11. Kapitel

Das Gemeinwesen und seine Ökonomie

Ein neunzigjähriger Zeitraum, vierzig Jahr tiefen Friedens, fünfzig einer fast permanenten Revolution liegen hinter uns. Es ist diese Epoche die ruhmloseste, die die römische Geschichte kennt. Zwar wurden in westlicher und östlicher Richtung die Alpen überschritten und gelangten die römischen Waffen auf der spanischen Halbinsel bis zum Atlantischen Ozean, auf der makedonisch-griechischen bis zur Donau; aber es waren so wohlfeile wie unfruchtbare Lorbeeren. Der Kreis der „auswärtigen Völkerschaften in der Willkür, Botmäßigkeit, Herrschaft oder Freundschaft der römischen Bürgerschaft“107 ward nicht wesentlich erweitert; man begnügte sich, den Erwerb einer besseren Zeit zu realisieren und die in loseren Formen der Abhängigkeit an Rom geknüpften Gemeinden mehr und mehr in die volle Untertänigkeit zu bringen. Hinter dem glänzenden Vorhang der Provinzialreunionen verbarg sich ein sehr fühlbares Sinken der römischen Macht. Während die gesamte antike Zivilisation immer bestimmter in dem römischen Staat zusammengefaßt, immer altgemeingültiger in demselben formuliert ward, fingen zugleich jenseits der Alpen und jenseits des Euphrat die von ihr ausgeschlossenen Nationen an, aus der Verteidigung zum Angriff überzugehen. Auf den Schlachtfeldern von Aquae Sextiae und Vercellae, von Chäroneia und Orchomenos wurden die ersten Schläge desjenigen Gewitters vernommen, das über die italisch-griechische Welt zu bringen die germanischen Stämme und die asiatischen Horden bestimmt waren und dessen letztes dumpfes Rollen fast noch bis in unsere Gegenwart hineinreicht. Aber auch in der inneren Entwicklung trägt diese Epoche denselben Charakter. Die alte Ordnung stürzt unwiederbringlich zusammen. Das römische Gemeinwesen war angelegt als eine Stadtgemeinde, welche durch ihre freie Bürgerschaft sich selber die Herren und die Gesetze gab, welche von diesen wohlberatenen Herren innerhalb dieser gesetzlichen Schranken mit königlicher Freiheit geleitet ward, um welche teils die italische Eidgenossenschaft als ein Inbegriff freier, der römischen wesentlich gleichartiger und stammverwandter Stadtgemeinden, teils die außeritalische Bundesgenossenschaft als ein Inbegriff griechischer Freistädte und barbarischer Völker und Herrschaften, beide von der Gemeinde Rom mehr bevormundet als beherrscht, in zweifachem Kreise sich schlossen. Es war das letzte Ergebnis der Revolution – und beide Parteien, die nominell konservative wie die demokratische Partei, hatten dazu mitgewirkt und trafen darin zusammen –, daß von diesem ehrwürdigen Bau, der am Anfang der gegenwärtigen Epoche zwar rissig und schwankend, aber doch noch aufrecht gestanden, am Schluß derselben kein Stein mehr auf dem andern geblieben war. Der souveräne Machthaber war jetzt entweder ein einzelner Mann oder die geschlossene Oligarchie bald der Vornehmen, bald der Reichen. Die Bürgerschaft hatte jeden rechtlichen Anteil am Regiment verloren. Die Beamten waren unselbständige Werkzeuge in der Hand des jedesmaligen Machthabers. Die Stadtgemeinde Rom hatte durch ihre widernatürliche Erweiterung sich selber zersprengt. Die italische Eidgenossenschaft war aufgegangen in die Stadtgemeinde. Die außeritalische Bundesgenossenschaft war im vollen Zug sich in eine Untertanenschaft zu verwandeln. Die gesamte organische Gliederung des römischen Gemeinwesens war zugrunde gegangen und nichts übrig geblieben, als eine rohe Masse mehr oder minder disparater Elemente. Der Zustand drohte in volle Anarchie und in innere und äußere Auflösung des Staats überzugehen. Die politische Bewegung lenkte durchaus nach dem Ziele der Despotie; nur darüber noch ward gestritten, ob der geschlossene Kreis der vornehmen Familien oder der Kapitalistensenat oder ein Monarch Despot sein solle. Die politische Bewegung ging durchaus die zum Despotismus führenden Wege: der Grundgedanke des freien Gemeinwesens, daß die ringenden Mächte gegenseitig sich auf mittelbaren Zwang beschränken, war allen Parteien gleichmäßig abhanden gekommen, und hüben und drüben fingen zuerst die Knüttel, bald auch die Schwerter an, um die Herrschaft zu fechten. Die Revolution, insofern zu Ende, als die alte Verfassung von beiden Seiten als definitiv beseitigt anerkannt und Ziel und Weg der neuen politischen Entwicklung deutlich festgestellt war, hatte doch für diese Reorganisation des Staates selbst bis jetzt nur provisorische Lösungen gefunden; weder die Gracchische noch die Sullanische Konstituierung der Gemeinde trugen einen abschließenden Charakter. Das aber war das Bitterste dieser bitteren Zeit, daß dem klarsehenden Patrioten selbst das Hoffen und das Streben sich versagten. Die Sonne der Freiheit mit all ihrer unendlichen Segensfülle ging unaufhaltsam unter, und die Dämmerung senkte sich über die eben noch so glänzende Welt. Es war keine zufällige Katastrophe, der Vaterlandsliebe und Genie hätten wehren können; es waren uralte soziale Schäden, im letzten Kern der Ruin des Mittelstandes durch das Sklavenproletariat, an denen das römische Gemeinwesen zugrunde ging. Auch der einsichtigste Staatsmann war in der Lage des Arztes, dem es gleich peinlich ist, die Agonie zu verlängern und zu verkürzen. Ohne Zweifel war Rom um so besser beraten, je rascher und durchgreifender ein Despot alle Reste der alten freiheitlichen Verfassung beseitigte und für das bescheidene Maß menschlichen Gedeihens, wofür in dem Absolutismus Raum ist, die neuen Formen und Formeln fand; der innere Vorzug, der der Monarchie unter den gegebenen Verhältnissen gegenüber jeder Oligarchie zukam, lag wesentlich ebendarin, daß ein solcher energisch nivellierender und energisch aufbauender Despotismus von einer kollegialischen Behörde nimmermehr geübt werden konnte. Allein diese kühlen Erwägungen machen keine Geschichte; nicht der Verstand, nur die Leidenschaft baut für die Zukunft. Man mußte eben erwarten, wie lange das Gemeinwesen fortfahren werde, nicht leben und nicht sterben zu können, und ob es schließlich an einer mächtigen Natur seinen Meister und, soweit dies möglich war, seinen Neuschöpfer finden oder in Elend und Schwäche zusammenstürzen werde.

Es bleibt noch übrig, die ökonomische und soziale Seite dieses Verlaufs hervorzuheben, insoweit dies nicht bereits früher geschehen ist.

Der Staatshaushalt ruhte seit dem Anfang dieser Epoche wesentlich auf den Einkünften aus den Provinzen. In Italien ward die Grundsteuer, die hier stets nur neben den ordentlichen Domanial- und anderen Gefällen als außerordentliche Abgabe vorgekommen war, seit der Schlacht von Pydna nicht wieder erhoben, so daß die unbedingte Grundsteuerfreiheit anfing, als ein verfassungsmäßiges Vorrecht des römischen Grundbesitzers betrachtet zu werden. Die Regalien des Staats, wie das Salzmonopol und das Münzrecht, wurden, wenn überhaupt je, so wenigstens jetzt nicht als Einnahmequellen behandelt. Auch die neue Erbschaftssteuer ließ man wieder schwinden oder schaffte sie vielleicht geradezu ab. Demnach zog die römische Staatskasse aus Italien einschließlich des diesseitigen Galliens nichts als teils den Domänenertrag, namentlich von dem kampanischen Gebiet und den Goldgruben im Lande der Kelten, teils die Abgabe von den Freilassungen und den nicht zu eigenem Verbrauch des Einführenden in das römische Stadtgebiet zur See eingehenden Waren, welche beide wesentlich als Luxussteuern betrachtet werden können und allerdings durch die Ausdehnung des römischen Stadt- und zugleich Zollgebiets auf ganz Italien, wahrscheinlich mit Einschluß des diesseitigen Galliens, ansehnlich gesteigert werden mußten.

In den Provinzen nahm der römische Staat zunächst als Privateigentum in Anspruch teils in den nach Kriegsrecht vernichteten Staaten die gesamte Mark, teils in denjenigen Staaten, wo die römische Regierung an die Stelle der ehemaligen Herrscher getreten war, den von diesen innegehaltenen Grundbesitz, kraft welches Rechts die Feldmarken von Leontinoi, Karthago, Korinth, das Domanialgut der Könige von Makedonien, Pergamon und Kyrene, die Gruben in Spanien und Makedonien als römische Domänen galten und, ähnlich wie das Gebiet von Capua, von den römischen Zensoren an Privatunternehmer gegen Abgabe einer Ertragsquote oder einer bestimmten Geldsumme verpachtet wurden. Daß Gaius Gracchus noch weiter ging, das gesamte Provinzialland als Domäne ansprach und zunächst für die Provinz Asia diesen Satz insofern praktisch durchführte, als er den Bodenzehnten, die Hut- und Hafengelder daselbst rechtlich motivierte durch das Eigentumsrecht des römischen Staats an Acker, Wiese und Küste der Provinz, mochten diese nun früher dem König oder Privaten gehört haben, ward bereits früher ausgeführt.

Nutzbare Staatsregalien scheint es in dieser Zeit auch den Provinzen gegenüber noch nicht gegeben zu haben; die Untersagung des Wein- und Ölbaues im Transalpinischen Gallien kam der Staatskasse als solcher nicht zugute. Dagegen wurden direkte und indirekte Steuern in großem Umfang erhoben. Die als vollständig souverän anerkannten Klientelstaaten, also zum Beispiel die Königreiche Numidien und Kappadokien, die Bundesstädte (civitates foederatae) Rhodos, Messana, Tauromenion, Massalia, Gades waren rechtlich steuerfrei und durch ihren Vertrag nur verpflichtet, die römische Republik in Kriegszeiten teils durch regelmäßige Stellung einer festen Anzahl von Schiffen oder Mannschaften auf ihre Kosten, teils, wie natürlich, im Notfall durch außerordentliche Hilfsleistung jeder Art zu unterstützen. Das übrige Provinzialgebiet dagegen, selbst mit Einschluß der Freistädte, unterlag durchgängig der Besteuerung, und nur die mit römischem Bürgerrecht beliehenen Städte, wie Narbo, und die speziell mit der Steuerfreiheit beschenkten Gemeinden (civitates immunes), wie Kentoripa in Sizilien, waren hiervon ausgenommen. Die direkten Abgaben bestanden teils, wie in Sizilien und Sardinien, in einem Anrecht auf den Zehnten108 der Garben und sonstigen Feldfrüchte wie der Trauben und Oliven, oder, wenn das Land zur Weide lag, einem entsprechenden Hutgeld; teils, wie in Makedonien, Achaia, Kyrene, dem größten Teil von Africa, beiden Spanien, nach Sulla auch in Asia, in einer von jeder einzelnen Gemeinde jährlich nach Rom zu entrichtenden festen Geldsumme (stipendium, tributum), welche zum Beispiel für ganz Makedonien 600000 (183000 Taler), für die kleine Insel Gyaros bei Andros 150 Denare (46 Taler) betrug und allem Anschein nach im ganzen niedrig und geringer war als die vor der römischen Herrschaft entrichtete Abgabe. Jene Bodenzehnten und Hutgelder verdang der Staat gegen Lieferung fester Quantitäten Korn oder fester Geldsummen an Privatunternehmer; dieser Geldabgaben wegen hielt er sich an die einzelnen Gemeinden und überließ es diesen, den Betrag nach den von der römischen Regierung im allgemeinen festgestellten Prinzipien auf die Steuerpflichtigen zu repartieren und von diesen einzuziehen109. Die indirekten Abgaben bestanden, abgesehen von den untergeordneten Chaussee-, Brücken- und Kanalgeldern, wesentlich in den Zöllen. Die Zölle des Altertums waren, wo nicht ausschließlich doch sehr vorwiegend Hafen-, seltener Landgrenzzölle auf die zur Feilbietung bestimmten ein- und ausgehenden Waren und wurden von jeder Gemeinde in ihren Häfen und ihrem Gebiet nach Ermessen erhoben. Die Römer erkannten dies auch insofern im allgemeinen an, als sich ihr ursprüngliches Zollgebiet nicht weiter erstreckte als der römische Bürgerbezirk, und die Reichsgrenze keineswegs Zollgrenze, ein allgemeiner Reichszoll also unbekannt war; nur auf dem Wege des Staatsvertrages ward in den Klientelgemeinden für den römischen Staat wohl durchaus Zollfreiheit, für den römischen Bürger vielfach wenigstens Zollbegünstigung ausbedungen. Aber in denjenigen Bezirken, die nicht zum Bündnis mit Rom zugelassen waren, sondern in eigentlicher Untertänigkeit standen, auch nicht die Immunität erworben hatten, fielen die Zölle doch selbstverständlich an den eigentlichen Souverän, das heißt an die römische Gemeinde; und infolgedessen wurden einzelne größere Gebiete innerhalb des Reiches als besondere römische Zolldistrikte konstituiert, in welchen die einzelnen verbündeten oder mit Immunität beliehenen Gemeinden als vom römischen Zoll befreit enklaviert wurden. So bildete Sizilien schon seit der karthagischen Zeit einen geschlossenen Zollbezirk, an dessen Grenze von allen aus- und eingehenden Waren eine Abgabe von fünf Prozent vom Wert erhoben ward; so ward an den Grenzen von Asia infolge des Sempronischen Gesetzes eine ähnliche Abgabe von zweieinhalb Prozent erhoben; so ward in ähnlicher Weise die Provinz Narbo, ausschließlich der Feldmark der römischen Kolonie, als römischer Zollbezirk organisiert. Bei dieser Einrichtung mag außer den fiskalischen Zwecken auch die löbliche Absicht mitgewirkt haben, der aus den mannigfaltigen Kommunalzöllen unvermeidlich entstehenden Verwirrung durch gleichmäßige Grenzzollregulierung zu steuern. Zur Erhebung wurden die Zölle gleich den Zehnten ohne Ausnahme an Mittelsmänner verdungen.

Hierauf waren die ordentlichen Lasten der römischen Steuerpflichtigen beschränkt, wobei übrigens nicht übersehen werden darf, daß die Erhebungskosten höchst beträchtlich waren und die Kontribuablen unverhältnismäßig mehr zahlten, als die römische Regierung empfing. Denn wenn das System der Steuereinziehung durch Mittelsmänner, namentlich durch Generalpächter, schon an sich von allen das verschwenderischste ist, so ward in Rom noch durch die geringe Teilung der Pachtungen und die ungeheure Assoziation des Kapitals die wirksame Konkurrenz aufs äußerste erschwert.

Zu diesen ordentlichen Belastungen aber kommen noch erstlich die Requisitionen hinzu. Die Kosten der Militärverwaltung trug von Rechts wegen die römische Gemeinde. Sie versah die Kommandanten jeder Provinz mit den Transportmitteln und allen sonstigen Bedürfnissen; sie besoldete und versorgte die römischen Soldaten in der Provinz. Nur Dach und Fach, Holz, Heu und ähnliche Gegenstände hatten die Provinzialgemeinden den Beamten und Soldaten unentgeltlich zu gewähren; ja die freien Städte waren sogar auch von der Wintereinquartierung – feste Standlager kannte man noch nicht – regelmäßig befreit. Wenn der Statthalter also Getreide, Schiffe, Sklaven zu deren Bemannung, Leinwand, Leder, Geld oder anderes bedurfte, so stand es ihm zwar im Kriege unbedingt und nicht viel anders auch in Friedenszeiten frei, solche Lieferungen nach Ermessen und Bedürfnis von den Untertanengemeinden oder den souveränen Klientelstaaten einzufordern, allein dieselben wurden, gleich der römischen Grundsteuer, rechtlich als Käufe oder Vorschüsse behandelt und der Wert von der römischen Staatskasse sogleich oder später ersetzt. Aber dennoch wurden, wenn nicht in der staatsrechtlichen Theorie, so doch praktisch, diese Requisitionen eine der drückendsten Belastungen der Provinzialen; um so mehr, als die Entschädigungsziffer regelmäßig von der Regierung oder gar dem Statthalter einseitig festgesetzt ward. Es begegnen wohl einzelne gesetzliche Beschränkungen dieses gefährlichen Requisitionsrechts der römischen Oberbeamten – so die schon erwähnte Vorschrift, daß in Spanien dem Landmann durch Getreiderequisitionen nicht mehr als die zwanzigste Garbe entzogen und auch hierfür der Preis nicht einseitig ausgemacht werden dürfte; die Bestimmung eines Maximalquantums des von dem Statthalter für seine und seines Gefolges Bedürfnisse zu requirierenden Getreides; die vorgängige Anordnung einer festbestimmten und hochgegriffenen Vergütung für das Getreide, das wenigstens in Sizilien häufig für die Bedürfnisse der Hauptstadt eingefordert ward. Allein durch dergleichen Festsetzungen wurde der Druck jener Requisitionen auf die Ökonomie der Gemeinden und der einzelnen in den Provinzen wohl hier und da gelindert, aber keineswegs beseitigt. In außerordentlichen Krisen steigerte dieser Druck sich unvermeidlich und oft ins Grenzenlose, wie denn auch alsdann die Lieferungen nicht selten in der Form der Strafausschreibung oder in der der erzwungenen freiwilligen Beiträge erfolgten, die Vergütung also ganz wegfiel. So zwang Sulla im Jahre 670/71 (84/83) die kleinasiatischen Provinzialen, die allerdings sich aufs schwerste gegen Rom vergangen hatten, jedem bei ihnen einquartierten Gemeinen vierzigfachen (für den Tag 16 Denare = 3 2/3 Taler), jedem Centurio fünfundsiebzigfachen Sold zu gewähren, außerdem Kleidung und Tisch nebst dem Recht, nach Belieben Gäste einzuladen; so schrieb derselbe Sulla bald nachher eine allgemeine Umlage auf die Klientel- und Untertanengemeinden aus, von deren Erstattung natürlich keine Rede war.

Ferner sind die Gemeindelasten nicht aus den Augen zu lassen. Sie müssen verhältnismäßig sehr ansehnlich gewesen sein110, da die Verwaltungskosten, die Instandhaltung der öffentlichen Gebäude, überhaupt alle Zivilausgaben von den städtischen Budgets getragen wurden und die römische Regierung lediglich das Militärwesen aus ihrer Kasse zu bestreiten übernahm. Sogar von diesem Militärbudget aber wurden noch beträchtliche Posten auf die Gemeinden abgewälzt – so die Anlage- und Unterhaltungskosten der nichtitalischen Militärstraßen, die der Flotten in den nichtitalischen Meeren, ja selbst zu einem großen Teil die Ausgaben für das Heerwesen, insofern die Wehrmannschaft der Klientelstaaten wie die der Untertanen auf Kosten ihrer Gemeinden innerhalb ihrer Provinz regelmäßig zum Dienst herangezogen wurden und auch außerhalb derselben Thraker in Afrika, Afrikaner in Italien und so weiter an jedem beliebigen Ort immer häufiger anfingen, mitverwendet zu werden. Wenn nur die Provinzen, nicht aber Italien direkte Abgaben an die Regierung entrichtete, so war dies wo nicht politisch, doch finanziell billig, solange als Italien die Lasten und Kosten des Militärwesens allein trug; seit dies aber aufgegeben ward, waren die Provinzialen auch finanziell entschieden überlastet.

Endlich ist das große Kapitel des Unrechts nicht zu vergessen, durch das die römischen Beamten und Steuerpächter in der mannigfaltigsten Weise die Steuerlast der Provinzen steigerten. Man mochte jedes Geschenk, das der Statthalter nahm, gesetzlich als erpreßtes Gut behandeln, und selbst das Recht zu kaufen ihm durch Gesetz beschränken, seine öffentliche Tätigkeit bot ihm, wenn er unrecht tun wollte, dennoch der Handhaben mehr als genug. Die Einquartierung der Truppen; die freie Wohnung der Beamten und des Schwarmes von Adjutanten senatorischen oder Ritterranges, von Schreibern, Gerichtsdienern, Herolden, Ärzten und Pfaffen; das den Staatsboten zukommende Recht unentgeltlicher Beförderung; die Approbierung und der Transport der schuldigen Naturallieferungen; vor allem die Zwangsverkäufe und die Requisitionen gaben allen Beamten Gelegenheit, aus den Provinzen fürstliche Vermögen heimzubringen; und das Stehlen ward immer allgemeiner, je mehr die Kontrolle der Regierung sich als null erwies und die der Kapitalistengerichte sogar als gefährlich allein für den ehrlichen Beamten. Die durch die Häufigkeit der Klagen über Beamtenerpressung in den Provinzen veranlaßte Einrichtung einer stehenden Kommission für dergleichen Fälle im Jahre 605 (149) und die rasch sich folgenden und die Strafe stets steigernden Erpressungsgesetze zeigen, wie die Flutmesser den Wasserstand, die immer wachsende Höhe des Übels.

Unter all diesen Verhältnissen konnte selbst eine der Anlage nach mäßige Besteuerung effektiv äußerst drückend werden, und daß sie dies war, ist außer Zweifel, wenngleich der ökonomische Druck, den die italischen Kaufleute und Bankiers auf die Provinzen übten, noch weit schwerer auf denselben gelastet haben mag als die Besteuerung mit allen daran hängenden Mißbräuchen.

Fassen wir zusammen, so war die Einnahme, welche Rom aus den Provinzen zog, nicht eigentlich eine Besteuerung der Untertanen in dem Sinn, den wir jetzt damit verbinden, sondern vielmehr überwiegend eine den attischen Tributen vergleichbare Hebung, womit der führende Staat die Kosten des von demselben übernommenen Kriegswesens bestritt. Daraus erklärt sich auch die auffallende Geringfügigkeit des Roh- wie des Reinertrags. Es findet sich eine Angabe, wonach die römische Einnahme, vermutlich mit Ausschluß der italischen Einkünfte und des von den Zehntpächtern in Natur nach Italien abgelieferten Getreides, bis zum Jahr 691 (63) nicht mehr betrug als 200 Mill. Sesterzen (15 Mill. Taler); also nur zwei Drittel der Summe, die der König von Ägypten jährlich aus seinem Lande zog. Nur auf den ersten Blick kann das Verhältnis befremden. Die Ptolemäer beuteten das Niltal aus wie große Plantagenbesitzer und zogen ungeheure Summen aus dem von ihnen monopolisierten Handelsverkehr mit dem Orient; das römische Ärar war nicht viel mehr als die Bundeskriegskasse der unter Roms Schutz geeinigten Gemeinden. Der Reinertrag war wahrscheinlich verhältnismäßig noch geringer. Einen ansehnlichen Überschuß lieferten wohl nur Sizilien, wo das karthagische Besteuerungssystem galt, und vor allem Asia, seit Gaius Gracchus, um seine Getreideverteilung möglich zu machen, daselbst die Bodenkonfiskation und die allgemeine Domanialbesteuerung durchgesetzt hatte; nach vielfältigen Zeugnissen ruhten die römischen Staatsfinanzen wesentlich auf den Abgaben von Asia. Die Versicherung klingt ganz glaublich, daß die übrigen Provinzen durchschnittlich ungefähr so viel kosteten als sie einbrachten; ja diejenigen, welche eine bedeutende Besatzung erforderten, wie beide Spanien, das Jenseitige Gallien, Makedonien, mögen oft mehr gekostet als getragen haben. Im ganzen blieb dem römischen Ärar allerdings in gewöhnlichen Zeiten ein Überschuß, welcher es möglich machte, die Staats- und Stadtbauten reichlich zu bestreiten und einen Notpfennig aufzusammeln; aber auch die für diese Beträge vorkommenden Ziffern, zusammengehalten mit dem weiten Gebiet der römischen Herrschaft, sprechen für die Geringfügigkeit des Reinertrags der römischen Steuern. In gewissem Sinne hat also der alte, ebenso ehrenwerte wie verständige Grundsatz: die politische Hegemonie nicht als nutzbares Recht zu behandeln, ebenwie die römisch-italische so auch noch die provinziale Finanzverfassung beherrscht. Was die römische Gemeinde von ihren überseeischen Untertanen erhob, ward der Regel nach auch für die militärische Sicherung der überseeischen Besitzungen wieder verausgabt; und wenn diese römischen Hebungen dadurch die Pflichtigen schwerer trafen als die ältere Besteuerung, daß sie großenteils im Ausland verausgabt wurden, so schloß dagegen die Ersetzung der vielen kleinen Herren und Heere durch eine einzige Herrschaft und eine zentralisierte Militärverwaltung eine sehr ansehnliche ökonomische Ersparnis ein. Aber freilich erscheint dieser Grundsatz einer besseren Vorzeit in der Provinzialorganisation doch von vornherein innerlich zerstört und durchlöchert durch die zahlreichen Ausnahmen, die man davon sich gestattete. Der hieronisch-karthagische Bodenzehnte in Sizilien ging weit hinaus über den Betrag eines jährlichen Kriegsbeitrags. Mit Recht ferner sagt Scipio Aemilianus bei Cicero, daß es der römischen Bürgerschaft übel anstehe, zugleich den Gebieter und den Zöllner der Nationen zu machen. Die Aneignung der Hafenzölle war mit dem Grundsatz der uneigennützigen Hegemonie nicht vereinbar, und die Höhe der Zollsätze sowie die vexatorische Erhebungsweise nicht geeignet, das Gefühl des hier zugefügten Unrechts zu beschwichtigen. Es gehört wohl schon dieser Zeit an, daß der Name des Zöllners den östlichen Völkerschaften gleichbedeutend mit dem des Frevlers und des Räubers ward; keine Belastung hat so wie diese dazu beigetragen, den römischen Namen besonders im Osten widerwärtig und gehässig zu machen. Als dann aber Gaius Gracchus und diejenige Partei an das Regiment kam, die sich in Rom die populäre nannte, ward die politische Herrschaft unumwunden für ein Recht erklärt, das jedem der Teilhaber Anspruch gab auf eine Anzahl Scheffel Korn, ward die Hegemonie geradezu in Bodeneigentum verwandelt, das vollständige Exploitierungssystem nicht bloß eingeführt, sondern mit unverschämter Offenherzigkeit rechtlich motiviert und proklamiert. Sicher war es auch kein Zufall, daß dabei eben die beiden am wenigsten kriegerischen Provinzen Sizilien und Asia das härteste Los traf.

Einen ungefähren Messer des römischen Finanzstandes dieser Zeit gewähren in Ermangelung bestimmter Angaben noch am ersten die öffentlichen Bauten. In den ersten Dezennien dieser Epoche wurden dieselben in größtem Umfange betrieben, und vor allem die Chausseeanlagen sind zu keiner Zeit so energisch gefördert worden. In Italien schloß sich an die große, vermutlich schon ältere Südchaussee, die als Verlängerung der Appischen von Rom über Capua, Beneventum, Venusia nach den Häfen von Tarent und Brundisium lief, eine Seitenstraße an von Capua bis zur sizilischen Meerenge, ein Werk des Publius Popillius, Konsul 622 (132). An der Ostküste, wo bisher nur die Strecke von Fanum nach Ariminum als Teil der Flaminischen Straße chaussiert gewesen war, wurde die Küstenstraße südwärts bis nach Brundisium, nordwärts über Hatria am Po bis nach Aquileia verlängert und wenigstens das Stück von Ariminum bis Hatria von dem ebengenannten Popillius in dem gleichen Jahr angelegt. Auch die beiden großen etrurischen Chausseen, die Küsten- oder Aurelische Straße von Rom nach Pisa und Luna, an der unter anderem im Jahre 631 (123) gebaut ward, und die über Sutrium und Clusium nach Arretium und Florentia geführte Cassische, die nicht vor 583 (171) gebaut zu sein scheint, dürften als römische Staatschausseen erst dieser Zeit angehören. Um Rom selbst bedurfte es neuer Anlagen nicht; doch wurde die Mulvische Brücke (Ponte Molle), auf der die Flaminische Straße unweit Rom den Tiber überschritt, im Jahre 645 (109) von Stein hergestellt. Endlich in Norditalien, das bis dahin keine andere als die bei Placentia endigende Flaminisch-Ämilische Kunststraße gehabt hatte, wurde im Jahre 606 (148) die große Postumische Straße gebaut, die von Genua über Dertona, wo wahrscheinlich gleichzeitig eine Kolonie gegründet ward, weiter über Placentia, wo sie die Flaminisch-Ämilische Straße aufnahm, Cremona und Verona nach Aquileia führte und also das Tyrrhenische und das Adriatische Meer miteinander verband; wozu noch die im Jahre 645 (109) durch Marcus Aemilius Scaurus hergestellte Verbindung zwischen Luna und Genua hinzukam, welche die Postumische Straße unmittelbar mit Rom verknüpfte. In einer anderen Weise war Gaius Gracchus für das italische Wegewesen tätig. Er sicherte die Instandhaltung der großen Landstraßen, indem er bei der Ackerverteilung längs derselben Grundstücke anwies, auf denen die Verpflichtung der Wegebesserung als dingliche Last haftete; auf ihn ferner oder doch auf die Ackerverteilungskommission scheint, wie die Sitte, die Feldgrenze durch ordentliche Marksteine zu bezeichnen, so auch die der Errichtung von Meilensteinen zurückzugehen; er sorgte endlich für gute Vizinalwege, um auch hierdurch den Ackerbau zu fördern. Aber weit folgenreicher noch war die ohne Zweifel eben in dieser Epoche beginnende Anlage von Reichschausseen in den Provinzen: die Domitische Straße stellte nach langen Vorbereitungen den Landweg von Italien nach Spanien sicher und hing mit der Gründung von Aquae Sextiae und Narbo eng zusammen; die Gabinische und die Egnatische führten von den Hauptplätzen an der Ostküste des Adriatischen Meeres, jene von Salona, diese von Apollonia und Dyrrhachion, in das Binnenland hinein; das unmittelbar nach der Einrichtung der asiatischen Provinz im Jahre 625 (129) von Manius Aquillius angelegte Straßennetz führte von der Hauptstadt Ephesus nach verschiedenen Richtungen bis an die Reichsgrenze – alles Anlagen, über deren Entstehung in der trümmerhaften Überlieferung dieser Epoche keine Angabe zu finden ist, die aber nichtsdestoweniger mit der Konsolidierung der römischen Herrschaft in Gallien, Dalmatien, Makedonien und Kleinasien unzweifelhaft in Zusammenhang standen und für die Zentralisierung des Staats und die Zivilisierung der unterworfenen barbarischen Distrikte von der größten Bedeutung geworden sind.

Wie für die Straßen war man wenigstens in Italien auch für die großen Entsumpfungsarbeiten tätig. So ward im Jahre 594 (160) die Trockenlegung der Pomptinischen Sümpfe, die Lebensfrage für Mittelitalien, mit großem Kraftaufwand und wenigstens vorübergehendem Erfolg angegriffen; so im Jahre 645 (109) in Verbindung mit den norditalischen Chausseebauten zugleich die Entsumpfung der Niederungen zwischen Parma und Placentia bewerkstelligt. Endlich tat die Regierung viel für die zur Gesundheit und Annehmlichkeit der Hauptstadt ebenso unentbehrlichen wie kostspieligen römischen Wasserleitungen. Nicht bloß wurden die beiden seit den Jahren 442 (312) und 492 (262) bereits bestehenden, die Appische und die Anioleitung, im Jahre 610 (144) von Grund aus repariert, sondern auch zwei neue Leitungen angelegt: im Jahre 610 (144) die Marcische, die an Güte und Fülle des Wassers auch später unübertroffen blieb, und neunzehn Jahre nachher die sogenannte Laue. Welche Operationen die römische Staatskasse, ohne vom Kreditsystem Gebrauch zu machen, mittels reiner Barzahlung auszuführen vermochte, zeigt nichts deutlicher als die Art, wie die Marcische Leitung zustande kam: die dazu erforderliche Summe von 180 Mill. Sesterzen (in Gold 13½ Mill. Taler) ward innerhalb dreier Jahre disponibel gemacht und verwandt. Es läßt dies schließen auf eine sehr ansehnliche Reserve des Staatsschatzes, die denn auch schon im Anfang dieser Periode nahe an 6 Mill. Taler betrug und ohne Zweifel beständig im Steigen war.

Alle diese Tatsachen zusammengenommen, lassen allerdings auf einen im allgemeinen günstigen Stand der römischen Finanzen dieser Zeit schließen. Nur darf auch in finanzieller Hinsicht nicht übersehen werden, daß die Regierung während der ersten zwei Drittel dieses Zeitabschnitts zwar glänzende und großartige Bauten ausführte, aber dafür andere wenigstens ebenso notwendige Ausgaben zu machen unterließ. Wie ungenügend sie für das Militärwesen sorgte, ist bereits hervorgehoben worden: in den Grenzlandschaften, ja im Potal plünderten die Barbaren, im Innern hausten selbst in Kleinasien, Sizilien, Italien die Räuberbanden. Die Flotte gar ward völlig vernachlässigt; römische Kriegsschiffe gab es kaum mehr und die Kriegsschiffe, die man durch die Untertanenstädte bauen und erhalten ließ, reichten nicht aus, so daß man nicht bloß schlechterdings keinen Seekrieg zu führen, sondern nicht einmal den Piraten das Handwerk zu legen imstande war. In Rom selbst unterblieben eine Menge der notwendigsten Verbesserungen und namentlich die Flußbauten wurden seltsam vernachlässigt. Immer noch besaß die Hauptstadt keine andere Brücke über den Tiber als den uralten hölzernen Steg, der über die Tiberinsel nach dem Ianiculum führte; immer noch ließ man den Tiber jährlich die Straßen unter Wasser setzen und Häuser, ja nicht selten ganze Quartiere niederwerfen, ohne etwas für die Uferbefestigung zu tun; immer mehr ließ man, wie gewaltig auch der überseeische Handel sich entwickelte, die an sich schon schlechte Reede von Ostia versanden. Eine Regierung, die unter den günstigsten Verhältnissen und in einer Epoche vierzigjährigen Friedens nach außen und innen solche Pflichten versäumt, kann leicht Steuern schwinden lassen und dennoch einen jährlichen Überschuß der Einnahme über die Ausgabe und einen ansehnlichen Sparschatz erzielen; aber eine derartige Finanzverwaltung verdient keineswegs Lob wegen ihrer nur scheinbar glänzenden Ergebnisse, sondern vielmehr dieselben Vorwürfe der Schlaffheit, des Mangels an einheitlicher Leitung, der verkehrten Volksschmeichelei, die auf jedem andern politischen Gebiet gegen das senatorische Regiment dieser Epoche erhoben werden mußten.

Weit schlimmer gestalteten sich natürlich die finanziellen Verhältnisse, als die Stürme der Revolution hereinbrachen. Die neue und, auch bloß finanziell betrachtet, höchst drückende Belastung, die dem Staat aus der durch Gaius Gracchus ihm auferlegten Verpflichtung erwuchs, den hauptstädtischen Bürgern das Getreide zu Schleuderpreisen zu verabfolgen, ward allerdings durch die in der Provinz Asia neu eröffneten Einnahmequellen zunächst wieder ausgeglichen. Nichtsdestoweniger scheinen die öffentlichen Bauten seitdem fast gänzlich ins Stocken gekommen zu sein. So zahlreich die erweislichermaßen von der Schlacht bei Pydna bis auf Gaius Gracchus angelegten öffentlichen Werke sind, so werden dagegen aus der Zeit nach 632 (122) kaum andere genannt als die Brücken-, Straßen und Entsumpfungsanlagen, die Marcus Aemilius Scaurus als Zensor 645 (109) anordnete. Es muß dahingestellt bleiben, ob dies die Folge der Kornverteilungen ist oder, wie vielleicht wahrscheinlicher, die Folge des gesteigerten Sparschatzsystems, wie es sich schickt für ein immer mehr zur Oligarchie erstarrendes Regiment, und wie es angedeutet ist in der Angabe, daß der römische Reservefonds seinen höchsten Stand im Jahre 663 (91) erreichte. Der fürchterliche Insurrektions- und Revolutionssturm in Verbindung mit dem fünfjährigen Ausbleiben der kleinasiatischen Gefälle war die erste nach dem Hannibalischen Krieg wieder den römischen Finanzen zugemutete ernste Probe; sie haben dieselbe nicht bestanden. Nichts vielleicht zeichnet so klar den Unterschied der Zeiten, als daß im Hannibalischen Krieg erst im zehnten Kriegsjahre, als die Bürgerschaft den Steuern fast erlag, der Sparschatz angegriffen, dagegen der Bundesgenossenkrieg gleich von Haus aus auf den Kassenbestand fundiert ward und, als schon nach zwei Feldzügen derselbe bis auf den letzten Pfennig ausgegeben war, man lieber die öffentlichen Plätze in der Hauptstadt versteigerte und die Tempelschätze angriff, als eine Steuer auf die Bürger ausschrieb. Indes der Sturm, so arg er war, ging vorüber; Sulla stellte, freilich unter ungeheuren, namentlich den Untertanen und den italischen Revolutionären aufgebürdeten ökonomischen Opfern, die Ordnung in den Finanzen wieder her und sicherte, indem er die Getreidespenden aufhob, die asiatischen Abgaben aber, wenn auch gemindert, doch beibehielt, dem Gemeinwesen wenigstens in dem Sinn einen befriedigenden ökonomischen Zustand, als die ordentlichen Ausgaben weit unter den ordentlichen Einnahmen blieben.

In der Privatökonomie dieser Zeit tritt kaum ein neues Moment hervor; die früher dargelegten Vorzüge und Nachteile der sozialen Verhältnisse Italiens werden nicht verändert, sondern nur weiter und schärfer entwickelt. In der Bodenwirtschaft sahen wir bereits früher die steigende römische Kapitalmacht den mittleren und kleinen Grundbesitz in Italien sowohl wie in den Provinzen allmählich verzehren, wie die Sonne die Regentropfen aufsaugt. Die Regierung sah nicht bloß zu ohne zu wehren, sondern förderte noch die schädliche Bodenteilung durch einzelne Maßregeln, vor allem durch das zu Gunsten der großen italischen Grundbesitzer und Kaufleute ausgesprochene Verbot der transalpinischen Wein- und Ölproduktion111. Zwar wirkten sowohl die Opposition als die auf die Reformideen eingehende Fraktion der Konservativen energisch dem übel entgegen: indem die beiden Gracchen die Aufteilung fast des gesamten Domaniallandes durchsetzten, gaben sie dem Staat 80000 neue italische Bauern; indem Sulla 120000 Kolonisten in Italien ansiedelte, ergänzte er wenigstens einen Teil der von der Revolution und von ihm selbst in die Reihen der italischen Bauernschaft gerissenen Lücken; allein dem durch stetigen Abfluß sich leerenden Gefäß ist nicht durch Einschöpfen auch beträchtlicher Massen, sondern nur durch Herstellung eines stetigen Zuflusses zu helfen, welche vielfach versucht ward, aber nicht gelang. In den Provinzen nun gar geschah nicht das Geringste, um den dortigen Bauernstand vor dem Auskaufen durch die römischen Spekulanten zu retten: die Provinzialen waren ja bloß Menschen und keine Partei. Die Folge war, daß mehr und mehr auch die außeritalische Bodenrente nach Rom floß. Übrigens war die Plantagenwirtschaft, die um die Mitte dieser Epoche selbst in einzelnen Landschaften Italiens, zum Beispiel in Etrurien, bereits durchaus überwog, bei dem Zusammenwirken eines energischen und rationellen Betriebs und reichlicher Geldmittel in ihrer Art zu hoher Blüte gelangt. Die italische Weinproduktion vor allem, die teils die Eröffnung gezwungener Märkte in einem Teil der Provinzen, teils das zum Beispiel in dem Aufwandgesetz von 593 (161) ausgesprochene Verbot der ausländischen Weine in Italien auch künstlich förderten, erzielte sehr bedeutende Erfolge; der Amineer und der Falerner fingen an, neben dem Thasier und Chier genannt zu werden, und der „Opimische Wein“ vom Jahre 633 (121), der römische Elfer, blieb im Andenken, lange nachdem der letzte Krug geleert war.

Von Gewerben und Fabrikation ist nichts zu sagen, als daß die italische Nation in dieser Hinsicht in einer an Barbarei grenzenden Passivität verharrte. Man zerstörte wohl die korinthischen Fabriken, die Depositare so mancher wertvollen gewerblichen Tradition, aber nicht um selbst ähnliche Fabriken zu gründen, sondern um zu Schwindelpreisen zusammenzukaufen, was die griechischen Häuser an korinthischen Ton- oder Kupfergefäßen und ähnlichen „alten Arbeiten“ bewahrten. Was von Gewerken noch einigermaßen gedieh, wie zum Beispiel die mit dem Bauwesen zusammenhängenden, trug für das Gemeinwesen deshalb kaum einen Nutzen, weil auch hier bei jeder größeren Unternehmung die Sklavenwirtschaft sich ins Mittel legte; wie denn zum Beispiel die Anlage der Marcischen Wasserleitung in der Art erfolgte, daß die Regierung mit 3000 Meistern zugleich Bau- und Lieferungsverträge abschloß, von denen dann jeder mit seiner Sklavenschar die übernommene Arbeit beschaffte.

Die glänzendste oder vielmehr die allein glänzende Seite der römischen Privatwirtschaft ist der Geldverkehr und der Handel. An der Spitze stehen die Domanial- und die Steuerpachtungen, durch die ein großer, vielleicht der größte Teil der römischen Staatseinnahmen in die Taschen der römischen Kapitalisten floß. Der Geldverkehr ferner war im ganzen Umfang des römischen Staats von den Römern monopolisiert; jeder in Gallien umgesetzte Pfennig, heißt es in einer bald nach dem Ende dieser Periode herausgegebenen Schrift, geht durch die Bücher der römischen Kaufleute, und so war es ohne Zweifel überall. Wie das Zusammenwirken der rohen ökonomischen Zustände und der rücksichtslosen Ausnutzung der politischen Übermacht zu Gunsten der Privatinteressen eines jeden vermögenden Römers eine wucherliche Zinswirtschaft allgemein machte, zeigt zum Beispiel die Behandlung der von Sulla der Provinz Asia 670 (84) auferlegten Kriegssteuer, die die römischen Kapitalisten vorschossen; sie schwoll mit gezahlten und nichtgezahlten Zinsen binnen vierzehn Jahren auf das Sechsfache ihres ursprünglichen Betrags an. Die Gemeinden mußten ihre öffentlichen Gebäude, ihre Kunstwerke und Kleinodien, die Eltern ihre erwachsenen Kinder verkaufen, um dem römischen Gläubiger gerecht zu werden; es war nichts Seltenes, daß der Schuldner nicht bloß der moralischen Tortur unterworfen, sondern geradezu auf die Marterbank gelegt ward. Hierzu kam endlich der Großhandel. Italiens Ausfuhr und Einfuhr waren sehr beträchtlich. Jene bestand vornehmlich in Wein und Öl, womit Italien neben Griechenland fast ausschließlich – die Weinproduktion in der massaliotischen und turdetanischen Landschaft kann damals nur gering gewesen sein – das gesamte Mittelmeergebiet versorgte; italischer Wein ging in bedeutenden Quantitäten nach den Balearischen Inseln und Keltiberien, nach Africa, das nur Acker- und Weideland war, nach Narbo und in das innere Gallien. Bedeutender noch war die Einfuhr nach Italien, wo damals aller Luxus sich konzentrierte und die meisten Luxusartikel, Speisen, Getränke, Stoffe, Schmuck, Bücher, Hausgerät, Kunstwerke, über See eingeführt wurden. Vor allem aber der Sklavenhandel nahm infolge der stets steigenden Nachfrage der römischen Kaufleute einen Aufschwung, dessengleichen man im Mittelmeergebiet noch nicht gekannt hatte und der mit dem Aufblühen der Piraterie im engsten Zusammenhang steht; alle Länder und alle Nationen wurden dafür in Kontribution gesetzt, die Hauptfangplätze aber waren Syrien und das innere Kleinasien. In Italien konzentrierte die überseeische Einfuhr sich vorzugsweise in den beiden großen Emporien am Tyrrhenischen Meer, Ostia und Puteoli. Nach Ostia, dessen Reede wenig taugte, das aber, als der nächste Hafen an Rom, für weniger werthafte Waren der geeignetste Stapelplatz war, zog sich die für die Hauptstadt bestimmte Korneinfuhr, dagegen der Luxushandel mit dem Osten überwiegend nach Puteoli, das durch seinen guten Hafen für Schiffe mit wertvoller Ladung sich empfahl und in der mehr und mehr mit Landhäusern sich füllenden Gegend von Baiae den Kaufleuten einen dem hauptstädtischen wenig nachstehenden Markt in nächster Nähe darbot. Lange Zeit ward dieser letztere Verkehr durch Korinth und nach dessen Vernichtung durch Delos vermittelt, wie denn in diesem Sinne Puteoli bei Lucilius das italische „Klein-Delos“ heißt; nach der Katastrophe aber, die Delos im Mithradatischen Kriege betraf, und von der es sich nicht wieder erholt hat, knüpften die Puteolaner direkte Handelsverbindungen mit Syrien und Alexandreia an und entwickelte damit ihre Stadt immer entschiedener sich zu dem ersten überseeischen Handelsplatz Italiens. Aber nicht bloß der Gewinn, der bei der italischen Aus- und Einfuhr gemacht ward, fiel wesentlich den Italikern zu; auch in Narbo konkurrierten sie im keltischen Handel mit den Massalioten, und überhaupt leidet es keinen Zweifel, daß die überall fluktuierend oder ansässig anzutreffende römische Kaufmannschaft den besten Teil aller Spekulationen für sich nahm.

Fassen wir diese Erscheinungen zusammen, so erkennen wir als den hervorstechenden Zug der Privatwirtschaft dieser Epoche die der politischen ebenbürtig zur Seite gehende finanzielle Oligarchie der römischen Kapitalisten. In ihren Händen vereinigt sich die Bodenrente fast des ganzen Italiens und der besten Stücke des Provinzialgebiets, die wucherliche Rente des von ihnen monopolisierten Kapitals, der Handelsgewinn aus dem gesamten Reiche, endlich in Form der Pachtnutzung ein sehr beträchtlicher Teil der römischen Staatseinkünfte. Die immer zunehmende Anhäufung der Kapitalien zeigt sich in dem Steigen des Durchschnittsatzes des Reichtums: 3 Mill. Sesterzen (228000 Taler) war jetzt ein mäßiges senatorisches, 2 Mill. (152000 Taler) ein anständiges Rittervermögen; das Vermögen des reichsten Mannes der Gracchischen Zeit, des Publius Crassus, Konsul 623 131), ward auf 100 Mill. Sesterzen (7½Mill. Taler) geschätzt. Es ist kein Wunder, wenn dieser Kapitalistenstand die äußere Politik vorwiegend bestimmt, wenn er aus Handelsrivalität Karthago und Korinth zerstört, wie einst die Etrusker Alalia, die Syrakusier Caere zerstörten, wenn er dem Senat zum Trotz die Gründung von Narbo aufrecht erhält. Es ist ebenfalls kein Wunder, wenn diese Kapitalistenoligarchie in der inneren Politik der Adelsoligarchie eine ernstliche und oft siegreiche Konkurrenz macht. Es ist aber auch kein Wunder, wenn ruinierte reiche Leute sich an die Spitze empörter Sklavenhaufen stellen und das Publikum sehr unsanft daran erinnert, daß aus dem eleganten Bordell der Übergang zu der Räuberhöhle leicht gefunden ist. Es ist kein Wunder, wenn jeder finanzielle Babelturm mit seiner nicht rein ökonomischen, sondern der politischen Übermacht Roms entlehnten Grundlage bei jeder ernsten politischen Krise ungefähr in derselben Art schwankt wie unser sehr ähnlicher Staatspapierbau. Die ungeheure Finanzkrise, die im Verfolg der italisch-asiatischen Bewegungen 664f. (90) über den römischen Kapitalistenstand hereinbrach, die Bankrotte des Staates und der Privaten, die allgemeine Entwertung der Grundstücke und der Gesellschaftsparten können wir im einzelnen nicht mehr verfolgen; wohl aber lassen im allgemeinen keinen Zweifel an ihrer Art und ihrer Bedeutung ihre Resultate: die Ermordung des Gerichtsherrn durch einen Gläubigerhaufen, der Versuch, alle nicht von Schulden freien Senatoren aus dem Senat zu stoßen, die Erneuerung des Zinsmaximum durch Sulla, die Kassation von 75 Prozent aller Forderungen durch die revolutionäre Partei. Die Folge dieser Wirtschaft war natürlich in den Provinzen allgemeine Verarmung und Entvölkerung, wogegen die parasitische Bevölkerung reisender oder auf Zeit ansässiger Italiker überall im Steigen war. In Kleinasien sollen an einem Tage 80000 Menschen italischer Abkunft umgekommen sein. Wie zahlreich dieselben auf Delos waren, beweisen die noch auf der Insel vorhandenen Denksteine und die Angabe, daß hier 20000 Fremde, meistens italische Kaufleute, auf Mithradates‘ Befehl getötet wurden. In Afrika waren der Italiker so viele, daß sogar die numidische Stadt Cirta hauptsächlich durch sie gegen Jugurtha verteidigt werden konnte. Auch Gallien, heißt es, war angefüllt mit römischen Kaufleuten; nur für Spanien finden sich, vielleicht nicht zufällig, dergleichen Angaben nicht. In Italien selbst ist dagegen der Stand der freien Bevölkerung in dieser Epoche ohne Zweifel im ganzen zurückgegangen. Allerdings haben die Bürgerkriege hierzu wesentlich mitgewirkt, welche nach allgemeingehaltenen und freilich wenig zuverlässigen Angaben 100000 bis 150000 Köpfe von der römischen Bürgerschaft, 300000 von der italischen Bevölkerung überhaupt weggerafft haben sollen; aber schlimmer wirkten der ökonomische Ruin des Mittelstandes und die maßlose Ausdehnung der kaufmännischen Emigration, die einen großen Teil der italischen Jugend während ihrer kräftigsten Jahre im Ausland zu verweilen veranlaßte. Einen Ersatz sehr zweifelhaften Wertes gewährte dafür die freie parasitische hellenisch-orientalische Bevölkerung, die als königliche oder Gemeindediplomaten, als Ärzte, Schulmeister, Pfaffen, Bediente, Schmarotzer und in den tausendfachen Ämtern der Industrieritter- und Gaunerschaft in der Hauptstadt, als Händler und Schiffer namentlich in Ostia, Puteoli und Brundisium verweilten. Noch bedenklicher war das unverhältnismäßige Steigen der Sklavenmenge auf der Halbinsel. Die italische Bürgerschaft zählte nach der Schätzung des Jahres 684 (70) 910000 waffenfähige Männer, wobei, um den Betrag der freien Bevölkerung auf der Halbinsel zu erhalten, die in der Schätzung zufällig übergangenen, die Latiner in der Landschaft zwischen den Alpen und dem Po und die in Italien domizilierten Ausländer, hinzu-, die auswärts domizilierten römischen Bürger dagegen abzurechnen sind. Es wird demnach kaum möglich sein, die freie Bevölkerung der Halbinsel höher als auf 6 bis 7 Mill. Köpfe anzusetzen. Wenn die damalige Gesamtbevölkerung derselben der gegenwärtigen gleichkam, so hätte man danach eine Sklavenmasse von 13 bis 14 Mill. Köpfen anzunehmen. Es bedarf indes solcher trüglichen Berechnungen nicht, um die gefährliche Spannung dieser Verhältnisse anschaulich zu machen; laut genug reden die partiellen Sklaveninsurrektionen und der seit dem Beginn der Revolutionen am Schlusse eines jeden Aufstandes erschallende Aufruf an die Sklaven, die Waffen gegen ihre Herren zu ergreifen und die Freiheit sich zu erfechten. Wenn man sich England vorstellt mit seinen Lords, seinen Squires und vor allem seiner City, aber die Freeholders und Pächter in Proletarier, die Arbeiter und Matrosen in Sklaven verwandelt, so wird man ein ungefähres Bild der damaligen Bevölkerung der italischen Halbinsel gewinnen.

Wie im klaren Spiegel liegen die ökonomischen Verhältnisse dieser Epoche noch heute uns vor in dem römischen Münzwesen. Die Behandlung desselben zeigt durchaus den einsichtigen Kaufmann. Seit langer Zeit standen Gold und Silber als allgemeine Zahlmittel nebeneinander, so daß zwar zum Zweck allgemeiner Kassebilanzen ein festes Wertverhältnis zwischen beiden Metallen gesetzlich normiert war, aber doch regelmäßig es nicht freistand, ein Metall für das andere zu geben, sondern je nach dem Inhalt der Verschreibung in Gold oder Silber zu zahlen war. Auf diesem Wege wurden die großen Übelstände vermieden, die sonst an die Aufstellung eines doppelten Wertmetalls unvermeidlich sich knüpfen; die starken Goldkrisen – wie denn zum Beispiel um 600 (150) infolge der Entdeckung der tauriskischen Goldlager das Gold gegen Silber auf einmal in Italien um 33 2/3 Prozent abschlug – wirkten wenigstens nicht direkt auf die Silbermünze und den Kleinverkehr ein. Es lag in der Natur der Sache, daß, je mehr der überseeische Verkehr sich ausdehnte, desto entschiedener das Gold aus der zweiten in die erste Stelle eintrat, was denn auch die Angaben über die Staatskassenbestände und die Staatskassengeschäfte bestätigen; aber die Regierung ließ sich dadurch nicht bewegen, das Gold auch in die Münze einzuführen. Die in der Not des Hannibalischen Krieges versuchte hatte man längst wieder fallen lassen; die wenigen Goldstücke, die Sulla als Regent schlug, sind kaum mehr gewesen als Gelegenheitsmünze für seine Triumphalgeschenke. Nach wie vor zirkulierte als wirkliche Münze ausschließlich das Silber; das Gold ward, mochte es nun, wie gewöhnlich, in Barren umlaufen oder ausländisches oder allenfalls auch inländisches Gepräge tragen, lediglich nach dem Gewicht genommen. Dennoch standen Gold und Silber als Verkehrsmittel gleich, und die betrügliche Legierung des Goldes wurde gleich der Prägung falscher Silbermünzen rechtlich als Münzvergehen betrachtet. Man erreichte hierdurch den unermeßlichen Vorteil, bei dem wichtigsten Zahlmittel selbst die Möglichkeit der Münzdefraude und Münzveruntreuung abzuschneiden. übrigens war die Münzprägung ebenso reichlich wie musterhaft. Nachdem im Hannibalischen Kriege das Silberstück von 1/72 auf 1/84 Pfund reduziert worden war, ist dasselbe mehr als drei Jahrhunderte hindurch vollkommen gleich schwer und gleich fein geblieben; eine Legierung fand nicht statt. Die Kupfermünze wurde um den Anfang dieser Periode völlig zur Scheidemünze und hörte auf, wie früher, im Großverkehr gebraucht zu werden; aus diesem Grunde wurde etwa seit dem Anfang des siebenten Jahrhunderts der As nicht mehr geschlagen und die Kupferprägung beschränkt auf die im Silber nicht füglich herzustellenden Kleinwerte von einem Semis (fast 3 Pfennig) und darunter. Die Münzsorten waren nach einem einfachen Prinzip geordnet und in der damals kleinsten Münze gewöhnlicher Prägung, dem Quadrans (1½ Pfennig), hinabgeführt bis an die Grenze der fühlbaren Werte. Es war ein Münzsystem, das an prinzipieller Verständigkeit der Grundlagen wie an eisern strenger Durchführung derselben im Altertum einzig dasteht und auch in der neueren Zeit nur selten erreicht worden ist. Doch hat auch dies seinen wunden Fleck. Nach einer im ganzen Altertum gemeinen, in ihrer höchsten Entwicklung in Karthago auftretenden Sitte gab auch die römische Regierung mit den guten silbernen Denaren zugleich kupferne, mit Silber plattierte aus, welche gleich jenen genommen werden mußten und nichts waren als ein unserem Papiergeld analoges Zeichengeld mit Zwangskurs und Fundierung auf die Staatskasse, insofern auch diese nicht befugt war, die plattierten Stücke zurückzuweisen. Eine offizielle Falschmünzerei war dies so wenig wie unsere Papiergeldfabrikation, da man die Sache ganz offen betrieb: Marcus Drusus beantragte 663 (91), um die Mittel für seine Kornspenden zu gewinnen, die Emission von einem plattierten auf je sieben silberne, neu aus der Münze hervorgehende Denare; allein nichtsdestoweniger bot diese Maßregel nicht bloß der privaten Falschmünzerei eine bedenkliche Handhabe, sondern sie ließ auch das Publikum absichtlich darüber im ungewissen, ob es Silber- oder Zeichengeld empfange und in welchem Gesamtbetrag das letztere in Umlauf sei. In der bedrängten Zeit des Bürgerkrieges und der großen finanziellen Krise scheint man der Planierung sich so über die Gebühr bedient zu haben, daß zu der Finanzkrise eine Münzkrise sich gesellte und die Masse der falschen und faktisch entwerteten Stücke den Verkehr höchst unsicher machte. Deshalb wurde während des Cinnanischen Regiments von den Prätoren und Tribunen, zunächst von Marcus Marius Gratidianus, die Einlösung des sämtlichen Zeichengeldes durch Silbergeld verfügt und zu dem Ende ein Probierbüro eingerichtet. Inwieweit die Aufrufung durchgeführt ward, ist nicht überliefert; die Zeichengeldprägung selbst blieb bestehen.

Was die Provinzen anlangt, so ward in Gemäßheit der grundsätzlichen Beseitigung der Goldmünze die Goldprägung nirgends, auch in den Klientelstaaten nicht gestattet; so daß die Goldprägung in dieser Zeit nur vorkommt, wo Rom gar nichts zu sagen hatte, namentlich bei den Kelten nordwärts von den Cevennen und bei den gegen Rom sich auflehnenden Staaten, wie denn die Italiker sowohl wie auch Mithradates Eupator Goldmünzen schlugen. Auch die Silberprägung zeigt die Regierung sich bestrebt, mehr und mehr in ihre Hand zu bringen, vornehmlich im Westen. In Afrika und Sardinien mag die karthagische Gold- und Silbermünze auch nach dem Sturz des karthagischen Staats im Umlauf geblieben sein; aber geschlagen wurde daselbst in Edelmetallen weder auf karthagischen noch auf römischen Fuß, und sicher hat sehr bald nach der Besitzergreifung der Römer auch in dem Verkehr beider Landschaften der von Italien eingeführte Denar das Übergewicht erhalten. In Spanien und Sizilien, die früher an Rom gekommen sind und überhaupt eine mildere Behandlung erfuhren, ist zwar unter römischer Herrschaft in Silber geprägt, ja in dem ersteren Lande die Silberprägung erst durch die Römer und auf römischen Fuß ins Leben gerufen worden; aber es sind gute Gründe vorhanden für die Annahme, daß auch in diesen beiden Landschaften wenigstens seit dem Anfang des siebenten Jahrhunderts die provinziale und städtische Prägung sich auf die kupferne Scheidemünze hat beschränken müssen. Nur im Narbonesischen Gallien konnte der altverbündeten und ansehnlichen Freistadt Massalia das Recht der Silberprägung nicht entzogen werden; und dasselbe gilt vermutlich von den illyrischen Griechenstädten Apollonia und Dyrrhachion. Indes beschränkte man doch diesen Gemeinden indirekt ihr Münzrecht dadurch, daß der Dreivierteldenar, der nach Anordnung der römischen Regierung dort wie hier geprägt ward und der unter dem Namen des Victoriatus in das römische Münzsystem aufgenommen worden war, um die Mitte des 7. Jahrhunderts in diesem beseitigt ward; wovon die Folge sein mußte, daß das massaliotische und illyrische Courant aus Oberitalien verdrängt wurde und außer seinem einheimischen Gebiete nur noch etwa in den Alpen- und Donaulandschaften gangbar blieb. So weit war man also bereits in dieser Epoche, daß in der gesamten Westhälfte des römischen Staates der Denarfuß ausschließlich herrschte: denn Italien, Sizilien – von dem es für den Anfang der nächsten Epoche ausdrücklich bezeugt ist, daß daselbst kein anderes Silbergeld umlief als der Denar –, Sardinien, Afrika brauchten ausschließlich römisches Silbergeld, und das in Spanien noch umlaufende Provinzialsilber sowie die Silbermünze der Massalioten und Illyriker war wenigstens auf Denarfuß geschlagen. Anders war es im Osten. Hier, wo die Zahl der seit alter Zeit münzenden Staaten und die Masse der umlaufenden Landesmünze sehr ansehnlich war, drang der Denar nicht in größerem Umfang ein, wenn er auch vielleicht gesetzlich gangbar erklärt ward: vielmehr blieb hier entweder der bisherige Münzfuß, wie zum Beispiel Makedonien noch als Provinz, wenn auch teilweise mit Hinzufügung der Namen von römischen Beamten zu dem der Landschaft, seine attischen Tetradrachmen geschlagen und gewiß wesentlich kein anderes Geld gebracht hat; oder es wurde unter römischer Autorität ein den Verhältnissen entsprechender eigentümlicher Münzfuß neu eingeführt, wie denn bei der Einrichtung der Provinz Asia derselben ein neuer Stater, der sogenannte Cistophorus, von der römischen Regierung geordnet und dieser seitdem von den Bezirkshauptstädten daselbst unter römischer Oberaufsicht geschlagen ward. Diese wesentliche Verschiedenheit des okzidentalischen und des orientalischen Münzwesens ist von der größten geschichtlichen Bedeutung geworden: die Romanisierung der unterworfenen Länder hat in der Annahme der römischen Münze einen ihrer wichtigsten Hebel gefunden, und es ist kein Zufall, daß dasjenige, was wir in dieser Epoche als Gebiet des Denars bezeichnet haben, späterhin zu der lateinischen, dagegen das Gebiet der Drachme späterhin zu der griechischen Reichshälfte geworden ist. Noch heutigentags stellt jenes Gebiet im wesentlichen den Inbegriff der romanischen Kultur dar, während dieses dagegen aus der europäischen Zivilisation sich ausgeschieden hat.

Wie bei solchen ökonomischen Zuständen die sozialen Verhältnisse sich gestalten mußten, ist im allgemeinen leicht zu ermessen, die Steigerung aber des Raffinements, der Preise, des Ekels und der Leere im besonderen zu verfolgen weder erfreulich noch lehrreich. Verschwendung und sinnlicher Genuß war die Losung überall, bei den Parvenus so gut wie bei den Liciniern und Metellern; nicht der feine Luxus gedieh, der die Blüte der Zivilisation ist, sondern derjenige, der in der verkommenden hellenischen Zivilisation Kleinasiens und Alexandreias sich entwickelt hatte, der alles Schöne und Bedeutende zur Dekoration entadelte und auf den Genuß studierte mit einer mühseligen Pedanterie, einer zopfigen Tüftelei, die ihn dem sinnlich wie dem geistig frischen Menschen gleich ekelhaft macht. Was die Volksfeste anlangt, so wurde, es scheint um die Mitte dieses Jahrhunderts, durch einen von Gnaeus Aufidius beantragten Bürgerschluß die in der catonischen Zeit untersagte Einfuhr überseeischer Bestien förmlich wieder gestattet, wodurch denn die Tierhetzen in schwunghaften Betrieb kamen und ein Hauptstück der Bürgerfeste wurden. Um 651 (103) erschienen in der römischen Arena zuerst mehrere Löwen, 655 (99) die ersten Elefanten; 661 (93) ließ Sulla als Prätor schon hundert Löwen auftreten. Dasselbe gilt von den Fechterspielen. Wenn die Altvordern die Bilder großer Schlachten öffentlich ausgestellt hatten, so fingen die Enkel an, dasselbe von ihren Gladiatorenspielen zu tun und mit solchen Haupt- und Staatsaktionen der Zeit sich selber vor den Nachkommen zu verspotten. Welche Summen dafür und für die Begräbnisfeierlichkeiten überhaupt aufgingen, kann man aus dem Testament des Marcus Aemilius Lepidus (Konsul 567, 579 187, 175; † 592 152) abnehmen; derselbe befahl seinen Kindern, da die wahrhafte letzte Ehre nicht in leerem Gepränge, sondern in der Erinnerung an die eigenen und der Ahnen Verdienste bestehe, auf seine Bestattung nicht mehr als 1 Mill. Asse (76000 Taler) zu verwenden. Auch der Bau- und Gartenluxus war im Steigen; das prachtvolle und namentlich wegen der alten Bäume des Gartens berühmte Stadthaus des Redners Crassus († 663 91) ward mit den Bäumen auf 6 Mill. Sesterzen (457000 Taler), ohne diese auf die Hälfte geschätzt, während der Wert eines gewöhnlichen Wohnhauses in Rom etwa auf 60000 Sesterzen (4600 Taler) angeschlagen werden kann112. Wie rasch die Preise der Luxusgrundstücke stiegen, zeigt das Beispiel der Misenischen Villa, die Cornelia, die Mutter der Gracchen, für 75000 Sesterzen (5700 Taler), Lucius Lucullus, Konsul 680 (74) um den dreiunddreißigfachen Preis erstand. Die Villenbauten und das raffinierte Land- und Badeleben machten Baiae und überhaupt die Umgegend des Golfs von Neapel zum Eldorado des vornehmen Müßiggangs. Die Hasardspiele, bei denen es keineswegs mehr, wie bei dem italischen Knöchelspiel, um Nüsse ging, wurden gemein und schon 639 (115) ein zensorisches Edikt dagegen erlassen. Gazestoffe, die die Formen mehr zeigten als verhüllten, und seidene Kleider fingen an, bei Frauen und selbst bei Männern die alten wollenen Röcke zu verdrängen. Gegen die rasende Verschwendung, die mit ausländischen Parfümerien getrieben ward, stemmten sich vergeblich die Aufwandgesetze. Aber der eigentliche Glanz- und Brennpunkt dieses vornehmen Lebens war die Tafel. Man bezahlte Schwindelpreise – bis 100000 Sesterzen (7600 Taler) – für einen ausgesuchten Koch; man baute mit Rücksicht darauf und versah namentlich die Landhäuser an der Küste mit eigenen Salzwasserteichen, um Seefische und Austern jederzeit frisch auf die Tafel liefern zu können; man nannte es schon ein elendes Diner, wenn das Geflügel ganz und nicht bloß die erlesenen Stücke den Gästen vorgelegt wurden und wenn diesen zugemutet ward, von den einzelnen Gerichten zu essen und nicht bloß zu kosten; man bezog für schweres Geld ausländische Delikatessen und griechischen Wein, der bei jeder anständigen Mahlzeit wenigstens einmal herumgereicht werden mußte. Vor allem bei der Tafel glänzte die Schar der Luxussklaven, die Kapelle, das Ballett, das elegante Mobiliar, die goldstrotzenden oder gemäldeartig gestickten Teppiche, die Purpurdecken, das antike Bronzegerät, das reiche Silbergeschirr. Hiergegen zunächst richteten sich die Luxusgesetze, die häufiger (593, 639, 665, 673 161, 115, 89, 82) und ausführlicher als je ergingen: eine Menge Delikatessen und Weine wurden darin gänzlich untersagt, für andere nach Gewicht und Preis ein Maximum festgesetzt, ebenso die Quantität des silbernen Tafelgeschirrs gesetzlich beschränkt, endlich allgemeine Maximalbeträge der Kosten der gewöhnlichen und der Festtagsmahlzeit vorgeschrieben, zum Beispiel 593 (161) von 10 und 100 (17½ Groschen und 5½ Taler), 673 (81) von 30 und 300 Sesterzen (1 Taler, 22 Groschen und 17 Taler). Zur Steuer der Wahrheit muß leider hinzugefügt werden, daß von allen vornehmen Römern nicht mehr als drei, und zwar keineswegs die Gesetzgeber selber, diese staatlichen Gesetze befolgt haben sollen; auch diesen dreien aber beschnitt nicht das Gesetz des Staates den Küchenzettel, sondern das der Stoa. Es lohnt der Mühe, einen Augenblick noch bei dem trotz all dieser Gesetze steigenden Luxus im Silbergerät zu verweilen. Im sechsten Jahrhundert war silbernes Tafelgeschirr mit Ausnahme des althergebrachten silbernen Salzfasses eine Ausnahme; die karthagischen Gesandtschaften spotteten darüber, daß sie in jedem Hause, wo man sie eingeladen, dasselbe silberne Tafelgerät wiedergefunden hätten. Noch Scipio Aemilianus besaß nicht mehr als 32 Pfund (800 Taler) an verarbeitetem Silber; sein Neffe Quintus Fabius (Konsul 633 121) brachte es zuerst auf 1000 (25 000 Taler), Marcus Drusus (Volkstribun 633 121) schon auf 10000 Pfund (250000 Taler); in Sullas Zeit zählte man in der Hauptstadt bereits gegen 150 hundertpfündige silberne Prachtschüsseln, von denen manche ihren Besitzer auf die Proskriptionsliste brachte. Um die hierfür verschwendeten Summen zu ermessen, muß man sich erinnern, daß auch die Arbeit schon mit ungeheuren Preisen bezahlt ward, wie denn für ausgezeichnetes Silbergerät Gaius Gracchus den fünfzehn-, Lucius Crassus (Konsul 659 95) den achtzehnfachen Metallwert bezahlte, der letztere für ein Becherpaar eines namhaften Silberarbeiters 100 000 Sesterzen (7600 Taler) gab. So war es verhältnismäßig überall.

Wie es um Ehe und Kinderzeugung stand, zeigen schon die Gracchischen Ackergesetze, die zuerst darauf eine Prämie setzten. Die Scheidung, einst in Rom fast unerhört, war jetzt ein alltägliches Ereignis; wenn bei der ältesten römischen Ehe der Mann die Frau gekauft hatte, so hätte man den jetzigen vornehmen Römern vorschlagen mögen, um zu der Sache auch den Namen zu haben, eine Ehemiete einzuführen. Selbst ein Mann .wie Metellus Macedonicus, der durch seine ehrenwerte Häuslichkeit und seine zahlreiche Kinderschar die Bewunderung seiner Zeitgenossen war, schärfte als Zensor 623 (131) den Bürgern die Pflicht, im Ehestande zu leben, in der Art ein, daß er denselben bezeichnete als eine drückende, aber von den Patrioten pflichtmäßig zu übernehmende öffentliche Last.113

Allerdings gab es Ausnahmen. Die landstädtischen Kreise, namentlich die der größeren Gutsbesitzer, hatten die alte ehrenwerte latinische Nationalsitte treuer bewahrt. In der Hauptstadt aber war die catonische Opposition zur Phrase geworden; die moderne Richtung herrschte souverän und, wenn auch einzelne fest und fein organisierte Naturen, wie Scipio Aemilianus, römische Sitte mit attischer Bildung zu vereinigen wußten, war doch bei der großen Menge der Hellenismus gleichbedeutend mit geistiger und sittlicher Verderbnis. Den Rückschlag dieser sozialen Übelstände auf die politischen Verhältnisse darf man niemals aus den Augen verlieren, wenn man die römische Revolution verstehen will. Es war nicht gleichgültig, daß von den beiden vornehmen Männern, die im Jahre 662 (92) als oberste Sittenmeister der Gemeinde fungierten, der eine dem andern öffentlich vorrückte, daß er einer Muräne, dem Stolz seines Fischteichs, bei ihrem Tode Tränen nachgeweint habe, und dieser wieder jenem, daß er drei Frauen begraben und um keine eine Träne geweint habe. Es war nicht gleichgültig, daß im Jahre 593 (161) auf offenem Markt ein Redner folgende Schilderung eines senatorischen Zivilgeschworenen zum besten geben konnte, den der angesetzte Termin in dem Kreise seiner Zechbrüder findet. „Sie spielen Hasard, fein parfümiert, die Mätressen um sie herum. Wie der Nachmittag herankommt, lassen sie den Bedienten kommen und heißen ihn auf der Dingstätte sich umhören, was auf dem Markt vorgefallen sei, wer für und wer gegen den neuen Gesetzvorschlag gesprochen, welche Distrikte dafür, welche dagegen gestimmt hätten. Endlich gehen sie selbst auf den Gerichtsplatz, eben früh genug, um sich den Prozeß nicht selbst auf den Hals zu ziehen. Unterwegs ist in keinem Winkelgäßchen eine Gelegenheit, die sie nicht benutzen, denn sie haben sich den Leib voll Wein geschlagen. Verdrossen kommen sie auf die Dingstätte und geben den Parteien das Wort. Die, die es angeht, tragen ihre Sache vor. Der Geschworene heißt die Zeugen auftreten; er selbst geht beiseite. Wie er zurückkommt, erklärt er alles gehört zu haben und fordert die Urkunden. Ersieht hinein in die Schriften; kaum hält er vor Wein die Augen auf. Wie er sich dann zurückzieht, das Urteil auszufüllen, läßt er zu seinen Zechbrüdern sich vernehmen: ‚Was gehen mich die langweiligen Leute an? Warum gehen wir nicht lieber einen Becher Süßen mit griechischem Wein trinken und essen dazu einen fetten Krammetsvogel und einen guten Fisch, einen veritablen Hecht von der Tiberinsel?'“ Die den Redner hörten, lachten; aber war es nicht auch sehr ernsthaft, daß dergleichen Dinge belacht wurden?

  1. Exterae nationes in arbitratu dicione potestate amicitiave populi Romani (Lex repetund. v. 1), die offizielle Bezeichnung der nichtitalischen Untertanen und Klienten im Gegensatz der italischen „Eidgenossen und Stammverwandten“ (socii nominisve Latini).
  2. Dieser Steuerzehnte, den der Staat von dem Privatgrundeigentum erhebt, ist wohl zu unterscheiden von dem Eigentümerzehnten, den er auf das Dominalland legt. Jener ward in Sizilien verpachtet und stand ein für allemal fest; diesen, insonderheit den des Leontinischen Ackers, verpachteten die Zensoren in Rom und regulierten die zu entrichtende Ertragsquote und die sonstigen Bedingungen nach Ermessen (Cic. Verr. 3, 6, 13; 5, 21, 53; leg. 1, 2, 4; 2, 18, 48). Vgl. mein Römisches Staatsrecht, Bd. 3, S. 730.
  3. Das Verfahren war, wie es scheint, folgendes. Die römische Regierung bestimmte zunächst die Gattung und die Höhe der Abgabe: so zum Beispiel ward in Asien auch nach der Sullanisch-Caesarischen Ordnung die zehnte Garbe erhoben (App. civ. 5 4); so steuerten nach Caesars Verordnung die Juden jedes andere Jahr ein Viertel der Aussaat (Ios. ant. Iud. 4, 10, 6; vgl. 2, 5); so ward in Kilikien und Syrien später 5 vom Hundert des Vermögens (App. Syr. 50) und auch in Africa eine, wie es scheint, ähnliche Abgabe entrichtet, wobei übrigens das Vermögen nach gewissen Präsumtionen, z. B. nach der Größe des Bodenbesitzes, der Zahl der Türöffnungen, der Kopfzahl der Kinder und Sklaven abgeschätzt worden zu sein scheint (exactio capitum atque ostiorum, Cic. ad fam. 3, 8, 5, von Kilikien; φόρος επί τή γή καί τοίς σώμασιν , App. Pun. 135, für Africa). Nach dieser Norm wurde von den Gemeindebehörden unter Oberaufsicht des römischen Statthalters (Cic. ad Q. fr. 1, 1, 8; SC. de Asclep. 22, 23) festgestellt, wer steuerpflichtig und was von jedem einzelnen Steuerpflichtigen zu leisten sei (imperata επικεφάλια Cic. Att. 5, I6); wer dies nicht rechtzeitig entrichtete, dessen Steuerschuld ward ebenwie in Rom verkauft, d. h. einem Unternehmer mit einem Zuschlag zur Einziehung übertragen (venditio tributorum Cic. ad fam. 3, 8, 5; ωνάς omnium venditas, ders. Att. 5, 16). Der Ertrag dieser Steuern floß den Hauptgemeinden zu, wie zum Beispiel die Juden ihr Korn nach Sidon zu senden hatten, und aus deren Kassen wurde sodann der festgesetzte Geldbetrag nach Rom abgeführt. Auch diese Steuern also wurden mittelbar erhoben, und der Vermittler behielt je nach den Umständen, entweder einen Teil des Ertrags der Steuer für sich oder setzte aus eigenem Vermögen zu; der Unterschied dieser Erhebung von der anderen durch Publikanen lag lediglich darin, daß dort die Gemeindebehörde der Kontribuablen, hier römische Privatunternehmer den Vermittler machten.
  4. Beispielsweise entrichtete in Judäa die Stadt Joppe 26075 römische Scheffel Korn, die übrigen Juden die zehnte Garbe an den Volksfürsten; wozu dann noch der Tempelschoß und die für die Römer bestimmte sidonische Abgabe kamen. Auch in Sizilien ward neben dem römischen Zehnten eine sehr ansehnliche Gemeindeschatzung vom Vermögen erhoben.
  5. 3, 170. Damit mag auch die Bemerkung des nach Cato und vor Varro lebenden römischen Landwirts Saserna (bei Colum. 1, 1, 5) zusammenhängen, daß der Wein- und Ölbau sich beständig weiter nach Norden ziehe. Auch der Senatsbeschluß wegen Übersetzung der Magonischen Bücher gehört hierher.
  6. In dem Hause, das Sulla als junger Mann bewohnte, zahlte er für das Erdgeschoß 3000, der Mieter des obern Stockes 2000 Sesterzen Miete (Plut. Sull. 1), was zu 2/3 des gewöhnlichen Kapitalzinses kapitalisiert, ungefähr den obigen Betrag ergibt. Dies war eine wohlfeile Wohnung. Wenn ein hauptstädtischer Mietzins von 6000 Sesterzen (460 Taler) für das Jahr 629 (125) ein hoher genannt wird (Vell. 1, 10), so müssen dabei besondere Umstände obgewaltet haben.
  7. „Wenn wir könnten, ihr Bürger“, hieß es in seiner Rede, würden wir freilich alle von dieser Last uns befreien. Da aber die Natur es so eingerichtet hat, daß weder mit den Frauen sich bequem, noch ohne die Frauen überhaupt sich leben läßt, so ziemt es sich auf dauernde Wohlfahrt mehr zu sehen als auf kurzes Wohlleben.“