Das trunkene Heimatskommando.

Eine furchtbare Geschichte hatte sich abgespielt. Mein Freund, der Gemeine Mulvaney, der neulich mit der Serapis nach der Heimat gefahren war, als er ausgedient hatte, war als Civilist nach Indien zurückgekehrt. Dinah Shadd war an allem Schuld. Sie konnte sich mit den niedrigen kleinen Löchern von Wohnungen nicht abfinden und vermißte ihren Diener Abdullah mehr, als sich in Worten ausdrücken läßt. Es war eben eine traurige Thatsache: die Familie Mulvaney hatte zu lange hier im Auslande gewohnt und das Heimatgefühl für England verloren.

Mulvaney war mit einem Unternehmer einer der neuen indischen Centralbahnen bekannt und bat ihn um irgend eine Anstellung. Der Unternehmer antwortete, wenn er die Ueberfahrt bezahlen könne, wolle er ihm aus alter Freundschaft das Kommando über einen Trupp Kulis geben. Das Gehalt betrug 85 Rupien monatlich, und Dinah Shadd hatte gesagt, wenn Terence nicht annähme, würde sie ihm das Leben zu einem irdischen Fegefeuer machen. Deshalb kamen die Mulvaneys als Civilisten herüber. Das war für den Mann eine arge Demütigung; er versuchte auch immer, sie zu bemänteln, und erzählte stets, er sei Oberst bei der Eisenbahn und ein sehr einflußreicher Herr.

Er schrieb mir auf einem Werkzeugformular eine Einladung, ihn zu besuchen, und ich kam denn auch zu den kleinen, wunderlich gebauten »Bungalows« dicht an der Bahn. Dinah Shadd hatte, wo sie nur konnte, Erbsen gepflanzt, und von der Natur waren ringsum auf dem Platz alle Arten von grünem Gebüsch verstreut. Mulvaney hatte sich gar nicht verändert; nur der Wechsel in seiner Kleidung war beklagenswert, aber dem war nicht abzuhelfen. Er stand gerade auf seiner Lowry und redete in einen seiner Leute hinein; seine Haltung war noch so stramm wie immer, und sein starkes, dickes Kinn war eben so blank gekratzt wie in alter Zeit.

»Ich bin jetzt ein Civilist,« sagte Mulvaney; »können Sie sich vorstellen, daß ich jemals ein Kriegsmann war? Aber antworten Sie nicht, Herr, wenn Sie zwischen einem Kompliment und einer Lüge schwanken. Mit Dinah Shadd ist nichts mehr aufzustellen, seit sie ihr eigenes Haus hat. Gehen Sie hinein, um in der guten Stube eine Tasse Thee aus Porzellan zu trinken. Nachher wollen wir hier unter dem Baum einen christlichen Trunk thun. Heda, schwarze Bande! Ein Sahib ist gekommen, mich aufzusuchen, und das ist mehr, als er je für Euch thun würde; es sei denn, Ihr liefet davon. Vorwärts! Die Erde ausgehoben und aufgetragen; seid fleißig bis Sonnenuntergang!«

Als wir Drei dann gemütlich unter dem dicken » sisham« vor dem Bungalow saßen und die erste Flut von Fragen und Antworten über die Gemeinen Ortheris und Learoyd und die alten Zeiten und Orte sich verlaufen hatte, sagte Mulvaney nachdenklich: »Es ist ja ganz schön, daß morgen keine Parade ist und man von keinem aufgeblasenen jungen Korporal angeschnauzt werden kann. Aber ich weiß doch nicht … Es ist hart, etwas zu sein, was man nie war und auch nie geglaubt, mal zu werden! Die schönen alten Tage für immer hinweggewischt wie die Namen aus der Liste. Ja, ja! Ich bin schimmelig geworden, und unser Herrgott will nicht, daß ein Mann seiner Königin sein ganzes Leben lang dient.«

Er that einen festen Zug und seufzte schrecklich.

»Du solltest Dir Deinen Bart stehen lassen, Mulvaney,« sagte ich, »dann würdest Du Dich nicht mehr über solche Sachen beunruhigen; Du würdest ein wirklicher Zivilist sein.« Dinah Shadd hatte mir im Zimmer anvertraut, wie gern sie es sehen würde, wenn Mulvaney sich den Bart wachsen ließe.

»Das gehört sich auch für einen Civilisten,« sagte deshalb die arme Dinah, die wütend wurde, wenn ihr Mann sich fortwährend nach dem alten Leben zurücksehnte.

»Dina Shadd, Du bist eine Schande für einen ehrlichen, glatt rasierten Mann,« entgegnete Mulvaney, ohne mir zu antworten. »Laß Dir selbst an Deinem Kinn einen Bart stehen, mein Herzblatt, aber laß gefälligst meine Rasiermesser in Ruh. Sie sind das einzige, was mir den letzten Rest meiner Selbstachtung noch erhält. Und wenn ich mich nicht rasieren wollte, würde ich stets von einem schändlichen Durst gequält werden, denn nichts dörrt die Kehle mehr aus als ein langer, alter Ziegenbart, der einem unterm Kinn herumbaumelt. Du möchtest doch nicht, daß ich immer trinke, Dinah Shadd? Deshalb hältst Du mich auch jetzt wieder so grausam trocken. Gieb mal den Whisky her!« Der Whisky wurde hingereicht und zurückgegeben. Aber Dinah Shadd, die sich eben so begierig wie ihr Mann nach den alten Freunden erkundigt hatte, fuhr mich an: »Ich schäme mich für Sie, Herr, daß Sie hierher kommen – der Himmel weiß es, daß Sie gerade so willkommen sind wie das liebe Sonnenlicht, wenn Sie wirklich mal kommen – und meinem Mann solchen Unsinn über allerlei Dinge in den Kopf setzen, die er lieber vergessen sollte. Er ist jetzt eben Civilist, und Sie sind überhaupt nie etwas anderes gewesen. Können Sie denn nicht die Armee mal ruhen lassen? Es ist doch nicht gut für Terence.«

Ich suchte Schutz bei Mulvaney, denn Dinah Shadd hat ein eigenartiges Temperament. »Laß gut sein, laß nur gut sein,« sagte Mulvaney zu Dinah; »es kommt doch nur ab und zu mal vor, daß ich von der alten Zeit rede.« Dann wandte er sich zu mir. »Sie sagten, dem ›Trommelstock‹ gehe es gut. Seiner Frau auch? Ich wußte nie, wie sehr ich den grauen Schinder lieb hatte, bis ich von ihm und Asien getrennt war.« Trommelstock war der Spitzname des Obersten, der Mulvaneys altes Regiment führte. »Werden Sie ihn bald wiedersehen? He? Dann sagen Sie ihm doch« – Mulvaneys Augen fingen zu leuchten an – »sagen Sie ihm vom Gemeinen …«

»Vom Herrn Terence!« schrie Dinah Shadd.

»Hol der Teufel und alle seine Engel und das ganze Firmament den ›Herrn‹; und die Sünde, so zu fluchen, komme auf Dein Konto, Dinah Shadd. Vom Gemeinen, sage ich. Vom Gemeinen Mulvaney den unterthänigsten Gruß; und wenn ich nicht gewesen wäre, so würden sich die letzten Reservisten auf dem Meer jetzt noch in den Haaren liegen.«

Er warf sich im Stuhl zurück, lachte in sich hinein und schwieg.

»Madame Mulvaney,« sagte ich, »bitte: nehmen Sie den Whisky fort, und geben Sie ihn nicht eher wieder her, als bis er die Geschichte erzählt hat.«

Dinah Shadd nahm flink die Flasche fort und sagte dabei: »Es ist nichts, worauf er besonders stolz sein könnte.« Mulvaney aber, der so doppelt gereizt wurde, begann: »Es war Dienstag vor acht Tagen. Ich war mit den Trupps am Eisenbahndamm beschäftigt und hatte die Arbeiter gelehrt, Tritt zu halten und das Schreien dabei zu unterlassen. Da kam ein Vorarbeiter auf mich zu; das Hemd hing ihm am Nacken heraus, und sein Gesicht hatte einen verzweifelten Ausdruck. Herr, sagt er, ein ganzes Regiment Soldaten und noch ein halbes sind da oben an der Weichenstelle und schlagen wie blind und toll auf alles los. Aufhängen wollten sie mich mit meinen eigenen Kleidern, und es wird noch Mord und Totschlag geben, ehe die Nacht kommt. Sie sagten, hierher würden sie auch kommen, um uns zu wecken. Was werden wir mit unseren Frauensleuten anfangen?

Hol‘ meine Lowry her, sagte ich; mein ganzes Herz zitterte mir immer im Leibe bei dem geringsten Ereignis, das mit der Uniform der Königin zusammenhängt. Hole meine Lowry und sechs stramme Leute, und dann rollt mich hinauf bis zum Knotenpunkt.«

»Er zog seinen besten Rock an,« sagte Dinah Shadd vorwurfsvoll.

»Das war zu Ehren der Königin-Witwe. Ich konnte nicht weniger thun, Dinah Shadd.

Du unterbrichst aber mit Deinen Abschweifungen immer den Gang der Geschichte. Hast Du schon mal überlegt, wie ich aussehen würde, wenn mir der Kopf ebenso glatt rasiert wäre wie das Kinn? Merke Dir das, mein Herzblatt.

Dann wurde ich sechs Meilen in der Lowry herumgefahren und konnte einen Blick auf das Kommando werfen. Ich konnte mir denken, daß es ein durchziehendes Kommando war, das in die Heimat ging, denn hier in der Gegend steht ja leider kein Regiment.«

»Gott sei Dank!« murmelte Dinah Shadd. Aber Mulvaney hörte es nicht.

»Als ich ungefähr drei Viertelmeilen vom Biwak entfernt war, hörte ich das Lärmen und Toben der Kerls; und bei meiner Seele, Herr, ich konnte die Stimme von Peg Barney heraushören! Er schrie wie ein Büffel, der Leibweh hat. Sie kennen doch noch Peg Barney von der D.-Kompagnie, den roten, haarigen Burschen mit einer Narbe hier am Kinnbacken? Peg Barney, der voriges Jahr bei der Jubiläumsfeier des Blue-Light-Regiments mit dem Küchenschrubber den Kehraus machte!

Da wußte ich denn, es war ein Kommando vom alten Regiment, und mir wurde angst und bang um den armen Jungen, der es anführte. Wir sind doch immer schwer zu bändigen gewesen. Habe ich Ihnen schon mal, erzählt, wie Horker Kelley einmal ganz splitternackt, wie Phoebus Apollonius, mit den Hemden des Korporals und der Mannschaften unter dem Arm in die Wachtstube kam? Und das war noch ein Zahmer. Aber ich komme von meiner Geschichte ab. Es ist schmachvoll für beide, das Regiment und die Armee, wenn solche Jungens von Offizieren abgeschickt werden, um ein solches Kommando von handfesten Leuten zu führen, die ganz toll sind von Schnaps und der Aussicht, Indien zu verlassen, und bei denen jede Bestrafung, die nötig wäre, zwischen der Garnison und dem Hafen verboten ist. Das ist eben der Unverstand. Wenn ich meine Zeit diene, bin ich unter den Kriegsartikeln und kann nach ihnen am Pfahl geprügelt werden. Aber wenn ich meine Zeit abgedient habe, dann bin ich ein Reservemann, und die Kriegsartikel gehen mich nichts mehr an. Ein Offizier kann einem Reservemann gar nichts thun; nur in die Kaserne kann er ihn einsperren. Das ist eine komische Bestimmung, weil ein Reservemann keine Kaserne mehr hat, denn er ist ja die ganze Zeit auf dem Marsch. Das ist ein Salomo von einer Bestimmung. Den Mann möchte ich wohl mal kennen lernen, der die gemacht hat. … Es ist leichter, junge Pferde vom Kibbereen-Pferdemarkt nach Galway zu bringen, als solch ein schlimmes Kommando auch nur zehn Meilen über Land zu führen. Und dabei diese Bestimmung, aus Furcht, die Mannschaften könnten von den jungen Herren Offizieren zu sehr geschunden werden. Als ob das ein Unglück wäre!

Je näher meine Lowry an das Lager heran kam, desto wilder wurde die Sache, und desto lauter hörte man Peg Barney brüllen. Es ist nur gut, daß ich hier bin, dachte ich bei mir selbst, denn Peg macht allein schon zwei oder drei Mann zu schaffen. Der Kerl ist doch sicher voll wie ein Ochsentreiber. Das weiß ich schon … Teufel noch mal! Wie sah das Biwak aus! Die Zeltstricke waren alle windschief befestigt, und die Pfähle sahen eben so betrunken aus wie die Leute. Etwa fünfzig warens, die Herumtreiber und Lüdriane, des Teufels Lieblingskinder vom alten Regiment. Ich kann Ihnen sagen, Herr, sie waren betrunkener, als Sie in Ihrem ganzen Leben einen Menschen gesehen haben. Wovon diese Leute betrunken werden? Wovon wird eine Padde dick? Sie saugen es eben durch die Haut ein.

Peg Barney saß auf der Erde; er hatte einen Stiefel an, den anderen ausgezogen, schwenkte eine Zeltstange mit seinem Stiefel dran um seinen Kopf herum und sang dabei, daß ein Toter aufwachen konnte. Es war kein schöner Sang, den er anstimmte, – nein! Es war die Teufelsmesse.«

»Was ist denn das?« fragte ich.

»wenn ein fauler Junge aus dem Heere ausgestoßen wird, dann singt er, um einen guten Abgang zu haben, die Teufelsmesse. Das heißt: er flucht auf alles, vom kommandierenden General herunter bis zum Stubenältesten, – flucht so gräulich, wie Sie es wohl noch nie gehört haben. Es giebt Leute, die können fluchen, daß der grüne Rasen platzt. Haben Sie mal den Fluch in einer Orange Lodge gehört? Die Teufelsmesse ist noch zehnmal schlimmer, und Peg Barney sang sie und schwenkte dabei seine Zeltstange mit dem Stiefel dran für jeden, den er verfluchte, einmal um den Kopf herum. Eine furchtbar laute Stimme hatte er, und schon im nüchternen Zustande konnte er schrecklich fluchen. Ich stellte mich dicht vor ihn hin; aber nicht nur mit meinen Augen konnte ich merken, daß Peg voll war wie eine Haubitze. Guten Tag, Peg, sagte ich, als er nach einem Fluch auf den General-Adjutanten Luft schnappte. Meinen besten Rock habe ich angezogen, um Dich zu besuchen, Peg Barney, sagte ich.

Dann zieh‘ ihn nur wieder aus, gab er mir zur Antwort und fuchtelte mit dem Stiefel herum, zieh‘ ihn aus und tanze, Du dreckiger Civiliste, Du!

Und dann fing er an und fluchte auf den alten ,Trommelstock‘ und war dabei so voll, daß, er immer den Brigade-Kommandeur mit dem General-Auditeur verwechselte.

Kennst Du mich denn nicht mehr, Peg? fragte ich, obgleich mir das Blut zu Kopf gestiegen war, als er mich einen Civilisten geschimpft hatte.«

»Ihn, einen anständigen, verheirateten Mann!« jammerte Dinah Shadd.

»Nein, sagte Peg; aber betrunken, oder nicht, ich werde Dir die Haut mit dieser Schaufel vom Buckel schaben, sobald ich mit Singen fertig bin.

So? Meinst Du, Peg Barney? sagte ich; es ist klar: Du hast mich vergessen. Aber warte, ich will Deinem Gedächtnis ein bischen zu Hilfe kommen. Und dabei schlug ich ihn Zu Boden mitsamt seinem Stiefel und ging in das Lager. Das sah aus! Fürchterlich!

wo ist der Offizier, der das Detachement führt? fragte ich Scrub Greene, den winzigsten, kleinsten Wurm, der jemals herumkroch.

Hier giebt es keinen Offizier mehr, Du alter Schnüffler, sagte Scrub; wir leben jetzt in einer freien Republik. So? Wirklich? antwortete ich; na, dann bin ich O’Connell, der Diktator, und nun sollst Du mal lernen, Dich höflicher mit Deinem Schandmaul auszudrücken. Dabei schlug ich ihn nieder und ging zum Offizierzelt.

Da war ein neues junges Kerlchen, so eins, wie ichs bisher noch nicht gesehen hatte. Er saß in seinem Zelt und that, als wenn er von dem Lärm draußen nichts hörte.

Ich grüßte militärisch. Für mein Leben gern hätte ich ihm die Hand geschüttelt, als ich eintrat; aber sein Säbel, der am Zeltpfahl hing, hielt mich zurück.

Kann ich Ihnen dienen, Herr? fragte ich. Das ist ja ein Stück Arbeit für einen ganzen Mann, das man Ihnen da aufgebürdet hat, und Sie werden wohl vor Sonnenuntergang Hilfe brauchen können. Es war ein Junge mit dem Herzen auf dem rechten Fleck, Kind und echter Gentleman zugleich.

Setzen Sie sich, sagte er. Nicht vor Ihnen, Herr Offizier, antwortete ich; und dann erzählte ich ihm von meiner früheren militärischen Stellung. Ich habe von Ihnen gehört, sagte er. Sie haben die Stadt Lungtungpen überrumpelt.

Bei Gott, dachte ich, das ist Ehre und Ruhm! Denn Leutnant Brazenose war es, der diesen Coup ausführte. Ich stehe Ihnen zu Diensten, Herr, sagte ich, wenn ich nützen kann.

Man hätte Sie aber nicht mit dem Kommando hierher schicken sollen, denn, nichts für ungut, Herr, sage ich, nur der Leutnant Hackerston vom alten Regiment kann einen Heimattransport bändigen.

Ich habe bis jetzt solche Leute noch nicht geführt, sagte er, mit den Federn auf dem Tische spielend, und ich sehe aus den Bestimmungen . . .

In die Bestimmungen sehen Sie lieber gar nicht hinein, Herr, sagte ich, bis die Truppen auf dem blauen Wasser schwimmen. Nach den Bestimmungen müssen Sie die Leute für die Nacht zusammenhalten, sonst überfallen sie meine Arbeiter und stellen alles hier in der Gegend auf den Kopf. Können Sie sich auf Ihre Unteroffiziere verlassen, Herr?

Ja, sagte er.

Gut, sage ich, denn noch ehe es dunkel ist, wird es was zu thun geben. Marschieren Sie morgen, Herr?

Ja. Bis Zur nächsten Station, sagt er.

Desto besser, sage ich; es wird sehr viel zu schaffen geben.

Man darf nicht allzu streng gegen die Mannschaften auf einem Heimattransport sein, sagt er; die Hauptsache ist doch, daß man sie aufs Schiff bekommt.

Ja! Sie haben das Wichtigste Ihrer Aufgabe wohl erfaßt, Herr, sage ich; aber kleben Sie nicht zu sehr an den Bestimmungen, sonst bekommen Sie die Leute nie in das Schiff. Ganz sicher nicht. Oder es würde nicht ein Fetzen ihrer ganzen Kleidung übrig bleiben, wenn Sie zu sehr danach verfahren wollten.

Es war ein zu netter kleiner Kerl, der Offizier, und weil ich ihm das Herz ein bischen stärken wollte, erzählte ich ihm, was ich mal in Ägypten bei solch einem Transport gesehen habe.«

»Was war denn das, Mulvaney?« fragte ich.

»Siebenundfünfzig Mann saßen da am Ufer eines Kanals und lachten über einen kleinen, unmündigen Offizier, den sie veranlaßt hatten, im Schlamm herumzuwaten und die Sachen aus den Booten zu werfen, für sie, die großmächtigen Herren Barone… Mein Offizier schäumte bei dieser Geschichte vor Wut.

Immer ruhig Blut, sagte ich; Sie haben Ihr Kommando seit der letzten Garnison wohl ein bischen aus der Hand verloren. Warten Sie die Nacht ab; Sie werden sehen, was Sie zu thun bekommen. Wenn Sie gestatten, Herr, werde ich mal im Lager herumhören und mit meinen alten Freunden reden. Es würde zwecklos sein, jetzt den Teufelsradau unterdrücken zu wollen.

Damit ging ich in das Lager hinaus und suchte jeden einzelnen auf, der noch nüchtern genug war, um sich meiner zu erinnern.

Ich galt etwas in den alten Tagen, und die Jungens waren auch alle vergnügt, als sie mich sahen; nur einer nicht: Peg Barney. Ein Auge hatte der wie eine Tomate, die fünf Tage auf dem Markt gelegen hat, und eine dazu passende Nase. Alle kamen heran zu mir und schüttelten mir die Hände, und ich erzählte ihnen dann, ich sei in Privatbeschäftigung mit einem eigenen Einkommen und hätte ein Gesellschaftszimmer, das es mit dem der Königin aufnehmen könne, und mit meinen Schnurren und Geschichten und sonstigem Getreibe beruhigte ich sie denn auf die eine oder andere Weise, während wir durch das Lager spazierten. Es ging toll her, selbst als ich mir Mühe gab, den Friedensengel zu spielen.

Ich sprach mit meinen alten Unteroffizieren – die waren nüchtern – und mit ihrer Hilfe brachten wir das ganze Kommando zur richtigen Zeit in die Zelte hinein. Da kam der kleine Offizier zu uns heraus; so ruhig und höflich, wie man’s nur wünschen konnte.

Schlechte Quartiere, Leute, sagte er; aber Ihr dürft nicht verlangen, daß es so bequem hier ist wie in der Kaserne. Wir müssen es uns einrichten, so gut es geht. Ich habe heute bei vielen dummen Streichen ein Auge zugedrückt, aber jetzt ist es genug damit.

Ja, es ist genug. Komm her, mein Junge, und trink einen, sagte Peg Barney und taumelte auf dem Fleck, wo er stand.

Der junge Offizier bewahrte seine ruhige Haltung.

Du bist ein eigensinniges Schwein, bist Du, sagte Peg Barney; und darüber fingen die Leute im Zelt an zu lachen.

Na! … Ich erzählte schon: mein junger Offizier hatte Haare auf den Zähnen. Er versetzte Peg Barney einen Schlag ins Gesicht, ganz dicht an das Auge, das ich ihm schon bei unserer ersten Begrüßung gequetscht hatte. Peg stürzte zusammen und stolperte über das Zelt weg.

Bindet ihn an, Herr, sagte ich leise.

Bindet ihn an, rief mein junger Offizier laut, gerade als ob er beim Bataillon-Exerzieren kommandierte.

Die Unteroffiziere packten Peg Barney, der nur noch ein heulender Klumpen war, und in drei Minuten war er fest gebunden; Kopf herunter, straff gezogen … über seinen Bauch, einen Zeltpflock an jedem Arm und Bein, fluchend, daß ein Neger blaß werden konnte. Ich nahm noch einen Pflock und stemmte ihn zwischen seine gräulichen Kinnbacken. Da hast Du was zum beißen, Peg Barney, sagte ich; die Nacht über frierts noch und da hast Du Zerstreuung nötig, bis es Morgen wird. Aber nach den Bestimmungen müßtest Du auf eine Kugel unter dem Galgen beißen, Peg Barney, sagte ich.

Das ganze Kommando war aus den Zelten zusammengeströmt und beobachtete, wie Peg Barney angebunden wurde.

Das ist gegen die Bestimmungen. Er hat ihn geschlagen, brüllte Scrub Greene, der immer ein Rechtsgelehrter war, und ein paar Leute stimmten in das Geschrei ein.

Den Kerl auch anbinden! rief mein junger Offizier, der seine Fassung bewahrte, und die Unteroffiziere packten auch Scrub Greene und banden ihn fest dicht neben Peg Barney. Ich konnte sehen, welchen Eindruck das auf die Leute machte. Sie standen da und wußten nicht, was sie sagen sollten.

Geht in Eure Zelte, sagte mein junger Offizier. Sergeant, stellen Sie einen Posten vor die beiden!

Die Mannschaften schlichen in ihre Zelte zurück wie Schakals, und es war während der übrigen Nacht nicht der geringste Lärm; nur den Tritt des Postens bei den Gebundenen hörte man, und Scrub Greene heulte wie ein Kind. Es war eine kalte Nacht; und wahrhaftig: Peg Barney wurde durch die Kälte nüchtern.

Kurz vor der Reveille kam mein junger Offizier heraus und befahl: Macht die Leute los, und dann schickt sie in ihre Zelte. Serub Greene ging fort, ohne ein Wort zu sagen; nur Peg Barney stand ganz steif vor Kälte da, wie ein Schaf, und versuchte dem Offizier verständlich zu machen, daß es ihm leid thue, den Bock gespielt Zu haben.

Da war kein Nachzügler im Kommando, als es zum Weitermarsch antrat, und der Teufel soll mich holen, wenn ich ein Wort von ,Ungesetzlichkeit‘ gehört hätte.

Ich ging zum alten Fahnen-Sergeanten und sagte: Laßt mich in Ruhm sterben, sagte ich. Ich habe heute einen Mann gesehen.

Er ist wirklich ein Mann, sagte der alte Hother. Das Kommando ist so eingeschüchtert wie ein Hering in der Tonne. Alle werden wie die Lämmer bis zur See marschieren. Der Junge hat Haare auf den Zähnen wie eine ganze Garnison von Generälen.

Amen! sagte ich, das Glück sei ihm hold überall, wo er ist, auf dem Lande oder auf der See. Laßt mich doch wissen, wie das Kommando flott wird.

Und wissen Sie, wie es wurde? Dieser Junge – ich erhielt schon einen Brief aus Bombay – hat ihnen herunter bis an die See die Seele aus dem Leibe gezwiebelt. Von der Stunde an, wo sie mir aus den Augen kamen, bis zu dem Augenblick, da sie an Deck kletterten, ist nicht einer von ihnen mehr als gebührlich betrunken gewesen. Und bei den heiligen Kriegsartikeln: als sie abfuhren, schrien sie ihm Beifall zu, bis sie nicht mehr schreien konnten, und das, hören Sie, ist noch nie bei einem Heimatkommando vorgekommen, so lange ein noch lebender Mensch denken kann. Sehen Sie diesen Jungen an. Der hat es in sich. Nicht jedes Kind würde sich so über die Bestimmungen hinwegsetzen und den Peg Barney auf den Wink eines klapprigen alten Gerippes, wie ich eins bin, niederschlagen. Ich wäre stolz, unter ihm zu dienen…«

»Terence, Du bist doch ein Civilist!« sagte Dinah Shadd warnend.

»Ja, das bin ich… Ja! Es ist wirklich, als ob ich’s manchmal ganz vergäße! Aber er war ein Edelmann, der ganze Junge, und ich bin doch nur ein Sandschipper mit einer Molle auf den Schultern… Sie haben den Whisky schon in der Hand, Herr. Mit Ihrer gütigen Erlaubnis trinken wir auf das alte Regiment! Drei Finger hoch! Aufgestanden!« Und wir tranken.