Die Geschichte des Gemeinen Learoyd.

»Und er erzählte eine Geschichte.«

Bücher des Gautama Buddha.

Fern von den Wohnungen der Kompagnieoffiziere mit ihren wenigen Lumpenparaden, fern von den scharfnasigen Sergeanten, die jede in den Bettkissen versteckte Pfeife schnüffeln, Zwei Meilen entfernt vom Lärm des Lagers, liegt die »Falle«. – Es ist ein alter ausgetrockneter Brunnen, beschattet von einem dicht verflochtenen Seifenbaum und eingehegt von hohem Grase, – Hier hatte vor vielen Jahren der Gemeine Ortheris sein Depot errichtet, eine Menagerie von toten und lebendigen Besitztümern, deren Einführung in die Kaserne zu gefährlich gewesen wäre, – Hier sammelte er Houdin-Hühnchen und Foxterrier von zweifelloser Abstammung und mehr als zweifelhaftem Eigentumsrecht, denn Ortheris war ein eingefleischter Wilddieb und in einem ganzen Regiment von geschickten Hundestehlern würde er doch voran geleuchtet haben.

Sie kommen niemals wieder, jene schönen, müßigen Abende, an denen Ortheris, sanfte Weisen flötend, wie ein Heilkünstler unter den Gefangenen seines Kunsthandwerks am Fuße des Brunnens umherging, während Learoyd in der Nische saß und weise Ratschläge über die Behandlung von Kötern erteilte, und Mulvaney, auf einem krummen Ast des überhängenden Pfeifenbaumes sitzend, seine enormen Stiefel segnend über unseren Köpfen baumeln ließ und uns mit Liebes- und Kriegsgeschichten traktierte und seine interessanten Erfahrungen über Städte und Menschen zum Besten gab.

Ortheris – nun gelandet in dem kleinen, so lange ersehnten Laden mit ausgestopften Vögeln, Learoyd – wieder zurück, geachtet, in dem rauchigen, steinigen Norden, zwischen den lärmenden Webstühlen von Bradfort, Mulvaney – ergraut, weichherzig, ein Ulysses an Weisheit, verschmachtend bei den Erdarbeiten einer Central-Indien-Linie – nun urteilt, ob ich die alten Tage der Falle vergessen habe.

Ortheris will ja immer alles besser wissen, als andere Leute, und behauptet, sie wäre keine wirkliche Dame gewesen, sondern nur eine Farbige. Ihre Gesichtsfarbe war ja ein bischen dunkel, darüber will ich nicht streiten, aber eine Dame war sie doch. Warum denn auch nicht? Sie hatte einen eigenen Wagen und ein Paar gute Pferde davor, und ihr Haar war so schön geölt, daß man sich drin spiegeln konnte. Sie trug Diamantringe und eine goldene Kette, Kleider von Seide und Atlas, die viel gekostet haben mußten, denn das sind keine billigen Läden, die von einem Stoff so viel auf Lager haben, daß es für eine Figur, wie ihre, ausreicht, Ihr Name war Mrs. De Sussa, und bekannt wurde ich mit ihr durch den Hund Rip, der unserer Frau Oberstin gehörte.

Ich habe eine Masse Hunde gesehen, aber Rip war das schönste Exemplar eines klugen Foxterriers, das mir je vor Augen gekommen ist. Er konnte einfach alles, außer sprechen, und unsere Oberstin schenkte ihm mehr Vertrauen, als wenn er ein Christ gewesen wäre. Sie hatte auch eigene Kinder, aber die waren in England, und Rip wurde deshalb sehr verzogen und heimste alle Liebkosungen ein, die von rechtswegen den Kindern zukamen.

Aber Rip hatte etwas von einem Landstreicher an sich – die Angewohnheit, aus dem Lager auszubrechen und den ganzen Platz abzusuchen, als wenn er Kaserneninspektor wäre und Revision abzuhalten hätte. – Der Oberst verlederte ihn einige Male, aber daraus machte sich Rip weiter nichts und fuhr fort, seine Runden zu gehen und dabei mit dem Schwanze zu wedeln, als ob er der Welt durch Flaggensignale Mitteilungen machen wollte, daß es ihm gut ginge, oder er danke für gütige Nachfrage, oder wie ist Euer Wohlbefinden? Aber der Oberst besaß keinen Hundeverstand und legte ihn an die Kette.

Ein wahrer Prachtkerl war der Hund, und zu verwundern ist es weiter nicht, daß sich die Dame Mrs. De Sussa in ihn ganz vernarrt hatte. In einem der zehn Gebote steht geschrieben: Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Ochsen, noch seinen Esel, aber es steht nichts darin von Foxterrier-Hunden, und darin liegt denn auch wohl die Erklärung, daß Mrs. De Sussa den Rip begehrte, trotzdem sie jeden Sonntag mit ihrem Eheliebsten zur Kirche ging. Der war viel dunkler als sie. Hätte er auf seinem Rücken nicht einen so guten Rock getragen, so konnte man ihn, ohne zu lügen, einen Schwarzen nennen. – Es hieß so, er hätte mit seinen Pfennigen in Leder gemacht und dabei ein riesiges Glück gehabt.

Nun, Ihr könnt Euch denken, nachdem Rip festgelegt war, erfreute sich der arme Bursche keines besonderen Wohlergehens mehr. Die Frau Oberstin schickte deshalb zu mir, da ich doch den Ruf hatte, mich auf Hunde zu verstehen, und fragte mich, was ihm wohl fehle? Ja, sagte ich, er langweilt sich eben, er muß seine Freiheit haben und Gesellschaft, wie jeder von uns, und erhält er ab und zu eine Ratte oder zwei, so wird er bald wieder aufleben. Es ist ja nur ein ziemlich gewöhnliches Vergnügen, Ratten zu jagen, sagte ich, aber das liegt nun einmal in der Natur von so einem Hunde, und dazu gehört auch, daß er herumstreichen darf und andere Hunde aufsucht, um mit ihnen den Tag über zuzubringen und sich auch, wie echte Christen, gegenseitig mal ein bischen an die Kehle zu fahren.

Da meinte sie denn, ihr Hund dürfte nicht solche Kämpfe aufführen, und Christen dürften auch nicht kämpfen.

›Wozu sind denn die Soldaten da?‹ fragte ich. Dann setzte ich ihr alle die verschiedenartigen Eigenschaften eines Hundes auseinander; und wenn man ordentlich darüber nachdenkt, so muß man sich doch sagen, daß es wirklich eine ganz kuriose Sache mit ihnen ist. Denn einmal müssen sie lernen, sich zu benehmen, wie ein geborener Gentleman, der ersten Gesellschaft würdig – ich hörte, daß sogar unsere Königin-Witwe einen guten Hund gern hat und ihn ebenso gelten läßt, wie irgend eine Person – dann aber heißt es wieder – Katzen jagen, in allerlei Schurkenstreiche auf der Straße verwickelt werden, Ratten morden und kämpfen wie ein Teufel.

Die Frau Oberstin erwiderte darauf: ›Gut, Learoyd, ich stimme freilich nicht mit Euch überein, aber in einer Hinsicht habt Ihr doch Recht, und so möchte ich denn gern, daß Ihr Rip manchmal mit Euch spazieren nehmt, aber Ihr dürft ihn nicht raufen lassen oder Katzen jagen und sonstige Ungezogenheiten vollführen lassen‹ – ja, genau so waren ihre Worte.

Also Rip und ich machten dann abends gemeinschaftliche Ausflüge; er war ein Hund, der jedem Mann zum Stolz gereichen mußte. Ich fing eine Menge Ratten, damit wir in den ausgetrockneten Schwemmbädern hinter dem Lager Jagden abhalten konnten, und da dauerte es denn auch nicht lange, so glänzte er wieder wie ein blanker Knopf. – Er hatte eine ganz eigene Art, auf die großen Straßenhunde loszugehen; wie ein Pfeil schoß er auf sie zu, und wenn auch sein Gewicht nur gering war, er fiel sie mit solcher Wucht an, daß sie überkugelten wie die Kegel auf dem Brett, und wenn sie auskniffen, raste er hinter ihnen her, als wenn es Kaninchen zu jagen gäbe. Und ebenso machte er es mit Katzen, wenn er sie zum Laufen bringen konnte. Eines Abends strichen Rip und ich wieder umher und kamen über einen Erdwall. Wir waren hinter einer dieser »Mondgänse« her, die er aufgestöbert hatte, und suchten ein dichtes Gebüsch ab. Da sahen wir plötzlich Mrs. De Sussa mit einem Sonnenschirm über der Schulter, wie sie uns beobachtete. – ›Ach,‹ flötete sie, ›da ist ja der süße Hund. Wird er sich wohl von mir streicheln lassen, Herr Soldat?‹

›O, das wird er wohl, meine Gnädige,‹ sagte ich, ›denn er liebt Damengesellschaft. Komm hierher, Rip, und sprich zu dieser freundlichen Dame.‹ – Und als Rip sich überzeugt hatte, daß die »Mondgans« verschwunden war, kam er heran, Gentleman, der er war, ohne Scheu und nicht im geringsten ungewandt.

›O du schöner, du reizender Hund,‹ rief sie in den süßesten Tönen, wie sie solchen Damen eigen sind, ›ich möchte einen Hund haben, wie dich. Du bist so überaus liebenswert, so ganz außerordentlich niedlich,‹ und noch mehr solches Geschwätz, bei dem sich, glaube ich, ein verständiger Hund nichts denken kann, wenn er es auch mit Rücksicht auf seine gute Erziehung über sich ergehen läßt. – Und dann ließ ich ihn über den Stock springen, Pfote geben, bitten, tot sein und noch allerlei andere Künste ausführen, wie sie Hunden von Damen beigebracht werden. Ich bin eigentlich selbst gar kein Freund von solchen Späßen, weil es einen guten Hund »zum Narren machen« heißt, wenn er solche Sachen thun muß. – Und zu guterletzt kam es denn heraus, daß sie schon seit langer Zeit ein Auge auf Rip geworfen hatte, wie man zu sagen pflegt. Ihre Kinder waren erwachsen, seht Ihr, zu thun hatte sie nichts, und nun warf sie sich auf Hunde. – So fragte sie mich denn, ob ich wohl einen Trunk möchte, und darauf gingen wir in ihr Wohnzimmer, wo auch ihr Mann saß. Da machten sie nun eine große Wirtschaft mit dem Hunde, und ich bekam eine Flasche Ale, und er gab mir noch eine Handvoll Cigarren.

Als ich fortgehen wollte, flötete das alte Frauenzimmer: ›O, Herr Soldat, bitte, kommt wieder und bringt den reizenden Hund mit.‹

Meiner Frau Oberstin gegenüber hielt ich dicht und sagte nichts von Mrs. De Sussa, und Rip sagte auch nichts; so ging ich denn wieder hin, und jedesmal gab es einen guten Schluck und eine Handvoll anständigen Rauchzeugs. – Ich erzählte der alten Schachtel eine Unmasse von Dingen über Rip, die ich selbst niemals vorher gehört hatte; er hätte den ersten Preis auf einer Hunde-Ausstellung ln London bekommen, und der Mann, der ihn groß gezogen, hätte dreiunddreißig Pfund Sterling und vier Schilling für ihn erhalten, und ein Bruder von ihm wäre im Besitze des Prinzen von Wales, und er besäße einen Stammbaum, so lang wie der eines Herzogs. – Und sie griff alles auf und wurde nicht müde, ihn zu bewundern. Aber als die alte Person anfing, mir Geld zu geben, und als ich sah, daß sie ganz verrückt auf den Hund war, fing ich an, Verdacht zu schöpfen. Alan kann einem Soldaten wohl in freundlicher Weise ein Trinkgeld anbieten, darin liegt kein Unrecht, aber wenn es sich bis zu 5 Rupien versteigt, die einem heimlich in die Hand gedrückt werden, dann ist es, wie die Betbrüder sagen, Bestechung und Verworfenheit. – Und als dann Mrs. De Sussa Andeutungen machte, daß das kalte Wetter wohl bald vorbei sein würde, und daß sie dann nach Munsooree Pahar ginge, während wir nach Rawalpindi zögen, und daß sie dann Rip nie mehr sehen würde, wenn nicht einer, den sie kenne, ihr einen Gefallen thäte, – da erzählte ich Ortheris und Mulvaney die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende.

›Es ist Diebstahl, auf den das alte Frauenzimmer hinaus will,‹ sagte der Irländer, ›es ist ein Schurkenstreich, zu dem sie dich verführen will, mein Freund Learoyd, aber ich will deine Unschuld beschützen. Ich will dich retten aus den sündhaften Schlingen dieser reichen, alten Person, und ich will heute Abend mit dir gehen und ihr mal etwas von Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit beibringen, – Aber, heiliger Patrick,‹ rief er dann kopfschüttelnd, ›eigentlich war das doch nicht schön von dir, all das gute Getränk und die feinen Cigarren für dich zu behalten, während Ortheris und ich hier herumschleichen mit Kehlen, so trocken wie ungelöschter Kalk, und nichts anderes zu rauchen haben, als das alte Kantinen-Zeug. Das war doch ein schlechter Streich, den du deinen Kameraden gespielt hast, denn was hast du besonderes vor uns voraus, Learoyd, daß du dich auf seidenen Stühlen schaukeln willst; als ob Terence Mulvaney nicht mit jedem den Vergleich aufnehmen könnte, der in Leder handelt.‹

›Laß mich dazwischen heraus‹ rief Ortheris, ›aber so geht es im Leben. Die wirklich auserlesen wären, die Zierde der Gesellschaft zu sein, können sich nie hervorthun, und so ein Tölpel von Yorkshire-Mann, wie du einer bist –‹

›Bitte,‹ rief ich, ›sie will gar keinen tölpelhaften Yorkshire-Mann haben, sondern Rip will sie. Das ist der Gentleman, der hier begehrt wird.‹

Also am nächsten Tage gingen Mulvaney, Rip und ich zu Mrs. De Sussa. Anfangs war sie ein bischen verlegen, weil sie den Irländer noch nicht kannte. Aber Ihr wißt ja, wie Mulvaney reden kann, und so könnt Ihr auch glauben, daß er das alte Frauenzimmer so behexte, daß sie mit allem herauskam und uns sagte, daß sie Rip mit sich nehmen wolle nach Munsooree-Pahar, Da änderte Mulvaney aber seine Tonart und fragte sie feierlich, ob sie denn wohl über die Folgen nachgedacht hätte, darüber, daß sie zwei arme, aber ehrliche Soldaten nach den Verbannungsinseln befördern würde. Nun fing Mrs. De Sussa an zu weinen, so daß Mulvaney andere Saiten aufzog und sie zu beruhigen versuchte – er wolle ja zugeben, daß Rip besser dran sein würde in den Bergen, als in dem Bengalischen Tieflande, und daß es doch eigentlich ein Jammer wäre, daß er nicht mit denen gehen könnte, die ihn so lieb hätten. Und so redete er dann auf die alte Person ein und predigte drauf los, bis ihr zu Mute war, als ob ihr Leben keinen Pfennig Wert mehr hätte, wenn sie den Köter nicht bekäme.

Da sagte er plötzlich: ›Sie sollen ihn haben, Gnädige, denn ich habe ein mitleidiges Herz, nicht so eins, wie dieser kaltblütige Yorkshire-Mann, aber es wird Ihnen was kosten und zwar nicht weniger als 300 Rupien.‹

›Glaubt ihm nicht, meine Dame,‹ sagte ich, ›die Frau Oberstin giebt ihn nicht für 500 Rupien her.‹

›Wer sagt denn, daß sie das soll,‹ sagte Mulvaney, ›ich spreche ja garnicht von kaufen, sondern von etwas ganz anderem, liebe Gnädige, wenn ich auch nie in meinem Leben gedacht hätte, daß mir so was in den Sinn kommen könnte. Ich will ihn stehlen.‹

›O, stehlen müßt Ihr das nicht nennen,‹ sagte Mrs. De Sussa, ›er soll das glücklichste Heim haben. Hunde gehen ja oft verloren, wie Ihr wißt, und dann irren sie umher, und dann liebt er mich, und dann liebe ich ihn, wie ich noch nie einen Hund geliebt habe, und ich muß ihn haben. – Wenn ich ihn im letzten Augenblick erhielte, würde ich ihn fort nach Munsooree-Pahar tragen, und niemand sollte jemals etwas davon erfahren.‹

Nun sah mich Mulvaney wieder von der Seite an, und wenn ich auch nicht dahinter kommen konnte, was er im Sinne hatte, beschloß ich doch, seiner Führung zu folgen.

›Nun wohl, meine Gnädige,‹ sagte ich, ›ich hätte nie gedacht, daß ich bis zum Hundestehlen herunterkommen würde, aber wenn mein Kamerad einen Weg sieht, einer Dame, wie Sie sind, einen Gefallen zu thun, so bin ich nicht der Mann, zurückzubleiben. Ich finde freilich, es ist ein schlechtes Geschäft, denn dreihundert Rupien sind doch nur ein kärglicher Ersatz gegenüber der Möglichkeit, auf die verfluchten Strafinseln zu kommen, von denen Mulvaney sprach.‹

›Ich will Euch 350 geben,‹ sagte Mrs. De Sussa, ›nur verschafft mir den Hund.‹

Wir ließen uns überreden, und sie nahm auf der Stelle Rips Maß und schickte zu Hamilton, um ein silbernes Halsband zu bestellen für die Zeit, wann er ihr gehören würde, was an dem Tage sein sollte, wo sie nach Munsooree abreiste.

›Hör‘ mal, Mulvaney,‹ sagte ich, als wir draußen waren, ›du wirst ihr den Rip doch nicht wirklich verschaffen wollen?‹

›Und du wirst doch nicht so eine arme alte Frau täuschen wollen,‹ sagte er, »sie soll einen Rip haben.«

›Wie soll denn das gemacht werden?‹ sagte ich.

›Learoyd, mein Junge,‹ flötete er, ›du bist ein hübscher Bursche mit deiner schönen Größe, und ein guter Kamerad bist du ja auch, aber dein Kopf ist von Stroh. Ist unser Freund Ortheris nicht der reine Künstler im Ausstopfen von Tieren mit seinen geschickten weißen Fingern? Und was ist denn ein Ausstopfer anders als ein Mann, der sich auf die Behandlung von Fellen versteht? Nun denke mal an den weißen Hund, der dem Kantinen-Sergeanten gehört, und der ihm so wenig Ehre macht; die eine Hälfte der Zeit ist er immer verloren, und die andere beschäftigt er sich mit Knurren. Den wollen wir mal für immer »verloren sein« machen. Kannst du dich auf ihn besinnen, er sieht dem Hunde der Frau Oberstin so ähnlich, wie ein Ei dem andern, sowohl in Form, wie in Größe, nur sein Schwanz ist einen Zoll länger, und außerdem hat er nicht die schöne Farbe, die der wirkliche Rip hat, und auch sein Temperament ist anders, es ist so wie das seines Herrn und noch schlimmer. – Doch was macht ein Zoll mehr oder weniger an einem Hundeschwanz aus? Und was will das für einen Sachverständigen bedeuten, wie Ortheris, einige runde Flecke in schwarz, braun und weiß zu malen? Garnichts, aber auch rein garnichts.‹

Dann suchten wir Ortheris auf, und dieser kleine Kerl, schlau wie ein Fuchs, sah der Sache sofort bis auf den Grund. – Gleich am nächsten Tage legte er sich auf’s Haarfärben und fing bei einigen seiner Kaninchen an; dann übertrug er Rips Abzeichen auf den Rücken eines weißen Kommissariats-Ochsen, um sich ordentlich einzuüben und mit den Farben zustande zu kommen, braun in schwarz zu schattieren, daß es ganz ächt aussah. – Wenn Rip einen Fehler hatte, so waren es seine vielen Abzeichen, aber sie waren dafür sehr regelmäßig, und Ortheris setzte seinen ganzen Stolz darin, ein Meisterwerk zustande zu bringen, als er den Hund des Kantinen-Sergeanten in seiner Gewalt hatte. – Es hat wohl niemals einen Köter gegeben von solch‘ schlechtem Charakter, und er wurde auch nicht besser dadurch, daß man seinen Schwanz um einen und einen halben Zoll verkürzte.

Aber man mag von den Königlichen Akademien halten, was man will, ich habe noch nie ein Tierstück gesehen, welches die Kopie übertraf, die Ortheris von den Abzeichen Rips hergestellt hatte, während das Bild selbst die ganze Zeit die Zähne fletschte und Rip an die Kehle wollte, der wie ein Engel da stand und sich abmalen ließ.

Ortheris war auch selbst von sich so aufgeblasen, daß man einen Ballon damit hätte steigen lassen können, und er war so entzückt von seinem falschen Rip, daß er darauf bestand, ihn selbst zu Mrs. De Sussa zu bringen, ehe sie abreiste. – Aber Mulvaney und ich ließen das nicht zu, denn wir kannten Ortheris seine Leistungen; wenn sie auch noch so kunstvoll waren, so gingen sie doch nicht bis auf die Haut.

Und endlich bestimmte Mrs. De Sussa den Tag ihrer Abreise nach Munsooree-Pahar. Wir sollten Rip in einem Korbe zur Station bringen und im letzten Augenblick abliefern, dann wollte sie uns das Geld geben – so wurde es ausgemacht.

– Und auf mein Wort, es war hohe Zeit, daß die Sache zu Ende kam, denn die gefärbten Stellen auf dem Rücken der Bestie verbrauchten eine Unmasse Farbe, damit sie sich nicht veränderten, und Ortheris hatte schon 7 Rupien und 6 Annas in dem ersten Droguisten-Geschäft von Calcutta dafür verausgabt.

Und der Kantinensergeant suchte überall seinen Hund, und die Wut des Biestes verbesserte sich auch nicht, da er immer an der Kette gehalten werden mußte.

Es war am Abend, als der Zug nach Howrah abging, und wir Mrs. De Sussa mit ihren 60 Koffern halfen und dann den Korb überreichten. – Ortheris, voll Stolz auf sein Werk, bat, ob er uns begleiten dürfte, und konnte es dann nicht lassen, den Deckel ein wenig zu lüften und das Biest zu zeigen, wie es zusammengerollt da lag,

›Oh,‹ sagte die alte Person, ›diese Schönheit! wie süß er aussieht!‹ Und als dann die Schönheit anfing, zu knurren, und ihre Zähne zeigte, schloß Mulvaney den Deckel und sagte: ›Sie müssen recht vorsichtig sein, meine Gnädige, wenn Sie ihn herausnehmen. Er ist nicht gewohnt, auf der Eisenbahn zu fahren, und wird seine wirkliche Herrin vermissen und seinen Freund Learoyd. – Sie müssen das seinen Gefühlen zu gut halten.‹

Sie wollte alles und noch viel mehr für den guten Hund, für den lieben Rip thun, und sie wollte den Korb nicht öffnen, ehe sie nicht Meilen weit weg wäre, aus Furcht, daß ihn jemand erkennen könne, und wir wären wirklich gute Soldaten, ja, das wären wir, und damit händigte sie mir ein Bündel Banknoten ein, und dann kamen einige Freunde und Verwandte, um ihr Lebewohl zu sagen – es waren nicht mehr als 75 – und dann machten wir, daß wir fort kamen.

Was aus den 350 Rupien geworden ist? Das kann ich Euch wirklich nicht sagen, aber zum Schmelzen haben wir sie gebracht, ja, das haben wir. Es ging in drei gleiche Teile, denn Mulvaney sagte, wenn auch Learoyd zuerst Mrs. De Sussa in den Weg kam, so war ich es doch, der zur rechten Zeit auf den Sergeantenhund verfiel, und Ortheris war das Genie, was aus dieser greulichen Mißgeburt ein Kunstwerk schuf. Um jedoch ein Dankopfer zu spenden, daß ich durch diese schlechte alte Person nicht zu einem Schurkenstreiche verleitet wurde, will ich Vater Victor eine Kleinigkeit für die Armen schenken, für die er ewig bettelt.

Aber ich und Ortheris, er ein Cockney, und ich noch viel weiter nördlich zu Hause, konnten dieses nicht recht einsehen. Wir hatten nun einmal das Geld und wollten es auch behalten. Und das thaten wir – wenn auch nur für kurze Zeit.

Nein, wir hörten niemals wieder etwas von dem alten Frauenzimmer. Unser Regiment kam nach Pindi, und der Kantinensergeant verschaffte sich einen andern Köter an Stelle des früheren, der so regelmäßig verloren ging und zuletzt auf Nimmerwiedersehen verschwand.