Draußen strömte der Regen herab, in den Höhlen aber war es behaglich. Trocken und angenehm durchwärmt richteten sich die beiden Höhlensiedler auf, streiften mit den Fingern Moos und Blätter aus den Haaren und begannen ihre Funde zu mustern. Als ob mit der Erfindung der Steinwerkzeuge ein neuer Geist von Mut und Zuversicht in die jungen Menschen gekommen wäre, träumten und sprachen sie von nichts anderem als von Jagd und Kampf. Das heißt, Peter beschrieb, wie er den Rehen, Füchsen und Bären beikommen wollte, und Eva lauschte mit offenem Munde. Das Blut des Bären wollte er trinken, um dessen Stärke in sich zu schlürfen; Fleisch und warme Felle wollte er in Menge heimbringen. Er hatte keine Angst vor dem Winter.

Während Peter so von kommenden großen Taten redete, hatte er das Eichhörnchen unter den Händen; er schnitt ihm mit einem scharfen Steinsplitter den Balg auf und zog ihn über den Kopf ab. So hatte er es unter Ähnls Anleitung beim Abhäuten von Alpenhasen und Murmeltieren gemacht.

Das Fell schlitzte er nur an der Innenseite der Hinterbeine, schnitt die Pfoten ab und zog die Haut im Ganzen herunter. Damit der Balg nicht schrumpfte, stopfte er ihn, Haarseite nach innen, mit Laub aus. Dann klemmte er ihn mit Hilfe eines Zweiges in eine Felsritze der Höhle zum Trocknen. Das Gedärm des Hörnchens spülte er im Bach durch und hängte es vor die Höhle über einen Zweigstummel des Steigbaumes; getrocknet mochte es gute Bindfäden abgeben.

Das nackte Körperchen des Nagers aber reichte er Eva: »Iß! – die Füchs‘ und Marder haben’s auch nicht besser.«

Da sie nicht gleich zugriff, trennte er für sich einen Hinterschenkel ab, dessen pralle Springmuskeln ihn zum Hineinbeißen reizten, und begann zu essen.

Doch wie sonderbar, so sehr er sich bei den faden Wurzelmahlzeiten nach einem Stück Fleisch gesehnt hatte – nun widerstand es ihm wegen des eigenartigen Blutgeruchs. Um aber Eva Mut zu machen, nagte er das zarte Fleisch ab und hob die Knöchelchen auf. Wer weiß, wozu sie einmal taugen mochten. Eva nahm sich den zweiten Hinterschenkel und versuchte zu essen. Auch sie kam über den Geruch nicht hinweg.

»Peter, meinst nicht, daß ein paar Lauchzwiebeln gut wären? Die täten den zuwideren Geruch wegbringen.«

Im Nu war Peter auf den Beinen und kletterte, das Rehkrickel zwischen den Zähnen, über den Steigbaum hinunter. Er brauchte nicht lange zu suchen.

Und eine Freude war es, mit dem harten, handlichen Werkzeug das stark duftende Wildgewürz auszugraben. Auf dem Rückweg fand er einen Wacholderbusch und pflückte davon eine Handvoll unreifer Beeren. Zum Überfluß rupfte er ein Büschel blühenden Gundelkrautes aus.

Eva hatte unterdessen das Eichhörnchen mit einer Steinklinge in mundgerechte Teile zerlegt; jetzt ritzte sie das zarte Fleisch, belegte es mit Lauch und Wacholderbeeren, rieb es mit den herb duftenden Gundelkrautblättern ein und kostete. In ihren Augen leuchtete es auf. »Das ist jetzt etwas anderes, gelt?« Und sie aßen das gewürzte Wildbret um die Wette.

»Ein paar Händvoll Heidelbeeren obendrauf«, meinte Eva, »das wär‘ erst das Rechte.« Gesagt, getan: durch das regenfeuchte Gras liefen sie der Grableiten zu; dort ergänzten sie ihre Mahlzeit.

Heimgekehrt, schauten sie sich nach Arbeit um; zum Schlafen war es noch zu früh. Peter nahm die gesammelten Steine Stück für Stück vor und probierte wieder deren Verwendbarkeit. Viele waren ohne weitere Bearbeitung brauchbar. Andere hatten gerade dort scharfe Kanten, wo er sie beim Arbeiten anfassen mußte. Da versuchte er, durch Wegschlagen kleiner Splitter die Kanten abzustumpfen.

Eva legte Ruten und Ranken zurecht und streifte die Blätter ab. Sie wollte ja einen Tragkorb flechten. Die Weidenzweige und Waldrebenranken waren viel weniger biegsam als die Grashalme, aus denen Eva früher ihre ersten Körbchen geflochten hatte. Sie wußte noch nicht, daß Ruten, um geschmeidig zu werden, eine Zeitlang im Wasser liegen müssen.

Ihre zarten Finger wurden mit dem widerspenstigen Holz nicht fertig. Kaum hatte Eva die Weidenruten mühsam verflochten, da strebten sie schon auseinander. So ging es nicht. Aber wie ging es denn? Eva wußte es nicht und legte mutlos die Hände in den Schoß.

Nach einer Weile begann sie von neuem. Sie fügte eine Handvoll dünner Weidenzweige mit den Wipfelenden zusammen, spaltete mit den Zähnen einen Zweig und umwand damit das Büschel eine Spanne weit vor den dünnen Enden, bog dann diese über den Bund zurück und überband sie noch einmal. So, das war das untere Ende eines spitzen Korbes! Dann knickte sie die Zweige in halber Armlänge nach innen um und verband sie mit einem Ring aus Waldreben.

Nun machte sie sich ans Flechten. Sie zog, von unten beginnend, Rebenranken quer durch die Gerten, einmal darunter, einmal darüber, und wenn sie herumgekommen war, legte sie den nächsten Reifen in umgekehrter Weise ein, einmal darüber, einmal darunter.

Als die untergehende Sonne durch die vom Wind gejagten Wolken brach, war Eva schon dabei, die Enden dreier zopfartig verflochtener Rebenranken als Henkel unter den Ring einzuflechten, und zwar so, daß sie auch nicht losgingen, wenn man einen Stein in den Korb legte. Strahlend hielt sie Peter das Werk ihrer Hände hin.

Der tat gleich eine Menge Steine hinein und schlenkerte den Korb, dann erst sprach er seine Anerkennung aus: »Gut ist’s, es halt‘ schon.«

Peter legte seine Steinwerkzeuge vor Eva auf den Boden und rühmte die Vorteile jedes einzelnen. »Aber schau meine Händ‘ an«, fuhr er fort und zeigte ihr stolz die blutunterlaufenen Schwielen und Quetschwunden.

»Schau meine Händ‘ an«, versetzte Eva nicht minder stolz. Auch sie hatte vom Flechten Blasen und Hautrisse. Und beide freuten sich über die Spuren ihrer erfolgreichen Arbeit.

Noch in der Abenddämmerung machten sie fröhlich einen Erntegang zum Sonnstein und füllten den neuen Korb mit einem Vorrat an Brombeeren und Wurzeln. Schwatzend verzehrten sie ihr Abendessen, zogen zur Sicherheit den Steigbaum in die Höhle herein und suchten ihre Liegestätten auf. Während draußen der Nachtwind brausend durch die Baumkronen fuhr, träumte Eva von kunstvoller Korbflechterei und Peter von Kämpfen mit Bären.