Nachdem Ordener von dem Thurme herabgestiegen war, auf welchem er den Leuchtthurm von Munckholm erblickt hatte, mattete er sich lange ab, seinen armen Benignus Spiagudry um und um zu suchen. Er rief ihn mit Namen, aber nur das Echo der Ruinen antwortete ihm. Er war über diese Abwesenheit erstaunt, und schrieb sie irgend einem panischen Schrecken zu, der den furchtsamen alten Herrn ergriffen hätte. Um ihm Zeit zur Wiederkehr zu geben, beschloß er, die Nacht auf dem Felsen von Oelmö zuzubringen. Er nahm etwas Nahrung zu sich, wickelte sich in seinen Mantel und legte sich bei dem Feuer nieder.

Ordener war mit der Sonne auf, aber er fand seinen Spiagudry nicht, sondern nur dessen Schnappsack und Mantel, was auf eine sehr eilige Flucht schließen ließ. Er entschloß sich daher, allein abzureisen, weil er am andern Tage Walderhog erreichen mußte.

Der junge Mann war von Jugend auf an Beschwerden gewöhnt, und hatte die Gebirge schon mehrmals bereist. Da er nun wußte, daß der Räuber zu Walderhog zu treffen sein würde, bedurfte er keines Führers mehr und setzte allein seinen Weg in nordwestlicher Richtung fort.

Es war nicht sehr bequem, in diesem Lande zu reisen. Bald war der Weg bloß das steinige Bett eines ausgetrockneten Waldbaches, bald mußte man auf schwankenden Brücken, die bloß aus Baumstämmen bestanden, über Abgründe gehen. Stunden weit konnte man in diesen unbewohnten Gegenden reisen, ohne das Dasein von Menschen an etwas anderem gewahr zu werden, als an einer Windmühle, die sich auf dem Gipfel eines fernen Hügels drehte, oder an dem Rauch, der aus einem entfernten Eisenwerke stieg. Bisweilen begegnete er einem Bauer auf seinem kleinen grauen Pferde, oder einem Pelzhändler.

Wenn er den Handelsmann um den Weg nach der Grotte von Walderhog fragte, antwortete der nomadische Krämer, der bloß die Namen und Lage der Orte kannte, wohin ihn sein Gewerbe führte: »Geht immer nach Nordwest, dann kommt Ihr in das Torf Hervalyn, dann geht Ihr durch die Schluchten von Dodlysax, und diesen Abend könnt Ihr Surb noch erreichen, das nur zwei Stunden von Walderhog liegt.«

Wenn Ordener die nämliche Frage an einen Landmann richtete, schüttelte dieser, ganz erfüllt von den Traditionen seines Landes, den Kopf, hielt seinen Grauschimmel an und erwiederte: »Walderhog! die Grotte von Walderhog! Dort singen die Steine, die Beine tanzen, und der Dämon von Island bewohnt sie! In die Grotte von Walderhog werdet Ihr ohne Zweifel nicht gehen wollen?«

»Doch, ich will dahin!«

»Ihr habt also Eure Mutter verloren, oder Euer Haus ist verbrannt, oder ein Nachbar hat Euch Euer fettes Schwein gestohlen?«

»Alles das nicht!«

»So hat Euch irgend eine Hexe ein Leid angethan?«

»Mein lieber Freund, ich will von Euch nichts wissen, als den Weg, der nach Walderhog führt.«

»Wenn Ihr es denn durchaus wollt: immer nördlich! Ich weiß wohl, wie Ihr hinkommen werdet, aber wie Ihr zurückkommt, das weiß ich nicht. So lebt denn wohl!«

Es war bereits sinkende Nacht, als Ordener in dem Weiler Surb ankam. Der Harzgeruch und der Steinkohlenrauch belehrten Ordener, daß hier ein Volk von Fischern wohne. Er ging auf die erste Hütte zu, die sich ihm im Schatten der Nacht zeigte. Ihr niederer und enger Eingang war, nach norwegischem Gebrauch, durch eine große durchsichtige Fischhaut geschlossen, welche in diesem Augenblick durch das röthliche zitternde Licht eines angezündeten Feuers coloriert war. Ordener schlug an die hölzerne Einfassung der Türe und rief: »Es ist ein Reisender da!«

»Nur herein!« rief eine Stimme von Innen, während eine dienstfertige Hand die Fischhaut aufhob, und Ordener trat in die länglichrunde Hütte eines norwegischen Küstenfischers. Es war eine Art runden Zeltes von Holz und Erde, in dessen Mitte ein Feuer brannte. Vor diesem Feuer saßen der Fischer, sein Weib und zwei zerlumpte Kinder an einem Tisch, auf dem hölzerne Teller und irdene Geschirre standen. Auf der entgegengesetzten Seite, zwischen Netzen und Rudern, lagen zwei schlafende Rennthiere auf einem Lager von Blättern und Häuten, dessen Länge bestimmt schien, auch die Bewohner der Hütte und die Gäste aufzunehmen, welche ihnen der Himmel zuführen würde. Man konnte alle diese Gegenstände nur nach und nach wahrnehmen, denn ein dicker Rauch, der durch eine Oeffnung im Dach nur sparsam entschlüpfte, erfüllte die ganze Hütte.

Der Fischer und sein Weib grüßten den Reisenden mit aufrichtigem Wohlwollen. Die Landleute in Norwegen nehmen Reisende gerne auf, theils aus einem ihnen eigenen Hang zur Gastfreundschaft, theils aus Neugierde, die in ihrer Einsamkeit selten befriedigt wird.

»Herr,« sagte der Fischer, »Ihr werdet hungrig und durstig sein. Hier ist gutes Rindenbrod, womit Ihr Euern Hunger stillen könnt. Dann mögt Ihr uns sagen, wer Ihr seid, woher Ihr kommt, wohin Ihr geht, und welche Geschichten die alten Weiber bei Euch erzählen.«

»Ja, Herr,« fügte das Weib hinzu, »Ihr könnt zu Eurem Brod köstlich gesalzenen Stockfisch mit Wallfischthran essen. Setzt Euch nur.«

»Und wenn Ihr,« fuhr der Mann fort, »kein Freund von Fischen seid, so sollt Ihr, wenn Ihr ein wenig Geduld habt, einen trefflichen Rehschlegel oder wenigstens einen Fasanenflügel bekommen. Wir erwarten jeden Augenblick die Rückkunft des besten Schützen in den drei Provinzen. Nicht wahr, meine gute Maase?«

Die Möve heißt auf Norwegisch Maase. Das Weib nahm diese Benennung freundlich auf, sei es, daß dies ihr wirklicher Name war, oder daß ihr Mann ihr aus Zärtlichkeit diesen Beinamen gegeben hatte.

»Der beste Schütze! Das will ich meinen,« erwiederte sie. »Es ist mein Bruder, der berühmte Kennybol. Gott segne seinen Eingang und Ausgang! Er hat uns auf einige Tage besucht, und Ihr, fremder Herr, könnt aus dem nämlichen Becher mit ihm einige Schlucke gutes Bier trinken. Er ist ein Reisender, wie Ihr.«

»Ich danke Euch, meine wackere Wirtin,« erwiederte Ordener; »aber ich begnüge mich mit Eurem guten Rindenbrod und trefflichen Stockfisch, denn ich habe nicht Zeit, Euern Bruder, den berühmten Schützen, zu erwarten. Ich muß sogleich weiter.«

Die gute Maase, ärgerlich über die schnelle Abreise des Fremden und zugleich geschmeichelt durch das Lob, das er ihrem Stockfisch und ihrem Bruder ertheilte, rief: »Ihr seid sehr gütig, Herr … aber wie! Ihr wollt uns so bald wieder verlassen?«

»Ich muß.«

»Ihr wollt Euch zu dieser Stunde und bei solchem Wetter in die Gebirge wagen?«

»Es geschieht um einer wichtigen Angelegenheit willen.«

Diese Antworten des jungen Reisenden reizten die angeborne Neugierde der Hüttenbewohner eben so sehr, als sie ihre Verwunderung erregten.

Der Fischer erhob sich und sprach: »Ihr seid bei Christoph Buldus Braall, Fischer im Weiler Surb.«

Das Weib fügte hinzu: »Maase Kennybol ist sein Weib und seine Magd.«

Wenn die norwegischen Landleute einen Fremden auf eine höfliche Weise um seinen Namen fragen wollen, pflegen sie ihm den ihrigen zu sagen.

Ordener erwiederte: »Und ich, ich bin ein Reisender, der weder des Namens, den er trägt, noch des Wegs, den er geht, gewiß ist.«

Diese seltsame Antwort schien den Fischer Braall nicht zu befriedigen.

»Bei der Krone Gormons des Alten,« sagte er, »ich glaubte, daß es in diesem Augenblicke in Norwegen nur einen einzigen Menschen gäbe, der seines Namens nicht gewiß sei. Das ist der edle Baron von Thorwick, der jetzt, wie es heißt, wegen seiner glorreichen Vermählung mit der Tochter des Kanzlers, den Namen »Graf von Danestiold« annehmen wird. Dies ist wenigstens die neueste Nachricht, welche ich von Drontheim mitgebracht habe. Ich wünsche Euch Glück, fremder Herr, zu dieser Aehnlichkeit mit dem Sohn des Vicekönigs, dem hohen Grafen Guldenlew.«

»Wenn Ihr uns nichts über Eure Person sagen könnt,« fiel das Weib ein, »so bringt Ihr uns doch vielleicht etwas Neues mit, was in der Welt vorgeht?«

»Das Neueste ist,« unterbrach sie der Fischer, »daß, ehe ein Monat vergeht, der Sohn des Vicekönigs die Tochter des Großkanzlers heirathen wird.«

»Daran zweifle ich,« sagte Ordener.

»Ihr zweifelt daran, Herr! Ich kann Euch versichern, daß dem so ist. Ich habe diese Nachricht aus guter Quelle. Derjenige, der sie mir mitgetheilt, hat sie aus dem Munde des Herrn Paul, des Lieblingsdieners des edeln Barons von Thorwick, d. h. des hohen Grafen von Daneskiold. Hätte etwa seit sechs Tagen ein Sturm das Wasser getrübt? Ist dieses große Band zerrissen?«

»Ich glaube es,« antwortete der junge Mann lächelnd.

»Wenn dem so ist, Herr, so hatte ich Unrecht. Man muß nicht das Feuer anzünden, um den Fisch zu backen, bevor sich das Netz über ihm zusammengezogen hat. Ist dieses Band aber auch gewiß zerrissen? Von wem habt Ihr die Nachricht?«

»Von Niemand. Ich mache das so in meinem Kopf aus.«

Der Fischer konnte sich nicht enthalten, ihm unter die Nase zu lachen: »Verzeiht mir, Herr, aber man sieht leicht, daß Ihr wirklich ein Reisender und, ohne Zweifel ein Ausländer seid. Bildet Ihr Euch denn ein, daß die Ereignisse sich nach Euern Launen richten werden, und daß der Himmel sich verfinstern oder aufklären wird, je nachdem es Euch beliebt?«

Hier erklärte der Fischer, der, wie alle norwegischen Landleute, sich um die Angelegenheiten der Nation annahm und darin bewandert war, aus welchen Gründen diese Heirat unfehlbar stattfinden müsse. Ordener, der wenig Lust verspürte, mit diesem ländlichen Staatsmann eine politische Unterhaltung zu führen, wurde durch die Ankunft eines Dritten aus seiner Verlegenheit gerissen.

»Das ist er! Das ist mein Bruder!« rief das Weib. Der Hauswirth reichte dem Ankömmling feierlich die Hand: »Sei willkommen, Bruder!«

Hierauf wandte er sich zu Ordener und sprach: »Herr, das ist unser Bruder, der berühmte Schütze Kennybol aus den Bergen von Kole.«

»Ich grüße Euch Alle herzlich.« erwiederte der Bergbewohner, indem er seine Mütze von Bärenfell abnahm. »Bruder, ich mache schlechte Jagd an euren Küsten, wie Du schlechten Fischfang machen würdest in unsern Bergen. Eher noch würde ich meine Waidtasche füllen, wenn ich in den Nebelwäldern der Königin Mab Kobolde und Irrwische jagte. Schwester Maase, Du bist die erste Möve, der ich heute nahe genug kam, um ihr guten Tag zu sagen. Seht einmal, Freunde, um einen solchen elenden Auerhahn hat der erste Schütze von Drontheimhus bis zu dieser Stunde und in diesem schlechten Wetter die Lichtungen aus und ein laufen müssen.«

Mit diesen Worten zog er einen Auerhahn aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch, mit der Versicherung, daß dieses magere Tier keinen Schuß Pulver wert sei.

»Aber,« murmelte er zwischen den Zähnen, »nur getrost, du treue Büchse Kennybols, bald wirst du größeres Wild jagen, mehr als Gemsen und Elennthiere, grüne Röcke und rothe Jacken.« Diese halblaut gesprochenen Worte erregten die Neugier des Weibes.

»Hm!« sagte sie, »was sagst Du da, Bruder?«

»Ich sage, daß immer ein Kobold unter der Weiberzunge tanzt.«

»Du hast Recht, Bruder Kennybol,« rief der Fischer aus. »Diese Töchter Evas sind alle eben so neugierig als ihre Mutter. Hast Du nicht von Grünröcken gesprochen?«

»Bruder Braall, ich vertraue meine Geheimnisse nur meiner Büchse an, denn da bin ich gewiß, daß Niemand sie erfährt.«

»Man spricht,« fuhr der Fischer fort, »im Dorfe von einem Aufstand der Bergleute. Weißt Du etwas davon, Bruder?«

Der Bergbewohner nahm seine Mütze wieder, drückte sie tief in die Stirne, warf einen Seitenblick auf den Fremden, neigte sich dann zum Ohre des Fischers und sagte leise: »Still!«

Der Fischer schüttelte wiederholt den Kopf: »Bruder Kennybol, so stumm der Fisch auch ist, fällt er doch in die ausgespannten Netze.«

Es trat eine augenblickliche Stille ein. Die beiden Schwäger sahen sich mit ausdrucksvollen Blicken an, die Kinder rupften den Auerhahn, der auf dem Tische lag, aus dem Gesicht des Weibes sprach Neugierde, Ordener machte den stillen Beobachter.

Der Jäger suchte dem Gespräch eine andere Wendung zu geben: »Wenn Ihr heute einen magern Auerhahn eßt, so wird dem morgen nicht so sein, Bruder Braall, Du kannst den König der Fische fischen, ich verspreche Dir zum Schmelzen ein herrliches Bärenfett.«

»Bärenfett!« rief Maase aus. »Hat sich ein Bär in der Gegend gezeigt? Patrick, Regner, meine Kinder, Ihr dürft mir nicht mehr aus dem Hause, ich verbiete es. Ein Bär!«

»Sei ruhig, Schwester, morgen wirst Du ihn nicht mehr zu fürchten haben. Ja, etwa zwei Stunden von hier habe ich einen Bären gesehen, und zwar einen weißen Bären. Er schien einen Menschen, oder vielmehr ein Thier auf dem Rücken zu tragen. Es war vielleicht ein Ziegenhirte, den er wegtrug, denn die Ziegenhirten kleiden sich in Thierfelle. Ich konnte wegen der Entfernung nicht genau unterscheiden. Wundern mußte ich mich jedoch, daß er seine Beute auf dem Rücken trug, und nicht zwischen den Zähnen.«

»Wirklich, Bruder?«

»Ja, und das Thier mußte todt sein, denn es machte keine Bewegung, sich zu vertheidigen.«

»Aber,« fragte der verständige Fischer, »wenn es todt war, wie konnte es sich auf dem Rücken des Bären halten?«

»Das konnte ich auch nicht begreifen. Gleichviel, dieser Bär hat seinen letzten Fraß gehalten. Als ich in das Dorf zurückkam, habe ich gleich sechs tüchtige Bursche bestellt, und morgen, Schwester Maase, werde ich Dir das schönste weiße Fell, das je auf den Schneefeldern der Berge gelaufen ist, mitbringen.«

»Nimm Dich in Acht, Bruder, Du hast da sonderbare Sachen gesehen. Dieser Bär ist vielleicht der Teufel …«

»Bist Du närrisch?« unterbrach sie lachend der Bergbewohner. »Was wird sich der Teufel in einen Bären verwandeln! Ja, in eine Katze, in einen Affen, so etwas hat man erlebt, aber in einen Bären! Das ist ja ein Aberglaube, über den ein Kind und ein altes Weib lachen müßten!«

Das arme Weib schwieg beschämt.

»Bruder,« sagte sie nach einer Pause, »Du warst mein Herr und Meister, bevor mein Mann und Herr seine Augen auf mich warf; handle, wie es Dein Schutzengel Dir eingibt.«

»Wo,« fragte der Fischer, »hast Du denn diesen Bären gesehen?«

»Auf dem Wege von Smiassen nach Walderhog.«

»Walderhog!« wiederholte die Frau und machte ein Kreuz.

»Walderhog!« fiel Ordener ein.

»Bruder,« fuhr der Fischer fort, »ich hoffe nicht, daß Du auf dem Wege nach dieser Grotte von Walderhog warst?«

»Ich? Gott behüte mich in Gnaden! Es war der Bär, der seine Richtung dahin nahm.«

»Willst Du ihn morgen dort aufsuchen?« unterbrach ihn Maase mit Entsetzen.

»Gewiß nicht, denn selbst ein Bär wird seinen Aufenthalt in einer Höhle nicht nehmen, wo …«

Er hielt inne, und alle drei machten ein Kreuz.

»Du hast Recht,« erwiederte der Fischer, »der Instinkt bewahrt die Thiere vor solchen Dingen.«

»Meine guten Leute,« sagte Ordener, »was gibt es denn so Entsetzliches in dieser Grotte von Walderhog?«

Alle drei sahen sich mit einem dumpfen Staunen an, als ob sie eine solche Frage gar nicht begreifen könnten.

»Dort ist das Grab des Königs Walder,« fügte Ordener hinzu.

»Ja,« sagte die Frau, »ein steinernes Grab, das singt.«

»Und das ist noch nicht Alles,« sprach der Fischer.

»Nein,« fuhr das Weib fort, »bei Nacht sieht man dort die Gebeine der Todten tanzen.«

»Und das ist noch nicht Alles,« sagte der Bergbewohner.

Alle schwiegen, als ob sie nicht fortzufahren wagten.

»Nun,« fragte Ordener, »was ist denn sonst noch Uebernatürliches da?«

»Junger Mann,« erwiederte ernst der Bergbewohner, »Ihr müßt nicht so leichtsinnig reden, wenn Ihr einen alten grauen Wolf, wie ich einer bin, schaudern seht.«

Ordener versetzte lächelnd: »Ich hätte gleichwohl Alles zu erfahren gewünscht, was Wunderbares in dieser Höhle von Walderhog geschieht, eben weil mein Weg mich dahin führt.«

Bei diesen Worten waren die drei Zuhörer vor Schrecken wie versteinert.

»Nach Walderhog! Himmel! Ihr geht nach Walderhog?« rief der Fischer aus. »Und Ihr sagt das in einem Tone, wie man sagen würde: Ich gehe nach Löwig, meinen Stockfisch zu verkaufen! oder in Ralphs Bucht, Häringe zu fischen! Nach Walderhog! großer Gott!«

»Unglücklicher junger Mann!« sagte das Weib. »Habt Ihr denn keinen Schutzengel? Ist kein Heiliger im Himmel Euer Beschützer? Das kann freilich wohl sein, denn Ihr wißt ja nicht einmal Euern Namen!«

»Und welche Ursache kann Euch denn an diesen entsetzlichen Ort führen?« fragte der Bergbewohner.

»Ich habe irgend Einen um etwas zu fragen,« erwiederte Ordener.

Das Staunen der drei Zuhörer stieg mit ihrer Neugier.

»Hört, fremder Herr,« sagte der Bergbewohner, »Ihr scheint dieses Land nicht recht zu kennen. Ihr irrt Euch ohne Zweifel in dem Namen. Nach Walderhog könnt Ihr nicht wollen! Und wenn Ihr dort mit einem menschlichen Wesen sprechen wolltet, so würdet Ihr Niemand finden …«

»Als den Dämon,« ergänzte das Weib.

»Den Dämon! Welchen Dämon?«

»Den,« fuhr sie fort, »für den das Grab singt und die Todten tanzen.«

»Ihr wißt also nicht, Herr,« sagte der Fischer mit gedämpfter Stimme, daß die Grotte von Walderhog der gewöhnliche Aufenthalt des …«

Das Weib ließ ihn nicht ausreden.

»Mein Ehemann und Gebieter,« sagte sie, »sprich diesen Namen nicht aus, er bringt Unglück.«

»Wessen Aufenthalt?« fragte Ordener.

»Eines eingefleischten Teufels,« antwortete Kennybol.

»Ich weiß in der That nicht, was Ihr mir da sagen wollt. Das habe ich wohl gehört, daß Walderhog von Han dem Isländer bewohnt wird …«

Ein dreifacher Schrei des Entsetzens stieg in der Hütte auf: »Wie! – Ihr wußtet es! – Das eben ist dieser Dämon!«

Das Weib rief alle Heiligen im Himmel an, ihr zu bezeugen, daß nicht sie diesen Namen ausgesprochen habe. Nachdem der Fischer in etwas von seiner Bestürzung zurückgekommen war, starrte er Ordener an, wie einen Menschen, dessen Thun ihm unbegreiflich war.

»Herr,« sagte er, »wenn ich so lange leben sollte, als mein Vater, der einhundert zwanzig Jahre alt geworden ist, so hätte ich doch nie geglaubt, daß mich ein menschliches Wesen, das mit Vernunft begabt ist und an Gott glaubt, um den Weg nach Walderhog fragen würde.«

»Gewiß,« rief das Weib aus, »werdet Ihr nicht in diese Grotte gehen, denn wer den Fuß hineinsetzt, will einen Bund mit dem Teufel machen.«

»Ich gehe hin, Ihr guten Leute, und wer mir den kürzesten Weg dahin zeigen will, wird mir einen großen Dienst erweisen.«

»Der kürzeste Weg, dahin zu kommen, wohin Ihr gehen wollt, ist der, Euch vom nächsten Felsen in die nächste Schlucht herabzustürzen.«

»Heißt denn das den nämlichen Zweck erreichen,« fragte Ordener ruhig, »wenn man einen nutzlosen Tod einer nützlichen Gefahr vorzieht?«

Braall schüttelte den Kopf, während sein Schwager einen forschenden Blick auf den jungen Abenteurer warf.

»Ich verstehe jetzt,« rief plötzlich der Fischer aus, »Ihr wollt die tausend Thaler gewinnen, die auf des isländischen Dämons Kopf gesetzt sind.«

Ordener lächelte.

»Junger Herr,« fuhr der Fischer mit Rührung fort, »laßt diesen Plan fahren. Ich bin arm und alt, aber ich würde, was ich noch zu leben habe, wäre es auch nur ein einziger Tag, für Eure tausend Thaler nicht hingeben.«

»Nicht um dieser tausend Thaler, sondern um einer größeren Sache willen, suche ich diesen Räuber auf, den Ihr einen Dämon nennt. Ich thue es nicht für mich, sondern für Andere …«

Der Bergbewohner, der Ordener stets mit forschenden Augen betrachtet hatte, unterbrach ihn nun: »Ich verstehe Euch jetzt, ich weiß, warum Ihr diesen isländischen Dämon sucht.«

»Ich will ihn zwingen zu kämpfen,« sagte Ordener.

»Recht so,« fuhr Kennybol fort, »Ihr seid mit wichtigen Dingen beauftragt, es liegt viel an Eurer Sendung, nicht wahr?«

»Ich habe es bereits gesagt.«

Der Bergbewohner näherte sich jetzt dem jungen Manne mit einer Miene des Einverständnisses und sagte ihm zu seiner großen Verwunderung halblaut ins Ohr: »Es ist im Namen des Grafen Schuhmacher von Greiffenfeld, nicht wahr?«

»Wackerer Mann,« rief Ordener, »wie wißt Ihr …«

Er war wirklich erstaunt, daß ein norwegischer Bergbewohner ein Geheimnis wissen sollte, das er Niemand, nicht einmal dem General Levin, anvertraut hatte.

Kennybol neigte sich zu seinem Ohr: »Ich wünsche Euch guten Erfolg,« fuhr er in demselben geheimnisvollen Tone fort, »es ist edelmüthig von Euch, junger Mann, daß Ihr auf solche Weise den Unterdrückten beisteht.«

Ordeners Erstaunen war so groß, daß er kaum Worte finden konnte, den Bergbewohner zu fragen, auf welche Art er denn Kenntnis von dem Zweck seiner Reise erlangt habe.

»Stille,« sagte Kennybol, indem er den Finger auf den Mund legte, »ich hoffe, daß Ihr von dem Bewohner der Grotte von Walderhog das erlangen werdet, was Ihr wünscht. Mein Arm ist, gleich dem Eurigen, dem Gefangenen von Munckholm geweiht.«

Hierauf erhob er seine Stimme, ehe Ordener antworten konnte: »Bruder, Schwester Maase, nehmt diesen würdigen jungen Mann als einen zweiten Bruder auf. Jetzt zum Nachtessen, es wird fertig sein!«

»Wie!« unterbrach ihn das Weib, »Du hast ohne Zweifel den Herrn vermocht, von seinem Besuche bei dem Dämon abzustehen?«

»Schwester, bete, daß ihm kein Unfall widerfahre. Es ist ein edler und würdiger junger Mann. Jetzt, edler Herr, nehmt etwas Nahrung zu Euch und pflegt der Ruhe. Morgen will ich Euch den Weg zeigen, dann suchet Ihr Euern Teufel auf und ich meinen Bären.«