»Ja, Herr Graf, heute treffen wir ihn in den Ruinen von Arbar, Ich habe es durch Zufall erfahren, aber viele Umstände machen mir es wahrscheinlich.«

»Sind wir weit von diesen Ruinen?«

»Sie liegen in der Nähe des Sees Smiassen. Der Führer versichert, daß wir sie vor Mittag erreichen können.«

So besprachen sich zwei Personen zu Pferd, die in braune Mäntel gehüllt waren. Es war noch früh Morgens und sie befanden sich auf einem jener engen Wege, welche den Wald, der zwischen den Seeen von Smiassen und Sparbo liegt, in allen Richtungen durchschneiden. Ein Bergmann, der sein Horn umhängen hatte und mit seiner Axt bewaffnet war, ritt auf einem kleinen grauen Pferde voran; und hinter ihnen kamen vier andere wohlbewaffnete Reiter, gegen welche sie von Zeit zu Zeit die Köpfe zurückwendeten, als ob sie fürchteten, von ihnen gehört zu werden.

Die beiden Reiter waren der Graf von Ahlfeldt und sein Sekretär Musdoemon. »Wenn dieser isländische Räuber sich wirklich in den Ruinen von Urbar befindet,« sagte der Letztere, »so haben wir viel gewonnen, denn das Schwierigste an der Sache war, dieses ungreifbare Wesen aufzufinden.«

»Glaubt Ihr, Musdoemon? Und wenn er nun unsere Anerbietungen verwirft?«

»Unmöglich, gnädiger Herr Graf! Gold und Straflosigkeit! Welcher Räuber würde da widerstehen?«

»Ihr wißt aber, daß dieser Räuber kein Bösewicht gewöhnlichen Schlags ist. Legt also nicht Euern Maßstab an ihn an. Wenn er nun unsern Antrag nicht annimmt, wie wollt Ihr Euer Versprechen gegen die drei Anführer des Aufstandes erfüllen?«

»Euer Gnaden scheinen vergessen zu haben, daß uns ein falscher Han der Isländer zu Gebot steht.«

»Ihr habt Recht und immer Recht, mein lieber Musdoemon!« sagte der Graf, und beide überließen sich nun ihren eigenen Gedanken.

Musdoemon, dessen Vortheil erforderte, seinen Gebieter bei guter Laune zu erhalten, machte, um ihn zu zerstreuen, eine Frage an den Wegweiser.

»Guter Mann,« sagte er, »was ist das für ein steinernes Kreuz dort hinter jenen Eichen?«

»Das ist kein Kreuz, Herr,« antwortete der Bergbewohner, »sondern der älteste Galgen in Norwegen. Der König Olaus hat ihn für einen Richter aufschlagen lassen, der mit einem Räuber ein Bündniß abgeschlossen hatte.«

Musdoemon sah den Aerger auf dem Gesichte seines Patrons, als er diese Worte hörte.

»Das ist eine ganz besondere Geschichte,« fuhr der treuherzige Wegweiser fort, »der Räuber mußte den Richter hängen …«

Musdoemon rief ihm zu: »Schon gut, schon gut, lieber Freund! Wir wissen diese Geschichte.«

»Er weiß diese Geschichte, der Flegel!« murmelte der Graf für sich. »Warte, Musdoemon, Du sollst mir Deine Unverschämtheit theuer bezahlen!«

»Was befehlen Ew. Gnaden?« fragte Musdoemon mit unterwürfigem Wesen.

»Ich dachte eben auf Mittel, mein Lieber, den Danebrogorden für Euch zu erhalten. Die Vermählung meiner Tochter Ulrike mit Baron Ordener wird dazu eine gute Gelegenheit sein.«

Musdoemon zerfloß in Danksagungen und Betheurungen seiner Anhänglichkeit.

»Um wieder auf unsere Angelegenheiten zu kommen, glaubt Ihr, daß der Mecklenburger den Befehl, der ihn nach Bergen beruft, jetzt in Händen habe?«

»Ohne Zweifel, gnädiger Herr Graf, wird jetzt der Bote zu Drontheim sein, und der General Levin muß sich mithin zur Abreise anschicken.«

»Diese Abberufung ist ein Meisterstreich von Euch, Musdoemon. Er gehört zu Euren best ausgesonnenen und best ausgeführten Intriguen.«

»Die Ehre davon gehört Euer Gnaden eben so gut als mir,« erwiederte Musdoemon, der sich zur Maxime gemacht hatte, den Grafen bei allen seinen Umtrieben zu betheiligen.

Der Graf, der seine geheimen Gedanken ganz gut kannte, versetzte gleichwohl lächelnd: »Mein lieber geheimer Sekretär, Ihr seid immer allzu bescheiden, aber ich werde dennoch Eurer ausgezeichneten Dienste stets eingedenk sein. Elphegens Anwesenheit und des Mecklenburgers Abwesenheit sichern meinen Triumph zu Drontheim. Ich bin Oberhaupt der Provinz, und wenn Han das Commando der Rebellen annimmt, das ich ihm selbst anbieten werde, so werde ich den Ruhm ernten, diese Empörung gedämpft und den furchtbaren Räuber gefangen zu haben.«

In diesem Augenblicke drehte sich der Wegweiser um und rief: »Seht da, gnädige Herren, zu unserer Linken den Hügel, auf welchem Biord der Gerechte im Angesicht seiner Armee den doppelzüngigen Verräther Wellon enthaupten ließ, der die ächten Vertheidiger des Königs entfernt und den Feind in das Lager gerufen hatte, damit es scheine, als habe er allein Biords Leben gerettet …«

Musdoemon unterbrach ihn barsch: »Laßt das, guter Mann, schweigt und setzt Euern Weg fort, ohne Euch umzuwenden! Was liegt uns an Euern alten Geschichten! Ihr stört meinen Herrn durch Eure alte Weiberhistorien!«