlichst erbaut, besuchten andächtig die Messe und setzten sich zu Tisch. Dort neckte Hircan wieder seine Frau ob ihrer Faulheit. Nach dem Mahl bedachten sie ihre Erzählungen und ruhten, und zur gewohnten Stunde fanden sich alle pünktlich an Ort und Stelle ein. Alsbald wandte sich Oisille an Hircan und fragte ihn, wem er seine Stimme für die erste Geschichte dieses Tages gäbe. Der erwiderte: »Hätte meine Frau nicht gestern begonnen, so würde ich ihr das Wort geben. Denn heute hat sie mir bewiesen, daß sie mich mehr liebt als Gott und sein Wort, maßen sie Euern Vortrag versäumte, um mir Gesellschaft zu leisten. Da ich also das Wort nicht der verständigsten Frau unter uns geben kann, so erteile ich es dem gesetztesten Mann, nämlich Guebron, und ersuche ihn, die Mönche ja nicht zu schonen.« Und Guebron Hub also an: »Das braucht mir niemand anzuempfehlen, denn ich hatte mir bereits dergleichen vorgenommen. Unlängst nämlich vernahm ich Herrn von Saint-Vincent, den damaligen Gesandten des Kaisers, einen beherzigenswerten Vorfall berichten.«

Einunddreißigste Erzählung


Mit welch scheußlicher Grausamkeit ein Franziskaner seine schändliche Geilheit zu befriedigen suchte und wie er dafür gestraft wurde.

»In den Landen Kaiser Maximilians von Österreich stund ein hochgeachtetes Franziskanerkloster unweit von dem Hause eines Edelmannes, der die Mönche über die Maßen verehrte und sie mit Gaben überhäufte, um an ihren Wohltaten, Fasten und Kasteiungen teilzuhaben. Zu jener Brüderschaft gehörte nun auch ein hochgewachsener, schöner Mönch, der des Edelmannes Beichtvater wurde und bald in dessen Hause mehr zu sagen hatte als jener selbst. Maßen aber dieser Franziskaner die Edelfrau unvergleichlich schön und klug fand, verliebte er sich in sie, also daß er Essen und Trinken vergaß und aller Vernunft bar wurde.

Eines Tages entschloß er sich kurz und gut, zum Ziele zu gelangen. Dieserthalben begab er sich in des Edelmannes Haus, und da jener nicht daheim war, fragte er die Frau, wohin er gegangen sei. Die entgegnete, ihr Mann sei auf eines seiner Güter gereist und würde zwei bis drei Tage fernbleiben; wenn er ihn aber dringend sprechen müsse, wolle sie einen Eilboten an ihn senden. Das lehnte der Franziskaner ab und begann alsbald im Hause hin und her zu laufen wie ein Mensch, der etwas Wichtiges im Sinne hat. Als er das Zimmer verlassen hatte, sagte die Frau zu einer der beiden Mägde, die bei ihr waren: »Geh‘ zu dem guten Pater und frag‘ ihn, was er will; er sieht so unzufrieden aus.«

Die Magd ging zu ihm auf den Hof und fragte ihn, ob er etwas wünsche. Er sagte ja, zog sie in eine Ecke und stieß ihr einen Dolch in die Kehle, den er im Ärmel verborgen hatte. Kaum hatte er dies vollbracht, so kam ein Knecht auf den Hof geritten, der die Pacht eines Gutshofes brachte. Sobald der vom Pferd stieg und den Mönch grüßte, so umfaßte ihn dieser, als wolle er ihn umarmen, stach ihm von hinten den Dolch ins Herz und verschloß alsdann das Tor.

Als nun die Dame sah, daß ihre Magd nicht zurückkam, verwunderte sie sich, was jene bei dem Mönch verweile, und hieß ihrer andern Zofe: »Sieh nach, wo das Mädel bleibt.« Die ging. Doch kaum war sie die Treppe hinabgestiegen und des Paters ansichtig, so zog er auch sie in einen Winkel und ermordete sie gleich den anderen. Maßen er nun allein im Hause war, begab er sich zu der Dame und erklärte ihr: er sei schon längst in sie verliebt, und nun sei die Stunde der Erfüllung gekommen.

Daran hatte die Frau nie je gedacht, und so erwiderte sie: »Ehrwürdiger Vater, ich glaube, Ihr würdet mich als erster steinigen, wenn ich so Schändliches im Sinne hätte.« Der Pater aber sprach: »Geht in den Hof und sehet, was ich getan habe.« Als sie dort die Leichen ihrer Mägde und des Knechtes erblickte, erschrak sie so furchtbar, daß sie gleich einer Bildsäule erstarrte und keinen Laut hervorbrachte. Der Schandbube wollte aber mehr denn einen flüchtigen Genuß. Daher nahm er sie nicht gewaltsam, sondern erklärte ihr: »Bangt Euch nicht, Gnädigste, denn Ihr seid in der Hand eines Mannes, der Euch liebt.« Und damit öffnete er seine Kutte, zog daraus einen kleineren Mönchskittel hervor, gab ihr den und eröffnete ihr, sie müsse ihn anziehen oder sie würde das Schicksal jener Ermordeten teilen.

Mehr tot als lebendig entschloß sie sich, seinem Gebot zu gehorchen, um einerseits ihr Leben zu retten, und zudem in der Hoffnung, daß ihr Mann vielleicht inzwischen heimkehren würde. Auf Geheiß des Mönches löste sie zunächst ihre Haare, doch so langsam als möglich, um Zeit zu gewinnen. Kaum hingen die lose herab, da schnitt der Mönch sie eiligst ab, ohne ihre Schönheit weiter zu beachten, ließ sie dann sich bis aufs Hemd entkleiden, zog ihr die kleinere Kutte an, nahm die seine wieder um und eilte dann flugs mit seinem so lange erstrebten »Mönchlein« davon.

Gott aber erbarmte sich solcher schuldlosen Pein, da er die Tränen jener Frau gewahrte. Und so kehrte der Edelmann, dessen Angelegenheiten sich unerwartet schnell erledigt hatten, auf dem gleichen Wege heim, auf dem jene davongingen. Als der Franziskaner seiner von ferne gewahr wurde, erklärte er ihr: »Da kommt Euer Mann. Wenn Ihr ihn anblickt, wird er Euch meinen Händen entreißen wollen; daher gehet vor mir her und wendet das Gesicht von ihm ab. Würdet Ihr ihm auch nur das kleinste Zeichen geben, so bekämet Ihr den Dolch eher in die Kehle, als er Euch aus meiner Hand befreien könnte.«

Der Edelmann ritt vorbei ohne sein Weib zu erkennen. Er fragte den Franziskaner, woher er käme, und der erwiderte: »Von Eurem Hause, wo Eure Frau Euer harrt. Es geht Ihr sehr gut.« Des Edelmannes Diener aber, der hinterher kam und stets mit dem Gefährten jenes Paters, einem Bruder Johann, zu plaudern pflegte, sprach seine Herrin an, da er sie für diesen Johann hielt. Das arme Weib wagte nicht den Kopf zu wenden und sprach keinen Ton. Um nun das Gesicht zu sehen, ritt er über den Weg hinüber. Da blinzelte sie ihm mit tränenfeuchten Augen zu. Schnell eilte der Knecht seinem Herren nach und sagte: »Ach Herr, als ich auf die andere Seite des Weges ritt, erblickte ich das Gesicht des anderen Mönches: das war nicht Bruder Johann, sondern er glich Eurer Gemahlin, die mir mit tränenden Augen jammervolle Blicke zuwarf.«

Der Edelmann erwiderte, er träume wohl, und beachtete seine Worte nicht. Doch der Knecht bestand auf seiner Angst und bat um die Erlaubnis, jenen nachzueilen, derweile sein Herr hier warten solle, ob er recht hätte. Der Edelmann war damit einverstanden und hielt an, um des Knechtes Antwort abzuwarten. Als nun aber der Mönch den Knecht kommen sah und hörte, daß der nach dem »Bruder Johann« rief, argwöhnte er, daß jener die Dame erkannt habe, hob seinen eisenbeschlagenen Stock empor und hieb dem Knecht damit so gewaltig in die Seite, daß er vom Pferde stürzte. Und flugs sprang der Pater auf seine Brust und schnitt ihm die Gurgel durch.

Der Edelmann sah seinen Diener stürzen. Doch vermeinte er, das sei durch Ungeschick geschehen, und eilte herbei, um ihm aufzuhelfen. Kaum sah ihn der Mönch kommen, da schlug er ihn gleich dem Knecht nieder und sprang auf ihn zu. Der Edelmann war aber gewaltig stark. Daher gelang es ihm, jenen so zu umfassen, daß er ihn unschädlich machte und ihm den Dolch aus der Faust schlug. Den hob sein Weib unverweilt auf, gab ihn dem Ehemann und hielt mit aller Kraft den Franziskaner an der Kapuze fest, während ihr Mann jenem etliche Dolchstiche versetzte, bis er um Gnade bat und seine Schandtat eingestand. Der Edelmann wollte ihn aber nicht töten. So hieß er sein Weib nach Haus zu laufen und Leute mit einem Karren herbeizurufen. Also tat sie: nachdem sie die Kutte abgestreift hatte, lief sie im Hemd mit geschorenem Kopf bis zu ihrem Haus.

Alsbald kamen ihre Leute angelaufen, eilten flugs zu ihrem Herrn, um ihm beim Heimschaffen des gefangenen Wolfes zu helfen, und schleppten ihn in des Edelmannes Haus. Der ließ ihn sodann dem Kaiser in Flandern vorführen, wo der Bösewicht seine Niedertracht zugab. Und ob seines Geständnisses und durch eine örtliche Untersuchung stellte sich heraus, daß eine Menge Edelfrauen und Mägdelein in jenes Kloster in ganz gleicher Weise verschleppt worden waren, wie der Franziskaner es in diesem Falle getan hatte. So wurde alles geraubte Gut nebst den Frauen, die dort waren, säuberlichst hinausgeschafft, das Kloster mit den Mönchen darin zugesperrt und zum ewigen Gedächtnis an diese Untaten niedergebrannt. So kann man erkennen, daß nichts grausamer ist als verbrecherische Liebe, gleichwie nichts preislicher ist als die zarten Gefühle eines tugendsamen Herzens.

Ich bedaure sehr, meine Damen, daß ich um der lieben Wahrheit willen nichts zum Lobe der Franziskaner zu sagen weiß, obgleich ich sie im Grunde schätze. Beginge heute einer von ihnen eine rühmenswerte Tat, so wäre ich der erste, sie zu feiern.«

»Das nenne ich wahrlich grausame Liebe,« erklärte Oisille. – »Ich verstehe nur nicht,« meinte Simontault, »warum er sie nicht mit Gewalt nahm, als er sie im Hemd sah und so in der Hand hatte.« – »Er war eben kein Fresser, sondern ein Feinschmecker,« lächelte Saffredant, »und um sich nun täglich an ihr zu berauschen, wollte er nicht vorzeitig daran naschen und sich den Appetit verderben.« – »So liegt es wohl nicht,« widersprach Parlamente. »Aus Angst, abgefaßt zu werden, wollte er sicherlich sein Lämmlein an einen sichern Ort schleppen, gleich dem Wolf, um es dann in Gemütsruhe zu genießen.« – »Jedenfalls wurde er gebührend gestraft,« sprach Oisille, »und ich bete zu Gott, daß es allen ähnlichen Frevlern gleichermaßen gehen möge. Doch wem gebt Ihr nun Eure Stimme, Guebron?« – »Euch, edle Frau, denn sicher wißt Ihr etwas Schönes zu berichten.«

»So will ich denn«, hub Oisille an, »einen Vorfall erzählen, der sich zu meiner Zeit zutrug und mir von einem Augenzeugen berichtet wurde. Da der Tod auch allem Unglück ein Ende macht, so ist er oft nicht die größte Strafe für einen Übeltäter. Schlimmer ist eine dauernde Qual, die schwer genug ist, um das Ende herbeizusehnen, doch nicht schwer genug, um es zu beschleunigen. In diesem Sinne handelte ein Ehemann mit seinem Weibe, wie ihr alsbald hören werdet.«

Fünfundzwanzigste Erzählung


Welch schlauer List sich ein hoher Fürst bediente, um sich an dem Weibe eines Pariser Advokaten zu verlustieren.

»Zu Paris lebte ein Advokat, der ob seiner überlegenen Gewandtheit sehr gesucht war und es zu einem selten großen Vermögen gebracht hatte. Maßen er nun von seiner ersten Frau mit Kindern nicht beschenkt worden war, so erhoffte er dies Glück von einer zweiten und wählte trotz seines Alters und seiner Klapprigkeit ein Mägdelein jener Stadt, die achtzehn oder neunzehn Jahre alt, gar schön und lieblich von Aussehen und anmutig von Wuchs und Gestalt war. Die verhätschelte er über die Maßen und erzeigte ihr seine Liebe, soviel er konnte; doch beschenkte sie ihn so wenig mit Kindern als die erste und auf die Dauer wurde ihr die Sache langweilig. Wie es ihrer Jugend geziemte, suchte sie alsbald außer dem Hause Zerstreuung und besuchte Tanzfeste und Gelage; doch blieb sie so zurückhaltend, daß ihr Mann keinen Argwohn hegen konnte, maßen sie allezeit vertrauenswürdige Begleitung hatte.

Eines Tages nun traf sie auf einem Feste einen hohen Fürsten, der mir selbst diese Geschichte erzählte mit der Bitte, seinen Namen zu verschweigen. Doch kann ich immerhin versichern, daß er seinesgleichen an Schönheit und Anmut niemals hatte und kaum je hierzulande haben wird. Als nun dieser Prinz der jungen Dame ansichtig ward und wahrnahm, daß ihre Augen und ihr Gebahren geradezu zur Liebe herausforderten, sprach er sie also bezaubernd und liebenswürdig an, daß sie gern mit ihm plaudern mochte. Auch verbarg sie ihm nicht, daß ihr Herz seit langem liebesbereit wäre und er folglich nicht nötig habe, sie zu etwas zu überreden, das sie bei seinem bloßen Anblick ihm zu gewähren geneigt sei.

Als dem Fürsten dergestalt unschuldsvoll und ohne Scheu ein Glück in den Schoß fiel, das wohl ein langes Werben verdient hätte, dankte er Gott Amor für seine Huld und steuerte sein Schifflein alsbald so gewandt, daß sie in kurzem darüber einig waren, wie sie sich ungesehen von anderen treffen könnten. Der Fürst fand sich natürlich pünktlich ein und war wohl verkleidet, um die Dame seines Herzens nicht bloßzustellen. Da aber oft lästige Burschen nachts in den Straßen umherschwärmten und er mit diesen nicht in Berührung kommen wollte, nahm er einige Edelleute als Begleitung mit, zu denen er Vertrauen haben konnte. Die ließ er am Eingang jener Straße, wo die Dame wohnte, zurück und gab ihnen folgende Weisung: ›Wenn ihr mich in der nächsten Viertelstunde keinen Lärm schlagen hört, so ziehet euch zurück und holt mich erst zwischen drei und vier Uhr nachts wieder hier ab.‹ Also taten sie, und, maßen alles ruhig blieb, gingen sie alsbald heim.

Indessen war der Fürst geradesweges zum Hause des Advokaten gegangen und hatte die Tür, wie versprochen, offen gefunden. Als er aber die Stiege emporklomm, begegnete er dem Ehemann, der eine brennende Kerze in der Hand trug, also daß er früher zu sehen war als er jenen erblicken konnte. Dem jungen Fürsten aber verlieh die Not Einsicht und Kühnheit; daher ging er unverweilt auf ihn zu und sprach: ›Herr Advokat, Ihr wißt, welches Vertrauen ich und mein Haus in Euch setzen, also daß ich Euch für einen treuergebenen Diener halte. Im Augenblick nun möchte ich Euch einerseits im geheimen sprechen, um Euch einige Angelegenheiten ans Herz zu legen, zum andern aber um einen Schluck zu trinken bitten, da mich der Durst plagt. Doch erzählet bitte niemandem, daß ich bei Euch war, maßen ich weiter an einen Ort gehe, wo ich unerkannt bleiben will.‹

Die Ehre, also zwanglos diesen Prinzen bei sich empfangen zu dürfen, beglückte den Advokaten über die Maßen. Flugs führte er ihn in sein Zimmer und hieß seinem Weibe, die besten Früchte und Süßigkeiten herzurichten und herbeizubringen. Das tat sie mit Freuden; doch ob sie gleich mit ihrem Häubchen und losen Übergewand noch schöner anzuschauen war als sonst, so tat der Fürst doch stets als ob er sie kaum bemerke, und plauderte mit ihrem Mann über seine Angelegenheiten, die jenem wohlvertraut waren. Als jedoch diese Dame ihm die Süßigkeiten hinreichte, die sie auf den Knien trug, und ihr Mann derweile zur Anrichte ging und Wein eingoß, da flüsterte sie jenem zu: beim Fortgehen möge er rechterhand in eine Kleiderkammer schlüpfen, wohin sie alsbald nachkommen wolle. – Nachdem er also ausgetrunken hatte, dankte er dem Advokaten und lehnte mit liebenswürdigem Nachdruck seine Begleitung ab. Dann wandte er sich der jungen Frau zu und sagte: ›Und nun will ich Euch nicht länger Eueren wackeren Mann rauben, der mir ein so ergebener Diener ist. Wie glücklich seid Ihr, ihn den Euren zu nennen; preiset darob Gott und seit ihm ein gehorsames Weib. Anderenfalls müßte ich Euch wahrlich für bedauernswert halten.‹

Nach diesen erbaulichen Worten ging er von dannen, schloß hinter sich die Tür, damit ihm niemand folge, und trat in die Kleiderkammer. Und nachdem ihr Gatte fest eingeschlafen war, kam die schöne Frau auch dorthin und führte den Prinzen in eine wohleingerichtete Stube. Doch das schönste Bild darinnen boten jene zwei, gleichermaßen, ob sie mit Gewändern angetan waren oder nicht. Und ich brauche wohl nicht zu zweifeln, daß die Frau ihm jegliches Versprechen hold erfüllte.

Als dann die Zeit kam, die der Fürst seinen Edelleuten bezeichnet hatte, ging er von dannen und traf jene am vereinbarten Fleck. Und da dies Leben eine gute Zeit währte, wählte der Prinz einen wesentlich kürzeren Weg: er ging nämlich durch ein Kloster, dessen Prior ihm derart behilflich war, daß auf sein Geheiß der Pförtner dem Prinzen um Mitternacht das Tor öffnete, und gleichermaßen, wenn er zurückkehrte. Und da er von dort nur wenige Schritte zu gehen hatte, brauchte er auch weiter keine Begleitung. Obgleich nun dieser Zustand lange Zeit so blieb, versäumte der Fürst doch nie als gottesfürchtiger Mann, auf dem Rückwege lange in der Kirche betend zu verweilen. Darob ward er von den Mönchen, die ihn gelegentlich der Frühmette dort stets knien sahen, als ein gar frommer Herr betrachtet.

Nun hatte der Prinz eine Schwester, die jenes Kloster oft besuchte. Und da sie ihren Bruder über alles liebte, so hieß sie alle gottergebenen Freunde, ihn in ihr Gebet einzuschließen. Als sie diese Bitte einst auch jenem Prior nahe legte, erwiderte der: ›Ach, hohe Frau, wen empfehlt Ihr mir da? Wie gern möchte ich selbst von jenem Herrn ins Gebet eingeschlossen werden. Denn wer sollte wohl frommer sein als dieser?!‹ Und da die Prinzessin ihn nach dem Grunde dieser Ansicht fragte, erzählte er ihr endlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit, wie ihr Bruder alltäglich die Frühmette höre und so durch seine Demut die Mönche schier in den Schatten stelle.

Die Schwester wußte nicht recht, was sie glauben sollte, denn einerseits kannte sie ihres Bruders Lebenslust, andrerseits auch seine recht gewissenhafte Frömmigkeit. Doch so viel Gottesfurcht war ihr verdächtig. Darum ging sie zu ihm, erzählte ihm das Urteil des Priors über ihn, und als er ein Lächeln nicht unterdrücken konnte, verstand sie, daß etwas dahinterstecke. Also drängte sie ihn, bis er ihr die Wahrheit gestand, und sie war es, die mir alles so erzählte, wie ihr es nun gehört habt.

So möget ihr daraus erkennen, daß nicht Advokat noch Mönch schlau genug sein können, maßen Amor, wenn es nottut, die Betrüger doch hinters Licht führt. Daher sollen wir armen Geschöpfe ihn von Herzen fürchten.«

»Ich glaube zu wissen, wer das war,« überlegte Guebron. »In diesem Falle kann man ihm das Lob nicht versagen, daß er die Ehre der Frauen schont und übles Aufsehen scheut, zum Unterschied von andern großen Herren, die sich, um ihren Lüsten zu fröhnen, über alles hinwegsetzen, und darum oft in noch schlechterem Rufe stehen als sie es verdienen.« – »Freilich,« – versicherte Oisille, »manche Herren könnten sich ein Beispiel an ihm nehmen.« – »Aber bedenkt einmal,« meinte Nomerfide, »wie tief von Herzen ihm jene Gebete im Kloster kommen mochten.« – »Das kann man kaum beurteilen,« warf Parlamente ein, »denn vielleicht war seine Reue jedesmal nachher so tief, daß er wohl Verzeihung finden konnte« – »Wie kann man solche Freuden bereuen!« rief Hircan. »Ich selbst habe gar oft gebeichtet, doch nie bereut.« – »So solltet Ihr lieber nicht beichten,« erklärte Oisille. – »Warum?« entgegnete jener. »Die Sünde mißfällt mir sehr, doch behagt mir das gehabte Vergnügen nicht minder.« – »Ihr und Euresgleiches verzichtet fürwahr gern auf Gott und Gesetz,« klagte Parlamente, »wenn nur Eure Genußsucht gestillt wird.« – »Ich wünschte allerdings,« versicherte Hircan, »daß Gott an unsern Freuden gleichen Gefallen fände als etwa ich; dann würde ich ihn desto öfter zu beglücken suchen.« –

Doch Guebron unterbrach ihn: »Laßt doch theologische Betrachtungen, auf daß Longarine ihr Wort weiter geben kann.« – »Ich gebe es Saffredant,« sprach jene, »doch mag er uns etwas recht Schönes bescheren und weder darauf bedacht sein, die Frauen schlecht zu machen, noch das Gute wahrheitswidrig zu fälschen.«

»Das kann geschehen,« hub alsbald Saffredant an. »Denn ich habe hier die Geschichte von einer törichten und einer klugen Frau. Entnehmet daraus, was ihr möget. Doch werdet ihr immerhin erkennen, daß die Liebe ein Herz nicht wandelt, und bei Schlechten schlechte, bei Guten gute Taten auslöst.«