Kapitel 5 Mehrere Abenteuer, die der Verfasser besteht. Die Hinrichtung eines Verbrechers. Der Verfasser zeigt seine Geschicklichkeit in der Schifffahrt.

Ich würde in diesem Lande sehr glücklich gelebt haben, wenn meine Kleinheit mich nicht mehreren lächerlichen und verdrießlichen Vorfällen ausgesetzt hätte. Einige derselben bin ich hier so frei zu erzählen. Glumdalclitch trug mich oft in meiner kleineren Schachtel zum Hofgarten und pflegte mich herauszunehmen, mich in der Hand zu halten oder mich auf den Boden zu setzen, damit ich umherginge.

Wie ich mich erinnere, folgte uns der Zwerg, ehe er die Königin verließ, eines Tages in den Garten. Meine Wärterin hatte mich auf den Boden gesetzt; ich kam mit ihm neben einem Zwergäpfelbaum zusammen, ein Wort, das sich ebenso in unserer Sprache, wie in der von Brobdingnag befindet. Somit mußte ich nothwendig meinen Witz in einer albernen Anspielung auf ihn und den Baum zeigen. Hierauf nahm der boshafte Schelm den Augenblick wahr, wo ich gerade unter dem Baume herging, und schüttelte ihn über meinem Kopfe so, daß ein Dutzend Aepfel, jeder so groß wie ein Faß, in der Nähe meiner Ohren herabfiel. Als ich mich nun deßhalb bückte, fiel mir ein Apfel auf den Rücken und warf mich mit allen Vieren zu Boden, allein ich wurde nicht beschädigt, und der Zwerg erhielt auf meine Bitte Verzeihung, weil ich die Veranlassung zu jener Handlung gegeben hatte.

An einem andern Tage ließ mich Glumdalclitch auf einem weichen Rasenplatz, damit ich dort umherwandelte, während sie in einiger Entfernung mit ihrer Erzieherin spazieren ging. Inzwischen fiel ein so furchtbarer Hagelschauer, daß ich durch die Gewalt der Schloßen sogleich zu Boden geschlagen wurde. Als ich nun dalag erhielt ich so furchtbare Püffe auf dem ganzen Leibe, als ob ich mit Bällen geworfen würde. Es gelang jedoch meinen Anstrengungen, auf allen Vieren fortzukriechen und mich unter einer Thymianstaude zu verbergen; ich war aber von Kopf bis zu Fuß so mit Beulen bedeckt, daß ich zehn Tage lang nicht ausgehen konnte. Der Leser braucht sich übrigens hierüber nicht zu wundern, denn die Natur beobachtet dort in allen ihren Wirkungen dasselbe Verhältnis und somit ist ein Hagelkorn in Brobdingnag zehnmal größer als ein europäisches. Diese Behauptung kann ich nach eigener Erfahrung aufstellen, denn ich habe aus Neugier die Körner gewogen und gemessen.

Ein gefährliches Abenteuer bestand ich in demselben Garten, als meine kleine Wärterin mich niedergesetzt und zwar, wie sie glaubte, an einen sichern Platz (ich bat sie nämlich öfter, dies zu thun, damit ich mich meinen Gedanken ungestört überlassen könne). Sie hatte die Schachtel, um der Last des Tragens überhoben zu seyn, nicht mitgenommen, und ging mit ihrer Erzieherin und einigen Damen ihrer Bekanntschaft in einem andern Theile des Gartens spazieren. Während ihrer Abwesenheit kam ein Wachtelhund, der einem Gärtner gehörte, durch Zufall in den Garten, strich in der Gegend, wo ich lag, umher, folgte seinem Geruch, kam auf mich zu, nahm mich in sein Maul, lief mit mir des Weges zu seinem Herrn und legte mich, indem er mit dem Schwanze wedelte, sanft auf den Boden nieder.

Glücklicherweise war er so gut abgerichtet, daß er mich zwischen den Zähnen trug, ohne mir den geringsten Schaden zuzufügen, oder auch nur meine Kleider zu zerreißen. Der arme Gärtner, der mich recht gut kannte, und immer sehr artig gegen mich war, gerieth in furchtbaren Schrecken, nahm mich mit beiden Händen auf und fragte, wie ich mich befinde; ich war aber noch so voll Schrecken und außer Athem, daß ich kein Wort sprechen konnte. Als ich nach wenigen Minuten wieder zu mir kam, brachte er mich zu meiner kleinen Wärterin, die unterdessen an den Ort zurückgekehrt war, wo sie mich gelassen hatte, und in furchtbare Angst gerieth, als ich nicht erschien und auf ihren Ruf keine Antwort gab. Sie gab dem Gärtner wegen seines Hundes einen strengen Verweis. Allein die Sache ward unterdrückt und nie bei Hofe erzählt, denn das Mädchen fürchtete den Zorn der Königin, und was mich selbst betraf, so war ich der Meinung, jene Geschichte könne, wenn sie verbreitet würde, meinem Rufe nicht zum Vortheile gereichen.

Dies Abenteuer veranlaßt bei Glumdalclitch den entschiedenen Entschluß, mich für die Zukunft ausserhalb des Hauses nie aus ihren Augen zu lassen. Ich hatte diesen Entschluß schon lange befürchtet und deßhalb mehrere kleine unglückliche Begegnisse verschwiegen, die mir, wenn ich allein war, zustießen. Ein Weiher, der über dem Garten schwebte, schoß einmal auf mich nieder, und hätte ich nicht entschlossen den Degen gezogen und mich unter ein dichtes Spalier geflüchtet, so würde er mich sicherlich in seinen Klauen fortgetragen haben. Ein andermal stieg ich auf den Gipfel eines frischen Maulwurfhügels und fiel bis an den Hals in das Loch, woraus das Thier die Erde herausgeworfen hatte. Damals ersann ich eine Lüge, die des Erwähnens nicht werth ist, um mich wegen des Beschmutzens der Kleider zu entschuldigen. Einmal auch zerbrach ich mein rechtes Schienbein; ich stolperte über ein Schneckenhaus als ich allein spazieren ging und an das arme England dachte.

Ich weiß nicht mehr ob es mir Vergnügen oder Kränkung verursachte, wenn die kleineren Vögel bei diesen einsamen Spaziergängen sich nicht vor mir zu fürchten schienen, sondern bis auf die Länge einer Elle vor mir herumhüpften, und Würmer, so wie andere Nahrung mit so viel Gleichgültigkeit und Sicherheit suchten, als befände sich kein Geschöpf in ihrer Nähe. Eine Drossel hatte sogar, wie ich mich erinnere, die Frechheit, ein Stück Kuchen, das Glumdalclitch mir zum Frühstück gegeben hatte, mit dem Schnabel aus meiner Hand, zu schnappen. Wenn ich solche Vögel fangen wollte, liefen sie keck auf mich zu und suchten auf meine Finger zu picken, die ich klüglicherweise aus ihrem Bereiche entfernt hielt, und dann hüpften sie ganz unbekümmert wieder zurück, um Würmer und Schnecken, wie zuvor, zu suchen. Eines Tages nahm ich aber einen dicken Stock und schleuderte ihn so geschickt nach einem Hänfling, daß ich ihn zu Boden schlug, worauf ich ihn mit beiden Händen anpackte, um ihn meiner kleinen Wärterin zu bringen. Der Vogel war aber nur betäubt gewesen, kam bald wieder zu sich und gab mir auf beiden Seiten des Kopfes und Leibes mit den Flügeln so heftige Schläge, ob ich ihn gleich mit dem Arm so weit wie möglich von mir entfernte, und obgleich er seine Krallen nicht gebrauchen konnte, daß ich zwanzigmal Willens war, ihn wieder stiegen zu lassen. Bald aber befreite mich ein Bedienter, welcher dem Vogel den Hals umdrehte, und am nächsten Tage erhielt ich ihn auf Befehl der Königin zum Mittagessen. Der Hänfling war, so viel ich micherinnere, beinahe noch etwas größer als ein englischer Schwan.

Die Ehrendamen luden Glumdalclitch oft zu sich ein und baten sie, mich mitzubringen, damit sie das Vergnügen haben könnten, mich zu sehen und zu berühren. Sie entkleideten sich oft von Kopf bis zu Fuß und legten mich in voller Länge an ihren Busen, ein Verfahren, das mir den höchsten Widerwillen erregte, weil ein sehr fataler Geruch (um die Wahrheit zu sagen) aus ihrer Haut hervordrang. Ich erwähne dies nicht in der Absicht, diesen ausgezeichneten Damen, für die ich jede Art der Achtung hege, etwas Unangenehmes nachzusagen; allein ich kann mir denken, daß mein Geruchssinn, im Verhältnis zu meiner Kleinheit, um so schärfer war, und daß diese verehrten Personen ihren Liebhabern oder einander selbst nicht unangenehmer waren, wie Leute desselben Standes in England. Auch fand ich ihren natürlichen Geruch bei weitem erträglicher, als den Duft der Parfümerie, die sie mitunter gebrauchten. War dies der Fall, so fiel ich sogleich in Ohnmacht. So erinnere ich mich auch, daß ein genauer Freund von mir in Lilliput sich an einem heißen Tage, wo ich mir viele Körperbewegung gemacht hatte, über einen starken Geruch meines Körpers beklagte, obgleich ich in dieser Hinsicht reinlicher bin, wie die Meisten meines Geschlechts. Ich vermuthe jedoch, das Geruchsorgan meines Freundes war im Vergleich zu mir eben so stark, als das meinige im Verhältniß zu den Einwohnern von Brobdingnag. In diesem Punkte muß ich jedoch der Königin, meiner Gebieterin, und meiner Wärterin Glumdalclitch Gerechtigkeit erweisen; sie dufteten so süß, wie nur irgend eine Dame in England.

Den meisten Ekel erregten mir aber die Ehrendamen (wenn meine Wärterin mich zu ihnen brachte), daß sie alle Umstände hinsichtlich meiner bei Seite setzten, als sey ich ein geschlechtloses Geschöpf, denn sie pflegten sich nackt auszuziehen, ihre Hemden anzulegen, während ich auf ihrem Putztisch gerade vor ihren entblößten Gliedern stand, ein Anblick, der bei mir allein den Eindruck des Schauders und Widerwillens hervorbrachte; ihre Haut erschien nämlich, wenn ich sie in der Nähe sah, rauh und uneben, verschieden gefärbt, mit Flecken so groß wie Teller und mit Haaren versehen, welche so dick wie Bindfaden herabhingen, um die übrige Beschreibung ihres Körpers hier zu übergehen. Auch trugen sie kein Bedenken, in meiner Gegenwart sich dessen, was sie getrunken hatten, in der Quantität von zwei Eimern in ein Gefäß, welches an die drei Tonnen enthält, zu entledigen. Die schönste dieser Ehrendamen, ein hübsches und munteres Mädchen von sechzehn Jahren, setzte mich mitunter mit gespreizten Beinen auf eine ihrer Brüste und spielte mit mir mehrere Streiche, deren Uebergehung der Leser hier entschuldigen wird, da ich nicht langweilig werden will. Ich war darüber aber so ärgerlich, daß ichGlumdalclitch bat, irgend eine Entschuldigung ausfindig zu machen, damit ich diese junge Dame nicht mehr zu besuchen brauchte.

Einst kam ein junger Herr, der Neffe der Gouvernante, zu dieser hin, und bat sie dringend, eine Hinrichtung mit anzusehen. Es war die Hinrichtung eines Menschen, der einen genauen Freund dieses Herrn ermordet hatte. Auch Glumdalclitch wurde überredet an der Gesellschaft Theil zu nehmen, obgleich wider ihre Neigung, denn sie war von Charakter zärtlich und sanftmüthig; was mich selbst betrifft, so fühlte ich Neugier und Versuchung Etwas zu sehen, was nothwendig ein außerordentliches Schauspiel darbieten mußte, ob ich gleich Abscheu vor dergleichen blutigen Scenen hege. Der Verbrecher ward in einem Stuhle festgebunden, der auf einem zur Hinrichtung errichteten Schaffott stand; alsdann ward ihm der Kopf mit einem vierzig Fuß langen Schwert auf einen Schlag abgehauen. Die Venen und Arterien spritzten hierauf eine ungeheure Masse Blut zu solcher Höhe in die Luft, daß der Strahl des großen Springbrunnens zu Versailles diesem Blutstrahl nicht gleichkommt; der Kopf fiel mit solchem Krachen zu Boden, daß ich auffahren mußte, obgleich ich eine halbe englische Meile entfernt war.

Die Königin, welche den Erzählungen meiner Seereisen zuzuhören pflegte, und die jede Gelegenheit mich aufzuheitern benutzte, so bald ich trübsinnig war, fragte mich einst, ob ich Segel und Ruder handhaben könne, und ob diese Körperbewegung meiner Gesundheit nicht zuträglich seyn werde. Ich erwiderte, mit Beiden sey ich sehr wohl vertraut, denn obgleich meine eigentliche Beschäftigung die eines Schiffsarztes sey, so hätte ich doch in der Noth sehr oft wie ein gemeiner Matrose arbeiten müssen. Ich könne aber nicht begreifen, wie ich dasselbe in Brobdingnag würde ausführen können, wo der kleinste Nachen einem unserer Kriegsschiffe ersten Ranges gleichkäme. Auch könne ein Boot, wie ich es brauche, unmöglich auf irgend einem der hiesigen Flüsse fahren. Ihre Majestät erwiderte, wenn ich den Plan eines Bootes angeben wolle, werde ihr eigener Tischler es verfertigen, und sie mir alsdann einen Platz verschaffen, wo ich segeln könne. Der Mann war ein geschickter Handwerker und vollendete unter meiner Anleitung in der Zeit von elf Tagen ein Vergnügungsboot nebst Segel und Takelwerk, welches ungefähr acht Europäer bequem fassen konnte. Als es fertig war, empfand die Königin darüber solches Entzücken, daß sie es in ihren Schooß nahm und zum König lief, welcher es zur Probe in eine mit Wasser gefüllte Cisterne setzen ließ, während ich darin saß; dort konnte ich aber aus Mangel an Tiefe meine beiden kleinen Ruder nicht handhaben. Die Königin hatte jedoch schon zuvor einen andern Plan entworfen. Sie ließ von ihrem Tischler einen hölzernen Trog von dreihundert Fuß Länge, fünfzig Fuß Breite und einundachtzig Fuß Tiefe verfertigen. Dieser ward sorgfältig verpicht, damit er keinen Leck bekomme, und auf den Fußboden an die Wand eines äußern Zimmers im Palast gesetzt. Unten am Troge befand sich ein Hahn, um das Wasser, wenn es faulich geworden war, herauszulassen; zwei Diener konnten ersteren in einer halben Stunde mit Leichtigkeit wieder füllen. Hier pflegte ich zu meinem Vergnügen, wie auch zu dem der Königin und ihrer Hofdamen mitunter, zu rudern. Diese waren der Meinung, ich unterhalte sie recht sehr mit meiner Geschicklichkeit und Behendigkeit. Bisweilen spannte ich auch mein Segel auf, und alsdann war es nur mein Geschäft zu steuern, während die Damen mir mit ihren Fächern die Luft zuwehten; wenn sie müde waren, pflegten einige Dienerinnen mein Segel vorwärts zu blasen, während ich meine Geschicklichkeit, rechtshin und linkshin nach Belieben steuernd, zeigte. Wenn ich fertig war, trug Glumdalclitch immer mein Boot in ihr Zimmer zurück, und hängte es, damit es trockne, an einem Nagel auf.

Bei dieser Uebung bestand ich einst ein Abenteuer, welches mich beinahe das Leben gekostet hätte. Als nämlich ein Page mein Boot in den Trog gesetzt hatte, hob die Erzieherin, welche Glumdalclitch begleitete, mich mit vieler Güte in die Höhe, um mich in das Boot zu stellen, allein ich schlüpfte ihr durch die Finger, und würde unfehlbar in der Höhe von vierzig Fuß auf den Boden gefallen seyn, wäre ich nicht durch den glücklichsten Zufall von einer Stecknadel aufgehalten worden, die im Leibchen der guten Frau steckte; der Knopf der Nadel drang nämlich durch mein Hemd und den Leibgurt meiner Beinkleider, und so blieb ich mitten in der Luft hängen, bis Glumdalclitch zu meiner Rettung herbeieilte.

Ein andermal war einer der Diener, welche alle drei Tage den Trog mit frischem Wasser füllen mußten, so sorglos, einen großen Frosch, den er nicht sah, aus dem Eimer schlüpfen zu lassen. Der Frosch lag verborgen bis ich in mein Boot gesetzt war; da er aber dieses als einen Ruheplatz erkannte, klomm er hinauf, und lehnte es dadurch so sehr auf eine Seite, daß ich mit meinem ganzen Körper das Gleichgewicht auf der andern erhalten mußte, um nicht umzuschlagen. Als der Frosch hinaufgestiegen war, hüpfte er bis auf die Mitte des Bootes der Länge nach, dann mit zwei Sätzen vorwärts und rückwärts über meinen Kopf, indem er mir Gesicht und Hände mit seinem abscheulichen Schlamm beschmutzte. Die Größe seines Kopfes ließ ihn als das häßlichste Thier, das man sich denken kann, erscheinen. Ich bat jedoch Glumdalclitch, mir nicht zu helfen, ich wolle schon allein mit ihm fertig werden. Eine Zeit lang schlug ich das Thier mit einem Ruder und zwang es zuletzt, aus dem Boote hinauszuspringen.

Die größte Gefahr, die ich jedoch in Brobdingnag bestand, wurde durch einen Affen, der einem Beamten der Küche gehörte, veranlaßt. Glumdalclitch hatte mich in ihrem Zimmer verschlossen, als sie zu irgend einem Zweck oder um einen Besuch zu machen, hinausging. Das Wetter war sehr heiß; deßhalb war das Fenster des Zimmers, so wie auch eines in meiner größeren Schachtel, offen gelassen, worin ich wegen der Größe und Bequemlichkeit wohnte. Als ich nun ruhig und sinnend an meinem Tische saß, hörte ich wie irgend Etwas in das Zimmerfenster krachend hereinsprang und von der einen Wand zur andern herumhüpfte. Obgleich ich nun sehr erschrocken war, wagte ich es dennoch, hinauszusehen, rührte mich aber nicht von dem Stuhle und da erblickte ich, wie ein possenhaftes Thier herumsprang und Capriolen schnitt, bis an meine Schachtel kam, die es mit großem Vergnügen neugierig zu betrachten schien, indem es zugleich ängstlich auf Thür und Fenster des Zimmers blickte. Ich zog mich in den entferntesten Winkel der Schachtel zurück; als nun aber der Affe sie von allen Seiten beschnüffelte, gerieth ich in solchen Schrecken, daß mir die Geistesgegenwart fehlte. Ich hätte mich nämlich sehr leicht unter mein Bett verstecken können. Nachdem er einige Zeit mit Schnüffeln, Grinsen und Schnattern verbracht hatte, spähete er mich endlich aus; steckte eine seiner Pfoten in meine Thüre auf dieselbe Weise hinein, wie eine Katze, wenn sie mit der Maus spielt, und packte mich endlich, ob ich ihm gleich immer auszuweichen suchte, bei meinem Rockschooß, der sehr dick und stark aus der Seide des Landes bestand. So zog er mich heraus, dann nahm er mich auf seine rechte Vordertatze und hielt mich wie Ammen, wenn sie Kinder säugen wollen, oder wie die Affen junge Katzen in Europa auf den Arm zu nehmen pflegen. Wollte ich mich widersetzen, so drückte er mich so stark, daß ich es für klüger hielt, mich in seine Liebkosungen zu fügen; da er nun mein Gesicht mit der andern Pfote sehr sanft streichelte, so habe ich guten Grund zu glauben, daß er mich für einen jungen Affen hielt. In dieser Unterhaltung ward er durch ein Geräusch an der Zimmerthüre unterbrochen, als wolle dieselbe Jemand öffnen; hierauf sprang er plötzlich zum Fenster hinaus, durch das er gekommen war, kletterte dann die Dachrinnen und Bleischienen auf drei Tatzen hinauf, indem er mich mit der vierten hielt, bis er auf das dem unsrigen nächste Dach hinaufklomm. Ich hörte, wie Glumdalclitch laut aufkreischte, als sie sah, wie er mich forttrug. Das arme Mädchen verlor beinahe den Verstand; das ganze Quartier des Palastes gerieth in Aufruhr; Diener kamen mit Leitern; der Affe ward von Hunderten vom Hofe betrachtet, wie er auf der Dachspitze eines Gebäudes dasaß, mich wie ein Kind in einer Vordertatze hielt und mich mit der andern fütterte; er nahm nämlich einige Nahrungsmittel aus einer Backentasche seines Maules heraus und stopfte mir dieselben in den Mund, wenn ich nicht essen wollte. Viele aus dem Pöbel konnten es nicht unterlassen, hierüber zu lachen; auch darf man sie, wie ich glaube, deßhalb nicht darüber tadeln, denn der Anblick mußte für Jeden, nur nicht für mich, lächerlich seyn. Einige aus dem Volke warfen Steine auf das Dach, um den Affen herunterzutreiben. Dies ward aber streng verboten, wahrscheinlich, da mir der Kopf dadurch zerschmettert werden konnte.

Endlich wurden Leitern angelegt und Menschen stiegen hinauf. Als der Affe dies bemerkte und zugleich sah, wie er umringt war, ließ er mich auf einen Dachziegel fallen, da er mit drei Tatzen nicht schnell genug laufen konnte, und entwischte. Dort saß ich einige Zeit, fünfhundert Ellen über dem Erdboden erhaben, und erwartete jeden Augenblick vom Winde herabgeweht zu werden, oder durch Schwindel hinunterzustürzen und über die Dachrinnen kopfüber zu purzeln; allein ein braver Junge, ein Diener meiner Wärterin, kletterte hinauf, steckte mich in seine Hosentasche und brachte mich wohlbehalten hinunter.

Ich war von dem ekelhaften Stoffe, den der Affe in meinen Schlund gesteckt hatte, beinahe erstickt; allein meine liebe Wärterin leerte meinen Mund mit einer kleinen Nadel; dann begann ich mich zu erbrechen, und dies gab mir große Erleichterung. Dennoch war ich so schwach und an den Seiten so voll Beulen, durch den Druck des verhaßten Thieres, daß ich vierzehn Tage lang zu Bette bleiben mußte. Der König, die Königin und der ganze Hof ließ sich täglich nach meinem Befinden erkundigen; die Königin selbst besuchte mich mehrere Tage während meiner Krankheit. Der Affe ward getödtet und Befehl erlassen, man dürfe kein Thier der Art in der Nähe des Palastes halten.

Als ich dem Könige nach meiner Wiederherstellung einen Besuch machte, um mich für seine Güte zu bedanken, war er so gnädig, über mein Abenteuer zu spotten. Er fragte mich, von welcher Art meine Gedanken und Betrachtungen gewesen seyen, als ich in der Tatze des Affen lag; wie die Nahrung, die er mir gegeben, geschmeckt; wie er mich gefüttert habe, und ob mein Appetit durch die frische Luft auf dem Dache nicht geschärft worden sey. Er wünsche zu wissen, was ich bei dieser Gelegenheit in meinem Vaterlande gethan hätte. Ich sagte Seiner Majestät: In Europa hätten wir nur Affen, die als Merkwürdigkeit von andern Weltgegenden hergebracht würden; sie seyen so klein, daß ich mit einem Dutzend fertig werden könne, wenn sie die Frechheit besäßen, mich anzugreifen.

Was nun das furchtbare Thier betreffe, mit dem ich kürzlich in Verbindung gestanden (es war so groß wie ein Elephant), so habe meine Furcht mir leider nicht den Gedanken erlaubt, ich könne von meinem Degen Gebrauch machen (während ich dies sprach, nahm ich eine trotzige Stellung an, und schlug mit der Hand auf den Degengriff), sonst

würde ich ihm auf der Tatze eine solche Wunde beigebracht haben, daß er dieselbe mit größerer Eile wieder zurückgezogen hätte, wie er sie hereingesteckt. Dies sprach ich in so festem Ton, wie ein Mann, welcher besorgt ist, sein Muth möge in Zweifel gezogen werden. Meine Rede brachte aber nichts als ein lautes Gelächter hervor, so weit es die Achtung vor der Majestät bei denen, die ihre Munterkeit nicht unterdrücken konnten, erlaubte. Da kam ich auf den Gedanken, daß der Versuch eines Menschen, bei denen auf seiner Ehre zu beharren, die in jedem Grade der Vergleichung hoch über ihm stehen, doch ein vergebliches Unternehmen sey. Und dennoch habe ich diese Moral meiner Erzählung seit meiner Rückkehr nach England häufig anzuwenden Gelegenheit gehabt, wo verächtliche Bediente, ohne den geringsten Anspruch auf Geburt, Gestalt, Witz und Menschenverstand, so frech sind, sich ein wichtiges Ansehen zu geben und sich mit der größten Person des Königreichs auf gleichen Fuß zu setzen.

Täglich war bei Hof irgend eine Posse von mir im Umlauf, und Glumdalclitch, ob sie mich gleich außerordentlich liebte, war so muthwillig, jede Thorheit, die ich beging, der Königin zu hinterbringen, so oft dergleichen ihrer Majestät Vergnügen machen konnte. Das Mädchen war einst unpäßlich und fuhr deßhalb mit ihrer Erzieherin aus bis auf eine Stunde, oder dreißig Meilen, von der Stadt, um frische Luft zu schöpfen. Sie stiegen an einem Fußpfade auf dem Felde aus dem Wagen;Glumdalclitch setzte meine Reiseschachtel auf den Boden und ich ging heraus, um ein wenig umherzuspazieren. Auf dem Fußwege lag ein Haufen Kuhdünger, und ich konnte es nicht lassen meine Behendigkeit, durch einen Versuch darüber wegzuspringen, den Damen zu zeigen. Ich nahm einen Anlauf, sprang aber unglücklicherweise zu kurz und fiel gerade in die Mitte bis über meine Knie hinein. Mit einiger Schwierigkeit watete ich wieder heraus und ein Bedienter mußte mich mit einem Handtuche abwischen, denn ich war furchtbar mit Koth beschmiert. Meine Wärterin schloß mich in meine Schachtel bis wir wieder nach Hause kehrten; die Königin aber erfuhr den Vorgang in Kurzem und der Bediente verbreitete ihn bei dem ganzen Hofe so, daß die heitere Laune desselben mehrere Tage lang ausschließlich auf meine Kosten fortdauerte.