Morgengebet

              O wunderbares, tiefes Schweigen,
Wie einsam ists noch auf der Welt!
Die Wälder nur sich leise neigen,
Als ging‘ der Herr durchs stille Feld.

Ich fühl mich recht wie neu geschaffen,
Wo ist die Sorge nun und Not?
Was mich noch gestern wollt erschlaffen,
Ich schäm mich des im Morgenrot.

Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
Will ich, ein Pilger, frohbereit
Betreten nur wie eine Brücke
Zu Dir, Herr, übern Strom der Zeit.

Und buhlt mein Lied, auf Weltgunst lauernd,
Um schnöden Sold der Eitelkeit:
Zerschlag mein Saitenspiel, und schauernd
Schweig ich vor Dir in Ewigkeit.

Joseph Freiherr von Eichendorff

Der Umkehrende

Es wandelt was wir schauen,

Tag sinkt ins Abendrot,

die Lust hat eignes Grauen,

und alles hat den Tod.

Ins Leben schleicht das Leiden

Sich heimlich wie ein Dieb,

wir alle müssen scheiden

von allem was uns lieb.

Was gäb‘ es doch auf Erden,

wer hielt den Jammer aus,

wer möchte geboren werden,

hieltst du nicht droben haus!

Du bist’s, der , was wir bauen,

mild über uns zerbricht,

daß wir den Himmel schauen –

darum so klag‘ ich nicht.