Auf der Hauptwache.

»Heilige Mutter Gottes, plagt uns denn der Teufel, daß wir uns in dieser melancholischen Gegend festgesetzt haben? wissen Sie eine Antwort darauf, Herr?«

Es war Mulvaney, der so sprach. Die Zeit der Handlung war ein Uhr in einer drückend schwülen Juninacht und der Ort die Hauptwache von Fort Amara, der verlassensten und wenigst begehrten indischen Befestigung. Was ich dort zu thun hatte, ist eine Frage, die nur den Wachtunteroffizier M’Grath und den Schließerposten angeht.

»Schlafen,« sagte Mulvaney, »ist eine überflüssige Notwendigkeit. Bis zur Ablösung werden wir kein Auge zumachen.«

Er hatte seinen Oberkörper entblößt; Learoyd tropfte von einem gehörigen Guß Wasser, den ihm Ortheris, der nur mit weißen Hosen bekleidet war, gerade über die Schultern geschüttet hatte. Ein vierter Gemeiner endlich stöhnte schwer, während er mit offenem Munde in den Schein der großen Wachtlaterne hineindöste. Die Hitze unter den steinernen Deckengewölben war entsetzlich.

»Die schlimmste Nacht, so lange ich denken kann. Donnerwetter, ist denn die Hölle los?« sagte Mulvaney. Ein glühend heißer Windstoß drang durch das Gitterthor wie eine Meereswelle, und Ortheris schimpfte.

»Ist Dir wohler, Jock?« sagte er zu Learoyd »Stecke den Kopf zwischen die Beine. In einer Minute geht es Dir besser.«

»Ist mir ganz egal. Alles wäre mir überhaupt gleichgültig, wenn mein Herz nicht so puckerte. Laßt mich sterben, Oh, laßt mich ruhig sterben!« seufzte der starke Yorkshire-Mann, der die Hitze wegen seiner Körperfülle besonders unangenehm empfand.

Der Schläfer unter der Laterne wurde für einen Augenblick wach und erhob sich auf seinem Ellbogen: »Stirb‘ und sei verflucht!« sagte er, »Ich bin verflucht und kann nicht sterben.«

»Wer ist denn das?« wisperte ich, denn die Stimme war mir unbekannt.

»Geborener Gentleman,« sagte Mulvaney, »ein Jahr Unteroffizier, nächstes Jahr Sergeant. Er brennt darauf, Offizier zu werden, aber er trinkt wie ein Fisch. Er ist über die Höhe, ehe das kalte Wetter kommt. Wissen Sie, so!« Damit zog er einen Fuß aus dem Schuh und berührte mit den nackten Zehen den Abzug seines »Martini«. Ortheris mißverstand die Bewegung. Im nächsten Moment wurde das Gewehr des Iren bei Seite geschleudert, und Ortheris stand vor ihm und sah ihn vorwurfsvoll an.

»Du!« sagte Ortheris. »Mein Gott, Du! wenn Du auf solche Gedanken kommst, was sollen wir dann machen?«

»Sei ruhig, kleiner Mann,« gab Mulvaney zurück, indem er ihn bei Seite schob – jedoch sehr freundlich – »fällt mir nicht ein, noch wird es mir jemals einfallen, so lange Dinah Shadd noch lebt. Ich wollte blos was zeigen.«

Learoyd krümmte sich auf seinem Lager und stöhnte; der Gentleman-Unteroffizier seufzte im Schlaf.

Ortheris nahm den Tabaksbeutel, den ihm Mulvaney anbot, und wir drei rauchten eine geraume Zeit, während die Nebelgespenster auf dem Glacis tanzten und über die glühende Ebene dahinfuhren.

»Wie wär’s mit ’n guten Tropfen?« sagte Ortheris und wiegte den Kopf.

»Tantalisiere uns nicht und erzähle nichts von Trinken, oder ich stopfe Dich in Deine eigene Flinte und – und schieße Dich ab!« grunzte Mulvaney,

Ortheris lachte und produzierte aus einer Nische in der Veranda 6 Flaschen Ingwer-Limonade.

»Wo hast Du das her, Du Machiavel?« fragte Mulvanay. »Aus der Kantine ist das nicht.« »Was weiß ich, was die Offiziere trinken!« antwortete Ortheris. »Frage den Meß-Mann.«

»Du willst vor ein Kriegsgericht gestellt werden, mein Sohn,« sagte Mulvaney.

»Aber ich werde Dich diesmal noch nicht melden. Dieses Meß-Zeug ist Gold für den Magen, wie sie sagen, besonders wenn es was zu trinken ist. Das ist doch noch was! Blutiger Krieg oder ein – nein, wir haben ja die schlechte Jahreszeit jetzt. Also auf blutigen Krieg denn,« – er erhob den unschuldigen »Tropfen« gegen die vier Himmelsrichtungen. »Auf blutigen Krieg! Norden, Süden, Gsten, Westen! Jock, Du quäkender Heuschober, komm‘ und trink.«

Aber Learoyd war halbtoll vor Todesfurcht, denn seine Adern im Nacken wurden dicker und dicker. Er bat seinen Schöpfer, ihn doch sterben zu lassen, kämpfte aber inzwischen verzweifelt nach Lust. Zum zweiten Male übergoß Ortheris den zitternden Körper mit Wasser, und der Riese kehrte zum Leben zurück.

»Ich sehe nicht ein,« sagte er, »warum man absolut weiterleben soll – wahrhaftig, das sehe ich nicht ein. Hört, Leute! Ich, bin müde – sehr müde. Es ist nicht die Spur Wasser mehr in meinen Knochen, Laßt mich sterben!«

Die Höhlung des Deckengewölbes gab Learoyds gebrochenes Stöhnen mit dumpfem Klange zurück. Mulvaney sah mich hoffnungslos an. Ich erinnerte mich, wie Ortheris einst von der Wut der Verzweiflung gepackt worden war, an jenem traurigen Nachmittage am Ufer des Khemi, und wie er von dem geschickten Zauberer Mulvaney geheilt worden war.

»Erzähle etwas, Mulvaney!« sagte ich, »oder Learoyd schnappt über, und die Sache wird schlimmer als damals mit Ortheris. Erzähle! Auf Deine Stimme wird er reagieren.«

Noch ehe Ortheris die sämtlichen Gewehre kurzer Hand auf Mulvaneys Bett gelegt hatte, begann der Irländer mit erhobener Stimme, als ob er mitten in einer Geschichte fortführe:

»In den Kasernen oder außerhalb, wie Sie sagen, Herr, ist ein irisches Regiment eine Teufelsbande und schlimmer. Es paßt nur für einen jungen Mann mit wohlerzogenen Fäusten. Ich sage Euch, die Creme der Verworfenheit ist so’n irisches Regiment und hauende, stechende und wütende Strolche sind es im Felde. Mein erstes Regiment waren Iren – Fenier und Rebellen bis in das Herz ihres Markes waren sie – und darum schlugen sie sich für die Königliche Witwe besser, als alle anderen, wenn sie auch Iren waren. Die »Black Tyrone« hießen sie. Ihr habt wohl von ihnen gehört, Herr?«

Und ob ich von ihnen gehört hatte! Ich kannte die »Black Tyrone« als die ausgewählteste Kollektion von vollendeten Schuften, Hundedieben, Hühnerräubern, Belästigern von unschuldigen Bürgern und vor nichts zurückschreckenden Helden in der ganzen Armee. Halb Europa und Asien hat Gelegenheit genommen, die »Black Tyrone« kennen zu lernen – das Glück sei mit ihren zerrissenen Fahnen, die sie stets mit Ruhm und Ehre getragen.

»Es war eine gepfefferte und gesalzene Bande. Ich schlug einem Manne zu heftig das Koppel um die Ohren in jenen Tagen meiner Jugend und kam, nach einigen Weiterungen, die ich nicht näher erwähnen will, zum »Old Regiment« – als ein Mann, der Hände und Füße hatte. Aber wie ich Euch schon sagte, eines Tages traf ich mit den »Black Tyrone« wieder zusammen, als wir verteufelt wenig nach ihnen fragten. Orth’ris, mein Sohn, wie war doch der Name von dem Ort, an den sie eine Kompagnie von uns und eine von den »Tyrone« schickten, auf einen Hügel rauf und dann wieder runter – alles um die Paythans etwas zu lehren, was sie vorher nicht gekannt hatten? Nach dem Gefecht bei Ghuzai war es.«

»Weiß der Teufel, wie diese verfluchten Paythans den Ort nannten. Wir nannten ihn »Silvers Theater«. Daran wirst Du Dich noch erinnern, nicht?«

»Richtig – »Silvers Theater«. Ein Loch zwischen zwei Hügeln, so tief und dunkel wie ein Stalleimer und so schmal wie eine Mädchentaille. Es gab übergenug Paythans in diesem Loch – übergenug für unsere Verhältnisse – und, bei Gott, sie nannten sich großartig »Reserve«, denn sie waren von Natur ein schamloses Gesindel.

Unsere Schotten und diese Kerls, die Gurkys, verprügelten einige Paythan-Regimenter, glaube ich. Schotten und Gurkys sind nämlich Zwillingsregimenter, weil sie sich so ähnlich sind und zusammen einen heben, so oft es Gott gefällt. Wie ich sagte, schickten sie eine Kompagnie vom »Old« und eine von den »Tyrone« gegen die Hügel vor, um sie von der Paythan-Reserve zu säubern. Offiziere waren eine Seltenheit damals – Dysenterie und mangelnde Pflege hatten ihre Reihen gelichtet, wir gingen los mit nur einem Offizier bei der Kompagnie, aber es war ein Mann, der seine Füße unter sich und der Haare auf den Zähnen hatte.«

»Wer war es?« fragte ich.

»Kapitän O’Neil – Old Crook – Cruikna – Bulleen – derselbe, von dem ich Euch die Geschichte aus Birma erzählte. Ha! das war ein Mann! Die Tyrone hatten einen Knirps von Offizier, der noch verflucht wenig zu sagen hatte, wie ich später zeigen werde. Wir und sie, wir kamen über den Kamm des Hügels: jeder auf einer Seite des Loches, und da unten lauerte diese freche Paythan-Reserve, wie Ratten in der Falle.«

»Halt, Leute!« rief Crook, der sich stets mit wahrer Mutterliebe um uns kümmerte. »Rollt einige Felsstücke auf sie herab als Visitenkarten!«

»Wir hatten noch nicht 20 Felsklötze heruntergerollt – die Paythans fluchten bereits erbärmlich – als der kleine Offizier von den Tyrone quer über das Thal schrie: »Was, den Teufel noch mal, thut ihr! Ihr werdet meinen Leuten den ganzen Spaß verderben. Seht Ihr nicht, daß sie unseren Angriff annehmen?«

»Meiner Treu, das ist ein seltener Fall!« sagte Crook. »Laßt die Klötze fort! Herunter auf sie los und Thee mit ihnen getrunken!«

»Da sind verdammte, kleine Zuckerstücke drin!« sagte der Mann hinter mir, aber Crook, der ihn gehört hatte, erwiderte lachend: »Habt Ihr nicht alle gute Theelöffel!«

»Und dann stürzten wir herunter, so schnell wir laufen konnten, Learoyd war mit seinem Fußgestell nicht in Ordnung und machte deshalb nicht mit.«

»Das ist eine Lüge!« sagte Learoyd und trug seine Pritsche näher heran, »Da – das habe ich mir dabei geholt, das weißt Du, Mulvaney!« Damit hob er die Arme, und von der rechten Achselhöhle sah man eine dünne weiße Linie quer über die Brust laufen und in der Nähe der vierten linken Rippe endigen.

»Mein Gedächtnis läßt mich im Stich,« sagte Mulvaney, ohne seine Fassung zu verlieren. Richtig, Du warst dabei. An wen dachte ich nur? An irgend jemand anders wahrscheinlich. Na gut, dann wirst Du auch noch wissen, Jock, wie wir und die Tyrone schließlich gegen die Paythans prallten – dicht zusammengepreßt, so daß jede Bewegung unmöglich war?«

»Oh! Es war ein gehöriges Gedränge! Ich wurde gequetscht, daß ich dachte, ich sollte platzen,« sagte Ortheris und rieb sich nachdenklich den Magen.

»Es war nicht gerade der geeignete Ort für einen kleinen Kerl, aber ein kleiner Kerl« – Mulvaney legte seine Hand auf Ortheris Schultern – »rettete mir damals das Leben. Da saßen wir nun – denn den Teufel noch mal, die Paythans wichen und wankten nicht, und wir auch nicht! wir sollten die Kerls ja auf den Trab bringen. Und das verdrehteste an der Sache war, daß wir und sie einander gerade in die Arme gelaufen waren und kein Schuß für geraume Zeit fiel. Es gab nur Messer und Bajonett, wenn wir mal die Hände frei hatten; und oft kam das nicht vor. Wir standen Brust an Brust mit ihnen, und die Tyrone bellten hinter uns, bissig und wütend in einer Weise, die ich mir zuerst garnicht erklären konnte. Aber späterhin sollte ich den Grund erfahren und die Paythans auch.«

»Knie an Knie!« schrie Crook lachend, als unser Sturm in dem Thal zum Stehen kam. Er umarmte einen großen haarigen Paythanen, ohne daß einer dem anderen etwas thun konnte, so sehr sie es auch wünschten.

»Brust an Brust!« sagte er, als die Tyrone uns mehr und mehr vorwärts drängten.

»Und mit dem Arm über die anderen hinweg!« sagte ein Sergeant, der hinter ihm stand. Ich sah einen Säbel an Brooks Ohr vorbeisausen und der Paythane brach, wie ein Schwein durch die Kehle gestochen, zusammen.

»Danke schön für die Aufmerksamkeit,« sagte Crook kühl, wie eine Gurke ohne Salz. »Den Platz brauchte ich gerade.« Damit drang er um die Breite eines Mannes vor, über den Paythanen hinweg. Der biß ihm den Absatz von seinem Stiefel ab im Todeskampf.

»Vorwärts, Leute!« rief Crook. »Vorwärts, Ihr schwachrückigen Lumpen!« rief er. »Soll ich etwa alle Arbeit allein thun?«

»So gingen wir vor – wir hauten, stachen und fluchten – und das Gras war so schlüpfrig, daß die Absätze nicht faßten. Gnade Gott dem Mann, der an dem Tage zu Boden fiel.«

»Sind Sie jemals in dem Ausgang vom Bums des Vic an einem vollen Abend gewesen?« unterbrach ihn Ortheris. »Es war schlimmer noch damals, denn sie wollten ihren eigenen Weg gehen, und wir stemmten uns ihnen entgegen. Ich konnte leider wenig helfen.«

»Auf Ehre, mein Sohn, das thatest Du doch. Ich deckte den kleinen Kerl mit den Knieen, so lange ich konnte, aber er sticht mit seinem Bajonett umher und wütete und mordete fürchterlich. Ein Teufelskerl, dieser Ortheris, wenn er beim Prügeln ist! – Was?« sagte Mulvaney.

»Mach keinen Ulk!« sagte der Cockney. »Ich weiß ganz gut, daß ich damals nicht viel machen konnte. Aber ich habe ihnen Kompot zu essen gegeben von der linken Flanke her, als wir ausschwärmten. Nein!« sagte er und schlug mit der Hand auf seine Pritsche. »Ein Bajonett taugt nicht für einen kleinen Kerl. – Ebensogut kann er sich eine Angelrute nehmen. Ich hasse diese Prügeleien und Raufereien, aber gebt mir eine Flinte, die was taugt, und Munition für ein Jahr im Vorrat, und ich will das Pulver die Kugel küssen lassen. Stellt mich irgendwohin, wo ich nicht Gefahr laufe, von einem schwerfälligen Trampel, wie Du, niedergetreten zu werden, und so wahr mir Gott helfe, ich schieße Dich fünfmal über den Haufen, innerhalb 7 – 800 Yards. Wollen wir es mal versuchen, Du plundriger Irländer?«

»Nein, Du Wespe. Ich habe gesehen, daß Du das kannst. Ich sage aber doch, es ist nichts besser, als ein Bajonett, das ordentlich weit reicht – dann zweimal drin rum gedreht und in Ruhe wieder zurückgezogen.«

»Scheer Dich zum Teufel mit Deinem Bajonett,« sagte Learoyd, der aufmerksam zugehört hatte. »Sieh her!« Er ergriff ein Gewehr dicht unter dem Visir und hantierte damit, wie mit einem Zweihänder.

»Sieh,« sagte er langsam. »Das ist besser als alles andere, denn Du kannst damit einem den Schädel einschlagen, und wenn er sich mit dem Arm deckt, schlägst Du ihm seine Knochen entzwei. Vorschriftsmäßig ist es ia allerdings nicht – aber ich lobe mir doch den Kolben!«

»Jeder macht es auf seine Manier, wie in der Liebe,« sagte Mulvaney ruhig. »Kolben, Bajonett oder Kugel, je nach der Natur des Einzelnen. Also, wie ich erzählte – da saßen wir fest, atmeten uns gegenseitig in das Gesicht und fluchten fürchterlich. Ortheris verwünschte die Mutter, die ihn gebar, daß er nicht drei Zoll größer war.

Dann sagte er plötzlich: »Duck‘ Dich, Du Lump, damit ich den Kerl über Deine Schulter weg erreichen kann!«

»Du haust mir den Kopf ab,« sagte ich und hob meinen Arm hoch. »Komm hier unter meinem Arm durch, Du kleiner blutdürstiger Halunke,« sagte ich, »aber stich mich nicht, oder ich wringe Dir die Ohren aus.«

»Und was gabst Du dem Paythan, der vor mir stand und auf mich einhieb, während ich weder Arme noch Beine rühren konnte? Was war es, warm oder kalt?«

»Kalt!« sagte Ortheris. » Ich faßte ihn unterhalb, wo die Rippen zusammengewachsen sind. Er brach glatt zusammen. Das Beste für Dich, was er thun konnte.«

»Wahrhaftig, mein Junge! Diese Drängelei, von der ich sprach, dauerte gut fünf Minuten – dann bekamen wir unsere Arme frei und drangen vor. Ich erinnere mich nicht mehr genau, was ich that, aber ich hatte absolut nicht den Wunsch, Dinah Shadd im Depot zu einer Witwe zu machen. Dann, nach einem wüsten Durcheinander-Gehaue, saßen wir wieder fest, und die Tyrone hinter uns schimpften uns Hunde und Feiglinge und andere schöne Namen, weil wir ihnen den Weg versperrten.

»Was fällt denn den Tyrone ein, so zu schimpfen?« dachte ich. »Sehen sie nicht, daß wir hier unseren Mann stehen!«

Ein Mann hinter mir bat mich flehentlich: »Laß mich vor! Um der Liebe der Mutter Gottes willen, laß mir Platz neben Dir, Du Riese!«

»Wer bist Du denn, der so gern getötet werden will?« sagte ich, ohne mich umzusehen, denn die langen Messer tanzten vor mir herum, wie die Sonne auf der Donegal-Bay flimmert, wenn es stürmt.

»Wir haben unseren Toten gehabt!« sagte er und drang weiter in mich, »unseren Toten. Noch vor zwei Tagen war er frisch und gesund. Und ich, sein Blutsvetter, habe Tim Coulan nicht beistehen können. Laß mich vor!« sagte er. »Laß mich vor, oder ich renne Dir durch den Rücken!«

»Meiner Treu,« dachte ich, »wenn die Tyrone ihren Toten gehabt haben, so helfe Gott den Paythanen heute!« Und nun wußte ich auch, warum die Iren hinter uns so wüteten.

Ich machte dem Manne Platz, und er stürzte vor – das Bajonett wie eine Heugabel vor sich. Im Augenblick hatte er es einem Paythanen durch den Leibgurt gerannt, so, daß das Eisen am Oberring abbrach. »Tim Coulan wird diese Nacht ruhig schlafen,« sagte er lachend. Aber im nächsten Moment wurde sein Kopf in zwei Hälften gespalten, und er brach zusammen, immer noch lachend.

Die Tyrone stießen und drängelten weiter, und unsere Leute schimpften auf sie, und Crook arbeitete vor uns allen herum – sein rechter Arm ging wie ein Pumpenschwengel auf und ab, und sein Revolver spie wie eine Katze. Aber es lag eine seltsame Stille auf dem Ganzen. Es war wie ein Kampf im Traum – ausgenommen für den, der gefallen war.

Als ich dem Iren Platz gemacht hatte, wurde mir so leer und verloren im Leibe zu Mute. Mir geht das so, wenn ich in Aktion bin, mit Verlaub zu sagen. »Laßt mich mal raus, Jungens,« sagte ich, indem ich mich zurückzog. »Mir wird unwohl.« Faktisch machten sie mir Platz, obgleich sie Tod und Teufel nicht Platz gemacht haben würden. Als ich frei gekommen war, wurde mir, mit Verlaub zu sagen, noch hundeelender zu Mute, denn ich hatte viel getrunken an jenem Tage.

Wohlgeborgen und fern vom Kampfe sah ich einen Sergeanten der Tyrone auf dem kleinen jungen Offizier sitzen, der Crook daran verhindert hatte, die Felsklötze herunterzurollen. Oh, er war ein schmuckes Kerlchen, und die schönsten und schwärzesten Flüche entglitten seinen unschuldigen Lippen wie der Morgentau aus einer Rose.

»Was hast Du denn da erwischt?« sagte ich zu dem Sergeanten. »Einen von Ihrer Majestät Kampfhähnchen mit aufgesetzten Sporen,« antwortete er. »Er will mich vor ein Kriegsgericht stellen.«

»Laß mich los!« sagte der kleine Offizier. »Laß mich los und zu meinen Leuten!« damit meinte er die Tyrone, die ohne alles Kommando waren – aber da hätte der Teufel selbst nicht als Offizier gepaßt.

»Sein Vater giebt meiner Mutter das Kuhfutter in Clonmel,« sagte der Mann, der auf ihm saß. »Soll ich Zu seiner Mutter hingehen und ihr sagen, daß ich ihn leichtsinnig in den Tod habe gehen lassen? Liege still, Du kleine Dynamit-Patrone – nachher könnt Ihr mich vor ein Kriegsgericht stellen!«

»Gut,« sagte ich. »Aus solchen Leuten werden unsere Generäle gemacht – aber wir müssen sie uns erhalten, was wünschen Sie zu thun, Herr Leutnant?« fragte ich höflich.

»Diese Lumpen töten – diese Kerls umbringen!« quiekte er, und seine blauen Augen standen voll Thränen.

»Und wie wollen Sie das machen?« fragte ich weiter. »Sie schießen Ihren Revolver ab, wie ein Rind ein Knallbonbon, und mit Ihrem schönen, breiten Schwerte da können Sie noch garnicht umgehen! Ihre Hand zittert ja wie Espenlaub. Bleiben Sie ruhig liegen und werden Sie erst größer,« sagte ich.

»Mach, daß Du zu Deiner Kompagnie kommst – Du bist unverschämt!« sagte er.

»Alles zu seiner Zeit,« sagte ich, »erst muß ich mal trinken.«

In diesem Moment kam Crook hinzu, blank und weiß überall, wo er nicht rot war.

»Wasser!« sagte er. »Ich bin tot vor Durst! Das wird ein großer Tag heute!«

Er trank einen halben Eimer aus und goß sich den Rest auf die Brust, und seine behaarte Haut zischte förmlich auf. Dann sah er den kleinen Offizier unter dem Sergeanten.

»Was ist denn da los?« fragte er.

»Meuterei, Herr Kapitän,« sagte der Sergeant, und der kleine Offizier fing jämmerlich an zu bitten, Crook möchte ihn doch freimachen. Aber den Deubel that Crook.

»Haltet ihn da, nur fest,« sagte er. »Es ist nichts für Kinder heute. In Anbetracht dessen,« sagte er, »werde ich Ihren eleganten, nickelplattierten Parfüm-Zerstäuber konfiszieren. Der meinige hat sich sehr unliebenswürdig aufgeführt.«

Seine Hand war schwarz von Pulver. – Die Sache schien sich nach hinten entladen zu haben. So nahm er den Revolver des kleinen Offiziers. Sie wundern sich, Herr, aber bei meiner Ehre, es geht im Felde ganz anders zu, als es im Reglement steht!

»Komm, Mulvaney,« sagte Crook. »Sollen wir hier Kriegsgericht abhalten?« Dann gingen wir zurück zu dem Tanzvergnügen. Die Paythanen waren noch nicht klein. Allzu mausig machten sie sich allerdings nicht mehr, denn die Tyrone riefen sich gegenseitig den Namen von Tim Coulan zu. Crook blieb außerhalb der Prügelei stehen und sah sich suchend mit rollenden Augen um.

»Was giebt es, Herr Kapitän?« sagte ich. »Kann ich was besorgen?«

»Einen Hornisten,« sagte er.

Ich stürzte mich in das Gedränge – unsere Leute schöpften Atem hinter den Tyrone, die wie Seelen im Fegefeuer kämpften – und traf gerade den kleinen Frehan, unseren Hornisteniungen, der mitten unter den Vordersten mit Gewehr und Bajonett um sich schlug.

»Bekommst Du dafür Deinen Sold, um Dich hier zu amüsieren, Du Knirps?« sagte ich und kriegte ihn im Genick zu fassen. »Komm heraus hier und thu Deine Pflicht!« sagte ich, aber dem Jungen war das garnicht recht.

»Einen habe ich gekürzt,« sagte er lachend, »groß wie Ihr, Mulvaney, und gut halb so häßlich. Laßt mich noch einen vorkriegen.«

Ich war ungehalten über diese persönliche Bemerkung und nahm ihn deshalb einfach unter den Arm und trug ihn zu Crook, der den Kampf überwachte, Crook knuffte ihn tüchtig, bis der Junge schrie, dann schwieg er eine Weile.

Die Paythanen begannen schließlich zu wanken, und unsere Leute schrieen laut auf. »Ausschwärmen! Vorwärts!« rief Crook. »Blase, Junge, blase, es gilt die Ehre der britischen Armee!«

Der Junge blies wie ein Taifun! Die Tyrone und wir schwärmten aus, als die Kraft der Paythanen brach, und ich sah ein, daß alles bis jetzt nur ein Herzen und Küssen gewesen war gegen das, was nun kam. Wir trieben sie in eine Erweiterung des Thales, und dann schwärmten wir aus und tanzten mit ihnen, ich kann Ihnen sagen, vornehm, das Thal hinab. Es ging reizend zu, aber doch alles nach dem Reglement. Da waren die Sergeanten an den Flügeln – Befehle schallten – und das Feuer lief von Flügel zu Flügel, und die Paythanen fielen.

Wir schwärmten aus, wenn das Thal weiter wurde, und zogen uns wieder zusammen an engeren Stellen, wie die Teile eines Fächers, und schließlich, am Ende des Thales, wo sie noch einmal Stand zu halten versuchten, bliesen wir sie rein vom Boden weg, denn wir hatten bis dahin nur wenig Munition verschossen, da das Bajonett bisher die Hauptarbeit verrichtet hatte.«

»30 Schuß habe ich bei dem Spaziergang abgegeben,« sagte Ortheris. »Die Sache war gentlemanlike. Man hätte ebensogut dabei ein feines Taschentuch und rotseidene Strümpfe tragen können. Ich habe auch mitgemacht!«

»Ihr hättet die Tyrone meilenweit bellen hören können,« fuhr Mulvaney fort, »und die Sergeanten mußten alles dranwenden, um sie von den Paythanen los zu kriegen. Sie waren toll – vollkommen toll! Crook setzte sich nieder, denn es trat nun ein Moment der Ruhe ein, nachdem wir sie das Thal hinuntergejagt hatten, und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Darauf kehrten auch wir zurück, unserer Natur und Veranlagung gemäß, denn die, das könnt Ihr mir glauben, leuchtete einem durch das Fell in solchen Augenblicken.«

»Jungens, Jungens,« sagte Crook vor sich hin. »Wir hätten sie lieber in der Schützenlinie angreifen sollen, dann hätten wir manches brave Leben geschont.« Er sah auf unsere Toten und schwieg.

»Lieber Kapitän,« sagte ein Mann von den Tyrone, dessen Mund dicker war, als ihn je seine Mutter geküßt hatte, und Blut spie er, wie ein Walfisch. »Lieber Kapitän,« sagte er, »wenn auch einer oder der andere in den Logen mit der Roshus-Vorstellung nicht zufrieden war, die Gallerie hat ihr Vergnügen gehabt!«

Ich erkannte den Sprecher als eine Dock-Ratte aus Dublin – einer von den Jungens, die den Pächter von Silver’s Theater vorzeitig grau gemacht haben, dadurch, daß sie die Eingeweide der Bänke herausgerissen und wer weiß wo hin geworfen haben. So erinnerte ich mich des Wortes, das ich noch von der Zeit her kannte, als ich bei den Tyrone war und in Dublin lag. »Ich weiß nicht mehr, wer es war,« sagte ich, »und das ist ja auch ganz egal – aber irgendwie muß ich Dir was auswischen, Tim Kelly.«

»Seh‘ einer an!« rief der Mann, »Wart Ihr damals auch dabei? wir wollen es Silver’s Theater nennen.«

Die Hälfte der Tyrone kannten das alte Ding und griffen den Namen auf, und seitdem nannten wir das Thal Silver’s Theater.«

Der kleine Offizier von den Tyrone zitterte und schrie. Er hatte nicht mehr den Mut, so patzig aufzutreten wie zuerst, wo er den Mund voll von Kriegsgerichten hatte.

»Es wird Ihnen noch mal sehr angenehm sein,« sagte Crook, »daß wir Ihnen nicht erlaubt haben, sich zum Vergnügen tot schlagen zu lassen.«

»Ich bin ein unglücklicher Mann!« sagte der kleine Offizier.

»Stecken Sie mich in Arrest, Herr, wenn Sie wollen, aber bei meiner Seele, ich will alles andere lieber thun, als Ihrer Mutter mit der Nachricht von Ihrem Tode unter die Augen treten,« sagte der Sergeant, der auf seinem Kopfe gesessen hatte und der jetzt stramm vor ihm stand. Aber das Kind weinte nur, als ob ihm sein Herz brechen wollte.

Dann kam ein anderer Mann von den Tyrone, total vom Kampfes-Taumel erfaßt.«

»Von was, Mulvaney?«

»Vom Kampfes-Taumel. Sie müssen wissen, Herr, daß es jeden anders packt, wie in der Liebe. Ich zum Beispiel kann mir nicht helfen, mir wird immer hundeelend, wenn ich in Aktion bin. Ortheris hier hört nicht auf zu fluchen von Anfang bis zu Ende, und die einzige Gelegenheit, wenn Learoyd mal den Mund zum Singen aufmacht, ist, wenn er sich mit anderen an die Köpfe kriegt; ein Draufgänger ist er, der Jock. Rekruten schreien und weinen manchmal, manchmal wissen sie garnicht, was sie machen sollen, und manchmal wollen sie absolut jedem den Hals abschneiden und solche Dummheiten; aber einzelne thun auch einen tiefen Todestrunk beim Fechten. Dies war so einer. Er schwankte, und seine Augen waren halbgeschlossen, und wir konnten auf 20 Schritt seinen Atem gehen hören. Er sah den jungen Offizier, kam heran und sagte schwer und schlaftrunken vor sich hin: »Laßt den jungen Wolf auch mal bluten!« sagte er. »Laßt ihn auch mal bluten!« Damit warf er die Arme in die Luft, drehte sich um sich selbst und fiel uns vor die Füße, tot wie ein Paythan, und es war keine Wunde oder Riß an ihm. Sie sagten alle, es sei nicht weiter schade um ihn, aber es war doch sonderbar mit anzusehen.

Dann begruben wir unsere Toten, denn wir wollten sie nicht gern in die Hände der Paythanen fallen lassen. Mit dem Aufsammeln beschäftigt, verloren wir den jungen Offizier fast ganz aus den Augen. Er war dabei, einem Teufel von Paythanen Wasser zu geben und ihn bequem gegen einen Stein zu betten.

»Vorsicht, Herr Leutnant!« sagte ich. »Ein verwundeter Paythane ist noch schlimmer als ein gesunder.« Wahrhaftig, noch ehe die Worte heraus waren, feuerte der am Boden Liegende auf den Offizier, der sich über ihn beugte, und ich sah seinen Helm abfliegen. Ich schlug dem Mann mit dem Kolben auf den Kopf und nahm ihm seine Pistole weg. Der junge Offizier wurde kreidebleich, denn sein halbes Haar auf dem Kopfe war versengt.

»Sagt‘ ich’s Ihnen nicht, Herr Leutnant!« sagte ich. Von da an stand ich immer, wenn er einem Paythanen half, mit meiner Mündung dicht am Ohre des Kerls. Infolgedessen wagten sie nur zu fluchen.

Die Tyrone knurrten wie Hunde, denen man einen Knochen weggenommen hat, denn sie hatten ihren Toten gehabt und hätten am liebsten keine Seele in dem Thal verschont. Crook teilte ihnen mit, daß er jedem das Fell über die Ohren ziehen werde, wer sich nicht ordentlich aufführte.

Als ich aber erfuhr, daß es ihr erster Toter gewesen war, wunderte ich mich nicht mehr, daß sie so scharf herangegangen waren. Es ist ein schändlicher Anblick! Als ich zum erstenmale einen Toten sah, würde ich keinem Manne nördlich vom Khaibar Pardon gegeben haben – auch keiner Frau, denn die Frauen pflegten gegen Abend aus ihren Schlupfwinkeln herauszukommen – da konnte man was erleben!

Also, wir begruben nach und nach unsere Toten und trugen die Verwundeten fort. Dann erkletterten wir wieder die Hügel und sahen, wie die Schotten und Gurkys mit den Paythanen Thee tranken – eimerweise! Wir selbst sahen aus, wie eine ganz verkommene Bande von Raufbolden, denn das Blut hatte den Staub zusammengebackt, und der Schweiß durchdrang diesen Kuchen. Unsere Bajonette hingen uns wie Schlächtermesser zwischen den Beinen, und die meisten waren irgendwie verwundet.

Ein Stabs-Offizier, sauber wie eine neue Flinte, kommt herangeritten und ruft: »Was für Gott verlassene Vogelscheuchen seid Ihr denn?«

»Eine Kompagnie Ihrer Majestät Tyrone und eine vom Old Regiment,« sagte Crook ganz ruhig und wartete eine weitere Frage ab.

»So,« sagte der Stabs-Offizier. »Ihr habt wohl die feindliche Reserve vertrieben?«

»Nein!« sagte Crook, und die Tyrone lachten.

»Was zum Teufel habt Ihr dann gethan?«

»Zusammengehauen haben wir sie,« sagte Crook und ließ nun antreten, aber nicht bevor Toomey, der bei den Tyrone war, laut gesagt hatte, mit einer Stimme, die irgendwo aus seinem Magen kam: »Was zum Donnerwetter, kümmert sich dieser Papagei ohne Schwanz um unsere Angelegenheiten?«

Der Stabsoffizier wurde blau vor Aerger, und Toomey machte ihn erröten, indem er die Stimme wechselte und wie ein quängelndes Frauenzimmer sagte: »Komm und gieb mir einen Kuß, lieber Major, denn mein Gatte ist im Kriege, und ich bin allein im Depot.«

Der Stabs-Offizier machte, daß er fortkam, und ich konnte sehen, wie Crook sich schüttelte.

Toomeys Korporal schalt, aber Toomey sagte, ohne die geringste Erregung: »Laßt mich zufrieden. Ich war sein Bursche, ehe er sich verheiratete, und er weiß schon, was ich meine, wenn Ihr es nicht wissen solltet. Es geht nichts über das Leben im High life.«

»Weißt Du noch, Ortheris?«

»Gewiß. Toomey starb eine Woche später im Hospital – ich weiß es noch, denn ich kaufte seinen halben Kram; und ich erinnere mich noch – –«

»Wache rau – aus!«

Die Ablösung kam, es war 4 Uhr,

»Ich werde Ihnen eine Karte besorgen, Herr,« sagte Mulvaney und stürzte in sein Zeug. »Kommen Sie mit herauf nach dem Fort, da wollen wir weiter auskramen, in der Bude von M’Grath.«

Die abgelöste Wache trollte sich um das Haupt-Bastion herum den Weg nach der Bade-Anstalt entlang. Learoyd wurde allmählich gesprächiger. Ortheris sah in den Fortgraben und über die Ebene hinweg: »Oh, ’s ist schwer, auf Dich zu warten, liebste Mary,« summte er, »aber ich würde doch lieber noch mehr solcher verflixten Paythanen umbringen, ehe ich loskomme. Krieg! Blutiger Krieg! Norden, Süden, Osten, Westen!«

»Amen,« sagte Learoyd feierlich.

»Was ist das?« sagte Mulvaney plötzlich, indem er auf ein weißes Bündel am Boden stieß, das am Fuße des alten Schilderhauses lag. Er bückte sich und faßte es an. »Herr Je – Norah – Norah M’Taggart! Nonie, mein Liebling, was machst Du zu dieser Zeit hier und bist nicht in Deiner Mutter Bett?«

Das zwei Jahre alte Kind des Sergeanten M’Taggart mußte, um einen kühlen Luftzug schöpfen zu können, bis dicht an die Böschung des Fortgrabens gewandert sein. Ihr dünnes Nachthemdchen war um ihren Hals zu einem Knäuel zusammengerollt. Sie quärrte im Schlaf. »Seh‘ einer an!« sagte Mulvaney. »Armes Ding! Sieh, wie feuerrot ihr unschuldiges Fellchen ist. Es ist hart, diese Hitze –grausam hart, selbst für uns. Was muß es erst für sie sein. Wach auf, Norie, Deine Mutter wird ängstlich sein Deinetwegen. Bei Gott, wie leicht konnte das Kind in den Graben fallen!«

Er nahm sie auf und setzte sie auf seine Schulter. Ihre hübschen Locken berührten die grauen Stoppeln an seiner Schläfe. Ortheris und Learoyd folgten und schlugen Schnippchen mit den Fingern, während Norah ihnen müde zulächelte. Dann jubelte Mulvaney, hell wie eine Lerche, indem er das Kind auf seinem Arme tanzen ließ:

»Sag nichts davon, wenn Dich heiraten will
Ein Jüngling mit blondem Gelock,
Daß Du jemals schliefst in ’nem Schilderhaus
In einem Soldatenrock!«

»Wenn auch bei meiner Seele,« sagte er ernst, »wenig von dem Rock zu sehen war, Nonie. Hoffentlich wirst Du Dich die nächsten zehn Jahre nicht wieder so anziehen. So, nun gieb uns allen einen Kuß.«

Nonie wurde dicht bei den Verheirateten-Wohnungen abgesetzt. Sie nickte mit dem ruhigen Gehorsam eines Soldatenkindes und bot, ehe sie über die Steinfliesen abtrabte, jedem der drei Musketiere ihre Lippen zum Kusse. Ortheris wischte sich mit dem Handrücken den Mund und stieß einen schwermütigen Fluch aus. Learoyd wurde rot, und die beiden entfernten sich zusammen. Der Yorkshiremann erhob seine Stimme und ließ das Lied vom Schilderhaus erschallen, während Ortheris neben ihm pfiff.

»Ihr seid ja schön beim Singen,« sagte ein Artillerist, der seine Kartusche zum Morgenschuß holte. »Ihr seid übervergnügt für diese schwülen Tage.«

»Ich bitte Dich, sorg für das Kind,
Denn es ist von edler Art!«

brüllte Learoyd. Die Stimmen erstarben in der Badeanstalt.

»Oh, Terence,« sagte ich, Mulvaney ins Wort fallend, als wir allein waren, »Was kannst Du alles zusammenreden!«

Er sah mich traurig an. Seine Augen waren eingesunken und sein Gesicht verzerrt und bleich. »Ja, Gott!« sagte er. »Ich habe ihnen durch die Nacht hindurch geholfen, so gut es ging, aber kann der, der anderen hilft, sich selbst helfen? Beantwortet mir das, Herr!«

Und über den Bastionen von Fort Amara brach der erbarmungslose Tag an.