Der Elefantenjunge

Übersetzt von Erich Ferdinand

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In den Erhabenen und Lang-Vergangenen Zeiten hatte der Elefant, o Meistgeliebter, keinen Rüssel. Er hatte nur eine schwärzliche, knubbelige Nase, so groß wie ein Stiefel, die er hin und her wackeln lassen konnte; aber er konnte damit keine Sachen aufheben. Aber da gab es einen Elefanten – einen neuen Elefanten – einen Elefantenjungen – der voller unersättzlicher Neugier steckte, und das bedeutet, es stellte immer ganz viele Fragen. Und er lebte in Afrika, und er stopfte ganz Afrika mit seinen unersättzlichen Neugierigkeiten voll. Er fragte seinen großen Onkel Strauß, warum seine Schwanzfedern so wuchsen und nicht anders, und der große Onkel Strauß verhaute ihn mit seinen harten, harten Krallen. Er fragte seine große Tante Giraffe, wovon seine Haut so fleckig wurde, und die große Tante Giraffe verhaute ihn mit ihrem harten, harten Huf. Und er war immer noch voller unersättzlicher Neugier! Er fragte seine breite Tante Flußpferd, warum ihre Augen rot seien, und die breite Tante Flußpferd verhaute ihn mit ihrem breiten, breiten Huf. Und er fragte seinen haarigen Onkel Pavian, warum Melonen gerade so schmeckten und nicht anders, und der haarige Onkel Pavian verhaute ihn mit seiner haarigen, haarigen Pfote. Und er war immer noch voller unersättzlicher Neugier! Er stellte Fragen zu allem, was er sah, oder hörte, oder spürte, oder berührte, und alle Onkel und Tanten verhauten ihn. Und er war immer noch voller unersättzlicher Neugier!

Eines schönen Morgens, mitten in der Präzession der Äquinoktien, stellte dieser unersättzliche Elefantenjunge eine kluge Frage, die er noch nie gestellt hatte. Er fragte »Was frißt das Krokodil zu Mittag?« Da sagten alle in lautem und schrecklichem Tonfall: »Pssst!« und sie verhauten ihn unverzüglich und geradewegs, ohne aufzuhören, eine ganze Zeit lang.

Nach einer Weile, als das vorbei war, begegnete er einem Kolokolo-Vogel, der mitten in einem Wart-ein-Weilchen-Dornbusch saß, und er sagte: »Mein Vater hat mich verhauen, und meine Mutter hat mich verhauen; alle Onkel und Tanten haben mich wegen meiner unersättzlichen Neugier verhauen; und ich will immer noch wissen, was das Krokodil zu Mittag ißt!«

Da sagte der Kolokolo-Vogel mit trauriger Stimme: »Geh zu den Ufern des großen, graugrünen, öligen Limpopo-Flusses, die ganz mit Fieberbäumen bestanden sind, und finde es heraus!«

Sofort am nächsten Morgen, als von den Äquinoktien nichts mehr übrig war, weil die Präzession präzise abgelaufen war, nahm sich dieser unersättzliche Elefantenjunge einhundert Pfund Bananen (die kleine rote Sorte) und einhundert Pfund Zuckerrohr (die lange purpurne Sorte) und siebzehn Melonen (die grünlich-knackige Sorte), und sagte zu seinen lieben Familienangehörigen: »Auf Wiedersehen. Ich gehe zu dem großen, graugrünen, öligen Limpopo-Fluss, der ganz mit Fieberbäumen bewachsen ist, um herauszufinden, was das Krokodil zum Frühstück ißt.« Und sie verhauten ihn alle noch einmal, um ihm damit Glück zu bringen, obwohl er sie äußerst höflich bat, aufzuhören.

Dann wanderte er davon, etwas erhitzt, aber kein bißchen erstaunt, Melonen essend und die Rinde herumstreuend, weil er sie nicht aufheben konnte.

Er ging von Grahamstown nach Kimberley, und von Kimberley nach Khamas Land, und von Khamas Land ging er nordöstlich, die ganze Zeit Melonen essend, bis er zuletzt an die Ufer des großen, graugrünen, öligen Limpopo-Flusses kam, die ganz mit Fieberbäumen bestanden sind, genau wie es der Kolokolo-Vogel gesagt hatte.

Nun mußt du wissen und verstehen, o Meistgeliebter, dass der unersättzliche Elefantenjunge bis zu dieser Woche, bis zu diesem Tag, dieser Stunde und Minute noch nie ein Krokodil gesehen hatte, und nicht wußte, wie es aussieht. Es kam alles nur von seiner unersättzlichen Neugier.

Das erste, was er fand, war eine zweifarbige Python-Felsenschlange, die sich um einen Felsen geringelt hatte.

»’Tschuldigung,« sagte der Elefantenjunge äußerst höflich, »aber haben sie hier in dieser kunterbunten Gegend so etwas wie ein Krokodil gesehen?«

»Habe ich ein Krokodil gesehen?« sagte die zweifarbige Python-Felsenschlange mit schrecklich höhnischer Stimme. »Was wirst du mich als nächstes fragen?«

»’Tschuldigung,« sagte der Elefantenjunge, »aber könnten sie mir sagen, was es zu Mittag frißt?«

Da entringelte sich die zweifarbige Python-Felsenschlange sehr schnell von dem Felsen, und verhaute den Elefantenjungen mit ihrem schuppigen, ruppigen Schwanz.

»Das ist sonderbar,« sagte der Elefantenjunge, »weil mich mein Vater und meine Mutter, mein Onkel und meine Tante, ganz zu schweigen von meiner anderen Tante, dem Flußpferd, wegen meiner unersättzlichen Neugier verhauen haben – und ich nehme an, das hier ist schon wieder dasselbe.«

So sagte er sehr höflich ›Auf Wiedersehen‹ zu der zweifarbigen Python-Felsenschlange, half ihr noch, sich wieder um den Felsen zu ringeln, und wanderte weiter, ein bißchen warm, aber überhaupt nicht erstaunt, Melonen essend und die Rinde herumstreuend, weil er sie nicht aufheben konnte, bis er auf etwas trat, was er für einen Holzklotz hielt, der am Ufer des großen, graugrünen, öligen Limpopo-Flusses lag, das ganz mit Fieberbäumen bestanden war.

Aber das war in Wirklichkeit das Krokodil, o Meistgeliebter, und das Krokodil zwinkerte mit einem Auge – so!

»’Tschuldigung,« sagte der Elefantenjunge äußerst höflich, »aber haben sie zufällig in dieser kunterbunten Gegend ein Krokodil gesehen?«

Da zwinkerte das Krokodil mit dem anderen Auge und hob seinen Schwanz halb aus dem Schlamm; und der Elefantenjunge trat äußerst höflich einen Schritt zurück, weil er nicht noch einmal verhauen werden wollte.

»Komm hierher, Kleiner,« sagte das Krokodil. »Warum fragst du solche Sachen?«

»’Tschuldigen Sie,« sagte der Elefantenjunge äußerst höflich, aber mein Vater hat mich verhauen, meine Mutter hat mich verhauen, ganz zu schweigen von meinem großen Onkel, dem Strauß, und meiner großen Tante, der Giraffe, die so hart zutreten kann, ebenso wie meine breite Tante Flußpferd und mein haariger Onkel Pavian, ebenso die zweifarbige Python- Felsenschlange mit dem schuppigen, ruppigen Schwanz oben am Ufer, die fester zuschlägt als alle zusammen; und darum möchte ich, wenn es ihnen recht ist, nicht mehr verhauen werden.«

»Komm hierher, Kleiner,« sagte das Krokodil, »denn ich bin das Krokodil,« und zum Beweis weinte es Krokodilstränen.

Da ging dem Elefanten jungen fast die Puste aus, und er schnappte nach Luft und kniete am Ufer nieder und sagte: »Sie sind genau die Persönlichkeit, nach der ich alle diese langen Tage gesucht habe. Würden sie mir bitte sagen, was sie zu Mittag essen?«

»Komm hierher, Kleiner,« sagte das Krokodil. »Ich werd’s dir flüstern.«

Da neigte der Elefantenjunge seinen Kopf ganz nah an das stark riechende, stark gezähnte Maul des Krokodils, und das Krokodil schnappte sich seine kleine Nase, die bis zu dieser Woche, bis zu diesem Tag, dieser Stunde und Minute nicht größer als ein Stiefel gewesen war, allerdings viel nützlicher.

»Ich glaube,« sagte das Krokodil, und es sagte das durch die Zähne, so – »ich glaube, heute werde ich mit Elefantenjungem anfangen!«

Hierüber, o Meistgeliebter, war der Elefantenjunge sehr beunruhigt, und er sagte: durch die Nase sprechend, so, »Laff lof! Du dust mir meh!«

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Dies ist der Elefantenjunge, dem eben vom Krokodil die Nase langgezogen wird. Er ist sehr überrascht und erstaunt und verletzt, und er spricht durch die Nase und sagt: »Laff lof! Du dust mir meh!« Er zieht sehr feste, und das tut das Krokodil auch; aber die zweifarbige Python-Felsenschlange eilt durch das Wasser herbei, um dem Elefantenjungen zu helfen. Das ganze schwarze Zeug ist das Ufer des großen graugrünen öligen Limpopoflusses (aber ich darf ja diese Bilder nicht ausmalen), und der Flaschenbaum mit den verdrehten Wurzeln und den acht Blättern ist einer von den Fieberbäumen, die da wachsen.

Unter dem eigentlichen Bild sind Schatten von afrikanischen Tieren, die in eine afrikanische Arche gehen. Es sind zwei Löwen, zwei Strauße, zwei Rinder, zwei Kamele, zwei Schafe und zwei andere, die wie Ratten aussehen, aber ich glaube, das sind Felskaninchen. Sie haben nichts zu bedeuten. Ich habe sie hineingezeichnet, weil ich dachte, sie sähen hübsch aus. Sie würden sehr hübsch aussehen, wenn ich sie ausmalen dürfte.

Da kam die zweifarbige Python-Felsenschlange das Ufer herabgeschurrt und sagte: »Mein junger Freund, wenn du nicht jetzt sofort und unverzüglich so feste ziehst wie du nur kannst, dann ist meine Meinung, dass dein Bekannter in dem großgemusterten Ledermantel« (womit sie das Krokodil meinte) »dich in den klaren Strom da drüben ziehen wird, bevor du Jack Robinson sagen kannst.«

So reden die zweifarbigen Python-Felsenschlangen immer.

Und so zog sie, und der Elefantenjunge zog, und das Krokodil zog; aber der Elefantenjunge und die zweifarbige Python-Felsenschlange zogen am stärksten; und zuletzt ließ das Krokodil die Nase des Elefantenjungen mit einem Plopp los, den man den ganzen Limpopo rauf und runter hören konnte.

Da setzte sich der Elefantenjunge äußerst hart und abrupt hin; aber zuerst dachte er daran, der zweifarbigen Python-Felsenschlange »danke« zu sagen; und dann pflegte er seine arme langgezogene Nase und wickelte sie ganz in kühle Bananenblätter und hängte sie zum Kühlen in den großen, graugrünen, öligen Limpopo.

»Wozu machst du das?« fragte die zweifarbige Python-Felsenschlange.

»’Tschuldigen sie,« sagte der Elefantenjunge, » aber meine Nase ist bös aus der Form geraten, und ich warte darauf, dass sie wieder schrumpft.«

»Da wirst du lange warten müssen,« sagte die zweifarbige Python-Felsenschlange. »Manche Leute wissen nicht, was gut für sie ist.«

Der Elefantenjunge saß drei Tage lang da und wartete darauf, dass seine Nase schrumpfte. Aber sie wurde einfach nicht kürzer, und nebenbei machte sie ihn Schielen. Denn, o Meistgeliebter, du wirst sehen und verstehen, dass das Krokodil sie zu einem richtigen Rüssel gezogen hatte, wie ihn heutzutage alle Elefanten haben.

Am Abend des dritten Tages kam eine Fliege und stach ihn in die Schulter, und bevor er wußte, was er tat, hatte er den Rüssel erhoben und die Fliege mit dem Ende totgeschlagen.

»Vorteil Nummer eins!« sagte die zweifarbige Python-Felsenschlange. Das hättest du mit einer einfachen Schmiernase nicht geschafft. Versuch jetzt mal, ein bißchen was zu essen.«

Bevor er wußte, was er tat, streckte der Elefantenjunge seinen Rüssel aus und pflückte ein ansehnliches Grasbüschel, staubte es an seinen Vorderbeinen ab und stopfte es sich ins Maul.

»Vorteil Nummer zwei!« sagte die zweifarbige Python-Felsenschlange. Das hättest du mit einer einfachen Schmiernase nicht geschafft. »Was hältst du jetzt davon, dich mal wieder verhauen zu lassen?«

»’Tschuldigen Sie,« sagte der Elefantenjunge, »aber das würde ich überhaupt nicht mögen.«

»Und wie würde es dir gefallen, jemand anderen zu verhauen?« sagte die zweifarbige Python-Felsenschlange.

»Das würde ich wirklich sehr mögen,« sagte der Elefantenjunge.

»Gut,« sagte die zweifarbige Python-Felsenschlange, »du wirst sehen, dass diese deine neue Nase sehr nützlich ist, um damit Leute zu verhauen.«

»Danke schön,« sagte der Elefantenjunge, »ich werde daran denken; und jetzt werde ich nach Hause zu allen meinen Familienangehörigen gehen und mal sehen.«

Also ging der Elefantenjunge, mit dem Rüssel wischend und wedelnd, quer durch Afrika nach Hause. Wenn er Obst essen wollte, holte er es sich vom Baum herunter, anstatt zu warten, dass es herunterfiel, wie er es früher getan hatte. Wenn er Gras wollte, pflückte er es vom Boden, anstatt auf die Knie zu fallen, wie er es früher getan hatte. Wenn die Fliegen ihn stachen, brach er einen Ast vom Baum und benutzte ihn als Fliegenwedel, und er machte sich eine frische, kühle, matschig-patschige Lehmkappe, wenn ihm die Sonne zu heiß war. Wenn er sich einsam fühlte, auf seiner Wanderung durch Afrika, dann sang er sich eins durch seinen Rüssel, und machte dabei mehr Lärm als mehrere Blasorchester.

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Dies Bild hier zeigt nur, wie der Elefantenjunge sich ein paar Bananen von einem Bananenbaum pflücken will, nachdem er seinen schönen neuen Rüssel bekommen hatte. Mir gefällt das Bild nicht sehr gut; aber ich konnte es nicht besser machen, weil Elefanten und Bananen schwer zu zeichnen sind. Das Gestrichelte hinter dem Elefantenjungen ist morastiges Marschland irgendwo in Afrika. Der Elefantenjunge hat seine meisten Schlammkuchen aus dem Schlamm gemacht, den er dort fand. Ich glaube, es würde besser aussehen, wenn du den Bananenbaum grün und den Elefantenjungen rot ausmaltest.

Er machte extra einen Umweg, um einem breiten Flußpferd zu begegnen (das nicht mit ihm verwandt war) und er verhaute es sehr feste, um sicherzugehen, dass die zweifarbige Python-Felsenschlange die Wahrheit über seinen neuen Rüssel gesagt hatte. Die restliche Zeit hob er die Melonenrinden auf, die er auf dem Weg zum Limpopo fallen gelassen hatte – er war ein ordentlicher Dickhäuter.

Eines dunklen Abends kam er zu seinen lieben Familienangehörigen zurück, und er rollte seinen Rüssel zusammen und sagte: »Wie geht’s euch?« Sie waren sehr froh, ihn wiederzusehen, und sagten sofort, »Komm her und laß dich für deine unersättzliche Neugier verhauen.«

»Puh,« sagte der Elefantenjunge. »Ich glaube nicht, dass ihr Leute viel vom Verhauen versteht; aber ich verstehe was davon, und ich werd’s euch zeigen.« Da rollte er seinen Rüssel auseinander und warf zwei von seinen lieben Brüdern kopfüber. »O Verblüffung,« sagten die, »wo hast du denn diesen Trick gelernt, und was hast du mit deiner Nase gemacht?«

»Ich habe von dem Krokodil am Ufer des großen, graugrünen, öligen Limpopo-Flusses eine neue bekommen,« sagte der Elefantenjunge. »Ich habe es gefragt, was es zu Mittag ißt, und dafür hat es sie mir geschenkt.«

»Sie sieht sehr häßlich aus,« sagte sein haariger Onkel Pavian.

»Das tut sie,« sagte der Elefantenjunge. »Aber sie ist sehr nützlich,« und er packte seinen haarigen Onkel Pavian an einem haarigen Bein und hievte ihn in ein Hornissennest.

Dann verhaute dieser böse Elefantenjunge alle seine lieben Familienangehörigen ausgiebig, bis sie sehr warm und überaus erstaunt waren. Er riß dem großen Onkel Strauß die Schwanzfedern aus; und er packte die große Tante Giraffe am Hinterbein und zog sie durch einen Dornenbusch; und er schrie die breite Tante Flusspferd an und blubberte in ihr Ohr, als sie nach dem Essen unter Wasser schlief; aber er ließ es nicht zu, dass irgendwer den Kolokolo-Vogel anfaßte.

Zuletzt wurde es so anstrengend, dass alle seine lieben Familienangehörigen einer nach dem anderen zu den Ufern des großen, graugrünen, öligen Limpopoflusses wanderten, die ganz mit Fieberbäumen bestanden sind, um sich bei dem Krokodil neue Nasen zu besorgen. Als sie zurück kamen, verhaute niemand mehr irgend jemanden; und seit diesem Tag, o Meistgeliebter, haben alle Elefanten, die du jemals sehen wirst, einschließlich jener, die du nie sehen wirst, genau solche Rüssel wie der Rüssel des unersättzlichen Elefantenjungen.

Sechs treue Diener habe ich:
(sie lehrten all’s mich, was ich weiß)
Sie heißen Was und Wo und Wann
und Wie, Warum und Wer.
Ich schick‘ sie über Land und Meer
Ich schick‘ sie Ost und West;
Doch wenn die Arbeit fertig ist,
dann gönne ich ihnen Rast.

Sie haben frei von neun bis fünf,
weil ich dann tätig bin,
und auch zu Frühstück, Mittag, Tee
weil sie hungrige Männer sind.
Doch anders denke andere Leut‘
Ich kenn‘ eine kleine Person –
Die hält zehn Millionen Diener
Die niemals frei bekomm‘!
Sie schickt sie in die weite Welt
Aus Eigennutz – und windesschnell:
Eine Million Wie, zwei Millionen Wo,
und sieben Millionen Warum!