Dritte Erzählung


Der König von Neapel verführt eines Edelmannes Frau und wird schließlich selbst betrogen.

»Oft habe ich mir gewünscht,« erzählte Saffredant, »das glückliche Geschick des Mannes zu teilen, von dem ich hier berichten will. Zur Zeit des Königs Alfons, dessen Sinnenlust in seinem Reiche das Szepter führte, lebte in Neapel ein Edelmann, dem ob seiner vollkommenen Ehrenhaftigkeit, Schönheit und Liebenswürdigkeit ein alter Grande seine Tochter zum Weibe gab. Das Mägdelein stand ihrem Manne weder in Tugend noch in Schönheit nach, und zwischen beiden herrschte alsbald herzinnige Zuneigung. Da kam der Karneval, allwo der König maskiert in die Häuser zu gehen pflegte und jeder sich befleißigte, ihn bestmöglich zu empfangen. So ging er auch in das des Edelmannes und ward trefflicher bewirtet, denn sonst irgendwo, soviel Leckerbissen, so schöner Gesang ward ihm geboten. Zudem war dort die herrlichste Frau, die er je gesehen hatte, und am Ende des Gastmahles trug diese gar mit ihrem Mann ein Lied mit soviel Anmut vor, daß ihre Schönheit darob noch zu wachsen schien. Doch der Anblick so vieler Vollkommenheiten, die in einer Person vereint waren, weckte in dem Könige kein Behagen an der sanften Eintracht der beiden Gatten, sondern den Wunsch, diese Eintracht zu stören. Ihre innige Zuneigung zueinander erkannte er als ein großes Hindernis. So barg er, so gut er es vermochte, seine Leidenschaft in seinem Herzen.

Um diese aber wenigstens zum Teil zu befriedigen, ließ er allen Edelleuten und Edelfrauen Neapels ein Festgelage geben, zu dem auch jene zwei geladen waren. Maßen nun jeder gern das glaubt, was er zu sehen wünscht, so vermeinte er, daß die Augen jener Frau ihn verheißungsvoll anblickten, und nur des Mannes Anwesenheit ihr hinderlich zu sein schien. Um nun die Richtigkeit seines Gedankens zu erkunden, gab er dem Manne den Auftrag, für zwei bis drei Wochen nach Rom zu reisen. Kaum war dieser fort, so versank sein Weib, dem sein Bild noch lebhaft vor Augen stand, in tiefe Trauer. Doch der König suchte sie, soviel er konnte, durch zarte Aufmerksamkeiten, Gaben und Geschenke zu trösten, also daß sie bald den Abschiedsschmerz überwunden hatte und sich gar ohne ihren Mann recht wohl fühlte. Und noch bevor die drei Wochen, nach denen er heimkehren sollte, verstrichen, war sie dermaßen in den König verliebt, daß ihres Mannes Rückkunft ihr schwerer auf die Seele fiel als seine Abreise. Um nun das Zusammensein mit dem Könige nicht entbehren zu müssen, vereinbarten die beiden: allemal, wenn ihr Gatte seine Güter besuchen würde, wollte sie es den König wissen lassen, und der mochte sie dann so geheim besuchen, daß ihr Mann (den sie mehr fürchtete, denn ihr Gewissen) davon nichts erfahren würde.

Diese Hoffnung stimmte sie wieder froh. Und als ihr Mann heimkehrte, nahm sie ihn so trefflich auf, daß er nun an die Gerüchte, die ihm zugegangen waren, nimmer glauben mochte: der König habe während seiner Abwesenheit mit seinem Weibe gebuhlt. Doch mit der Dauer der Zeit brach die wohl verborgene Leidenschaft zu deutlich hervor, als daß der Gatte an der Wahrheit der Gerüchte weiter zweifeln konnte. Er spürte ihnen nach und war alsbald so gut wie sicher. Doch fürchtete er, der König, der ihm seine Ehre geraubt hatte, konnte ihm noch Schlimmeres antun, dafern er sich etwas merken ließe. So verstellte er sich; denn er zog vor, in Leid zu leben, statt für ein Weib, das ihn doch nicht liebte, sein Leben aufs Spiel zu setzen. indessen erwog er voll Unmutes, wenn möglich dem König ein gleiches heimzuzahlen. Er bedachte, daß die Liebe großmutige und tugendsame Herzen am leichtesten zu übermannen vermochte, und eines Tages, da er mit der Königin plauderte, erklärte er ihr kühn, er bedaure tief, daß ihr keine andere Liebe beschieden sei als die kühlen Gefühle ihres Gatten, des Königs.

Die Königin hatte wohl von der Zuneigung reden hören, die zwischen dem König und der Frau des Edelmanns bestand, und erwiderte: ›Ich kann nicht gleichzeitig Ehren und Freuden genießen. Wohl weiß ich, daß mir die Ehre zufällt und einer andern die Lust. Doch genießt jene dafür auch nicht die Ehre, die mein Teil ist.‹ Er verstand sehr wohl, worauf jene Worte hinzielten und sprach nunmehr:

›Die Ehre, hohe Frau, ward Euch in die Wiege gelegt, denn Ihr seid so edlen Geschlechts, daß Ihr auch als Königin oder Kaiserin nicht höher zu steigen vermöchtet. Doch verdient Eure Schönheit, Anmut und Tugend so viel Liebesfreuden, daß jene, die Euer Teil raubt, sich selbst mehr schädigt als Euch, denn um einen Ruhm, der sich in Schande wandelt, verliert sie alle Freuden, die Ihr, oder eine andere Frau des Reiches, nun ernten könnt. Wahrlich – abgesehen von seiner Krone besitzt der König nichts, damit er eine Frau mehr beglücken könnte als ich. Vielmehr gar müßte er seine Gaben mit den meinen vertauschen, um eine so erhabene Frau, wie Euch, ganz zufrieden zu stellen.‹

Darauf meinte die Königin lachend: ›Vielleicht ist der König nicht also stark, wie Ihr es seid. Doch bin ich von seiner Liebe so befriedigt, daß ich sie jeder anderen vorziehe.‹ Der Edelmann jedoch entgegnete:

›Wäre es in Wahrheit so, hohe Frau, gewißlich würde nicht mein Mitleid für Euch rege werden. Wohl weiß ich, daß Eure hochherzige Liebe Euch voll befriedigen würde, wenn sie nur vom König erwidert würde. Doch hat Euch Gott davor bewahrt, aus ihm Euren Gott auf Erden zu machen, indem Ihr nicht in ihm fandet, was Ihr suchtet.‹ – ›Aber ich versichere Euch doch, daß meine Liebe zu ihm so groß ist, daß darin kein anderes Herz dem meinen gleichen mag.‹ – ›Vergebt mir, hohe Frau, gewiß habt Ihr nicht alle Herzen daraufhin geprüft. Denn ich wage kecklich zu behaupten: es gibt einen Mann, der Euch so gewaltig und unwiderstehlich liebt, daß Eure Liebe daneben klein erscheinen dürfte. Und je mehr dieser Mann gewahrt, daß die Liebe zum König noch in Eurem Herzen sproßt, um so mehr wächst und wallt die seine, also daß Ihr sicherlich für alle verlorene Zeit entschädigt würdet, wenn Ihr ihn erhört.‹

Die Königin begann in seinen Worten und seinem Gebaren zu erkennen, daß ihm sein Geständnis von Herzen kam. Ich erinnere mich auch,« fügte Saffredant ein, »daß er ihr schon lange eifrigst zu Diensten gewesen war und in seiner Ergebenheit schier trübsinnig wurde. Sie hatte seine Niedergeschlagenheit auf den Vorfall mit seiner Frau bezogen, doch nun war sie fest überzeugt, daß es ihr gegolten hatte. Auch spürte sie gar wohl die Innigkeit seiner Liebe und begann so, diesen vor allen verborgenen Gefühlen zu trauen. Indem sie nun auf diesen Edelmann blickte und gewahrte, wie viel liebenswerter er war, denn ihr Mann; als sie sich zudem sagte, daß er gleichermaßen von seinem Weibe verraten war, wie sie vom Könige – da begann Grimm und Eifersucht sie zu übermannen, begann die Liebe zu dem Edelmann sie zu umstricken, und mit Tränen in den Augen seufzte sie eines Tages: ›O du mein Gott! soll denn die Rachsucht mir abtrotzen, was keine Liebe vermochte?‹

Der Edelmann vernahm ihre Worte gar wohl und entgegnete: ›Die Rache, hohe Frau, ist nur für den, der einen wahren Freund glücklich macht statt den Feind zu töten. Mir scheint es Zeit, daß die Einsicht Euch die törichte Liebe zu dem Gatten aus dem Herzen reiße, der Euch nicht zugetan ist, und die wahre Liebe Euch von einer Angst befreit, die in Euerm großmütigen und tugendhaften Herzen nichts zu suchen hat. So tut denn Euern hohen Stand zur Seiten und werdet inne, daß wir beide die meistverlachten Menschen dieser Welt sind, und daß jene uns verraten haben, die wir zumeist liebten. Rächen wir uns, hohe Frau – nicht sowohl, um ihnen verdienten Lohn zu geben, als um unser Liebessehnen zu befriedigen, das ich für mein Teil nimmermehr ertragen kann, ohne daran zu sterben. Und sollte Euer Herz nicht härter sein denn Kiesel oder Diamant, so müßt Ihr sonder Zweifel auch einen Funken jenes Feuers in Euch spüren, das um so wilder in mir loht, je mehr ich es zu bergen strebe. Ich vergehe vor Liebe zu Euch, doch wenn Euch auch kein Mitgefühl darob zur Liebe treibt, so mag Euch wenigstens die Einsicht Eurer eigenen Lage dahin lenken. Denn ob Ihr gleich in Eurer herrlichen Vollkommenheit verdientet, alle die trefflichsten Männer der Welt zu Euern Füßen zu sehen, seid Ihr statt dessen von dem verlassen und verraten, für den Ihr alle anderen zurückgewiesen habt.‹ Ob dieser Worte kam die Königin schier außer Fassung Doch fürchtete sie, ihre Verwirrung augenscheinlich werden zu lassen und begab sich, auf des Edelmanns Arm gelehnt, in einen Garten unweit ihrer Gemächer. Dort wandelte sie lange Zeit auf und ab, ohne daß sie ein Wort zu sagen vermochte. Da nun der Edelmann inne ward, daß sie schon zur Hälfte nachgab, enthüllte er ihr am Ende eines Gartenweges die Glut seiner langverhaltenen Liebe so augenscheinlich, daß die Leidenschaft sie überwältigte. Und also vollzogen sie ihre Rache, deren Brand sie nicht mehr ertragen konnten.

Alsdann beschlossen sie, daß der Edelmann allemal ins Schloß zur Königin kommen sollte, wenn der König ihn auf seinen Gütern glaubte und zur Stadt ginge. Dergestalt konnten sie die Betrüger selbst betrügen, und der Liebe Wonnen wurden allen vieren zuteil, derweile jene zwei vermeinten, sie allein auszukosten.

Nach dieser Absprache kehrte jeglicher zu seinem Hause zurück und vergaß in seiner Zufriedenheit alles überstandene Leid. Und ihr Bangen vor des Königs Zusammensein mit der Edelfrau verwandelte sich in den lebhaftesten Wunsch danach, also daß der Edelmann viel öfter als bisher sein Gut aufsuchte, das nur eine halbe Meile vor der Stadt lag. Kaum erfuhr der König seine Abwesenheit, so eilte er flugs zu seiner Herzliebsten, derweile der Edelmann sich bei sinkender Nacht aufs Schloß zur Königin begab und des Königs Dienst übernahm. Und alles geschah also heimlich, daß nie jemand etwas davon bemerkte.

So ging es manche Zeit. Doch war der König zu bekannt von Angesicht, als daß trotz allen Verhehlens sein Liebeshandel nicht schließlich bekannt wurde. Und alle Welt bemitleidete den Edelmann, maßen die Gassenbuben ihn hinterrücks höhnten und ihre Hände gleich einem Geweih zum Kopfe führten. Jener bemerkte das wohl. Doch schuf ihm dieser Spott nur Freude, sintemalen er diesen Hörnerschmuck der Krone des Königs gleich schätzte.

Der König indessen vermochte nicht an sich zu halten, und als er eines Tages ein Hirschgeweih im Gemache des Edelmannes gewahrte, hub er vor dessen Nase an zu lachen und meinte, dies Geweih sei hier im Hause wohl am Platze. Der Edelmann mochte ihm ob dieses Scherzes nicht nachstehen und grub in den Hirschschädel folgende Inschrift:

›Wohl trage ich Hörner und trag‘ sie voll Lust. Wie mancher trägt gleiche und hat nichts gewußt!‹

Als der König wiederkehrte und dies Verslein las, befragte er den Edelmann über dessen Sinn. Der entgegnete: ›Wenn das Geheimnis des Königs sich in diesem Geweih offenbart, so liegt noch kein Grund vor, auch das Geheimnis des Geweihträgers nun zu offenbaren. Begnügt Euch, hoher Herr, mit dem Troste, daß nicht jegliches Gehörn den Träger verunziert. Oft ist es gar zierlich, und wer nichts davon weiß, trägt es am leichtesten.‹ Nun verstand der König, daß jener wohl etwas wußte. Doch niemals argwöhnte er etwas zwischen ihm und der Königin. Denn je mehr diese sich mit dem Lebenswandel ihres Gemahls zufrieden gab, um so mehr Unzufriedenheit heuchelte sie vor ihm. Und also lebten beide Paare lange Zeit in herzinniger Eintracht, bis das Alter ihrer Liebesglut ein Ziel setzte.

Mit dieser Geschichte, meine Damen, wollte ich euch gern ein blühendes Beispiel geben, wie ihr euern Gatten gewaltige Hörner aufsetzen möget, wenn sie euch mit einem kleinen Rehgeweih zu schmücken belieben.«

Emarsuitte warf lachend ein: »Ich bin ganz sicher, Saffredant, Ihr würdet gern Hörner gleich Eichstämmen tragen, um nur Eure Herzliebste zu Willen zu haben, sofern Ihr sie heute noch so glühend liebt wie einstmals. Doch Euer Haar beginnt nunmehr zu bleichen, drum legt Euerm Begehren Zügel an.« – »Wohl hat«, versetzte Saffredant, »die, so ich liebe, mir alle Hoffnung geraubt, Gnädigste, und das Alter nahm mir die überschäumende Glut! Mein Liebesgehren ward jedoch nicht kleiner. Da Ihr mir nun dieses ehrenhafte Trachten verweiset, so erteile ich Euch das Wort, die vierte Geschichte vorzutragen. Laßt sehn, ob Ihr mich Lügen strafen könnt.«

Während jener Zwiesprache begann eine der Damen zu lachen. Denn sie wußte wohl, daß jene, die Saffredants Worte auf sich bezog, nicht gleichermaßen von ihm geliebt wurde denn sie selber, für die er gern alles ertragen hätte. Saffredant bemerkte das und schwieg zufrieden, so daß er Emarsuitte das Wort ließ. Und die hub also an:

»Meine Damen, auf daß Saffredant und Ihr andern inne werdet, daß nicht alle Frauen dieser Königin gleichen und gleichermaßen nicht jeglicher kecke Tor zum Ziele kommt, will ich euch eine Geschichte berichten, die sich so kürzlich zutrug, daß ich die Namen verschweigen muß, um lebende Verwandte nicht zu kränken.«

Fünfundvierzigste Erzählung


Ein Ehemann gibt vor, dem Stubenmädchen die Kinderstreiche5 verabfolgen zu wollen und hintergeht also sein einfältiges Weib.

»Zu Tour lebte ein geistesgegenwärtiger, gescheiter Mann, der Tapetenmacher des seligen Herzogs von Orleans, des Sohnes König Franz‘ des Ersten. Zwar war er durch eine Krankheit schwerhörig geworden, doch hatte sein gesunder Menschenverstand darunter nicht gelitten; und daß er nicht nur in seinem Handwerk gar leistungsfähig war, mag man aus dem Folgenden leicht ersehen. Er war mit einer sittsamen, recht wohlhabenden Frau verheiratet, lebte mit ihr in friedlicher Ruhe und hütete sich wohl, ihr zu mißfallen, gleichwie auch sie ihm gern jederzeit fügsam war. Trotz all seiner Zuneigung aber war er so freigebig, daß er oft auch den Nachbarinnen spendete, was nur seinem Weibe zukam; doch vollzog er solche Spenden in tiefster Heimlichkeit.

Nun diente in seinem Hause eine Magd, die wohl bei Fleische war, also daß jener sich in sie verliebte. Maßen er aber fürchtete, sein Weib könne ihm auf die Schliche kommen, tat er oft vor ihr, als tadle er jene und zanke sie aus, nannte sie den schlimmsten Faulpelz, den er je gesehen habe, und äußerte seine Verwunderung, daß sein Weib sie niemals schlug. Als sie nun eines Tages von den Kinderstreichen sprachen, erklärte er seiner Frau: »Man täte wahrlich eine Wohltat, wenn man diese faule Magd mit Ruten striche; aber das dürfte nicht von Eurer Hand geschehen, denn die ist zu schwach und Euer Herz zu mitleidig. Wenn Ihr mir erlaubtet, das zu erledigen, so würden wir sicherlich künftig besser von ihr bedient werden.«

Sein armes Weib ahnte nichts Böses, und so bat sie ihn, die Prozedur vorzunehmen, da sie in der Tat zu schwach und weichherzig sei. Alsbald übernahm der Mann fröhlich diese Aufgabe, spielte den rohen Henker und befahl recht tüchtige Ruten zu kaufen. Die ließ er obendrein in Salzwasser legen, um zu erweisen, daß er nicht die geringste Milde walten lassen wollte, also daß sein gutmütiges Weib eher die Magd bemitleidete denn ihren Gatten beargwöhnte.

Als dann der Bethlehemstag kam, erhob sich der Tapetenmacher zu früher Stunde und begab sich in die Kammer, wo die Magd allein schlief. Aber er verabfolgte ihr ganz andere Dinge als sein Weib glaubte. Zwar hub die Magd gewaltiglich an zu heulen, aber das half ihr nichts. Maßen er jedoch fürchtete, seine Frau könne ihn abfassen. so schlug er auf die Holzränder der Bettstatt, bis die Ruten zerspellten und brachen, zeigte sie dann also seinem Weibe und sprach: »Meine Liebe, ich glaube, dieser Streiche wird sich Eure Magd recht wohl erinnern.«

Kaum hatte er dann das Haus verlassen, so warf sich die Magd ihrer Herrin zu Füßen und klagte, der Herr habe ihr das schlimmste Unrecht angetan, das je einer Magd widerfahren könne. Ihre Herrin aber verstand, daß sie von den Streichen rede, unterbrach sie und sagte: »Mein Mann tat sehr recht; schon seit einem Monat bitte ich ihn darum; hat es Euch weh getan, so freut mich das: denkt nur an mich; und sicher hat er sich noch dabei einiges Maß auferlegt!«

Da die Magd also inne ward, daß ihre Herrin die Sache billigte, vermeinte sie, es könne doch wohl nicht so gar schlimm gewesen sein, maßen doch jene ehrengeachtete Frau selbst die Veranlassung gewesen war. Also sprach sie nicht mehr davon. Und als der Hausherr wahrnahm, daß sein Weib ebenso damit zufrieden war, betrogen zu werden, als er damit, sie zu betrügen, entschloß er sich, sie des öfteren zufriedenzustellen. Daher zähmte er die Magd alsbald so wohl, daß sie ob seiner Streiche niemals mehr Tränen vergoß. Und so lebten sie lange Zeit, ohne daß sein Weib etwas merkte.

Als nun große Schneefälle eintraten, bedachte der Tapetenmacher sein Spiel gleichermaßen auf dem Schnee fortsetzen zu können, wie er es im grünen Gras gepflogen hatte. So nahm er die Magd eines Morgens früh, ehe sonst jemand im Hause erwacht war, im Hemd in den Garten, auf daß sie dort ihre Morgenandacht verrichte. Erst schneeballten sie sich gehörig, und dann vergaßen sie auch die Streiche nicht. Das aber bemerkte eine Nachbarin (die vom Fenster aus in seinen Garten blicken konnte), als sie nach dem Wetter sehen wollte. Als sie sein anstößiges Tun gewahrte, ergrimmte sie und beschloß, die Gevatterin zu benachrichtigen, auf daß sie sich weder von ihrem schlimmen Gatten betrügen ließe, noch fürder solche Magd im Hause dulde.

Nachdem sich aber der Tapetenmacher weidlich verlustiert hatte, schaute er um sich und nahm jene Nachbarin wahr, die am Fenster stund. Darob war er baß betrübt. Gleichwie er jedoch jeglicher Tapete allerlei Farben zu verleihen wußte, so entschloß er sich, auch diesen Vorfall recht schon zu färben, also daß diese Nachbarin nicht minder gut betrogen würde als sein Weib. Kaum war er daher ins Bett geschlüpft, so erweckte er seine Frau, führte sie gleichermaßen in den Garten wie die Magd, schneeballte sich auch mit ihr lange Zeit, und strich schließlich sein Weib mit der gleichen Rute wie ihr Stubenmädchen. Darauf legten sich beide wieder zur Ruhe. Sobald sich dann die gute Frau zur Messe begab, fand sich auch die Nachbarin ein und bat sie eifrigst, ohne aber näheres zu sagen: sie müsse ihre Magd davonjagen, sintemalen selbige eine schlechte, gefährliche Dirne sei. Die andere meinte, das läge ihr recht fern, solange sie die näheren Gründe nicht kenne. So entschloß sich die Nachbarin endlich, zu erzählen, wie sie jene Magd früh morgens mit dem Hausherrn im Garten erblickt habe. Die wackere Frau hub alsbald an, recht herzlich zu lachen, und sagte: »Ach, beste Gevatterin, das war doch ich.« – »Wie denn?« entgegnete jene, »ich meine im Hemd, früh morgens um fünf Uhr.« – »Ja freilich, Frau Nachbarin, das war ich.«

Die andere fuhr immer eifriger fort: »Sie schneeballten sich beide und bewarfen auch die Brust, dann gar andere Stellen mit Schnee, ohn‘ alle Scham!« – »Ja, ja, meine Liebe, das war ich.« – »Aber denkt doch, ich sah sie im Schnee dann allerlei Dinge treiben, die wirklich nicht schön und sittsam waren.« Da erklärte die gute Frau: »Ich sagte Euch und ich wiederhole es nochmals, das war ich. Mein Mann und ich lieben solch ausgelassene Spiele, aber darob entrüstet Euch bitte nicht. Ihr wißt, wir armen Frauen müssen unsern Männern allezeit zu Gefallen sein.«

So mußte die Nachbarin unverrichteter Dinge wieder heimziehen. Aber nun hätte sie am liebsten selbst solchen Ehemann ihr Eigen genannt. – Als dann der Tapetenmacher nach Hause kam, berichtete ihm sein Weib des langen und breiten dies Gespräch mit der Nachbarin. »Da seht Ihr, meine Liebe,« erwiderte er am Ende, »wie wir schon längst entzweit sein könnten, wenn Ihr nicht eine so verständige Frau wäret. Aber ich hoffe bei Gott, daß Er uns dies Einvernehmen noch lange Zeit sich selbst zum Preise erhalten möge.« – »Amen,« sagte sein Weib. »Und ich hoffe, daß Ihr nie wieder einen Fehler an mir wahrnehmen möget!«

Wer diese Geschichte gehört hat, wird fürder schwerlich glauben, daß ihr Frauen den Männern an Listen überlegen seid. Um aber der Wahrheit die Ehre zu geben, soll man sagen, daß sich beide an Durchtriebenheit nichts nachgeben.«

»Dieser Mann da war ein besonders schlechter Kerl,« meinte Parlamente, »denn er betrog gleichermaßen die Magd wie sein Weib.« – »Ihr habt wohl nicht recht aufgepaßt,« widersprach Hircan. »Ihr hörtet doch, daß beide von ihm am selbigen Morgen zufriedengestellt wurden. Ich finde, daß er so körperlich denn geistig recht Wackeres leistete, maßen er in Wort und Tat zwei so gegensätzlichen Gesichtspunkten Rechnung tragen konnte.« – »Just darum war er doppelt schlecht,« entgegnete Parlamente. »Die Einfalt der einen beschwichtigte er durch eine Lüge, die Bosheit der anderen durch seine Lasterhaftigkeit. Aber vor Euerm Richterstuhl werden solche Sünden natürlich leicht vergeben.« – »Ich kann Euch versichern,« klagte Hircan, »daß ich einer so schwierigen und anspruchsvollen Lage nicht gewachsen wäre. Denn ich wäre mit meines Tages Arbeit schon recht zufrieden, wenn ich Euch allein wohl versehen müßte.« – »Wenn gegenseitige Liebe das Herz nicht zufrieden stellt,« erwiderte seine Frau, »dann kann man auch auf andere Weise keine Befriedigung finden.« – »Das ist wahr,« rief Simontault, »denn ich glaube, es gibt hinnieden kein größeres Leid, als Liebe ohne Gegenliebe.«

»Das meine ich auch,« versicherte Oisille, »und da fällt mir just eine Geschichte ein, die ich eigentlich zwar nicht für sonderlich erzählenswert gehalten hatte. Da sie aber hierher paßt, will ich sie schnell berichten.«

  1. Bei dem Feste, das des Bethlehemitischen Kindesmordes gedachte, war es Sitte, daß junge Männer alle Frauen, die sie im Bett betrafen, mit Ruten streichen durften.

Sechsundvierzigste Erzählung


Von einem Franziskaner, der den Ehemännern einen schweren Vorwurf machte, wenn sie ihre Frauen verbläuten.

»Zu Angoulême – der Stadt, da sich der Vater des Königs Franz, Graf Karl, so gern aufhielt – befand sich ein Franziskaner, de Valles mit Namen, der gar gelehrt und ein gewaltiger Kanzelredner war. Der predigte zu Advent in der Stadt vor dem Grafen, darob sein Ruhm noch erklecklich zunahm. Nun war es damals geschehen, daß ein junger Liederjahn daselbst ein gar lästerliches Leben führte, obzwar er mit einem schönen jungen Weibe vermählt war und solcher Wandel einem glücklichen Ehemann wahrlich nicht anstand.

Da nun solches seinem armen Weibe zu Ohren kam, vermochte es nicht zu schweigen. So oft sie ihm dergleichen bei Gelegenheit vorwarf, so oft zahlte er ihr die Vorwürfe zurück und in anderer Münze, als sie wohl gewünscht hätte. Doch sie ließ darob nicht nach, zu klagen und gar bisweilen ihn zu beschimpfen, so daß der Jüngling einstmals außer sich geriet und sie braun und blau schlug. Alsbald erhob sie ein erschreckliches Geschrei, und nun mochten auch die Nachbarinnen nimmer den Mund halten. Vielmehr liefen sie über Straßen und Gassen und riefen: »Pfui, pfui, pfui über die Ehemänner. Der Satan soll sie holen – zum Teufel mit ihnen.«

Just kam jener Pater des Weges und vernahm ihr Geschrei. Und da er den Grund erfuhr, beschloß er, den Fall tags darauf in der Predigt zu besprechen, und also geschah es.

Da er von Ehre und Zuneigung redete, so man wohl bewahren müsse, erging er sich in Lobsprüchen über die Treue, schalt gewaltig über den Treubruch und zog dann einen Vergleich zwischen ehelicher Liebe und Elternliebe. Weiter legte er dar, wieviel schlimmer und stiefwürdiger es dieserthalben sei, wenn man sein Weib schlage als wenn man Vater und Mutter mißhandele, und fuhr also fort: »Denn so ihr Vater oder Mutter schlaget, so wird man euch zur Buße nach Rom schicken. So ihr aber euer Weib verprügelt, so schickt es euch, gleichwie auch die Nachbarinnen tun, zu allen Teufeln, das heißt: in die Höllen. So bemerket wohl den Unterschied zwischen beiden Bußen: aus Rom kehret man gewöhnlich zurück, aber aus der Höllen nie; denn wehe, von dorten gibt es keine Rückkehr – nulla est redemptio!«

Alsbald machte man ihn darauf aufmerksam, daß die Frauen sich seit seiner letzten Predigt auf seine Worte versteiften und die Männer sie schier nicht mehr zufrieden stellen könnten. Dieserthalben beschloß er Ordnung zu stiften, maßen ihm solch Gehabe der Frauen ungehörig erschien. So verglich er in der nächsten Predigt die Frauen mit dem Teufel und sagte: diese zwei seien die schlimmsten Feinde der Männer, die ihn unentwegt in Versuchung führten – zumal die Frauen. »Denn«, meinte er weiter, »die Teufel fliehen von hinnen, wenn man ihnen das Kruzifix zeigt, die Frauen aber keineswegs. Vielmehr laufen sie alsdann auf und nieder und setzen den Männern gar noch zu, ohne ein Ende zu finden. Doch wisset ihr nun, ihr wackeren Männer, was ihr dann tun müßt, wenn ihr sehet, daß die Frauen euch also ihrer Gewohnheit nach zusetzen. Dann ziehet den Stiel beim Kreuz heraus und jagt sie damit davon. Ihr brauchet das nur drei- oder viermal recht nachdrücklich zu tun, dann werdet ihr euch viel bequemer fühlen und wahrnehmen, daß gleichermaßen, wie der Teufel mit dem Kreuze verjagt wird, eure Frauen von euch lassen und gar schön fürder ihren Mund halten, nachdem ihr besagten Stiel herausgezogen haben werdet.«

Da habt ihr einige Proben aus den Kanzelreden jenes verehrlichen Paters, dessen Leben ich aus gutem Grunde nicht erzählen will; doch kann ich noch erwähnen (maßen ich ihn gekannt habe), daß er weit mehr auf Seiten der Frauen denn der Männer stand.«

»Das zeigte er aber in seiner letzten Predigt keineswegs,« – meinte Parlamente, »als er die Männer lehrte, ihre Frauen zu verprügeln.« – »Ihr habt seine List nicht verstanden,« widersprach Hircan seinem Weibe, »weil Ihr in der Kriegskunst nicht genügend bewandert seid: man muß das feindliche Lager entzweien, um es desto leichter zu erobern. So säete jener Mönch Zwietracht zwischen den Gatten, weil derart die Frauen oft in ihrer Ehrbarkeit lockerer werden, auf Abwege geraten und dem lauernden Wolf zum Opfer fallen« – »Ich könnte den nicht lieben, der mich mit meinem Mann entzweite,« erklärte Parlamente. »Immerhin sollen Männer sich ost gar schmeichlerisch gebahren, um von Frauen Gunst zu erlangen. Deshalb muß man doch wohl mißtrauisch sein.« – »Nichtsdestoweniger kann ein mißtrauischer Mensch keinen wahren Freund haben,« warf Dagoucin ein, »und gar mancher Freundesbund zerfiel ob eines bloßen Verdachtes.« – »Wenn Ihr hierüber etwas zu berichten wißt,« rief Oisille, »so will ich Euch gern das Wort erteilen.« »Ich kenne hierüber eine gar wahrhafte Geschichte,« hub Dagoucin an, »der ihr gerne lauschen werdet. Eine Freundschaft zerbricht um so leichter, wenn ihre Grundlage zum Argwohn reizt. Und gleichwie Vertrauen die höchste Ehre ist, die man jemandem erweisen kann, so ist Mißtrauen der schlimmste Schimpf, maßen man den andern entgegen der eigenen Idealvorstellung einschätzt. So werden die besten Freunde zu ingrimmigen Feinden, wie ihr aus dem folgenden Fall entnehmen könnt.«

Siebenundvierzigste Erzählung


Ein Edelmann zu Perche beargwöhnt zu Unrecht einen Freund und reizt ihn dadurch, jenen Verdacht wahrzumachen.

»Im Gebiet von Perche wohnten zwei Edelleute, die von Kind auf ein Herz und eine Seele gewesen waren. ohne daß je einer Zank oder Streit verursacht hätte, lebten sie derart lange Zeit einträchtiger denn zwei Brüder. Und als der eine sich vermählte, blieb gleichermaßen ihre Freundschaft unvermindert bestehen, so daß der Ehemann sogar in Fällen, wo es an Platz mangelte, den andern mit sich bei der Frau im Bett schlafen ließ. Allerdings legte er sich alsdann in die Mitte zwischen sein Weib und den Freund. Selbst ihre Habe besaßen sie gemeinsam, so daß eine Heirat daran nichts ändern konnte. Aber nach mancher Weile vermochte auch dies Glück, wie alles auf der selbst so veränderlichen Erde, nicht unverändert bleiben.

Ohne jeden Grund begann eines Tages der Ehemann seinem Freund bezüglich seiner Frau zu mißtrauen, und das verbarg er auch gar nicht, sondern machte ihr Vorwürfe. Darob war sie baß verwundert. Denn bisher hatte er ihr stets gehießen, dem andern, bis auf einen Punkt, stets das größte Entgegenkommen zu zeigen, und nun verbot er ihr, anders als in Gesellschaft mit jenem zu sprechen. Das ließ sie daher den Freund wissen, doch der glaubte es nicht, maßen er recht wohl wußte, daß er sich nichts hatte zuschulden kommen lassen. Wie er nun alle Zeit gewohnt war, nichts vor dem andern zu verschweigen, so sprach auch hierüber offen mit ihm und bat ihn, die Wahrheit zu sagen. Denn er wollte nicht, daß hieran oder überhaupt ihre Freundschaft Schiffbruch litte.

Der gekränkte Ehemann versicherte ihm, er habe nie an solchen Klatsch geglaubt, und die Urheber solcher Gerüchte wären gemeine Lügner. Der andere aber entgegnete:

»Ich weiß, daß Eifersucht gleich der Liebe eine unüberwindliche Leidenschaft ist. Daher würde ich Euch auch in solchem Fall keinen Vorwurf machen. Doch klage ich darüber, daß Ihr mir Euer Leiden verschweigt; denn wäre ich etwa in Euer Weib verliebt, so dürftet Ihr mich darob zwar keiner Bosheit bezichtigen, wohl aber, wenn ich es vor Euch verbergen sollte und es vielmehr Euerm Weibe zu verstehen gäbe. So will ich Euch denn hoch und heilig versichern, daß jene zwar schön und ehrbar ist, daß sie aber – abgesehen davon, daß sie die Eure ist – keinerlei Gefühle in mir zu erwecken vermochte. Habt Ihr nun auch nur den geringsten Verdacht, so sagt es mir, damit ich einen Ausweg finde, der unsere Freundschaft unversehrt erhält. Aber selbst wenn ich sie je lieben sollte, würde ich sie nichts davon merken lassen, da mir unsere Freundschaft über alles geht.«

Der andere schwor ihm mit den höchsten Eiden, er habe nie an so etwas gedacht, und jener möge sich in seinem Hause verhalten wie bisher. Darauf erwiderte sein Freund: »Gut, wenn Ihr es so wollt; doch wisset: wenn Ihr nochmals einen Argwohn faßt und mir verhehlt, so werde ich Euch für immerdar verlassen.«

Nunmehr lebten sie wieder eine Weile wie früher. Aber dann ward der Ehemann von neuem mißtrauisch und befahl seiner Frau, mit dem andern nicht weiter so freundlich zu tun. Und wiederum sagte diese es dem Freund weiter und bat ihn, künftig nicht mehr mit ihr zu reden, da ihr Mann ihr solches geheißen habe. Daraus und aus dem Verhalten des Ehemannes entnahm jener, daß sein Freund sein Versprechen nicht gehalten hatte. Deshalb sagte er voll grimmigen Zornes zu ihm: »Wenn Ihr eifersüchtig seid, so könnt Ihr nichts dafür, wohl aber, wenn Ihr Euer Versprechen nicht haltet und Euern Argwohn verschweigt, bis er zum Haß anwachsen wird, der ebenso wild werden muß als unsere Freundschaft innig war. Ich tat alles, um derartiges zu verhindern. Nun aber schwöre ich Euch, daß ich alles daransetzen werde, um von Euerm Weib das zu erlangen, um dessentwillen Ihr mir mißtraut. Hütet Euch künftig vor mir. Denn nun Euch der Argwohn meiner Freundschaft entfremdete, wird mich die Verachtung von Euch entfremden.«

Und obgleich der Ehemann ihn vom Gegenteil zu überzeugen suchte, schenkte er ihm keinen Glauben mehr. Er nahm all sein Gut und seinen Hausrat an sich, auf daß ihre Habe gleichermaßen getrennt sei wie ihre Herzen, und sorgte tatsächlich dafür, dem Ehemann die versprochenen Hörner aufzusetzen.

So möge es allen gehen, die ihre Frauen zu Unrecht beargwöhnen. Gar mancher ist selbst daran schuld, wenn nachträglich sein Verdacht wahr wird. Denn die Verzweiflung besiegt eine Frau leichter als alle Freuden dieser Welt. Wer da meint, Eifersucht sei Liebe, irrt sich; vielmehr tötet sie selbige, gleichwie die Asche das Feuer erstickt.«

»Ich kann das keine Entschuldigung für eine Frau nennen,« erklärte Oisille, »daß sie sich für den Verdacht ihres Mannes rächt, indem sie ihm Schande antut. Das gleicht dem Mann, der seinen Feind nicht töten konnte und sich deshalb selbst ersticht. Weiser hätte sie getan, wenn sie nicht mehr mit jenem redete und ihrem Gatten so sein Unrecht zeigte. Dann wären sie mit der Zeit wieder ausgesöhnt worden.« – »Sie handelte wie eine Frau von Herz!« rief Emarsuitte. – »Nein, Geduld nur macht die Frau siegreich,« widersprach Longarine, »und Keuschheit allein ist lobenswert.« – »Und wenn eine Frau ohne jede Sünde ihre Keuschheit einbüßt?!« – »Wie versteht Ihr das?« fragte Oisille. – »Wenn sie einen andern für ihren Mann hält,« erklärte Emarsuitte. – »Welche Frau ist denn so dumm, ihren Mann nicht selbst unter Verkleidung zu erkennen?« entrüstete sich Parlamente. – »Oh, es gab schon welche, die getäuscht wurden, ohne von Sünde etwas zu ahnen.« – »Wenn Ihr dergleichen zu erzählen wißt, so gebe ich Euch gern meine Stimme,« sprach Dagoucin. »Denn ich finde es gar seltsam, daß Unschuld und Sünde so dicht beieinander wohnen können.«

»So vernehmt denn folgende Geschichte,« hub Emarsuitte an. »Durch die früheren Erzählungen seid Ihr darüber unterrichtet, wie gefährlich es ist, jene Herrschaften bei sich aufzunehmen, die uns »Weltkinder« nennen und sich selbst für heilig und würdiger denn uns halten. Nun will ich Euch ein Beispiel zeigen, daß sie Menschen sind wie wir und nicht minder arglistig. Und so höret zu.«

Achtundvierzigste Erzählung


Zwei Franziskaner nehmen in einer Hochzeitsnacht nacheinander des Ehemannes Platz ein und erhalten am Ende ihre gebührende Strafe.

»In einem Dorf in Périgord feierte man in einem Gasthof die Hochzeit eines Mägdeleins, und alle Verwandten Freunde bemühten sich nach Kräften, es sich wohl sein zu lassen. Während der Feier kamen zwei Franziskaner an, denen man das Essen aufs Zimmer brachte, weil solcher Festeslärm nicht zu ihrem Stand paßte. Der ältere von beiden war aber voll Bosheit und bedachte: maßen man ihn von den Tafelfreuden fernhielt, wolle er an denen des Bettes teilhaben. So beschloß er, den Hochzeitern einen Streich zu spielen, wie Mönche das so lieben. Als der Abend kam und die Tänze begannen, erblickte er vom Fenster aus die Braut und fand sie bei eingehender Betrachtung recht schön und verlockend. So erkundete er bei den Mägden, in welchem Zimmer sie schlafen würde, und war baß erfreut, als er hörte, daß es neben dem seinen lag. Alsbald erspähte er, wie die Braut nach der Sitte von den alten Frauen hinausgeführt wurde. Der Bräutigam blieb inzwischen noch unten, um weiter zu tanzen, und war so eifrig bei der Sache, daß er schier sein junges Weib vergaß. Nicht so der Mönch: denn kaum hörte dieser, daß die Braut im Bett lag, so schlüpfte er aus seiner grauen Kutte und nahm des Ehemanns Platz ein. Da er aber fürchtete abgefaßt zu werden, so begnügte er sich mit wenig und begab sich dann auf den Gang, wo der andere den Aufpasser spielte. Der gab ihm zu verstehen, daß der Bräutigam noch tanze, und begab sich nun seinerseits zu der Braut ins Bett, sintemalen er ja seine Lust noch nicht gestillt hatte. Als dann der Gefährte ein Zeichen gab, verließ er sie.

Alsbald kam der Ehemann und umfing nun seinerseits sein Weib. Dem aber hatten die Pater schon derart zugesetzt, daß es sich nach Ruhe sehnte, und darum sagte es: »«Wollt Ihr denn gar nicht schlafen, noch aufhören mich zu quälen?« Der arme Mann, der doch just erst eben gekommen war, fiel aus allen Wolken und fragte, wie er sie habe quälen können, maßen er doch bis jetzt getanzt habe. »Ach so, Ihr nennt das tanzen,« klagte die Ärmste. »Ich finde, Ihr kommt nun schon zum drittenmal zu mir ins Bett und tätet wohl besser, zu schlafen.«

Ihre Worte verblüfften den Mann so, daß er alles vergaß und nur noch daran dachte, die Wahrheit zu ergründen. Als er nun die Geschichte hörte, bekam er die beiden Franziskaner in Verdacht, die im Hause wohnten. Stracks eilte er in ihr Zimmer, und da er sie dort nicht fand, rief er so laut um Hilfe, daß die Gevattern und Freunde angelaufen kamen. Die halfen alsbald, nachdem er ihnen den Fall erzählt hatte, mit Lichtern, Laternen und Hunden die Mönche suchen, und da sie jene im Hause nicht mehr fanden, eilten sie ihnen flugs nach und holten sie in den Weinbergen ein. Und nun ließen sie ihnen eine gebührende Strafe zuteil werden: denn nach einer gehörigen Tracht Prügel schnitten sie ihnen Arme und Beine ab und ließen sie im Schutze von Bacchus und Venus liegen, maßen sie diesen besser gefolgt waren als dem heiligen Franziskus.

Verwundert euch nicht, meine Damen, wenn solche Leute Handlungen begehen, die selbst einen Abenteurer beschämen würden. Denn sie leben fern von unsern Sitten und Anschauungen. Wundert euch vielmehr, daß sie nicht noch Schlimmeres tun, wenn Gott seine Hand von ihnen nimmt. Denn die Kutte macht nicht immer den Mönch, sondern verleiht ihnen oft jene Hoffahrt, die sie zugrunde richtet.«

»Mein Gott,« entrüstete sich Oisille, »werden wir denn nie aus diesen Mönchsgeschichten herauskommen?« Aber Emarsuitte erwiderte: »Wenn wir der Edelfrauen und Fürsten nicht schonen wollen, dürfen diese auch nicht böse sein, wenn man von ihnen spricht. Die meisten sind recht zwecklose Brüder, von denen man nur redet, wenn sie etwas besonders Schlimmes ausfressen. Man sagt oft: Schlecht getan ist besser als nichts getan! Unser Strauß wird um so schöner, je mehr verschiedene Dinge ihn schmücken.«

»Wenn ihr mir versprecht, nicht böse zu werden,« hub alsbald Hircan an, »so will ich euch eine Geschichte von Leuten erzählen, die derart gerissen waren, wenn es sich um Liebe handelte, daß ihr schier darob jene Mönche entschuldigen werdet, die ihr Bedürfnis stillten, wo sie es just konnten. Hier handelt es sich nämlich um eine Frau, die reichlich gesättigt sein konnte, aber allzu unbescheiden nach Leckerbissen gierte.« – »So sprecht,« erklärte Oisille, »denn all die Übeltaten, die wir hier berichten, fallen nicht allein denen zur Last, von denen die Erzählungen handeln – sie führen uns das Elend jener verwerflichen Geschöpfe vor Augen, um uns die Vollkommenheit Gottes neben der Unvollkommenheit der Menschen begreiflich zu machen.« »So will ich denn,« sprach Hircan, »ohne Sorgen den Fall berichten.«

Neunundvierzigste Erzählung


Wie schlau eine Gräfin im geheimen ihre Lust zu stillen wußte, und wie sie entlarvt wurde.

»Der Dame zuliebe will ich nicht sagen, der wievielte seines Namens jener König Karl von Frankreich war, an dessen Hofe die Gräfin lebte, deren Namen ich gleichfalls verschweigen will. Sie entstammte einem edlen Hause, war jedoch Ausländerin, und da alles Neue besonderen Gefallen findet, ward sie bei ihrer Ankunft ob des neuen Schnittes und Reichtumes ihrer Gewänder allenthalben bestaunt. Zwar war sie nicht über die Maßen schön, doch besaß sie große Anmut und starkes Selbstbewußtsein und war zudem beredt und klug. Darob scheuten sich auch alle ihr näherzutreten, mit Ausnahme des Königs, der sich heftig in sie verliebte und ihren gräflichen Gemahl mit einem Auftrag fortschickte, um ungestörter mit ihr kosen zu können. Und während der langen Zeit, die der Graf fortblieb, verlustierte sich der König von Herzen an dessen Weibe. Nun erkühnten sich auch einige Edelleute (maßen sie erfuhren, wie wohl der König von ihr aufgenommen wurde), Liebesanträge an sie zu stellen, darunter ein Edler von Astillon, der gleichermaßen anmutig und kühn war. Anfangs stellte sie sich sehr würdig und drohte ihm, solches seinem Herrn, dem König, zu hinterbringen, so daß er schier Angst bekam. Maßen er aber selbst die Drohungen wilder Kämpen nicht zu fürchten pflegte, so beruhigte er sich auch über die ihrigen und setzte ihr derart zu, daß sie ihm ein Stelldichein bewilligte und ihm angab, wie er in ihr Zimmer gelangen könne. Das prägte er sich wohl ein, und damit der Konig keinen Verdacht bekäme, nahm er Urlaub und reiste von Hof ab. Doch verließ er schon am ersten Tag seinen Troß, kam nachts zurück und erntete den versprochenen Lohn ein, den die Gräfin auch in reichem Maße spendete.

Der Edelmann war ob seines Glückes so befriedigt, daß er sieben oder acht Tage in einer Kleiderkammer versteckt blieb, ohne sich von der Stelle zu rühren. Während dieser Zeit lebte er nur von Stärkungsmitteln. Aber derweile verfolgte nun ein anderer Edelmann, namens Duracier, die Gräfin mit Liebesanträgen. Die tat wie mit dem ersten: anfangs ließ sie ihn hart an, dann wurde sie immer sanfter. Und als nun der Tag nahte, wo sie den ersten Gefangenen entließ, steckte sie den zweiten in jenen Kerker. Währenddem nahte ein dritter, namens Valnebon; dem ging es wie den beiden andern, und ihm folgten noch zwei oder drei andere in dem erquicklichen Gefängnis. Und dies Leben dauerte gar lange und war so schlau eingerichtet, daß keiner von dem andern etwas wußte; jeder vermeinte, der einzige zu sein und spottete innerlich über seine Gefährten, denen er solchen Erfolg voraus hatte.

Eines Tages nun vereinigten sich die obengenannten Edelleute bei einem Gelage, an dem es hoch herging. Als sie dort just von ihren Erfolgen und Gefangenschaften im Kriege sprachen, nahm Valnebon das Wort, maßen es ihm schwer fiel, sein Glück länger zu verschweigen, und sprach: ›Ich weiß, was für Gefängnisse ihr kennt. Ich aber könnte über einen Kerker, in dem ich gesessen habe, gar manches frohe Lob ertönen lassen. Denn wahrlich, es gibt auf Erden kein größeres Glück als solche Gefangenschaft.‹

Astillon, der den Reigen dort eröffnet hatte, glaubte zu verstehen, wovon er sprach, und erwiderte: ›Wer war Euer Gefängniswärter oder die Wärterin, die Euch so wohl behandelte, daß Ihr ob des Kerkers voll Entzückens seid?‹ Und Valnebon entgegnete: ›Lasset den Wärter beiseite – das Gefängnis war schön und gern hätt‘ ich gesehen, daß die Haft noch länger gedauert hätte.‹

Nun sprach Duracier, der recht wohl erkannte, daß jene von dem gleichen Kerker sprachen, den er auch bewohnt hatte: ›Von was für Leckerbissen naschet Ihr in jenem löblichen Gefängnisse?‹ – ›Der König selbst‹, sprach jener, ›hat nichts Schöneres und Schmackhafteres gekannt!‹ – ›So möchte ich noch wissen,‹ fragte der andere, ›ob der, so Euch gefangen hielt, es Euch schwer machte, Euer Brot zu verdienen?‹

Da erkannte Valnebon, daß er durchschaut war, und begann alsbald zu fluchen: ›Ei die Pest! So hatte ich also Gefährten, wo ich allein zu sein vermeinte!‹ Und auch Astillon sah ein, daß er das Schicksal der andern teilte, und rief lachend: ›Wir haben alle den gleichen Herrn – wenn wir also auch einmal Unglücksgefährten sind, sollten wir ruhig lachen. Um nun aber zu sehen, ob ich recht habe, will ich fragen und ihr werdet mir der Wahrheit gemäß antworten. Ist uns allen, wie ich annehme, dasselbe begegnet, so wäre das ein Spaß, der seinesgleichen nirgends findet.‹ Alle versprachen, die Wahrheit zu sagen, sofern sie die Tatsachen nicht bestreiten könnten, und so Hub jener an:

›Zunächst nahm ich Urlaub beim König für eine Reise.‹ – ›Wir auch.‹ – ›Als ich kaum zwei Meilen fort war, ließ ich meinen Troß und begab mich in den Kerker.‹ – ›Wir gleichermaßen.‹ – ›Dann blieb ich sieben oder acht Tage in einer Kleiderkammer versteckt, wo man mir Stärkungsmittel und Leckerbissen gab, wie ich nie bessere gegessen habe.‹ – ›Just wie wir.‹– Meine Gefangenschaft nahm an dem und dem Tage ein Ende.‹ – ›Die meinige‹, rief Duracier, ›begann genau an diesem Tage und dauerte bis dann und dann.‹ – Valnebon verlor wieder die Geduld und fluchte: ›Gottes Blut! Ich sehe, ich war der dritte, da ich doch vermeinte, der erste und einzige gewesen zu sein! An jenem Tage kam ich und ging an dem und dem Tage von dannen!‹ Alsbald versicherten die drei andern, die noch dabei saßen, sie wären hernach daran gekommen. ›Wenn dem so ist,‹ meinte Astillon, ›so will ich die Wärterin beschreiben: sie ist verheiratet und ihr Mann weilt in der Ferne.‹ – ›Gerade die ist es,‹ riefen alle.

›Dann brauchen wir uns nicht weiter zu plagen,‹ erklärte Astillon. ›Und da ich der erste war, will ich sie zuerst nennen: es ist die Gräfin Soundso, die sich so selbstbewußt aufspielte, daß ich Cäsar besiegt zu haben vermeinte, als ich ihre Liebe errang. Der Teufel soll das Weib holen, die uns so stramm arbeiten ließ, daß wir ganz geschwächt von ihr gingen, und uns glauben machte, wir hätten mit ihr wer weiß was erobert. Solch boshaftes Weib war ja noch nicht da! Während sie den einen im Käfig hatte, zähmte sie den andern, um stets Kurzweil zu haben. Lieber will ich sterben, als sie ungestraft wissen.‹

Alsdann fragten sie Duracier, welche Strafe ihm geeignet dünke, auf daß sie alle daran teilnehmen könnten. Der sprach : ›Mir scheint, man sollte es dem König sagen, der so große Stücke auf sie hält.‹ Aber Astillon winkte ab: ›Nicht so! Wir haben genug andere Mittel, ohne unsern Herrn anrufen zu brauchen. Morgen, wenn sie zur Messe geht, wollen wir alle mit einer Eisenkette am Hals erscheinen und sie gemeinsam geziemend begrüßen!‹ Dieser Rat gefiel allen über die Maßen, und straks besorgten sie sich die Ketten.

Am folgenden Morgen trafen sie in tiefschwarzen Gewändern, mit jenen Ketten gleich Halsbändern angetan, die Gräfin, da sie zur Messe schritt. Da selbige die Edelleute erblickte, hub sie an zu lachen und rief: ›Wohin geht diese jämmerliche Gesellschaft?‹ – ›Edle Frau,‹ begrüßte sie Astillon, ›wir kommen als Eure gefesselten Sklaven, um bei Euch Dienst zu tun.‹ Die Gräfin tat, als verstände sie nichts, und entgegnete: ›Ihr seid nicht meine Gefangenen, und so weiß ich nicht, warum ihr mir eifriger dienen solltet als andere.‹ Alsbald trat Valnebon vor und sprach: ›Maßen wir lange Zeit Euer Brot gegessen haben, wären wir recht undankbar, wenn wir nicht bei Euch Dienst täten.‹

Doch sie wußte sich so wohl zu stellen, als begriffe sie nichts, daß jene sich baß erstaunten. Immerhin spielten sie ihre Rolle so gut weiter, daß die Gräfin inne ward, daß man sie durchschaut hatte. Trotzdem wußte sie jene zu überlisten. Denn obgleich sie doch Ehre und Gewissen verloren hatte, wollte sie die Schande nicht tragen. Und da sie ihr Vergnügen aller Ehre vorzog, ließ sie nun jene nicht hart an noch verlor ihre Selbstbeherrschung, also daß die Herren am Ende selbst nicht aus noch ein wußten und dergestalt die Schande heimtrugen, die sie der Gräfin hatten aufladen wollen.

Wenn euch diese Geschichte nicht beweiskräftig genug erscheint, um zu erweisen, daß der Frauen Arglist der der Männer gleich ist, so will ich nach anderen suchen. Mir scheint aber, diese erweist, daß ein Weib, das seine Scham verloren hat, noch hundertmal kecker in schlimmen Taten ist als jeder Mann.«

Alle Damen, die dieser Geschichte gelauscht hatten, bekreuzigten sich inzwischen so oft, als hätten sie alle Teufel der Höllen vor sich. Endlich sagte Emarsuitte: »Was auch jene arme Frau verbrochen haben mochte, ich kann es doch nicht löblich finden, daß die Herren sich ihres Gefängnisses rühmten.« – »Mir scheint,« erklärte Longarine, »daß es einem Mann mehr Mut kostet, solch Glück zu verschweigen, als es zu erringen.« – »Solche Ansicht muß ich ketzerisch nennen,« rief Simontault, »denn der Mann ist verschwiegener als die Frau. Gar mancher möchte lieber auf sein Glück verzichten, als erleben, daß irgendein Geschöpf davon wüßte. Darum hat auch die Kirche als fürsorgliche Mutter die Priester zu Beichtigern gemacht und nicht die Frauen. Denn diese können eben den Mund nicht halten.« – »Das ist der Grund nicht,“ widersprach Oisille. »Vielmehr verabscheuen die Frauen das Laster so sehr, daß sie zu schwere Bußen auferlegen und zu selten Absolution erteilen würden.«

»Ich verwundere mich,« lenkte Guebron ab, »daß jene arme Frau beim Anblick der kettenbeladenen Herren nicht vor Scham starb.« – »Wer die Scham verloren hat,« erklärte Oisille, »kann sie höchstens wiedererlangen, wenn eine starke Liebe das Vergangene vergessen macht, wie ich einige Beispiele kenne.« – »Dann sahet Ihr sie sicher auch wieder zur Vergangenheit zurückkehren,« höhnte Hircan, »denn eine starke Liebe ist bei Frauen recht schwer zu finden.« – »Der Ansicht bin ich nicht,« entgegnete Longarine, »ich kenne Frauen, die bis zum Tode liebten.« – »Das möcht ich gern hören,« rief Hircan. »So ergreift denn das Wort, um mich die Liebe kennen zu lehren, von der ich allezeit glaubte, daß die Frau sie nicht besitzt.«

»Ihr werdet mir glauben, wenn Ihr die Geschichte hört,« hub Longarine an. »Die Liebe ist die stärkste Leidenschaft, die es gibt. Sie läßt unmögliche Dinge vollbringen, um nur etwas Zufriedenheit zu erringen, und zermürbt gleichermaßen mehr als alles den Menschen, der jegliche Hoffnung verloren hat, seinen Liebeswunsch erfüllt zu sehen.«

Fünfzigste Erzählung


Ein Liebhaber stirbt, schwerverletzt, nach empfangener Liebesgunst, und darob folgt seine Geliebte ihm in den Tod.

»Zu Cremona lebte noch vor kaum einem Jahr ein Edelmann, benamst Herr Giovanni-Pietro, der lange Zeit eine Dame geliebt hatte, die unweit seines Hauses wohnte. Doch konnte er nie eine erwünschte Antwort erlangen, obgleich auch sie ihm von Herzen zugetan war. Darob war der Edelmann derart ergrimmt, daß er sich in seinem Haus einschloß und nimmermehr für ein Ziel sich quälen wollte, um das er sich schier verzehrt hatte. Da er sie nun einige Tage nicht mehr gesehen hatte, verfiel er in solchen Trübsinn, daß er schier unkenntlich wurde. Seine Verwandten ließen alsbald Ärzte rufen, die aus seiner gelben Gesichtsfarbe auf eine Leberverstopfung schlossen und einen Aderlaß verordneten. Jene Dame aber wußte recht wohl, daß seine Krankheit von ihrer harten Abweisung stammte, und entsandte daher eine vertrauenswürdige Alte, die ihm ausrichtete, die Dame habe nun erkannt, daß seine Liebe wahrhaftig und nicht gespielt sei, und wäre deshalb bereit, ihm zu bewilligen, was sie so lange verweigert habe. Sie habe eine Möglichkeit gefunden, um ihr Haus zu verlassen und ihn ungestört an einem gewissen Ort zu treffen.

Ob dieser Nachricht war der Edelmann bald schneller geheilt als vom Aderlaß, den er am Morgen erhalten hatte. So ließ er ihr sagen, er würde nicht verfehlen, zur angegebenen Stunde dort zu sein, denn sie habe ein wahres Wunder vollbracht. Sie habe nämlich eine Krankheit mit einem Wort geheilt, wo die Ärzte die Ursache nicht hätten entdecken können.

Als der Abend kam, den er so ersehnt hatte, begab sich der Edelmann so voller Zufriedenheit dorthin, daß dieselbe wohl bald ein Ende haben mußte, maßen sie nicht mehr größer werden konnte. Alsbald kam auch die Geliebte, und er hielt sich nun nicht mit langen Vorreden auf; denn die Glut, die in ihm flammte, drängte ihn zur Eile. Schier trunken vor Liebe und Genuß vermeinte er, sich eine neue Lebenskraft zu erwerben, derweilen er seinen Tod beschleunigte. Denn er nahm nicht auf sich acht, und so merkte er nicht, daß der Verband an seinem Arm sich löste und die frische Wunde sich öffnete. Daraus entströmte so viel Blut, daß der arme Edelmann ganz in Blut gebadet war. Doch vermeinte er, seine Ermattung stamme vom Übermaß des Liebesgenusses, und wollte nun heimgehen.

Ob ihrer Liebe zu ihm gab seine Freundin ihm das Geleit. Aber durch den Blutverlust brach er plötzlich zu ihren Füßen tot zusammen. Die Arme war erst vor Schreck schier von Sinnen, als sie den Verlust ihres Geliebten begriff, dessen Tod sie allein verschuldet hatte. Andererseits ward sie sich der Schande bewußt, die sie erleben würde, wenn man diesen Leichnam in ihrem Haus fände. Um das zu vermeiden, trug sie mit einer vertrauenswürdigen Magd den Toten auf die Straße. Doch mochte sie ihn nicht verlassen. Vielmehr ergriff sie seinen Degen, und um gleichermaßen ihrem Geliebten zu folgen und ihr Herz, das alles verschuldet hatte, zu strafen, durchbohrte sie ihre Brust und sank tot auf die Leiche ihres Freundes. Als ihre Eltern beim Verlassen des Hauses dieses jammervollen Anblickes gewahr wurden, versanken sie in tiefe Trauer, wie sie solchem Fall geziemt, und ließen beide in demselben Grab bestatten.

So hat eine grenzenlose Liebe oft ein anderes Unglück nach sich gezogen,«

»Mir gefällt es,« bemerkte Simontault, »wenn die Liebe auf beiden Seiten so gleich stark ist, daß der eine Teil den andern nicht überleben mag. Ich würde im Falle solcher Gegenliebe ein unvergleichlicher Liebhaber sein.« – »Immerhin hätte die Liebe Euch nicht so verblendet, daß Ihr darob Euern Verband vernachlässigt hättet,« spottete Parlamente. »Denn die Zeiten sind vorbei, wo die Männer ihr Leben den Frauen zuliebe mißachteten.« – »Nicht aber die Zeiten,« widersprach jener, »wo die Frauen das Leben ihrer ergebenen Diener über ihr eigenes Vergnügen vergessen.« – »Ich glaube,« warf Emarsuitte ein, »daß keine Frau dieser Welt je an dem Tode eines Mannes, selbst ihres Feindes, Freude fand. Wenn die Männer aber sich selbst umbringen wollen, können die Frauen sie davor nicht bewahren.« – »Wer dem, der vor Hunger stirbt, das Brot verweigert,« rief Saffredant, »der mag wohl als Mörder gelten.« – »Wenn ihr um das Nötigste bätet,« erregte sich Oisille, »dann wären die Damen allerdings grausam, eure Bitten abzuschlagen. Gott sei Dank, stirbt man eben an solchem Leiden nur, wenn man schon totkrank ist.« – »Gibt es etwa etwas Nötigeres als ein Bedürfnis, das alle andern vergessen läßt?« klagte Saffredant. »Denn wenn die Liebe stark ist, kennt man nicht Fleisch, nicht Brot – nur das Wort, den Blick der Geliebten!« – »Ach, wenn wir diese Gründe alle anhören sollten,« brach Oisille ab, »so kämen wir kaum zum Nachtgottesdienst zurecht. So laßt uns denn fortgehen und Gott ob dieses gelungenen Tages preisen.« Damit erhob sie sich und die andern folgten ihrem Beispiele. Doch Simontault und Longarine stritten auf dem Rückwege weiter über jene Frage, und Simontault gewann am Ende, indem er nachwies, daß die stärkste Leidenschaft auch die zwingendste Not verursache. Dann betraten sie die Kirche, wo die Mönche ihrer harrten. Nach dem Gottesdienst aßen sie und stritten noch viel. Aber als der Abend niedersank, meinte Oisille, man solle der Ruhe pflegen, auf daß der sechste Tag nicht schlechter gerate als die früheren. Guebron warf ein, daß jeder Tag denkwürdige Ereignisse zeitigen müsse, so lange die Welt dauere; denn »die Bosheit der Schlechten, die Güte der Edlen bleibt allezeit unveränderlich. Und solange Bosheit und Güte auf Erden herrschen, werden sie immer neue Ereignisse hervorrufen – obgleich man behauptet: es geschehe nichts Neues unter der Sonne. So sorgt Euch nicht, daß es uns an Stoff mangeln könne, und bedenket lieber selbst Eure morgige Pflicht.« Oisille erwiderte, das überlasse sie Gott, in dessen Namen sie allen eine geruhsame Nacht wünsche. Und alsbald zog sich die ganze Gesellschaft zurück und beendete derart den fünften Tag.

Neununddreißigste Erzählung


Ein gutes Mittel, um einen Poltergeist auszutreiben.

Als der Herr von Grignaux, der Hofmarschall der Königin Anna von Frankreich, Herzogin der Bretagne, einst nach zweijähriger Abwesenheit in sein Schloß zurückkehrte, erfuhr er, daß seine Gemahlin auf ein benachbartes Gut gezogen sei, weil in dem Schloß ein Poltergeist umginge, der den Leuten so zusetzte, daß niemand dort bleiben wolle. Der edle Herr glaubte nicht an solche Gespenstergeschichten, erklärte, sich auch vor dem Teufel nicht zu fürchten, und brachte seine Frau wieder in das Haus zurück.

Nachts ließ er eine Menge Kerzen anstecken, um den Geist besser sehen zu können, und wachte lange; als er aber nichts hörte, schlief er endlich ein. Alsbald aber erwachte er von einer Ohrfeige, die er erhielt, und hörte eine Stimme schreien: ›Revigne! Revigne!‹ – so hieß seine Großmutter. Schnell rief er der Kammerfrau, die dort schlief, zu, sie solle die Kerzen anstecken, da alle ausgelöscht waren. Aber die wagte es nicht vor Angst. Und schon merkte der Herr von Grignaux, daß man ihm die Bettdecke fortzog, und zudem vernahm er männiglich Lärm von Tischen, Stühlen und Schemeln, die im Zimmer umfielen, und dies Gepolter dauerte bis zum Morgengrauen.

Der Edelmann war mehr ob der verlorenen Nachtruhe ärgerlich, denn sonderlich beängstet, da er nimmermehr glauben konnte, daß es sich um einen Geist handele. In der folgenden Nacht also beschloß er das Gespenst zu fangen, legte sich daher ruhig nieder und begann alsbald stark zu schnarchen. Doch tat er nur so und hielt eine Hand nahe dem Gesicht griffbereit. Wie er erwartete, merkte er nach kurzer Zeit etwas dem Bett nahen. Darum schnarchte er um so stärker und täuschte damit den Geist so wohl, daß der flugs wieder nach der Backe schlug. Aber sofort hatte der Herr von Grignaux das Gespenst bei der Hand erwischt und rief seinem Weib zu: ›Ich halte den Geist.‹ Die erhob sich sogleich, steckte eine Kerze an und erkannte nun die Zofe, die in ihrem Zimmer schlief. Drob warf sich selbige auf die Knie, bat um Verzeihung und gestand: Aus Liebe zu einem der Diener des Schlosses, der sie schon seit langem gequält habe, sei sie auf diese Gespenstergeschichte gekommen, um so ihre Herrschast zu vertreiben und als Haushüter sich hier gütlich zu tun. Also hätten sie es sich auch wohl sein lassen, derweile sie allein gewesen waren.

Herr von Grignaux war ein mordsgestrenger Mann. Daher ließ er die beiden erst derart verprügeln, daß ihnen der Geist wohl ewig im Gedächtnis blieb, und dann hinauswerfen. Und so ward das Schloß von dem Poltergeist befreit, der zwei Jahre lang dort eine so große Rolle gespielt hatte.

Es ist doch wunderbar, wenn man bedenkt, was Amor alles ausheckt: den Frauen nimmt er alle Furcht und läßt sie gar die Männer schrecken, um zum Ziel zu kommen. Doch ist auch der gesunde Menschenverstand des Edelmannes gar löblich, der sich so klug sagte, daß ein Geist wohl die Erde verläßt, aber nicht wiederkehrt.«

»Ach,« meinte Emarsuitte, »manche Menschen haben wirklich oft so viel auszustehen, daß sie gar nicht darauf kommen, sich gleich jenen eine Freude in ihrem Dasein zu schaffen.« – »Mir scheint,« erklärte Oisille, »es gibt keine wahre Freude, wenn das Gewissen nicht ruhig ist.« – »Oho!« rief Simontault. »Der Italiener sagt, die verbotenen Früchte schmecken am besten.« – »Wer solchen Satz erfunden hat, war sicher selbst ein Teufel! Darum lassen wir das und sehen wir zu, wem Saffredant das Wort erteilt.« – »Wem? Niemand anderem als Parlamente; sie ist an der Reihe, und zudem gebe ich ihr vor hundert anderen den Vorzug, weil sie so gar belehrsam zu reden weiß.«

»Da ich denn den Tag beschließen soll,« hub Parlamente an, »so will ich auf mein Versprechen von gestern zurückkommen und berichten, warum Rolandines Vater jenes Schloß erbaut hat, in dem er sie so lange gefangen hielt.«

Vierzigste Erzählung


Ein Edelmann erschlägt einen andern, weil er nicht weiß, daß es sein Schwager ist.

»Jener Vater Rolandines hatte mehrere Schwestern, von denen einige reich verheiratet, andere im Kloster waren. Eine aber, die unvergleichlich viel schöner war als alle anderen, blieb unvermählt im Hause, und ihr Bruder liebte sie mehr denn Weib und Kind. So oft jemand um sie anhielt, zeigte er sich abgeneigt, weil er die Trennung fürchtete und zudem zu sehr am lieben Gelde hing. Und so verbrachte sie in Ehrbarkeit einen großen Teil ihres Lebens daselbst, ohne sich zu vermählen.

Nun lebte bei ihrem Bruder ein junger Edelmann, der von Jugend an dort aufgewachsen war und mit der Zeit so an Schönheit und Tugend zunahm, daß er ganz unvermerkt seinen Herrn beherrschte. Wollte selbiger etwas von seiner Schwester, so schickte er stets den Edelmann, und so entstand allmählich zwischen den beiden eme herzliche Freundschaft. Doch aus Scheu vor dem Schloßherrn und um der Ehre seiner Schwester willen begnügten sie sich mit Plaudern, bis eines Tages der Bruder erklärte, er hätte gern sein Geld darangegeben, daß jener junge Edelmann aus gleich edlem Hause wäre, maßen er niemanden lieber als ihn zum Schwager gehabt hätte. Das wiederholte er so oft, daß die beiden endlich darüber sprachen und zu dem Entschluß kamen: wenn sie sich heimlich vermählen würden, könnten sie leicht des Schloßherrn Verzeihung erringen. Und also taten sie und vollzogen die Ehe, ohne daß jemand sonsten darum wußte, als der Priester und einige Frauen.

Nachdem sie derart eine Reihe von Jahren gelebt hatten, so glücklich eines der schönsten Ehepaare der Christenheit nur leben konnte, beneidete sie wohl Fortuna ob ihrer Zufriedenheit und ließ ihnen einen Feind erstehen. Der erspähte sie, just als sie ihr Glück in vollen Zügen genossen, und da er von jener Ehe nichts wußte, so hinterbrachte er dem Schloßherrn: jener Edelmann, dem er so sehr vertraue, besuche auffällig oft die Gemächer der Schwester zu Zeiten, da Männer sie nicht betreten dürften. Der Bruder wollte ihm anfangs nicht glauben. Aber jener stellte nun, gleich als läge ihm die Ehre des Hauses allzusehr am Herzen, einen Aufpasser hin, der die Nichtsahnenden wirklich überraschte.

So wurde also eines Abends der Bruder benachrichtigt, daß der Edelmann bei seiner Schwester weile. Flugs ging er hin und fand die beiden von Liebe Verblendeten beieinander im Bett ruhen. Der Zorn raubte ihm die Worte: er zog den Degen und stürzte auf den Edelmann zu, um ihn zu erstechen. Der aber war behende, entwich ihm, und da er zu Tür nicht hinauskonnte, sprang er aus dem Fenster in den Garten. Die arme Dame warf sich im Hemd vor ihrem Bruder auf die Knie und rief: ›Schont meines Gatten Leben: ich habe mich ihm vermählt, und wenn Euch das kränkt, so straft mich allein, denn es geschah auf meinen Wunsch!‹

Der Bruder aber war vor Zorn außer sich und erklärte: ›Und mag er hunderttausendmal dein Gatte sein, ich werde ihn als einen Diener strafen, der mein Vertrauen getäuscht hat!‹ Und damit lief er zum Fenster und schrie hinaus, man solle jenen töten, was auch alsbald vor beider Augen geschah. Als aber die Schwester dies grauenhafte Bild sah, das sie durch keine Bitten hatte verhindern können, da redete sie wie von Sinnen und sprach:

›Ich habe weder Vater noch Mutter und bin alt genug, mich nach eigenem Willen verheiraten zu können. Ich nahm den, von dem Ihr selbst oft sagtet, daß Ihr ihn mir zum Manne wünschtet. Trotzdem habt Ihr nun so meinen Liebsten getötet. So bitte ich Euch denn bei Eurer Liebe zu mir, laßt mich ihm in den Tod folgen, damit ich sein Geschick teile, wie wir all unser Glück geteilt hatten!‹

Der Bruder ward, trotzdem er vor Zorn raste, doch so weit von Mitleid ergriffen, daß er sie, ohne auf ihre Bitte zu antworten, verließ. Mochte er nun bei ruhiger Überlegung und ob der Kunde von jener Vermählung sein Verbrechen bereuen; mochte er fürchten, daß seine Schwester um Recht und Rache flehen könne – kurz, er ließ ihr jenes Schloß inmitten des Waldes bauen, sperrte sie dort ein, und verbot jedem mit ihr zu sprechen.

Nach einiger Zeit quälte ihn aber sein Gewissen. Er wollte sie wieder für sich gewinnen und schlug ihr eine Heirat vor. Sie aber ließ ihm sagen, er habe ihr eine so schlimme Suppe eingebrockt, daß sie auf weitere Gänge verzichte und hoffe dadurch, daß sie allein lebe, ihn vor einem weiteren Morde zu behüten. Zwar sei sie selbst zur Rache zu schwach, doch rechne sie auf den Richter droben, der kein Verbrechen ungestraft lasse und dem sie nun ihr einsames Leben weihen wolle.

Also tat sie, blieb ihr ganzes Leben dort und ward nach ihrem Tode wie eine Heilige verehrt. Bald verfiel auch das Haus ihres Bruders derart, daß von sechs Söhnen fünf im Elend starben. Und schließlich, wie ich erzählt hatte, starb auch der letzte und die ganze Erbschaft fiel an jene Rolandine, die in dem gleichen Gefängnis gelebt hatte wie ihre Tante.

So bitte ich Gott, daß an diesem Beispiele euch allen die Lust vergeht, meine Damen, euch zu eurem Vergnügen ohne Zustimmung eurer Verwandten zu vermählen. Solch ernsten Schritt soll man nicht leichtfertig und ohne guten Rat unternehmen, sonst kann man ebensoviel Leid als Lust erleben.«

»Dennoch scheint mir die Freude, den Geliebten zu heiraten, so groß, daß sie den Kummer überwiegen muß, ihn durch den Tod zu verlieren,« meinte Nomerfide. »Denn das ist doch der Lauf der Welt. Zudem war sein Tod der kürzeste und somit der beste. Denn ich kann nur die glücklich preisen, die nicht lange in den Vorhallen des Todes zu weilen brauchen und geradeswegs aus dieser irdischen in die ewige Seligkeit einziehen.« – »Und scheint Euch denn die Schande nichts,« fragte Longarine, »und jene Gefangenschaft, die sie erdulden mußte?« – »Ich finde,« erwiderte diese, »wer vollkommen und nach Gottes Geboten liebt, kennt keine Schande. Was aber jene Gefangenschaft betrifft, so kann sie, die darin einzig Gott und dem Gedenken ihres Mannes lebte, selbige nur als Freiheit empfunden haben. Zudem ist kein Gefängnis eng, wenn die Gedanken sich in weitem Fluge ergehen können.« – »Aber wie konnte auch der Schloßherr also den Edelmann vor seiner Schwester rühmen!« rief Longarine. »Das gleicht der Torheit und Grausamkeit jenes Mannes, der einem vor Durst Ersterbenden die Güte seiner Quelle rühmt und ihn tötet, weil er davon trinkt.«

»Ich finde es vielmehr verwunderlich,« sprach Saffredant, wie man es schlimm finden kann, daß ein schlichter Edelmann ohne List oder Gewalt eine Frau aus großem Hause heiratet, maßen doch der geringste Mann immer noch mehr wert ist als die vornehmste Frau.« – »Das geschieht für die Öffentlichkeit,« sagte Dagoucin, »damit nicht durch Nichtachtung des Adels die Monarchie untergraben werde.« – »Es gibt auch manche Liebesehen,« widersprach Guebron, »die zustande kamen, obgleich die Familien nicht gleich wert waren. Aber man hat sie bereut, obgleich Herz und Anlagen gleich schienen: solch unerwünschte Liebe führt zu Eifersucht und wilden Wutausbrüchen.« – »Mir scheint einzig lobenswert,« schnitt Parlamente ab, »daß alle Menschen sich Gottes Willen unterwerfen, Ruhm, Geiz und Wollust verachten und in Züchten und Ehren nach den Sitten und Gesetzen in die Ehe treten. Gibt es auch kein Leben ohne Leid, so wird diesen doch keine Reue zuteil.«

Alsbald schwuren Hircan, Guebron, Simontault und Saffredant, daß sie sich nur so verheiratet hätten und es nie bereuen würden. So waren alle zufrieden und begaben sich zur Messe, wo die Mönche ihrer harrten. Danach speisten sie und sprachen dabei noch gar mancherlei über die Ehe. Doch redeten sie so hin und wieder, daß sich das nicht im einzelnen berichten läßt. Drob nahte die Stunde der Nacht schneller als sie es erwarteten. Nur Oisille merkte, daß es Zeit wurde, sich zurückzuziehen, und gab darum das Zeichen zum Aufbruch. Und so gingen alle in ihre Stuben, zumal die Eheleute, die statt zu schlafen, einen Teil der Nacht von vergangenen Liebesstunden plauderten und die gegenwärtigen auskosteten. Derart verging gar sanft die Nacht, bis der Morgen anbrach.

Der fünfte Tag

Als der Tag graute, bereitete Frau Oisille das geistige Frühmahl, das gar schmackhaft geriet und Geist und Körper der aufmerksamen Zuhörer erquickte. Sobald dann die Meßglocke erklang, setzte die ganze Gesellschaft die erhaltenen Belehrungen in Taten um, lustwandelte sodann etwas und begab sich schließlich zu Tisch in der Erwartung, diesen Tag nicht minder erfreulich zu gestalten: Saffredant äußerte gar, er wünschte, die Brücke bliebe noch einen ganzen Monat unvollendet, so viel Freude fände er an den Genüssen, die alltäglich gespendet würden. Der Abt hingegen suchte den Bau nach Möglichkeit zu beeilen, da ob jener erlauchten Gesellschaft die Pilger nicht so lange an den heiligen Stätten weilen mochten, als sie es sonst zu tun pflegten.

Nachdem dann alle eine Weile geruht hatten, eilten sie zur gewohnten Kurzweil, und sowie sie sich gelagert hatten, fragten sie Parlamente, wem sie das Wort erteile. Die sprach: »Mir scheint, Saffredant würde einen guten Anfang machen. Wenigstens sieht sein Gesicht nicht nach Tränen aus.« Und alsbald hub jener an:

»Ihr würdet recht grausam sein, meine Damen, wenn ihr mit dem Franziskaner kein Mitleid hättet, dessen Geschichte ich euch erzählen will. Nach den bisher berichteten Fällen könntet ihr vielleicht glauben, diese Mönche machten sich nur über arme Frauen her, da sie bei diesen des Erfolges sicher sind und nichts fürchten. Nun sollt ihr aber erkennen, wie sehr ihre Lüsternheit sie verblendet und Furcht und Überlegung raubt. So vernehmt denn einen Fall, der sich in Flandern zutrug.«