So gern Peter gleich am Morgen des nächsten Tages aufgebrochen wäre, er konnte nicht gleich fort.

Der Wasserkorb gab ihm zu schaffen. Der Lehmbelag der Seitenflächen war im Wasser zergangen. Während er den Schaden behob, fiel ihm sein Plan, einen Feuerkorb zu machen, wieder ein.

Ach was, dazu konnte der mit Lehm ausgestrichene Korb dienen, der als Wassergefäß doch nichts taugte. Für das Wassertragen mußte etwas anderes her! Peter holte einen von Evas Körben her, nahm eine Rippe, die als Spachtel diente, und strich damit Harz, das er zuvor auf einem heißen Stein erwärmt hatte, in seine Fugen. Dann hielt er den Belag über das Feuer. Das Harz schmolz und verschloß alle Zwischenräume des Geflechts. Als dabei abstehende Holzfasern in Brand gerieten, löschte er die Flammen mit Lehmstaub und bestreute damit den Korb innen und außen, um die Klebmasse zu decken. Während dieser Arbeit, die fast den ganzen Vormittag in Anspruch nahm, ließ Peter den Lehmbelag seines Feuerkorbs in der Nähe der Feuerstelle übertrocknen und verstrich die entstehenden Risse des Belags immer wieder mit Lehm.

Eva, die Peter bei der Arbeit zugesehen hatte, wußte, wie sehr es ihn zum Steinschlag zog, aber ihr zuliebe machte er erst den Korb fertig. Nun war sie mit dem neuen Wasserbehälter zum Bach geeilt und hatte ihn gleich ausprobiert: Das Gefäß, in dem das Wasser klar blieb, war leicht und undurchlässig.

Nach einer ausgiebigen Mahlzeit schaufelte Peter mit einem Schulterblatt glimmende Kohle und Moderholz in den alten Wasserbehälter und zog durch den oberen Rand einen starken, aus Waldreben geflochtenen Zopf, das war ein vorzüglicher Traghenkel. Peter war zufrieden und machte sich wohlbewaffnet auf den Weg.

Am Fuchsenbühel fand er viele neue Knochenreste, ließ sie aber liegen. Er hoffte auf bessere Beute. Als der Schatten des Sonnsteins gerade gegen die Südwand zeigte, langte Peter bei der Stelle an, wo er nach dem ersten Steinschlag den Steinbock gefunden hatte. Hier entdeckte er gebleichte Knochen und ein abgenagtes Ziegengerippe. Das Gehörn war flach und eine gute Handspanne lang; es zeigte schwache Wülste und eine geringe Krümmung; wahrscheinlich stammte es von einer noch jungen Geiß. Die Hörner ließen sich leicht von den Stirnzapfen ziehen, und Peter steckte sie trotz ihres üblen Geruchs hinter seinen Gürtel. Das eine sollte ein tragbares Salzgefäß werden, das andere ein Trinkbecher oder eine Messerscheide. Da nichts mehr zu finden war, wandte er sich dem Laubwald zu, hinter dem er die Höhle der Bären vermutete.

Bevor er das gefährliche Gebiet betrat, legte er dürres Gras und Laub unter das glimmende Moderholz auf die Glut seines Feuerkorbes, blies sie an und sah beruhigt dichten Qualm daraus emporsteigen. Er verließ sich darauf, daß schon der Rauchgeruch die Bären fernhalten werde.

Wohlgemut drang er in den Wald ein, dessen Eichen und Buchen den Boden dicht beschatteten. Zahlreiche Wildschweinspuren ließen erkennen, daß diese nahrhafte Gegend das Schwarzwild anzog.

Die Baumkronen waren von Buchfinken, Meisen, Kernbeißern, Grünlingen, Hähern, Holztauben, aber auch von Eichhörnchen bevölkert. Eines davon, ein junges Tierchen, schoß Peter herab und nahm es als Wegzehrung mit. Im Weitergehen suchte er auf dem Waldboden nach abgefallenen Früchten. Da gab es grüne, angenagte Eicheln und viele hohle, von Würmern ausgefressene oder von Hörnchen entkernte Bucheckern. Nur selten fand Peter in den borstigen, vierblättrigen Fruchtbechern die dreikantigen Bucheckern unversehrt. Mit den Zähnen löste er die Kerne heraus. Sie schmeckten ihm wegen ihres größeren Fettgehaltes besser als Haselnüsse.

Plötzlich wurde der Wald lichter. Durch niederes Strauchwerk trat Peter auf eine mit Steingeröll bedeckte Waldwiese.

Drüben, wo der Boden zur Sonnleiten und Südwand anstieg, standen saftig grüne, großblättrige Bäume mit weit ausladenden Kronen. Uralte Bäume mußten es sein. Darunter lagen, im Gras verstreut, soweit die Zweige reichten, mehr als walnußgroße, feinstachelige Kugeln, aus deren klaffenden Rissen braune Kerne hervorlugten. Da waren sie ja, die Edelkastanien, die Maroni! Peter kannte sie von der Ahnl her.

Er löste erst eine aus ihrem Stachelkleid, riß die braune, lederartige Haut mit den Zähnen ab und knusperte den harten, weißen Kern.

Der schmeckte fast so gut wie eine Haselnuß, war aber härter. In heller Freude darüber, daß er endlich in den Kastanien die rechte Winternahrung entdeckt hatte, machte sich Peter ans Einsammeln. Da er nichts hatte, worin er die Früchte hätte forttragen können, legte er sie in den Feuerkorb auf Moder und Asche. Als er nichts mehr unterbringen konnte, gedachte er zu rasten und sein Eichhörnchen zu braten.

Eben wollte er mit einem gegabelten Zweig glühende Holzkohlen aus dem Korb holen, als ihm eine sonderbare Bewegung unter den Kastanien auffiel. Die drehten sich und hüpften, und plötzlich krachte es in der Glut. Lebhafter sprangen die Kastanien, einige hüpften sogar über den Rand des Korbes. Ihre verkohlte Haut war geplatzt, und die braungebrannten Kerne rauchten und dufteten. Was gut riecht, schmeckt meist gut. Leicht ließen sich die locker gewordenen Kerne aus den spröden Schalen lösen. Sobald sie ein wenig abgekühlt waren, kostete Peter davon. Sie waren weich, mehlig und süß. Jetzt fachte er sein Feuer an, balgte das Eichhörnchen ab, salzte es, steckte das kleine Wildbret an einen Zweig, drehte es über der Glut und hielt ein königliches Mahl.

Als das Feuer niedergebrannt war, tat er die glühenden Kohlen in seinen Korb, legte Moderholz und Asche darüber, tat oben drauf noch einen Vorrat von Kastanien für Eva und setzte seine Nachforschungen fort.

Oberhalb der Lichtung betrat er wieder den Wald, blieb aber schon nach wenigen Schritten überrascht stehen.

Ein wilder Walnußbaum stand da, an dessen tief herabhängenden Ästen viele Nüsse hingen, deren grüne Rinde schon braune Flecken zeigte. Auf dem Boden verstreut lagen einige völlig ausgereifte Früchte, deren schwarzbraune, eingeschrumpfte Rinde sich beim Auffallen von der Schale gelöst hatte. Ein handlicher Schlagstein und ein flacher Grundstein waren bald gefunden, die ziemlich dicken Nußschalen barsten unter Peters Schlägen, der sich dann die fettreichen Kerne schmecken ließ.

Auch hier war viel zu ernten. Bei der Vorstellung, wie Eva sich über den Reichtum an Nüssen und Kastanien freuen würde, wollte er ihr einen gellenden Juchzer hinüberschicken, da bemerkte er, daß er nicht allein war.

Kaum einen Pfeilschuß weit oberhalb stand zwischen den Baumstämmen ein mächtiger Bär aufrecht auf den Hinterbeinen, die linke Vordertatze auf den Wurzelballen eines umgeworfenen Baumes gestützt, die rechte Pranke hing schlaff herab. Er hatte die Äuglein neugierig auf den Eindringling gerichtet und wiegte kaum merklich den Oberkörper. Peter erschrak; in seinen Halsadern pochte es. Ein dünner, blauer Rauchschleier stieg aus dem Feuerkorb und strich, vom Wind verteilt, sachte hinüber zum Bären, der mit vorgestreckter Nase die Luft prüfte. Den Geruch kannte er. Sein Fell war an der Brust stark versengt. Erinnerte er sich des flammenden Pfeiles?

Peter überlegte, ob er das Raubtier wieder mit einem brennenden Pfeil angreifen sollte. Freilich konnte er nicht wissen, wie es sich bei Tage verhalten würde. Da nieste der Bär und ließ sich kopfschüttelnd auf alle viere nieder. Dann machte er kehrt und trabte gemächlich der Felswand zu.

»So«, sprach Peter zu sich selbst, »gehst du mir aus dem Weg, dann sollst auch Ruhe vor mir haben.«

Glücklich über den Schutz, den sogar der Rauch seiner glimmenden Kohlen bot, packte Peter sein Gerät und schritt, die Südwand zur Linken, weiter.

Er näherte sich dem Steinkar, das dem Neuen Steinschlag vorgelagert war, und kam an Mispeln vorbei zu Schlehen und wilden Apfelbäumen. Zahlreiche geschundene Bäume, geknicktes Jungholz und herumliegende, frisch niedergegangene Gesteinsbrocken zeigten ihm, daß er im Bereich des letzten Steinschlags war. Er hatte also nicht geträumt! Vorsichtig trat er aus dem Schatten des Waldrandes, fachte erst ein helles Schutzfeuer an und begann die Halde abzusuchen. Zwar fand er kein Steinwild, hingegen einen Alpenhasen im braunroten Sommerkleid. Beinahe hätte er den Hasen in den gleichfarbigen Bruchstücken des Gesteins übersehen, wenn ihm nicht die weißen Augenringe und die schwarzgeränderten Löffel sowie der blendend weiße Bauch aufgefallen wären.

Peter fand noch zwei Murmeltiere, halb begraben unter Steintrümmern. Das eine war bereits von Füchsen benagt; sie mußten noch vor kurzem dagewesen sein und hatten wahrscheinlich vor dem verdächtigen Rauchgeruch das Feld geräumt.

Beim Bloßlegen der Murmeltiere fand Peter grüne, weißgeäderte, fettig glänzende Steine – Serpentine –, die zu Werkzeugen taugen mochten. Er steckte sie in seine Gürteltaschen. Beim Weitergraben fiel ihm auf, daß andere harte Steintrümmer deutlich geschichtet waren. Sie bestanden aus winzigen runden Kieselhörnchen und Glimmerplättchen. Es waren Sandsteine, die von hoch oben herabgekollert sein mochten. Im Heimlichen Grund hatte er derlei sonst nicht gefunden. Einige davon steckte er in seinen Korb quer über die Kastanien. Sie mochten als Schleifsteine besser dienen als die Granitbrocken. Die beiden Murmeltiere und den Hasen band er an den Hinterbeinen zusammen und hängte sie über die linke Schulter.

Am Ufer des Moorbachs balgte er die Tiere ab, warf das schon etwas riechende Fleisch ins Wasser und freute sich am Gewimmel der Fische, die sich daran gütlich taten. Dann wanderte er langsam im Bachbett abwärts.

In der leise bewegten Luft schwebten die weißen Spinnweben des Altweibersommers und einzelne Samenflocken von Disteln, Bocksbart und Löwenzahn. Hummeln und Bienen suchten die letzten Gipfelblüten des Himmelbrandes und der Wegwarten nach Nahrung ab. Hier und da flatterte ein müder Falter träge auf, von dessen zerfransten Flügeln der Farbenschmelz abgerieben war. Es herbstelte.

Eva empfing ihn sehr vergnügt. Nicht nur, daß sie sich über die vier neuen Felle, über die Nüsse und gebratenen Kastanien freute, auch sie hatte etwas zu zeigen. Ihr war es gelungen, das Wildkatzenfell sauber und geschmeidig zu machen. Zuerst hatte sie seine Innenseite mit Talgresten eingerieben. Das sei eine arge Schmiererei gewesen, erzählte sie, sie habe es aber mit Aschenlauge und Lehm wieder gesäubert und entdeckt, daß der Brei aus Fett, Lehm und Aschenlauge nicht nur den Katzenbalg, sondern auch ihre Hände von jedem Schmutz gereinigt hatte. Wohlgefällig drehte sie vor Peters Augen ihre Hände hin und her. Und noch etwas anderes freute sie: Die Steinbockshörner hatten durch die Holzkohle ihren üblen Geruch ganz verloren; eines davon sollte nun als Trinkgefäß, das andere als Salzbehälter im Wohnraum bleiben. Es war ihr auch geglückt, das trocken gewordene Katzenfell geschmeidig zu machen, indem sie es über die Kante ihres Sitzstrunkes gezogen hatte. Von nun an sollte jedes Fell gewalkt werden.

Im ruhigen Wasserspiegel des Wasserkorbes hatte sie gesehen, wie abscheulich zerzaust sie aussah. Das Kämmen mit den Fingern war halt ein unzulänglicher Notbehelf. Da war sie auf den Einfall gekommen, statt der Finger etwas Dünneres zum Ordnen der Haare zu verwenden. Sie hatte harte Zweige geschält, die Stäbchen angebrannt, damit sie nicht zerspleißen konnten, und an einem Granit spitz zugeschliffen; dann hatte sie eines neben das andere mit kreuzweis gespannten Darmsaiten an ein Querholz gebunden. Stolz zeigte sie Peter das sauber gekämmte, vom Stirnband zusammengehaltene Haar, ließ ihn ihren neuen Kamm bewundern und begann, auch seine lang und wirr gewordenen Haare zu kämmen.

Peter hatte nichts dagegen. Als er sich gar die Hände nach Evas Beispiel mit dem von ihr erfundenen Gemisch gereinigt hatte, schmeckte ihm das Essen außerordentlich gut. Er kam sich wie ein besserer Mensch vor. Was war geschehen? Aus Aschenlauge, Fett und mit Sand vermischtem Lehm war eine brauchbare Seife geworden! Seife und Evas Kamm brachten die jungen Höhlenmenschen wieder zwei Schritte vorwärts auf dem Wege zu einem behaglichen Leben. Schön wollte sie’s haben, die Eva. Nach der argen Not, in der sie ihr Leben kümmerlich gefristet hatten, ohne sich sonderlich um ihr Äußeres zu kümmern, waren sie endlich so weit, daß es ihnen an nichts Notwendigem gebrach, so daß auch für das Schöne Sinn und Zeit blieb.