Fünfundsechzigste Erzählung


Wie eine einfältige Alte ihre brennende Kerze auf die Stirn eines Soldaten heftet, der auf einem Grabmal der Sankt-Johannes-Kirche schlief, und was daraus entstand.

»In jener Kirche gab es eine sehr dunkle Kapelle, und darin ein gar lebenswahres steinernes Grabmal zum Gedächtnis an hochgestellte Persönlichkeiten. Um das Grabmal hatte man ruhende Gestalten gewaffneter Männer hingelagert dargestellt. Als nun eines Tages ein Soldat in jener Kirche umherging, ward er ob der brennenden Tagesglut schläfrig. Und da er jene dunkle, kühle Kapelle gewahrte, beschloß er, auf dem Grabmal gleich den andern Kriegern zu schlafen, und legte sich zwischen ihnen nieder.

Da traf es sich, daß just eine gute, fromme Alte ankam, als er im tiefsten Schlaf lag. Nachdem diese ihre Gebete gesagt hatte, wollte sie die brennende Kerze, so sie hielt, am Grabmal befestigen, und da ihr jener Soldat am nächsten lag, wandte sie sich zu ihm und preßte das Wachs an seine Stirn. Dort wollte es aber nicht haften, und da die Gute vermeinte, das läge an der Kälte des Steines, erhitzte sie die Stirne mit der Flamme.

Dies vermeintliche Bildnis war jedoch nicht unempfindlich und hub an zu schreien. Darob ward die Alte von jähem Schrecken ergriffen und brüllte: ›Ein Wunder! Ein Wunder!‹ Also daß die Leute in der Kirche in Aufregung gerieten. Die einen liefen zur Glocke und begannen sie zu läuten, die andern kamen, um das Wunder zu bestaunen. Alsbald führte sie die Alte zu dem Bildnis, das sich belebt hatte. Aber etliche begannen zu lachen, und nur mehrere Priester waren unzufrieden. Denn sie hatten vermeint, dies Grabmal würde nun gar wertvoll werden und manchen schönen Batzen einbringen.

So sehet, meine Damen, welchen Heiligen ihr eure Kerzen weiht.«

»Das ist just etwas Rechtes« spottete Hircan, »die Frauen müssen eben alles schlecht machen, was es auch sei. Bedenkt einmal, was die arme Alte Gott für ein schönes Geschenk mit ihrer kleinen Kerze zu machen vermeinte.« – »Gott sieht nicht auf den Wert der Gabe,« entgegnete Oisille, »sondern auf das Herz, das jene darbringt.« – »Ich kann mir aber nicht denken, daß Gott sich an solcher Dummheit ergötzen kann,« meinte Saffredant. Oisille antwortete: »Die, so am wenigsten davon zu reden wissen, haben oft das meiste Gefühl für die Liebe und den Willen Gottes. Darum soll man nur sich selbst richten.« – »Das ist noch nicht so schlimm,« lachte Emarsuitte, »wenn man einen schlafenden Landsknecht erschreckt. Manch einfache Frau hat hohe Fürsten in gewaltige Furcht gejagt, ohne sie gerade an der Stirn in Brand zu setzen.« – »Sicherlich wißt Ihr hierüber eine Geschichte,« sagte Dagoucín. »So nehmt meinen Platz ein und erzählt sie bitte.«

»Die Geschichte ist nicht lang,« hub jene an. »Doch wenn ich den Fall berichte, wie er sich zutrug, so werdet ihr sicher darob keine Tränen vergießen.«

Sechsundsechzigste Erzählung


Erquickliche Geschichte, die dem Königspaar von Navarra widerfuhr.

»In dem Jahr, da der Herzog von Vendôme die Prinzessin von Navarra heiratete, begab sich das Paar mit den königlichen Eltern nach Guyenne. Auf der Reise kamen sie in das Haus eines Edelmannes, daselbst sich viele schöne junge Damen befanden. Mit diesen wurde so viel getanzt, daß das Brautpaar sich am Ende ermattet in sein Gemach zurückzog und bei geschlossenen Türen und Fenstern auf dem Bett einschlief, ohne sich ausgekleidet oder jemanden zur Wache gerufen zu haben.

Aber just als beide im tiefsten Schlafe lagen, hörten sie von außen die Tür öffnen. Der Fürst blickte durch den Bettvorhang, wer das sein könne, da er vermutete, vielleicht wolle ihn einer seiner Freunde überraschen. Da sah er eine alte, hochgewachsene Kammerfrau eintreten, die stracks auf das Bett zuging, ohne die beiden ob der Dunkelheit zu erkennen. Vielmehr hub sie an, sobald sie selbige beieinander ruhen sah, gewaltiglich zu schelten und zu schreien: ›Ei, du böses Ding, du verworfene, gemeine Dirne – Längst schon hab‘ ich das geargwöhnt. Aber bis jetzt konnte ich dir nichts beweisen, darum hatte ich der Herrin nichts gesagt. Jetzt weiß ich, was ich zu tun habe. Und du, schlechter Kerl, du hast Schimpf und Schande über das Haus gebracht. Du hast diese arme Dirn‘ verführt, und wenn nicht ein Gott im Himmel wäre, so würde ich dich totschlagen, so wie du da liegst! Steh‘ auf! Bei allen Teufeln, steh auf! Schämst du dich denn gar nicht?‹ Der Herzog von Vendôme und die Prinzessin wollten diese Reden noch recht lange dauern lassen. Darum bargen sie ihre Gesichter in den Kissen und lachten dabei so laut, daß sie nicht ein Wort sagen konnten. Als nun die Kammerfrau inne ward, daß jene sich trotz ihrer Aufforderung nicht rührten, trat sie näher herzu, um sie beim Arm oder Bein aus dem Bett zu zerren. Aber nun erkannte sie an den Gesichtern oder den Kleidern, daß es nicht die Gesuchten waren, warf sich in der Erkenntnis ihres Irrtums auf die Knie und bat sie flehentlich, ihr zu verzeihen, daß sie durch ihr Versehen ihnen die Ruhe gestört hatte. Der Herzog aber wollte mehr wissen, stand auf und ersuchte die Alte ihm zu sagen, für wen sie das Paar gehalten habe. Dessen weigerte sie sich anfangs. Endlich aber, nachdem er ihr versprochen hatte, nichts weiterzuerzählen, erklärte sie, es sei hier eine junge Dame im Hause, in die der Verwaltungsvorsteher verliebt sei. Längst schon laure sie den beiden auf, da sie unwillig sei, daß ihre Herrin einem Mann vertraue, der das Haus entehre.

Dann ging sie hinaus und schloß die Tür, so wie es vorher gewesen war. Das fürstliche Paar aber lachte noch lange Zeit über diesen Fall, und nie, wenn sie die Geschichte erzählten, wollten sie die Namen der Personen nennen.

So ging es der Alten, die Gerechtigkeit üben wollte und am Ende fremden Fürstlichkeiten etwas enthüllte, wovon niemand im Hause eine Ahnung hatte.«

»Ich glaube zu wissen, um wen es sich handelt,« meinte Parlamente. »Der Vorsteher gehörte gar mancher Verwaltung an; und wenn er der Herrin Gunst nicht erlangen konnte, ließ er es sich an den jungen Damen wohl sein. immerhin war er ein anständiger Mensch. »Warum sagt Ihr ›immerhin‹?« fragte Hircan. »Ob solcher Handlungsweise hat er sich doch sicherlich gerade hochgeschätzt.« – »Ich sehe, Ihr kennt die Krankheit und den Kranken,« entgegnete jene. »Wenn er Verteidigung braucht, fehlt es ihm also nicht an Advokaten. Ich würde mich aber keinem anvertrauen, der seine Sachen so schlecht führt, daß die Kammerfrauen Wind bekommen.« – »Als ob sich die Männer daran stören, daß jemand ihre Streiche merkte lachte Nomerfide.« Hircan aber erwiderte zornig: »Das sagt noch keineswegs, daß sie alles ausplaudern, was sie wissen.« Darob errötete jene und sprach: »Vielleicht tun sie es nicht, wenn es sie herunter setzt.« Simontault aber meinte: »Wenn man uns reden hört, könnte man meinen, wir Männer hätten Freude daran, die Frauen schlecht zu machen. Darum will ich nun just etwas recht Gutes von ihnen erzählen, damit ich nicht gleich den andern für ein Lästermaul gelte.« – »So tretet an meine Stelle,« sprach Emarsuitte, »überwindet Eure Natur und erfüllet uns zu Ehren Eure Pflichten.« Alsbald hub Simontault also an:

»Tugendsame Geschichten über euch, meine Damen, sind an sich nichts Neues. Hört man aber einmal eine, so sollte man sie doch nicht verbergen, sondern mit goldenen Lettern niederschreiben, um den Frauen ein Beispiel, den Männern Gelegenheit zur Bewunderung dafür zu geben, wie das schwache Geschlecht seine Schwäche überwinden kann. Dieserthalben will ich nun eine Geschichte berichten, die ich vom Hauptmann Roberval und seinen Gefährten hörte.«

Siebenundsechzigste Erzählung


Von der grenzenlosen und doch sittenstrengen Liebe einer Frau in fremden Landen.

»Roberval machte einst als vom König ernannter Schiffshauptmann eine Seefahrt nach Kanada. Dort sollte er, falls das Klima es erlaubte, längere Zeit bleiben und Städte und Schlösser erbauen lassen, was er bekanntlich trefflich in die Wege leitete. Um das Christentum dort zu verbreiten, nahm er allerlei Handwerker mit, darunter einen, der in seiner Elendigkeit seinen Herrn verriet und fast den Eingeborenen auslieferte.

Gott aber fügte, daß sein Verbrechen an den Tag kam und der Hauptmann vor Schaden bewahrt wurde. Der ließ den Verräter ergreifen, um ihn nach Verdienst strafen zu lassen. Das wäre schnell geschehen, wenn nicht sein Weib dagewesen wäre, das ihm, den Gefahren der Seefahrt zum Trotz, gefolgt war und ihn auch im Tode nicht verlassen wollte. Mit heißen Tranen bat sie den Hauptmann und seine Gefährten, aus Mitleid und zum Lohn für ihre Dienste ihr einen Wunsch zu erfüllen und ihren Mann mit ihr auf einer kleinen Insel auszusetzen, wo nur wilde Tiere hausten. Der gestand ihr das zu und gab ihnen das Nötigste dabei mit.

Als die Ärmsten sich nun dort mit den wilden Tieren allein befanden, hatten sie keine andere Zuflucht als Gott allein, auf den die Frau all‘ ihre Hoffnung setzte. Unaufhörlich las sie das Neue Testament und im übrigen erbaute sie mit ihrem Mann ein notdürftiges Häuschen. Vor den Löwen und sonstigen Tieren, die ihnen nahten, um sie zu fressen, verteidigten sie sich, er mit der Armbrust, sie mit Steinen, und oft erlangten sie derart sogar gutes Wildbret. Auf die Dauer aber konnte der Mann dies Leben nicht ertragen; ob der Kräuter, die er zumeist aß, und des Wassers schwoll er auf und starb am Ende bald darauf. Sein Weib war sein einziger Trost, sein Arzt und sein Beichtiger. So entschwebte er froh in die seligen Gefilde.

Die Ärmste, die nun allein blieb, begrub ihn, so tief sie konnte. Zwar witterten die Bestien doch seinen Leichnam und nahten sich, aber sie bewahrte die Gebeine ihres Mannes vor ihnen, indem sie aus der Hütte auf sie mit der Armbrust schoß. So lebte sie, äußerlich wie ein Tier, innerlich wie ein Engel, und verbrachte ihre Zeit unter Gebet und frommer Betrachtung, so daß zwar ihr Leib abmagerte und schier abstarb, ihr Geist aber froh und zufrieden blieb.

Da fügte es Gott in seiner Barmherzigkeit, damit ihr Ruhm bekannt würde, daß nach einiger Zeit ein Schiff jener Flotte an der Insel vorbeikam. Die Bemannung erblickte das Weib, dessen sich einige noch erinnerten, und so beschlossen sie nachzuschauen, was dort geworden war. Als die Ärmste das Schiff nahen sah, ging sie bis zum Meeresstrande entgegen, empfing jene, pries Gott und führte sie zu der jämmerlichen Hütte, wo sie ihnen zeigte, wie und wovon sie gelebt hatte. Also wurden die Leute inne, daß sich hier schier Unmögliches begeben hatte und Gott sehr wohl seine Diener auch in der Wüste speisen könne wie beim herrlichsten Gelage.

Als sie dann daheim im Lande die Treue und Ausdauer dieser Frau bekanntmachten, ward sie von den edlen Damen in hohen Ehren aufgenommen. Die vertrauten ihr den Unterricht in Lesen und Schreiben bei ihren Töchtern an, und so gewann sie ehrsam ein reichliches Einkommen. Doch hatte sie nur den Wunsch, jeglichen zur Liebe und zum Vertrauen zu Gott anzuhalten, und erwies, wie er in ihrem Falle so große Barmherzigkeit bewiesen hatte.

Nun könnt ihr nicht mehr sagen, meine Damen, daß ich die Tugend nicht preise, die Gott euch gab und die in solch unscheinbarem Wesen doppelt prangt.«

»Wirklich« meinte Oisille, »alle Tugend kommt von unserm Herrn und Heiland. Doch müssen wir der Gerechtigkeit die Ehre geben und gestehen, daß gleich den Frauen auch die Männer zu solch gottgefälligem Tun geschaffen sind.« – »Wie dem auch sei,« rief Longarine, »jene Frau war sehr zu preisen, auch ob der Liebe zu ihrem Manne, für den sie all das auf sich nahm.« – »Ich glaube, jede Frau hier hätte gleichermaßen gehandelt,« entgegnete Emarsuitte. – »Mir scheint,« spottete Parlamente, »manche Ehemänner sind so arge Tiere, daß es nach einem Leben mit ihnen nicht so seltsam ist, unter jenen zu leben.«

Emarsuitte bezog das auf sich und erwiderte: »Wenn die Tiere nicht beißen, so sind sie unterhaltsamer als zornige und unerträgliche Männer. Ich meinesteils würde aber, wie ich sagte, meinen Mann vor solcher Gefahr auch im Tode nicht verlassen.« – »Hütet Euch,« rief Nomerfide, »auf daß solche Liebe nicht Euch und ihn betöre. Überall gibt es einen Mittelweg; wer den nicht kennt, verwandelt oft Liebe in Haß.« – »Das sagt Ihr, scheint mir, weil Ihr ein Beispiel dafür wißt,« sprach Simontault. »Wenn dem so ist, nehmt bitte meine Stelle an.«

»Nun denn,« hub jene an, »so will ich auch meiner Gewohnheit nach ein kurzes aber fröhliches Stücklein berichten.«

Achtundsechzigste Erzählung


Eine Frau gibt ihrem Manne spanische Fliegen, um ein Liebeszeichen von ihm zu erhalten, und bringt ihn darob schier um.

»Zu Pau in Béarn lebte Meister Stephan, ein Apotheker, der mit einer wohlanständigen Frau verheiratet war. Die stand dem Haushalte wohl vor und war schön genug, um ihn zufriedenzustellen. Aber gleichwie er die verschiedenen Heilmittel ausprobte, so wollte er auch oft verschiedene Frauen kosten, um alle Abarten kennen zu lernen. Das quälte sein Weib und lockerte ihre Geduld. Denn er kümmerte sich um sie nur in der heiligen Bußzeit.

Als nun eines Tages der Mann in der Apotheke saß, lauschte sein Weib hinter der Tür, um zu hören was er spräche. Da kam eine Frau herein, eine Gevatterin des Apothekers, die unter dem gleichen Mangel litt wie dessen Weib. So stöhnte sie ihm vor: »Ach wehe, Gevatter, bester Freund, ich bin kreuzunglücklich. Ich liebe meinen Mann so von Herzen und bin nur um ihn besorgt. Aber was hilft’s – er ist hinter jeder andern her, und wäre es auch die schmutzigste, gemeinste, häßlichste Vettel der ganzen Stadt! Wißt Ihr denn kein Mittel um ihn umzustimmen? Gebt mir so etwas. Wenn ich von ihm charmiert werde, sollt Ihr alles haben, was ich nur geben kann.«

Der Apotheker sagte, er kenne ein Pulver, das sie ihrem Manne mit Brühe oder Braten geben solle, dann würde er sie gewißlich mit Liebe umschmeicheln. Die ärmste fragte ihn, was das für ein Wundermittel sei und ob er ihr etwas geben könne. Darauf erwiderte jener, es sei nichts Besonderes nur zerstoßene spanische Fliegen, davon er einen großen Vorrat habe; und bevor sie fortging gab er ihr, soviel sie brauchte. Die Frau war ihm dafür sehr dankbar; denn ihr Mann war stark und kräftig, und da sie ihm nicht zuviel davon gab, bekam es ihm nicht schlecht, sie aber fühlte sich sehr wohl dabei.

Das Weib des Apothekers hatte alles dies vernommen und vermeinte, ihr sei dies Mittel nicht minder nötig. So paßte sie auf, wo ihr Mann das Pulver hintat, auf daß sie es bei Gelegenheit verwenden könne. Als sich nun ihr Mann eines Tages den Leib etwas verkühlt hatte, bat er sie, eine warme Suppe zu machen. Sie riet ihm aber, Gebratenes mit einem Abführmittel zu nehmen, und das war ihm recht. Deshalb hieß er sie, solches herzurichteten und Zimmt und Zucker aus der Apotheke zu holen. Also tat sie, nahm aber von jenem Pulver, das er der Gevatterin gegeben hatte, und achtete dabei weder auf Maß noch Gewicht. Der Mann aß also das Gebratene mit viel Vergnügen. Bald merkte er die Wirkung und versuchte sie mit Hilfe seines Weibes zu beheben. Aber vergebens: das Feuer in ihm lohte so stark, daß er sich vor Schmerzen wand, seine Frau beschuldigte, sie habe ihn vergiftet, und sie fragte, was sie in das Gebratene getan habe.

Nun gestand sie die Wahrheit, und wie sie gleich jener Gevatterin dieses Mittels bedürftig sei. Der Ärmste konnte sie vor Schmerzen nur mit Schimpfreden überschütten. Doch jagte er sie hinaus zu dem Apotheker der Königin von Navarra, um ihn herbeizurufen. Der gab ihm beruhigende Mittel, nach denen er in einiger Zeit wieder wohl wurde. Doch machte er ihm lebhafte Vorwürfe, daß er anderen Leuten Pulver gäbe, die er selbst nicht nehmen wolle; sein Weib habe nur ihre Pflicht getan, da sie den berechtigten Wunsch hatte, von ihm geliebt zu werden. So ward der Ärmste auch von seiner Torheit geheilt und sah ein, daß Gott ihn zu Recht bestraft habe, da er allen Spott, den er andern aufhalsen wollte, auf ihn selbst geladen hatte.

Mir scheint nun, daß die Liebe jener Frau weniger zudringlich als groß war.«

»Nennt Ihr das Liebe,« – fragte Hircan, »wenn man dem Mann Qualen bereitet, um erhoffte Freuden zu erlangen?« – »Um ihres Mannes Liebe zurückzuerobern, soll die Frau nichts unversucht lassen,« meinte Longarine. – »Deshalb darf sie noch lange nicht etwas zu essen oder zu trinken geben, sofern sie der Wirkung nicht sicher ist,« entgegnete Guebron. »Man muß aber ihre Unwissenheit entschuldigen. Und zudem war sie von Liebe verblendet.« – »Es gibt aber auch Frauen, die Liebe und Eifersucht geduldig ertragen,« widersprach Oisille. – »Jawohl, und gar gefällig,« sagte Hircan. »Die Klügsten sind jene, die solche Zeitvertreibe ihrer Männer belachen und verspotten, gerade wie die Männer am besten tun, ihre Frauen heimlich zu betrügen. Wenn ihr mir das Wort erteilen wolltet, bevor Frau Oisille die heutigen Erzählungen beschließt, so will ich euch einen solchen Fall erzählen; das Ehepaar ist allen hier bekannt.« – »So beginnt,« rief Nomerfide. Und Hircan hub lachend also an:

Neunundsechzigste Erzählung


Ein Italiener läßt sich von der Zofe nasführen, also daß die Frau ihren Mann statt der Magd beim Mehlbeuteln findet.

Im Schloß Doz in Bigorra lebte ein königlicher Stallmeister, Karl mit Namen – ein Italiener, der mit einer wohlhabenden, ehrengeachteten Frau verheiratet war. Nachdem selbige ihm aber mehrere Kinder geschenkt hatte, war sie stark gealtert. Und da auch er nicht mehr zu den Jüngsten rechnete, lebten beide in Frieden und Freundschaft. Allerdings koste er bisweilen mit den Mägden, aber sein Weib tat, als merke sie nichts, und wenn dann eine zu vertraulich wurde, entließ sie dieselbe einfach in aller Stille.

So nahm sie eines Tages wieder einmal eine neue an, ein gutes, kluges Mägdelein; dem setzte sie gleich die Launen und Gelüste des Hausherrn auseinander und kündigte ihm an: wenn es zu Ungehörigkeiten käme, flöge es hinaus. Die Magd wollte gern in Ehren im Dienst bleiben und beschloß daher wohlanständig zu bleiben. Und ob nun auch der Herr ihr manch verführerischen Antrag machte, so ging sie darauf nicht ein, erzählte vielmehr alles ihrer Herrin, und beide vergnügten sich dann im Gedanken an seine Torheit.

Einst nun war die Magd im Hinterzimmer, hatte ihre Kappe auf (die nach Landessitte einer Taufkappe glich, nur daß sie Schultern und Körper von hinten bedeckte) und beutelte Mehl. Da kam der Hausherr an und bedrängte sie alsbald gewaltig. Sie wäre ums Leben nicht darauf eingegangen, stellte sich aber willfährig und bat nur, erst nachschauen zu dürfen, ob die Herrin wohl beschäftigt sei, damit die beiden dann nicht überrascht würden. Und da er dem zustimmte, bat sie ihn, derweile die Kappe aufzusetzen und weiter zu beuteln, auf daß die Herrin allezeit das Geräusch des Beutelns höre. Auch das tat er in der fröhlichen Hoffnung, alsbald seinen Wunsch erfüllt zu bekommen.

Die Magd aber, die keineswegs trüber Laune war, lief flugs zu ihrer Herrin und rief: »Kommt und seht den guten Herrn an, dem ich das Mehlbeuteln beigebracht habe, um ihn los zu sein.« Die Frau sputete sich gewaltig, um die neue »Magd« zu sehen und als sie nun ihren Gatten mit der Kappe und dem Mehlbeutel erblickte, hub sie mordsmäßig an zu lachen, klatschte in die Hände und konnte nur rufen: »Schmutzfink, wieviel Monatslohn willst du für deine Arbeit?!«

Als der Mann ihre Stimme erkannte und inne ward, daß man ihn angeführt hatte, warf er das ganze Zeug zur Erde, stürzte sich auf die Magd und hätte ihr sicherlich den Spaß schlimm heimgezahlt, wenn die Frau sich nicht dazwischengeworfen hätte. Am Ende jedoch söhnte sich alle drei aus und lebten fortan ohne Hader und Streit.

Was denkt ihr nun von dieser Frau? War es nicht sehr klug von ihr, sich mit der Kurzweil ihres Mannes die Zeit zu vertreiben?«

»Solch ein Fehlschlag war doch für den Mann keine Kurzweil,« entgegnete Saffredant. – »Immerhin tat er vernünftiger, mit seinem Weib zu lachen,« meinte Emarsuitte, »statt sich in seinem Alter mit Mägden aufzureiben.« – »Mir wäre es recht peinlich mit solcher Kappe abgefaßt zu werden,« lachte Simontault. Parlamente erwiderte flugs: »Ich habe mir sagen lassen, daß es nur an Eurer Frau lag, wenn sie Euch nicht in ähnlichen Lagen betraf!« – »Schaut in Eurem Hause nach,« entrüstete sich jener, »mein Weib hatte keinen Grund zu klagen, und wäre ich selbst derart gewesen, wie Ihr sagt, so kümmert sie sich doch nur um das, was ihr nahe geht.« – »Den ehrenwerten Frauen geht nur die Liebe zum Gatten nahe, die allein sie befriedigen kann,« antwortete Longarine. Wenn sie in diesem Rahmen keine Befriedigung findet, muß sie gar mit unersättlicher Fleischeslust erfüllt sein.« – »Wahrlich, da erinnert Ihr mich an eine schöne wohlvermählte Frau,« erklärte Oisille, »die in Ermangelung solch ehrenwerter Gefühle sich unter das gemeinste Tier erniedrigte und zudem grausamer wurde denn ein reißender Löwe.« – »Bitte erzählet uns das, um den Tag zu beenden,« bat Simontault. – »Das kann ich aus zwei Gründen nicht,« entgegnete jene, »denn erstens ist die Geschichte sehr lang und außerdem wurde sie schon von einem glaubwürdigen Verfasser niedergeschrieben. Wir aber wollten nichts berichten, das schon veröffentlicht worden ist.« – »Das ist wahr,« sagte Parlamente. »Aber da ich wohl errate, welche Geschichte Ihr meint, so muß ich erwidern, daß selbige in so altertümlicher Sprache abgefaßt ist, daß außer uns beiden wohl niemand sonst hier sie kennt. Drum kann sie wohl als neu gelten.«

Und alsbald begann die ganze Gesellschaft Oisille zu bitten, sie möge doch, ungeachtet der Länge, den Fall erzählen, maßen sie noch eine gute Stunde vor sich hätten. Darob hub endlich jene also an:

Sechsundfünfzigste Erzählung


Ein Franziskaner vermählt trügerischerweise ein schönes Mägdelein mit einem anderen Mönch, worob die zwei Burschen bestraft werden.

»Auf der Durchreise durch Padua hörte eine französische Edelfrau, daß im bischöflichen Gefängnis ein Mönch säße, und als sie sich nach dem Grund erkundigte, maßen alle darüber zu spotten schienen, erfuhr sie folgendes: Der Mönch, ein schon bejahrter Mann, war einst Beichtvater einer ehrengeachteten frommen Wittib, die nur eine Tochter hatte. Die liebte sie so sehr, daß sie um ihretwillen alles Geld zusammenscharrte und sie recht gut verheiraten wollte. Und da die Tochter heranwuchs, wurde die Mutter noch mehr von dem Gedanken verfolgt, daß nur ja jener zukünftige Ehemann recht gewissenhaft und fromm sei, auf daß sie später zusammen in Ruhe und Frieden lebten.

So wandte sie sich einmal an ihren Beichtvater, einen gesetzten, allenthalben geachteten Mann. Der erklärte auf ihre Bitten, er müsse sich die Sache reiflich überlegen. Also bedachte er einerseits, daß diese Dame, wie sie sagte, fünfhundert Dukaten zusammengescharrt hatte, die als Mitgift dienen sollten; daß sie den Unterhalt für das Paar übernehmen und Wohnung, Aussteuer und Hausrat liefern wolle; andererseits, daß er einen wohlgebauten, schmucken und hübschen Gefährten hatte; also daß er sehr wohl diesen dem Mägdelein vermählen könne, indem dann für jene mit Unterhalt, Aussteuer, Wohnung und Hausrat gar wohl gesorgt sei, während für ihn selbst die fünfhundert Dukaten blieben, um den andern etwas zu entlasten. Und derart einigte er sich mit ihm.

Alsdann kehrte er zu der Dame zurück und sagte: ›Gott schickte mir heute den trefflichsten Edelmann Italiens, der mir gestand, daß er Eure Tochter öfter gesehen habe und bereits innig liebe. Da ich sein Haus und seine Verwandtschaft kenne, versprach ich ihm, mit Euch darüber zu reden. Es gibt nämlich eine kleine Unbequemlichkeit dabei: als jener Edelmann einmal einem Freunde, den ein andrer töten wollte, zu Hilfe eilte und seinen Degen zückte, um die beiden zu trennen, erstach sein Freund zufällig den Angreifer. Dadurch wurde er ohne Verschulden in die Sache verwickelt und flüchtete aus seiner Vaterstadt. Auf Rat seiner Eltern weilt er nun hier als Student verkleidet und will unerkannt bleiben, bis seine Verwandten die Angelegenheit in Ordnung gebracht haben. Das dürfte in Bälde geschehen sein, aber inzwischen muß dieserthalben die Hochzeit im geheimen gefeiert werden und Ihr müßt damit zufrieden sein, daß er tagsüber die Vorlesungen besucht und nur abends zu Euch kommt, um hier zu essen und zu schlafen.‹

Alsbald erwiderte die Dame in ihrer Einfalt: ›Ich finde, daß dies sogar sehr angenehm ist, denn so bleibt meine Tochter, die für mich das Teuerste auf dieser Welt ist, bei mir.‹ Nun führte der Mönch alles so aus, wie er es bedacht hatte, und brachte den Gefährten in einem dunkelroten Gewande ins Haus, das der Dame gar wohl in die Augen stach. Flugs wurden die beiden verlobt, und schon um Mitternacht las der Alte eine Messe und vermählte das Paar, worauf die Brautleute ihr Ehelager aufsuchten und doch bis zum Tagesanbruch ruhten. Dann erhob sich der junge Mann, erklärte, jetzt müsse er zur Vorlesung, zog sein Wams und sein langes Gewand an und vergaß auch die schwarze Perücke nicht. Dann nahm er von seinem jungen Weib, das noch liegen blieb, Abschied und versprach, allabendlich zum Essen wiederzukehren, zum Mittag aber solle man ihn nicht erwarten. Und so ging er davon, derweile sein Weib sich ob ihrer Ehe mit einem so wackern Mann für die glücklichste Frau der Welt hielt.

Indessen begab sich der junge Ehemann zu dem alten Pater und brachte ihm die fünfhundert Dukaten, die im Ehevertrag festgesetzt worden waren. Zum Abend aber kehrte er pünktlich zum Essen zurück zu der Frau die ihn für ihren Gatten hielt, und wußte sich bei dieser und ihrer Mutter so gar beliebt machen, daß beide ihn nicht gegen den edelsten Fürsten dieser Welt vertauscht hätten.

Das dauerte so eine gute Weile. Maßen aber Gott sich derer erbarmt, die im Vertrauen auf seine Güte betrogen werden, so fügte er es, daß Mutter und Tochter eines Tages der fromme Wunsch anwandelte, im Franziskanerkloster die Messe zu hören und ihren guten Beichtvater zu besuchen, der sie mit einem so trefflichen Ehemann und Schwiegersohn beglückt hatte. Zufällig aber fanden sie weder ihn noch einen andern ihnen bekannten Mönch, und so hörten sie derweile die Messe, die just begann, um zu warten, ob jener nicht käme. So richtete die junge Frau ihre Aufmerksamkeit auf den Gottesdienst, als plötzlich der Priester sich umwandte, um das »Dominus vobiscum« zu sprechen. Alsbald ward sie von gewaltigem Staunen ergriffen: denn der Priester war entweder ihr »Gatte« oder glich ihm außerordentlich, so schien ihr. Doch sagte sie noch nichts und wartete, bis er sich wieder umwandte. Nun konnte sie ihn noch besser sehen, ward ihrer Sache sicher und sprach zu ihrer in Andacht versunkenen Mutter: »Wehe! Wißt Ihr, was ich da erblicke?!« – »Was denn?« fragte die Mutter. – »Ich sehe,daß mein Mann die Messe liest oder doch jemand, der ihm täuschend ähnlich ist!«

Die Mutter hatte ihn nicht erblickt und antwortete daher: »Bitte, rede dir nicht solchen Unsinn ein! So etwas ist doch ganz unmöglich! Wie werden so heilige Menschen einen derartigen Betrug ausführen. Solcher Gedanke ist eine große Sünde vor Gott!« Trotzdem gab aber nun auch sie acht, und als jener das »Ite, missa est« sprach, da mußte sie erkennen, daß niemals zwei Zwillingsbrüder sich so gleichen konnten, wie der Priester ihrem Schwiegersohn. So rief sie: »Gott bewahre mich davor, daß ich meinen Augen traue!« Da es aber ihrer Tochter so nahe anging, beschloß sie, der Wahrheit auf den Grund zu kommen.

Als daher gen Abend der Ehemann kommen sollte (der die beiden in der Kirche nicht bemerkt hatte), erklärte sie ihrer Tochter: »Wenn du willst, werden wir erfahren, wie die Sache wirklich liegt. Sobald ihr also im Bett liegen werdet, will ich kommen und ihm unversehens die Perücke von hinten abreißen; dann werden wir flugs sehen, ob er auch solchen Haarschmuck trägt wie der Priester.«

Und also geschah es. Kaum lag der arglistige Mann mit seinem Weib im Bett, da kam die alte Dame herein, nahm wie im Scherz seinen Kopf in ihre Hände, und flugs riß die Tochter die Perücke ab – also daß die Tonsur gar deutlich zu erkennen war. Darob fielen Mutter und Tochter aus allen Wolken, riefen schnell nach der Dienerschaft und ließen ihn trotz aller Bitten und Entschuldigungen an Händen und Füßen fesseln. Dergestalt blieb er bis zum Morgen liegen. Als aber der Tag anbrach, ließ die Dame den Beichtvater rufen, als habe sie ihm ein wichtiges Geheimnis anzuvertrauen, und als er eiligst das Haus betrat, erging es ihm wie dem jungen Pater. Dann warf die Dame ihm all seinen Trug vor, ließ das Gericht benachrichtigen und lieferte die beiden Burschen aus. Man darf wohl annehmen, daß sie nicht ungestraft davonkamen, sofern sie ehrenwerte Richter hatten.

Das mag euch zeigen, daß auch jene Brüder, die das Gelöbnis der Armut geleistet haben, der Verführung der Geldgier erliegen können, wenn sich die Gelegenheit bietet.«

»Es war aber auch recht viel Geld,« rief Saffredant. »Von den zusammengescharrten fünfhundert Dukaten der Alten konnte man sich manche Freude schaffen. Und das arme Mägdelein, das so sehr eines Gatten harrte, hätte für so viel Geld gleich zwei bekommen und noch besser von allen kirchlichen Herrlichkeiten reden können.« – »Jedenfalls erweist die Geschichte die Einfalt der armen Frauen und die Arglist jener Männer, die wir über ihresgleichen zu stellen pflegen,« sagte Oisille. – »Es gibt eben leider Frauen,« klagte Longarine, »die da vermeinen, sie müßten Engel bekommen.« – »Dann finden sie oft Teufel,« lachte Simontault. »Zumal wenn sie sich Gottes Gnade nicht anvertrauen und auf Erden himmlisches Glück suchen.« – »Ei, ei!« verwunderte sich Oisille. »Solche Worte hätte ich Euch gar nicht zugetraut.« – »Weil Ihr mich nicht genügend kennt,« erwiderte jener. »Immerhin mag ich auch einmal einem Franziskaner ins Handwerk pfuschen, wie es mir einer gemacht hat.« – »Handwerk nennt Ihr das, wenn man Frauen betrügt!« entrüstete sich Parlamente. »Damit verurteilt Ihr Euch selbst.« – »Und wenn ich hunderttausende betröge,« sprach jener, »so hätte ich die Qualen noch nicht gerächt, die mir eine allein schuf.« – »Trotz all‘ Eurer Klagen seht Ihr recht vergnügt aus,« meinte Parlamente. »Allerdings heißt es ja in der ›Schönen Dame ohne Gnade‹:

›Durch Schmiegsamkeit hat mancher leicht
Und schnell erhoffte Gunst erreicht!‹«

»Das scheint mir mehr für Damen belehrsam,« entgegnete Simontault. »Doch sagt mir bitte, ob es wirklich so ehrenvoll für eine Frau ist, wenn sie in dem Ruf steht, ohne Gnade, Mitleid, Liebe und Barmherzigkeit zu sein?« – »Ohne Barmherzigkeit und Liebe darf sie nicht sein. »Gnade« aber hat bei Frauen einen schlechten Klang, maßen es bedeutet, daß sie das Verlangen der Männer erfüllen. Man weiß recht wohl, was die Männer von den Frauen erbitten.« – »Oh, es gibt Vernünftige, die sich mit einem guten Wort begnügen.« – »Das erinnert mich an den Mann, der sich mit einem Handschuh begnügte.« – »Von dem anmutigen Liebhaber müssen wir hören,« rief Hircan, »Deshalb gebe ich Euch mein Wort.«

Ich erzähle die Geschichte um so lieber,« hub Parlamente an, »da sie an Ehrenhaftigkeit nichts zu wünschen übrigläßt.«

Siebenundfünfzigste Erzählung


Lächerliche Geschichte von einem englischen Lord, der mit einem Damenhandschuh auf dem Wams prunkte.

»König Ludwig der Elfte entsandte einst den Herrn von Montmorenci als Geschäftsträger nach Engelland. Der ward dort herrlich empfangen und gefeiert, und ob ihrer Zuneigung zu ihm beratschlagten der König und andere Fürsten daselbst mit jenem ihre Angelegenheiten. Einst nun saß er bei einem Gelage, das der Konig ihm zu Ehren veranstaltete, neben einem Lord edelster Abkunft, der auf seinem Wams einen kleinen Handschuh, gleich dem von einer Frau, mit goldenen Hesteln befestigt hatte. Die Fingernähte waren mit vielen Diamanten, Rubinen, Smaragden und Perlen geziert, und daher hatte das Stück einen großen Geldwert.

Der Herr Montmorenci beschaute ihn so oft, dass der Lord ihm seine Frage vom Gesicht ablas. Und da er seine Geschichte sehr zu erzählen liebte, um sich damit selbst gehörig herauszustreichen, hub er also an:

›Ihr verwundert Euch sichtlich über den Schmuck, den ich diesem Handschuh angedeihen ließ. So will ich Euch gern den Grund sagen, denn Ihr scheint mir wohlanständig zu sein und werdet die Leidenschaft der Liebe genugsam kennen, um mich – wo nicht zu loben – so doch ob meiner Gefühle zu entschuldigen.

So wisset: ich habe mein Lebelang eine Dame geliebt, liebe sie noch heute und werde sie noch nach meinem Tode lieben. Maßen aber mein Herz kühner war als mein Mund, so schwieg ich sieben Jahre lang und ließ mir nichts anmerken aus Angst, ich würde alle Möglichkeit verlieren, sie weiter so oft zu sehen und besuchen wie bisher, sobald sie etwas wahrnähme. Als ich nun eines Tages auf einer Wiese bei ihr stand und sie anschaute, da begann mein Herz so gewaltig zu pochen, daß ich erbleichte und alle Fassung verlor. Des ward sie inne und fragte mich, was mir fehle. Ich erwiderte, mich quäle ein unerträglicher Schmerz im Herzen. Und da sie wohl vermeinte, ich rede von einer anderen Krankheit denn von Liebe, so zeigte sie Mitleid mit mir. Deshalb bat ich sie, ihre Hand auf mein Herz zu legen und zu fühlen, wie es poche. Also tat sie: doch als sie ihre behandschuhte Rechte darauf legte, zuckte und sprang das Herz so sehr, daß sie es auch fühlte, und da ich das wahrnahm, preßte ich ihre Hand an mich und rief: ›Ach, edle Frau, empfanget das Herz, das meinen Leib sprengen möchte, um in Eure Hand zu springen! Von Euch erhoffe ich Gnade, Leben und Erbarmen. Die Qual zwingt mich, Euch jetzt meine langverhehlte Liebe zu gestehen. Denn sie ist übermachtig geworden.‹

Als sie meine Worte vernahm, ward sie betreten und wollte ihre Hand zurückziehen. Die aber hielt ich fest, also daß der Handschuh sich löste und an der Stelle verblieb, wo ihre grausame Hand geruht hatte. Und da ich fürder nie wieder eine größere Vertraulichkeit von ihr genoß, so habe ich den Handschuh auf meinem Herzen befestigt als das herrlichste Pflaster, das ich finden konnte, und zudem schmückte ich ihn mit den schönsten Ringen, die ich besaß, obgleich den größten Wert der Handschuh selbst besitzt, den ich nicht für ganz Engelland dahingäbe.‹

Der Herr von Montmorenci hätte die Hand dem Handschuh vorgezogen. Doch lobte er solch ehrenhafte Gesinnung in gesetzten Worten und erklärte, der Lord sei der uneigennützigste Liebhaber, den er je gesehen habe; und da er schon über so Weniges entzückt sei, wäre er ob seiner gewaltigen Liebe am Ende gar vor Glück gestorben, wenn er mehr erlangt hätte. Und der Lord gab ihm recht, ohne zu merken, daß jener sich über ihn lustig machte.

Wären alle Männer so tugendsam, dann könnten sich ihnen wohl alle Frauen anvertrauen, maßen es sie nur einen Handschuh kostet.«

»Herrn von Montmorenci kannt‘ ich wohl,« sprach Guebron. »Er hätte nicht ewig in solcher Bangigkeit leben mögen und sonst sicherlich auch nicht so viel Erfolg in Liebesdingen gehabt. Denn ein altes Lied sagt:

›Auf einen furchtsamen Verliebten hört ihr kein Lob.‹«

»Bedenkt doch«, spottete Saffredant, »daß die arme Dame gar flugs ihre Hand zurückzog, als sie sein Herz so wild pochen fühlte. Sicher vermeinte sie, er würde sterben, und man sagt, Frauen hassen die Berührung von Toten.« – »Wenn Ihr die Spittel so oft besuchtet wie die Schenken,« rief Emarsuitte, »so würdet Ihr dergleichen nicht behaupten. Dort könntet Ihr sehen, wie Frauen auch solche Leichen besorgen und begraben, denen sich selbst kühne Männer zu nahen fürchten.« – »Das ist wahr,« höhnte Simontault, »denn wer so recht Buße tun will, der wählt das Gegenteil von dem, woran er sich früher ergetzt hat« – »Da sieht man wieder, wie alles Gute, das Frauen tun, von den Männern entstellt und falsch gedeutet wird!« rief Oisille. Aber Simontault entgegnete: »Jedenfalls glaube ich, daß mehr Männer von Frauen betrogen werden, als Frauen von Männern. Denn ob ihrer geringen Liebe glauben sie unseren wahren Worten nicht, wir aber glauben in unserer starken Liebe an ihre Lügen.« – »Mir scheint, Ihr habt einen Dummkopf klagen hören, den eine Törin enttäuschte,« meinte Parlamente. »Was Ihr da sagt, ist so wenig überzeugend, daß Ihr es schon mit Beispielen erhärten müßt. Wißt Ihr eines, so sollt Ihr von mir das Wort haben; denn sonst brauchen wir Euch keinen Glauben zu schenken. Und solltet Ihr Schlechtes über uns sagen, so werdet Ihr uns doch nicht wehe tun, denn wir wissen, was wir davon zu halten haben.«

»Gut, wenn ich an der Reihe bin, will ich eine solche Geschichte berichten,« sprach Simontault.

Achtundfünfzigste Erzählung


Eine Hofdame rächt sich gar neckisch an einem Liebhaber ob seiner sonstigen Seitensprünge.

»Am Hofe Franz‘ des Ersten lebte eine geistvolle Frau, die ob ihrer Anmut und Plauderkunst die Herzen mehrerer Herren erobert hatte. Das schuf ihr vielen Zeitvertreib, und ohne ihre eigne Ehre aufs Spiel zu setzen spielte sie mit den Edelleuten so wohl, daß diese nicht aus noch ein wußten und so die Zuversichtlichsten verzweifelten, die Verzweifelten zuversichtlich wurden. Trotz dieser Neckereien entging sie dem Schicksal nicht, einen Edelmann zu lieben, den sie Vetter nannte. Unter diesem Namen jedoch barg sich ein lang ausgesponnenes Liebesverhältnis. Unstät nur wie alles irdische, wandelte sich diese Liebe oft in Streit, flammte dann wieder stärker auf denn je, und konnte so dem Hofe auf die Dauer nicht verborgen bleiben.

Eines Tages stellte sich die Dame zu ihm ungewöhnlich liebenswürdig – sei es, um ihm zu zeigen, daß sie keinerlei sonstige Gefühle habe, sei es, um ihn ob der Liebesqualen, die sie so oft ertragen hatte, gehörig zu peinigen. Er, dem es weder in Kampf- noch Liebesfragen an Kühnheit mangelte, drängte sie sogleich zu dem, worum er sie schon so oft gebeten hatte. Alsbald tat sie, als könne sie ihr Mitleid nicht mehr bezwingen, bewilligte ihm diese Bitte und erklärte: ›sie wolle dafür in ihre Stube gehen, die im Obergeschoß lag, also daß sie sicher wäre, daß niemand sonst dorthin käme. Sobald er sähe, daß sie hinausginge, solle er ihr folgen, auf daß er sie, dank ihrer Bereitwilligkeit, allein antreffen könne.‹

Der Edelmann schenkte ihren Worten Glauben, und voll Zufriedenheit begann er mit den andern Damen Kurzweil zu treiben, derweile er erwartete, daß sie hinausginge. Sie aber, der es an List nicht fehlte, trat an zwei hohe Fürstinnen heran, mit denen sie sehr innig befreundet war, und sagte: ›Wenn ihr wollt, will ich euch einen Spaß erleben lassen, der seinesgleichen nicht hat.‹ Die beiden Fürstinnen waren keineswegs auf Trübsinn versessen und fragten darum flugs, was es sei. Sie entgegnete: ›Es handelt sich um den Herrn Soundso, der, wie ihr wißt, ob seiner Ehrenhaftigkeit und Kühnheit bekannt genug ist. Auch wißt ihr, wieviel üble Streiche er mir spielte, wenn er anderen Damen den Hof machte, derweile ich ihn über alles liebte. Damit hat er mir mehr Leids geschafft, als ich mir merken ließ. Nun aber gab mir Gott die Möglichkeit, mich zu rächen: ich gehe jetzt in Bälde auf meine Stube, und wenn ihr aufmerken wollt, werdet ihr sehen, wie er mir flugs folgen wird. Wenn er nun den Saalgang durchschritten hat und die Stiege emporklimmen will, so eilet bitte ans Fenster und schreiet mit mir: ›Räuber! Diebe!‹ Da werdet Ihr ihn vor Wut platzen sehen – und ich glaube, er wird sich dabei nicht übel ausnehmen! Und wenn er mir vielleicht auch keine Schmähungen ins Gesicht schleudert, so kann ich doch sicher sein, daß er innerlich darob schier berstet.‹

Der Gedanke machte sie alle fröhlich lachen, denn keiner der Edelleute stand so unablässig mit den Damen auf dem Kriegsfuße wie jener, und so sehr er auch von allen geliebt und geschätzt wurde, so hätte doch kaum eine gewagt, sich seinem Spott auszusetzen. Und darum schien es jenen Damen, daß sie wohl an dem Siegesruhm teilnehmen könnten, den eine einzelne ihm abzuringen im Begriff stand. Sobald sie also die unternehmungslustige Dame hinausgehen sahen, achteten sie auf das Verhalten des Edelmannes, der bald seinen Platz verließ. Kaum war er zur Tür hinaus, so schlüpften die Damen in den Saalgang, um ihn nicht aus dem Auge zu verlieren.

Er ahnte nichts dergleichen, nahm sein Manteltuch hoch, um sein Gesicht zu verbergen, und eilte die Stiege zum Hofe hinunter. Dann kam er wieder hinauf, und da er jemandem begegnete, den er nicht als Zeugen haben wollte, so ging er wieder hinunter, kam auf einer anderen Stiege wieder hinauf und alles das sahen die Damen, ohne daß er etwas merkte. Als er nun aber zu dem Stiegenabsatz kam, der unmittelbar zu der Stube der Dame führte, eilten die Damen flugs ans Fenster, sahen oben die andere schon bereitstehen und ›Räuber! Diebe!‹ schreien, worob sie nun auch beide so laut riefen, daß das ganze Schloß in Aufruhr versetzt wurde.

Ihr könnt euch denken, mit welcher Wut der Edelmann nach Hause floh. Doch konnte er sein Gesicht nicht so gut verbergen, daß er nicht von denen erkannt wurde, die um das Geheimnis wußten. Die neckten ihn später oft damit, auch jene Dame, die ihm den Streich gespielt hatte und die sich nun ihrer Rache rühmte. Aber er verteidigte sich sehr schlagfertig und ließ verstehen, er habe so etwas geahnt und habe den Vorschlag der Dame nur angenommen, um sie selbst zu verspotten. Denn aus Liebe zu ihr wäre er nimmermehr zu ihr gegangen, da seine Gefühle längst erloschen seien. Die Damen wollten ihm das nicht recht glauben, und noch heute ist man nicht sicher, was die Wahrheit ist.

Wenn es aber so lag, daß er der Dame geglaubt hatte (was nicht sehr wahrscheinlich ist, weil er gleichermaßen unvergleichlich klug als kühn war), so müßt ihr, wie mir scheint, zugeben, daß Männer, die in tugendhafter Liebe den Damen trauen, gar oft getäuscht werden.«

»Ich muß sagen,« erklarte Emarsuitte, »daß mir der Streich jener Dame gefällt. Wenn ein Mann die, welche ihn liebt, für andere verläßt, ist jede Rache recht.« – »Wenn sie geliebt wird, allerdings,« meinte Parlamente. »Manche Frauen fragen nämlich danach nicht und nennen dann die Männer wankelmütig. Wenn die Frauen klug sind, lassen sie sich nicht täuschen. Denn um nicht in das Netz der Lügner zu geraten, trauen sie nur den Wahrheitliebenden. Zudem spricht Wahrheit und Falschheit dieselbe Sprache.« – »Wenn alle Damen Eure Ansicht teilten, könnten die Edelleute ihre schönen Reden in ihre Kästen sperren,« lachte Simontault. »Wir können aber nicht annehmen, daß die Frauen ebenso ungläubig wie schön sind.« – »Da ich die betreffende Dame kenne, so kann ich ihr den Streich schon zutrauen,« meinte Longarine. »Was sie ihrem Manne nicht ersparte, hat sie sicherlich auch ihrem Freunde nicht erspart.« – »So wißt Ihr mehr davon als ich,« sagte Simontault. »Darum tretet an meine Stelle, um Eure Ansicht zu sagen.«

»Gern, wenn Ihr es wünscht,« hub Longarine an.

Neunundfünfzigste Erzählung


Ein Edelmann wird von seinem Weibe abgefaßt, als er heimlich eines ihrer Ehrenfräulein umfängt.

»Besagte Dame hatte einen reichen hochgeborenen Edelmann aus großer gegenseitiger Zuneigung geheiratet. Da sie außerordentlich Gesellschaften liebte und froh plauderte, so verhehlte sie ihrem Mann nicht, daß sie Anbeter habe, deren sie zwar spotte, die ihr aber Kurzweil schufen. Anfangs wollte ihr Mann an dem Vergnügen teilnehmen. Aber auf die Dauer mißfiel ihm dies Leben. Denn einerseits behagte es ihm nicht, daß sein Weib so viel mit Männern umging, die weder seine Verwandten noch Freunde waren, andrerseits stieß er sich an den Kosten, die ihr Putz und das Leben am Hofe mit sich brachten. So blieb er, soviel er konnte, daheim. Doch die vielen Gäste, die ihn dann besuchten, machten die Ausgaben nicht geringer. Warf er ihr das lachend vor, dann erwiderte sie ihm, er solle sich mit der Gewißheit zufrieden geben, daß er nicht Hahnrei durch sie würde, sondern nur Bettler. Und um recht oft zu Hofe zu kommen, stellte sie alles Denkbare an und war ihm deshalb insonderheit gefällig.

Als ihr nun eines Tages alle List nichts nützte, bemerkte sie, daß er einem ihrer Ehrenfräulein freundlich tat, worauf sie bedachte, dies wohl auszunutzen. Gen Abend nahm sie also selbige beiseite und bedrängte sie mit Versprechungen und Drohungen so wohl, daß jene gestand, daß ihr Herr ihr seit dem Tage nachstelle, da sie im Hause sei; doch wolle sie lieber sterben denn Gott und Ehre verletzen, zumal es doppelt schlecht ihrer Herrin gegenüber wäre, die ihr die Ehre erwiesen habe, sie zur Ehrendame zu machen. Als nun die Dame von der Untreue ihres Mannes erfuhr, ward sie von Zorn und Freude zugleich bewegt. Denn einerseits zürnte sie ihm ob der Schande, die er ihr mit jener antun wollte, die bei ihr und zudem viel häßlicher war als sie selbst. Andrerseits hoffte sie ihn nun in einer Lage abzufassen, die es ihm unmöglich machen würde, ihr fürder Hof und Verehrer vorzuwerfen.

Um ihr Ziel zu erreichen, bat sie das Mädchen, allmählich ihrem Gatten alle Wünsche unter gewissen Bedingungen zu erfüllen. Die junge Dame wollte Schwierigkeiten machen. Da ihre Herrin ihr aber Leben und Ehre zu schützen versprach, so stimmte sie ihr endlich zu.

Als nun der Edelmann ihr wieder zu nahe trat, fand er sie wie ausgewechselt. Und als er sie darob mehr bedrängte denn früher, klagte sie, wie ihre Rolle es verlangte, über ihre Armut: sie würde obendrein ihre jetzige Stellung verlieren, wo sie doch einen Mann zu erwerben hoffe. Sogleich erwiderte er ihr, darum solle sie sich nicht sorgen; denn er würde sie reicher und besser verheiraten, als ihre Herrin es könne, und zudem würde er alles undurchdringlich geheim halten.

Nachdem sie sich hierüber geeinigt hatten und nun einen geeigneten Ort erwogen, schlug sie als besonders geheim ein Häuschen vor, das im Park lag und darin es ein Zimmer mit einer bequemen Lagerstatt gab. Der Edelmann wäre mit allem zufrieden gewesen. Darum stimmte er alsbald zu und harrte sehnlichst des vereinbarten Tages und der festgesetzten Stunde.

Das Mägdelein aber brach sein Versprechen nicht und erzählte alles seiner Herrin, zumal aber, daß der morgige Nachmittag festgesetzt sei und sie nicht verfehlen würde, ihr ein Zeichen zu machen. Alsdann bat sie die Dame, um Gottes willen rechtzeitig dort zu sein, was die Dame ihr zusagte. Tags darauf war der Edelmann ungewöhnlich liebenswürdig zu seinem Weib, und nach dem Essen schlug er vor, man solle Pikett spielen. Alsbald wurde der Spieltisch zurechtgemacht; aber die Frau erklärte, sie wolle nicht mitspielen, sondern lieber zusehen. Bevor jener sich aber zum Spieltisch setzte, erinnerte er das Mägdelein an ihr Versprechen. Kaum spielte er, so schritt dieses durch den Saal und machte dabei der Herrin ein Zeichen, daß es jetzt die Wanderschaft anträte. Die Dame sah es wohl, der Edelmann aber merkte nichts. Als dann aber eine gute Stunde verflossen war und ein Diener ihm winkte, sagte er zu seinem Weib, er habe etwas Kopfweh und müsse sich deshalb in frischer Luft ein wenig erholen. Sie wußte recht wohl, was sein Leiden war, und fragte, ob sie derweile für ihn spielen solle. Und er meinte, ja, denn er käme bald wieder. Damit ging er erst auf sein Zimmer, dann in den Park.

Die Dame aber kannte einen kürzeren Weg, als er ihn nahm, wartete etwas, tat dann, als habe sie Leibschneiden, und gab ihr Spiel ab. Kaum hatte sie den Saal verlassen, so zog sie flugs ihre Stöckelschuhe aus und lief eilenden Schrittes zu dem Häuschen, auf daß der Handel nicht ohne sie zustande käme. Sie gelangte rechtzeitig hin und betrat die Stube, wo ihr Mann eben erst eingetreten war. Hinter ihm verborgen hörte sie seine schönen, ehrenhaften Reden, die er der Ehrendame hielt, und als der kritische Augenblick nahte, packte sie ihn von hinten und rief: »Was braucht Ihr eine andere zu nehmen, wenn ich so nahe bin!«

Der Edelmann barst begreiflicherweise schier vor Wut. Doch ward er inne, daß an allem jenes Mägdelein schuld sei, und ohne seiner Frau zu antworten stürzte er auf jene. Ja, in seiner Wut hätte er sie getötet, wenn sein Weib nicht dazwischengetreten wäre; denn, so rief er, sie sei die schlimmste Dirne, die er je gesehen habe, und wenn sein Weib etwas gewartet hätte, wüßte sie bereits, daß alles nicht ernst gewesen sei: statt sie zu umfangen, hätte er ihr die Rute gegeben, um sie zu züchtigen. Die Frau aber kannte diese Münze und traute ihrem Wert nicht; vielmehr machte sie ihm so strenge Vorwürfe, daß er fürchtete, sie würde ihn verlassen. So gab er klein bei, versprach ihr alles, was sie wollte, und gab zu, daß er nicht recht habe, ihr die Verehrer vorzuwerfen, da sie ja nichts gegen ihre Ehre täte, daß er aber mit seinen Nachstellungen ihr großen Schimpf zugefügt habe.

Das war der Dame gerade recht, denn nun hatte sie ihr Spiel gewonnen. Immerhin stellte sie ihre Liebe zu ihm über alles und versprach ihn weiter zu lieben, sofern er ihre Gefühle erwidere. Das versicherte ihr der Ärmste hoch und heilig, so daß sie in schönster Einigkeit heimkehrten. Auf daß aber alle Mißverständnisse künftig fernblieben, bat er sein Weib, dies Ehrenfräulein zu entlassen. Das tat sie auch, doch gab sie ihm einen ehrenwerten Gatten. Und um alle schlechten Erinnerungen zu zerstreuen; führte sie die junge Dame oft zu Hofe und schmückte sie so reich, daß sie wahrlich zufrieden sein konnte.

Darum also, meine Damen, war ich nicht verwundert, daß selbige Frau auch ihrem Verehrer einen so seltsamen Streich gespielt hat.«

»Die Frau war klug, der Mann aber recht dumm,« meinte Hircan. »Denn maßen er schon so weit war, durfte er nicht halt machen.« – »Das ist leicht gesagt,« erwiderte Emarsuitte. »Aber wie sollte er zwei Frauen bändigen, deren eine ihr Recht, die andere ihre Jungfräulichkeit verteidigte.« – »Ich«, erklärte Hircan, »hätte mein Weib umfaßt und hinausgetragen, und dann an dem Mägdelein in Liebe oder mit Gewalt mein Begehr gestillt.« – »Hircan,« rief Parlamente, »es genügt, daß Ihr in Gedanken Unheil tut.« – »Ich will ja eine Übeltat gar nicht beschönigen,« antwortete Hircan, »aber ich kann ein Unternehmen nicht loben, das mehr aus Furcht vor der Frau denn aus Liebe zu ihr unbeendet blieb. Ich lobe den Mann, der nach Gottes Gebote sein Weib liebt. Tut er das aber nicht, so soll er sie auch nicht fürchten.« – »Nun, ich bin jedenfalls mit dem zufrieden, was ich diesbezüglich von Euch gesehen habe,« sprach Parlamente. »Und was ich nicht weiß, darüber mag ich weder grübeln noch mich erkundigen.« – »Das halte ich auch immer für sehr töricht,« klagte Nomerfide, »denn aus den Erkundigungen entsteht nur Verdruß.« – »Das mag manchmal geschehen,« widersprach Guebron, »aber nur wenn man sich nicht gut und sorglich über die Vergehen seines Weibes erkundigt hat.« – »Wenn Ihr dafür ein Beispiel wißt, so verschweigt es uns bitte nicht,« sagte Longarine.

Und Guebron hub an: »Freilich kenne ich eines, und so ihr wollt, werde ich es berichten.«

Sechzigste Erzählung


Eine Pariserin verläßt ihren Mann, um einem Sänger zu folgen; dann stellt sie sich tot und läßt sich begraben.

»Zu Paris gab es einen Mann, der sich in seiner Gutmütigkeit kein Gewissen daraus gemacht hätte zu glauben, kein anderer habe bei seinem Weibe geschlafen, selbst wenn er es selbst gesehen hätte. Der ärmste ehelichte ein Weib von denkbar schlechtesten Sitten; doch er merkte es nicht und hielt sie der ehrengeachtetsten Frau gleich. Als nun eines Tages der König Ludwig der Siebente nach Paris kam, gab sich die Frau einem Sänger des königlichen Gefolges hin. Da selbige nun inne ward, daß der König die Stadt wieder verlassen wollte und sie also den Sänger fürder nicht mehr sehen würde, beschloß sie, um seinetwillen von ihrem Mann davonzugehen. Der Sänger stimmte zu und führte sie in ein Haus unweit Blois, wo sie lange Zeit zusammen lebten.

Der arme Ehemann suchte allenthalben vergeblich nach seinem Weibe. Zuletzt wurde ihm gesagt, daß es mit dem Sänger davongegangen sei. Er wolle sein schlechtbehütetes verirrtes Schaf wiederhaben und schrieb männiglich Briefe an sie voll Bitten, sie möge doch wiederkehren als sei nichts geschehen. Aber sie erwiderte, sie habe ob des Gesanges ihres derzeitigen Freundes die Stimme ihres Mannes vergessen, entsprach seinen Bitten nicht und machte sich gar darüber lustig.

Darob ergrimmte endlich der Mann, und da sie nicht gutwillig wollte, kündigte er ihr an, er würde das kirchliche Gericht anrufen. Die Frau bekam nun Angst, sie und der Sänger könnten üble Scherereien haben, wenn das Gericht sich einmische. So dachte sie sich eine ihrer würdige List aus, stellte sich krank und rief einige wohlanständige Frauen der Stadt zu sich, um sie zu pflegen. Die kamen auch, in der Hoffnung, diese Krankheit würde die Frau wieder auf sittsame Wege führen, und hielten ihr die erbaulichsten Reden. Sie aber tat, als läge sie auf den Tod, vergoß heuchlerische Tränen, tat als erkenne sie all ihre Sünden an und rührte damit die Herzen jener Frauen, die da vermeinten, sie rede voller Aufrichtigkeit. Aus Bedauern begannen sie also das Weib zu trösten, sprachen von Gottes unendlicher Milde und ließen endlich einen Beichtiger kommen.

Der kam auch tags darauf in Gestalt des Ortsgeistlichen. Die Frau empfing aus seiner Hand die heiligen Sakramente mit so gläubiger Miene, daß alle Gevatterinnen, die dabei waren, Tränen der Rührung ob ihrer Demut vergossen und Gott priesen, der in seiner Güte sich jenes bedauernswerten Geschöpfes erbarmt hatte. Alsbald tat sie, als könne sie nicht mehr essen, ließ sich die letzte Ölung geben und bedeutete durch Zeichen ihre Beglückung: denn den anderen schien es, als könne sie auch nicht mehr sprechen. So verblieb sie lange, schien allmählich Sehkraft, Gehör und alle anderen Sinne zu verlieren, und jeglicher hub nun an, die Sterbegebete zu sprechen. Da dann die Nacht nahte und die Frauen weit zu gehen hatten, zogen sie sich zurück. Und während sie eben das Haus verließen, verkündete man ihnen, sie sei verschieden, und so gingen sie unter Totengebeten heim. Der Sänger teilte alsbald dem Pfarrer mit, sie habe bestimmt, daß sie auf dem Kirchhof beerdigt sein wolle, und daß man sie am besten in der Nacht dorthin schaffe. Also ward sie von einer Magd eingesargt, die sich wohl hütete, ihr wehe zu tun, und dann trug man sie bei Fackelschein zu dem Grabe, das der Sänger hatte schaufeln lassen. Unterwegs kamen alle, die der Ölung beigewohnt hatten, aus ihren Häusern und schlossen sich dem Zuge an, bis sie zum Grabe kamen. Dort verließen sie den Sänger, der schließlich allein zurückblieb. Der ward nicht so bald inne, daß alle fern waren, da schaufelte er flugs mit der Magd das Grab wieder auf, holte die Frau heraus, die nie lebensfrischer gewesen war, führte sie heimlich wieder in sein Haus und hielt sie dort lange Zeit verborgen.

Inzwischen kam der Ehemann nach Blois, um das Gericht anzurufen. Da ward ihm mitgeteilt, sie sei tot und begraben, was ihm alle Frauen von Blois bestätigten, die ihm ihr herrliches Ende schilderten. Darob ward er froh: er glaubte ihre Seele im Paradies, sich selbst aber von ihrem sündigen Leibe befreit, kehrte zufrieden nach Paris zurück und vermählte sich mit einem schönen, ehrengeachteten Weibe, das ihm in den vierzehn oder fünfzehn Jahren ihres Zusammenlebens mehrere Kinder schenkte.

Am Ende aber drang, wie unvermeidlich, das Gerücht zu ihm, sein Weib sei nicht tot, sondern lebe bei jenem üblen Gesellen. Er verschwieg das solange er konnte, tat als wüßte er nichts davon und hoffte, es sei nur erlogen. Als aber auch seine kluge Frau davon erfuhr, ward sie angsterfüllt, so daß sie schier vor Kummer starb. Gern hätte sie ihr Mißgeschick verhehlt, wenn ihr Gewissen das erlaubt hätte. Aber das war unmöglich: alsbald mischte sich die Kirche ein. Die trennte zunächst die zwei, bis die Wahrheit zutage träte. Dann ward der arme Mann gezwungen, die gute Frau zu lassen, um die böse zu suchen, und so kam er nach Blois, bald nachdem Franz der Erste König geworden war, fand dort die Königin Claudia und die Regentin und forderte auf dem Klagewege die Frau, die er gern nicht wieder gefunden hätte. Aber er war gezwungen, und deshalb bedauerten ihn alle.

Als sein Weib ihm gegenübergestellt wurde, behauptete sie erst hartnäckig, er sei nicht ihr Mann, und alles sei nur abgekartet. Er hätte ihr das zwar geglaubt, wenn er nur gekonnt hätte. Mehr betrübt denn beschämt erklärte sie, lieber wolle sie sterben, als zu ihm zurückkehren. Des war er sehr froh. Die Damen aber, zu denen sie so schamlos sprach, verurteilten sie, zurückzukehren, und redeten dem Sänger so ernst ins Gewissen, daß er unter ihren Drohungen seiner unerfreulichen Geliebten sagen mußte, sie solle mit ihrem Mann heimkehren – er wolle sie nie wiedersehen. So kehrte dies elende Weib, von allen verjagt, nach Hause zurück, wo sie noch obendrein von ihrem Mann besser behandelt wurde als sie es verdiente.

Darum sage ich, hätte der Mann besser auf sein Weib achtgegeben, dann hätte er es nicht verloren«

»Es ist doch merkwürdig,« überlegte Hirean, »wie fest die Liebe hält, wo es besonders unvernünftig erscheint.« – »Ich habe sagen hören,« bestätigte Simontault, »daß man eher hundert Ehen sprengen kann denn den Liebesbund eines Priesters mit seiner Magd.» – »Das glaub ich gern,« meinte Emarsuitte, »denn wer den Ehebund schließt, weiß das Liebesband so zu knüpfen, daß nur der Tod es durchhauen kann.« – Dagoucin entgegnete: »Ich kann den Frauen nicht verzeihen, wenn sie ihren Gatten oder Freund für einen Priester verlassen« – »Das ist ihnen sogar eine große Freude,« rief Hircan, »wenn sie mit denen sündigen können, die sie dann absolvieren. Sie sind so furchtsam, daß sie sich mehr schämen zu beichten, als zu sündigen.« – »Ich glaube vielmehr,« widersprach Oisille, »sie suchen den sichern, verborgenen Ort, nicht die Absolution, da sie ja doch nicht bereuen« – »Bereuen?« lachte Saffredant. »Sie halten sich gar für heilig. Sicher gibt es viele, die solche Liebe für eine große Ehre halten.« – »Ihr scheint darüber eine Geschichte zu wissen,« sagte Oisille, »die erzählet uns morgen als erste. Jetzt tönt die Vesperglocke; so lasset uns also unsern Streit für heute beenden.«

Damit erhob sich die Gesellschaft und ging zur Kirche, wo man sie schon erwartete. Dann aß man das Abendbrot und plauderte gemeinsam über manche schöne Geschichte. Nachdem begab sich jeglicher auf die Wiese, um sich dort wie gewöhnlich zu ergehen, und dann gingen alle zur Ruhe, um tags darauf recht frisch zu sein.