Fünfundsechzigste Erzählung


Wie eine einfältige Alte ihre brennende Kerze auf die Stirn eines Soldaten heftet, der auf einem Grabmal der Sankt-Johannes-Kirche schlief, und was daraus entstand.

»In jener Kirche gab es eine sehr dunkle Kapelle, und darin ein gar lebenswahres steinernes Grabmal zum Gedächtnis an hochgestellte Persönlichkeiten. Um das Grabmal hatte man ruhende Gestalten gewaffneter Männer hingelagert dargestellt. Als nun eines Tages ein Soldat in jener Kirche umherging, ward er ob der brennenden Tagesglut schläfrig. Und da er jene dunkle, kühle Kapelle gewahrte, beschloß er, auf dem Grabmal gleich den andern Kriegern zu schlafen, und legte sich zwischen ihnen nieder.

Da traf es sich, daß just eine gute, fromme Alte ankam, als er im tiefsten Schlaf lag. Nachdem diese ihre Gebete gesagt hatte, wollte sie die brennende Kerze, so sie hielt, am Grabmal befestigen, und da ihr jener Soldat am nächsten lag, wandte sie sich zu ihm und preßte das Wachs an seine Stirn. Dort wollte es aber nicht haften, und da die Gute vermeinte, das läge an der Kälte des Steines, erhitzte sie die Stirne mit der Flamme.

Dies vermeintliche Bildnis war jedoch nicht unempfindlich und hub an zu schreien. Darob ward die Alte von jähem Schrecken ergriffen und brüllte: ›Ein Wunder! Ein Wunder!‹ Also daß die Leute in der Kirche in Aufregung gerieten. Die einen liefen zur Glocke und begannen sie zu läuten, die andern kamen, um das Wunder zu bestaunen. Alsbald führte sie die Alte zu dem Bildnis, das sich belebt hatte. Aber etliche begannen zu lachen, und nur mehrere Priester waren unzufrieden. Denn sie hatten vermeint, dies Grabmal würde nun gar wertvoll werden und manchen schönen Batzen einbringen.

So sehet, meine Damen, welchen Heiligen ihr eure Kerzen weiht.«

»Das ist just etwas Rechtes« spottete Hircan, »die Frauen müssen eben alles schlecht machen, was es auch sei. Bedenkt einmal, was die arme Alte Gott für ein schönes Geschenk mit ihrer kleinen Kerze zu machen vermeinte.« – »Gott sieht nicht auf den Wert der Gabe,« entgegnete Oisille, »sondern auf das Herz, das jene darbringt.« – »Ich kann mir aber nicht denken, daß Gott sich an solcher Dummheit ergötzen kann,« meinte Saffredant. Oisille antwortete: »Die, so am wenigsten davon zu reden wissen, haben oft das meiste Gefühl für die Liebe und den Willen Gottes. Darum soll man nur sich selbst richten.« – »Das ist noch nicht so schlimm,« lachte Emarsuitte, »wenn man einen schlafenden Landsknecht erschreckt. Manch einfache Frau hat hohe Fürsten in gewaltige Furcht gejagt, ohne sie gerade an der Stirn in Brand zu setzen.« – »Sicherlich wißt Ihr hierüber eine Geschichte,« sagte Dagoucín. »So nehmt meinen Platz ein und erzählt sie bitte.«

»Die Geschichte ist nicht lang,« hub jene an. »Doch wenn ich den Fall berichte, wie er sich zutrug, so werdet ihr sicher darob keine Tränen vergießen.«

Sechsundsechzigste Erzählung


Erquickliche Geschichte, die dem Königspaar von Navarra widerfuhr.

»In dem Jahr, da der Herzog von Vendôme die Prinzessin von Navarra heiratete, begab sich das Paar mit den königlichen Eltern nach Guyenne. Auf der Reise kamen sie in das Haus eines Edelmannes, daselbst sich viele schöne junge Damen befanden. Mit diesen wurde so viel getanzt, daß das Brautpaar sich am Ende ermattet in sein Gemach zurückzog und bei geschlossenen Türen und Fenstern auf dem Bett einschlief, ohne sich ausgekleidet oder jemanden zur Wache gerufen zu haben.

Aber just als beide im tiefsten Schlafe lagen, hörten sie von außen die Tür öffnen. Der Fürst blickte durch den Bettvorhang, wer das sein könne, da er vermutete, vielleicht wolle ihn einer seiner Freunde überraschen. Da sah er eine alte, hochgewachsene Kammerfrau eintreten, die stracks auf das Bett zuging, ohne die beiden ob der Dunkelheit zu erkennen. Vielmehr hub sie an, sobald sie selbige beieinander ruhen sah, gewaltiglich zu schelten und zu schreien: ›Ei, du böses Ding, du verworfene, gemeine Dirne – Längst schon hab‘ ich das geargwöhnt. Aber bis jetzt konnte ich dir nichts beweisen, darum hatte ich der Herrin nichts gesagt. Jetzt weiß ich, was ich zu tun habe. Und du, schlechter Kerl, du hast Schimpf und Schande über das Haus gebracht. Du hast diese arme Dirn‘ verführt, und wenn nicht ein Gott im Himmel wäre, so würde ich dich totschlagen, so wie du da liegst! Steh‘ auf! Bei allen Teufeln, steh auf! Schämst du dich denn gar nicht?‹ Der Herzog von Vendôme und die Prinzessin wollten diese Reden noch recht lange dauern lassen. Darum bargen sie ihre Gesichter in den Kissen und lachten dabei so laut, daß sie nicht ein Wort sagen konnten. Als nun die Kammerfrau inne ward, daß jene sich trotz ihrer Aufforderung nicht rührten, trat sie näher herzu, um sie beim Arm oder Bein aus dem Bett zu zerren. Aber nun erkannte sie an den Gesichtern oder den Kleidern, daß es nicht die Gesuchten waren, warf sich in der Erkenntnis ihres Irrtums auf die Knie und bat sie flehentlich, ihr zu verzeihen, daß sie durch ihr Versehen ihnen die Ruhe gestört hatte. Der Herzog aber wollte mehr wissen, stand auf und ersuchte die Alte ihm zu sagen, für wen sie das Paar gehalten habe. Dessen weigerte sie sich anfangs. Endlich aber, nachdem er ihr versprochen hatte, nichts weiterzuerzählen, erklärte sie, es sei hier eine junge Dame im Hause, in die der Verwaltungsvorsteher verliebt sei. Längst schon laure sie den beiden auf, da sie unwillig sei, daß ihre Herrin einem Mann vertraue, der das Haus entehre.

Dann ging sie hinaus und schloß die Tür, so wie es vorher gewesen war. Das fürstliche Paar aber lachte noch lange Zeit über diesen Fall, und nie, wenn sie die Geschichte erzählten, wollten sie die Namen der Personen nennen.

So ging es der Alten, die Gerechtigkeit üben wollte und am Ende fremden Fürstlichkeiten etwas enthüllte, wovon niemand im Hause eine Ahnung hatte.«

»Ich glaube zu wissen, um wen es sich handelt,« meinte Parlamente. »Der Vorsteher gehörte gar mancher Verwaltung an; und wenn er der Herrin Gunst nicht erlangen konnte, ließ er es sich an den jungen Damen wohl sein. immerhin war er ein anständiger Mensch. »Warum sagt Ihr ›immerhin‹?« fragte Hircan. »Ob solcher Handlungsweise hat er sich doch sicherlich gerade hochgeschätzt.« – »Ich sehe, Ihr kennt die Krankheit und den Kranken,« entgegnete jene. »Wenn er Verteidigung braucht, fehlt es ihm also nicht an Advokaten. Ich würde mich aber keinem anvertrauen, der seine Sachen so schlecht führt, daß die Kammerfrauen Wind bekommen.« – »Als ob sich die Männer daran stören, daß jemand ihre Streiche merkte lachte Nomerfide.« Hircan aber erwiderte zornig: »Das sagt noch keineswegs, daß sie alles ausplaudern, was sie wissen.« Darob errötete jene und sprach: »Vielleicht tun sie es nicht, wenn es sie herunter setzt.« Simontault aber meinte: »Wenn man uns reden hört, könnte man meinen, wir Männer hätten Freude daran, die Frauen schlecht zu machen. Darum will ich nun just etwas recht Gutes von ihnen erzählen, damit ich nicht gleich den andern für ein Lästermaul gelte.« – »So tretet an meine Stelle,« sprach Emarsuitte, »überwindet Eure Natur und erfüllet uns zu Ehren Eure Pflichten.« Alsbald hub Simontault also an:

»Tugendsame Geschichten über euch, meine Damen, sind an sich nichts Neues. Hört man aber einmal eine, so sollte man sie doch nicht verbergen, sondern mit goldenen Lettern niederschreiben, um den Frauen ein Beispiel, den Männern Gelegenheit zur Bewunderung dafür zu geben, wie das schwache Geschlecht seine Schwäche überwinden kann. Dieserthalben will ich nun eine Geschichte berichten, die ich vom Hauptmann Roberval und seinen Gefährten hörte.«

Siebenundsechzigste Erzählung


Von der grenzenlosen und doch sittenstrengen Liebe einer Frau in fremden Landen.

»Roberval machte einst als vom König ernannter Schiffshauptmann eine Seefahrt nach Kanada. Dort sollte er, falls das Klima es erlaubte, längere Zeit bleiben und Städte und Schlösser erbauen lassen, was er bekanntlich trefflich in die Wege leitete. Um das Christentum dort zu verbreiten, nahm er allerlei Handwerker mit, darunter einen, der in seiner Elendigkeit seinen Herrn verriet und fast den Eingeborenen auslieferte.

Gott aber fügte, daß sein Verbrechen an den Tag kam und der Hauptmann vor Schaden bewahrt wurde. Der ließ den Verräter ergreifen, um ihn nach Verdienst strafen zu lassen. Das wäre schnell geschehen, wenn nicht sein Weib dagewesen wäre, das ihm, den Gefahren der Seefahrt zum Trotz, gefolgt war und ihn auch im Tode nicht verlassen wollte. Mit heißen Tranen bat sie den Hauptmann und seine Gefährten, aus Mitleid und zum Lohn für ihre Dienste ihr einen Wunsch zu erfüllen und ihren Mann mit ihr auf einer kleinen Insel auszusetzen, wo nur wilde Tiere hausten. Der gestand ihr das zu und gab ihnen das Nötigste dabei mit.

Als die Ärmsten sich nun dort mit den wilden Tieren allein befanden, hatten sie keine andere Zuflucht als Gott allein, auf den die Frau all‘ ihre Hoffnung setzte. Unaufhörlich las sie das Neue Testament und im übrigen erbaute sie mit ihrem Mann ein notdürftiges Häuschen. Vor den Löwen und sonstigen Tieren, die ihnen nahten, um sie zu fressen, verteidigten sie sich, er mit der Armbrust, sie mit Steinen, und oft erlangten sie derart sogar gutes Wildbret. Auf die Dauer aber konnte der Mann dies Leben nicht ertragen; ob der Kräuter, die er zumeist aß, und des Wassers schwoll er auf und starb am Ende bald darauf. Sein Weib war sein einziger Trost, sein Arzt und sein Beichtiger. So entschwebte er froh in die seligen Gefilde.

Die Ärmste, die nun allein blieb, begrub ihn, so tief sie konnte. Zwar witterten die Bestien doch seinen Leichnam und nahten sich, aber sie bewahrte die Gebeine ihres Mannes vor ihnen, indem sie aus der Hütte auf sie mit der Armbrust schoß. So lebte sie, äußerlich wie ein Tier, innerlich wie ein Engel, und verbrachte ihre Zeit unter Gebet und frommer Betrachtung, so daß zwar ihr Leib abmagerte und schier abstarb, ihr Geist aber froh und zufrieden blieb.

Da fügte es Gott in seiner Barmherzigkeit, damit ihr Ruhm bekannt würde, daß nach einiger Zeit ein Schiff jener Flotte an der Insel vorbeikam. Die Bemannung erblickte das Weib, dessen sich einige noch erinnerten, und so beschlossen sie nachzuschauen, was dort geworden war. Als die Ärmste das Schiff nahen sah, ging sie bis zum Meeresstrande entgegen, empfing jene, pries Gott und führte sie zu der jämmerlichen Hütte, wo sie ihnen zeigte, wie und wovon sie gelebt hatte. Also wurden die Leute inne, daß sich hier schier Unmögliches begeben hatte und Gott sehr wohl seine Diener auch in der Wüste speisen könne wie beim herrlichsten Gelage.

Als sie dann daheim im Lande die Treue und Ausdauer dieser Frau bekanntmachten, ward sie von den edlen Damen in hohen Ehren aufgenommen. Die vertrauten ihr den Unterricht in Lesen und Schreiben bei ihren Töchtern an, und so gewann sie ehrsam ein reichliches Einkommen. Doch hatte sie nur den Wunsch, jeglichen zur Liebe und zum Vertrauen zu Gott anzuhalten, und erwies, wie er in ihrem Falle so große Barmherzigkeit bewiesen hatte.

Nun könnt ihr nicht mehr sagen, meine Damen, daß ich die Tugend nicht preise, die Gott euch gab und die in solch unscheinbarem Wesen doppelt prangt.«

»Wirklich« meinte Oisille, »alle Tugend kommt von unserm Herrn und Heiland. Doch müssen wir der Gerechtigkeit die Ehre geben und gestehen, daß gleich den Frauen auch die Männer zu solch gottgefälligem Tun geschaffen sind.« – »Wie dem auch sei,« rief Longarine, »jene Frau war sehr zu preisen, auch ob der Liebe zu ihrem Manne, für den sie all das auf sich nahm.« – »Ich glaube, jede Frau hier hätte gleichermaßen gehandelt,« entgegnete Emarsuitte. – »Mir scheint,« spottete Parlamente, »manche Ehemänner sind so arge Tiere, daß es nach einem Leben mit ihnen nicht so seltsam ist, unter jenen zu leben.«

Emarsuitte bezog das auf sich und erwiderte: »Wenn die Tiere nicht beißen, so sind sie unterhaltsamer als zornige und unerträgliche Männer. Ich meinesteils würde aber, wie ich sagte, meinen Mann vor solcher Gefahr auch im Tode nicht verlassen.« – »Hütet Euch,« rief Nomerfide, »auf daß solche Liebe nicht Euch und ihn betöre. Überall gibt es einen Mittelweg; wer den nicht kennt, verwandelt oft Liebe in Haß.« – »Das sagt Ihr, scheint mir, weil Ihr ein Beispiel dafür wißt,« sprach Simontault. »Wenn dem so ist, nehmt bitte meine Stelle an.«

»Nun denn,« hub jene an, »so will ich auch meiner Gewohnheit nach ein kurzes aber fröhliches Stücklein berichten.«

Achtundsechzigste Erzählung


Eine Frau gibt ihrem Manne spanische Fliegen, um ein Liebeszeichen von ihm zu erhalten, und bringt ihn darob schier um.

»Zu Pau in Béarn lebte Meister Stephan, ein Apotheker, der mit einer wohlanständigen Frau verheiratet war. Die stand dem Haushalte wohl vor und war schön genug, um ihn zufriedenzustellen. Aber gleichwie er die verschiedenen Heilmittel ausprobte, so wollte er auch oft verschiedene Frauen kosten, um alle Abarten kennen zu lernen. Das quälte sein Weib und lockerte ihre Geduld. Denn er kümmerte sich um sie nur in der heiligen Bußzeit.

Als nun eines Tages der Mann in der Apotheke saß, lauschte sein Weib hinter der Tür, um zu hören was er spräche. Da kam eine Frau herein, eine Gevatterin des Apothekers, die unter dem gleichen Mangel litt wie dessen Weib. So stöhnte sie ihm vor: »Ach wehe, Gevatter, bester Freund, ich bin kreuzunglücklich. Ich liebe meinen Mann so von Herzen und bin nur um ihn besorgt. Aber was hilft’s – er ist hinter jeder andern her, und wäre es auch die schmutzigste, gemeinste, häßlichste Vettel der ganzen Stadt! Wißt Ihr denn kein Mittel um ihn umzustimmen? Gebt mir so etwas. Wenn ich von ihm charmiert werde, sollt Ihr alles haben, was ich nur geben kann.«

Der Apotheker sagte, er kenne ein Pulver, das sie ihrem Manne mit Brühe oder Braten geben solle, dann würde er sie gewißlich mit Liebe umschmeicheln. Die ärmste fragte ihn, was das für ein Wundermittel sei und ob er ihr etwas geben könne. Darauf erwiderte jener, es sei nichts Besonderes nur zerstoßene spanische Fliegen, davon er einen großen Vorrat habe; und bevor sie fortging gab er ihr, soviel sie brauchte. Die Frau war ihm dafür sehr dankbar; denn ihr Mann war stark und kräftig, und da sie ihm nicht zuviel davon gab, bekam es ihm nicht schlecht, sie aber fühlte sich sehr wohl dabei.

Das Weib des Apothekers hatte alles dies vernommen und vermeinte, ihr sei dies Mittel nicht minder nötig. So paßte sie auf, wo ihr Mann das Pulver hintat, auf daß sie es bei Gelegenheit verwenden könne. Als sich nun ihr Mann eines Tages den Leib etwas verkühlt hatte, bat er sie, eine warme Suppe zu machen. Sie riet ihm aber, Gebratenes mit einem Abführmittel zu nehmen, und das war ihm recht. Deshalb hieß er sie, solches herzurichteten und Zimmt und Zucker aus der Apotheke zu holen. Also tat sie, nahm aber von jenem Pulver, das er der Gevatterin gegeben hatte, und achtete dabei weder auf Maß noch Gewicht. Der Mann aß also das Gebratene mit viel Vergnügen. Bald merkte er die Wirkung und versuchte sie mit Hilfe seines Weibes zu beheben. Aber vergebens: das Feuer in ihm lohte so stark, daß er sich vor Schmerzen wand, seine Frau beschuldigte, sie habe ihn vergiftet, und sie fragte, was sie in das Gebratene getan habe.

Nun gestand sie die Wahrheit, und wie sie gleich jener Gevatterin dieses Mittels bedürftig sei. Der Ärmste konnte sie vor Schmerzen nur mit Schimpfreden überschütten. Doch jagte er sie hinaus zu dem Apotheker der Königin von Navarra, um ihn herbeizurufen. Der gab ihm beruhigende Mittel, nach denen er in einiger Zeit wieder wohl wurde. Doch machte er ihm lebhafte Vorwürfe, daß er anderen Leuten Pulver gäbe, die er selbst nicht nehmen wolle; sein Weib habe nur ihre Pflicht getan, da sie den berechtigten Wunsch hatte, von ihm geliebt zu werden. So ward der Ärmste auch von seiner Torheit geheilt und sah ein, daß Gott ihn zu Recht bestraft habe, da er allen Spott, den er andern aufhalsen wollte, auf ihn selbst geladen hatte.

Mir scheint nun, daß die Liebe jener Frau weniger zudringlich als groß war.«

»Nennt Ihr das Liebe,« – fragte Hircan, »wenn man dem Mann Qualen bereitet, um erhoffte Freuden zu erlangen?« – »Um ihres Mannes Liebe zurückzuerobern, soll die Frau nichts unversucht lassen,« meinte Longarine. – »Deshalb darf sie noch lange nicht etwas zu essen oder zu trinken geben, sofern sie der Wirkung nicht sicher ist,« entgegnete Guebron. »Man muß aber ihre Unwissenheit entschuldigen. Und zudem war sie von Liebe verblendet.« – »Es gibt aber auch Frauen, die Liebe und Eifersucht geduldig ertragen,« widersprach Oisille. – »Jawohl, und gar gefällig,« sagte Hircan. »Die Klügsten sind jene, die solche Zeitvertreibe ihrer Männer belachen und verspotten, gerade wie die Männer am besten tun, ihre Frauen heimlich zu betrügen. Wenn ihr mir das Wort erteilen wolltet, bevor Frau Oisille die heutigen Erzählungen beschließt, so will ich euch einen solchen Fall erzählen; das Ehepaar ist allen hier bekannt.« – »So beginnt,« rief Nomerfide. Und Hircan hub lachend also an:

Neunundsechzigste Erzählung


Ein Italiener läßt sich von der Zofe nasführen, also daß die Frau ihren Mann statt der Magd beim Mehlbeuteln findet.

Im Schloß Doz in Bigorra lebte ein königlicher Stallmeister, Karl mit Namen – ein Italiener, der mit einer wohlhabenden, ehrengeachteten Frau verheiratet war. Nachdem selbige ihm aber mehrere Kinder geschenkt hatte, war sie stark gealtert. Und da auch er nicht mehr zu den Jüngsten rechnete, lebten beide in Frieden und Freundschaft. Allerdings koste er bisweilen mit den Mägden, aber sein Weib tat, als merke sie nichts, und wenn dann eine zu vertraulich wurde, entließ sie dieselbe einfach in aller Stille.

So nahm sie eines Tages wieder einmal eine neue an, ein gutes, kluges Mägdelein; dem setzte sie gleich die Launen und Gelüste des Hausherrn auseinander und kündigte ihm an: wenn es zu Ungehörigkeiten käme, flöge es hinaus. Die Magd wollte gern in Ehren im Dienst bleiben und beschloß daher wohlanständig zu bleiben. Und ob nun auch der Herr ihr manch verführerischen Antrag machte, so ging sie darauf nicht ein, erzählte vielmehr alles ihrer Herrin, und beide vergnügten sich dann im Gedanken an seine Torheit.

Einst nun war die Magd im Hinterzimmer, hatte ihre Kappe auf (die nach Landessitte einer Taufkappe glich, nur daß sie Schultern und Körper von hinten bedeckte) und beutelte Mehl. Da kam der Hausherr an und bedrängte sie alsbald gewaltig. Sie wäre ums Leben nicht darauf eingegangen, stellte sich aber willfährig und bat nur, erst nachschauen zu dürfen, ob die Herrin wohl beschäftigt sei, damit die beiden dann nicht überrascht würden. Und da er dem zustimmte, bat sie ihn, derweile die Kappe aufzusetzen und weiter zu beuteln, auf daß die Herrin allezeit das Geräusch des Beutelns höre. Auch das tat er in der fröhlichen Hoffnung, alsbald seinen Wunsch erfüllt zu bekommen.

Die Magd aber, die keineswegs trüber Laune war, lief flugs zu ihrer Herrin und rief: »Kommt und seht den guten Herrn an, dem ich das Mehlbeuteln beigebracht habe, um ihn los zu sein.« Die Frau sputete sich gewaltig, um die neue »Magd« zu sehen und als sie nun ihren Gatten mit der Kappe und dem Mehlbeutel erblickte, hub sie mordsmäßig an zu lachen, klatschte in die Hände und konnte nur rufen: »Schmutzfink, wieviel Monatslohn willst du für deine Arbeit?!«

Als der Mann ihre Stimme erkannte und inne ward, daß man ihn angeführt hatte, warf er das ganze Zeug zur Erde, stürzte sich auf die Magd und hätte ihr sicherlich den Spaß schlimm heimgezahlt, wenn die Frau sich nicht dazwischengeworfen hätte. Am Ende jedoch söhnte sich alle drei aus und lebten fortan ohne Hader und Streit.

Was denkt ihr nun von dieser Frau? War es nicht sehr klug von ihr, sich mit der Kurzweil ihres Mannes die Zeit zu vertreiben?«

»Solch ein Fehlschlag war doch für den Mann keine Kurzweil,« entgegnete Saffredant. – »Immerhin tat er vernünftiger, mit seinem Weib zu lachen,« meinte Emarsuitte, »statt sich in seinem Alter mit Mägden aufzureiben.« – »Mir wäre es recht peinlich mit solcher Kappe abgefaßt zu werden,« lachte Simontault. Parlamente erwiderte flugs: »Ich habe mir sagen lassen, daß es nur an Eurer Frau lag, wenn sie Euch nicht in ähnlichen Lagen betraf!« – »Schaut in Eurem Hause nach,« entrüstete sich jener, »mein Weib hatte keinen Grund zu klagen, und wäre ich selbst derart gewesen, wie Ihr sagt, so kümmert sie sich doch nur um das, was ihr nahe geht.« – »Den ehrenwerten Frauen geht nur die Liebe zum Gatten nahe, die allein sie befriedigen kann,« antwortete Longarine. Wenn sie in diesem Rahmen keine Befriedigung findet, muß sie gar mit unersättlicher Fleischeslust erfüllt sein.« – »Wahrlich, da erinnert Ihr mich an eine schöne wohlvermählte Frau,« erklärte Oisille, »die in Ermangelung solch ehrenwerter Gefühle sich unter das gemeinste Tier erniedrigte und zudem grausamer wurde denn ein reißender Löwe.« – »Bitte erzählet uns das, um den Tag zu beenden,« bat Simontault. – »Das kann ich aus zwei Gründen nicht,« entgegnete jene, »denn erstens ist die Geschichte sehr lang und außerdem wurde sie schon von einem glaubwürdigen Verfasser niedergeschrieben. Wir aber wollten nichts berichten, das schon veröffentlicht worden ist.« – »Das ist wahr,« sagte Parlamente. »Aber da ich wohl errate, welche Geschichte Ihr meint, so muß ich erwidern, daß selbige in so altertümlicher Sprache abgefaßt ist, daß außer uns beiden wohl niemand sonst hier sie kennt. Drum kann sie wohl als neu gelten.«

Und alsbald begann die ganze Gesellschaft Oisille zu bitten, sie möge doch, ungeachtet der Länge, den Fall erzählen, maßen sie noch eine gute Stunde vor sich hätten. Darob hub endlich jene also an:

Einundsechzigste Erzählung


Mit welch erstaunlicher Hartnäckigkeit eine Burgunderin einen Kanonikus zu Autun mit ihrer frechen Liebe verfolgte.

»Unweit Autun lebte eine bildschöne Frau. Sie war groß, hatte lichte Haut und war unvergleichlich wohlgestaltet. Ihr ehrenwerter Mann schien gar jünger als sie selbst, worob sie nur zufrieden sein konnte. Bald nach der Vermählung kamen beide für eine Angelegenheit nach Autun. Und derweile nun der Ehemann seinen Sachen nachging, betete sie in der Kirche für sein Heil. Maßen sie diese heilige Stätte so oft besuchte, verliebte sich ein reicher Kanonikus in sie und setzte ihr derart zu, daß ihm die Ärmste zu Willen war. Ihr Mann aber schöpfte keinen Argwohn und sorgte mehr für sein Gut denn für sein Weib.

Als nun die Abreise nahte und sie zu dem Hause, das sieben Meilen von der Stadt entfernt lag, zurückkehren sollten, ward die Frau recht betrübt. Doch versprach ihr der Kanonikus, sie oft zu besuchen. Das tat er denn auch, indem er Reisen vorschützte, die ihn an jenem Hause vorbeiführten, wo er dann allemal abstieg. Der Ehemann war nicht so dumm und merkte die Sache. Daher richtete er es künftig so ein, daß die Frau stets wohl verborgen war, wenn der Kanonikus ankam. Aber ihr behagte des Mannes Eifersucht keineswegs, also daß sie wohl bedachte, wie sie dem abhelfen könne. Denn sie vermeinte in der Hölle zu sein, wenn sie ihren Gott nicht erblickte.

Eines Tages also, da ihr Mann außer dem Hause war, gab sie allen Dienstleuten verschiedenerlei Aufträge, so daß sie allein blieb. Flugs packte sie dann alles Notwendige zusammen, ging – einzig begleitet von ihrer Liebestollheit – zu Fuß davon und kam noch rechtzeitig genug in Autun an, um von ihrem Kanonikus erkannt zu werden. Der barg sie, wohl abgesperrt, länger denn ein Jahr, trotz der Drohungen und Flüche, die der Ehemann ihm zuteil werden ließ. Da dieser nun weiter keinen Ausweg fand, klagte er beim Bischof, dessen Erzdechant einer der ehrenwertesten Männer Frankreichs war: also daß er alle Wohnungen der Laienpriester aufs sorgfältigste untersuchte, bis er die Vermißte fand. Die warf er in den Kerker, derweile er dem Kanonikus eine schwere Buße auferlegte.

Der Ehemann war sehr froh, als er vernahm, daß sein Weib von dem Erzdechanten und seinen wackeren Leuten wiedergefunden sei. Und da sie ihm zuschwor, in alle Zukunft voller Sittsamkeit mit ihm zu leben, so nahm er sie wieder zu sich. Er glaubte ihrem Eid, behandelte sie zuvorkommend wie bisher und gab ihr nur zwei alte Kammerfrauen zur Gesellschaft, die sie nie allein lassen durften.

Aber trotz all seiner Liebe erschien ihr ob ihrer Neigung zu dem Kanonikus diese Ruhe wie die schlimmste Qual. Obgleich sie selbst so schön und ihr Mann voll Gesundheit, Lebenskraft und Leistungsfähigkeit war, so hatte sie doch keine Kinder von ihm; denn ihr Herz weilte immer sieben Meilen fern von ihrem Körper. Aber sie barg das so wohl in ihrer Seele, daß ihr Mann vermeinte, sie habe gleich ihm alles Vergangene vergessen. Das stimmte nun keineswegs.

Sobald sie sicher war, daß ihr Mann sie mehr liebte denn je und immer weniger beargwöhnte, stellte sie sich krank; und sie spielte diese Rolle so gut, daß ihr Mann voll tiefen Schmerzes ward und ihr in jeder Weise zur Seite stand. Bald aber schien es ihm und den andern, daß es mit ihr zu Ende ginge und ihre Kräfte schwanden. Und da sie nun inne ward, daß ihr Mann just so laut klagte, als er sich eigentlich hatte freuen sollen, bat sie ihn, ihren letzten Willen abfassen zu dürfen. Das gestand er ihr unter Tränen zu. Und alsbald vermachte sie alles ihm, da sie ja keine Kinder hatte, und bat ihn zugleich ob ihrer Fehler um Vergebung. Sodann ließ sie den Pfarrer kommen, beichtete, nahm das heilige Abendmahl und zeigte sich so demütig, daß alle ob ihres glorreichen Endes weinten. Als dann der Abend kam, bat sie ihren Mann, ihr die letzte Ölung geben zu lassen, da sie so schwach sei, daß sie fürchte, es könne sonst zu spät werden. Das geschah alles flugs, und jeder mußte sie ob ihrer frommen Ergebenheit preisen.

Alsdann erklärte sie, nun sei sie ruhig und zufrieden und wolle ein wenig ruhen; das gleiche solle ihr Mann tun, der dessen nach so viel Wachen und Tränen bedürfe. Also tat er und schlief bald ein, gleichermaßen auch die Dienerschaft. Und die beiden Alten, die sie während ihrer Gesundheit so bewacht hatten, vermeinten sie höchstens durch den Tod verlieren zu können, und legten sich ebenfalls nieder.

Da sie nun auch diese schnarchen hörte, erhob sie sich im Hemd, schlüpfte aus dem Zimmer und lauschte, ob niemand im Hause sich rühre. Sowie sie dann ihrer Sache sicher war, entwich sie durch eine Gartenpforte, die nicht verschlossen war, und lief die ganze Nacht hindurch, im Hemd und barfüßig, auf Autun zu, um ihren Heiligen zu finden, der sie vor dem Tod bewahrt hatte. Maßen aber der Weg recht weit war, ward sie vom Tag überrasch. Alsbald schaute sie den Weg zurück und gewahrte zwei Reiter, die eilig dahersprengten. Sie war sicher, daß jenes ihr Mann sei, der sie suche, verkroch sich bis zum Hals in einem Sumpf und verbarg ihren Kopf zwischen Wurzeln. So ritt ihr Mann vorbei, und sie hörte, wie er zu seinem Knecht sagte: ›Wehe, was für ein arges Weib! Wer konnte denken, daß sie unter dem Mantel heiliger Sakramente solche Verworfenheit verhüllen würde.‹ Und der Knecht erwiderte: ›Da Judas, als er das Abendmahl nahm, sich nicht scheute, seinen Herrn zu verraten, wie kann Euch da der Verrat einer Frau erstaunen?‹ So zogen sie weiter, und die Frau blieb fröhlicher zwischen Sumpf und Wurzeln, da sie ihn damit hinterging, als sie daheim ergeben in einem guten Bett gelegen hätte.

Der Ehemann durchsuchte vergebens ganz Autun, und war schließlich sicher, daß sie sich dort nicht befand. So kehrte er den gleichen Weg wieder zurück und klagte unaufhörlich über diesen großen Verlust; im übrigen aber drohte er ihr, im Fall er sie wiederfände, mit dem Tod. Darob aber sorgte sie sich so wenig wie um die Kälte, die ob des Wetters und ihres Versteckes ihren Körper plagte. Wer da weiß, wie das höllische Feuer alle wärmt, die davon durchglüht werden, vermag zu schätzen, wie wundersam die Ärmste, die geradeswegs aus einem warmen Bett kam, einen ganzen Tag in solcher Kälte verbringen konnte. Jedenfalls verlor sie den Mut nicht, weiterzupilgern. Kaum brach die Dunkelheit herein, so machte sie sich flugs wieder auf den Weg und kam just nach Autun, als man das Tor schließen wollte. Alsbald ging sie eiligst zu dem Haus ihres Heiligen, der schier seinen Augen nicht trauen wollte. Da er aber genau zusah und fand, daß sie aus Fleisch und Knochen bestand und kein Geist war, ward er hoch beglückt. Und in schönster Eintracht verbrachten sie nun vierzehn oder fünfzehn Jahre zusammen.

Eine gute Weile hielt sie sich wohl verborgen. Mit der Zeit aber verlor sie alle Furcht, ja schlimmer noch, sie rechnete sich ihren Freund zum Ruhm an und stellte sich daher in der Kirche über die meisten ehrengeachteten Frauen der Stadt, auch die von Beamten und anderen. Zudem hatte sie von dem Kanonikus mehrere Kinder, unter anderen ein Mägdelein, das einen reichen Kaufmann heiratete. Bei der Hochzeit trat sie so prunkhaft auf, daß alle Damen sich darob entrüsteten. Aber sie konnten nichts dagegen tun.

Da begab es sich, daß einst die Königin Claudia, die Gemahlin des hochseligen Königs Franz, durch Autun kam. In ihrer Begleitung befand sich die Frau Regentin und deren Tochter, die Herzogin von Alençon. Zu dieser kam eine Kammerfrau namens Perrette und sagte: ›Hohe Frau, höret mich bitte an, so werdet Ihr ein gutes Werk tun, und schier ein besseres, als wenn Ihr täglich die Messe besucht.‹ Und die Herzogin schenkte ihr Gehör, maßen sie wußte, daß sie stets gute Ratschlage erteilte.

Alsbald erzahlte ihr Perrette, sie habe sich als Hilfe bei der Wäsche ein Mägdelein bei der Stadt angenommen, und als sie dieses über Neuigkeiten ausfragte, habe die Kleine berichtet, daß alle wohlanständigen Frauen der Stadt empört seien, weil das Weib jenes Kanonikus sich derart überhöbe. Und dann habe sie die Lebensgeschichte dieser Frau geschildert. Flugs begab sich die Herzogin zur Königin und Regentin und erzählte ihnen den Fall.

Die ließen kurz und bündig die unselige Frau kommen. Aber selbige verbarg sich keineswegs, zeigte sich auch nicht beschämt oder verlegen, sondern stellte sich kecklich den Damen vor, also daß selbige vor ihrer Frechheit gar betreten wurden und anfangs nichts zu sagen wußten. Dann aber hub die Frau Regentin an, ihr Vorhaltungen zu machen, die jede vernünftige Frau zu Tränen gebracht hätte. Nicht so jene; vielmehr sprach sie voll kühnen Selbstvertrauens: ›Ich bitte Euch, erlauchte Damen, rühret nicht an meiner Ehre! Ich habe gottlob mit dem Herrn Kanonikus so wohl und sittsam gelebt, daß mich niemand darob tadeln kann. Man soll nur nicht glauben, daß ich gegen Gottes Gebot lebe, denn seit dreien Jahren hat er mich nicht mehr berührt und wir leben keusch und voller Liebe mitsammen gleich zweien Engelein, ohne Zank oder Streit, und wer uns trennte, beginge eine große Sünde, maßen der Gute nunmehro schier neunzig Jahre alt ist und ohne mich – die fündundvierzig ist – nicht leben könnte!‹ Ihr könnt Euch denken, wie den Damen darob zumute wurde und was sie ihr für Vorwürfe machten. Da sie aber ihre Verranntheit sahen, die trotz ihres Alters und der ehrenvollen Zusprache nicht zu beheben war, so ließen sie, schon um sie zu demütigen, den Erzdechanten rufen, der sie zu einem Jahr Kerker bei Wasser und Brot verurteilte. Sodann wurde der Ehemann zu den Damen berufen, der ob ihrer Ermahnungen damit zufrieden war, sie nach Ablauf ihrer Strafe zu sich zu nehmen. – Als nun der Kanonikus inne ward, daß jene im Kerker saß, entschloß er sich, sie nie wieder zu sich zu nehmen, und dankte vielmehr den Damen, daß sie ihm jenen Teufel von den Schultern gejagt hatten.

Die Frau aber zeigte solche Reue, daß ihr Mann schließlich gar nicht das Jahr abwartete, sondern sie schon nach vierzehn Tagen vom Erzdechanten freibat. Und fortan lebten sie in Frieden und Eintracht miteinander.

So erkennet, wie des heiligen Petrus Fesseln sich durch schlechte Priester in des Satans Ketten verwandeln – also daß gar die heiligen Sakramente noch mithelfen, statt die Teufel zu verjagen. Denn mit den besten Dingen richtet man just das schlimmste Unheil an, wenn man sie mißbraucht«

»Wahrlich, das war ein unseliges Weib.« rief Oisille. »Doch ward ihr auch eine gerechte Strafe zuteil, da sie vor Richterinnen, wie jene Damen es waren, trat.« – »Mir scheint,« erklärte Parlamente, »daß das Gefängnis und die Unmöglichkeit, fürder den Kanonikus zu sehen, für sie ärgere Strafen waren als die Vorwürfe der beiden Damen.« – »Ihr vergesset das Wichtigste,« meinte Simontault, »darum sie zu ihrem Manne zurückkehrte: der Kanonikus war nämlich inzwischen neunzig Jahre alt geworden, ihr Mann aber jünger als sie. So gewann die Gute nach jeder Seite hin. Wäre der Kanonikus noch jung gewesen, dann hätte sie ihn nicht so fahren lassen.« – »Mir scheint sogar, sie tat recht klug, ihre Sünden nicht zuzugeben,« sagte Nomerfide. »Seine Vergehen soll man Gott allein gestehen und sie vor den Menschen mit aller Kraft ableugnen.« – Aber Longarine widersprach: »Eine Sünde läßt sich nur schwer so verhehlen, daß sie nicht ans Licht kommt.« – »Was sagt ihr aber von jenen Frauen, die alsbald jede Torheit, die sie begehen, ausplaudern?« fragte Hirean. – »Das schiene mir seltsam,« entgegnete jene. »Es bewiese nur, daß ihr Vergehen ihnen nicht mißfällt. Was aber Gott nicht selbst gnädig verhüllt, läßt sich auf die Dauer vor den Menschen nicht verleugnen. Gar manche machen sich eine Freude daraus, mit ihren Lastern zu prunken, andere aber klagen sich selbst an, indem sie sich verschnappen« – »Das hieße, sich recht ungeschickt selbst fangen,« meinte Sassredant. »Wißt Ihr aber eine diesbezügliche Geschichte, so erzählt sie bitte, und ich werde Euch mein Wort geben.«

»So höret denn,« hub jene an.

Zweiundsechzigste Erzählung


Eine Dame erzählt in dritter Person ein eigenes Liebeserlebnis und verschnappt sich zuletzt.

»Zu Zeiten des Königs Franz‘ des Ersten lebte eine Dame königlicher Abstammung, die mit Ehren, Tugend und Schönheit geziert war. Zudem wußte sie gar anmutig Geschichten zu erzählen und herzlich über die Berichte anderer zu lachen. Wenn sie irgendwo war, besuchten sie alle Vasallen und Nachbarn, weil sie außerordentlich beliebt war. So kam unter anderm einmal eine Dame zu ihr, die den andern zuhörte, während jeder erzählte, was ihm just einfiel. Ihr schien, sie dürfe nicht zurückbleiben, und so sagte sie schließlich: ›Edle Frau, ich habe auch eine hübsche Geschichte zu erzählen, wenn Ihr versprecht, sie nicht weiter zu sagen.‹ Und alsbald fuhr sie fort:

›Die betreffende Geschichte ist nämlich völlig wahr, das kann ich auf mein Gewissen nehmen. Also da war eine verheiratete Dame, die mit ihrem Mann sehr ehrsam lebte, obgleich er alt und sie jung war. Da nun ein Edelmann aus der Nachbarschaft bedachte, daß sie mit solchem Greise verehelicht sei, verliebte er sich in sie und setzte ihr gar manches Jahr zu. Doch erhielt er keine andere Antwort, als wie sie einer sittsamen Frau geziemte. Eines Tages aber vermeinte der Edelmann, sie würde vielleicht nicht so hart bleiben, wenn er sie unter gelegneren Umständen fände. Und nachdem er lange gegen die Furcht vor der Gefahr gekämpft hatte, siegte seine Liebe zu ihr, und so spähte er alsbald nach einer passenden Gelegenheit.

Als nun eines Tages der Ehemann jener Dame nach einem seiner Güter reiste und ob der Hitze sehr frühzeitig ausbrach, schlich sich der junge Tor in jenes Haus, wo die Frau noch schlafend im Bett lag und überzeugte sich, daß die Zofen bereits das Zimmer verlassen hatten. Und ohne überhaupt einen Riegel vorzuschieben, sprang er gestiefelt und gespornt in das Bett der Dame. Die erwachte und war natürlich vor Schrecken starr. Aber er schnitt ihr alle Vorwürfe ab, nahm sie mit Gewalt und erklärte ihr: wenn sie die Sache bekanntgäbe, so würde er sagen, sie habe ihn rufen lassen. Darob erschrak die Dame so, daß sie nicht zu schreien wagte.

Bald darauf kam eine der Kammerzofen in die Stube. Deshalb erhob sich der Edelmann in Hast, und niemand hätte ihn bemerkt, wenn sich nicht sein Sporn in die Bettdecke eingehakt hätte, also daß selbige hinuntergerissen wurde und die Dame ganz nackend im Bett liegen blieb.

Und obgleich nun die Dame in dritter Person erzählt hatte, fuhr sie also fort: »Nie war wohl eine Frau verblüffter als ich, wie ich mich plötzlich so splitternackt sah!«

Alsbald konnte die andere Dame, die bisher ganz ernsthaft zugehört hatte, ihr Lachen nicht unterdrücken und rief: »Ich sehe, Ihr versteht es vortrefflich, Geschichten zu erzählen.« Die Ärmste versuchte ihre Ehre wieder herzustellen, aber die war nun schon so zerstört, daß sich nichts wieder gutmachen ließ.

Sicherlich hätte jene Dame die Geschichte längst vergessen gehabt, wenn sie ihr im Grunde so mißfallen hätte. Wie ich nun sagte: die Sünde enthüllt sich meist selbst, wenn sie nicht mit dem Mantel bedeckt wird, der, wie David sagt, die Menschen glücklich macht.

»Weiß Gott, das war die dümmste Frau, von der ich je gehört habe,« rief Emarsuitte. »Sie läßt gar andere auf ihre Kosten lachen« – »Ich finde das nicht so seltsam,« meinte Parlamente. »«Denn es sagt sich doch etwas noch leichter als es getan wird.« – »Aber was hat sie am Ende verbrochen?« verwunderte sich Guebron. »Auch der vielgerühmten Lucretia ging es doch nicht anders.« – »Freilich, auch dem Gerechtesten kann einmal etwas zustoßen,« erwiderte Parlamente. »Aber die Entrüstung über den Vorfall bleibt im Gedächtnis, und um das zu verlöschen, tötete sich Lucretia. Jene Törin aber wollte die andern damit unterhalten« – »«Mir scheint sie recht ehrsam,« sprach Nomerside, »da sie doch alle Bitten des Edelmannes abgelehnt hatte und erst der List und Gewalt erlag.« – »Wie denn, Ihr meint also, ihre Ehre sei reingeblieben?« – entrüstete sich jene. »Wie manche lehnt ab, was ihr Herz längst billigt. Nur eine Frau, die bis zum Schluß aushält, ist rühmenswert.« – »Und wenn nun ein Jüngling ein schönes Mägdelein abwiese fragte Dagoucin. – »Wahrlich, wenn ein junger gesunder Mann so etwas täte, fände ich das höchst löblich«, erklärte Oisille. »Aber ich kann das nicht recht glauben.« – »Dennoch kenne ich welche, die solche Abenteuer mieden, so doch alle ihre Gefährten suchten.« – »So nehmet, bitte, meinen Platz ein und erzählet uns davon,« rief Longarine. »Aber vergesset nicht, daß wir hier sind, um die Wahrheit zu reden.«

»Das will ich gern versprechen,« hub Dagoucin an, »und keine Schönfärberei soll die Wahrheit entstellen.«

Sechsundfünfzigste Erzählung


Ein Franziskaner vermählt trügerischerweise ein schönes Mägdelein mit einem anderen Mönch, worob die zwei Burschen bestraft werden.

»Auf der Durchreise durch Padua hörte eine französische Edelfrau, daß im bischöflichen Gefängnis ein Mönch säße, und als sie sich nach dem Grund erkundigte, maßen alle darüber zu spotten schienen, erfuhr sie folgendes: Der Mönch, ein schon bejahrter Mann, war einst Beichtvater einer ehrengeachteten frommen Wittib, die nur eine Tochter hatte. Die liebte sie so sehr, daß sie um ihretwillen alles Geld zusammenscharrte und sie recht gut verheiraten wollte. Und da die Tochter heranwuchs, wurde die Mutter noch mehr von dem Gedanken verfolgt, daß nur ja jener zukünftige Ehemann recht gewissenhaft und fromm sei, auf daß sie später zusammen in Ruhe und Frieden lebten.

So wandte sie sich einmal an ihren Beichtvater, einen gesetzten, allenthalben geachteten Mann. Der erklärte auf ihre Bitten, er müsse sich die Sache reiflich überlegen. Also bedachte er einerseits, daß diese Dame, wie sie sagte, fünfhundert Dukaten zusammengescharrt hatte, die als Mitgift dienen sollten; daß sie den Unterhalt für das Paar übernehmen und Wohnung, Aussteuer und Hausrat liefern wolle; andererseits, daß er einen wohlgebauten, schmucken und hübschen Gefährten hatte; also daß er sehr wohl diesen dem Mägdelein vermählen könne, indem dann für jene mit Unterhalt, Aussteuer, Wohnung und Hausrat gar wohl gesorgt sei, während für ihn selbst die fünfhundert Dukaten blieben, um den andern etwas zu entlasten. Und derart einigte er sich mit ihm.

Alsdann kehrte er zu der Dame zurück und sagte: ›Gott schickte mir heute den trefflichsten Edelmann Italiens, der mir gestand, daß er Eure Tochter öfter gesehen habe und bereits innig liebe. Da ich sein Haus und seine Verwandtschaft kenne, versprach ich ihm, mit Euch darüber zu reden. Es gibt nämlich eine kleine Unbequemlichkeit dabei: als jener Edelmann einmal einem Freunde, den ein andrer töten wollte, zu Hilfe eilte und seinen Degen zückte, um die beiden zu trennen, erstach sein Freund zufällig den Angreifer. Dadurch wurde er ohne Verschulden in die Sache verwickelt und flüchtete aus seiner Vaterstadt. Auf Rat seiner Eltern weilt er nun hier als Student verkleidet und will unerkannt bleiben, bis seine Verwandten die Angelegenheit in Ordnung gebracht haben. Das dürfte in Bälde geschehen sein, aber inzwischen muß dieserthalben die Hochzeit im geheimen gefeiert werden und Ihr müßt damit zufrieden sein, daß er tagsüber die Vorlesungen besucht und nur abends zu Euch kommt, um hier zu essen und zu schlafen.‹

Alsbald erwiderte die Dame in ihrer Einfalt: ›Ich finde, daß dies sogar sehr angenehm ist, denn so bleibt meine Tochter, die für mich das Teuerste auf dieser Welt ist, bei mir.‹ Nun führte der Mönch alles so aus, wie er es bedacht hatte, und brachte den Gefährten in einem dunkelroten Gewande ins Haus, das der Dame gar wohl in die Augen stach. Flugs wurden die beiden verlobt, und schon um Mitternacht las der Alte eine Messe und vermählte das Paar, worauf die Brautleute ihr Ehelager aufsuchten und doch bis zum Tagesanbruch ruhten. Dann erhob sich der junge Mann, erklärte, jetzt müsse er zur Vorlesung, zog sein Wams und sein langes Gewand an und vergaß auch die schwarze Perücke nicht. Dann nahm er von seinem jungen Weib, das noch liegen blieb, Abschied und versprach, allabendlich zum Essen wiederzukehren, zum Mittag aber solle man ihn nicht erwarten. Und so ging er davon, derweile sein Weib sich ob ihrer Ehe mit einem so wackern Mann für die glücklichste Frau der Welt hielt.

Indessen begab sich der junge Ehemann zu dem alten Pater und brachte ihm die fünfhundert Dukaten, die im Ehevertrag festgesetzt worden waren. Zum Abend aber kehrte er pünktlich zum Essen zurück zu der Frau die ihn für ihren Gatten hielt, und wußte sich bei dieser und ihrer Mutter so gar beliebt machen, daß beide ihn nicht gegen den edelsten Fürsten dieser Welt vertauscht hätten.

Das dauerte so eine gute Weile. Maßen aber Gott sich derer erbarmt, die im Vertrauen auf seine Güte betrogen werden, so fügte er es, daß Mutter und Tochter eines Tages der fromme Wunsch anwandelte, im Franziskanerkloster die Messe zu hören und ihren guten Beichtvater zu besuchen, der sie mit einem so trefflichen Ehemann und Schwiegersohn beglückt hatte. Zufällig aber fanden sie weder ihn noch einen andern ihnen bekannten Mönch, und so hörten sie derweile die Messe, die just begann, um zu warten, ob jener nicht käme. So richtete die junge Frau ihre Aufmerksamkeit auf den Gottesdienst, als plötzlich der Priester sich umwandte, um das »Dominus vobiscum« zu sprechen. Alsbald ward sie von gewaltigem Staunen ergriffen: denn der Priester war entweder ihr »Gatte« oder glich ihm außerordentlich, so schien ihr. Doch sagte sie noch nichts und wartete, bis er sich wieder umwandte. Nun konnte sie ihn noch besser sehen, ward ihrer Sache sicher und sprach zu ihrer in Andacht versunkenen Mutter: »Wehe! Wißt Ihr, was ich da erblicke?!« – »Was denn?« fragte die Mutter. – »Ich sehe,daß mein Mann die Messe liest oder doch jemand, der ihm täuschend ähnlich ist!«

Die Mutter hatte ihn nicht erblickt und antwortete daher: »Bitte, rede dir nicht solchen Unsinn ein! So etwas ist doch ganz unmöglich! Wie werden so heilige Menschen einen derartigen Betrug ausführen. Solcher Gedanke ist eine große Sünde vor Gott!« Trotzdem gab aber nun auch sie acht, und als jener das »Ite, missa est« sprach, da mußte sie erkennen, daß niemals zwei Zwillingsbrüder sich so gleichen konnten, wie der Priester ihrem Schwiegersohn. So rief sie: »Gott bewahre mich davor, daß ich meinen Augen traue!« Da es aber ihrer Tochter so nahe anging, beschloß sie, der Wahrheit auf den Grund zu kommen.

Als daher gen Abend der Ehemann kommen sollte (der die beiden in der Kirche nicht bemerkt hatte), erklärte sie ihrer Tochter: »Wenn du willst, werden wir erfahren, wie die Sache wirklich liegt. Sobald ihr also im Bett liegen werdet, will ich kommen und ihm unversehens die Perücke von hinten abreißen; dann werden wir flugs sehen, ob er auch solchen Haarschmuck trägt wie der Priester.«

Und also geschah es. Kaum lag der arglistige Mann mit seinem Weib im Bett, da kam die alte Dame herein, nahm wie im Scherz seinen Kopf in ihre Hände, und flugs riß die Tochter die Perücke ab – also daß die Tonsur gar deutlich zu erkennen war. Darob fielen Mutter und Tochter aus allen Wolken, riefen schnell nach der Dienerschaft und ließen ihn trotz aller Bitten und Entschuldigungen an Händen und Füßen fesseln. Dergestalt blieb er bis zum Morgen liegen. Als aber der Tag anbrach, ließ die Dame den Beichtvater rufen, als habe sie ihm ein wichtiges Geheimnis anzuvertrauen, und als er eiligst das Haus betrat, erging es ihm wie dem jungen Pater. Dann warf die Dame ihm all seinen Trug vor, ließ das Gericht benachrichtigen und lieferte die beiden Burschen aus. Man darf wohl annehmen, daß sie nicht ungestraft davonkamen, sofern sie ehrenwerte Richter hatten.

Das mag euch zeigen, daß auch jene Brüder, die das Gelöbnis der Armut geleistet haben, der Verführung der Geldgier erliegen können, wenn sich die Gelegenheit bietet.«

»Es war aber auch recht viel Geld,« rief Saffredant. »Von den zusammengescharrten fünfhundert Dukaten der Alten konnte man sich manche Freude schaffen. Und das arme Mägdelein, das so sehr eines Gatten harrte, hätte für so viel Geld gleich zwei bekommen und noch besser von allen kirchlichen Herrlichkeiten reden können.« – »Jedenfalls erweist die Geschichte die Einfalt der armen Frauen und die Arglist jener Männer, die wir über ihresgleichen zu stellen pflegen,« sagte Oisille. – »Es gibt eben leider Frauen,« klagte Longarine, »die da vermeinen, sie müßten Engel bekommen.« – »Dann finden sie oft Teufel,« lachte Simontault. »Zumal wenn sie sich Gottes Gnade nicht anvertrauen und auf Erden himmlisches Glück suchen.« – »Ei, ei!« verwunderte sich Oisille. »Solche Worte hätte ich Euch gar nicht zugetraut.« – »Weil Ihr mich nicht genügend kennt,« erwiderte jener. »Immerhin mag ich auch einmal einem Franziskaner ins Handwerk pfuschen, wie es mir einer gemacht hat.« – »Handwerk nennt Ihr das, wenn man Frauen betrügt!« entrüstete sich Parlamente. »Damit verurteilt Ihr Euch selbst.« – »Und wenn ich hunderttausende betröge,« sprach jener, »so hätte ich die Qualen noch nicht gerächt, die mir eine allein schuf.« – »Trotz all‘ Eurer Klagen seht Ihr recht vergnügt aus,« meinte Parlamente. »Allerdings heißt es ja in der ›Schönen Dame ohne Gnade‹:

›Durch Schmiegsamkeit hat mancher leicht
Und schnell erhoffte Gunst erreicht!‹«

»Das scheint mir mehr für Damen belehrsam,« entgegnete Simontault. »Doch sagt mir bitte, ob es wirklich so ehrenvoll für eine Frau ist, wenn sie in dem Ruf steht, ohne Gnade, Mitleid, Liebe und Barmherzigkeit zu sein?« – »Ohne Barmherzigkeit und Liebe darf sie nicht sein. »Gnade« aber hat bei Frauen einen schlechten Klang, maßen es bedeutet, daß sie das Verlangen der Männer erfüllen. Man weiß recht wohl, was die Männer von den Frauen erbitten.« – »Oh, es gibt Vernünftige, die sich mit einem guten Wort begnügen.« – »Das erinnert mich an den Mann, der sich mit einem Handschuh begnügte.« – »Von dem anmutigen Liebhaber müssen wir hören,« rief Hircan, »Deshalb gebe ich Euch mein Wort.«

Ich erzähle die Geschichte um so lieber,« hub Parlamente an, »da sie an Ehrenhaftigkeit nichts zu wünschen übrigläßt.«

Siebenundfünfzigste Erzählung


Lächerliche Geschichte von einem englischen Lord, der mit einem Damenhandschuh auf dem Wams prunkte.

»König Ludwig der Elfte entsandte einst den Herrn von Montmorenci als Geschäftsträger nach Engelland. Der ward dort herrlich empfangen und gefeiert, und ob ihrer Zuneigung zu ihm beratschlagten der König und andere Fürsten daselbst mit jenem ihre Angelegenheiten. Einst nun saß er bei einem Gelage, das der Konig ihm zu Ehren veranstaltete, neben einem Lord edelster Abkunft, der auf seinem Wams einen kleinen Handschuh, gleich dem von einer Frau, mit goldenen Hesteln befestigt hatte. Die Fingernähte waren mit vielen Diamanten, Rubinen, Smaragden und Perlen geziert, und daher hatte das Stück einen großen Geldwert.

Der Herr Montmorenci beschaute ihn so oft, dass der Lord ihm seine Frage vom Gesicht ablas. Und da er seine Geschichte sehr zu erzählen liebte, um sich damit selbst gehörig herauszustreichen, hub er also an:

›Ihr verwundert Euch sichtlich über den Schmuck, den ich diesem Handschuh angedeihen ließ. So will ich Euch gern den Grund sagen, denn Ihr scheint mir wohlanständig zu sein und werdet die Leidenschaft der Liebe genugsam kennen, um mich – wo nicht zu loben – so doch ob meiner Gefühle zu entschuldigen.

So wisset: ich habe mein Lebelang eine Dame geliebt, liebe sie noch heute und werde sie noch nach meinem Tode lieben. Maßen aber mein Herz kühner war als mein Mund, so schwieg ich sieben Jahre lang und ließ mir nichts anmerken aus Angst, ich würde alle Möglichkeit verlieren, sie weiter so oft zu sehen und besuchen wie bisher, sobald sie etwas wahrnähme. Als ich nun eines Tages auf einer Wiese bei ihr stand und sie anschaute, da begann mein Herz so gewaltig zu pochen, daß ich erbleichte und alle Fassung verlor. Des ward sie inne und fragte mich, was mir fehle. Ich erwiderte, mich quäle ein unerträglicher Schmerz im Herzen. Und da sie wohl vermeinte, ich rede von einer anderen Krankheit denn von Liebe, so zeigte sie Mitleid mit mir. Deshalb bat ich sie, ihre Hand auf mein Herz zu legen und zu fühlen, wie es poche. Also tat sie: doch als sie ihre behandschuhte Rechte darauf legte, zuckte und sprang das Herz so sehr, daß sie es auch fühlte, und da ich das wahrnahm, preßte ich ihre Hand an mich und rief: ›Ach, edle Frau, empfanget das Herz, das meinen Leib sprengen möchte, um in Eure Hand zu springen! Von Euch erhoffe ich Gnade, Leben und Erbarmen. Die Qual zwingt mich, Euch jetzt meine langverhehlte Liebe zu gestehen. Denn sie ist übermachtig geworden.‹

Als sie meine Worte vernahm, ward sie betreten und wollte ihre Hand zurückziehen. Die aber hielt ich fest, also daß der Handschuh sich löste und an der Stelle verblieb, wo ihre grausame Hand geruht hatte. Und da ich fürder nie wieder eine größere Vertraulichkeit von ihr genoß, so habe ich den Handschuh auf meinem Herzen befestigt als das herrlichste Pflaster, das ich finden konnte, und zudem schmückte ich ihn mit den schönsten Ringen, die ich besaß, obgleich den größten Wert der Handschuh selbst besitzt, den ich nicht für ganz Engelland dahingäbe.‹

Der Herr von Montmorenci hätte die Hand dem Handschuh vorgezogen. Doch lobte er solch ehrenhafte Gesinnung in gesetzten Worten und erklärte, der Lord sei der uneigennützigste Liebhaber, den er je gesehen habe; und da er schon über so Weniges entzückt sei, wäre er ob seiner gewaltigen Liebe am Ende gar vor Glück gestorben, wenn er mehr erlangt hätte. Und der Lord gab ihm recht, ohne zu merken, daß jener sich über ihn lustig machte.

Wären alle Männer so tugendsam, dann könnten sich ihnen wohl alle Frauen anvertrauen, maßen es sie nur einen Handschuh kostet.«

»Herrn von Montmorenci kannt‘ ich wohl,« sprach Guebron. »Er hätte nicht ewig in solcher Bangigkeit leben mögen und sonst sicherlich auch nicht so viel Erfolg in Liebesdingen gehabt. Denn ein altes Lied sagt:

›Auf einen furchtsamen Verliebten hört ihr kein Lob.‹«

»Bedenkt doch«, spottete Saffredant, »daß die arme Dame gar flugs ihre Hand zurückzog, als sie sein Herz so wild pochen fühlte. Sicher vermeinte sie, er würde sterben, und man sagt, Frauen hassen die Berührung von Toten.« – »Wenn Ihr die Spittel so oft besuchtet wie die Schenken,« rief Emarsuitte, »so würdet Ihr dergleichen nicht behaupten. Dort könntet Ihr sehen, wie Frauen auch solche Leichen besorgen und begraben, denen sich selbst kühne Männer zu nahen fürchten.« – »Das ist wahr,« höhnte Simontault, »denn wer so recht Buße tun will, der wählt das Gegenteil von dem, woran er sich früher ergetzt hat« – »Da sieht man wieder, wie alles Gute, das Frauen tun, von den Männern entstellt und falsch gedeutet wird!« rief Oisille. Aber Simontault entgegnete: »Jedenfalls glaube ich, daß mehr Männer von Frauen betrogen werden, als Frauen von Männern. Denn ob ihrer geringen Liebe glauben sie unseren wahren Worten nicht, wir aber glauben in unserer starken Liebe an ihre Lügen.« – »Mir scheint, Ihr habt einen Dummkopf klagen hören, den eine Törin enttäuschte,« meinte Parlamente. »Was Ihr da sagt, ist so wenig überzeugend, daß Ihr es schon mit Beispielen erhärten müßt. Wißt Ihr eines, so sollt Ihr von mir das Wort haben; denn sonst brauchen wir Euch keinen Glauben zu schenken. Und solltet Ihr Schlechtes über uns sagen, so werdet Ihr uns doch nicht wehe tun, denn wir wissen, was wir davon zu halten haben.«

»Gut, wenn ich an der Reihe bin, will ich eine solche Geschichte berichten,« sprach Simontault.

Achtundfünfzigste Erzählung


Eine Hofdame rächt sich gar neckisch an einem Liebhaber ob seiner sonstigen Seitensprünge.

»Am Hofe Franz‘ des Ersten lebte eine geistvolle Frau, die ob ihrer Anmut und Plauderkunst die Herzen mehrerer Herren erobert hatte. Das schuf ihr vielen Zeitvertreib, und ohne ihre eigne Ehre aufs Spiel zu setzen spielte sie mit den Edelleuten so wohl, daß diese nicht aus noch ein wußten und so die Zuversichtlichsten verzweifelten, die Verzweifelten zuversichtlich wurden. Trotz dieser Neckereien entging sie dem Schicksal nicht, einen Edelmann zu lieben, den sie Vetter nannte. Unter diesem Namen jedoch barg sich ein lang ausgesponnenes Liebesverhältnis. Unstät nur wie alles irdische, wandelte sich diese Liebe oft in Streit, flammte dann wieder stärker auf denn je, und konnte so dem Hofe auf die Dauer nicht verborgen bleiben.

Eines Tages stellte sich die Dame zu ihm ungewöhnlich liebenswürdig – sei es, um ihm zu zeigen, daß sie keinerlei sonstige Gefühle habe, sei es, um ihn ob der Liebesqualen, die sie so oft ertragen hatte, gehörig zu peinigen. Er, dem es weder in Kampf- noch Liebesfragen an Kühnheit mangelte, drängte sie sogleich zu dem, worum er sie schon so oft gebeten hatte. Alsbald tat sie, als könne sie ihr Mitleid nicht mehr bezwingen, bewilligte ihm diese Bitte und erklärte: ›sie wolle dafür in ihre Stube gehen, die im Obergeschoß lag, also daß sie sicher wäre, daß niemand sonst dorthin käme. Sobald er sähe, daß sie hinausginge, solle er ihr folgen, auf daß er sie, dank ihrer Bereitwilligkeit, allein antreffen könne.‹

Der Edelmann schenkte ihren Worten Glauben, und voll Zufriedenheit begann er mit den andern Damen Kurzweil zu treiben, derweile er erwartete, daß sie hinausginge. Sie aber, der es an List nicht fehlte, trat an zwei hohe Fürstinnen heran, mit denen sie sehr innig befreundet war, und sagte: ›Wenn ihr wollt, will ich euch einen Spaß erleben lassen, der seinesgleichen nicht hat.‹ Die beiden Fürstinnen waren keineswegs auf Trübsinn versessen und fragten darum flugs, was es sei. Sie entgegnete: ›Es handelt sich um den Herrn Soundso, der, wie ihr wißt, ob seiner Ehrenhaftigkeit und Kühnheit bekannt genug ist. Auch wißt ihr, wieviel üble Streiche er mir spielte, wenn er anderen Damen den Hof machte, derweile ich ihn über alles liebte. Damit hat er mir mehr Leids geschafft, als ich mir merken ließ. Nun aber gab mir Gott die Möglichkeit, mich zu rächen: ich gehe jetzt in Bälde auf meine Stube, und wenn ihr aufmerken wollt, werdet ihr sehen, wie er mir flugs folgen wird. Wenn er nun den Saalgang durchschritten hat und die Stiege emporklimmen will, so eilet bitte ans Fenster und schreiet mit mir: ›Räuber! Diebe!‹ Da werdet Ihr ihn vor Wut platzen sehen – und ich glaube, er wird sich dabei nicht übel ausnehmen! Und wenn er mir vielleicht auch keine Schmähungen ins Gesicht schleudert, so kann ich doch sicher sein, daß er innerlich darob schier berstet.‹

Der Gedanke machte sie alle fröhlich lachen, denn keiner der Edelleute stand so unablässig mit den Damen auf dem Kriegsfuße wie jener, und so sehr er auch von allen geliebt und geschätzt wurde, so hätte doch kaum eine gewagt, sich seinem Spott auszusetzen. Und darum schien es jenen Damen, daß sie wohl an dem Siegesruhm teilnehmen könnten, den eine einzelne ihm abzuringen im Begriff stand. Sobald sie also die unternehmungslustige Dame hinausgehen sahen, achteten sie auf das Verhalten des Edelmannes, der bald seinen Platz verließ. Kaum war er zur Tür hinaus, so schlüpften die Damen in den Saalgang, um ihn nicht aus dem Auge zu verlieren.

Er ahnte nichts dergleichen, nahm sein Manteltuch hoch, um sein Gesicht zu verbergen, und eilte die Stiege zum Hofe hinunter. Dann kam er wieder hinauf, und da er jemandem begegnete, den er nicht als Zeugen haben wollte, so ging er wieder hinunter, kam auf einer anderen Stiege wieder hinauf und alles das sahen die Damen, ohne daß er etwas merkte. Als er nun aber zu dem Stiegenabsatz kam, der unmittelbar zu der Stube der Dame führte, eilten die Damen flugs ans Fenster, sahen oben die andere schon bereitstehen und ›Räuber! Diebe!‹ schreien, worob sie nun auch beide so laut riefen, daß das ganze Schloß in Aufruhr versetzt wurde.

Ihr könnt euch denken, mit welcher Wut der Edelmann nach Hause floh. Doch konnte er sein Gesicht nicht so gut verbergen, daß er nicht von denen erkannt wurde, die um das Geheimnis wußten. Die neckten ihn später oft damit, auch jene Dame, die ihm den Streich gespielt hatte und die sich nun ihrer Rache rühmte. Aber er verteidigte sich sehr schlagfertig und ließ verstehen, er habe so etwas geahnt und habe den Vorschlag der Dame nur angenommen, um sie selbst zu verspotten. Denn aus Liebe zu ihr wäre er nimmermehr zu ihr gegangen, da seine Gefühle längst erloschen seien. Die Damen wollten ihm das nicht recht glauben, und noch heute ist man nicht sicher, was die Wahrheit ist.

Wenn es aber so lag, daß er der Dame geglaubt hatte (was nicht sehr wahrscheinlich ist, weil er gleichermaßen unvergleichlich klug als kühn war), so müßt ihr, wie mir scheint, zugeben, daß Männer, die in tugendhafter Liebe den Damen trauen, gar oft getäuscht werden.«

»Ich muß sagen,« erklarte Emarsuitte, »daß mir der Streich jener Dame gefällt. Wenn ein Mann die, welche ihn liebt, für andere verläßt, ist jede Rache recht.« – »Wenn sie geliebt wird, allerdings,« meinte Parlamente. »Manche Frauen fragen nämlich danach nicht und nennen dann die Männer wankelmütig. Wenn die Frauen klug sind, lassen sie sich nicht täuschen. Denn um nicht in das Netz der Lügner zu geraten, trauen sie nur den Wahrheitliebenden. Zudem spricht Wahrheit und Falschheit dieselbe Sprache.« – »Wenn alle Damen Eure Ansicht teilten, könnten die Edelleute ihre schönen Reden in ihre Kästen sperren,« lachte Simontault. »Wir können aber nicht annehmen, daß die Frauen ebenso ungläubig wie schön sind.« – »Da ich die betreffende Dame kenne, so kann ich ihr den Streich schon zutrauen,« meinte Longarine. »Was sie ihrem Manne nicht ersparte, hat sie sicherlich auch ihrem Freunde nicht erspart.« – »So wißt Ihr mehr davon als ich,« sagte Simontault. »Darum tretet an meine Stelle, um Eure Ansicht zu sagen.«

»Gern, wenn Ihr es wünscht,« hub Longarine an.