Der König von Neapel verführt eines Edelmannes Frau und wird schließlich selbst betrogen.
»Oft habe ich mir gewünscht,« erzählte Saffredant, »das glückliche Geschick des Mannes zu teilen, von dem ich hier berichten will. Zur Zeit des Königs Alfons, dessen Sinnenlust in seinem Reiche das Szepter führte, lebte in Neapel ein Edelmann, dem ob seiner vollkommenen Ehrenhaftigkeit, Schönheit und Liebenswürdigkeit ein alter Grande seine Tochter zum Weibe gab. Das Mägdelein stand ihrem Manne weder in Tugend noch in Schönheit nach, und zwischen beiden herrschte alsbald herzinnige Zuneigung. Da kam der Karneval, allwo der König maskiert in die Häuser zu gehen pflegte und jeder sich befleißigte, ihn bestmöglich zu empfangen. So ging er auch in das des Edelmannes und ward trefflicher bewirtet, denn sonst irgendwo, soviel Leckerbissen, so schöner Gesang ward ihm geboten. Zudem war dort die herrlichste Frau, die er je gesehen hatte, und am Ende des Gastmahles trug diese gar mit ihrem Mann ein Lied mit soviel Anmut vor, daß ihre Schönheit darob noch zu wachsen schien. Doch der Anblick so vieler Vollkommenheiten, die in einer Person vereint waren, weckte in dem Könige kein Behagen an der sanften Eintracht der beiden Gatten, sondern den Wunsch, diese Eintracht zu stören. Ihre innige Zuneigung zueinander erkannte er als ein großes Hindernis. So barg er, so gut er es vermochte, seine Leidenschaft in seinem Herzen.
Um diese aber wenigstens zum Teil zu befriedigen, ließ er allen Edelleuten und Edelfrauen Neapels ein Festgelage geben, zu dem auch jene zwei geladen waren. Maßen nun jeder gern das glaubt, was er zu sehen wünscht, so vermeinte er, daß die Augen jener Frau ihn verheißungsvoll anblickten, und nur des Mannes Anwesenheit ihr hinderlich zu sein schien. Um nun die Richtigkeit seines Gedankens zu erkunden, gab er dem Manne den Auftrag, für zwei bis drei Wochen nach Rom zu reisen. Kaum war dieser fort, so versank sein Weib, dem sein Bild noch lebhaft vor Augen stand, in tiefe Trauer. Doch der König suchte sie, soviel er konnte, durch zarte Aufmerksamkeiten, Gaben und Geschenke zu trösten, also daß sie bald den Abschiedsschmerz überwunden hatte und sich gar ohne ihren Mann recht wohl fühlte. Und noch bevor die drei Wochen, nach denen er heimkehren sollte, verstrichen, war sie dermaßen in den König verliebt, daß ihres Mannes Rückkunft ihr schwerer auf die Seele fiel als seine Abreise. Um nun das Zusammensein mit dem Könige nicht entbehren zu müssen, vereinbarten die beiden: allemal, wenn ihr Gatte seine Güter besuchen würde, wollte sie es den König wissen lassen, und der mochte sie dann so geheim besuchen, daß ihr Mann (den sie mehr fürchtete, denn ihr Gewissen) davon nichts erfahren würde.
Diese Hoffnung stimmte sie wieder froh. Und als ihr Mann heimkehrte, nahm sie ihn so trefflich auf, daß er nun an die Gerüchte, die ihm zugegangen waren, nimmer glauben mochte: der König habe während seiner Abwesenheit mit seinem Weibe gebuhlt. Doch mit der Dauer der Zeit brach die wohl verborgene Leidenschaft zu deutlich hervor, als daß der Gatte an der Wahrheit der Gerüchte weiter zweifeln konnte. Er spürte ihnen nach und war alsbald so gut wie sicher. Doch fürchtete er, der König, der ihm seine Ehre geraubt hatte, konnte ihm noch Schlimmeres antun, dafern er sich etwas merken ließe. So verstellte er sich; denn er zog vor, in Leid zu leben, statt für ein Weib, das ihn doch nicht liebte, sein Leben aufs Spiel zu setzen. indessen erwog er voll Unmutes, wenn möglich dem König ein gleiches heimzuzahlen. Er bedachte, daß die Liebe großmutige und tugendsame Herzen am leichtesten zu übermannen vermochte, und eines Tages, da er mit der Königin plauderte, erklärte er ihr kühn, er bedaure tief, daß ihr keine andere Liebe beschieden sei als die kühlen Gefühle ihres Gatten, des Königs.
Die Königin hatte wohl von der Zuneigung reden hören, die zwischen dem König und der Frau des Edelmanns bestand, und erwiderte: ›Ich kann nicht gleichzeitig Ehren und Freuden genießen. Wohl weiß ich, daß mir die Ehre zufällt und einer andern die Lust. Doch genießt jene dafür auch nicht die Ehre, die mein Teil ist.‹ Er verstand sehr wohl, worauf jene Worte hinzielten und sprach nunmehr:
›Die Ehre, hohe Frau, ward Euch in die Wiege gelegt, denn Ihr seid so edlen Geschlechts, daß Ihr auch als Königin oder Kaiserin nicht höher zu steigen vermöchtet. Doch verdient Eure Schönheit, Anmut und Tugend so viel Liebesfreuden, daß jene, die Euer Teil raubt, sich selbst mehr schädigt als Euch, denn um einen Ruhm, der sich in Schande wandelt, verliert sie alle Freuden, die Ihr, oder eine andere Frau des Reiches, nun ernten könnt. Wahrlich – abgesehen von seiner Krone besitzt der König nichts, damit er eine Frau mehr beglücken könnte als ich. Vielmehr gar müßte er seine Gaben mit den meinen vertauschen, um eine so erhabene Frau, wie Euch, ganz zufrieden zu stellen.‹
Darauf meinte die Königin lachend: ›Vielleicht ist der König nicht also stark, wie Ihr es seid. Doch bin ich von seiner Liebe so befriedigt, daß ich sie jeder anderen vorziehe.‹ Der Edelmann jedoch entgegnete:
›Wäre es in Wahrheit so, hohe Frau, gewißlich würde nicht mein Mitleid für Euch rege werden. Wohl weiß ich, daß Eure hochherzige Liebe Euch voll befriedigen würde, wenn sie nur vom König erwidert würde. Doch hat Euch Gott davor bewahrt, aus ihm Euren Gott auf Erden zu machen, indem Ihr nicht in ihm fandet, was Ihr suchtet.‹ – ›Aber ich versichere Euch doch, daß meine Liebe zu ihm so groß ist, daß darin kein anderes Herz dem meinen gleichen mag.‹ – ›Vergebt mir, hohe Frau, gewiß habt Ihr nicht alle Herzen daraufhin geprüft. Denn ich wage kecklich zu behaupten: es gibt einen Mann, der Euch so gewaltig und unwiderstehlich liebt, daß Eure Liebe daneben klein erscheinen dürfte. Und je mehr dieser Mann gewahrt, daß die Liebe zum König noch in Eurem Herzen sproßt, um so mehr wächst und wallt die seine, also daß Ihr sicherlich für alle verlorene Zeit entschädigt würdet, wenn Ihr ihn erhört.‹
Die Königin begann in seinen Worten und seinem Gebaren zu erkennen, daß ihm sein Geständnis von Herzen kam. Ich erinnere mich auch,« fügte Saffredant ein, »daß er ihr schon lange eifrigst zu Diensten gewesen war und in seiner Ergebenheit schier trübsinnig wurde. Sie hatte seine Niedergeschlagenheit auf den Vorfall mit seiner Frau bezogen, doch nun war sie fest überzeugt, daß es ihr gegolten hatte. Auch spürte sie gar wohl die Innigkeit seiner Liebe und begann so, diesen vor allen verborgenen Gefühlen zu trauen. Indem sie nun auf diesen Edelmann blickte und gewahrte, wie viel liebenswerter er war, denn ihr Mann; als sie sich zudem sagte, daß er gleichermaßen von seinem Weibe verraten war, wie sie vom Könige – da begann Grimm und Eifersucht sie zu übermannen, begann die Liebe zu dem Edelmann sie zu umstricken, und mit Tränen in den Augen seufzte sie eines Tages: ›O du mein Gott! soll denn die Rachsucht mir abtrotzen, was keine Liebe vermochte?‹
Der Edelmann vernahm ihre Worte gar wohl und entgegnete: ›Die Rache, hohe Frau, ist nur für den, der einen wahren Freund glücklich macht statt den Feind zu töten. Mir scheint es Zeit, daß die Einsicht Euch die törichte Liebe zu dem Gatten aus dem Herzen reiße, der Euch nicht zugetan ist, und die wahre Liebe Euch von einer Angst befreit, die in Euerm großmütigen und tugendhaften Herzen nichts zu suchen hat. So tut denn Euern hohen Stand zur Seiten und werdet inne, daß wir beide die meistverlachten Menschen dieser Welt sind, und daß jene uns verraten haben, die wir zumeist liebten. Rächen wir uns, hohe Frau – nicht sowohl, um ihnen verdienten Lohn zu geben, als um unser Liebessehnen zu befriedigen, das ich für mein Teil nimmermehr ertragen kann, ohne daran zu sterben. Und sollte Euer Herz nicht härter sein denn Kiesel oder Diamant, so müßt Ihr sonder Zweifel auch einen Funken jenes Feuers in Euch spüren, das um so wilder in mir loht, je mehr ich es zu bergen strebe. Ich vergehe vor Liebe zu Euch, doch wenn Euch auch kein Mitgefühl darob zur Liebe treibt, so mag Euch wenigstens die Einsicht Eurer eigenen Lage dahin lenken. Denn ob Ihr gleich in Eurer herrlichen Vollkommenheit verdientet, alle die trefflichsten Männer der Welt zu Euern Füßen zu sehen, seid Ihr statt dessen von dem verlassen und verraten, für den Ihr alle anderen zurückgewiesen habt.‹ Ob dieser Worte kam die Königin schier außer Fassung Doch fürchtete sie, ihre Verwirrung augenscheinlich werden zu lassen und begab sich, auf des Edelmanns Arm gelehnt, in einen Garten unweit ihrer Gemächer. Dort wandelte sie lange Zeit auf und ab, ohne daß sie ein Wort zu sagen vermochte. Da nun der Edelmann inne ward, daß sie schon zur Hälfte nachgab, enthüllte er ihr am Ende eines Gartenweges die Glut seiner langverhaltenen Liebe so augenscheinlich, daß die Leidenschaft sie überwältigte. Und also vollzogen sie ihre Rache, deren Brand sie nicht mehr ertragen konnten.
Alsdann beschlossen sie, daß der Edelmann allemal ins Schloß zur Königin kommen sollte, wenn der König ihn auf seinen Gütern glaubte und zur Stadt ginge. Dergestalt konnten sie die Betrüger selbst betrügen, und der Liebe Wonnen wurden allen vieren zuteil, derweile jene zwei vermeinten, sie allein auszukosten.
Nach dieser Absprache kehrte jeglicher zu seinem Hause zurück und vergaß in seiner Zufriedenheit alles überstandene Leid. Und ihr Bangen vor des Königs Zusammensein mit der Edelfrau verwandelte sich in den lebhaftesten Wunsch danach, also daß der Edelmann viel öfter als bisher sein Gut aufsuchte, das nur eine halbe Meile vor der Stadt lag. Kaum erfuhr der König seine Abwesenheit, so eilte er flugs zu seiner Herzliebsten, derweile der Edelmann sich bei sinkender Nacht aufs Schloß zur Königin begab und des Königs Dienst übernahm. Und alles geschah also heimlich, daß nie jemand etwas davon bemerkte.
So ging es manche Zeit. Doch war der König zu bekannt von Angesicht, als daß trotz allen Verhehlens sein Liebeshandel nicht schließlich bekannt wurde. Und alle Welt bemitleidete den Edelmann, maßen die Gassenbuben ihn hinterrücks höhnten und ihre Hände gleich einem Geweih zum Kopfe führten. Jener bemerkte das wohl. Doch schuf ihm dieser Spott nur Freude, sintemalen er diesen Hörnerschmuck der Krone des Königs gleich schätzte.
Der König indessen vermochte nicht an sich zu halten, und als er eines Tages ein Hirschgeweih im Gemache des Edelmannes gewahrte, hub er vor dessen Nase an zu lachen und meinte, dies Geweih sei hier im Hause wohl am Platze. Der Edelmann mochte ihm ob dieses Scherzes nicht nachstehen und grub in den Hirschschädel folgende Inschrift:
›Wohl trage ich Hörner und trag‘ sie voll Lust. Wie mancher trägt gleiche und hat nichts gewußt!‹
Als der König wiederkehrte und dies Verslein las, befragte er den Edelmann über dessen Sinn. Der entgegnete: ›Wenn das Geheimnis des Königs sich in diesem Geweih offenbart, so liegt noch kein Grund vor, auch das Geheimnis des Geweihträgers nun zu offenbaren. Begnügt Euch, hoher Herr, mit dem Troste, daß nicht jegliches Gehörn den Träger verunziert. Oft ist es gar zierlich, und wer nichts davon weiß, trägt es am leichtesten.‹ Nun verstand der König, daß jener wohl etwas wußte. Doch niemals argwöhnte er etwas zwischen ihm und der Königin. Denn je mehr diese sich mit dem Lebenswandel ihres Gemahls zufrieden gab, um so mehr Unzufriedenheit heuchelte sie vor ihm. Und also lebten beide Paare lange Zeit in herzinniger Eintracht, bis das Alter ihrer Liebesglut ein Ziel setzte.
Mit dieser Geschichte, meine Damen, wollte ich euch gern ein blühendes Beispiel geben, wie ihr euern Gatten gewaltige Hörner aufsetzen möget, wenn sie euch mit einem kleinen Rehgeweih zu schmücken belieben.«
Emarsuitte warf lachend ein: »Ich bin ganz sicher, Saffredant, Ihr würdet gern Hörner gleich Eichstämmen tragen, um nur Eure Herzliebste zu Willen zu haben, sofern Ihr sie heute noch so glühend liebt wie einstmals. Doch Euer Haar beginnt nunmehr zu bleichen, drum legt Euerm Begehren Zügel an.« – »Wohl hat«, versetzte Saffredant, »die, so ich liebe, mir alle Hoffnung geraubt, Gnädigste, und das Alter nahm mir die überschäumende Glut! Mein Liebesgehren ward jedoch nicht kleiner. Da Ihr mir nun dieses ehrenhafte Trachten verweiset, so erteile ich Euch das Wort, die vierte Geschichte vorzutragen. Laßt sehn, ob Ihr mich Lügen strafen könnt.«
Während jener Zwiesprache begann eine der Damen zu lachen. Denn sie wußte wohl, daß jene, die Saffredants Worte auf sich bezog, nicht gleichermaßen von ihm geliebt wurde denn sie selber, für die er gern alles ertragen hätte. Saffredant bemerkte das und schwieg zufrieden, so daß er Emarsuitte das Wort ließ. Und die hub also an:
»Meine Damen, auf daß Saffredant und Ihr andern inne werdet, daß nicht alle Frauen dieser Königin gleichen und gleichermaßen nicht jeglicher kecke Tor zum Ziele kommt, will ich euch eine Geschichte berichten, die sich so kürzlich zutrug, daß ich die Namen verschweigen muß, um lebende Verwandte nicht zu kränken.«