Man hatte in der Regel zwei, oft auch vier Probejahre durch zu machen. Nur in seltenen Fällen war es gestattet, das Gelübde vor dem drei oder vierundzwanzigsten Jahre abzulegen. Wittwen wurden gar nicht aufgenommen.

In ihren Zellen unterwerfen sie sich vielen unbekannten Peinigungen, von denen sie nicht sprechen dürfen.

An dem Tage, an welchem eine Novize das Gelübde ablegt, legt man ihr den schönsten Schmuck an, schmückt ihr Haar mit weißen Rosen, glättet und lockt ihr Haar. Darauf wirft sie sich kniend zur Erde. Man breitet einen großen schwarzen Schleier über sie und singt die Todtenmesse. Demnächst theilen sich die Nonnen in zwei Reihen. Mit den in klagendem Tone ausgesprochenen Worten: »Unsere Schwester ist todt« zieht die eine Reihe an ihr vorüber, die andere Reihe antwortet laut: »Lebend in Jesus Christus.«

In der Zeit, in welcher unsere Geschichte spielt, war mit dem Kloster eine Pensionsanstalt für junge vornehme, meist reiche Mädchen verbunden. Diese jungen von den Nonnen innerhalb vier Mauern erzogenen Mädchen wuchsen auf in Abscheu gegen die Welt und gegen das Jahrhundert.

Eine von ihnen sagte eines Tages zu uns: »Wenn ich das Straßenpflaster sah, zitterte ich vom Kopfe bis zu den Füßen.« Sie waren blau gekleidet und trugen ein weißes Häubchen und auf der Brust die Taube des heiligen Geistes von vergoldetem Silber oder Kupfer. Au gewissen großen Festtagen, besonders am Tage der heiligen Martha, gestattete man ihnen als hohe Gunst und höchstes Glück sich wie Nonnen zu kleiden und einen ganzen Tag lang wie diese zu beten, zu singen und sich zu kasteien und ganz nach der Regel des Heiligen Benedikt zu leben.

Die Zöglinge gewöhnten sich an fast alle die strengen Uebungen des Klosters. Die Gewohnheit wurde ihnen zur zweiten Natur. So war eine junge Frau, welche in die Welt eingetreten, selbst nach mehrjähriger Verheirathung noch nicht dazu gelangt, sich abzugewöhnen, jedes Mal, wenn es an ihrer Thür klopfte, rasch zu antworten: »In Ewigkeit!« Wie die Nonnen, so sahen auch die Pensionärinnen ihre Verwandten nur im Sprechzimmer. Selbst ihre Mütter erlangten nicht das Recht, sie umarmen zu dürfen. So weit ging die Strenge in diesem Punkte. Eines Tages wurde ein junges Mädchen von ihrer Mutter besucht. Dieselbe war von ihrer kleinen, dreijährigen Schwester begleitet. Das kleine Mädchen weinte, denn es hätte gern ihre Schwester umarmt. Unmöglich! Sie bat wenigstens zu erlauben, daß das Kind die kleine Hand durch das Gitter stecke, damit sie sie küssen könne. Auch dies wurde versagt, ja es entstand beinahe ein Aergerniß darüber.