Im Gran Chaco

Die Stadt Palmar liegt in der Provinz Corrientes, dem Argentinischen Mesopotamien, und zwar an dem Flusse, welcher denselben Namen wie die Provinz selbst führt. Sie ist nicht groß, treibt aber einen bedeutenden Handel, wenigstens nach den dortigen Verhältnissen bedeutend, denn trotz der außerordentlichen Fruchtbarkeit von Corrientes liefert der Ackerbau nur den heimischen Bedarf; die Industrie ist nicht nennenswert, und die Ausfuhr besteht nur aus den Produkten des Waldes und der Herden.

Zu der Zeit, als wir uns diesem Städtchen mit unsern Gefangenen von Süden her näherten, bildete es den Ausgangspunkt aller von Norden her gegen den aufständischen Lopez Jordan gerichteten militärischen Unternehmungen. Da gab es Soldaten aller Art, über deren Aussehen ein deutscher Landwehrmann den Kopf geschüttelt hätte. Doch machten sie immerhin einen bessern Eindruck als diejenigen, welche ich bei Jordan gesehen hatte. Als wir ankamen, sahen wir sie rechts und links vom Wege exerzieren.

Das Städtchen liegt nicht direkt am Flusse, sondern es wird durch Moräste von ihm getrennt, welche man durch Schilfdämme wegbar gemacht hatte. Der Oberst hieß uns im Galopp bis auf die Plaza reiten und vor der Casa de Ayuntamiento, dem Rathause, halten, welches einem Lüneburger Heidehofe ähnlicher sah als dem Sitze einer städtischen Behörde.

Dort stellte er sich dem Platzkommandanten vor, wobei der Bruder und ich ihn begleiten mußten, um ihn bei der Erzählung des Vorgefallenen zu unterstützen. Der Erfolg dieses Berichtes war, daß die Offiziere der Aufständischen im Stadthause eingeschlossen und ihre Soldaten in mehrere Corrals gesperrt wurden, um später abgeurteilt zu werden. Uns aber lud der Herr, einschließlich aller meiner Begleiter, zum Essen ein.

Die ohne einen einzigen Schuß oder Schwertstreich erfolgte Gefangennahme der an Zahl so überlegenen Gegner und die Erbeutung so vieler Pferde, an welchen großer Mangel war, galt natürlich für eine vielverheißende Einleitung der kriegerischen Thätigkeit des Obersten. Und da er diesen Erfolg uns zu verdanken hatte, so erging er sich in den zartesten Aufmerksamkeiten gegen uns. Er forderte uns auf, möglichst lange in Palmar zu bleiben, und versprach, uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen und uns dann mit allem für unsre Weiterreise Nötigen reichlich zu versorgen. Sein Erstes war, uns ein möglichst gutes Quartier anzuweisen. Wir fanden dasselbe in dem Hause eines reichen Handelsherrn, welcher sich mit der Ausfuhr von Landesprodukten beschäftigte. Bei ihm wurden wir sehr freundlich aufgenommen und teils in zwei Gaststuben, teils in einem für die Dienerschaft bestimmten Nebengebäude untergebracht.

Was mich betraf, so zog ich es vor, mich sofort schlafen zu legen, nachdem ich mich überzeugt hatte, daß mein Pferd sich in guter Pflege befand. Die Stadt bot gar nichts Sehenswertes, und nach den gehabten Anstrengungen war eine ausgiebige Ruhe das allernötigste für uns.

Der Frater, Turnerstick und sein Steuermann legten sich auch schlafen. Die andern zogen es vor, sich in der Stadt zu vergnügen. Dies war auch der Fall mit Gomez, dem Indianer, dessen Mutter durch das unfreiwillige Bad im Parana ganz nachhaltig wieder hergestellt zu sein schien. Sie waren gegangen, um sich mit ihren Stammesgenossen zu unterhalten, welche in der Stadt lebten oder auch in das hier befindliche Militär getreten waren. Gomez gehörte zu dem Stamme der Aripones, welche ihren hauptsächlichsten Aufenthalt zwischen dem Rio Salado und Rio Vermejo haben und infolgedessen die besten Kenner des geheimnisvollen Gran Chaco sind.

Als es längst dunkler Abend war, kam er, mich zu wecken. Er entschuldigte das damit, daß er Abschied nehmen müsse, weil er Ursache habe, Palmar sofort zu verlassen. Als ich ihn nach dem Grunde fragte, antwortete er:

„Ich muß sofort in meine Heimat gehen, da die Meinigen sich in Gefahr befinden, aus ihren Wohnsitzen verdrängt zu werden. Ich habe sie zu warnen.“

„Wo befinden sich diese Wohnsitze?“

„Jenseits des Parana, zwischen dem Rio Salado und dem obern Laufe des Rio Vivoras.“

„Giebt es dort nicht eine Reihe verlassener Ansiedelungen?“

„Ja. Es waren vor langer, langer Zeit Weiße eingewandert, welche sich aber nicht halten konnten – der – der – Indianer wegen, die sich feindlich gegen sie verhielten. Die Weißen haben fortgemußt, und ihre Häuser sind zerfallen. Jetzt kommen abermals welche, um uns aus unserm Reviere zu vertreiben. Sollen wir gehen, ohne uns gewehrt zu haben?“

„Was wollen diese Leute dort? Es giebt doch anderwärts Land genug, welches bequemer liegt und weit fruchtbarer ist. Warum ziehen sie gerade jene Gegend vor, welche zu dem wilden Gran Chaco gehört?“

„Dasselbe sagen und fragen auch wir. Es giebt so viel Platz, daß man uns in Ruhe lassen kann.“

„Was für Leute sind denn diejenigen, von denen Sie sprechen?“

„Sie sind teils aus Buenos Ayres herauf- und aus Corrientes heruntergekommen. Ihre Anführer sind ein nordamerikanischer Ingenieur und der Bevollmächtigte eines Bankiers in Buenos. Sie wollen den Rio Salado tiefer und breiter machen, damit Dampfer denselben befahren können. Ist das geschehen, so wollen sie in dem dichten Walde, welcher sich weit, weit am linken Ufer des Flusses hinzieht, Bäume fällen und Yerba sammeln lassen, um beides auf dem Salado in den Parana gehen zu lassen und sich viel Geld zu verdienen.“

„Haben sie Konzession dazu?“

„Das weiß ich nicht. Die beiden Anführer sind hier in Palmar gewesen, weil der Führer, den sie haben wollten, sich hier befand. Die andern Leute, welche zu dieser Expedition gehörten, blieben an der Mündung des Flusses zurück, um ihre Rückkehr dort zu erwarten.“

„Ist die Gesellschaft zahlreich?“

„Ja. Eine Anzahl Männer sind mit Booten den Rio Salado hinauf, um die andern dort zu erwarten, welche mit zahlreichen Ochsenwagen nach den alten Ansiedelungen gehen.“

„Ist es denn möglich, mit solchen Wagen dieses Ziel zu erreichen?“

„Ja. Nur in der Nähe des Parana bieten sich solche Schwierigkeiten, daß die Wagen zerlegt werden müssen. Die Teile derselben werden ebenso wie das Gepäck von den Ochsen so weit getragen, bis man freien Camp findet. Dann setzt man die Wagen wieder zusammen und kann bis zu den Ansiedelungen fahren. Man scheint zu denken, daß diese Schwierigkeiten nicht schwer zu überwinden seien, denn mehrere der Männer haben ihre Frauen und Kinder mitgenommen.“

„Dann ist es allerdings auf einen längern, wohl gar bleibenden Aufenthalt abgesehen.“

„Jedenfalls. Da aber mein Stamm in der Nähe der alten Ansiedelungen wohnt und das Land für sein Eigentum hält, so wird es ganz gewiß zu einem Zusammenstoße kommen. Ich muß also schleunigst hin, Sennor. Auch kenne ich die Gebräuche der Weißen besser als meine Genossen, und da ich gut spanisch spreche, kann ich auch als Dolmetscher von großem Nutzen sein, obgleich der Führer der Weißen unsre Sprache so genau versteht, als ob er zu uns gehörte. Er ist der berühmteste weiße Kenner des Gran Chaco.“

„Wie heißt er?“

„Geronimo Sabuco.“

„Ah! Ist’s etwa der, welcher gewöhnlich nur el Sendador genannt wird?“

„Ja. Kennen Sie ihn?“

„Persönlich nicht. Aber Sie müssen doch wohl gehört haben, daß ich mit meinen Gefährten oft von ihm gesprochen habe?“

„Sie haben von einem Sendador gesprochen; aber es giebt deren so viele, daß ich nicht wissen konnte, welchen Sie meinen.“

„Vielleicht irren Sie sich, und es ist ein anderer. Wir waren überzeugt, ihn weit nördlicher zu finden.“

„Es ist Sabuco, kein anderer. Suchen Sie ihn?“

„Ja. Wir wollen zu ihm, um ihn als Führer zu engagieren.“

„Da kommen Sie nun zu spät. Er ist schon engagiert.“

„Aber wir wollen und müssen ihn haben. Wir sind nur deshalb hierher gekommen, um ihn im Gran Chaco aufzusuchen.“

„Wenn dies der Fall ist, Sennor, so freue ich mich, weil Sie dann jedenfalls mit mir gehen werden, denn anders können Sie ihn nicht finden.“

„Das ist richtig. Ich werde mich mit meinen Gefährten besprechen.“

„So thun Sie das bald, da ich noch vor Anbruch des Morgens fort will. Ich habe keine Zeit zu verlieren. Je schneller ich reise, desto eher kann ich meinen Stamm warnen.“

„Es fragt sich, ob Ihnen das noch zur rechten Zeit möglich ist. Können Sie die Expedition denn nicht einholen?“

„Ja, denn sie ist vor fünf Tagen von hier aufgebrochen, aber diese Leute reisen mit Ochsenkarren, also sehr langsam, während ich aber reiten werde.“

„Wie lange reitet man bis zu den alten Ansiedelungen?“

„Vom Parana aus ungefähr zehn Tage, während man zu Wagen wenigstens fünfzehn braucht. Ich muß diese Leute also erreichen, bevor sie an ihr Ziel kommen, werde mich aber nicht vor ihnen sehen lassen, da sie nicht zu wissen brauchen, daß ich meinen Stamm benachrichtigen will. Sie würden mich natürlich daran zu hindern suchen.“

„Da Sie Ihre Mutter mitnehmen, können Sie keine sehr bedeutenden Tagesmärsche machen, welche die Frau übermäßig anstrengen würden. Darum ist es sehr wahrscheinlich, daß Sie doch zu spät kommen. Und so liegt an einer kleinen Versäumnis von wenig Stunden auch nicht viel. Sie können immerhin warten, bis es Tag geworden ist.“

„Nein, Sennor. Wenn Sie nicht eher aufbrechen wollen, so reite ich allein. Was hindert Sie denn, eher aufzubrechen?“

„Erstens der Umstand, daß Tiere und Menschen einmal ausruhen müssen. Und sodann reitet man nicht nach dem Gran Chaco, ohne die dazu nötigen Vorbereitungen zu treffen.“

„Das ist wahr. Zwei Personen bedürfen nicht viel; Sie aber zählen mehr.“

„Und wie kommen wir über den Parana?“

„Wir warten ein Schiff oder Floß ab, das uns übersetzt.“

„Dabei könnten wir viel Zeit verlieren. Nein; ich werde mit dem Obersten und dem Platzkommandanten sprechen. Hoffentlich stellen sie uns einige Fahrzeuge zur Verfügung, mit denen wir den Rio Corrientes hinab in den Parana fahren und am jenseitigen Ufer des letzteren anlegen können. Das würde für uns eine große Zeitersparnis bedeuten.“ ,

„Sennor, Sie haben recht. Ich sage Ihnen, daß ich die Gegend genau kenne. Die großen Sümpfe, welche an den Ufern des Parana liegen, halten jeden Reiter nicht nur auf, sondern können ihm sogar höchst gefährlich werden. Ich aber kenne eine schmale Wasserbucht, welche der Parana weit in das Land hineinsendet. Bekommen wir Kähne, so können wir dieselben benutzen und an der Sumpfregion vorüberkommen.“

„Also eine Art Bayou, wie man im Norden diese toten Flußarme nennt? Das ist sehr gut. Sie sehen aber ein, daß ich die beiden Herren, mit denen ich sprechen will, nicht jetzt mitten in der Nacht wecken darf. Also werden Sie warten?“

„Unter diesen Verhältnissen, ja. Vorausgesetzt natürlich, daß Sie wirklich mitreiten.“

„Auf alle Fälle. Wir müssen den Sendador finden, und da er nach den Ansiedelungen ist, werden wir ihm folgen. Wie aber steht es mit dem Wege, welchen wir bis dorthin zurückzulegen haben? Ist er sehr beschwerlich?“

„Nein, wenn wir einmal über den Parana und seine Sümpfe hinüber sind. Wo ein Fluß ist, giebt es freilich Moor und große Feuchtigkeit, sowie weite, dichte Waldungen. Auch findet man bedeutende Strecken, in denen man nichts als Sand und wieder Sand findet. Aber Sie haben auch herrliche Camposstrecken, welche von schönen Gehölzen unterbrochen sind. Die Hauptsache ist, daß Sie einen Führer haben, welcher die Gegend kennt.“

„Nun, den werden wir wohl in Ihnen finden?“

„Ja. Noch bewanderter aber ist mein Vetter Gomarra, welchen ich Ihnen empfehlen kann. Der allererfahrenste freilich ist Geronimo Sabuco. Wenn Sie den finden, so bringt er Sie durch den ganzen Chaco, ohne daß Sie eine Ahnung bekommen, wie gefährlich er eigentlich für den Fremden, besonders für den Weißen ist.“

„Warum gerade für den Weißen?“

„Weil dieser nicht an das Klima gewöhnt ist und also bald das Fieber bekommt, Und sodann, weil es für ihn noch andere und weit schlimmere Gefahren giebt.“

„Welche? Wilde Tiere?“

„Ja. Der Jaguar ist gefährlich.“

„Pah, den fürchten wir nicht. Aber Sie sprachen auch von wilden Menschen, welche jedenfalls noch gefährlicher als die Jaguare sind.“

„Wilde Menschen? Da meinen Sie natürlich uns Indianer. Glauben Sie wirklich, daß wir zu den Wilden gezählt werden müssen?“

„Von Ihnen persönlich will ich nicht reden; aber denken Sie, daß man zum Beispiel die Aripones unter die hochgebildeten Völker rechnen muß?“

„Nein. Aber wer ist schuld, daß wir nicht mehr das sind, was wir früher waren? Wer hat uns aus unsern früheren Wohnsitzen vertrieben, so daß wir nun in den Wildnissen leben müssen, die man uns nun auch nicht länger gönnen will? Müssen wir nicht die Weißen hassen? Müssen wir uns nicht ihrer zu erwehren suchen, wenn sie immer auf uns eindringen, so daß wir nicht einmal im wilden Chaco in Ruhe gelassen werden?“

„Sie mögen nicht unrecht haben. Ich gebe zu, daß Sie erbittert sein müssen. Aber Ihre Art, sich zu verteidigen durch Raub und Mord, ist die der echten Wilden.“

„Sennor, besteht nicht jeder Krieg aus Raub und Mord? Geben Sie uns Ihre Waffen und Ihre Vorteile, so können wir uns anders verteidigen. Bis dahin aber müssen wir uns der Waffen bedienen, welche wir besitzen.“

„Ist es nicht schrecklich, Menschen zu überfallen, um sie zu töten oder sie mit in die Wildnis zu schleppen, um sie später gegen hohes Lösegeld freizugeben?“

„Ja, das ist schrecklich, Sennor. Aber wer thut das? Wer hat es zuerst gethan? Wer hat uns diese Weise der Kriegsführung gezeigt?“

„Die Weißen etwa?“

„Sie glauben es nicht? Nun, so denken Sie doch an das gegenwärtige Beispiel! Der Sendador führt eine ganze, große Gesellschaft Weißer über den Parana. Die Leute wollen an den Rio Salado, welcher uns gehört. Sie wollen in unserem Gebiete wohnen und auf demselben Yerba suchen und die Wälder niederschlagen, die uns gehören und ohne welche wir nicht leben können. Ist das nicht Überfall? Haben sie uns um die Erlaubnis gefragt? Werden sie uns das bezahlen, was sie uns nehmen, den Fluß, die Wälder, die Yerba, die Bäume? Nein! Und wenn wir uns sträuben, uns berauben zu lassen, so greifen sie nach ihren Waffen und wenden Gewalt an. Wie viele von uns dabei getötet werden, das erzählen sie nicht. Und wenn sie je davon sprechen, so rühmen sie sich dessen. Habe ich recht oder nicht, Sennor?“

Ich zögerte mit der Antwort, denn ich konnte ihm nicht Unrecht geben. Dann fuhr er fort:

„Wenn Sie also von Raub und Mord sprechen, so klagen Sie die Weißen an, aber nicht uns. Sie sind die Angreifer, während wir uns nur verteidigen.“

„Aber verteidigt man sich durch die Entführung von Frauen und Mädchen?“

„Ja, wenn einem sonst kein Mittel übrig bleibt.“

„Sie haben andere Mittel, Ihre Waffen.“

„Das können Sie sagen, weil Sie fremd im Lande sind. Die Weißen haben Gewehre, Pulver und Patronen. Wir aber besitzen nur Spieße und Pfeile, mit denen wir gegen sie nichts vermögen. Muß es da nicht unser Bestreben sein, auch Gewehre zu erhalten?“

„Freilich wohl.“

„Nun, kaufen können wir sie uns nicht, denn wir haben kein Geld. Die Weißen haben uns das gute Land weggenommen, so daß wir weder Estanzias noch Ranchos besitzen. Wir können uns nichts verdienen. Darum nehmen wir, wenn sich uns Gelegenheit dazu bietet, die Frauen und Töchter der Weißen gefangen und geben sie ihnen gegen ein Lösegeld zurück, für welches wir uns dann kaufen, was wir brauchen.“

„Aber die Männer und Knaben tötet ihr bei solchen Gelegenheiten!“

„Sollen wir sie leben lassen, da sie uns bei der nächsten Veranlassung umbringen würden? Wir handeln nur aus Rücksicht für unsere Verteidigung so. Wollen Sie den Schaden, welchen wir durch die Weißen erlitten haben, vergleichen mit den Verlusten, die sie uns zufügten, so werden Sie zu der Erkenntnis kommen, daß wir sehr im Nachteil sind.“

„Da kommen Sie auf ein eigenartiges Thema. Ich glaube nicht, daß Sie ahnen, welchen Schaden nur in den La Platastaaten die Indianer anrichten. Die Indianer dieses Landes haben während der letzten fünfzig Jahre ungefähr elf Millionen Rinder, zwei Millionen Pferde und ebensoviele Schafe gestohlen. Dabei sind dreitausend Häuser zerstört und fünfzigtausend Menschen getötet worden.“

„Sennor, glauben Sie das doch nicht!“

„Ich muß es glauben, denn es ist berechnet worden!“

„Das haben die Indianer nicht gethan. Die Weißen sind die größten Spitzbuben. Was sie selbst thun, dafür klagen sie uns an. Wenn ein Weißer Pferde stiehlt, so sind wir es gewesen. Wenn ein Weißer den andern ermordet, so sind wir die Mörder. Die Hälfte, wenigstens die Hälfte dessen, wovon Sie jetzt sprachen, haben Weiße verschuldet. Und wenn diese Leute an ihren eigenen Genossen so handeln, wie mögen sie sich da gegen uns verhalten! Nein, Sennor, was Sie da vorbringen, das spricht mehr zu unseren Gunsten als zu unserem Schaden.“

„Hm! Ich hörte allerdings schon Ähnliches äußern.“

„So hat man Ihnen die Wahrheit gesagt. Man sendet Soldaten gegen uns aus, angeblich um die Ansiedler gegen unsere Raubzüge zu schützen. Aber ich sage Ihnen, daß die größten Räuber sich unter den Grenzsoldaten befinden. Und wenn die Zahlen, welche Sie vorhin brachten, die volle Wahrheit enthielten, so wäre der Schaden, welchen die Weißen uns verursacht haben, doch viel größer. Das ganze Land gehörte uns. Was darauf lebt und wächst, ist also unser Eigentum. Wenn ich mir ein Rind, ein Pferd fange, so stehle ich nicht etwa, sondern ich nehme nur das, was mir gehört.“

So sagen alle südamerikanischen Indianer. Sie sind überzeugt, ganz in ihrem Rechte zu sein, und niemand kann ihnen das Gegenteil beweisen. Wenn sie einmal von dem Grundsatze ausgehen, daß sie die rechtmäßigen Herren des Landes sind, so hilft keine Polemik gegen die daraus gezogenen Schlüsse.

„Schweigen wir lieber,“ sagte ich. „Keiner von uns beiden kann dem Schicksale der Eingeborenen eine andere Richtung geben. Übrigens erwähnte ich die Raubzüge der Ihrigen nur bei der Gelegenheit, als wir von den Gefahren des Chaco sprachen.“

„So brauchen Sie keine Sorge zu tragen, daß sie Ihnen gefährlich werden. Sie haben meine Mutter durch die empörten Fluten des Wassers getragen. So lange ich bei Ihnen bin, wird ihnen kein Leid geschehen.“

„Nun, große Sorge habe ich in dieser Beziehung überhaupt nicht. Aber was wird man mit den Leuten thun, deren Ankunft Sie den Aripones melden wollen?“

„Man wird sie überfallen.“

„Und töten?“

„Wahrscheinlich. Wenigstens die Männer. Die Frauen schafft man tiefer in den Chaco, um Geld für sie zu erhalten.“

„Und dazu wollen Sie beitragen?“

„Ich bin Indianer und handle als solcher!“

„Sie werden dadurch zum Mörder!“

„Die Weißen werden sich keinen Augenblick besinnen, auf uns zu schießen. Warum verlangen Sie von uns solche Nachsicht?“

„Wenn Sie mit solchen Absichten von hier fort wollen, muß ich Sie eigentlich festhalten.“

„Das werden Sie nicht thun! Gegen einen andern wäre ich nicht so aufrichtig gewesen. Zu Ihnen aber habe ich offen sprechen dürfen. Wollen Sie die gute Meinung, welche ich von Ihnen habe, zu schanden machen?“

„Nein. Aber ich sage Ihnen, daß ich von jetzt an Ihr Gegner bin. Sie wollen die Weißen verderben; ich aber werde sie zu retten versuchen.“

„Das ist ein fruchtloses Beginnen.“

„Das will ich nicht hoffen. Warnen Sie die Ihrigen, und ich werde die Weißen warnen. Persönlich aber werden wir beide Freunde sein.“

„Sennor, es kann doch sehr leicht geschehen, daß wir uns dann als Feinde gegenüber stehen. In diesem Falle haben Sie von mir nichts zu befürchten. Ich werde alles thun, Sie vor Schaden zu bewahren. Wollen wir diesen Pakt schließen?“

„Ja. Hier ist meine Hand.“

„Gut! jetzt schlafen Sie wohl, damit Sie am Morgen gestärkt zur Reise erwachen.“

Er ging und ließ mich in Gedanken zurück, welche den Schlaf noch längere Zeit fern von mir hielten. Es war wieder das alte Thema gewesen, das Thema über die Berechtigung der weißen Rasse, die rote von der Erde zu verdrängen. Wenn wir dieses Recht wirklich besitzen, so wird es uns doch nie gelingen, die Indianer von demselben zu überzeugen. Sie werden unsere Feinde sein, bis der letzte von ihnen unserem Andrängen gewichen ist. Jede Erklärung ist da vergeblich.

Also der Sendador war hier gewesen und hatte sich gewinnen lassen, die Weißen nach den verlassenen Ansiedelungen zu führen. Eigentlich konnte uns das lieb sein, weil uns dadurch die Fahrt nach Goya und der beschwerliche Ritt durch die Urwälder des Rio Vermejo erspart wurde. Die Absicht, in welcher diese Expedition unternommen wurde, war keineswegs eine neue. Schon früher hatten Nordamerikaner und auch andere den Rio Salado befahren, um zu begutachten, ob derselbe besser schiffbar zu machen sei. Es waren bedeutende Summen auf diese Untersuchung verwendet worden, doch hatte man stets nur ein negatives Resultat erzielt. Ob der Erfolg jetzt ein besserer sein werde, war wenigstens zu bezweifeln.

Der Schlaf kam erst später wieder und hielt mich nicht lange gefangen. Ich erwachte, als der Morgen zu grauen begann, und weckte den Bruder, der nun wohl ausgeschlafen haben konnte. Als ich ihm erzählte, was mir Gomez mitgeteilt hatte, sagte er:

„Das ist gut, Sennor. Wir treffen auf diese Weise den Sendador weit eher, als zu erwarten war. Wollen gleich nach unsern Gefährten sehen, damit sie sich zum Aufbruche rüsten.“

„Das eilt nicht so sehr, da wir erst mit den beiden Offizieren zu reden haben. Vorher aber möchte ich einmal mit Gomez sprechen. Lassen Sie uns ihn aufsuchen.“

Wir begaben uns in das Nebengebäude, in welchem er mit den Yerbateros untergebracht worden war. Er befand sich nicht mehr dort; vielmehr hörten wir, daß er des Nachts mit seiner Mutter fortgeritten sei.

„Wohin?“ fragte ich.

„Er verriet es uns nicht, doch sollten wir Ihnen sagen, Sie wüßten wohl, warum er vor Ihnen aufbreche. Sie sollten ihn entschuldigen, wenn er sich vielleicht eines Bootes bemächtigen müsse.“

„So ist’s gut. Ich weiß, wohin er ist. Sie haben wohl nicht bemerkt, ob er nach dem Flusse ritt?“

„Nein. Wir haben uns nicht stören lassen und sind liegen geblieben. Bevor er sich entfernte, bedankte er sich für die Freundlichkeit, welche er bei uns gefunden hat. Er sagte, er würde möglichst dafür sorgen, daß uns nichts Böses geschehe.“

„Ich vermute, was er meinte. Wir werden auch baldigst aufbrechen. Halten Sie sich bereit dazu!“

Kapitän Turnerstick und sein Steuermann waren mit unserem Vorsatz einverstanden. Sie waren entschlossen, mit uns zu gehen, wohin es uns beliebe.

Zunächst ließen wir den Oberst wecken. Als wir ihm unser Anliegen vortrugen, meinte er:

„Da brauchen Sie den Platzkommandanten gar nicht zu bemühen. Er hat sich ja doch nur nach meinen Wünschen zu richten. Es thut mir leid, Sie so schnell zu verlieren; aber Ihr eigenes Interesse verbietet mir, Sie um ein längeres Verweilen zu ersuchen. Ich werde Sie schnell mit guten Vorräten und einigen Packpferden versehen und auch für ein oder mehrere Fahrzeuge sorgen, auf denen Sie die Fahrt bis in den Parana machen können.“

Er gab sofort die nötigen Befehle, und wir beide hatten nun zunächst uns bei Antonio Gomarra zu erkundigen, ob er im stande sei, uns ohne Umwege nach den Ansiedelungen zu bringen.

„Ganz gut!“ sagte er. „Ich war schon öfter dort.“

„Kennen Sie die Aripones?“

„Ich verstehe ihre Sprache leidlich. Was das betrifft, so können Sie sich auf mich verlassen. Also der Sendador ist noch dort? Bin begierig, ihn baldigst einzuholen!“

Unser Aufbruch ging doch nicht ganz still von statten. Der Kommandant war erwacht und hatte sich nach der Ursache des Geräusches erkundigt. Er kam, um uns zu verabschieden. Bei dieser Gelegenheit erfuhren wir, daß Geronimo Sabuco wirklich der erwähnte Führer sei.

„Ich habe den Leuten abgeraten, diesen Mann zu engagieren,“ fügte er hinzu.

„Warum?“ fragte ich.

„Es hat keinen bestimmten Grund. Aber sein Auge ist falsch. Übrigens lassen verschiedene Gerüchte vermuten, daß er es mit den Indianern hält.“

„Das kann doch nicht befremden, Sennor! Ein Mann, welcher sich so oft und so lange im Gran Chaco befindet, muß vor allen Dingen darauf sehen, mit den Roten in Frieden zu leben!“

„Das ist wahr; aber ich hörte einigemal munkeln, daß er höchst wahrscheinlich bei verschiedenen Teufeleien der Indianer seine Hand im Spiele gehabt habe.“

„Sollte er Leute verraten haben, welche sich seiner Führung anvertraut hatten?“

„Ja. Man muß ihm auf die Finger sehen.“

„Haben Sie ihn Ihr Mißtrauen merken lassen?“

„Nicht nur das; ich habe es ihm sogar in sehr deutlichen Worten gesagt. Ich drohte ihm, ihn erschießen zu lassen, falls der Expedition ein Unglück geschehe. Er zuckte lächelnd die Achsel und sagte kein Wart.“

„Ist die Expedition gut ausgerüstet?“

„Mit allem Nötigen im reichlichsten Maße. Besonders an Waffen und Munition fehlt es den Leuten nicht.“

„Das wird die Indianer gerade anlocken.“

„Pah! Sie können nichts machen. Denken Sie nur, daß die Gesellschaft aus zwanzig rüstigen Männern besteht. Und jenseits des Waldes werden sie auf dem Rio Salado von einer ebenso zahlreichen Truppe erwartet.“

„Zwanzig sind nicht allzuviel gegen einen ganzen Indianerstamm!“

„Die Zahl der Roten thut nichts. Sie reißen vor den Gewehren aus, und es ist höchst selten, daß sie sich auf einen wirklichen Kampf einlassen.“

„Ich hörte, daß man auch Frauen mitgenommen hat?“

„Es sind fünf Männer dabei, welche ihre Familien bei sich haben. Die alten Ansiedelungen sollen wieder instandgesetzt und bewohnbar gemacht werden. Dazu sind Frauen erforderlich. Ist der Anfang einmal gemacht und hat man damit bewiesen, daß man dort gut und ohne Fährnis wohnen und leben kann, so werden sehr bald andere nachfolgen.“

„Aber dieser erste Versuch ist eben gefährlich, denn es steht nicht zu erwarten, daß sich die Indianer zu demselben ruhig verhalten werden.“

„Nun, dann werden sie einfach niedergeschossen, zumal ja Sie nachfolgen und der Expedition beistehen können.“

Damit war die Sache, welche er sehr leicht nahm, erledigt. Desto sorgfältiger aber verfuhr er in der Sorge für uns. Er und der Oberst begaben sich persönlich nach dem Flusse, um sich zu überzeugen, daß man die Befehle des letzteren auch vollständig ausgeführt habe. Wir erhielten zwei lange Boote, welche Raum genug für uns und unsere Pferde hatten, und wurden mit allem versehen, was wir brauchten, ohne daß man uns eine Bezahlung dafür abverlangte. Dann verabschiedeten wir uns von den Leuten, mit denen wir uns so schnell befreundet hatten, und stiegen in die Boote. Der Wind war uns sehr günstig, und wenn der Rio Corrientes auch kein starkes Gefälle hat, so gelangten wir doch mit Hilfe der kräftigen Ruderer, welche man uns mitgegeben hatte, schon nach vier Stunden in den Rio Parana.

Ich hatte Gomarra gefragt, ob er von der Bucht etwas wisse, von welcher der Indianer gesprochen hatte. Er antwortete:

„Es giebt mehrere solcher toter Arme, welche weit in das Land treten. Wir werden keinen von ihnen benutzen, denn ich weiß ein kleines Flüßchen, welches von Westen her in den Parana tritt. Es ist breit genug für unsere Boote, und wir rudern also in demselben so weit wie möglich aufwärts. Auf diese Weise gelangen wir aus der Region der Sümpfe am schnellsten und leichtesten auf trockenen Camposboden.“

„Wäre es nicht geraten, zunächst die Fährte der Gesellschaft aufzusuchen, welcher wir folgen wollen?“

„Wozu? Diese Fährte ist jetzt über fünf Tage alt und also nur schwer zu erkennen. Mit ihren Ochsenwagen haben die Leute nicht den geradesten Weg einschlagen können. Es giebt Wasserläufe, denen sie mühsam folgen müssen, bis sie eine Stelle finden, an welcher sie hinüber können. Das haben aber doch wir nicht nötig.“

„Gut! Wir verlassen uns auf Sie. Können Sie uns die Ansiedelungen beschreiben?“

„Sehr leicht. In diesen Gegenden baut einer wie der andere, und sodann hat die Natur alles gethan, sie einander ähnlich zu machen, indem sie alles mit Pflanzen überwucherte.“

„Also sind die Häuser unbewohnbar geworden?“

„Vollständig; sie sind zerfallen. In Zeit von einigen Jahren ist alles verfault und zerbröckelt, und die Schlingpflanzen legen ihre dicke Decke darüber hin.“

„Hatten diese Ansiedelungen ihre bestimmten Namen?“

„Das versteht sich ja von selbst. Man läßt hier keinen einzelnen Rancho ohne Namen, viel weniger aber eine ganze Siedelung. Sie lagen nicht weit voneinander in der Nähe des Lago Honda und hießen, glaube ich, Pozo de Sixto, Pozo de Quinti, Pozo de Campi, Pozo Olumpa und Pozo Antonio. Es sind noch andere da, deren Namen ich aber vergessen habe. Es ist ein ganz eigenartiger Eindruck, den so ein verlassener und von blühenden Schlinggewächsen überwucherter Ort auf den Menschen macht. Man meint, vor einem riesenhaften Grabe zu stehen, und trotz des Duftes, welcher den Blumen entströmt, hat man den Geruch von Fäulnis und Moder in der Nase. Warum die Glieder der Expedition gerade dorthin wollen, das kann ich nicht begreifen. Beabsichtigen sie, dort zu wohnen, so können sie monatelang arbeiten, bevor es ihnen gelingt, den Schutt hinwegzuräumen.“

„Vielleicht haben sie sich für diese Gegend entschlossen, weil es dort gutes Wasser giebt.“

„O, in der Gegend des Rio Salado ist überall Wasser vorhanden, Wasser mehr als genug. Sie werden das vielleicht kennen lernen.“

„Schwerlich, denn wir beabsichtigen ja nicht, uns lange am Rio Salado aufzuhalten.“

„Aber Sie wollen ja nach Tucuman, und da thun Sie am klügsten, wenn Sie dem Laufe des Salado bis ungefähr dahin folgen, wo Matara liegt. Von dort führt ein Weg über Santiago nach Tucuman. Das ist die beste Richtung, welche Sie einschlagen können.“

„Ich werde leider nicht über mich selbst bestimmen können, denn wenn wir den Sendador treffen, wird es nur auf ihn ankommen, in welcher Richtung ich nach Tucuman gehe.“

„Wenn er nun überhaupt nicht mit dorthin will?“

„Warum sollte er nicht wollen?“

„Weil es doch seine Absicht ist, Ihnen die Pläne zu zeigen und dann hinauf in die Berge zu gehen.“

„So wird er dennoch vorher mit mir nach Tucuman müssen. Ich kann meinen Besuch in dieser Stadt nicht aufgeben, da ich einen Bekannten dort treffen will. Verlangt der Sendador, daß ich mit ihm gehe, so kann ich auch fordern, daß er mich vorher nach Tucuman geleite.“

Während dieses Gespräches waren wir in den Parana gelaufen und hielten quer abwärts über denselben hinüber. Auch weiter oben mußte es außerordentliche Regengüsse gegeben haben, denn die Fluten des Stromes waren noch gelber und dicker als gewöhnlich. Dieser Fluß ist sehr fischreich, aber wegen seines schlammigen Wassers ist es unmöglich, jemals einen schwimmenden Fisch zu sehen. Auch hier wurde er durch einige langgestreckte Inseln in mehrere Arme geteilt, was die Überfahrt wesentlich erschwerte. Gomarra war ein guter Führer. Wir erreichten das jenseitige Ufer gerade an der Mündung des kleinen Flüßchens, dem wir aufwärts folgen sollten. Hier konnten wir die Segel nicht mehr benutzen. Wir griffen daher zu den Rudern und Stangen und arbeiteten alle so fleißig, daß wir bei Anbruch des Abends eine ganz bedeutende Strecke zurückgelegt hatten.

Als es dunkel geworden war, landeten wir und machten es uns teils in den beiden Fahrzeugen, teils auch am Ufer so bequem wie möglich. Essen gab es in Hülle und Fülle, da man uns auf das reichlichste versorgt hatte. Ebenso reichlich bescherte uns der Fluß dichte Schwärme von Stechmücken, gegen welche wir uns nur durch große Feuer schützen konnten, in welche wir nasses Schilf warfen. So wurden die Mückenwolken durch die Rauchwolken bekämpft und unschädlich gemacht.

Am andern Morgen ruderten und stakten wir uns zeitig weiter, bis um die Mittagszeit das Flüßchen so schmal und seicht wurde, daß wir nicht weiter fahren durften, wenn wir nicht auf den Grund geraten wollten. Wir schifften uns also aus, bezahlten die Bootsleute und verabschiedeten uns von ihnen, da von hier an die Reise zu Pferde fortgesetzt werden mußte.

Gomarra hatte ganz richtig vorhergesagt, daß wir hier die Region der Sümpfe hinter uns haben würden. Nachdem wir eine schmale, mit dünnem Buschwerke bestandene Strecke zurückgelegt hatten, sahen wir den freien Camp vor uns.

Unsre Pferde hatten sich gut ausgeruht; wir durften sie also anstrengen, und so ging es bis zum Abende fast stets im Galoppe über die Ebene. Bis Mitternacht ritten wir langsamer; dann lagerten wir, brachen aber bereits beim Morgengrauen wieder auf, denn es kam uns natürlich darauf an, die vor uns ziehende Gesellschaft zu erreichen, bevor der Indianer Gomez an ihr vorüberkommen und die Indianer warnen konnte.

Heute bekam die Gegend ein anderes Gesicht. Sie bot weit mehr Abwechslung als gestern. Es gab kleinere Camps, welche durch hübsche Waldungen voneinander getrennt wurden. Hier und da kamen wir auch über eine sandige Strecke, welche wenig Spuren von Pflanzenwuchs zeigte und mich an die nordmexikanische Sonora erinnerte, Dann gelangten wir an eine Lagune, deren Ufer flach im Sande verliefen und mit dichtem Schilfe besetzt waren. Ganze Scharen von Wasservögeln flogen bei unserm Nahen auf, und wenn der Schilfkranz sich einmal öffnete, so daß wir einen Blick über das Wasser gewannen, so sahen wir die knorrigen Köpfe der Krokodile aus demselben ragen.

Die Wälder, durch welche oder an denen wir vorüber kamen, bestanden meist aus Quebrachos, Mistols, Vinals, Channars und sehr hohem Kaktus. Einen schönen Anblick gewährte es, wenn diese Bäume von Schlingpflanzen überwuchert waren, in denen zahlreiche Vogelnester hingen.

Auch heute machten wir erst spät am Abende Halt, brachen aber am nächsten Morgen später auf, da die Pferde doch mehr als gestern der Ruhe bedurften.

Wir befanden uns nun inmitten des so berüchtigten Gran Chaco. Aber ich fand nichts, was den schlechten Ruf dieser abgelegenen Gegend erklärt hätte. Nur unter dem Übelstande eines großen Temperaturwechsels hatten wir zu leiden. Während die Tage schon sehr warm waren, brachten uns die Nächte eine fast winterliche Kälte, welche durch den starken Luftstrom erhöht wurde, der frei über die offenen Camps streichen konnte.

An Speise hatten wir keinen Mangel; selbst als unser Fleischvorrat zur Neige ging, fanden wir Wild mehr als genug. Leider wurde mein sehnlichster Wunsch, einen Jaguar zu sehen oder gar zu erlegen, nicht erfüllt.

Die meisten Lagunen, an denen wir vorüberkamen, führten salziges Wasser. Dies und die Krokodile waren schuld, daß es keine Fische gab.

Da sonst nichts Ungewöhnliches über die Gegend zu sagen ist und uns auch nichts Außerordentliches passierte, so erwähne ich nur, daß wir acht Tage lang fast immer gerade gegen Westen ritten und die Strecken, welche wir zurücklegten, von Tag zu Tag immer kleiner wurden, eine Folge der steigenden Ermüdung der Pferde, denen wir nur die allernötigste Ruhe gönnten.

In diesen acht Tagen hatten wir nach Aussage Gomarras zehn gute Tagesritte zurückgelegt und näherten uns nun den Ansiedelungen. Der Führer meinte, daß wir sie morgen gegen Abend erreichen würden. Gomez hatte also die Entfernung nicht richtig geschätzt, als er sie auf zehn Tagesstrecken angegeben hatte.

Noch war uns keine Spur zu Gesicht gekommen, weder von Gomez noch von der Wagenkarawane. Am heutigen Tage aber sollten wir auf die erstere treffen.

Ich ritt mit dem Bruder und unserm Führer voran. Wir befanden uns auf reich bewachsenem Prairieboden, dessen Gras den Pferden fast bis an den Leib reichte. Da war eine frische Fährte schon von weitem zu erkennen.

Und wirklich erblickten wir im Süden, also links von uns, einen dunklen Strich, welcher sich parallel mit unsrer Richtung durch das Gras zog. Natürlich suchten wir ihn auf, um ihn zu untersuchen. Er stammte von zwei Pferden her, welche hier nebeneinander geritten waren.

„Sollte das Gomez mit seiner Mutter gewesen sein ?“ fragte der Frater.

„Möglich,“ antwortete ich.

„Ich halte es für unmöglich. Bedenken Sie nur, wie wir geritten sind, wie wir unsre Pferde angestrengt haben. Das kann er nicht ebenso gethan haben. Er muß also hinter uns und kann nicht vor uns sein.“

„Hm! Wer weiß, welcher Hilfsmittel er sich bedient hat. Er ist hier bekannt.“

„Ehe er nur über den Fluß gekommen ist!“

„Jedenfalls hat er auch ein Boot gehabt.“

„Aber der Proviant hat ihm gefehlt. Um nicht zu hungern, hat er also jagen müssen, und das hält auf.“

„Kann er sich nicht auch auf irgend eine Weise mit Fleisch versehen haben?“

„Das ist möglich, mir aber gar nicht sehr wahrscheinlich.“

„Ich halte es für sehr möglich,“ erklärte Gomarra. „Gomez ist ein höchst umsichtiger und kluger Mensch, dem man seinen Scharfsinn nicht so leicht ansieht.“

„Das habe ich erfahren,“ stimmte ich bei.

„Nicht wahr, Sennor! Leider kann man solchen Pferdespuren nicht ansehen, wen die Tiere getragen haben.“

„Sie irren sich.“

„Sie halten es für möglich, dieser Fährte abzulesen, wer hier geritten ist? Bitte, thun Sie es!“

Er sprach diese Aufforderung mit einem Lächeln aus, welches seinen Unglauben deutlich zu erkennen gab. Ich antwortete:

„Das braucht nicht gleich zu sein. Eine Fährte ist lang, und was sie hier an dieser Stelle nicht verrät, das wird sie uns später sagen, wenn wir ihr folgen. Einstweilen genügt es mir, zu wissen, daß die beiden Pferde sehr ermüdet gewesen sind.“

„Woraus schließen Sie das?“

„Daraus, daß sie die Füße geschleppt haben. Zwei Pferde, und zwar ganz abgemattet, genau in der Richtung nach den Ansiedelungen, das macht es freilich sehr wahrscheinlich, daß wir Gomez und seine Begleiterin vor uns haben.“

„Es können auch andre sein. Ich gebe dem Frater ganz recht. Gomez hatte nur wenige Stunden Vorsprung vor uns. Wie sollte er sich also noch immer vor uns befinden?“

„Warten wir es ab!“

Wir folgten von jetzt an natürlich genau der Fährte, welche immer die gleiche Deutlichkeit behielt, aber auch kein einziges Merkmal zeigte, aus welchem zu schließen gewesen wäre, wer die Reiter gewesen seien. Erst nach langer Zeit, als wir eine der bereits erwähnten Lagunen vor uns liegen sahen, gab es eine Abwechslung, und zwar eine ganz bedeutende. Es kam nämlich von links herauf eine breite, tief eingegrabene Spur, welche aus vielen Wagengeleisen bestand. Hier an der Lagune hatten die Fuhrwerke angehalten; es war da Rast gemacht worden.

Wir untersuchten den Platz. Es hatten da mehrere Feuer gebrannt. Die durstigen Pferde und Ochsen waren in das Wasser gestiegen, um zu saufen, denn man sah die Spuren der Tiere deutlich im Uferschlamme.

Das war aber auch alles, was wir bemerkten. Besondere Merkmale fanden wir nicht.

„Das ist die Karawane, welche wir suchen,“ sagte Gomarra. „Wann mag sie hier gewesen sein?“

„Vorgestern,“ antwortete ich, „wie ich aus verschiedenen Anzeichen sehe, welche ich kennen gelernt habe. Die Spuren alle sind nicht von gestern, sondern von einem Tag früher.“

„So hätten diese Leute ihre Ochsen außerordentlich angetrieben!“

„Ja, aber das Terrain war ein gutes. Es hat ihnen fast gar keine Hindernisse geboten. Gestern früh sind sie von hier fortgereist.“

„Und wann sind die beiden Reiter hier gewesen, deren Fährte wir bisher folgten?“

„Heute am Vormittage. Da es jetzt erst Mittag ist, so befinden sie sich also nur wenige Stunden vor uns.“

„Vielleicht können wir sie erreichen?“

„Nein, denn auch unsere Pferde sind ermüdet, wenigstens ebenso wie die ihrigen. Wir holen sie nun nicht vor den Ansiedelungen ein.“

„Das ist schade!“

„Allerdings. Es giebt freilich ein Mittel, sie zu erreichen, indem ich ihnen allein nachreite. Mein Pferd ist das beste und hält noch eine gute Strecke aus. Wenn ich mich jetzt von Ihnen trenne, bin ich überzeugt, die beiden Reiter noch vor Abend zu erreichen.“

„Das werden Sie nicht thun, Sennor. Sie dürfen sich nicht von uns trennen. Man weiß nicht, was Ihnen widerfahren kann.“

„Was könnte mir geschehen?“

„Fühlen Sie sich ja nicht zu sicher! Wir kommen nun in das Gebiet der Aripones. Sie könnten leicht auf einige von diesen Leuten stoßen.“

„Ich halte sie nicht für gefährlich. Ich wünsche sogar, die Leute kennen zu lernen. Leider aber verstehe ich ihre Sprache nicht.“

„Das ist ein höchst triftiger Grund, sich von ihnen fern zu halten, wenigstens so lange Sie keinen Dolmetsch bei sich haben. Nein, wir können Sie nicht fort lassen.“

Da die andern ihm beistimmten, so mußte ich auf meinen Plan verzichten, obgleich ich mich gar zu gern überzeugt hätte, wem die beiden Pferde gehörten, deren Spuren wir zuerst gesehen hatten.

Wir folgten also von jetzt an der Wagenfährte, mit welcher die erstere Spur nun zusammenfiel. Schon nach wenigen Stunden sahen wir, daß die Karawane wieder Halt gemacht hatte und die vorige Nacht geblieben war, mitten auf freiem Camp; das war doch sonderbar, ja sogar auffallend. Was mußte geschehen sein?

Ich umritt den Lagerplatz und bemerkte bald die Spur eines einzelnen Mannes, welcher da umhergelaufen war. Zu welchem Zwecke? Er hatte zu der Gesellschaft gehört, denn seine Spur kam von der Lagerstätte und führte auf dieselbe zurück. Er war wie suchend umhergegangen, weit vom Lager fort.

Heute früh war dann die Karawane von hier aufgebrochen. Sie hatten ihren Weg sehr, sehr langsam fortgesetzt, wie man aus der Fährte ersehen konnte. Leider wurde es bald Nacht, und da mußten wir lagern, sonst hätten wir die Spur leicht verlieren können.

Das, was wir bisher beobachtet hatten, war wenig genug; es bot eigentlich gar keinen Grund zu Befürchtungen, und doch hegte ich ein Mißtrauen, welches zwar dunkel war, aber sich doch nicht überwinden ließ. Oft hat der Mensch eine Ahnung, auf welche er sich besser als auf ein offenbares Ereignis verlassen kann.

Wir brachen am frühen Morgen wieder auf. Natürlich mußten wir annehmen, daß die Karawane während der Nacht gerade so wie wir gerastet habe, aber wir ritten Stunde um Stunde und sahen doch nicht die Spur eines Lagerplatzes.

Das war wieder sehr auffällig. Erst zwei Lagerplätze so eng nebeneinander, und nun eine lange Wagenfahrt während der Nacht! Das mußte gewisse Gründe haben. Aber ich konnte darüber noch so lange nachdenken, es fiel mir keine stichhaltige Erklärung bei.

Da plötzlich tauchte vor uns ein dunkler Punkt auf, welcher sich uns schnell näherte und dabei immer größer wurde. Es war ein Reiter, der im Galopp herangehetzt kam. Wir sahen, daß er sein Pferd mit dem Lasso peitschte. Als er nahe herangekommen war, schwenkte er den breitrandigen Hut und rief uns laut entgegen:

„Hallo, Sennores, sind Sie diejenigen, welche ich suche?“

„Wen suchen Sie?“ fragte der Bruder.

„Leute, die aus Palmar kommen.“

„Das stimmt, Sennor. Wir kommen von dort.“

„Gott sei Dank! So ist Hilfe doch vielleicht noch möglich!“

„Für wen?“

„Für – –“

Die Antwort blieb ihm im Munde stecken. Er hielt jetzt vor uns und hatte bis jetzt nur den Bruder beobachtet, der mit ihm sprach. Nun aber fiel sein Blick auf mich, und da hielt er mitten in der Antwort inne. Er trug die Kleidung eines Gaucho, einen dichten Vollbart, welcher von seinem Gesichte fast nur die Nasenspitze sehen ließ, und hatte den Hut tief in die Stirne gezogen.

Cobrido!“ rief er. „Ist es möglich!“

„Was?“ fragte ich, da er mich noch immer anstarrte.

„Daß Sie da sind!“

„Ich? Kennen Sie mich?“

„Na, und ob! Sie aber scheinen mich ganz vergessen zu haben.“

„Kann mich wirklich nicht besinnen.“

„Wirklich nicht? Sollte – –? Ah, ja, der Bart, der Bart!“

„Ihre Stimme kommt mir freilich bekannt vor.“

„Nicht wahr? ja, ja! Wollte soeben heim, weil ich dachte, daß Sie kommen würden, und nun treffe ich Sie da mitten im Chaco!“

„Heim – weil Sie dachten – – daß ich kommen würde? Ah, jetzt geht mir das Licht auf! Sie sind Sennor Pena?“

„Endlich, endlich kommt er auf meinen Namen!“ rief der Mann jetzt. „Willkommen, Sennor, willkommen!“

Er gab mir die Hand, welche ich ihm kräftig schüttelte, und drückte mir die meine, daß ich hätte schreien mögen. Dabei rief er lachend:

„Also Sie haben mich wirklich nicht erkannt? Sie wollen zu mir und kennen mich nicht? Das ist im höchsten Grade lustig! Und hier treffe ich Sie! In der Wildnis, während ich überzeugt war, daß Sie den sehr zahmen Weg per Diligence von Buenos Ayres aus einschlagen würden? Das ist noch spaßhafter!“

„Wie es scheint, kommt Ihnen jetzt alles sehr spaßhaft vor, während Sie sich droben in Mexiko stets in sehr ernster Stimmung befanden!“

„Da hatte ich alle Veranlassung, ernst zu sein, Sennor!“

„Und wo kommen Sie jetzt her?“

„Von Goya.“

„Dahin wollten wir, um den Führer Geronimo Sabuco zu suchen.“

„Den konnten Sie nicht dort finden. Ich habe ihn vor ganz kurzer Zeit bei den alten Ansiedlungen gesehen.“

„Haben Sie mit ihm gesprochen?“

„Fällt mir nicht ein! Das hätte mich meinen Kopf gekostet.“

„Ist er Ihr Feind?“

„Nein. Aber ich belauschte ihn, und wenn er bemerkt hätte, daß ich sein Gespräch gehört hatte, so wäre ich in einer Minute eine Leiche gewesen.“

„So hörten Sie schlimme Geheimnisse?“

„Ja, sehr schlimme. Ich komme, sie Ihnen mitzuteilen.“

„Und haben Sie denn gewußt, daß wir kommen?“

„Ja; aber wissen konnte ich nicht, daß Sie dabei seien, daß Sie der Deutsche seien, von welchem gesprochen wurde.“

„Von mir? So ist es wohl Gomez, der Indianer, gewesen?“

„Ein Indianer war er, und Gomez wurde er von dem Sendador genannt.“

„So handelt es sich um einen Verrat an den Weißen, welche der Sendador führt?“

„Ja.“

„Das müssen Sie uns schleunigst mitteilen. Schnell, schnell!“

„Langsam, Sennor! Wir können in aller Gemächlichkeit eilen. Wenn ich Ihnen alles schnell erzähle und wir bleiben dabei hier halten, so nutzt das denen, welchen ich Hilfe bringen will, weniger, als wenn wir schnell weiter reiten und ich erzähle euch die Sache dabei langsam. Kommen Sie also; ich kehre mit Ihnen um!“

Wir gaben unseren Pferden die Sporen und jagten weiter, so schnell die Tiere konnten. Natürlich waren wir sehr begierig, zu erfahren, was er uns zu sagen hatte. Darum drängten wir alle in seine Nähe, und er wurde gebeten, so laut zu sprechen, daß jeder es hören könne.

„Also ich war in Goya und wollte über den Salado nach Hause,“ sagte er.

„Ganz allein?“ fragte ihn der Bruder. „Das ist ja sehr gefährlich!“

„Gefährlich? Pah! So ein alter Abenteurer wie ich bin, kennt keine Gefahr. Freilich würde so ein frommer Herr, wie Sie nach Ihrer Kleidung sind, einen so einsamen Ritt durch den Chaco nicht wagen!“

„O, ich habe ihn auch gewagt!“

„Alle Wetter! Dann sind Sie wohl gar – wohl gar – der Bruder Jaguar?“

„Man nennt mich allerdings so.“

„Ja, das ist freilich etwas ganz anderes! Ihnen sind alle möglichen Kühnheiten zuzutrauen. Freut mich unendlich, Sie kennen zu lernen, Sennor. Sie und dieser Deutsche da, den ich von Mexiko aus kenne, Sie sind die richtigen Leute, welche ich heute gebrauchen kann. Darf ich vielleicht auch erfahren, wer die andern Sennores sind?“

Ich stellte sie ihm vor. Nach den allgemeinen Redensarten, welche bei solchen Gelegenheiten gewechselt werden, bat man ihn, fortzufahren, und er kam der Aufforderung nach:

„Der beste Weg von Goya nach meinem Ziele führt über die alten Ansiedelungen, und ich wählte ihn. Heute kam ich da an. Da ich aber wußte, daß es dort wegen der Aripones nicht recht geheuer ist, hielt ich mich möglichst verborgen. Ich versteckte mein Pferd in einen alten Hof, welcher nur schwer zugänglich ist, und legte mich an einer Stelle nieder, wo mich nicht so leicht jemand finden konnte. Es waren da zwei Wände eingestürzt; sie hatten sich gegeneinander geneigt und zwischen sich einen engen Raum gelassen, welcher vorn ganz mit Schlingpflanzen verhangen war. Ich hatte früher diese Stelle einmal durch Zufall gefunden. Also da wollte ich ausruhen, da ich die ganze Nacht geritten war. Nach Mittag wollte ich wieder fort, um bis zum Abend den Urwald zu erreichen. Ich hatte nun wohl auch bis zum Mittag geschlafen, als ich von Stimmen geweckt wurde. Zwei Männer sprachen spanisch miteinander. Ich schob die Lianen ein wenig auseinander und sah sie auf zwei Steinen vor meinem Verstecke sitzen. Der eine war ein Weißer, alt, hager und knochig, der andere ein junger Indianer. In der Nähe saß ein indianisches Weib.“

„Die Mutter von Gomez.“

„Mag sein. Ich konnte jedes Wort hören. Sie führten folgendes Gespräch:

„Ich bin alle letzten Nächte um das Lager gegangen,“ sagte der Weiße, „um vielleicht einen eures Stammes zu entdecken, doch vergeblich, Du bist der erste, welchen ich sehe.“

„Und ich bin Ihren Spuren schon seit gestern gefolgt, getraute mich aber heute, als ich Sie erreichte, nicht in Ihre Nähe,“ meinte der Indianer.

„Was wolltest du thun?“

„Sie in einem Bogen umreiten und dann meinen Stamm aufsuchen.“

„Ah! Du willst die Deinen auf uns hetzen?“ „Nicht auf Sie, Sennor.“

„Also nur auf die andern. Ich danke dir. Wo sind deine Angehörigen?“

„Sie sind stets in der Nähe. Heute abend werde ich sie gefunden haben.“

„Kannst du sie hierher bringen?“ „Ja, wenn Sie es ehrlich meinen.“

„Unsinn! Deine Häuptlinge kennen mich. Ich bin bereit, dasselbe Geschäft wie immer mit ihnen zu machen. Kennst du meine Bedingungen?“

„Nein, Sennor.“ „So warst du noch nie dabei, wenn ich – –“ „Noch nie.“

„Aber du hast doch wenigstens gehört, daß ich euer Freund bin und euch zuweilen einen Fang in die Hände treibe?“

„Das weiß ich, Sennor.“ „Kannst du schweigen?“ „Schweigen ist die beste Tugend.“

„Gut! So will ich dir sagen, daß ich euch solche Leute stets unter der Bedingung überliefere, daß alles Geld, welches sie besitzen, alles Gold und Geschmeide mir gehört; alles andere ist euer. Ist dir das recht?“

„Ja.“ „Werden die Deinen auch heute beistimmen?“ „Ja, wenn sie es schon früher gethan haben.“

„So sage ihnen, daß ich zwanzig Männer, fünf Frauen und zwölf Kinder habe, die sie bekommen sollen. Was diese Leute an Gold, Ringen und Uhren bei sich tragen, das gehört mir; alles andere sowie das Lösegeld für die Kinder ist dann euer.“

„Ich werde es dem Häuptlinge sagen.“ „Ihr tötet die männlichen Gefangenen und Kinder stets?“

„Ja.“

„Das dulde ich diesesmal nicht. Auch die Knaben sollen leben; ihr werdet desto mehr Lösegeld bekommen.“

„Wir bekommen nicht mehr, denn wenn wir Knaben leben lassen, so behalten wir sie; sie müssen Indianer werden.“

„Damit bin ich einverstanden. Ich will mit euch ein Geschäft machen. Ich will Geld haben, und ihr sollt Waffen, Pulver, Kleider, Pferde, Rinder, Wagen und Lösegeld erhalten; aber morden wollen wir nicht.“

„Das müssen wir doch! Die zwanzig Männer sollen sterben!“

„Nein, sage ich dir!“

„Aber dann können wir ihnen doch nicht ihr Eigentum und ihre Kinder nehmen!“

„Warum nicht?“

„Weil sie es verteidigen werden.“

„Schwachkopf! Sie sollen sterben, ohne daß wir sie töten. Kennst du diese Gegend genau?“

„Ja.“

„Auch die Krokodileninsel?“

„Ja. Unsere Väter sandten ihre Kriegsgefangenen nach derselben, damit sie dort entweder verhungern mußten oder von den Krokodilen verschlungen wurden.“

„Nun, dorthin führe ich noch vor Abend die zwanzig Männer.“

„Sie werden nicht folgen.“

„Sie werden gern mitgehen. Ich werde schon einen Grund finden, ihnen Appetit nach der Insel zu machen.“

„Aber wie kommen sie hinüber?“

„Es stehen ja Bäume verschiedener Stärke am Wasser. Da ist leicht ein Floß angefertigt.“

„Wollen Sie die Leute auf demselben hinüber schaffen?“

„Ja.“

„So müssen doch Sie wieder zurück, und da werden die Männer mitwollen.“

„Nein. Ich werde einen Grund finden, allein herüber zu rudern. Dann sitzen sie drüben auf dem nackten Sande, rings von Wasser umgeben, welches von Krokodilen wimmelt. Sie können es nicht wagen, zurückzuschwimmen und müssen also verschmachten.“

„Sie werden die Krokodile erlegen!“

„Womit? Ihre Waffen werde ich ihnen schon ablocken. Und mit irgend einer religiösen und frommen Finte bringe ich sie schon nach der Insel.“

„Dann werden sie gehorchen; ich glaube es. Ich hole indessen die Aripones herbei, und dann teilen wir.“

„Ja, dann teilen wir, und ich reite weiter. Also nun kennst du meine Bedingungen; ich halte sie fest und gehe auf keine anderen ein. Jetzt beeile dich, daß du zu deinen Leuten kommst!“

„Ich gehe, Sennor. Vorher aber muß ich Sie bitten, sehr vorsichtig zu sein. Stellen Sie Wachen aus, denn es ist möglich, daß heute noch andere Weiße kommen.“

„Ah! Wirklich?“

„Ja. Sie wollen auch nach den Ansiedelungen hier und den Sendador suchen.“

„Diablo! Mich? Täuschest du dich nicht?“

„Nein, denn der Deutsche hat es mir selbst gesagt.“

„Welcher Deutsche?“

„Der schon zwei Majors gefangen genommen hat und auch Lopez Jordan entkommen ist. Er hat es so weit gebracht, daß wir vierhundert Feinde besiegten und gefangen nahmen.“

„So ist er ein Teufelskerl!“

„Ja, das ist er. Alle, die bei ihm sind, sagen, daß er alles mögliche zustande bringe, daß er alles wisse und alles könne.“

„So ist dieser Kerl ein wahres Unikum! Und was will er von mir?“

„Sie sollen ihm den Weg zeigen, aber wohin, das weiß ich nicht.“

„Aus deinen Reden zu schließen, ist er nicht allein?“

„Nein. Es sind noch andere bei ihm, ein amerikanischer Seekapitän mit seinem Steuermanne, der Bruder Jaguar – –“

„Jaguar? Alle Teufel! Das ist mir freilich nicht sehr willkommen. Was mögen denn diese Menschen bei mir wollen?“

„Das werden sie Ihnen wohl sagen. Und ferner sind dabei sechs Yerbateros. Ihr Anführer wurde Sennor Monteso genannt.“

„Monteso? Ah! Ein guter Bekannter von mir! Was der mit – – – ah, sagtest du nicht, daß dieser Deutsche alles könne?“

„Ja, ich hörte es so.“

„Kann er spanisch sprechen?“

„Wie ein Spanier.“

„Haben sie nicht von Peru gesprochen? Oder von Kipus? Von der Inkasprache?“

„Nein.“

„Auch nicht von Papieren, von Plänen, von verborgenen Schätzen?“

„Nein.“

„Vortrefflich, ganz vortrefflich! Sie sind sehr verschwiegen dabei. Weißt du nicht wenigstens, ob dieser Deutsche indianisch spricht?“

„Ich hörte, er sei jahrelang bei den Indianern gewesen.“

„So stimmt es; so stimmt es. Jetzt weiß ich, weshalb sie zu mir wollen. Aber warum suchen sie mich hier? Sie konnten doch nicht wissen, daß ich jetzt hier bin?“

„Sie wollten über Goya nach dem Gran Chaco; aber ich hörte in Palmar, daß Sie jetzt hier seien, und sagte es ihnen.“

„So ist es, so! – Wann kommen sie?“

„Kurze Zeit nach mir. Sie werden nur wenige Stunden nach mir abgeritten sein und sich außerordentlich beeilt haben. Gomarra, mein Vetter, führt sie.“

„Auch einer von den Aripones?“

„Nein; er ist andern Stammes; aber seine Mutter war eine Schwester meiner Mutter.“

„Warum bist du nicht geblieben, bis sie mit dir ritten?“

„Ich wollte es; aber dann hätten wir auf die Beute verzichten müssen, weil der Deutsche die Weißen vor den Aripones warnen will.“

„Teufel! Das soll er bleiben lassen!“

„Darum wollte er so schnell aufbrechen, und dann wird er seine Pferde angestrengt haben, und darum bin ich schleunigst noch vor ihm fortgeritten. Wir haben unsere Pferde fast totgejagt.“

„Das ist recht! Also er glaubt, daß die Weißen von den Aripones überfallen werden sollen?“-

„Ja.“

„Er weiß aber doch nicht etwa, daß ich es mit euch halte?“

„O nein. Er will eben kommen, um sie zu warnen.“

„Ah so! Das mag er immerhin thun, wenn er nur nicht zu zeitig kommt.“

„Gerade das befürchte ich. Er kann in jedem Augenblick hier eintreffen.“

„Verflucht! Eigentlich könnte ihn der Teufel holen; aber da ich ihn sehr notwendig brauche, so mag er ihn noch leben lassen. Also er kann in jedem Augenblicke hier sein? Hm! Und ich soll bis des Nachts oder noch länger auf euch warten? Das geht nicht. Ist der Mann da, so ist nichts mehr zu thun. Ich muß also handeln, noch ehe er kommt. Ja, wenn man wüßte, ob er gleich hier diese Stelle findet. Es sind mehrere Ansiedelungen hier. Vielleicht sucht er uns von einer zur andern.“

„Gewiß nicht, Sennor. Ich habe ja auch nicht nötig gehabt, zu suchen. Ihre Wagenspuren sind so deutlich, daß sie selbst ein Blinder mit dem Fuße entdecken würde.“

„Das ist wahr. Er findet die Spur und kommt dann direkt hierher. Lasse ich es soweit kommen, so ist alles verloren. Aber da kommt mir ein Gedanke. Will er weiter als bis hierher zu den 4nsiedelungen?“

„Nein. Er will hierher, um Sie zu finden.“

„Gut. So locke ich die Männer auf die Krokodileninsel, und dann fahren wir weiter nach einem Orte, an welchem ich mit euch zusammentreffe und euch den Raub samt den Weibern und Kindern übergebe. Dann kehre ich nach hier zurück und warte auf den Deutschen. Kommt er, so sage ich ihm, daß die Karawane mich abgelohnt habe und weitergefahren sei.“

„Wird er es glauben?“

„Ganz gewiß. Ich werde ihm die Sache derart darstellen, daß er keinen Zweifel haben kann.“

„Aber dann leben doch die zwanzig Männer auf der Krokodileninsel noch!“

„Was schadet das?“

„Sie können ihnen ihr Geld doch erst dann abnehmen, wenn sie tot sind!“

„Ich werde ihnen etwas weißmachen, daß sie gar nichts Wertvolles einstecken. Sie mögen dann, wenn wir fort sind, sehen, wie sie allein in den Himmel kommen oder in die Hölle fahren.“

„Gut, Sennor. Aber ich muß den Ort wissen, an welchen Sie die Frauen bringen wollen.“

„Schön! Du behauptest, hier bekannt zu sein. Kennst du das Kreuz im Walde?“

„Welches? Die früheren Ansiedler haben mehrere Kreuze errichtet.“

„Ich meine das Riesenkreuz, welches man nur unter dem Namen Nuestro Sennor Jesu-Cristo de la floresta virgen kennt.“

„Den Herrn Jesus Christus im Urwalde? ja, dieses Kreuz kenne ich.“

„Nun wohl. Richte dich so ein, daß ihr um Mitternacht dort seid. Wir werden um diese Zeit mit den Wagen dort ankommen. Ihr fallt über uns her, zum Scheine auch über mich, und es gelingt mir, zu entkommen. Ich kann ja dann auch dem Deutschen erzählen, daß der Wagenzug von euch überfallen worden sei.“

„Ja, dann wird er die Männer nicht auf der Insel, sondern bei uns suchen.“

„Was die Insel betrifft, so kennt er sie nicht, wird also nicht nach derselben fragen und nie über sie etwas hören. Also hast du alles verstanden, Gomez?“

„Ja.“

„So brich auf, und reite weiter, damit du die Aripones zur rechten Zeit finden und zur Stelle bringen kannst!“ –

„Das war das Gespräch, welches ich belauschte.“ fuhr Pena fort. „Der Indianer verschwand mit seiner Mutter. Der Sendador aber blieb noch eine Weile sitzen, in tiefes Nachdenken versunken. Dann stand auch er auf und entfernte sich langsam von der Stelle, an welcher er gesessen hatte.“

Wir alle hatten natürlich mit größter Aufmerksamkeit zugehört. Keiner aber war so gespannt gewesen, wie Monteso, der Yerbatero. Er besaß ein außerordentliches Vertrauen zu dem Sendador, dessen Freund er sich nannte. Was er jetzt hörte, kam wie ein Donnerschlag über ihn. Darum war es kein Wunder, daß er jetzt sein Pferd an dasjenige des Erzählers drängte und diesen fragte:

„Sennor, behauptet Ihr etwa, was Ihr erzählt habt, sei wahr?“

„Das behaupte ich allerdings.“

„Und wenn ich es nun nicht glaube?“

„So werde ich nicht vor Trauer sterben. Nur bitte ich, mir nicht etwa direkt zu sagen, daß es nicht wahr sei. Glauben könnt Ihr alles, was Ihr wollt; aber eine Beleidigung würde ich sofort mit einer Kugel beantworten!“

„Na, bitte Sennor! Man wird doch wohl seine Meinung sagen dürfen!“

„Nein. Man kann seine Meinung sehr wohl für sich haben; aber es ist keineswegs geraten, sie andern aufzudrängen. Ich habe erzählt, was ich gesehen und gehört habe: Wenn Sie es nicht glauben, so behalten Sie das für sich; bezeichnen Sie mich aber als einen Lügner, so fahren Sie in die Luft!“

„Verzeihung, Sennor! Der Sendador ist einer meiner besten Freunde. Es ist mir fast unmöglich, so etwas von ihm zu denken.“

„Wenn Sie ihn Ihren Freund nennen, so sind Sie nur zu bedauern. Mehr kann und will ich nicht sagen. Die Folge wird ja zeigen, daß er Ihrer Freundschaft nicht wert ist. Der Beweis wird sehr bald vor Ihnen liegen, denn hoffentlich sind die Sennores mit mir einverstanden, daß wir den schändlichen Plan dieses Menschen zunichte machen?“

„Natürlich, natürlich!“ rief es rundum.

Und ich erkundigte mich:

„Was thaten Sie, als der Sendador sich entfernt hatte?“

Der Gefragte antwortete:

„Mein erster Gedanke war natürlich, alles zu thun, den schrecklichen Anschlag zu verhindern. Aber wie das anfangen?“

„Nichts leichter als das. Was Sie vorzunehmen hatten, das lag ja klar auf der Hand.“

„Nicht so klar, wie Sie zu denken scheinen, Sennor. Ich bin kein unerfahrener Mann und pflege mir alles, was ich zu thun habe, vorher genau zu überlegen. Ich glaube, Sie meinen, daß ich die Mitglieder der Expedition hätte warnen sollen?“

„Natürlich ist das meine Meinung. Es war das nächste und kürzeste, was Sie vornehmen konnten.“

„Die Leute hätten mir keinen Glauben geschenkt. Ich war ihnen unbekannt. Der Sendador aber war ihnen empfohlen worden als ein ehrlicher und zuverlässiger Führer. Auch nehme ich an, daß er bisher sein möglichstes gethan hatte, sich ihr Vertrauen zu erwerben. Wäre ich nun als Unbekannter gegen ihn aufgetreten, so hätte er natürlich alles abgeleugnet und sich dadurch verteidigt, daß er mich als einen Feind hinstellte, welcher ihn in Schaden bringen wolle.“

„Ich kann Ihnen nicht Unrecht geben. Sie mußten vor allen Dingen sich selbst zu erhalten suchen, um die Bedrohten beschützen zu können.“

„Ganz richtig! Darum trat ich weder öffentlich noch heimlich gegen ihn auf. Ich mußte Leute haben, welche mir dabei halfen. Er hatte von Ihnen gesprochen. Der Indianer erzählte von dem Deutschen, welcher mit seinen Begleitern wohl schon nahe sein könne. Darum hielt ich es für das allerbeste, Ihnen entgegen zu reiten, um Sie um Ihre Hilfe zu bitten.“

„Natürlich stellen wir uns Ihnen sofort und vollständig zur Verfügung. Hoffentlich kommen wir noch zur rechten Zeit, die Bedrohten zu retten?“

„Ich denke es. Nur dürfen wir nicht säumen. Die Männer sollen auf die Insel gelockt werden. Das ist vielleicht schon geschehen. Da sie aber nicht getötet werden sollen, so steht zu erwarten, daß wir sie befreien werden. Dann wird es uns wohl auch gelingen, die übrigen zu finden und ihnen Hilfe zu bringen.“

„Wollen wünschen, daß uns dies gelinge. Ist Ihnen die Lage der Insel und der Ort, welchen Sie Nuestro Sennor Jesu-Cristo de la floresta virgen nennen, bekannt?“

„Nein. Doch steht zu erwarten, daß wir Spuren finden, welche uns dorthin führen.“

„Spuren wird es jedenfalls geben; aber es dürfte dann bereits zu dunkel sein, um sie sehen und ihnen folgen zu können.“

Da meinte Antonio Gomarra.

„Die Insel weiß ich auch nicht, aber das Kreuz kenne ich genau. Wie es scheint, haben die Leute an der früheren Ansiedelung Pozo de Sixto gehalten; wenigstens führen die Wagenspuren dorthin. Ich kenne den Weg, welcher von diesem Platze nach dem Kreuze führt.“

„Das ist sehr gut. Wir wollen uns beeilen, um das Tageslicht so viel wie möglich ausnutzen zu können.“

Wir ließen die Pferde fühlen, daß wir Eile hatten, und sie griffen so wacker aus, daß wir wie vom Sturme getragen über den Camp flogen. Jeder hatte das Bewußtsein, vor einem Ereignisse zu stehen, welches gefahrvoll war. In solcher Lage fällt der Mensch in Schweigsamkeit, und so sprach keiner von uns ein Wort, bis Sennor Pena die Hand erhob und, vor sich hindeutend, sagte:

„Sehen Sie dort die Baumgruppen? Da liegt die vereinsamte Niederlassung. Wir werden gleich an Ort und Stelle sein.“

Wir waren den Wagenspuren gefolgt und gelangten nun an den Ort, wo die Leute gehalten hatten. Wir sahen die Spuren zerfallener Bauwerke, welche die Zeit in einen dichten Überzug von Schlingpflanzen gehüllt hatte. Dicht belaubte Bäume neigten ihre Wipfel darüber. Zur Seite erblickten wir die Spuren einiger Felder, welche aber so verwildert waren, daß ein scharfes Auge dazu gehörte, zu erkennen, daß hier einst der Spaten in Gebrauch gewesen sei. Der Ort hatte und machte den Eindruck tiefster Verlassenheit. Auch von den Leuten, welche hier gewesen waren und die wir suchten, war keiner zu sehen.

Wir bemerkten, daß die Ochsen ausgespannt worden waren, um zu grasen; aber der Aufenthalt war kein langer gewesen. Man hatte Pozo de Sixto bald wieder verlassen, und zwar nach verschiedenen Richtungen, wie die Fährten deutlich erkennen ließen. Eine derselben führte nach rechts, nach Norden. Man sah deutlich, daß man nicht geritten, sondern gegangen war. Die zweite Fährte führte in der bisherigen Richtung weiter. Sie schlug einen Bogen um die verlassene Ansiedelung und ging dann genau westwärts fort.

Als ich sie untersuchte, erkannte ich, daß sie von den Ochsenkarren stammte, an welche man die ledigen Reitpferde hinten angebunden hatte. Die Führer der Wagen waren nebenher gegangen. Da sonst keine Fußabdrücke zu sehen waren, so mußten wir annehmen, daß die Frauen und Kinder sich in den Wagen befunden hatten.

„Hier hat der Sendador die Unglücklichen nach dem Kreuze geführt,“ sagte Pena. „Wie groß mag der Vorsprung sein, welchen er hat?“

„Nur eine halbe Stunde,“ antwortete ich, „wie ich aus den Fährten der Treiber sehe. Das von ihnen niedergetretene Gras liegt noch tief gesenkt. Wäre es vor länger als einer halben Stunde niedergedrückt worden, so hätten sich die elastischen Halme bereits wieder erhoben. Betrachten wir nun auch die andere Fährte!“

Diese bestand, wie bereits erwähnt, nur aus Fußspuren. Sie ging wie ein dunkler Strich durch die Grasfläche, aber nur hier oder da war ein einzelner Fußstapfen noch zu unterscheiden. Diese Fährte war wenigstens drei Stunden alt. An einer Stelle trennten sich die Stapfen eines Fußgängers von den andern, um sich bald darauf wieder mit denselben zu vereinigen. Meine Gefährten beachteten das nicht, und als ich mich niederbückte, um die Eindrücke sorgfältig zu betrachten, meinte Kapitän Turnerstick:

„Warum schaut Ihr so neugierig in das Gras, Sir? Es ist einer von den Männern da gegangen; weiter nichts.“

„Die Sprache des Grases ist eine sichtbare und nicht eine hörbare. Seht Euch doch einmal die Hauptfährte an, Kapt’n! Das Gras ist wieder aufgestanden, aber die Spitzen der Halme hängen noch nieder. Nach welcher Richtung wohl!?“

„Von uns ab, gegen Norden.“

„Warum das?“

„Weil die Leute nach Norden gegangen sind. Man tritt ja das Gras nach derjenigen Richtung nieder, in welcher man sich bewegt.“

„Betrachtet Euch nun einmal die Spur dieses einzelnen Fußgängers! Die Spitzen der Halme hängen auch. Nicht wahr?“

„Ja.“

„Aber weit tiefer als die andern. Was folgt daraus?“

„Weiter nichts, als daß sie sich noch nicht ganz aufgerichtet haben.“

„Sehr scharfsinnig! Aber meines Erachtens folgt daraus, daß diese einzelne Spur jünger ist als die Gesamtfährte. Der Betreffende ist weit später hier gegangen, als die andern.“

„Ich denke, sie sind alle beisammen gewesen!“

„Auf dem Hinwege, ja; aber auf dem Rückwege war er allein. Sagt mir doch einmal, nach welcher Richtung sich hier die Grashalme neigen!“

Turnerstick betrachtete. die Spur genauer als bisher und antwortete dann:

„Nach uns zu, nach Süd.“

„Wie also ist dieser Mann gegangen?“

„Her zu, gegen uns.“

„Die andern aber gingen von uns ab. Wir haben es also mit der Fährte des Sendador zu thun, welcher allein zurückkehrte. Das ist für mich der Beweis, daß ihm sein Vorhaben gelungen ist. Er hat die Männer nach der Insel geführt und sie dort verlassen. Wer weiß, in welcher Lage sie sich befinden.“

Der Kapitän schüttelte den Kopf. Der Bruder aber meinte:

„Tot sind sie nicht; aber es droht ihnen große Gefahr. Sie müssen auf der Insel elend umkommen, wenn niemand kommt, sie zu befreien. Denn, wollen sie den einzig möglichen Fluchtweg einschlagen, nämlich an das Ufer schwimmen, so werden sie von den Bestien zerrissen. Das ist die Lage, in welcher sich die von uns gesuchten Männer befinden werden. Der Sendador hat sie dorthin gelockt.“

„Hm!“ brummte der brave Yerbatero kopfschüttelnd. „Ich habe noch keine rechte Lust, an die Sache zu glauben. Der Sendador ist mein Freund, wie Sie ja wissen, Sennor!“

„Er hat Sie getäuscht.“

„Nie. Gegen mich ist er stets ehrlich gewesen.“

„Das schließt aber nicht aus, daß er gegen andere unehrlich ist.“

„Nun, jedermann ist wohl mehr auf seinen eigenen als auf anderer Vorteil bedacht; aber hier handelt es sich ja um ein wirkliches Verbrechen.“

„Und zwar um ein sehr großes!“

„Und darum nehme ich an, daß wir uns alle irren.“

„Und ich glaube dem, was Sennor Pena uns erzählt hat. Streiten wir uns nicht. Wir werden in kurzer Zeit erfahren, wer recht hat.“

Wir hatten indessen nicht etwa die kostbare Zeit versäumt. Wir waren nicht halten geblieben, sondern im Galoppe der Spur gefolgt. Es war anzunehmen, daß die Krokodileninsel nicht allzuweit entfernt sei; denn die Leute eine große Strecke fortzulocken, das wäre dem Sendador wohl nicht so leicht gelungen. Es war auch kaum eine Viertelstunde vergangen, so erblickten wir vor uns einen Strich, welcher sich dunkel gegen den hellen Horizont abhob. Als wir näher kamen, sahen wir, daß dieser Strich aus dichtem Gebüsch bestand, über welchem sich die Wipfel einiger Bäume erhoben. Zugleich wurde das Gras saftiger; ein Zeichen, daß Wasser, und zwar nicht wenig Wasser in der Nähe sei.

Als wir das Gebüsch an einer Stelle erreichten, wo die Fährte durch eine Öffnung führte, sahen wir, daß die Laubsträucher einen breiten Gürtel hoher Bambus einschlossen, hinter welchem wir das vermutete Wasser erblickten.

Ob dieses letztere eine selbständige Lagune sei oder mit einem Flusse, vielleicht dem Rio Salado in Verbindung stehe, das war zunächst nicht zu unterscheiden. Tief schien es nicht zu sein; das bewiesen die zahlreichen Krokodile, welche in weiter Entfernung vom Ufer im Schlamme lagen und deren Mäuler dabei aus dem Wasser ragten. Die Tiere hatten die zahlreichen seichten Stellen eingenommen, zwischen denen sich tiefere, schmale oder breite Rinnen hinzogen. Die häßlichen Kreaturen mußten sich sehr lange Zeit ungestört vermehrt haben dürfen, denn es war nicht schwer, auf einem gar nicht weiten Umfang ihrer hundert und noch mehr zu zählen. Uns gerade gegenüber, aber so weit entfernt, daß es nur für ein scharfes Auge zu erkennen war, lag ein flaches, vollständig baum- und strauchloses Land, wohl die Insel, auf welche wir es abgesehen hatten.

Für unsere Zwecke hoch willkommen, befand sich ein aus Schilf und Bambus zusammengesetztes Floß am Ufer. Man sah es demselben an, daß es erst vor ganz kurzer Zeit gefertigt worden war. Auch bemerkten wir die Stellen, an welchen die Bambusse und Schilfhalme abgeschnitten oder abgebrochen worden waren. Vier oder fünf lange Bambusstangen, welche auf dem Flosse lagen, zeigten die Art und Weise, in welcher das letztere bewegt worden war.

Ich zog mein Fernrohr und schaute nach dem drüben im Wasser liegenden flachen Land. Ja, es war eine Insel, und ganz deutlich unterschied ich Männergestalten, welche sich auf derselben bewegten.

„Ist’s die Insel? Was sahen Sie?“ fragte der Bruder.

„Sie ist es, und ich sehe auf derselben die Leute gehen, welche wir suchen.“

„Gott sei Dank! So kommen wir also nicht zu spät. Hier liegt das Floß. Sie hatten recht, Sennor, als Sie vorhin vermuteten, daß man ein solches gebaut haben werde. Es ist alles, alles genau so, wie Sie sagten. Steigen wir schnell ab, um die Ärmsten zu erlösen!“

Er schwang sich vom Pferde und eilte nach dem Flosse. Die andern thaten dasselbe.

„Halt, Sennores!“ rief ich ihnen zu. „Wir müssen erst für die Pferde sorgen. Am besten ist es, wir führen sie hinaus auf den Camp und pflocken sie da an. Da mögen sie grasen.“

Der Vorschlag wurde ausgeführt. Sodann kehrten wir zum Flosse zurück. Es war nicht angebunden, sondern so weit an das flache Ufer gestoßen, daß es fest sitzen geblieben war. Die einzelnen Teile desselben hatte man durch Schlingpflanzen zu einem ziemlich festen Ganzen vereinigt.

Kaum hatten wir es betreten, so schossen zahlreiche Krokodile herbei. Es waren ihrer so viele, daß sie einander berührten, und in dieser Menge boten sie einen Anblick, welcher gar nicht zu beschreiben ist.

„All devils!“ rief Turnerstick. „Jetzt begreife ich erst die Gefahr, in welcher sich die armen Menschen befinden. Bei einer solchen Schar von Bestien käme keiner von ihnen an das Land zurück. Wollen die Kreaturen etwas fern von uns halten.“

Er griff nach seinem Gewehre.

„Aber nur in die Augen, Sir!“ sagte ich ihm.

„Well! Weiß schon. Durch die Hochzeitsfracks dieser saubern Herrschaften geht ja keine Kugel.“

Die Alligatoren schlossen uns förmlich den Weg. Sie drängten sich bis auf nur wenige Ellen an das Floß heran; ihre Rachen klappten auf und zu, und die kleinen tückischen Augen waren gierig auf uns gerichtet.

Wir konnten nicht vorwärts. Wir mußten uns mit unsern Kugeln Bahn brechen. Die ersten Schüsse fruchteten wenig, und erst als wir wohl gegen zwanzig der Ungeheuer erlegt hatten, erhielten wir dadurch Luft, daß die andern über dieselben herfielen und sie in tieferes Wasser zerrten, um sie zu zerreißen und zu verzehren. Es war eine wirklich scheußliche Szene.

„Ich begreife nicht, wie es den Männern, falls sie unbewaffnet waren, gelingen konnte, von hier nach der Insel zu kommen!“ sagte der Bruder.

„Es läßt sich erklären,“ antwortete ich. „Die Tiere waren zerstreut und haben sich erst dann hier zusammengefunden, als sie durch die Hin- und Rückfahrt des Flosses darauf aufmerksam wurden, daß es hier vielleicht Beute gebe. Auch glaube ich, daß man sie mit den Bambusstangen von sich abwehren kann. Ein tüchtiger Hieb oder Stoß, zumal in das Auge, wird selbst von so einem Tiere gefühlt.“

jetzt, da der Weg nun leidlich frei war, griffen wir zu den erwähnten Stangen und stakten uns vom Ufer fort. Wir mußten die tieferen Stellen des Wassers benutzen, doch betrug die Tiefe derselben nicht mehr als höchstens vier oder fünf Ellen. Sobald das Floß in Bewegung war, getraute sich keins der Krokodile mehr in die Nähe desselben; desto ausdauernder aber kamen sie hinterdrein geschwommen. Gefahr gab es nicht, aber unleidlich war der Gestank, welcher von diesen Sauriern ausging.

Mir war es ein Rätsel, wovon die Tiere lebten. Hatte es früher Fische und andre Tiere im Wasser gegeben, so mußten dieselben von den Krokodilen doch längst ausgerottet worden sein. Die Bestien lebten vielleicht nur von den schwächeren Individuen ihrer eigenen Sippe.

Da fünf Stangen in kräftiger Bewegung waren, so näherten wir uns der Insel so schnell, daß wir die darauf befindlichen Personen bald mit bloßen Augen erkennen konnten. Auch sie sahen uns. Sie standen am Ufer. Aber anstatt uns zuzurufen, verhielten sie sich still. Sie wußten nicht, ob wir in freundlicher oder feindlicher Absicht kamen. Als wir uns nahe genug befanden, sah ich, daß jeder von ihnen ein Messer in der Hand hatte. Ihre Mienen waren entschlossen. Man sah es den Leuten an, daß sie bereit waren, sich nötigenfalls in einen Kampf mit uns einzulassen.

„Halt!“ rief uns einer in spanischer Sprache entgegen. „Kommt nicht näher heran! Wir müssen wissen, was ihr wollt. Wer seid ihr?“

Ich wollte antworten, aber vor mir ertönte des Fraters Stimme:

„Seit wann mißtrauen Sie mir, Sennor Harrico? Glauben Sie, in mir einen Feind sehen zu müssen?“

Der Bruder kannte zufälligerweise den Mann, welcher der bereits erwähnte Vertreter eines Bankiers in Buenos Ayres war. Auch dieser sah jetzt, wen er vor sich hatte. Er antwortete:

Bendito sea Dios! Der Bruder Jaguar! Wir sind gerettet! Sennores, diese Herren können nur in freundlicher Absicht zu uns kommen!“

Es wurde unsrer Landung nichts in den Weg gelegt. Wir legten an und zogen das Floß so weit an das Ufer, daß es nicht fortgeschwemmt werden konnte. Die Leute reichten uns mit Freudenrufen ihre Hände entgegen, und dann wurden wir durch den Bruder und Sennor Harrico einander in aller Eile vorgestellt.

Es genügt, nur zu erwähnen, daß sich zwei Nordamerikaner unter ihnen befanden, welche natürlich von Kapitän Turnerstick mit lebhaftester Freude begrüßt wurden.

„Aber, Sennor,“ fragte der Bruder seinen Bekannten aus Buenos Ayres, „wie sind Sie nur auf diese Insel gekommen?“

Um Nuestro Sennor Jesu-Cristo de la floresta virgen zu sehen.“

„Das ist ja nicht hier!“

„Leider ja. Wir wurden betrogen. Dieser Sendador ist ein ungeheurer Schurke. Und wir haben ihm ein solches Vertrauen geschenkt.“

„Er verdient es keinesfalls, wie ich beweisen kann!“

„Wir bedürfen Ihres Beweises gar nicht, denn er selbst hat es uns bewiesen. Aber was thun Sie in dieser Gegend?“

„Wir suchen Sie, um Sie zu retten.“

„Wo erfuhren Sie und durch wen, daß wir uns in Gefahr befanden?“

Bruder Hilario machte in aller Kürze die nötigen Mitteilungen. Die Männer und Väter gaben ihren Schrecken durch Ausrufe des Entsetzens zu erkennen. Der Bruder tröstete sie:

„Sie können ruhig sein, Sennores. Bis jetzt ist den Ihrigen nichts geschehen, und wir werden dafür sorgen, daß ihnen auch überhaupt nichts geschieht.“

„Aber der Überfall unsrer Frauen!“

„Soll erst heute um Mitternacht vor sich gehen. Bis dahin aber haben wir vollständig Zeit, ihn zu vereiteln.“

„So sei dem Himmel und Ihnen Dank. Wir werden ja Zeit finden, uns näher auszusprechen, aber sagen Sie zunächst, wo sich der Sendador befindet.“

„Bei der Karawane.“

„Also bei der alten Niederlassung?“

„Nein. Sie sind fort nach eben dem heiligen Bilde, dessen Namen Sie vorhin nannten.“

„Ohne uns? – So befinden sich die Hilflosen in seiner Hand?“

„Einstweilen, ja. Aber ich gebe Ihnen die Versicherung, daß ihnen nichts geschehen wird. Jetzt ist es für uns die Hauptsache, zu erfahren, womit es ihm gelungen ist, Sie hierher zu locken.“

„Durch eine Lüge.“

„Natürlich. Aber durch welche?“

„Er sagte, daß wir hier das Kreuz unsers Sennor Jesu-Cristo finden würden.“

„Und nur aus diesem Grunde folgten Sie ihm? Welche Unvorsichtigkeit!“

„Er beschrieb uns dieses Kreuz in einer Weise, welche alle unsre Wißbegierde rege machte. Er sagte, ein Inka sei einst auf einem Kriegszuge hierhergekommen. Er sei ein Christ gewesen und hier von den Indianern überfallen worden. Er rettete sich mit einem Häuflein seiner Getreuen nach der Insel, wo sich die Tapfern bis auf den letzten Mann verteidigten. Wie sie fielen, So liegen sie noch heute, so neben und aneinander gelegt, daß sie ein Kreuz bilden, eben das Kreuz unsers Sennor Jesu-Cristo de la floresta virgen.“

„Wunderbar, das zu glauben!“

„Warum sollten wir es bezweifeln?“

„Weil die Indianer Heiden waren. Sie hätten die christlichen Leichen nicht zu der heiligen Figur zusammengelegt.“

„O, der Inka starb zuletzt und bekehrte sie vor seinem Tode.“

„Ah so! Während er sich gegen sie verteidigte, fand er Zeit, sie zu bekehren?“

„Ja. Und die Bekehrung war eine so tiefe und wunderbare, daß die Heiden selbst die Schätze, die goldenen Rüstungen, welche die Inkas trugen, nicht anzurühren wagten.“

„Eine solche Bekehrung wäre freilich anzustaunen.“

„Der Sendador erzählte es, und wir glaubten es. Es sind ja noch ganz andre Dinge geschehen. Die Leichen, das heißt die Gerippe liegen noch heute hier auf der Insel, ein Kreuz bildend und mit allem ihrem Geschmeide angethan.“

„Ich verstehe. Diese Fabel hat der Sendador sich gar nicht übel zurecht gelegt. Die Geschichte von dem Leichenkreuze und den Schätzen ersann er, um Sie nach der Insel zu locken. Die Messer durften Sie mitnehmen, weil diese notwendig waren, um Schilf und Bambus zu einem Floße zu schneiden. Andre Waffen aber waren verboten, denn wenn Sie Ihre Gewehre bei sich hätten, so wäre es Ihnen möglich gewesen, eine solche Menge von Krokodilen zu erlegen und zu verscheuchen, daß Sie ohne Schaden wieder an das Ufer hätten gelangen können. Haben Sie das alles denn wirklich geglaubt?“

„Ja.“

„Und es ist Ihnen gar kein Zweifel gekommen?“

„Nicht eher, als bis er uns verließ.“

„Haben Sie sich alle auf einmal auf dem Floße befunden?“

„Ja. Wir hatten Platz genug.“

„Wurden Sie nicht von den Krokodilen belästigt?“

„Nein. Diese Tiere richteten ihre Aufmerksamkeit erst später auf das Floß.“

„Sie stiegen alle an das Land?“

„Alle, nur der Sendador nicht. Als wir ihn fragten, warum er auf dem Floße bleibe, antwortete er uns höhnisch, daß er uns das Vergnügen gönne, uns allein in die Kostbarkeiten zu teilen.“

„Und Sie hielten ihn nicht zurück?“

„Wir konnten nicht, denn er war schon wieder abgestoßen; die Krokodile kamen herbei, und wir hatten die Stangen auf dem Floße gelassen. Erst die Worte, welche er uns dann noch aus der sichern Ferne zurief, daß er unsere Frauen mit den Indianern verheiraten und die schönsten unserer Töchter für sich selbst behalten werde, während uns hier die Krokodile auffressen würden, enthüllten seine Absicht. Wir wollten nur schwer an unsere Lage glauben. Vielleicht hatte der Sendador nur gescherzt. Wir durchsuchten die Insel nach den Inkas.“

„Natürlich fanden Sie nicht die geringste Spur von ihnen!“

„Nichts, gar nichts fanden wir. Da waren wir denn doch Überzeugt, daß es auf unseren Untergang abgesehen sei. Von da an saßen wir beisammen und berieten uns. Aber keinem kam ein guter Gedanke. Darum sind wir alle voller Dank gegen Sie und Ihre Freunde. Hoffentlich findet sich eine Gelegenheit, Ihnen diesen Dank abzutragen.“

„Denken Sie nicht daran! Suchen wir vor allen Dingen, von dieser unglückseligen Insel fortzukommen.“

„Wird das Floß uns alle tragen?“

„Probieren wir es wenigstens.“

Die Probe erwies, daß wir es wagen konnten. Die zwanzig Unbewaffneten mußten sich lang nebeneinander legen, damit das Gleichgewicht des Floßes nicht gestört wurde. Fünf griffen zu den Staken, und wir andern knieten am Rande, um die etwa sich zu weit heranwagenden Krokodile zu erschießen. Da das Floß jetzt schwerer beladen war als vorher, ging es tiefer als auf der Herüberfahrt, aber es ragte doch so weit aus dem Wasser empor, daß wir nicht naß wurden.

Nachdem wir wieder einige der Alligators erlegt hatten, bemerkten die übrigen, daß es für sie gefährlich sei, in unsere Nähe zu kommen. Sie zogen infolgedessen in solcher Entfernung hinter uns her, daß wir sie nicht zu fürchten brauchten. Wir gelangten glücklich an das Ufer zurück, wo unsere erste Sorge war, nach unseren Pferden zu sehen. Es war gar nicht mein Gebrauch, mein Pferd in dieser Weise wie heute zu verlassen. Ich mußte es als eine Unvorsichtigkeit bezeichnen, daß nicht wenigstens einer von uns als Wächter zurückgeblieben war. Wie leicht konnten sich Indianer in der Nähe befinden und unsere Tiere davontreiben. In diesem Falle wäre es uns wohl nicht möglich gewesen, unser Vorhaben auszuführen. Glücklicherweise zeigte sich, daß meine Besorgnis überflüssig gewesen war.

Nun die zwanzig Männer sich wieder in Sicherheit befanden und keine Sorge mehr um sich zu haben brauchten, konnten wir beraten, was zu geschehen habe. Die Männer und Väter der bedrohten Frauen und Kinder drängten freilich zum schnellsten Handeln; aber ich riet von jeder Überstürzung ab. Eine Viertelstunde ruhiger Überlegung bringt später Stunden und wohl gar Tage ein, wie ich oft erfahren hatte.

Natürlich war es unsere Absicht, der Wagenkarawane nachzueilen. Holten wir sie noch vor der Zeit des geplanten Überfalles ein, so hatten wir es nur mit dem Sendador zu thun. Zwar war er nicht der einzige Mann, denn die Fuhrknechte befanden sich dabei; aber Harrico versicherte, daß sie treue Leute seien, welche sicher nicht mit ihm unter derselben Decke spielten. Sie brauchten wir also gar nicht zu scheuen.

Wir brachen auf. Ich war dagegen, daß sich je zwei Mann auf ein Pferd setzen sollten, da dadurch die Tiere zu schnell ermüdet würden. Da für dreißig Männer nur zehn Pferde vorhanden waren, so geschah es jedenfalls besser, wenn nur zehn ritten und desto häufiger abgewechselt wurde. Die andern waren einverstanden, und in dieser Weise wurde der Weg angetreten.

Er war zunächst kein beschwerlicher, denn er führte durch den ebenen, grasigen Camp, auf welchem sich nur hier und da einmal eine Buschinsel befand. Das Gras stand weder hoch, noch dicht, infolgedessen diejenigen, welche zu Fuße gehen mußten, nicht schnell ermüdeten, obgleich sie gezwungen waren, mit den schnell ausgreifenden Pferden gleichen Schritt zu halten.

Ich befand mich unter den Fußgängern, da ich meinen Braunen einem andern übergeben hatte. Sennor Pena hatte dasselbe gethan und sich dann zu mir gesellt, um mit mir über das bevorstehende Abenteuer zu sprechen. Als wir unsere Ansichten ausgetauscht hatten, kam die Rede auf unsere mexikanischen Erlebnisse. Bei dieser Gelegenheit brachte ich seine Nationalität zur Sprache, indem ich ihn fragte:

„Sennor, sind Sie von spanischer Abstammung?“

„Nein,“ antwortete er.

„Ich vermute allerdings, daß Sie ein Deutscher sind.“

„Sie vermuten nur? Das können Sie doch gewiß wissen.“

„Dazu würde ein Scharfsinn gehören, den ich vielleicht nicht besitze. Dennoch hegte ich die Ansicht, daß Sie ein Deutscher sind; aber ich konnte das eben nur vermuten, da Sie sich in Mexiko darüber ausschwiegen.“

„Das hatte damals einen guten Grund.“

„Darf ich erfahren, welchen?“

„Ja, denn heute kann ich darüber sprechen. Man kennt mich hier als eifrigen Chinarindensammler und Goldsucher. Ich ging nach Mexiko in der letzteren Eigenschaft, wollte das aber nicht wissen lassen. In meiner damaligen Gesellschaft befand sich einer, welcher mich zwar gar nicht persönlich, aber doch meinen Namen und auch sonstiges von mir kannte, da er längere Zeit hier im Süden gewesen war. Ich sah mich also gezwungen, meine deutsche Abstammung zu verleugnen und legte mir infolgedessen einen spanischen Namen bei.“

„Aber wenigstens gegen mich konnten Sie aufrichtig sein!“

„Nein. Sie waren zwar kein Goldsucher, und ich hatte Ihrerseits also keinen Konkurrenzneid zu befürchten, aber Sie konnten mich leicht durch ein unbewachtes Wort verraten.“

„Wenn Sie so außerordentlich vorsichtig verfuhren, so mußten die Gründe, welche Sie hatten, sehr zwingende sein.“

„Das waren sie allerdings.“

„Sie hatten wahrscheinlich einen glücklichen Fund im Auge?“

„Das hatte ich. Auf welche Weise ich zu der betreffenden Erfahrung gekommen war, das thut nichts zur Sache, kurz und gut, ich hatte mir eine Gegend beschreiben lassen, in welcher sehr wahrscheinlicherweise eine Goldgrube zu finden sein würde. Aus diesem Grunde ging ich nach Mexiko und schloß mich jenen Leuten an, welche auf ihrem Zuge durch die betreffende Gegend kommen mußten. Natürlich verheimlichte ich meine Absicht, sonst hätte ich die andern alle auf dem Halse behalten.“

„Und hatten Sie Erfolg?“

„Mehr als ich erwartete. Als wir durch die Gegend kamen, erkannte ich auf den ersten Blick aus der Formation derselben, daß meine Reise nicht vergeblich gewesen sei. Ich ritt noch eine Tagereise weiter mit und entfernte mich dann heimlich des Nachts, um zurückzukehren. Nach einem dreitägigen Suchen entdeckte ich die Ader, welche außerordentlich ergiebig sein mußte. Ich verbarg die Stelle mit Sand und Steingrus und ritt davon, um meine Entdeckung zu verkaufen.“

„Fanden Sie einen Käufer?“

„Sofort. Ich führte ihn in die Berge und zeigte ihm den Fund. Er war ein Kenner und ersah seinen Vorteil augenblicklich. Erst schlug er mir vor, die Goldgrube in Compagnie auszubeuten; da ich aber wieder nach den La Plata-Staaten wollte und auf diese Offerte also nicht eingehen konnte, kaufte er mir meine Entdeckung ab. Die Summe, welche ich erhalten habe, ist mehr als genügend, mir eine sorgenfreie Zukunft zu sichern.“

„So gratuliere ich Ihnen auf das herzlichste. Wie aber kamen Sie dazu, sich gerade Pena zu nennen?“

„Weil dieses Wort die Übersetzung meines deutschen Namens ist.“

„Also heißen Sie wohl Kummer?“

„Ja.“

„Nun, dann halte ich es für überflüssig, daß wir spanisch sprechen. Lassen Sie uns doch deutsch reden!“

„Mit dem größten Vergnügen. Ich hätte mich damals in Mexiko Ihnen gegenüber sehr gern der Muttersprache bedient, hielt dies aber, wie gesagt, für eine Unvorsichtigkeit.“

„Darf ich Sie fragen, aus welchem Teile Deutschlands Sie stammen?“

„Warum nicht? Ich bin ein Preuße.“

„Aus welcher Provinz?“

„Schlesien. Ich bin aus Breslau.“

Wir sprachen nun natürlich über unser gemeinsames Vaterland und kürzten so unsern Weg ab.

Mittlerweile hatten wir schon zweimal die Pferde gewechselt, und nun war es dunkel geworden. Das hinderte uns aber wenig, denn Pena war ein vortrefflicher Führer, und wenn er ja einmal in Zweifel gekommen wäre, so hätte Gomarra ihn mit Auskunft unterstützen können.

Der Weg war beiden freilich nicht bekannt; aber die Richtung wußten sie, und da sie die Eigenart der Gegend früher studiert hatten, so brauchten wir uns nicht zu fürchten, uns etwa zu verirren.

Nach und nach trat der Camp zurück, und das Buschwerk wurde häufiger. Auch Bäume gab es, aber sie standen so weit. auseinander, daß sie uns nur sehr wenig hinderlich waren. Die Gegend bestand aus einer vollständigen Ebene, so daß der Boden uns keinerlei Schwierigkeiten bot. Die einzigen Hindernisse waren die Lagunen, welche wir entweder umgehen oder an schmalen Stellen durchreiten mußten. Dazu standen die Sterne am Himmel, und für später war der Mond zu erwarten.

So ritten wir mehrere Stunden durch das abendliche Halbdunkel, bis wir auf eine breite Ausspülung des Erdbodens stießen, bei deren Anblick Pena in frohem Tone erklärte:

„Das ist der Weg zum Kreuze des Urwaldes. Ich habe mich also nicht geirrt.“

„Ein Weg?“ fragte ich. „Das hat eher das Aussehen eines Flußbettes.“

„Ist es auch. Wenn zur Regenzeit die Wasser vom Gebirge stürzen, so breiten sie sich weit über die Ebene aus. Es entstehen an tieferen Stellen Nebenarme des Flusses Salado, welche ihre Wasser an geeigneten Stellen dem Hauptarme wieder zuführen. An einem solchen Nebenarme befinden wir uns.“

„Aber können da Wagen fahren?“

„Gewiß. Dieses Flußbett bietet fast die einzige Gelegenheit, per Wagen nach dem Kreuze zu gelangen. Natürlich benutzen wir es jetzt auch.“

„Meinen Sie nicht, daß wir dabei auf den Sendador stoßen werden?“

„Nein, denn wir haben ihn überholt. Er befindet sich hinter uns.“

„Das wäre ja vortrefflich, denn wir würden noch vor ihm beim Kreuze ankommen. Wie weit haben wir bis dorthin?“

„In drei Viertelstunden sind wir dort.“

„Hm! Ich wollte, ich hätte die Gegend einmal gesehen, weil wir dort höchst wahrscheinlich gezwungen sein werden, zu kämpfen. In einem solchen Falle ist es stets vorteilhaft, die Gegend genau zu kennen.“

„Nun, ich kenne sie und kann sie Ihnen beschreiben. Meiner Ansicht nach hat vor alter Zeit ein Kloster dort gestanden, denn es sind noch Mauern vorhanden, und einst entdeckte ich sogar den Eingang zu einem Kellergewölbe.“

„Dann stammt dieser Bau freilich von den Weißen; denn die hiesigen Indianer bauen kein Gewölbe. Ist die Gegend ebenso eben wie hier? Hat sie Wald?“

„Es giebt dort einen Hügel, um dessen Fuß sich unser Flußbett schlingt. Seine Seiten sind mit Bäumen bewachsen, und auf dem Gipfel liegen die Ruinen des Bauwerkes, von welchem ich sprach. Auf dem höchsten Punkte, der hinab zum Flusse blickt, steht das Kreuz des Urwaldes.“

„Führt ein Weg, welcher von Wagen benutzt werden kann, auf den Hügel?“

„Nein – der Sendador wird mit seinen Karren unten am Hügel halten.“

„Und dort wird er von den Indianern erwartet. Es ist anzunehmen, daß sie sich nicht sofort sehen lassen werden. Sie werden sich verstecken.“

„Das denke ich auch. Sie werden den Überfall nicht eher unternehmen, als bis sie mit dem Sendador gesprochen haben.“

„Er wird sie also aufsuchen, um ihnen mitzuteilen, daß sein Anschlag gegen die Männer gelungen sei, und daß sie sich nun die Frauen und Kinder holen können. Ich denke, daß die Roten oben in dem Gemäuer stecken werden.“

„Auch ich bin so sehr davon überzeugt, daß ich glaube, darauf schwören zu können.“

„So dürfen wir nicht ganz bis an den Hügel reiten, weil man uns sonst bemerken würde. Vielleicht haben die Indianer sogar Posten ausgestellt.“

„Das glaube ich nicht. Sie haben keine Veranlassung dazu. Sie erwarten ja nur die Wagen mit den Weibern. Etwas anderes wäre es, wenn sie das Nahen einer bewaffneten Kriegerschar befürchten müßten. Ich glaube, daß sie in den Ruinen, vielleicht gar in dem Keller stecken und ganz ruhig warten, bis der Sendador kommt, um sie abzuholen.“

„Haben Sie damals das Kellergewölbe genau untersucht?“

„Natürlich. Man kann ja niemals wissen, in welcher Weise die Kenntnis eines solchen Ortes einem von Nutzen sein kann.“

„Ist es groß?“

„Wenn sie eng stehen, haben zweihundert Personen Platz.“

„Sind mehrere Ein- oder Ausgänge da?“

„Das war es, was ich vor allen Dingen suchte; aber ich habe trotz aller Mühe nur den einen Eingang gefunden. Es führten früher Stufen hinab, welche aber jetzt nur noch teilweise vorhanden sind. Der Eingang gleicht also nicht einer Treppe, sondern einem Stollen, welcher steil hinunter führt.“

„Ich wünschte, die Roten befänden sich da unten. In diesem Falle wäre es leicht, uns ihrer ohne alle Gefahr zu versichern, während im andern Falle ein Kampf nicht zu vermeiden ist. Und dieser würde wegen der Giftpfeile für uns höchst gefährlich sein. Jetzt läßt sich freilich gar nichts sagen; wir müssen sehen, wie wir die Sache finden.“

Das trockene Flußbett glich wirklich einer leidlich bequemen Straße, auf welcher wir uns wenig über eine Stunde aufwärts bewegten. Als Pena dann erklärte, daß der Hügel höchstens fünfhundert Schritte vor uns liege, hielten wir an. Die andern mußten sich unter die Bäume zurückziehen, um still auf uns zu warten, während ich mit Pena rekognoszieren ging. Wir gaben uns Mühe, kein Geräusch zu verursachen. Das fiel nicht schwer, da der Boden weder Steine noch Sand besaß. Wir hielten uns am Rande unter den Bäumen.

Die Nacht war still. Kein Laut war zu hören. Und doch war uns nicht wohl zu Mute. Ein Giftpfeil, aus einem Rohre geblasen, verursacht auch kein Geräusch und ist doch weit gefährlicher als eine Büchsenkugel. Ein solcher Pfeil konnte jeden Augenblick uns treffen, falls die Indianer Wachen ausgestellt hatten. Glücklicherweise war das nicht der Fall. Wir erreichten den Fuß des Hügels und huschten nun unter den Bäumen nach oben.

Das war freilich nicht allzu leicht. Es gab da allerlei Schlinggewächse, welche uns zum Kriechen zwangen, denn die gewaltsame Beseitigung derselben hätte Geräusch verursacht. Als wir endlich oben ankamen, bemerkte ich, so gut das Halbdunkel und die Bäume es erkennen ließen, daß die Spitze des Hügels eine ziemlich große Platte bildete. Eingefallenes Mauerwerk gab es gleich da, wo wir standen. Doch mußten wir sein Vorhandensein mehr erraten, als daß wir es sahen, denn es war dicht mit Pflanzen überrankt.

„Wo ist der Eingang in die Ruine?“ fragte ich Pena leise.

„Gleich rechts da in der Nähe.“

„Sind vielleicht verschiedene Höfe da?“

„Wahrscheinlich. Offen ist aber nur der vordere, während hinten alles einen wüsten, unzugänglichen Trümmerhaufen bildet.“

„Und gelangt man in den Keller aus diesem vorderen Hofe?“

„Ja.“

„So kommen Sie! Aber vorsichtig!“

Er ergriff meine Hand und zog mich weiter. Bald erreichten wir die Stelle, an welcher sich das große, breite Thor befunden hatte, wie leicht zu erkennen war. Es galt da, vorsichtig zu sein; denn wenn überhaupt Wachen ausgestellt waren, so stand hier ganz sicher eine. Aber die Roten schienen ihrer Sache sehr gewiß zu Sein, denn dieser Haupteingang war frei.

Als wir ihn passiert hatten, befanden wir uns auf einem rund von niedrigen Mauertrümmern eingefaßten Vierecke. Das war der Hof. Uns gerade gegenüber sah ich etwas wie den Schein eines verdeckten Lichtes. Zugleich drang uns ein brenzlicher Geruch entgegen.

„Dort geht es in den Keller hinab,“ sagte Pena. „Man hat da unten ein Feuer angemacht.“

„Das giebt Rauch. Da müssen die Männer ja ersticken!“

„O nein. Ich habe im Gewölbe zwei Löcher bemerkt, rechts und links hoch oben an den Seiten. Da kann der Rauch abziehen.“

„Sind diese Löcher etwa groß genug, daß ein Mensch hindurchkriechen kann?“

„O nein. Übrigens liegen die beiden Luftlöcher oben so frei, daß wir durch sie hinabblicken können.“

„Das ist sehr gut. Auf diese Weise können wir beobachten und die Feinde wohl auch zählen. Vorwärts jetzt!“

Wir schlichen uns nach dem Eingange. Auch da stand niemand. Ja, unten brannte ein kleines Feuer, und jetzt bemerkte ich den Duft bratenden Fleisches. Der Schein drang eine kleine Strecke in den Treppengang herein, und so sah ich, daß da allerlei Trümmer der früheren Stufen lagen, welche es uns unmöglich machten, uns lautlos hinabzuschleichen und einen Blick in das Gewölbe zu werfen. Die Steinchen hätten sich losgelöst und uns durch ihren Fall verraten. Da uns hier ein direkter Einblick nicht möglich war, wandten wir uns erst zum einen und dann auch zu dem anderen Luftloch, welche oben zu beiden Seiten lagen. Da sahen wir unten die Indianer sitzen. Aber unser Gesichtskreis war so eng, daß ich nicht mehr als acht Personen zählen konnte.

„Es sind natürlich weit, weit mehr vorhanden,“ meinte Pena. „Wenn diese Leute einen Überfall planen, so ziehen sie zahlreich aus, denn Tapferkeit ist ihre Tugend nicht, Was thun wir jetzt?“

„Sie eilen zurück und holen die Kameraden. Dieselben mögen aber vorher die Pferde an einem Orte anbinden, an welchem der Sendador sie nicht findet.“

„Und was thun Sie indessen?“

„Ich bewache den Eingang.“

„Herr, das ist gefährlich!“

„Ganz und gar nicht. Die Kerle stecken ja alle in der Falle!“

„Aber wenn einer herauskommt?“

„So nehme ich ihn bei der Gurgel oder gebe ihm einen Klapps auf die Nase, daß er hinunterrutscht.“

„Dann kommen die andern alle!“

„Das werden sie bleiben lassen. Es können höchstens zwei Personen nebeneinander gehen; also halte ich alle mit meinen Revolvern in Schach.“

„Gut! Wir werden sehr bald kommen.“

„Allzu vorsichtig brauchen Sie nicht zu sein. Es ist niemand da, der Ihnen gefährlich werden kann; also können Sie ganz offen und unbesorgt heranmarschieren.“

Er ging, und ich ließ mich neben dem Eingange nieder, fest entschlossen, keinen Menschen herauszulassen. Von unten herauf drang unterdrücktes Stimmengewirr; einzelne Stimmen oder gar Worte waren nicht zu unterscheiden. Übrigens hätte mir das gar nichts nützen können, da ich die Sprache der Aripones nicht verstand. So hatte ich wohl über zehn Minuten gesessen, als ich das Geräusch rollender Steine vernahm. Ich beugte mich vor und sah zur Treppe hinab. Da kam einer langsam heraufgestiegen. Er befand sich noch im Kreise des Feuerscheines, und so konnte ich ihn erkennen. Es war Gomez. Er trug keine Waffen als nur sein Messer bei sich. Ich stand auf und trat ein wenig zur Seite. Dort stand ein Baum, unter dessen Krone der hellere Ton meines Lederanzuges nicht leicht zu erkennen war.

jetzt trat der Mann hervor. Er sah sich um und lauschte in die Nacht hinaus. Schon drehte er sich um, um wieder hinabzusteigen; da sagte ich in halbem Tone, nur so, daß er es gerade zu hören vermochte:

„Gomez.“

Schnell wendete er sich zurück.

„Wer ist da?“ fragte er.

„Der Sendador.“

„Schon? Das ist schnell gegangen. Wo sind die Weiber und Kinder?“

„Unten bei den Wagen.“ „Das ist ja ganz – –“

Er hielt inne. Während der kurzen Fragen und Antworten war er näher gekommen. Jetzt befand er sich gerade vor mir und mochte nun doch bemerken, daß der, bei dem er stand, nicht der Sendador sein könne. Er beugte den Kopf vor, um wo möglich mein Gesicht zu erkennen, und sagte:

„Das ist ja nicht – – wer ist – –?“

Er wollte sich zur Flucht wenden. Da aber hatte ich ihn mit der Rechten bei der Kehle, so daß er nicht schreien konnte, und mit der Linken zog ich das Messer aus seinem Gürtel, damit er sich desselben nicht bedienen könne. Gegen mich war er von der Schwäche eines Kindes. Er brach sofort in die Kniee. Ich setzte ihm das Messer auf die Brust und drohte:

„Ein lautes Wort, so steche ich Sie nieder. Werden Sie schweigen?“

„Jaaaa – – –“ gurgelte er, als ich ihm zu diesem Zwecke ein wenig Luft in die Kehle ließ.

„Gut, so will ich Sie wenigstens atmen lassen. Aber ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich Sie beim ersten unerlaubten Laute ersteche! Legen Sie die Hände auf den Rücken, damit ich Sie binden kann!“

Ich nahm die Hand von seinem Halse, hielt ihn aber mit der einen Hand fest, während ich mit der andern einige Riemen aus der Tasche zog. Dabei mußte ich mich bücken. Mein Gesicht kam in die Nähe des seinigen, und nun erst erkannte er mich.

„Sie sind es, Sie, Sennor!“ sagte er.

„Wer sonst? Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß ich kommen werde?“

„Ah! Sie, Sie! Nun ist alles verloren!“

„Was verstehen Sie unter diesem alles?“

„Etwas, was Sie nicht zu wissen brauchen.“

„Ganz richtig! Ich brauche es nicht zu wissen, weil ich es schon weiß.“

„Sie? Unmöglich!“

Während dieser Worte band ich ihm die Hände auf den Rücken und die Füße zusammen. Nun lag er regungslos vor mir auf der Erde. Ich zog ihn seitwärts bis an eine Stelle, von welcher aus ich den Eingang gut vor Augen hatte, und setzte mich bei ihm nieder.

„Sennor, was haben Sie mit mir vor? Was werden Sie mir thun?“ fragte er.

„Das wird ganz auf Ihr Verhalten ankommen.“

„Sind Sie allein da?“

„Nein. Wenn Sie so große Sehnsucht nach meinen Gefährten und Ihren früheren Bekannten haben, so kann ich Ihnen zu Ihrer Beruhigung mitteilen, daß sie sich Ihnen baldigst vorstellen werden. Auf unsere Freundschaft dürfen Sie freilich nicht mehr zählen.“

„Was habe ich denn gethan?“

„Erstens sind Sie uns ausgerissen, und zweitens – –“

„Sennor, das dürfen Sie doch nicht ausreißen nennen! Ich mußte!“

„Warum?“

„Das ist mein Geheimnis.“

„Aber ein Geheimnis, welches ich auch kenne. Ich habe Ihnen in Palmar gesagt, daß ich Sie hindern werde, das zu thun, was Sie vorhaben.“

„Sennor, Sie können ja gar nicht wissen, was wir beabsichtigen!“

„Ich weiß es nur zu gut. Sie haben die zwanzig Männer auf die Krokodileninsel gelockt, und hier wollen Sie nun die Frauen und Kinder holen.“

Cielo! Wer sagt das?“

„Sie selbst haben es zu dem Sendador gesagt.“

„Das ist nicht wahr.“

„Leugnen Sie doch nicht, Gomez! Die Lüge hilft Ihnen nichts. Sie sind belauscht worden. Man hat jedes Ihrer Worte genau vernommen. Wir sind Ihnen natürlich schnell von Palmar aus gefolgt. Sie haben das auch gar nicht anders erwartet, denn Sie sagten heute zu dem Sendador, daß wir jeden Augenblick eintreffen könnten.“

„Auch das wissen Sie?“

„Alles, alles weiß ich. Wir sind auf der Krokodileninsel gewesen und haben die zwanzig Männer befreit. Das Floß lag noch am Ufer; eine große Dummheit von dem Sendador! Nun sind wir alle da, um die zweite Hälfte des geplanten Streiches zu verhüten.“

„Das ist – das ist – – das kann ich doch nicht glauben!“ stammelte er.

„Sie werden es glauben, denn – – hören Sie! Jetzt kommen meine Leute. Sie können sich also überzeugen, daß ich die Wahrheit sage.“

Ich hörte die Schritte vieler Nahenden und erhob mich vom Boden, um von ihnen gesehen zu werden. Es waren die Gefährten. Sie kamen herbei. Als sie hörten, wen ich da vor mir liegen hatte, verlangten sie, daß Gomez sofort ausgepeitscht werde. Ich brachte sie aber auf bessere Gedanken, indem ich ihnen vorstellte, daß er als Indianer gehandelt habe, welcher die Weißen als Eindringlinge betrachte. Die von der Krokodileninsel befreiten Leute waren zwar nicht geneigt, Milde walten zu lassen, doch gab ich mir Mühe, ihnen zu erklären, daß es für sie besser sei, zu verzeihen und sich die Aripones zur Dankbarkeit zu verpflichten, als durch Strenge die Rache des ganzen Stammes auf sich zu laden.

„Aber was soll denn da mit ihnen, die wir doch jetzt als unsere Gefangenen betrachten müssen, geschehen?“ fragte einer.

„Das werden Sie gleich hören,“ antwortete ich. „Ich meine, daß Sie uns Ihr Leben zu verdanken haben, und ich fordere von Ihnen die Erlaubnis, mit den Aripones Frieden schließen zu dürfen. Sie werden mir das nicht versagen, da es nicht in meinem, sondern vielmehr in Ihrem Interesse liegt.“

Nach einer kurzen, unter sich gepflogenen Beratung stimmten sie mir bei. Darum bückte ich mich zu Gomez nieder, nahm ihm die Riemen ab, richtete ihn auf und sagte zu ihm, der nun inmitten unseres Kreises stand:

„Merken Sie sich, was Sie jetzt hören! Es soll Ihnen und keinem der Ihrigen ein Leid geschehen; aber ich stelle einige Bedingungen, nach denen Sie sich zu richten haben werden.“

Er holte tief Atem, froh, in so glimpflicher Weise behandelt zu werden, und fragte mich:

„Welches sind diese Bedingungen?“

„Sie begeben sich jetzt in den Keller zu Ihren Leuten. Wie viele sind es?“

„Sechzig.“

„Sie sagen ihnen, daß dreißig gut bewaffnete Leute hier stehen und auf einen jeden schießen werden, der sich ohne unsere Erlaubnis gestattet, den Keller zu verlassen. Morgen früh könnt Ihr dann unbehelligt abziehen, nachdem Ihr vorher mit denen, welche Ihr töten wolltet, Friede geschlossen habt. Wollen Sie das Ihren Leuten vorstellen und sie dazu bringen, diese Bedingungen zu erfüllen?“

„Ja. Ich verlange aber, daß Sie Wort halten!“

„Ich lüge nicht. Also daß keiner es wagt, den Keller zu verlassen. Habe ich Ihnen etwas zu sagen, so werde ich Ihren Namen laut in den Eingang rufen. Jetzt gehen Sie!“

Er entfernte sich und verschwand mit einer Schnelligkeit im Keller, aus welcher zu ersehen war, wie froh er war, in dieser Weise davongekommen zu sein.

Einige der Anwesenden wollten sich über meine Milde beschweren, aber der Bruder gab mir recht und erklärte ihnen, daß sie alle Veranlassung hätten, in Frieden mit den hiesigen Indianern zu verkehren.

Zwei von uns waren bei den Pferden zurückgelassen. Die andern setzten sich vor den Kellereingang. Ich aber ging mit dem Steuermanne vor das Thor, um das Kommen des Sendadors zu erwarten. Den Steuermann nahm ich mit, weil er eine riesige Körperstärke besaß. Ich wußte ja nicht, ob ich Manns genug sei, es allein mit dem Sendador aufzunehmen.

Wir verbargen uns hinter den Mauertrümmern. Unsere Geduld sollte gar nicht lange auf die Probe gestellt werden. Wir hatten kaum fünf Minuten gesessen, als das schrille, häßliche Gekreisch ungeschmierter, hölzerner Wagenräder zu uns heraufschallte. Weibliche Stimmen ertönten. Man schien mit der Errichtung des Lagers beschäftigt zu sein. Dann wurde ein Feuer angebrannt, dessen Helligkeit wir sogar hier oben bemerkten.

„Nun wird er bald kommen,“ sagte der Steuermann.

„Jedenfalls. Wenn Sie zugreifen, so nehmen Sie ihn gleich so, daß er allen Widerstand aufgeben muß!“

„Haben Sie keine Sorge! Ich sehne mich geradezu, einmal jemand so recht aus Herzensgrund umfassen zu dürfen. Wie viele Rippen soll ich ihm zerdrücken? Alle oder nur einige?“

„Ich muß ihn unverletzt haben. Sie wissen ja, daß wir ihn noch brauchen. Wenn er verwundet oder verletzt wird, so ist es ihm unmöglich, uns zu seinen Schätzen zu führen. Schweigen wir jetzt!“

Bald darauf hörten wir langsame Schritte. Der Kommende gab sich nicht die geringste Mühe, leise aufzutreten. Er war seiner Sache außerordentlich gewiß. Auch mußte er die Örtlichkeit genau kennen, denn er kam direkt auf das eingefallene Thor zu. Seine Gestalt war länger als die meinige, aber schmal. Eben als er an uns vorüber wollte, richtete ich mich auf. Er sah es, prallte einen Schritt zurück und fluchte:

Caramba! Was schießest du hier, wie ein Teufel aus der Erde empor, Gomez! Das kann einen ja erschrecken! Sind deine Leute da?“

Da ich am dunklen Gemäuer stand, über welchem sich außerdem noch ein dichtes Laubwerk erhob, so konnte er meine Gestalt nicht deutlich erkennen. Er hielt mich für Gomez, von welchem er angenommen hatte, daß dieser ihn erwarten werde. Da ich die Stimme des letztern kannte, so gelang es mir, dieselbe nachzuahmen, indem ich antwortete:

„Sie sind alle hier im Keller, Sennor.“

„So will ich hinab, um ihnen meine Befehle zu geben. Es ist alles sehr gut gelungen. Die Männer stecken auf der Insel und werden dort von den Krokodilen festgehalten. Die Weiber und Kinder haben mir freilich viel zu schaffen gemacht, aber ich brachte sie endlich doch mit dem Vorgeben fort, daß die Männer bereits vorangegangen seien. Ihr werdet heute gute Beute machen, Gomez. Ich darf also für später wohl auf eure Dankbarkeit rechnen.“

„Was das betrifft, so sollen Sie den Dank schon jetzt haben, und zwar sofort.“

Ich hatte das in meinem eigenen Tone, mit unverstellter Stimme gesagt. Er neigte sich mir zu, um mir in das Gesicht zu sehen, und sagte:

„Was war das für eine Stimme! So spricht Gomez nicht. Es ist ein ganz anderer!“

„Allerdings bin ich ein anderer, Sennor Sabuco.“

„Und zwar kein Indianer, sondern ein Weißer! Mann, ich will doch hoffen, daß Sie zu denen gehören, welche ich hier suche!“

„Zu den Aripones also? Nein, zu ihnen gehöre ich freilich nicht.“

Ich konnte ihm in aller Ruhe so antworten, denn ich sah, daß sich der Steuermann hinter ihm erhoben hatte und bereit stand, ihn mit seinen gewaltigen Armen zu umfangen.

„Nicht!“ rief er aus. „Dann frage ich Sie, wer Sie sind. Antwort, oder ich steche Sie augenblicklich nieder!“

Er griff nach seinem Messer.

„Lassen Sie das Messer stecken, Sennor! Ich habe Sie in der besten Absicht erwartet.“

„In welcher?“

„Um Sie zu grüßen von den zwanzig Sennores, welche Sie den Krokodilen übergeben haben. Sie befinden sich nicht mehr auf der Insel, sondern hier ganz in der Nähe. Ich werde Sie zu ihnen bringen, denn es verlangt sie, mit Ihnen zu sprechen.“

„Hole Sie der Teufel! Hier haben Sie das Messer in die Rippen, als Lohn für die Neuigkeit, welche Sie mir bringen, und zugleich als – – –“

Er unterbrach sich und stieß einen Schreckensruf aus, weil in diesem Augenblick der Steuermann ihn von hinten umfaßte und ihm die beiden Arme an den Leib drückte.

„Da haben wir ihn im Schraubstocke,“ lachte der gute Hans Larsen. „Welche Wonne, wenn ich ihn so umarmen dürfte, wie ich es wünsche!“

Der Sendador wollte schreien, aber seine Stimme erstickte; der Steuermann preßte ihm fast den Brustkasten ein. Er wollte sich wehren, aber die Umschlingung war eine so gewaltige; daß es nur zu einem ohnmächtigen Zucken seiner Beine kam.

„Was nun?“ fragte Larsen.

„Wir binden ihn und schaffen ihn dann zu den andern.“

„Warum erst binden? Das können wir nachher auch thun. Wen ich einmal zwischen meinen Händen habe, der entläuft mir nicht. Nehmen Sie ihm nur die Waffen ab!“

Ich folgte dieser Aufforderung. Der Sendador hatte außer dem Messer noch ein Gewehr und einen Revolver bei sich. Larsen ließ ihn für einen Augenblick los, legte ihm aber schnell die Hand um das Genick und sagte in spanischer Sprache zu ihm:

„Jetzt vorwärts, Sennor! Und wenn Sie nicht gehorchen, drücke ich Ihnen einige Halswirbel ein!“

Der Griff des Steuermanns war so energisch, daß der Sendador fast die Besinnung verlor. Er wurde, ohne zu einem Widerstand zu kommen, von Larsen vorwärts geschoben. Als wir bei den Gefährten anlangten, standen die an der Erde Sitzenden auf und umringten uns.

„Bringen Sie den Halunken?“ fragte Harrico, der Vertreter des Bankiers.

„Ja, hier ist er,“ antwortete der Steuermann. „Gebt Riemen her! Wollen ihm Hände und Füße binden, daß er nicht an das Fortlaufen denken kann.“

„Ja, aber fest genug! Und ein Feuer wollen wir anbrennen, damit er sehen kann, wen er vor sich hat.“

Während die einen den Gefangenen fesselten, suchten die andern brennbares Material für das Feuer zusammen. Als dieses letztere aufflackerte, konnte ich die Züge des berühmten Führers erkennen. Sein Gesicht war hager, scharf gezeichnet und von der Sonne dunkel gebrannt. Er gab nicht zu erkennen, daß er sich schäme. Sein finstrer Blick ging von einem zum andern im Kreise umher; in seinen Zügen gab sich nichts als nur das größte Erstaunen zu erkennen. Er schüttelte den Kopf und sagte:

„Aber, Sennores, was fällt Ihnen denn eigentlich ein? Was bringt Sie auf den mir unbegreiflichen Gedanken, mich mit einer solchen Feindseligkeit zu behandeln?“

Er suchte sich nun mit allerlei Lügen aus der Schlinge zu ziehen und berief sich endlich auf Monteso, daß er es ehrlich meine. Der Yerbatero hatte freilich nicht an die Verruchtheit dieses Menschen glauben wollen; aber die vorhandenen Beweise sprachen so laut gegen den Sendador, daß der Genannte, indem er eine abwehrende Handbewegung machte, sagte:

„Verlassen Sie sich nicht auf mich, Sennor! Ich kann Ihnen mit meiner Empfehlung leider gar nicht dienen, weil ich überzeugt bin, daß Sie schlecht gehandelt haben.“

„Wie? Auch Sie? So hat sich also Alles gegen mich verschworen!“

„Verschworen? Davon ist keine Rede. Wir kennen Ihr Vorhaben. Wir besitzen Beweise. Es thut mir leid, einen Mann, den ich meinen Freund nannte, jetzt für einen Mörder halten zu müssen; aber ich kann leider nicht anders. Sie sind in Ihrem Gespräch mit Gomez belauscht worden.“

Der Kerl war wirklich ein außerordentlich hartgesottener Sünder. Er leugnete trotzdem mit einer geradezu beispiellosen Frechheit. Es zuckte mir in den Händen. So mochte es auch den andern ergehen. Sie ließen Ausrufe des Zornes hören und Bewegungen der Ungeduld sehen. Pena ergriff für Monteso das Wort und rief dem Sendador drohend zu:

„Mensch, ich bin es, der euch belauscht hat. Wenn du von Lügen sprichst, so beleidigst du mich, und dies von dir zu dulden, habe ich keine Lust!“

„Wer sind Sie, daß Sie es wagen, den Sendador Du zu nennen?“

„Ich bin Kummer, der Cascarillero, verstanden?“

Als der Sendador diesen Namen hörte, ging es doch wie Schreck über sein scharfes Gesicht.

Caramba!“ sagte er. „Der deutsche Cascarillero!“

„Ja. Meine überhaupt ja nicht, daß du Leute vor dir habest, welche du zu täuschen vermagst. Hier sitzt ein ehrwürdiger Herr. Kannst du raten, wer er ist?“

Der Sendador musterte den Bruder. Kannte er ihn oder erriet er es aus dem Äußern desselben, er antwortete:

„Der Frater Jaguar!“

„Richtig! Er ist nicht der Mann, sich ein X für ein U machen zu lassen. Und da neben ihm sitzt der Sennor, vor welchem dich Gomez gewarnt hat.“

jetzt schenkte der Gefesselte mir mehr Aufmerksamkeit als bisher.

„Der Deutsche?“ fragte er.

„Ja. Dieser schaut dir bis in das tiefste Herz. Selbst wenn es dir gelänge, uns an dich glauben zu machen, ihn würdest du nicht täuschen. Dein Urteil ist bei ihm gesprochen. Aber es sind noch andere da. Du wirst dich freilich wohl nicht darüber freuen, sie wiederzusehen. Kennst du diesen?“

Er deutete auf Gomarra. Der Sendador betrachtete nun auch diesen. Er schien sich seiner Züge zu erinnern, wußte aber nicht genau, wen er vor sich hatte. Er sagte:

„Ich kenne ihn nicht – –“

„Halt!“ unterbrach ihn Gomarra. „Jetzt bin ich es, der mit ihm reden will!“

„Nein, schweigen Sie noch!“ bat ich ihn.

„Warum? Soll er nicht wissen, wen er vor sich hat?“

„Jetzt noch nicht. Sie schaden sich selbst und unserm Vorha – – –“

„Schaden?“ unterbrach er mich. „Wenn auch! Nichts soll mich hindern, diesem Ungeheuer mitzuteilen, was er zu erwarten hat.“

Und sich wieder an den Sendador wendend, fuhr er, ohne meiner Winke zu achten, fort:

„Also Sie erinnern sich, mich gesehen zu haben?“

„Es ist möglich,“ antwortete der Gefragte.

„Es war oben in den Bergen, in der Pampa de Salinas.“

Der Sendador schien, als er dies hörte, unter seiner dunkeln Haut zu erbleichen.

Er antwortete nicht.

„Sie kennen doch diese Pampa?“ fragte Gomarra. „Und wissen, daß dort ein Mord geschehen ist?“

„Möglich, geht mich aber doch nichts an.“

„Den Mörder soll das nichts angehen?“

„Sennor, Sie nennen mich einen Mörder?“

„Ja, denn Sie sind es. Sie haben meinen Bruder getötet.“

„Ich? Ihren Bruder? Es scheint, man spielt hier Theater mit mir! Ich kenne weder Sie noch Ihren Bruder!“

„So besinnen Sie sich! Sie sind mir einmal oberhalb der Salina begegnet.“

„Wer kann sich auf so etwas, was oft geschieht, besinnen?“

„Sie sollen gleich nähere Details hören. Sie ritten weiter und trafen weiter unten auf meinen Bruder.“

„Davon weiß ich nichts.“

„Er kam dazu, als Sie die Kipus eingraben wollten.“

„Kipus?“ rief der Sendador, jetzt freilich in erschrockenem Tone.

„Ja, Kipus, welche in einer Flasche steckten.“

„Woher wissen Sie das?“

„Weil ich seit jenem Tage oft da oben gewesen bin und nachgegraben habe, um zu sehen, ob sich die Flasche noch dort befindet.“

Valgame Dios!“

„Ja, nun erschrecken Sie!“

„Nein, ich erschrecke nicht,“ behauptete der Führer. „Ich weiß gar nichts davon!“

„So? Gar nichts? Sie wissen auch nicht, daß Sie meinen Bruder erschossen haben, damit er Ihr Geheimnis nicht verraten könne?“

„Kein Wort!“

„Daß Sie ihn für tot liegen ließen und dann weiter ritten, um die Flasche unten am Felsen der Salina abermals zu vergraben?“

„Sennor, Sie dichten da wohl gar einen Roman?“

„Nein, ich dichte nicht, sondern ich rede die reine Wahrheit. Ich habe Sie ja mit diesen meinen eigenen Augen beobachtet. Ich bin dann oft hingekommen und habe nachgegraben. Ich wollte wissen, ob Sie wieder dort gewesen seien. Ich habe vergebens gestrebt, Ihnen wieder zu begegnen. Nun ich Sie hier habe, sollen Sie Ihren Lohn finden! Ich lasse Sie sicher nicht entkommen; darauf können Sie sich verlassen!“

Es schien dem Sendador nicht behaglich zu Mute zu sein. Er schüttelte den Kopf, zeigte die Miene gekränkter Unschuld und sagte:

„Sennor, Sie verkennen mich und haben mich verkannt. Es ist ein anderer gewesen, welcher wohl eine kleine Ähnlichkeit mit mir gehabt hat.“

„Wir glauben Ihnen doch nicht. Machen Sie sich auf den Tod gefaßt! Der Bruder Jaguar kann noch mit Ihnen beten; dann sterben Sie. Ich habe mir fest vorgenommen, daß Sie bei unserer ersten Begegnung meine Kugel erhalten sollen. Heute treffen wir uns zum erstenmal, und ich halte mein Wort.“

Er wendete sich ab. Seine Art und Weise behagte mir keineswegs. Durch seine Ausplauderei hatte er mir einen ganz bedeutenden Strich durch meine Rechnung gemacht. Der Sendador sollte doch gar nicht ahnen, daß sich so ein Bluträcher, ein Zeuge seiner Thaten unter uns befinde. War es ihm einmal gesagt worden, so mußten wir auf unser Unternehmen, auf den Ritt nach der Pampa de Salinas, verzichten. Ich aber war fast begierig, die Zeichnungen und Kipus zu sehen. Nun Gomarra den Fehler begangen hatte, brauchte ich über das übrige nicht mehr zu schweigen. Vielleicht wurde er durch die Wucht unserer Anschuldigungen mürbe gemacht. Darum ergriff ich jetzt das Wort, indem ich zu ihm sagte:

„Sie leugnen mit einer ganz unbegreiflichen Hartnäckigkeit. Da wir solche Beweise in den Händen haben, gehört eine geradezu freche Stirn dazu, das alles in Abrede zu stellen.“

Er warf mir einen fast verächtlichen Blick zu und antwortete:

„Was wollen denn nun auch Sie? Ich kenne Sie nicht. Sie sind ja ganz fremd im Lande!“

„Aber doch bereits höchst vertraut mit Ihrer Person!“

„Das wäre ein Wunder!“

„Gar nicht. Zunächst will ich Ihnen sagen, daß es eine Dummheit von Ihnen ist, zu leugnen, daß Sie mit den Aripones im Bunde stehen. Ein offenes Geständnis würde Ihre Lage sicherlich nicht so verschlimmern, wie Ihr verstocktes Lügen.“

„Ich lüge nicht!“

„Behaupten Sie das nicht! Gomez hat schon alles eingestanden.“

„Gomez? Wie könnten Sie mit dem gesprochen haben!“

„Durch diese Ihre Worte verraten Sie sich selbst. Er hat natürlich hier auf Sie gewartet. Wir kamen eher als Sie und haben uns seiner ganz ebenso bemächtigt, wie wir Sie ergriffen haben.“

jetzt fuhr er mit dem Kopfe in die Höhe. Es war zum erstenmal, daß er seinen Schreck deutlich sehen ließ.

„Sie haben ihn gefangen?“ entfuhr es ihm.

„Wie ich sage, und er sitzt in sicherem Gewahrsam, da unten in dem Keller.“

„Und seine Indianer? Wo befinden sich diese?“

„Ah, Sennor, jetzt lassen Sie die Maske plötzlich fallen! jetzt fragen Sie nach den Indianern. Sie geben damit alles zu, was Sie bisher geleugnet haben.“

„Zum Teufel, reden Sie! Mag ich zugeben oder nicht; ich will wissen, wo die Roten stecken.“

„Auch im Keller. Sie sind also vollständig unfähig gemacht, Ihr Vorhaben auszuführen.“

„Und Gomez hätte gestanden?“

„Ja. Er war aufrichtiger als Sie; er war zugleich auch klüger, denn er sah ein, daß ihm das Leugnen nichts nützen, sondern nur schaden könne. Es wäre ihm gewiß an Hals und Kragen gegangen; aber infolge seines Geständnisses werden wir ihm und den andern Indianern das Leben schenken.“

„Aber, gesetzt, es sei alles so, wie Sie es sich einbilden, so wäre es doch eine Ungerechtigkeit, diese Leute zu begnadigen und mich zu töten!“

„Nein; es wäre im Gegenteile ganz gerecht gehandelt. Den Indianern kann man infolge des Standpunktes, welchen sie einnehmen, verzeihen. Sie aber haben als Weißer eine verzehnfachte Strafe verdient, zumal noch ganz andere Verbrechen auf Ihnen lasten.“

„Noch andere, weitere Verbrechen?“ fragte er in beinahe höhnischem Tone. „Nach Ihrer Meinung muß ich ja ein wahres Scheusal sein!“

„Beinahe.“

„Darf ich fragen, was Sie noch von mir wissen wollen?“

„Ja. Ich möchte gern wissen, wo der Padre begraben liegt, welchem Sie die Zeichnungen und Kipus abgenommen haben.“

Jetzt fuhr er sichtlich zusammen. Dann gab er seinem liegenden Oberkörper einen Schwung, so daß er trotz der Fesseln zum Sitzen kam, starrte mich eine Weile an und fragte dann wie abwesend:

„Welchen Padre meinen Sie?“

„Den Sie ermordeten, um ihm die genannten Gegenstände abzunehmen.“

„Alle Wetter! Wieder ein Mord, von dem ich nichts weiß und den ich trotzdem begangen haben soll!“

„Wollen Sie etwa wieder leugnen?“

„Nein, leugnen werde ich nicht, denn leugnen kann man nur etwas, was man wirklich gethan hat. Ich bin mir aber keiner Schuld bewußt, und darum kann ich nur sagen, daß Sie sich gewaltig irren.“

„Nun, Sie hatten einen Zeugen. Er rief Ihnen zu, um den Mord zu verhindern. Sie achteten aber nicht auf ihn, weil er zu fern war.“

„Sennor, Sie sehen mich erstaunt über Ihre Erfindungsgabe!“

„Spotten Sie nicht, denn Sie verschlimmern dadurch Ihr Los! Glücklicherweise für ihn entdeckten Sie in dem Zeugen einen alten Kameraden, einen Freund. Der kleine Rest von Gefühl, welchen Sie damals noch besaßen, empörte sich doch dagegen, diesen Mann zu ermorden. Sie überwältigten ihn also nur und zwangen ihm einen Eid ab, über Ihre That zu schweigen.“

„Und diesen Eid hat er gebrochen?“

„Nein. Was mich betrifft, so hat er mir nichts erzählt, sondern ich habe es erraten.“

„Erraten! So! Und was Sie nur erraten haben, das halten Sie für so gewiß, daß Sie mich des Mordes zeihen? Das ist stark, mein so außerordentlich scharfsinniger Sennor!“

Ohne diesen Spott zu beachten, fuhr ich fort:

„Ferner hat er sich an geeigneter Stelle erkundigt, ob so ein Schwur gehalten werden müsse. Man hat ihn überzeugt, daß er damit keine Sünde begehen würde, denn ein Mörder ist kein Mann, der einem andern einen vor Gott geltenden Schwur abnehmen kann. Der alte Jäger und Goldsucher hat also auf seinem Sterbebette das Geheimnis verraten können, ohne seine Seele zu gefährden.“

„Er hat gesagt, ich habe einen Padre ermordet?“

„Ja. Ermordet und beraubt.“

„Welche Lüge! Halten Sie sich übrigens für den Mann, welcher mich zu richten hat?“

„Ja. Wir alle sind nach dem Brauche der Pampa berechtigt, über Sie zu Gericht zu sitzen. Und wenn Sie uns wie bisher mit Hohn und Spott bedienen, so dürfen Sie auf keine Nachsicht rechnen.“

„Ich verlange sie auch nicht; aber Gerechtigkeit will ich haben. Und zu dieser Gerechtigkeit gehört, daß man die Sache einem ordentlichen Richter übergiebt!“

Da trat einer von den Männern, welche er nach der Insel gelockt hatte, an ihn heran, versetzte ihm einen Fußtritt und herrschte ihm zu:

„Schweig, Schurke! Dir soll das Recht der Pampa werden, nämlich eine Kugel in den Leib oder ein Strick um den Hals! Vielleicht machen wir dir die Abfahrt in die Hölle noch etwas schwerer. Wollen nur erst sehen, wie es mit unseren Frauen steht, nach denen wir noch gar nicht gesehen haben. Wehe dir, wenn du einer von ihnen ein Haar gekrümmt hast! Du wirst mit glühenden Messern zerschnitten!“

„Ja, wollen vor allen Dingen nach unseren Frauen und Kindern sehen,“ stimmte ein anderer bei. „Sterben muß dieser Mensch, aber auf sein Verhalten zu ihnen soll es ankommen, ob er leicht oder schwer zum Satan fährt. Wer steigt mit hinab?“

„Ich – ich – ich!“ riefen alle außer mir.

Keiner schien bleiben zu wollen. Jeder wollte sehen, wie es mit den Frauen stand.

„Halt!“ bat ich. „Alle können unmöglich fort. Wir müssen doch den Keller und auch den Sendador bewachen. Dazu gehören mehrere Personen.“

Man gab das zu. Den Familienvätern war nicht zuzumuten, da zu bleiben. Der Bruder ging mit ihnen, um nötigenfalls seines Trösteramtes zu walten. Der Kapitän Turnerstick wollte aus Neugierde fort und veranlaßte den Steuermann, mit ihm zu gehen. Pena und Gomarra waren ebenso neugierig, und so blieb nur ich mit den Yerbateros übrig.

Wir waren Männer genug, den Eingang zu bewachen. Übrigens war es uns allen lieb, daß die andern sich entfernten, weil sie den Tod des Sendador wollten; wir aber wünschten, daß er leben bleibe, um uns seine Geheimnisse anzuvertrauen. Gegen uns hatte er ja nicht gesündigt, und so konnten wir ihn weder anklagen noch gar richten. So war auch Monteso gesinnt, denn als die andern fort waren, sagte er in leisem Tone, so daß der Sendador es nicht verstehen konnte:

„Gut, daß sie fort sind! Was denken Sie, Sennor? Soll er getötet werden?“

„Was mich betrifft, so bin ich freilich dagegen.“

„Ich auch und meine Kameraden ebenso. Denken Sie an die Kipus und Pläne!“

„Es wird uns nur nicht möglich sein, seinen Tod zu verhindern.“

„Das befürchte ich auch. Gomez haben sie begnadigt, weil sie ihn als Indianer nicht für zurechnungsfähig, wenigstens nicht für so sehr schuldig halten wie diesen, den sie sicherlich nicht laufen lassen werden.“

„Ich bin überzeugt, daß unsere Bitten nichts helfen werden, aber es giebt noch einen Ausweg – die List.“

„Ah! Wie aber meinen Sie das?“

„Wir lassen ihn laufen. Wir lockern ihm jetzt den Riemen, welcher seine Hände zusammenhält. Nachher soll er hinunter nach den Wagen gebracht werden. Er muß gehen, folglich wird man ihm die Beinfesseln abnehmen. Da kann er unterwegs einen Sprung zur Seite thun. Da es dunkel ist, dürfte eine Verfolgung vergeblich sein.“

„Gut. Aber was dann?“

„Dann erwartet er uns irgendwo. Hoffentlich hält er Wort.“

„Jedenfalls, da er sich darüber freuen muß, endlich einen Mann zu sehen, welcher seine Pläne lesen und vielleicht gar die Kipus entziffern kann. Soll ich mit ihm sprechen?“

„Ja.“

Während unsers leisen Gespräches hatte der Sendador still dagelegen und kein Auge von uns verwendet. Aber es schien mir doch, als ob seine Aufmerksamkeit nicht allein auf uns gerichtet sei. Er hielt den Kopf zur Seite, als ob er nach dem Keller lausche. Da dies in seiner Lage sehr natürlich war, weil seine Verbündeten sich dort befanden, so fiel mir dieses Lauschen gar nicht weiter auf.

„Sennor Sabuco,“ sagte der Yerbatero, „es schmerzt mich, in Ihnen einen solchen Verbrecher entdeckt zu haben. Es wird mir angst und bange um Ihr Seelenheil; darum bitte ich Sie, in sich zu gehen und der Wahrheit die Ehre zu geben!“

„Schwatzen Sie nicht!“ fuhr ihn der Angeredete an. „Mir thut es noch viel mehr leid, daß ein Freund, der Sie doch bisher sein wollten, einem solchen Unsinn Glauben schenken kann.“

„Ich sage Ihnen, daß Sie bei diesem fortgesetzten Lügen auf keine Gnade zu rechnen haben. Wären Sie aber aufrichtig, so daß wir wüßten, woran wir mit Ihnen sind, so wäre dieser Sennor und also auch ich zu Ihrer Rettung bereit.“

Diese Worte blieben nicht ohne den gewünschten Eindruck. Der Sendador sah uns forschend an und fragte dann:

„Von den andern habe ich nichts Gutes zu erwarten; das weiß ich; aber von Ihnen läßt sich eher denken, daß Sie etwas zu meinen Gunsten thun wollen.“

„Ja, das wollen wir; aber gestehen müssen Sie!“

„Was haben Sie denn von meinem Geständnisse?“

„Sehr viel!“

„Nein, gar nichts; denn durch dasselbe werden die Verhältnisse nicht im geringsten verändert.“

„Sie werden sehr verändert, und zwar zu Ihren Gunsten. Wer sein Unrecht offen gesteht, dem schenkt man neues Vertrauen.“

„Pah! Ihr Vertrauen könnte mir dann gar nichts nützen.“

„Sie irren. Wir sind ja eigentlich nach dem Gran Chaco gekommen, um Sie da aufzusuchen.“

„Um mich zu verfolgen!“

„Nein. Ich traf diesen Sennor in Montevideo und habe ihn veranlaßt, sofort mit mir zu Ihnen aufzubrechen wegen der beiden Zeichnungen.“

„Versteht er denn, Zeichnungen oder Pläne zu lesen?“

„Ja. Vielleicht liest er gar auch noch Ihre Kipus?“

„Was wissen Sie von Kipus! Ich habe Ihnen gar nichts davon gesagt.“

„Überlegen Sie sich die Sache schnell, ehe die andern zurückkehren! Wir sind als Ihre Freunde gekommen, da wir keine Ahnung hatten, was wir noch erfahren und erleben würden. Wollen Sie uns alles mitteilen? Entscheiden Sie schnell, denn dann ist es zu spät!“

Über das Gesicht des Sendador flog ein eigenes Lächeln.

„Es ist nie zu spät,“ sagte er. „Ich bin zwar gebunden, aber ich fürchte keinen Menschen.“

„Seien Sie nicht allzu zuversichtlich! Die andern wollen Ihren Tod.“

„Sie werden mich aber leben lassen! Sie mögen sich nur selbst in acht nehmen. Es ist gefährlich, der Feind des Sendador zu sein! Also mir ist zwar nicht bange. Aber es wäre Thorheit, die Hilfe, welche Sie mir anbieten, zurückzuweisen, zumal Sie mir den Mann bringen, nach welchem ich jahrelang vergebens gesucht habe. Was Gomez mir erzählt hat, läßt allerdings erwarten, daß er etwas zu leisten vermag.“

Ich hatte mich bis jetzt nicht in die Unterredung gemischt; nun aber fiel ich ein.

„Sie geben also zu, mit Gomez gesprochen zu haben?“

„Ja doch!“

„Damit gestehen Sie aber auch alles andere ein.“

„Nein. Denken Sie, was Sie wollen; halten Sie mich für schuldig oder für unschuldig; es ist mir sehr gleichgültig. Sie gefallen mir, und ich bin bereit, Ihnen mein Vertrauen zu schenken. Sind Sie bereit, den Zug in die Berge mitzumachen, auch wenn Sie überzeugt sind, daß ich ein Mörder bin?“

„Auch dann. Ich bin nicht als Richter über Sie gesetzt.“

„Das ist sehr vernünftig!“

„Verstehen Sie mich nicht falsch! Es ist mir nicht gleichgültig, einen Verbrecher oder einen straflosen Menschen vor mir zu haben; aber ich interessiere mich ungemein für die Angelegenheit und bin außerdem überzeugt, daß Sie Ihrer Strafe mit Geschwindigkeit entgegen gehen.“

„Haben Sie Veranlassung, dies zu glauben?“

„Ja. Es giebt eine göttliche Gerechtigkeit, welcher keiner entgehen kann, und hier in Ihrem Falle ist der Rächer Ihnen nahe – Gomarra.“

„Den nehmen Sie doch keinesfalls mit!“

„Nun nicht; aber er wird uns und Ihnen folgen.“

„Da ist mir nicht bange. Ich werde dafür sorgen, daß er die Spur verliert. Hat der Yerbatero Ihnen alles erzählt?“

„Alles, was er wußte.“

„So wissen Sie also nur, daß ich in dem Besitze zweier Zeichnungen bin?“

„Ich weiß noch mehr, nämlich wie diese Zeichnungen in Ihre Hände gekommen sind.“

„Das ist jetzt ja Nebensache!“

„Gut, so weiß ich außerdem, daß Sie Kipus besitzen. Ich vermutete es, und dann wurde durch Gomarras Erzählung diese Vermutung zur Gewißheit.“

„War er wirklich bei der Leiche seines Bruders?“

„Ja.“

„Er spricht von einer vergrabenen Flasche. Kennt er den Ort, an welchem sie liegt?“

„Ja. Er ist öfters dort gewesen, um sich zu überzeugen, ob auch Sie dort waren. Zu Ihrem Glücke hat er Sie niemals getroffen.“

„Sagen Sie, zu seinem Glücke! Ich bin nicht der Mann, mit mir scherzen zu lassen. Das werden Sie noch erfahren!“

„Ich glaube es nicht nur, sondern ich bin überzeugt davon. Sie geben, wenn Sie auch alles andere in Abrede stellen, doch zu, daß unser Weg hinauf nach der Pampa de Salinas führen würde?“

„Ja.“

„Daß die Kipus sich in Wirklichkeit dort befinden und daß sie zu den beiden erwähnten Zeichnungen gehören?“

„Wiederum ja.“

„Haben Sie diese letzteren bei sich?“

„Kann mir nicht einfallen! Bei den Wechselfällen, denen ich unterworfen bin, werde ich doch so hochwichtige Papiere nicht mit mir herumschleppen! Ich habe sie vergraben.“

„Wo?“

„Das werden Sie später erfahren. Noch kenne ich Sie nicht. Ich muß Sie prüfen, ehe ich Ihnen alles anvertrauen kann. Jetzt ist die Hauptsache, Gewißheit darüber zu erhalten, ob Sie mir wirklich zur Flucht behilflich sein wollen.“

„Wir sind bereit dazu.“

„Hegen Sie aber nicht etwa welche Hintergedanken! Ich bin nicht so hilflos, wie Sie vielleicht denken!“

„Ich gebe Ihnen mein Wort und das muß genügen.“

„Gut, ich will Ihnen vertrauen. So wird es am allerbesten sein, daß Sie mich jetzt gleich fort lassen.“

„Das geht nicht. So sehr offen wollen wir es doch nicht merken lassen, daß wir Ihren Tod nicht wünschen.“

„Später aber ist es eben zu spät!“

„Nein. Ich lockere Ihnen jetzt den Riemen an den Händen. Dann werde ich dafür sorgen, daß man auf den Gedanken gerät, Sie hinab zu den Wagen zu schaffen. Man wird Ihnen da die Füße frei geben.“

„O, schön! Da entwische ich. Bitte, machen Sie mir den Riemen locker!“

„So ohne alle Bedingung denn doch nicht. Ich muß die Gewähr haben, Sie wieder zu finden.“

„Das sollen Sie. Reiten Sie morgen abend nur in dem Flußbette, dem Sie heute folgten, aufwärts. Ich werde Sie unbemerkt beobachten und an dem geeigneten Orte zu Ihnen stoßen.“

„Können wir uns darauf verlassen?“

„Zuversichtlich.“

„Aber Sie sehen doch ein, daß man einem Mörder nicht allzu großes Vertrauen schenken kann!“

„Meinetwegen! Dagegen gebe ich Ihnen zu bedenken, daß mir ohne Ihre Hilfe die Zeichnungen ebenso wie die Kipus ohne Wert und Nutzen sind. Es liegt also in meinem eigenen Interesse, Ihnen mein Wort zu halten.“

„Dasselbe denke auch ich. Darum werde ich Ihnen jetzt die obere Fessel locker machen. Ich schneide den Riemen entzwei, und Sie halten die beiden Schnittenden so fest in den scheinbar gefesselten Händen, daß der Riemen ganz straff angespannt erscheint. Sieht man dann ja nach, so gewahrt man den Knoten und wird keine Ahnung haben, daß Sie eigentlich frei sind.“

„So brauche ich den Riemen nur wegzuwerfen.“

„Ja; aber das werden Sie nicht thun. Unsre Gefährten könnten ihn finden und dann sehen, daß er vorher zerschnitten worden ist. Das dürfen sie auf keinen Fall entdecken.“

„Gut, so nehme ich ihn mit, und komme ich an eine Stelle, an welcher man ihn nicht finden kann, so werde ich ihn wegwerfen.“

„Darum bitte ich sehr. Dann aber haben Sie keine Waffen und kein Pferd.“

„Ich brauche zunächst keins, und später wird sich alles finden. Sorgen Sie sich nur nicht um mich.“

„Sie versprechen mir aber, gegen keinen von uns fernerhin eine Feindseligkeit zu unternehmen!“

„Gern! Ich will froh sein, wenn ich von hier fort bin. Wollte ich jemandem Übles thun, so würde ich mich doch nur unnötig in Gefahr bringen.“

„Daß Sie das einsehen, beruhigt mich. Ich werde Sie los machen.“

Ich durchschnitt den Riemen. Er nahm die beiden Enden in die übereinander gebundenen Hände und sagte:

„Ich danke Ihnen, Sennor! Nun glaube ich, daß Sie es ehrlich mit mir meinen. Da ich Sie aber noch gar nicht kenne und Sie mir doch einen so wichtigen Dienst leisten wollen, so erklärt sich der Wunsch, Näheres über Sie erfahren zu dürfen.“

„Sie werden später alles hören.“

„Wir haben doch auch jetzt Zeit, bis Ihre Leute zurückkehren.“

„Wenden Sie sich an Sennor Monteso!“

Dieser letztere gab ihm die gewünschte Auskunft, indem er ihm unsre Erlebnisse kurz erzählte. Er war damit noch nicht ganz zu Ende, als die andern zurückkehrten. Sie erzählten, daß die Frauen und Kinder so außerordentliche Angst ausgestanden hätten, und drangen auf sofortige Bestrafung des Sendador. Als einzige gerechte und wohlverdiente Strafe bezeichneten sie seinen Tod. Ich war natürlich dagegen, der Bruder auch, obgleich der letztere noch nicht wußte, daß der Angeschuldigte schon halb befreit sei. Ich gab ihm aber einen bezeichnenden Wink, und er verstand mich gleich.

Der Kapitän und sein Steuermann blieben neutral. Die Yerbateros standen auf meiner Seite, und so entspann sich ein Streit, den ich dadurch zu beenden suchte, daß ich den Vorschlag machte:

„Auf diese Weise entscheiden wir nichts. Jede Partei mag einen Sprecher wählen. Beide Sprecher bringen ihre Gründe vor, und dann wird abgestimmt.“

„Das ist das allerbeste,“ sagte Gomarra, welcher natürlich überzeugt war, daß da mehr für als gegen den Tod stimmen würden. „Halten wir ein ordentliches Gericht. Aber wo? Etwa hier? Nein. Der richtige, geeignete Ort wäre unten bei den Wagen, in Gegenwart derer, welche solche Angst ausgestanden haben.“

Er ahnte nicht, wie willkommen mir dieser Vorschlag war, welchem alle beistimmten.

„Aber einige müssen als Wächter hier bleiben,“ sagte ich, „sonst entkommen uns die Indianer. Ich denke, wir lassen es wie bisher: Ich bleibe mit den Yerbateros hier, und Sie berücksichtigen, daß wir sieben Personen sind, welche gegen das Todesurteil stimmen.“

„Und wer soll für Ihre Partei sprechen?“ fragte Gomarra.

„Frater Hilario. Er wird unsre Ansicht zu vertreten wissen.“

„Schön, bleiben Sie also als Wächter des Kellers hier. Wir andern steigen wieder hinab und nehmen den Kerl mit.“

„So müssen einige ihn tragen, da er gefesselt ist.“

„Fällt uns gar nicht ein! Auch noch tragen! Er mag nur laufen. Wir binden ihm die Beine los und nehmen ihn in die Mitte. Entkommen kann er uns nicht.“

Er bückte sich nieder und knüpfte den Riemen von den Füßen; dann richtete er den Sendador auf und fuhr fort:

„Die Arme sind doch fest auf den Rücken gebunden? Wollen einmal sehen.“

Er untersuchte die Fessel. Das war ein sehr kritischer Augenblick. Der Sendador hielt aber den Riemen sehr fest in den Händen, denn Gomarra bemerkte mit Befriedigung:

„Na, das geht ja fast ins Fleisch; den bringt er unmöglich auf. Also vorwärts, mein Bursche!“

Er faßte ihn am rechten Arme; Pena mußte ihn am linken nehmen, und so führten sie ihn fort, nicht dem Tode, wie sie meinten, sondern seiner Befreiung entgegen. Wir schauten ihnen nach, bis sie im Dunkel der Nacht verschwanden, und warteten dann auf den Lärm, welcher bei seiner Flucht entstehen mußte.

Es dauerte auch gar nicht lange, so vernahmen wir ein gellendes: „Alto ahi, picano – halt, Schurke!“

Diesem Rufe folgten mehrere, und dann war ein kunterbuntes Gewirr von Ausrufungen des Schreckens und Zornes zu vernehmen. Büsche rauschten; Äste und Zweige knackten; eilige Schritte schallten.

„Er ist fort; er ist frei!“ sagte Monteso. „Hoffentlich gelingt es ihnen nicht, ihn wieder zu ergreifen.“

„Er wäre ja Ohrfeigen wert, wenn er sich wieder fangen ließe. Warten wir!“

Nach einiger Zeit kam der Bruder gelaufen, mit ihm Gomarra.

„Sennor,“ rief der letztere schon von weitem. „Der Sendador ist fort!“

„Sind Sie des Teufels? Er war doch gefesselt und wurde noch dazu von Ihnen und Pena geführt!“

„Ja, man sollte es nicht für möglich halten; aber kaum hatten wir die Ruine hinter uns, so riß er sich los und war fort.“

„Das ist stark! So einen Menschen entkommen zu lassen! Wäre ich doch mitgegangen! Aber man kann doch nicht überall dabei sein!“

„Oh, Ihnen wäre er auch entflohen!“

„Sicher nicht, denn ich hätte ihn nicht am bloßen Arme geführt, sondern mit mir zusammengebunden.“

„Ja, das hätten wir thun sollen. Jetzt ist er fort!“

„Aber wohin?“

„Wissen wir es?“

„Sie müssen doch gehört haben, nach welcher Richtung er sich wendete!“

„Gar nichts haben wir gehört. Wir selbst machten ja so viel Lärm, daß wir von ihm gar nichts hören konnten.“

„Das war wieder dumm. Sie hätten ganz still stehen bleiben und lauschen sollen.“

„Ja, nun können Sie uns gute Regeln geben! Wären Sie aber dabei gewesen, so hätten Sie ebenso geschrieen wie wir!“

Laut schreiend und rufend rannte er wieder fort. Der Bruder aber setzte sich zu uns und ließ sich Aufklärung geben; er billigte unser Verhalten und sagte.

„Wir sind nicht seine Obrigkeit, seine Richter. Befänden wir uns in der Nähe bewohnter Orte, so würde ich beantragen, ihn der Gerechtigkeit zu überliefern; da wir das nicht können, müssen wir ihn laufen lassen. Ich bin überzeugt, daß er der Strafe nicht entgeht.“

„Und sind Sie einverstanden, daß wir mit ihm zusammentreffen und mit ihm nach der Pampa de Salinas gehen?“

„Ja. Um des Zweckes willen müssen wir uns seine Gegenwart gefallen lassen. Ich bin überzeugt, daß der ermordete Padre die Kipus und Zeichnungen seinem Kloster hat überbringen wollen. Dieses letztere ist durch den Sendador beraubt worden, und wir werden uns bemühen, den Verlust wieder einzubringen. Mich wundert es, daß die Indianer sich so ruhig verhalten. Sie scheinen das Schreien gar nicht zu hören, sonst wäre ein Ausfall möglich.“

„Keiner hat es gewagt, sich am Ausgange zu zeigen.“

„O doch. Ich sah einen, welcher zu rekognoscieren schien.

Er mußte den Sendador sehen, welcher sich eben sitzend aufgerichtet hatte.“

„Warum sagten Sie es nicht?“

„Weil Sie auf den armen Teufel geschossen hätten, was mir doch leid gethan hätte.“

„Ich hätte nur dann geschossen, wenn seine Absicht eine für uns gefährliche gewesen wäre. Übrigens horchte der Sendador fast unausgesetzt nach dem Keller. Haben Sie das nicht bemerkt?“

„Ja. Es schien, als ob er von dort her Hilfe erwarte.“

„Das dünkte mir auch so, zumal er einige Worte fallen ließ, welche vermuten ließen, daß er für seine Freiheit und sein Leben nicht allzu sehr besorgt sei. Er sagte sogar ganz offen, daß er nicht ganz so hilflos sei, wie wir meinten.“

„Sollte der Keller doch noch einen zweiten Ausgang haben?“

„Pena verneinte es.“

„Darauf gebe ich nichts. Die Indianer, welche hier daheim sind, müssen das alte Gemäuer besser kennen als er. Wie leicht können sie einen solchen Ausweg verborgen haben, daß er gar nicht zu sehen ist!“

„Das ist wahr. Wir müssen einmal rekognoscieren. Wir sind das der Rücksicht auf die vergifteten Pfeile schuldig, vor denen ich allen Respekt habe. Gehen Sie mit?“

„Wohin?“

„In den Treppengang können wir nicht. Das hinabrollende Steingeröll würde uns verraten. Aber zu den Seitenlöchern können wir gehen. Mir scheint überhaupt, als ob kein Rauch mehr aus den Öffnungen komme.“

„Das Material zum Feuern wird ihnen ausgegangen sein. Kommen Sie!“

„Ja, aber vorsichtig. Wir müssen immer das Schlimmste annehmen. Giebt es je einen zweiten Ausgang, so ist es leicht möglich, daß sie irgendwo liegen und uns beobachten.“

Die Yerbateros blieben zurück. Wir beide verließen das Feuer und traten in das Dunkel zurück, um von da aus nach der Seite zu gelangen, an welcher das eine der Kellerlöcher lag.

Wir duckten uns auf den Boden nieder und schlichen langsam und unhörbar vorwärts. Es war nicht leicht, ohne Geräusch fortzukommen, da überall die Mauertrümmer umher lagen. Das Loch war ungefähr sechzig Schritte von unserem Feuer entfernt.

Als wir es erreichten und hinab in den Keller blicken wollten, sahen wir nichts. Es war dunkel.

„Ob sie nur wegen Mangels an Feuermaterial kein Feuer brennen?“ fragte ich. „Oder sind sie gar nicht mehr unten?“

„Das wäre gefährlich.“

„Ja. Wir sind übrigens nicht weiter als nur bis zu diesen Löchern gekommen. Bleiben Sie zurück! Ich will einmal weiter forschen.“

„Hüten Sie sich! Es ist zu gefährlich. Nehmen Sie mich lieber mit!“

„Danke! Allein bin ich sicherer. Übrigens wissen Sie ja, daß ich mich auf das Anschleichen verstehe. Legen Sie sich hinter die Steine, und stehen Sie vor meiner Rückkehr nicht auf!“

Ich schob mich längs der alten Mauer fort, lange, ohne etwas zu bemerken. Dann aber war es mir, als ob die Laute flüsternder Stimmen an mein gespanntes Ohr drängen. Ich horchte. Richtig, vor mir wurde leise gesprochen. Dabei war es, als ob hier und da ein Stock leicht auf den Boden gestoßen werde. Sollte das von den Blasrohren stammen? Das wäre höchst bedenklich gewesen.

Obgleich ich wußte, daß ich mein Leben wagte, schob ich mich noch weiter vorwärts. Bald war ich nahe genug, um zu erkennen, daß eine Menge Personen eng beisammen standen und flüsternd miteinander sprachen. Es waren die Indianer. Zum Deutlichsehen war es zu dunkel. Ich wußte aber nun genug. Die Aripones hatten auf uns unbekannte Weise den Keller verlassen und planten einen Überfall. Ich mußte mich beeilen, die Gefährten zu warnen.

Eben wendete ich mich um, als eine größere Bewegung mich veranlaßte, noch einmal nach der Gruppe zu blicken. Drei Gestalten trennten sich von ihr und schritten sehr langsam vorwärts, unserem Feuer entgegen. Ich bemühte mich, seitwärts von ihnen gleichen Schritt zu halten. Ich kam ihnen sogar ein wenig vor und erreichte den Bruder, welchem ich das Gesehene mitteilte. Ich zeigte ihm die Indianer, welche nun nicht mehr gingen, sondern auch krochen, weil das Feuer bis hierher leuchtete. Sie kamen in einer Entfernung von höchstens acht Schritten an uns vorüber. Gomez war dabei; ich erkannte ihn.

„Die andern werden Häuptlinge sein,“ flüsterte mir der Bruder zu.

„Dann wäre uns geholfen,“ meinte ich ebenso leise. „Wir würden uns ihrer bemächtigen und sie als Geiseln bei uns behalten.“

„Sehr gut! Wollen wir?“

„Ja, aber möglichst geräuschlos.“

Wir krochen leise, aber so schnell wie möglich weiter. Kehrten sie um, ehe wir sie erreichten, so wären wir entdeckt. Erst jetzt erkannte ich, wie unvorsichtig es von uns gewesen war, so offen und weithin sichtbar am Feuer zu sitzen. Die Indianer hätten uns alle einzeln mit ihren Pfeilen wegputzen können.

Der Bruder gab sich ebenso große Mühe, wie ich. Unser Nahen erregte nicht eine Spur von Geräusch. Jetzt waren wir da; er links von mir hinter Gomez, ich rechts von ihm hinter den beiden andern. Sie kauerten vor uns. Ich zielte mit den Händen nach den Hälsen und warf mich mit Gewalt vor. Es gelang mir, die Hälse zu umfassen und die Männer durch die Gewalt des Stoßes nach vorn, mit den Gesichtern zur Erde zu werfen. Auch dem Bruder glückte der Angriff. Eine viertel- oder halbe Minute lang hielten wir die drei nieder; sie bewegten konvulsivisch die Arme und Beine; nur ein leises Röcheln war zu hören; dann flüsterte mir der Bruder besorgt zu:

„Sennor, wir ersticken sie!“

„Nein, das Erwürgen geht nicht so rasch. Getrauen Sie sich, den Ihrigen so, wie Sie ihn gefaßt haben, bis zum Feuer zu schleifen?“

„Ja.“

„Dann schnell vorwärts!“

Den Hals des einen in der rechten, den des andern in der linken Hand, rannte ich, sie beide hinter mir herschleifend, dem Platze zu. Der Bruder folgte mir. Aber ich blieb nicht am Feuer stehen, sondern rannte noch ein Stück über dasselbe hinaus, wo ich meine Doppellast fallen ließ.

Die Yerbateros sprangen schnell auf und kamen herbei, nicht wenig darüber erstaunt, daß wir drei Indianer geschleppt brachten.

„Was ist geschehen? Wie kommen Sie zu diesen Leuten? Waren sie denn außerhalb des Kellers?“

„Ja. Bindet sie. Bringt auch unsere Gewehre vom Feuer her! Wir dürfen nicht dort sitzen bleiben.“

„Warum?“

„Weil uns die Roten dort sehen können; sie haben den Keller verlassen. Setzen Sie sich hier unter die Bäume, wo es ganz dunkel ist, und haben Sie, während ich mit Gomez rede, ein scharfes Auge auf die Ecke, um welche die Roten kommen müssen, wenn sie uns überfallen wollen! Sieben Büchsenschüsse genügen wohl, sie zurückzuhalten.“

Diesen Anordnungen wurde schnell Folge geleistet. Die beiden Indianer lagen gebunden da und starrten uns wortlos und nach Luft schnappend an. Der Schreck war noch nicht von ihnen gewichen. Der Bruder erklärte den Yerbateros in kurzen Worten, wie wir zu dem Fange gekommen waren.

Gomez war bei voller Besinnung, rang aber auch nach Atem. Ich hielt ihm mein Messer auf die Brust und sagte:

„Bleiben Sie liegen, und bewegen Sie sich nicht, sonst fährt Ihnen meine Klinge in das Fleisch! Sie kennen mich. Und beantworten Sie mir meine Fragen aufrichtig! Sie wissen, ich will Ihren Schaden nicht; aber wahr müssen Sie sein. Wie kamen Sie aus dem Keller?“

„Durch die verborgene Mauerlücke.“

„Ah so! Sie wollten uns überfallen?“

„Ja. Ich habe meinen Leuten aber das Versprechen abgenommen, niemanden zu töten.“

„Warum denn den Überfall, wenn Sie uns schonen wollten?“

„Um den Sendador zu befreien.“

„Sie hätten sich umsonst bemüht. Der Sendador ist geflohen.“

„Wie ist das möglich? Ihnen entkommt doch keiner!“

„Ich selbst habe ihm die Fesseln durchschnitten. Er ist mit meiner und der Yerbateros Erlaubnis geflohen; doch dürfen dies die andern, die ihn töten wollten, nicht wissen. Sie werden also auf alle Fälle einstweilen darüber schweigen.“

„Gern. Aber sagen Sie die Wahrheit?“

„Haben Sie schon einmal eine Lüge von mir gehört? Und horchen Sie! Die rufenden Stimmen da unten! Das sind unsere Gefährten, welche ihn suchen. Glauben Sie es nun?“

„Ja, Sennor. Aber wenn sie ihn nun wieder ergreifen?“

„Er wird wohl vorsichtig sein. Sie ersehen aus dem allen, daß ich es gut mit Ihnen meine.“

„Wenn das wahr ist, warum nehmen Sie uns gefangen?“

„Weil Sie uns überfallen wollten. Wir werden morgen diesen Ort verlassen und wünschen Frieden zwischen uns und euch. Wer sind diese beiden Indianer?“

„Sie sind Kaziken.“

„Also Häuptlinge? Sie sehen aber nicht so aus.“

„Sennor, die Aripones sind arm. Sie haben nicht das Vermögen, sich prachtvoll zu kleiden und mit Schmuck zu behangen. Der eine ist ein Friedens- und der andere ein Kriegshäuptling.“

„Sind noch mehrere Häuptlinge bei euch?“

„Nur noch ich; aber ich bin nur ein Unteranführer.“

„Gut! Ich will Ihnen einen Vorschlag machen. Wir behalten diese beiden Männer als Geiseln bei uns. Geschieht uns nichts, so lassen wir sie frei, wenn wir hier fortgehen. Haben wir aber im geringsten zu klagen, so stechen wir sie nieder und rotten auch euch aus. Sie wissen, daß ich Wort halte!“

„Sennor, man wird Ihnen nicht ein einziges Haar krümmen!“

„Auch unser Eigentum achten?“

„Ja.“

„Ich meine nicht nur uns allein, die wir jetzt hier sitzen, sondern auch alle diejenigen, welche zu dem Wagenzuge gehören.“

„So verstehe auch ich es.“

„Gut, dann sind Sie wieder frei. Kehren Sie zu Ihren Kriegern zurück, und teilen Sie ihnen mit, was ich Ihnen gesagt habe!“

Er war sichtlich froh. Indem er zögernd vom Boden aufstand, erkundigte er sich in zweifelndem Tone:

„Ich darf also wirklich gehen?“

„Ja, Gomez.“

„Sennor, ich erkenne wieder, daß Sie unser Freund sind. Sie sind ganz anders, viel anders als die hiesigen Weißen. Es muß in Ihrer Heimat freundlichere Menschen geben.“

„Gute Menschen giebt es überall, auch hier.“

„Das habe ich noch nicht erfahren. Ich habe meinen Leuten von Ihnen erzählt. Alle wollen Sie sehen. Wenn Sie es erlauben, so kommen wir, wenn es Tag geworden ist, zu Ihnen.“

„Das ist zu gewagt.“

„Wir werden offen, einzeln und unbewaffnet kommen. Und wenn Sie uns mißtrauen, so werden wir Ihnen vorher noch zehn unserer besten Männer senden, welche Sie als Pfand unserer Freundschaft behandeln mögen.“

„Das will ich gelten lassen. Kommen Sie aber vorher allein zu mir, damit ich mit Ihnen die Bedingungen besprechen kann, unter denen ich einen Besuch von so vielen Menschen erlauben darf!“

„Ich werde kommen; ja, wenn Sie es verlangen, so werde ich jetzt meine Leute benachrichtigen und dann als Ihr Gefangener zu Ihnen zurückkehren.“

„Nein, das will ich nicht, Gomez. Und damit auch diese beiden Häuptlinge, deren Sprache ich leider nicht kenne, nicht über ihr Schicksal in Sorge sind, so teilen Sie ihnen unser Abkommen mit. Sie werden gut behandelt werden und gutes Essen und Trinken erhalten.“

Er sprach mit ihnen, und ich sah, daß ihre besorgten, ängstlichen Gesichter sich aufhellten. Dann bemerkte ich noch:

„Wir werden jetzt diese Anhöhe verlassen und hinab zu den Wagen gehen, wo wir die Nacht zubringen wollen. Unsern Willen kennen Sie; handeln Sie nach demselben, so werden Sie nicht zu klagen haben. Gute Nacht, Gomez!“

„Sie werden mit uns zufrieden sein, Sennor!“

Er ging. Auch wir brachen auf, waren aber vorsichtiger, als vorhin Pena und Gomarra gewesen waren. Wir gaben den beiden Häuptlingen zwar die Füße zum Gehen frei, banden ihnen aber Riemen, die wir fest in den Händen hielten, um die Knöchel. So stiegen wir langsam die Höhe hinab. Der Schein der unten brennenden Feuer war unser Leiter.

Vielleicht war es unvorsichtig von mir, dem Versprechen des Indianers ein solches Vertrauen zu schenken; aber ich hatte eben die feste Überzeugung, daß er und seine Genossen dasselbe nicht täuschen würden. Hatten sie sich einmal in den Gedanken gefunden, daß sie nun auf die erwartete Beute verzichten mußten, so konnte es ihnen nur lieb sein, uns aus Gegnern in Freunde verwandelt zu sehen.

Als wir unten an dem Lagerplatze ankamen, fanden wir nur die Frauen und Kinder mit den Fuhrknechten vor. Die Männer waren noch abwesend, um die Umgegend nach dem entsprungenen Sendador zu durchsuchen, was bei der nächtlichen Dunkelheit ganz erfolglos sein mußte.

Die Frauen hatten natürlich erfahren, in welcher Gefahr sich ihre Männer befunden hatten, welchem Schicksale sie selbst verfallen gewesen waren und daß sie ihre Rettung nur uns zu verdanken hatten. Darum empfingen sie uns mit den Ausdrücken größter Dankbarkeit, die aber die beiden gefangenen Kaziken keineswegs auf sich beziehen durften; diese wurden vielmehr mit Blicken angeblitzt, welche alles, aber nur nicht freundlich waren. Wir machten sie mit dem Übereinkommen bekannt, welches wir mit den Indianern getroffen hatten, und darauf erfreuten sich die beiden Häuptlinge einer wenigstens nicht ganz feindseligen Behandlung seitens der Frauen.

Es verging längere Zeit, ehe die Suchenden zurückkehrten; sie kamen einzeln, einer nach dem andern. Der vorletzte Pena, der letzte Gomarra. Die beiden waren am zornigsten über das Entkommen des Sendadors und hatten sich infolgedessen die meiste Mühe gegeben, seiner wieder habhaft zu werden. Besonders befand Gomarra sich in einem Zustande größter Wut.

„Wir hatten ihn!“ knirschte er. „Wir hatten ihn sogar fest! Ich brauchte dem Mörder meines Bruders nur das Messer zwischen die Rippen zu stoßen, so war der Mord gerächt. Und nun ist er uns wieder entkommen! Sennor, daran sind Sie schuld!“

Er richtete diese Worte an mich; darum fragte ich im Tone der Verwunderung:

„Ich? Wie kommen Sie auf diese ganz grundlose Idee?“

„Sie wissen es ebensogut wie ich und wie die andern. Sie sind der große Menschenfreund, der selbst dem schlechtesten Kerl nichts zuleide thun will. Wäre es auf mich angekommen, so hätte ich diesen Erzhalunken sofort niedergestochen. Sie aber möchten einen solchen Kerl wie den größten Ehrenmann der Erde behandelt wissen, und der Erfolg einer solchen Dummheit ist dann, daß er die Flucht ergreift.“

„Ich will nicht mit Ihnen rechten, Gomarra, denn Sie sind aufgeregt; doch wenn Sie von Dummheit sprechen, so muß ich Ihnen sagen, daß ich Ihnen nicht die Erlaubnis gebe, das, was ich thue, in dieser Weise zu begutachten. Wenn Sie mich für einen dummen Menschen halten, so kann ich Ihnen nur den Rat erteilen, sich nach einem klügeren Kameraden umzusehen, mit welchem Sie Ihre Zwecke schneller und leichter erreichen als mit mir. Oder handeln Sie für sich allein! Ich zwinge Sie keinesweges, sich an meine Person zu binden.“

Er wollte zornig antworten, besann sich aber eines andern und setzte sich, während er mißmutig vor sich hin brummte, am Feuer nieder.

Die schlechte Laune der Leute wurde dadurch verstärkt, daß ich ein friedliches Abkommen mit den Indianern getroffen hatte; doch nahmen sie das ruhig hin, ohne sich darüber zu äußern. Sie erzählten einander, was sie jetzt in der Verfolgung des Sendadors geleistet hatten. Dabei stellte sich heraus, daß ihre Heldenthaten nur darin bestanden hatten, daß sie mit den Köpfen an die Bäume gerannt waren und sich die Hände und Gesichter an den Büschen zerrissen hatten, ohne einen Zipfel des Sendador zu sehen oder einen Hauch von ihm zu hören.

„Sie hätten dabei sein sollen, Sennor,“ sagte Pena zu mir. „Dann hätten wir ihn vielleicht doch erwischt.“

„Vielleicht? Nein, sondern ganz gewiß,“ antwortete ich.

„Oho!“ meinte Gomarra, welcher noch immer nicht die Herrschaft über seinen Zorn gewonnen hatte. „Wenn Sie Ihrer Sache wirklich so gewiß waren, warum haben Sie da nicht mitgesucht?“

„Weil er keine Zeit hatte,“ antwortete Pena an meiner Stelle. „Der Sennor mußte doch droben bei den Roten bleiben.“

„Und wenn das auch nicht der Fall gewesen wäre, so hätte er auch nichts gefunden. Bei dieser Finsternis war es unmöglich, ihn zu entdecken.“

„Nun, warum haben Sie ihn denn da gesucht?“ fragte ich.

„Weil wir zu eifrig waren. Oder sollten wir nicht wenigstens den Versuch machen? Wir konnten ja zufällig auf ihn stoßen. Sie behaupten auch mit so großem Selbstvertrauen, daß Sie ihn gewiß bekommen hätten!“

„Aber wenn und wie! Ich hätte seine Spuren gefunden, und wenn man diese einmal hat, so hat man auch sehr bald den Mann selbst.“

„Dazu ist noch immer Zeit!“

„Nein, denn Sie haben sie nun ausgetreten und verwischt. Wenn über zwanzig Personen in den Büschen herumgekrochen sind, so soll mir selbst der beste Fährtensucher sagen, welche Stapfen die richtigen sind! Und wenn er sie auch finden sollte, so gehen sie ihm gleich wieder verloren, da die Eindrücke anderer Füße ihn irre machen müssen.“

Er antwortete nicht weiter und drehte sich ab, um sich wortlos in seinen Grimm zu versenken. Derjenige, welcher die Sache am drolligsten nahm, war der Steuermann. Er saß stumm da, schüttelte nur immer mit dem Kopfe und zog allerlei Grimassen.

„Was haben Sie denn?“ fragte ich ihn.

„Einen Ärger habe ich, was denn sonst! Hätte ich nur Ihnen nicht gefolgt, sondern ihm zwei Rippen eingedrückt oder drei; dann hätte er es wohl unterlassen, davon zu laufen! Ich hatte ihn so hübsch zwischen diesen Händen!“

Er hielt mir seine Riesenhände hin und blickte sie betrübt an.

„Grämen Sie sich nicht!“ tröstete ich ihn. „Sie werden schon noch Arbeit für diese Quadratrutenhände bekommen. Wer weiß, wozu es gut ist, daß der Kerl vorläufig entkommen ist.“

Ich gab ihm einen heimlichen Wink, und er schwieg. Später setzte sich Turnerstick zu ihm und mir, und ich erklärte den beiden mit leiser Stimme, auf welche Weise dem Sendador die Flucht ermöglicht worden war. Sie waren nicht blutdürstig genug, meine Gründe zu verwerfen, sondern stimmten mir bei.

Das Abendessen wurde von allen wortkarg eingenommen, und die Nacht verlief, ohne daß sich etwas Bemerkenswertes ereignet hatte. Schon am frühesten Morgen, als der Tag kaum graute, kam Gomez in das Lager und fragte an, ob uns seine Indianer nun besuchen dürften. Wir gaben die Erlaubnis, daß nur fünfzehn, höchstens zwanzig Mann auf einmal kommen dürften, und dieser Bestimmung wurde streng Folge geleistet.

Die Karawanenleute hatten verschiedene Tausch- und Geschenksartikel mitgebracht, da vorauszusehen gewesen war, daß sie mit Indianern zusammentreffen würden, mit denen ein möglichst gutes Einvernehmen zu erzielen sei. Von diesen Vorräten empfing jeder eine Kleinigkeit, und diese Gaben stimmten die Roten so freundlich, daß wir alle Sorgen, welche wir in Beziehung auf sie etwa noch gehabt hätten, fallen lassen konnten. Sie wurden so zutraulich, daß wir die Erlaubnis zur gleichzeitigen Anwesenheit aller gaben, was sie in solche Freude versetzte, daß sie, um uns ihre gute Gesinnung zu beweisen, alle ihre vergifteten Pfeile in das Feuer warfen.

Die gute Stimmung mußte ausgenutzt werden. Auf meinen Rat wurde Zucker, Rum und anderer Branntwein hervorgesucht und in den auf dem Wagen mitgebrachten Feldkesseln ein tüchtiger Grog gebraut, dessen Genuß die Roten so entzückte, daß die beiden Kaziken, deren Fesseln wir gelöst hatten, den Ansiedlern den Vorschlag machten, mit ihnen ein heiliges Schutz- und Trutzbündnis zu schließen, was natürlich sehr gern angenommen und unter dem gebräuchlichen und bindenden Ceremoniell vollzogen wurde.

Nun waren die vorherigen Feinde in sichere Freunde umgewandelt. Die Roten sahen ein, daß ein langer, steter und freundlicher Verkehr mit den Weißen, welche vielleicht für immer da blieben, ihnen mehr Nutzen bringen werde, als eine einmalige Beraubung derselben, und dachten nun gar nicht mehr daran, nach dem Sendador zu suchen und sich zur Ausführung seiner Pläne herzugeben.

Gomez machte den Dolmetscher. Es wurde eine Sitzung abgehalten, deren Erfolg der war, daß die Indianer versprachen, die Weißen zu begleiten, sie zu beschützen und ihnen in allem behilflich zu sein. Die letzteren waren über ihr für einstweilen vorgestrecktes Ziel hinausgekommen. Sie hatten zunächst nur bis an die früheren Ansiedelungen gewollt und waren nur durch den Sendador gezwungen worden, bis zu dem Orte, an welchem sie sich jetzt befanden, vorzugehen. Aus diesem Grunde mußten sie sich natürlich entschließen, zurückzufahren.

Hatten sie sich gestern abend nur schwer zu einer milden Beurteilung der Indianer bewegen lassen, so freuten sie sich jetzt, ein so gutes und vorteilhaftes Einvernehmen mit ihnen erzielt zu haben. Um so weniger aber zeigten sie sich geneigt, den Sendador durchschlüpfen zu lassen. Sie schworen ihm Rache und gelobten, ihn umzubringen, falls er sich wieder in ihrer Nähe blicken und ergreifen lasse, und forderten uns auf, ihn schleunigst zu verfolgen und, falls wir ihn träfen, unschädlich zu machen.

Dann wurden die Wagen umgelenkt und bespannt, und die Karawane kehrte, von den Aripones begleitet, auf demselben Wege, auf welchem die Karren gestern gekommen waren, nach dem vorigen Halteplatze zurück.

Pena und Gomarra waren während der letzten Stunden nicht im Lager gewesen; sie hatten sich aufgemacht, um nach der Fährte des Sendadors zu suchen. Also waren nun nur noch diejenigen Personen vorhanden, welche von mir in das Vertrauen gezogen waren und ihre Zustimmung gaben, den Sendador wenigstens einstweilen noch zu schonen, um mit ihm nach der Pampa de Salinas zu gehen. Sie mußten mir durch Handschlag versprechen, gegen Gomarra und Pena nicht zu verraten, daß ich dem berüchtigten Führer den Riemen durchschnitten hatte, um ihm die Freiheit zu geben.

„Aber nun stehen wir vor einer sehr schwierigen Frage,“ sagte der Frater, „und ich kann mir keine befriedigende Lösung derselben denken. Pena und Gomarra haben natürlich die Absicht, bei uns zu bleiben. Sie wollen aber den Sendador haben und brennen darauf, ihn zu bestrafen. Wir aber wollen mit ihm reisen. Wie wird das in Einklang zu bringen sein?“

„Das ist allerdings eine Schwierigkeit, welche nicht leicht zu überwinden ist,“ antwortete ich.

„Wollen wir ihnen sagen, wie die Sachen stehen?“

„Nein, wenigstens jetzt noch nicht. Pena würde sich wohl beruhigen lassen, Gomarra aber nicht.“

„Oder wollen wir uns von ihnen trennen?“

„Nein. Das wäre nicht recht und gut gehandelt, selbst wenn die beiden uns fremd wären. Pena aber ist ein Bekannter, ein früherer Gefährte von mir, gegen den ich unmöglich treulos handeln kann.“

„So sollen sie also bei uns bleiben; zugleich aber soll auch der Sendador zu uns stoßen. Ich verstehe nicht, die Sache einzurichten, und bezweifle auch, daß Sie das fertig bringen.“

„Ja, es ist unangenehm. Vielleicht ist es am besten, wenn wir die Sache jetzt gehen lassen, bis wir den Sendador treffen.“

„Nun, so giebt es Mord und Totschlag! Gomarra wird sofort über ihn herfallen.“

„Das bezweifle ich sehr, denn der Sendador wird nicht so plötzlich in unsere Mitte treten. Ich denke, er erwartet uns und giebt mir ein heimliches Zeichen, daß er da ist. Dann kann ich ihm ja sagen, daß Gomarra unversöhnlich ist, und werde hören, welche Vorschläge er mir in dieser Beziehung macht.“

„Er wird Ihnen sagen, daß wir Gomarra fortschicken sollen.“

„Das ist wahrscheinlich. Aber wir können auf diesen Vorschlag nicht eingehen. Ich mag nicht in dieser Weise gegen einen bisherigen Gefährten handeln. Und selbst wenn wir das thäten, glauben Sie, daß dadurch die Sache besser würde?“

„Nein.“

„Ich auch nicht, denn Gomarra würde uns nachschleichen, um den Sendador zu erschießen. Dieser würde das vermuten und also auf seiner Hut sein. Einer von beiden müßte fallen. Nein, ich halte es doch für das allerbeste, Pena und Gomarra die Wahrheit zu sagen.“

„Dann machen Sie sich nur auf Vorwürfe gefaßt, welche jedenfalls keine freundlichen sein werden.“

„Was das betrifft, so fürchte ich mich nicht. Ich werde sie mir gefallen lassen, so lange sie sich innerhalb der Grenzen derjenigen Höflichkeit bewegen, welche ich selbst in diesem Falle beanspruchen muß.&

jetzt kam Pena von der Suche zurück. Er machte ein mißvergnügtes Gesicht und sagte, sich an mich wendend:

„Sie haben recht gehabt. Wir waren dumm, als wir in den Büschen herumkrochen. Der Boden ist zertreten, und nun mag der Kuckuck entscheiden, welche Stapfen von den Füßen des Sendador herrühren.“

„Ich wußte, daß Sie vergeblich suchen würden.“

„Ich weiß es nun auch; aber ich habe nun doch wenigstens meine Schuldigkeit gethan. Es muß mich wundern, daß andere nicht ebenso denken.“

Er warf bei diesen Worten einen vorwurfsvollen Blick im Kreise umher.

„Es wundert Sie, daß wir so ruhig sitzen bleiben, ohne uns in der Weise wie Sie zu bemühen?“

„Selbstverständlich! Ihnen scheint es sehr gleichgültig zu sein, ob der Kerl entkommt oder nicht!“

„O nein. Aber wir haben zwei triftige Gründe, uns die Mühe des Nachforschens gar nicht erst zu geben.“

„Welche wären das?“

„Der eine Grund bezieht sich auf die Zeit. Sie haben auf der Strecke, welche Sie durchsuchten, die Spuren verwischt. Um sie doch noch zu finden, müßte man in einer sehr weiten Kreislinie um das Lager gehen, Schritt für Schritt, jeden Zoll breit des Bodens genau untersuchend. Das kann von jetzt bis zum Abend dauern, ohne daß wir unsern Zweck erreichen. Und selbst wenn das Glück uns so günstig wäre, daß es uns einen Fußeindruck zeigte, so wird der Sendador so klug gewesen sein, späterhin ein Terrain aufzusuchen, auf welchem er keine Fährte hinterläßt. Selbst wenn er über grasigen Boden gegangen ist, werden sich die Halme, bis wir kommen, wieder aufgerichtet haben. Wir würden also unsere Zeit verschwenden, ohne einen Erfolg zu haben.“

„Das ist wahr; ich sehe es auch ein. Und nun Ihr zweiter Grund?“

„Der ist noch viel triftiger als der erste. Wir wissen nämlich, daß wir den Sendador ganz gewiß treffen werden.“

„O!“ rief er verwundert aus. „Wo?“

„Hier in diesem Flußbette, aufwärts von hier. Er selbst hat es uns gesagt.“

„Wie! Gesagt? Er selbst?“

„Ja. Er hat es uns sogar fest versprochen.“

„Sennor, Sie machen Spaß!“

„O nein. Ich habe mit ihm das Abkommen getroffen, daß er wieder zu uns stößt.“

„Das – das soll ich glauben?“

„Ja. Setzen Sie sich nieder; ich will es Ihnen erzählen.“

Er folgte dieser Aufforderung. Kaum aber hatte ich meinen Bericht begonnen, so stand er langsam wieder auf, stellte sich vor mich hin und sah mich, während er mir zuhörte, mit großen, erstaunten Augen an. Als ich dann fertig war, erwartete ich, daß er losbrechen werde; er aber setzte sich mit ebenso langsamen Bewegungen, wie er aufgestanden war, wieder nieder und fragte in ruhigem Tone:

„Und die Sennores hier sind alle einverstanden gewesen?“

„Alle.“

„So muß ich schweigen und mich fügen, denn die Mehrheit ist gegen mich. Wissen Sie wohl, lieber Landsmann, daß ich Sie bisher für einen klugen Menschen gehalten habe?“

„Nur bisher?“

„Ja, nur bis heute! Nun aber ist’s aus! Solches Ungeziefer muß ausgerottet werden, wo und sobald man es trifft. Daß Sie ihm die Freiheit wiedergegeben haben, ist wohl der größte Bock, den Sie in Ihrem Leben geschossen haben.“

„Möglich! Mag es ein Fehler sein, so glaube ich doch, ihn verantworten zu können.“

„Ein Fehler war es jedenfalls. Denn glauben Sie wirklich, daß er sich wieder sehen lassen wird?“

„Ja. Es liegt in seinem Interesse, mich mit nach der Pampa de Salinas zu nehmen.“

„Sie, aber nicht uns. In seinem Interesse liegt es vielmehr, alle Zeugen und Mitwisser seiner Thaten unschädlich zu machen. Wir mögen nur schleunigst diesen Ort verlassen, denn ich bin überzeugt, daß er sich in unserer Nähe umhertreibt, um uns heimlich wegzuputzen.“

„Er hat keine Waffen!“

„Pah! Was heißt Waffe! Ein Knüppel ist auch eine Waffe, mit welcher er, wenn ein einzelner sich von den übrigen entfernen sollte, ihn niederschlagen kann. Nimmt er dann dem Toten das Gewehr, so hat er, was er braucht, und kann uns alle nacheinander in die Ewigkeit befördern.“

„Wer soll ihm dann die Pläne und die Kipus entziffern?“

„O, Sie läßt er leben – Sie allein!“

„In diesem Falle würde es ihm unmöglich werden, meiner Rache zu entgehen und mich zu zwingen, ihm zu Diensten zu sein.“

„Was wollen Sie machen, wenn er Sie überfällt, überwältigt und zwingt, mit ihm zu gehen!“

„Papperlapapp! Wie will er es fertig bringen, mich in solche Entfernungen mit sich zu schleppen! Selbst wenn es mir unmöglich wäre, mich zu befreien, würde jede Begegnung mit anderen Leuten ihm verderblich sein. Sie vergessen, daß der Weg später durch bewohnte Gegenden führt.“

„Die er aber vermeiden kann. Sie hätten ihn festhalten sollen, selbst wenn Sie ihn nicht töten wollten. Entweder konnten wir mit ihm nach der Pampa de Salinas, um ihn dort zu zwingen, uns die Orte zu zeigen, an denen er die Kipus und die Pläne vergraben hat, oder wir übergaben ihn der Obrigkeit, die wohl kurzen Prozeß mit ihm gemacht haben würde.“

„Sie mögen recht haben; ich kann Ihre Ansicht nicht widerlegen, denn es ist eben eine Ansicht, und da kann nur der Erfolg entscheiden, ob sie richtig oder falsch ist; aber es ist nun einmal geschehen, und wir können es nicht ändern.“

„Vielleicht doch noch! Wenn er wirklich so dumm oder so vertrauensselig sein sollte, sich uns zu stellen, so nehmen wir ihn fest und befolgen das, was ich Ihnen jetzt gesagt habe.“

„Das geht nicht, weil ich ihm mein Wort gegeben habe.“

„Unsinn! Einem Mörder, einem solchen Verbrecher und gefährlichen Menschen braucht man das Wort nicht zu halten!“

„Doch! Wenn man nämlich damit keine Ungesetzlichkeit begeht. Ich habe ihm die Freiheit zugesagt und werde nicht gegen diese Zusage handeln.“

„Nun, mein Wort sollen Sie hiermit haben, da ich mich als Ihren Freund betrachte und mich also nicht mit Ihnen veruneinigen will. Ob aber Gomarra sich ebenso bereitwillig finden läßt, das bezweifle ich sehr. Sie mögen es versuchen!“

Er wendete sich ab und war nun nicht mehr zu sprechen. Doch konnte ich die Überzeugung hegen, daß er nichts thun werde, was gegen meinen Willen sein würde. Kurze Zeit später kam auch Gomarra zurück. Man sah es ihm an, daß er sich in der schlechtesten Laune befand. Die andern warfen mir heimlich bezeichnende Blicke zu, mit denen sie mir ihre Meinung kundthaten, daß ich wohl einen schweren Stand haben würde. Er warf sein Gewehr zornig zur Erde und sagte:

„Es ist nichts! Der Teufel mag wissen, wohin der Kerl geflohen ist. Ich bin rundum gegangen und habe alles durchsucht, aber vergeblich. Ja, Fußspuren giebt es genug, aber welche sind die seinigen! Ich könnte mich vor Ärger erstechen oder vergiften, daß ich so albern gewesen bin, ihn entkommen zu lassen! Aber Sie,“ wendete er sich an mich, „verstehen die Spuren zu lesen. Sie müssen suchen; dann finden wir die richtige gewiß. Ich begreife nicht, daß Sie hier sitzen bleiben und nicht schon längst sich aufgemacht haben, uns zu helfen!“

„Ich hatte anderes zu thun und habe überhaupt die Absicht gar nicht, heute und hier nach dem Flüchtling zu forschen,“ antwortete ich.

Der Bruder, welcher glaubte, Gomarra werde ihn seines Standes wegen besser behandeln als mich, ergriff nun das Wort und erklärte ihm in kurzen Worten das Geschehene und die Gründe, die uns zu diesem Verhalten veranlaßt hatten. Gomarra stand wie eine Bildsäule, ohne zu sprechen. Einige Male bewegten sich seine Lippen, aber es schien ihm vor Aufregung unmöglich zu sein, ein Wort hervorzubringen. Die Farbe kam und ging auf seinem Gesichte, und das Blut drang ihm nach dem Kopfe, so daß die Äderchen seiner Augen sich dunkelrot färbten. Aber als der Bruder geendet hatte, brach der leidenschaftliche Mann los:

„Alle tausend Teufel! Das hat man hinter meinem Rücken gethan! Ohne mich um die Erlaubnis zu fragen! Bruder, ich ermorde Sie! Glauben Sie etwa, weil Sie eben ein Bruder sind, werde ich Ihnen das so hingehen lassen? Sie haben den Sendador entkommen lassen. Sein Blut entgeht mir. Ich fordere dafür das Ihrige!“

Er raffte seine Flinte wieder auf und spannte den Hahn. Ich saß mit ausgestreckten Beinen da. Jetzt zog ich das eine an den Leib, um mich zum blitzschnellen Aufspringen bereit zu machen, denn diesem jähzornigen Menschen war es mit seiner Drohung vollständiger Ernst.

„Beherrschen Sie sich!“ rief ihm der Bruder zu. „Wie können Sie von Blutvergießen sprechen! Sie befinden sich nicht in einem Matadero-Schlachthofe. Sie haben Menschen vor sich, aber keine Rinder!“

„Das ist mir gleich, Mensch oder Rind! Ich will Blut für Blut und frage, wer der Urheber dieses listigen und heimtückischen Anschlages gewesen ist! Gewiß, der Deutsche da, der alle Halunken lieber umarmen als bestrafen möchte!“

Der Bruder wollte antworten, gewiß, um die Schuld auf sich zu nehmen; ich aber kam ihm zuvor und sagte:

„Ja, ich war es; es war mein Wille, und die anderen Sennores haben denselben befolgt.“

Da wurde sein Gesicht dunkelrot; er that einen katzenartigen Sprung auf mich zu, blieb dann stehen, richtete den Lauf des Gewehres auf mich und schrie:

„Du also, du warst es, Hund von einem Fremden! Du hast dem Mörder meines Bruders die Freiheit gegeben! Fahre hin!“

Er drückte ab. Aber mein Auge hatte an seinem Zeigefinger gehangen. Sobald dieser den Drücker suchte und die letzten Worte ertönten, schnellte ich mich auf und zur Seite. Der Schuß krachte; die Kugel ging an mir vorüber und hinter der Stelle, auf welcher ich gesessen hatte, in die Erde; desto sicherer aber traf meine Faust ihr Ziel. Ich schlug den Kerl auf den Kopf, daß er wie ein Sack zusammenbrach und regungslos liegen blieb.

Einen solchen Mordanfall hatte keiner erwartet; sie sprangen alle auf und fragten, ob ich verwundet sei, denn wir fanden erst später die Stelle, an welcher die Kugel in den Boden gedrungen war. Man beruhigte sich erst dann einigermaßen, als man vernahm, daß ich nicht getroffen worden sei. Ich nahm Gomarra das Messer, damit er kein Unheil mit demselben anrichten könne; die Flinte wurde natürlich auch entfernt, und dann warteten wir, daß er zu sich komme.

Es verging eine ziemlich lange Zeit, ehe er sich wieder zu bewegen begann. Er griff mit der Hand nach der Gegend des Kopfes, welche ich getroffen hatte; dann öffnete er die Augen und blickte im Kreise umher. Als sein Auge auf mich fiel, kam das volle Bewußtsein schnell über ihn. Er sprang auf und rief:

„Du lebst noch, Elender! Habe ich dich nicht getroffen? So werde ich – – –“

Er wollte sich bücken, um Pena, welcher ihm am nächsten saß, das Gewehr zu entreißen und auf mich anzulegen; ich aber nahm ihn schneller noch, als er war, beim Halse und beim Gürtel, hob ihn empor und warf ihn zu Boden, daß man glauben konnte, er habe alle Glieder gebrochen. Dennoch raffte er sich auf, griff nach dem Gürtel, und da er sein Messer nicht dort fand, warf er sich mit ausgestreckten Händen mir entgegen. Ich hob das rechte Bein auf und stieß es vorwärts; der Tritt traf ihn an den Leib und warf ihn wieder zur Erde nieder. Dann aber kniete ich auf ihm, nahm ihn beim Halse und drohte:

„Wollen Sie wohl Ruhe geben, Sie wahnsinniger Mensch! Soll wirklich Blut fließen, dann ist’s doch nur das Ihrige! Oder bilden Sie sich wirklich ein, gegen mich aufkommen zu können?“

Vorhin hatte ich gar wohl bemerkt, daß die Gründe, welche Pena in so ruhiger Weise gegen mich vorbrachte, bei meinen Gefährten Wurzel faßten. Aber wenn sie durch dieselben beinahe zu der Ansicht bekehrt worden waren, daß er recht und ich unrecht hatte, so brachte jetzt das wütende Verhalten Gomarras sie wieder auf meine Seite. Sie rieten mir, ihn zu fesseln; ich aber ging nicht darauf ein. Ich untersuchte, während ich ihn mit den Knien und einer Hand festhielt, seine Taschen, nahm ihm die Munition ab und zog ihn dann in die Höhe, so daß er auf die Füße zu stehen kam. Dann sagte ich ihm:

„Sie haben nach mir geschossen; ich kann Sie nicht mehr in meiner Nähe dulden. Wir sind fertig miteinander. Ihr Gewehr und Ihr Messer werden Sie zurückerhalten; die Munition aber bekommen Sie nicht wieder, damit Sie nicht auf den Gedanken kommen können, abermals auf mich zu schießen.“

Er schnappte eine Weile nach Atem, denn das Sprechen wurde ihm schwer. Ich dachte, er werde entweder wieder zu schelten anfangen oder gute Worte geben. Er that aber keines von beiden. Sein Gesicht nahm einen trotzigen Ausdruck an, und in eben solchem Tone sagte er:

„Wovon soll ich leben, wenn ich mir nichts schießen kann!“

„Machen Sie sich an die Karawane, welche Sie bald einholen können. Dort erhalten Sie Pulver und Blei, und ehe Sie, von der Rache getrieben, hierher zurückkommen, sind wir bereits in Sicherheit vor ihren Kugeln.“

Ich gab ihm sein Messer und seine Flinte; er nahm beides aus meinen Händen und sah mir dabei in das Gesicht. Einen Augenblick lang war es, als ob ihn eine milde Regung übermannen, als ob er ein bittendes Wort sagen wolle; aber es kam nicht über seine Lippen. Er drehte sich um und schritt, ohne ein Wort zu sagen, in der Richtung davon, die ich ihm angedeutet hatte.

Einige Minuten lang herrschte tiefes Schweigen unter uns; dann sagte Pena:

„Bedauern wir ihn nicht! Er hat es nicht besser verdient. Er kann sein indianisches Blut nicht beherrschen und gehört nicht unter vernünftige Leute.“

„Haben Sie keine Sorge,“ meinte der Bruder. „Der Mann kommt wieder.“

„Dieser Meinung bin auch ich. Er wird ein Stück fortgehen, um dann zurückzukehren und um Verzeihung zu bitten,“ stimmte ich bei.

„Werden Sie ihn wieder aufnehmen?“ erkundigte sich der Bruder.

„Ja.“

„Ich rate Ihnen allen Ernstes davon ab. Ich kann nicht glauben, daß er von seiner Rachsucht und Mordgier lassen kann.“

„Eben deshalb nehme ich ihn wieder auf. Es ist besser, wir haben ihn unter unsern Augen, als daß er hinter unserem Rücken handelt. Beaufsichtigen wir ihn, so ist es uns viel leichter möglich, zu verhüten, daß er uns Schaden thut.“

Man gab mir recht. Wir warteten wohl noch eine Stunde, aber er kehrte nicht zurück. Wir schienen uns also getäuscht zu haben. Da wir aber seinetwegen nicht die Zeit nutzlos verschwenden wollten, so beschlossen wir, nun aufzubrechen. Wir hatten die Pferde seitwärts von uns an Büsche gebunden, von deren Zweigen sie fressen konnten. Als wir nun zu ihnen traten, sahen wir – – Gomarra bei ihnen am Boden sitzen. Als er uns kommen sah, stand er von der Erde auf und sagte in bittendem Tone zu mir:

„Sennor, ich habe unrecht gehandelt und bitte Sie um Verzeihung! Werden Sie mich wieder aufnehmen?“

„Damit ich abermals in Lebensgefahr gerate? Nein!“

„Es war nicht so bös gemeint!“

„Nicht so bös gemeint? Sie sind wirklich ein ganz unsinniger Mensch! Diese Ausrede könnten Sie vielleicht machen, wenn Sie das Gewehr bloß auf mich angelegt hätten, ohne aber zu schießen. Sie haben aber aus einer Entfernung von nur drei Schritten auf mich abgedrückt und trafen nur deshalb nicht, weil ich auf meiner Hut gewesen war und mich im richtigen Augenblicke zur Seite warf. Hätte ich das nicht oder nur einen Moment zu spät gethan, so wäre ich jetzt eine Leiche. Und das nennen Sie nicht bös gemeint? Daß es Ernst war, konnte jeder sehen, und daß Sie nicht scherzten, haben Sie bewiesen, indem Sie nach Ihrem Erwachen so wütend waren, weil Ihre Kugel mich nicht getroffen hatte. Wenn Sie auch nun noch sagen wollen, daß es nicht bös gemeint gewesen sei, so sind Sie verrückt!“

„Sennor, es geschah in der Hitze, im Zorne!“

„So mäßigen und zähmen Sie sich! Was denken Sie denn eigentlich von sich, daß Sie es wagen, sich gegen mich aufzulehnen? Sie sind zwar nicht mein Diener, und ich bin nicht Ihr Vorgesetzter, nach dessen Befehlen Sie sich zu richten hätten; aber Sie dürfen mich nicht für einen Mann halten, der Angst vor Ihnen hat und sich von Ihnen zur Rede stellen läßt. Sie haben höflich und bescheiden zu sein, und wenn Sie das nicht wollen, so können Sie gehen, wohin es Ihnen beliebt. Und wenn Sie gar beginnen, mit Kugeln um sich zu schießen, dann schlage ich Sie eben nieder, so wie ich es gethan habe. Wenn ich Ihnen gestatte, wieder bei uns zu bleiben, so muß ich gewärtig sein, Sie wiederholen die Scene, und dann ist einer von uns beiden verloren, entweder Sie oder ich. Ich wenigstens würde Sie dann nicht etwa nur so treffen, daß Sie nur die Besinnung verlieren; es wäre vielmehr um Ihr Leben geschehen.“

„Sennor, ich gebe Ihnen mein festes Versprechen, mein heiliges Wort, daß ich gegen keinen von Ihnen die Hand wieder aufhebe!“

Er wendete sich mit seiner Bitte auch an die andern, und zwar in so dringlichem Tone, daß ich ihm endlich doch sagte:

„Unsere Entscheidung hängt davon ab, wie Sie gesonnen sind, sich gegen den Sendador zu verhalten.“

„Soll er denn wirklich ohne Strafe davonkommen?“

„Nein. Es ist gar nicht meine Absicht, ungerecht gegen Sie zu sein. Aber die Klugheit gebietet uns, mit ihm nach der Pampa de Salinas zu gehen. Bis dahin haben Sie Ruhe zu halten. Später können Sie thun, was Sie wollen.“

„Sie werden ihn dann nicht gegen mich in Schutz nehmen und auch nicht warnen?“

„Nein! Er wird sich schon ganz von selbst vor Ihnen in acht nehmen. Es kann mir nicht einfallen, Verbrecher vor der verdienten Strafe zu warnen.“

„Und Sie versprechen mir, daß er uns nicht entflieht, daß er bis zur Pampa de Salinas bei uns bleibt?“

„Das kann ich nicht versprechen. Uns wird er sein Wort halten. Stellen auch Sie sich zu ihm so, daß er sich sicher fühlt, so wird er bei uns bleiben. Sie sehen also, daß es ganz allein nur auf Sie ankommt.“

Er blickte finster vor sich nieder. Sein Gesicht war kein solches, wenigstens in diesem Augenblicke, dem man zutrauen kann, daß das gegebene Versprechen gehalten wird. Aber es hellte sich schnell auf, und in einem Tone, welcher vertrauenerweckend klingen sollte, sagte er:

„Nun wohl! Ich verspreche Ihnen, daß ich meine Rache aufheben will, bis Sie ihn nicht mehr brauchen. Dann aber werde ich keinen Augenblick länger warten. Nehmen Sie mich nun mit?“

„Ist Ihr Versprechen ehrlich gemeint?“

„Ja.“

„So werde ich es noch einmal versuchen. Sie können bei uns bleiben.“

„Dann müssen Sie mir aber auch meine Munition zurückgeben.“

Schon wollte ich ihm eine zustimmende Antwort geben, da fiel der Bruder ein:

„Nicht so schnell! Sie haben sich unser Vertrauen verscherzt und müssen es sich erst wieder erwerben, ehe wir Sie wieder als den guten Kameraden gelten lassen, der Sie uns bis jetzt gewesen sind. Sie hätten mit Ihrem Pulver und Blei beinahe ein Unheil angerichtet; Sie bekommen beides erst zurück, wenn Sie uns bewiesen haben, daß Sie wirklich willens sind, Ihr Versprechen zu halten.“

Die andern stimmten ihm bei. Gomarra warf ihm einen schnellen, finster drohenden Blick zu, den außer mir keiner zu bemerken und zu beachten schien, und antwortete dann in fast unterwürfiger Weise:

„Es mag geschehen, wie Sie wollen, Bruder Jaguar; ich sehe ein, daß ich es so und nicht anders verdient habe. Ich weiß aber, daß Sie mir Ihr Vertrauen bald wieder schenken werden.“

Damit war diese Sache abgemacht. Wir stiegen zu Pferde und ritten davon, indem wir dem Flußbette aufwärts folgten. Ich ritt mit dem Bruder voran und hielt den Blick scharf zur Erde gerichtet, um möglicherweise eine Fußspur des Sendador zu finden, doch vergeblich. Erst nachdem wir wohl zwei Stunden lang geritten waren, fiel mir auf, daß das Flußbett eine bedeutende Krümmung gemacht hatte. Darum antwortete ich dem Bruder, der sich darüber wundern wollte, daß nicht einmal ich die Fährte finde, die der Führer doch unbedingt zurückgelassen haben müsse:

„Sie ist hier überhaupt nicht zu finden. Er kennt die Gegend besser als wir und wird den Bogen, den wir geritten sind und wohl auch noch reiten, abgeschnitten haben. Die Krümmung unseres Weges zeigt nach links, nach Süden, folglich liegt sein Weg im Norden, rechts von uns, und er wird von dieser Seite gewiß wieder auf dieses Flußbett stoßen. Wenn wir gut aufpassen, werden wir seine Spur aus dieser Richtung auf die unserige stoßen sehen.“

„Das mag möglich sein. Hoffentlich bekommen wir ihn noch heute zu sehen!“

„Ich denke es.“

„Dann wollen wir ein scharfes Auge auf Gomarra haben. Ich traue ihm noch nicht.“

„Ich auch nicht. Meinen Sie etwa, daß er sich abermals an mir vergreifen werde?“

„Nein; das wird er nicht wagen, da Sie ihm eine solche Lehre gegeben haben; aber ich befürchte, daß er in Beziehung auf den Sendador sein Wort nicht halten wird.“

„Sie haben wohl auch den Blick gesehen, den er auf Sie warf, als Sie ihm die Munition versagten?“

„Nein.“

„Dieser Blick läßt nichts Gutes erwarten. Wir müssen diesen Mann scharf im Auge behalten, sonst wird er uns ernste Verlegenheiten bereiten.“

Wir hatten uns vorgenommen, nicht eher eine Ruhepause zu machen, als bis wir auf den Sendador trafen oder der Abend angebrochen war. Darum ging es immer vorwärts, bis mir am Spätnachmittage eine Stelle des rechten Ufers auffiel, welche ganz so aussah, als ob da ein Fuß ausgerutscht sei. Ich hielt an und stieg ab, um sie zu betrachten. Der Rand des Flußbettes war hier weniger hoch als bisher, aber steil. Man sah, daß hier jemand herabgestiegen und dann weiter gegangen war. Ich stieg mit dem Bruder hinauf. Zwischen den Bäumen, welche da standen, gab es weichen Boden, in welchem sich die Füße des Betreffenden eingedrückt hatten, so daß ein scharfes Auge die Spur nicht unschwer sehen konnte. Wir gingen auf derselben eine Strecke zurück, bis die Bäume sich nach einer kleinen, grasigen Pampa öffneten. Dort wurde die Spur deutlicher. Man sah den Strich, den die niedergetretenen Halme bildeten, sich dunkel von der Umgebung abheben.

„Ob das der Sendador gewesen ist?“ fragte der Bruder.

„Jedenfalls. Die Spur kommt ganz so, wie ich vermutet habe, von rechts her. Der Bogen, den wir gemacht haben, ist hier zu Ende, denn das Flußbett scheint sich nun scharf südwärts zu wenden. Daß diese Stapfen gerade hier auf unsern Weg stoßen, ist ein Zeichen, daß der Sendador die Gegend ganz ausgezeichnet kennt. Er hat diesen Punkt getroffen, ohne sich um einen Schritt nach rechts oder links zu irren. Vielleicht befindet er sich in solcher Nähe, daß er sieht, wie wir uns seine Fährte betrachten. Reiten wir langsam weiter!“

Wir beide kehrten nach dem Flußbette zurück und stiegen wieder auf. Schon nach wenigen Schritten zeigte es sich, daß ich ganz richtig vermutet hatte; der jetzt trockene Wasserweg bog scharf nach Süden ab. Wir hielten die Blicke aufmerksam nach beiden Seiten gerichtet, wo der Sendador jeden Augenblick erscheinen konnte. Seine Spur war ziemlich gut zu sehen; sie lief geradeaus in der Mitte unseres Weges fort; aber er konnte aus Vorsicht da, wo er das Regenbette verlassen hatte, um im Verborgenen auf uns zu warten, eine Strecke rückwärts gegangen sein, um uns zu beobachten, während wir ihn noch vor uns suchten.

So aufmerksam wir nach ihm forschten, er war nicht zu sehen; bald aber erblickten wir ein Zeichen von ihm. Am Stamme eines am rechten Ufer stehenden Baumes hing ein kleines, weißes Stück Papier. Alle sprangen von den Pferden. Jeder wollte der erste sein, um es herabzuholen. Monteso kam voran, nahm es weg und brachte es mir. Ich las die Worte:

„Noch zwei Tagereisen immerfort westlich auf meiner Spur weiter.“

Wir sahen einander an. Das hatten wir nicht erwartet. Warum ging er so weit voraus? Warum hatte er nicht hier auf uns gewartet? Er mußte einen Grund dazu haben; das verstand sich ganz von selbst.

„Ob er uns nicht traut?“ fragte der Bruder.

„Das wäre keine Erklärung,“ antwortete ich. „Wenn er uns hier nicht traut, wird er es zwei Tagereisen weiter auch nicht thun. Sein Grund ist sicherlich ein anderer.“

„Aber welcher?“

„Ja, wer das wüßte! Wollen einmal sehen, ob er eine gute Fährte zurückgelassen hat.“

Ich war im Sattel geblieben, stieg aber nun ab und ging zu dem Baume. Bis jetzt war das Gehölz uns stets gefolgt; nun aber ging es zu Ende, und wir sahen nur niedriges Buschwerk, welchem schon nach kurzem eine weite, unabsehbare Pampa folgte. Der Baum, an welchem der Zettel gehangen hatte, war der allerletzte, und von ihm führte eine jedenfalls mit Absicht tief ausgetretene Fährte zwischen die Büsche hinein.

„Durch das Betrachten dieser Spur werden Sie wohl nicht zu einer Antwort auf unsere Frage kommen,“ meinte Pena.

„Das ist wahr,“ gab ich zu. „Aber wie war denn der Zettel befestigt?“

„Er steckte an einem dünnen, halb abgebrochenen Ästchen. Ich hab‘ es noch hier,“ antwortete der Yerbatero. „Ich brach es vollends ab, um das Papier nicht zu zerreißen.“

„Zeigen Sie her!“

Der Yerbatero gab mir den Zweig, welcher ganz dürr und von der Stärke einer Stricknadel war. Ihn betrachtend, sagte ich:

„Das ist ein Ästchen der Aristolochia, welche sich da an der Böschung heraufwindet; der Baum aber ist ein Platano. Der Zweig ist also erst durch das Papier und dann in den Stamm gesteckt worden. Gab es denn in demselben einen Riß oder ein Loch?“

Ich untersuchte die Stelle und sah eine kleine, scharfrandige. Vertiefung, welche die Form eines Ausrufezeichens ohne Punkt hatte, oben breiter und unten spitz.

„Der Sendador hat ein Messer gehabt!“ rief ich verwundert aus.

„Sollten wir es nicht bei ihm gefunden haben?“ fragte Pena.

„Dann könnte es nur ein Taschenmesser, ein Einbieger sein, der nicht viel Platz wegnimmt und in eine kleine Tasche gesteckt werden kann. Nur in diesem Falle wäre es möglich, daß wir es übersehen hätten. Dieses Messer hat aber eine beinahe drei Zoll breite Klinge gehabt; so breit ist kein Taschen- oder Einschlagemesser. Es ist ganz gewiß ein Cuchillo mit fester Klinge gewesen, wenigstens zehn Zoll lang mit dem Griffe, und das hätten wir, als wir ihn durchsuchten, unbedingt gesehen.“

„So hat er es von irgend jemanden bekommen?“

„Ohne allen Zweifel! Es ist auf alle Fälle von Vorteil für uns, zu wissen, wen er getroffen hat. Ich reite auf seiner Spur zurück. Es fällt mir natürlich auf, daß er sie uns hat verbergen wollen.“

„Verbergen? Woraus schließen Sie das?“

„Daraus, daß er nicht an der Stelle geblieben ist oder dort den Zettel angeheftet hat, wo er aus der Pampa wieder auf unsern Weg traf. Er ist noch eine volle Viertelstunde lang auf demselben fortgegangen, um unsere Aufmerksamkeit nach vorn zu lenken und von rückwärts abzuziehen. So klug und erfahren er ist, hat er doch, indem er die Spitze des Messers in den Baum bohrte, eine große Unvorsichtigkeit begangen; denn nun wissen wir, daß er ein Messer bekommen hat. Er konnte das Papier auf andre Weise befestigen.“

„Es fragt sich, ob es wirklich von ihm ist. Es steht kein Name dabei.“

„Von wem soll es sonst sein? Es ist für uns bestimmt, und der Sendador hat es geschrieben. Sie bleiben alle hier, bis wir zurückkehren; der Bruder und Sennor Pena mögen mich begleiten.“

Wir drei ritten zurück, und zwar galoppierend, um so wenig Zeit wie möglich zu verlieren. An der Stelle, wo wir die Spur des Sendadors getroffen hatten, verließen wir das Flußbett und ritten auf die Pampa hinaus, um ihr dort zu folgen. Wir kamen durch Gesträuch, dann auf eine größere Prairie, auf welcher wir die Pferde aus allen Kräften laufen lassen konnten. Die Fährte lag deutlich vor uns; es wäre unmöglich gewesen, von ihr abzuweichen.

Von Zeit zu Zeit sah ich nach der Uhr, um die Entfernung schätzen zu können. Es verging eine Viertelstunde nach der andern; die Spur führte stets in gerader Richtung weiter, bis wir das Ende der Prairie erreichten. Wir waren eine volle Stunde geritten, und die Sonne berührte fast den Horizont. Aber wir befanden uns nun auch am Ziele, denn wir sahen, was wir gesucht hatten.

Vor uns lag wieder Wald, welchen ein Rand von Buschwerk einsäumte. Aus diesen Sträuchern war der Sendador gekommen, und zwar nicht allein. Es hatte sich eine zweite Person bei ihm befunden und sich hier von ihm getrennt. Der Sendador war südwärts gegangen, nach der Richtung, in welcher unser Flußbett lag, der andere aber nach Westen, den Büschen entlang, an welchen wir standen. Wir sahen seine Spur und untersuchten dieselbe. Der Mann war ein Indianer gewesen.

„Das ist bedenklich!“ meinte Pena. „Ich wollte lieber, daß es ein Weißer gewesen wäre.“

„Warum?“ fragte der Bruder. „Der Sendador hat diesen Mann ganz zufällig getroffen und ihn um sein Messer gebeten.“

„Ganz richtig! Aber wo im Gran Chaco ein Indianer ist, sind ganz gewiß noch mehr in der Nähe. Oder meinen Sie, daß ein Roter sein Messer, welches er so notwendig braucht, verschenkt, wenn nicht Genossen von ihm nahe sind, von denen er wieder eins bekommen kann? Auch giebt ein Indianer kein Messer her, ohne etwas anderes dafür zu erhalten. Der Sendador hatte nichts bei sich, folglich hat er ihm etwas versprochen. Und was kann er ihm versprochen haben? Doch wohl nur die Beute, die bei uns zu machen ist!“

„Sie denken das Schlimmste!“ entgegnete Frater Hilario.

„Das ist hier besser als das Beste denken und dann das Schlimme erleben,“ antwortete Pena. „Wenn der Sendador hier rote Freunde findet, so hat er es nicht nötig, sich schutzlos in unsere Hand zu geben. Wir haben dann nicht nur nichts vor ihm voraus, sondern er ist uns vielleicht sogar überlegen. Auf diesem Papiere fordert er uns auf, zwei Tagereisen weit nach Westen zu reiten. Wie nun aber, wenn diese roten Freunde sich eben zwei Tagereisen von hier befinden?“

„Meinen Sie, daß der Mann, dessen Spur wir hier sehen, sich ganz allein so weit von den Seinen entfernt?“

„Warum soll das nicht möglich sein? Wer weiß, was er vorgehabt hat. Nur auf diese Weise ist es erklärlich, daß der Sendador uns so weit hinter sich herziehen will. Oder haben Sie vielleicht eine andere Erklärung?“

„Ja.“

„Dann bin ich neugierig, sie zu hören!“

„Sie ist sehr einfach. Der Sendador weiß, daß uns viel daran liegt, mit ihm nach der Pampa de Salinas zu gehen. Wir sind ihm also nicht gefährlich, wenigstens so lange nicht, bis wir dort unsern Zweck erreicht haben. Anders aber ist es mit den Männern, die er nach der Insel gelockt hat. Diese haben nicht das mindeste Interesse daran, daß er leben bleibe; sie können nur wünschen und beabsichtigen, sich an ihm zu rächen. Darum muß er bemüht sein, so weit wie möglich von ihnen fortzukommen. Bis dahin, wo wir den Zettel fanden, könnten diese zwanzig Männer uns begleitet haben, um ihn dort zu fassen; aber weiter gehen sie auf keinen Fall mit, da sie ihre Weiber und Kinder unmöglich so lange Zeit in der gefährlichen Wildnis allein lassen können. Darum hat der Sendador uns gar nicht erwartet; er ist gegangen, und zwar je weiter, desto besser. Wir folgen ihm zwei Tagereisen weit, die zwanzig aber sicher nicht. Dies ist der einzige Grund, daß er heute unser Kommen nicht abgewartet hat.“

„Hm! Ich glaube nicht daran. Was meinen Sie dazu, Sennor?“ fragte mich Pena.

„Ich gebe weder dem einen noch dem andern recht,“ antwortete ich. „Beide belegen ihre Ansicht mit Gründen, welche triftig sind. Die Folge allein kann zeigen, wer recht hat. Der Sendador weiß nur allzugut, daß wir seine Feinde sind und daß es einen oder einige unter uns giebt, von denen er keine Gnade zu erwarten hat; es ist also sehr leicht möglich, daß er uns eine Falle legt. Wir müssen vorsichtig sein.“

„Und zwar sehr! Sie sehen also wohl ein, daß es unrecht war, ihn entkommen zu lassen. Wir befinden uns unbedingt in Gefahr, was nicht der Fall wäre, wenn wir ihn noch bei uns hätten. Was also thun? Wir wollen und müssen ihn haben und sind also gezwungen, seiner Aufforderung Folge zu leisten.“

„Ja, das werden wir. Reiten wir zurück. Wir haben hier nichts mehr zu thun.“

Die Sonne war verschwunden, und es dämmerte stark. Wir jagten über die Pampa hin, ohne zu befürchten, daß wir die Spur verlieren und uns verirren könnten. Wenn wir sie nicht mehr sahen, so durften wir uns auf die Pferde verlassen, welche gewiß nicht von der Richtung wichen, wenn wir sie nicht dazu zwangen. Dieses Vertrauen wurde auch nicht zu Schanden. Wir erreichten das Flußbett genau an der Stelle, an welcher wir es verlassen hatten. Die einzige Schwierigkeit bestand darin, in der Dunkelheit die steile Böschung hinabzukommen; dann, als diese überwunden war, ging es wieder aufwärts, bis wir die Gefährten erreichten.

Diese hatten nicht gewagt, ein Feuer anzubrennen; als sie aber hörten, daß wenigstens für heute keine Veranlassung zu allzu großer Vorsicht sei, wurde eine Flamme angefacht und, während wir schliefen, von der ausgestellten Wache unterhalten. Die Pferde waren an die Büsche gebunden, von denen sie fressen konnten, bis wir am Morgen aufbrachen.

Die Spur des Sendadors war so kräftig eingetreten, daß wir sie noch deutlich sahen, als der Tag angebrochen war. Wir folgten ihr mit möglichster Schnelligkeit, um ihn vielleicht noch vor der bestimmten Zeit einzuholen, was wir aber, wie sich bald zeigte, aufgeben mußten.

Wir hatten sieben Stunden gelagert; diese Zeit war für uns verloren, denn es stellte sich heraus, daß der Sendador die ganze Nacht hindurch gegangen war. Wir kamen ihm zwar leidlich nahe, denn als der Tag sich wieder zur Rüste neigte, schätzte ich seine Fährte auf nur drei Stunden alt; aber wir mußten nun wieder halten, da wir in der Dunkelheit die Spur nicht sehen konnten.

Es war zwar zu erwarten, daß er sich nun auch ausruhen müsse; aber in der Lage, in welcher er sich befand, genügten einige Stunden Schlafes, ihm die Kräfte für den Weitermarsch zu geben, während wir wieder wenigstens sieben Stunden warten mußten, bis wir den Weg fortsetzen konnten.

Wir hatten, seit das Flußbett von uns verlassen worden war, meist offene Pampas zu durchreiten gehabt; am nächsten Tage gab es Urwald, aber nicht den undurchdringlichen Urwald des Monte impenetrabile, sondern lichten, gut passierbaren Wald, dessen Stämme weit auseinander standen. Er glich einem Grasgarten, welcher zum Schutze gegen die Sonnenhitze mit unregelmäßig stehenden Bäumen bepflanzt ist. Hier und da gab es eine Lichtung, welche aber niemals von bedeutender Größe war.

Das mußte uns lieb sein. Wir hatten das Zusammentreffen mit dem Sendador zu erwarten und mußten vermeiden, uns in eine Lage zu begeben, in welcher er vielleicht mit Helfershelfern plötzlich und unerwartet über uns kommen konnte.

Darum blieb ich bedenklich halten, als wir gegen Abend wieder über eine dieser Lichtungen kamen und vor uns einen nicht so lichten, sondern geschlossenen Wald erblickten. Die Blöße war mit Gras bewachsen, aus welchem sich hier und dort ein einzelner Strauch erhob, und besaß einen Durchmesser von vielleicht dem vierten Teile einer Wegstunde.

Ich zog mein Fernrohr aus der Satteltasche und richtete es nach dem Walde, hinter welchem die Sonne verschwunden war. Ich sah Unterholz zwischen den Bäumen. Das gab keinen sichern Aufenthalt. Darum stieg ich vom Pferde und sagte, daß ich entschlossen sei, hier auf dieser Lichtung zu kampieren.

„Aber warum denn hier?“ fragte Pena. „Die Spur führt ja weiter, und wir müssen ihr folgen, wenn wir den Sendador treffen wollen!“

„Nein, wir müssen nicht weiter,“ antwortete ich. „Die zweite Tagereise ist zu Ende, und wir können überzeugt sein, daß er sich in der Nähe befindet. Überhaupt ist seine Fährte nicht über eine halbe Stunde alt; er steckt also ganz gewiß dort in dem Walde.“

„Was schadet das?“

„Das fragen Sie, der Sie vorher so mißtrauisch waren? Wie nun, wenn er Indianer bei sich hat, wie Sie behaupten wollten?“

„Die sehen uns ja nicht, da wir uns hüten werden, ein Feuer anzubrennen.“

„So! Der Sendador soll zu uns kommen, aber ein Feuer dürfen wir nicht brennen? Wie will er uns da finden, wenn es Nacht geworden ist? Ein Feuer ist unbedingt nötig, denn wenn wir auch noch so mißtrauisch sind, so müssen wir immerhin den Fall für möglich halten, daß er es für jetzt ehrlich meint. Wir haben uns einen Ort auszusuchen, an welchem er das Feuer sehen kann, aber keine Möglichkeit findet, uns zu überfallen. Im Walde kann er sich mit Indianern, wenn er ja welche bei sich hat, so nahe an uns schleichen, daß uns ihre vergifteten Pfeile treffen. Hier aber ist das Terrain offen, so daß wir ihn bemerken können.“

„O, er kann uns doch beschleichen, hier erst recht, wo er uns schon von weitem zu sehen vermag!“

„Nein. Wir müssen Wachen ausstellen, und diese werden hier einen etwa sich heimlich nähernden Feind leichter bemerken als im dichten Walde.“

„Ganz wie Sie wollen. Übernehmen Sie aber auch dann, wenn Sie sich geirrt haben, die Verantwortung?“

„Das werde ich, während Sie es wohl nicht verantworten könnten, wenn wir Ihrem Rate folgten.“

Seit Pena wußte, daß ich es war, welcher dem Sendador die Flucht ermöglicht hatte, erteilte er seinem Verhalten gegen mich eine gewisse Schärfe, welche ganz geeignet war, uns nach und nach zu entfremden. Die andern Gefährten gaben mir recht, und so wurde abgestiegen und ein Vorrat von dürrem Holze für das Feuer gesucht. Wir hatten im Laufe des Tages Wild genug für ein hinlängliches Abendmahl geschossen, und für die Pferde war auch gesorgt, da es nicht nur Futter für sie, sondern auch ganz nahe eine Wasserlache gab, aus welcher sie trinken konnten.

Während die Vorbereitungen zum Kampieren getroffen wurden, verließ ich den Platz, um mich zu überzeugen, ob die Fährte wirklich nach dem Walde und nicht etwa nach der Seite führe. Um nicht von dem Walde aus gesehen zu werden, ging ich in möglichst gebückter Haltung und suchte hinter jedem Busche, welcher sich mir bot, Deckung. Nachdem ich etwa achthundert Schritte weit gegangen war, blieb mir kein Zweifel, daß der Sendador in gerader Linie den Wald aufgesucht hatte, und ich kehrte zurück.

Das Feuer brannte schon, und die Gefährten hatten sich an das Braten des Fleisches gemacht. Als es dunkel geworden war, stellte ich vier Wachen aus, welche von Zeit zu Zeit abgelöst werden sollten. Eine kam nach vorn, eine je zur rechten und linken Hand und eine auch rückwärts vom Lager, da der Sendador uns umgehen und also auch von hinten kommen konnte. Die Leute erhielten die Weisung, sich hinter Büsche niederzulegen, damit sie nicht leicht gesehen werden könnten. Sie wurden nicht nahe an das Lager, sondern fast zweihundert Schritte entfernt von demselben postiert, erstens weil ein etwaiger Feind sie in solcher Entfernung von uns wohl nicht vermutete und zweitens weil, wenn sie Gefahr bemerkten und uns durch einen lauten Zuruf warnten, wir Zeit zur Verteidigung finden konnten, noch ehe der Feind diese Strecke zurückgelegt hatte.

Aber es schien, als ob weder der Sendador noch irgend sonst wer kommen wolle. Ich hatte mich gleich nach dem Essen hingelegt, um jetzt, wo ein Überfall am wenigsten zu erwarten war, einige Stunden zu schlafen. Um Mitternacht sollte man mich wecken.

Als man dies that, hatte sich noch niemand sehen lassen, und Pena sagte:

„Der Sendador wird sich hüten, sich wieder sehen zu lassen! Das haben wir von Ihrer Milde, mit welcher Sie selbst einen solchen Menschen behandeln!“

„Verlassen Sie sich darauf, daß er kommt,“ antwortete ich.

„So kommt er als Feind!“

„Das ist abzuwarten. Jetzt werde ich bis Tagesanbruch wachen und den vorderen Posten übernehmen.“

Als ich mich entfernte, sah ich noch, daß Pena und Gomarra die Köpfe zusammensteckten, um sich leise zu unterhalten. Der letztere gefiel mir von Stunde zu Stunde immer weniger. Er hatte während der letzten beiden Tage fast kein Wort gesprochen, und dieses Schweigen, sein verbissenes Gesicht und die Blicke, welche sein Auge warf, wenn vom Sendador gesprochen wurde, ließen mein Vertrauen nicht wieder aufkommen. Ich befürchtete einen Zusammenstoß, sobald der Sendador zu uns kam.

Der Steuermann war es, den ich ablösen wollte. Als ich bei ihm ankam, sagte er:

„Ein miserables Ding, so auf dem Ausguck zu liegen, ohne daß sich ein Segel sehen läßt! Am liebsten wäre es mir, wenn einige Dutzend Rote kämen, damit ich einmal richtige Arbeit machen könnte. Aber unsereinem geschieht nie das, was man sich wünscht!“

„Malen Sie den Teufel nicht an die Wand! Die Nacht ist erst halb vorüber, und es kann noch genug geschehen, was uns nicht lieb ist.“

„Es wird weiter nichts geschehen, als daß ich mich nun schlafen lege. Gute Nacht!“

Er ging mißmutig fort, und ich nahm seine Stelle ein. Es war, als ob er recht behalten sollte, denn es verging eine Stunde und dann noch eine, ohne daß sich ein lebendes Wesen hören oder sehen ließ. Hinter ihm flammte der müde Feuerschein zuweilen für einen kurzen Augenblick auf, und vor mir lag die dunkle Nacht, die aber nach und nach von einem helleren Schimmer überworfen wurde, denn die dünne Sichel des zunehmenden Mondes stieg am Himmel auf.

Da war es mir, als ob vor mir sich etwas rege. Ich legte das Ohr auf die Erde und hörte ein Schleifen, wie wenn jemand langsam und leise sich durch das Gras bewegt. Dann sah ich eine gebückte Gestalt, welche sich mir näherte. Die Fährte ging dicht neben dem Strauche, hinter welchem ich lag, vorüber. Daß der Mann auf dieser Spur zu uns kam, war ein gutes Zeichen; denn wäre er in feindlicher Absicht gekommen, so hätte er sich wohl gehütet, den Weg zu betreten, welchen wir kannten.

Er kam an mich heran und ging an mir vorüber. Ich blieb liegen, um erst zu sehen, ob er allein sei. Es kam niemand hinter ihm her, und so erhob ich mich, um mich ihm zu zeigen.

Ich hatte den Sendador erkannt. Wohl gegen zwanzig Schritte folgte ich ihm, ohne daß er mich hörte. Dann trat ich lauter auf. Er fuhr herum, erblickte mich, machte eine Bewegung, als ob er davoneilen wolle, blieb aber doch stehen und fragte mit unterdrückter Stimme:

„Ein Mensch hinter mir! Wer sind Sie?“

Ich trat nahe an ihn heran und antwortete:

„Sehen Sie genauer her, Sennor Sabuco! Erkennen Sie mich?“

„Ja,“ antwortete er jetzt. „Sie sind es! Aber wie kommen Sie hinter mich?“

„Ich stand Posten oder vielmehr ich lag Posten und ließ Sie, als ich Sie kommen sah, an mir vorüber, um zu erfahren, ob Sie allein da sind. Dann folgte ich Ihnen.“

„Wer sollte außer mir da sein?“

„Gute Freunde von Ihnen.“

„Pah! Und Wachen haben Sie ausgestellt?“

„Natürlich! Das ist die Gewohnheit eines jeden vorsichtigen Menschen.“

„Hier bedarf es keiner Vorsicht. Ich meine es ehrlich mit meinem Versprechen. Wer ist mit Ihnen da? Nur die Yerbateros?“

„Ja, diese, dann die beiden Seeleute, der Bruder, Pena und Gomarra.“

„Alle Teufel! Diesen letztern wünsche ich nicht dabei.“

„Ich glaube nicht, daß Sie große Sorge zu haben brauchen. Er hat mir versprochen, sich einstweilen jeder Feindseligkeit zu enthalten.“

„Einstweilen also? So kann er also an jedem beliebigen spätern Augenblicke über mich herfallen?“

„Nein. So lange ich bei Ihnen bin, stehen Sie unter meinem Schutze.“

„Versprechen Sie mir das?“

„Ich habe es Ihnen bereits versprochen und halte mein Wort.“

„Daß Sie es ehrlich meinen, das glaube ich, und ich werde bald sehen, wie ich mit den andern daran bin. Haben sie eine Ahnung, auf welche Weise ich entkommen bin?“

„Ich habe es ihnen gesagt.“

„Sennor, das ist gefährlich für Sie!“

„Allerdings! Gomarra schoß in der ersten Wut auf mich.“

„Teufel! Wurden Sie getroffen?“

„Nein. Ich habe ihn dann aber so gepackt, daß er Respekt bekommen hat.“

„Also, den Tod konnten Sie davon haben? Das merke ich mir, Sennor! Sie sind für Ihren Feind ein höchst gefährlicher Kerl; aber daß Sie ein gegebenes Wort halten, weiß ich ganz genau. Lesen Sie meine Kipus, und enträtseln Sie mir die Zeichnungen, so werden Sie mit mir zufrieden sein! Ich sah Ihr Feuer. Sie befinden sich hier; also haben Sie meinen Zettel gefunden?“

„Wir fanden und lasen ihn.“

„Und waren Ihre Gefährten gleich bereit, meiner Weisung Folge zu leisten?“

„So ziemlich, obgleich es ihnen nicht ganz ungefährlich erschien.“

„Welche Gefahr sollte dabei sein?“

„Es giebt da verschiedene Fährlichkeiten. Wie nun, zum Beispiel, wenn Sie nur deshalb Wort halten, um sich Ihrer gefährlichsten Feinde zu entledigen?“

„Wie könnte ich das anfangen? Sie haben ja meine Waffen behalten!“

„Sind Sie wirklich ganz unbewaffnet?“

Er blickte mir einige Augenblicke in das Gesicht und antwortete dann:

„Allerdings nicht.“

„Was für Waffen haben Sie?“

„Hier dieses Messer.“

Er zog es aus dem Gürtel und zeigte es mir.

„Von wem haben Sie es?“ erkundigte ich mich.

„Von einem Indianer, den ich zufällig traf. Er borgte es mir.“

„Und er befindet sich jetzt noch in Ihrer Nähe?“

Wieder blickte er mir eine Weile in das Gesicht, bevor er zögernd antwortete:

„Ja, Sennor, er ist da.“

„Und andere mit ihm?“

„Ja. Es ist ein mir befreundeter Stamm, den ich durch den zufällig getroffenen Angehörigen desselben hierher beordern ließ. Meinen Sie und Ihre Gefährten es ehrlich, so werden Sie von diesen Roten freundlich behandelt werden; vergreifen Sie sich aber an mir, so werden Sie ausgelöscht wie die Lichter eines Wachsstockes.“

„Welchem Stamme gehören sie an?“

„Das erfahren Sie erst dann, wenn ich weiß, daß ich bei Ihnen sicher bin.“

„Und wie viele Personen sind es?“

„Sie werden einsehen, daß ich Ihnen auch das erst später sagen kann.“

„Gut! Ich dringe nicht in Sie, denn da ich mir keiner Hinterlist bewußt bin, habe ich diese Leute nicht zu fürchten. Ich sehe, daß Sie ehrlich sind und mich nicht belügen und täuschen; das wird ein möglichst gutes Einvernehmen ergeben.“

„O,“ lachte er halblaut, „was das betrifft, so brauchen Sie nicht von Ehrlichkeit zu sprechen, Sennor. Es ist mehr Klugheit als Ehrlichkeit von mir.“

„Wie so?“

„Ich habe eine große Unvorsichtigkeit begangen, was mir aber erst spät einfiel. Gomez hat – – aber, wo ist der überhaupt? Auch bei Ihnen?“

„Nein, bei den Karawanenleuten.“

„So! Also Gomez hat mir von Ihnen erzählt, und was ich da gehört habe, das ist ganz geeignet gewesen, in mir die Vorstellung zu erwecken, daß Sie auf die geringste Kleinigkeit achten und sich nicht täuschen lassen. Sie haben also ganz gewiß gesehen, wie der Zettel an den Baum befestigt war?“

„Allerdings. Ich dachte mir gleich, daß Sie ein Messer hätten und daß Sie jemand getroffen haben müßten, der es Ihnen gab.“

„Und weiter?“

„Ich bin auf Ihrer Spur zurückgeritten und habe die Fährte des Indianers gefunden. Natürlich sagte ich mir, daß er gegangen sei, um Ihnen seine roten Kameraden zuzuführen.“

Und darum haben Sie Posten ausgestellt!“

„Nicht darum allein. Ich hätte das auch in dem Falle gethan, daß ich überzeugt gewesen wäre, Sie ganz allein anzutreffen. Ich pflege auch in solchen Fällen, in denen es nicht unbedingt notwendig ist, gern vorsichtig zu sein.“

„Besonders hier, wo Sie mir doch nicht ganz trauen können!“

„Ja. Sie verraten da eine sehr anerkennenswerte edle Selbsterkenntnis. Daß Sie mir den eigentlichen Grund Ihrer Aufrichtigkeit sagen, macht Ihnen bei mir keinen Schaden. Haben Sie da nicht aus angebotener Ehrlichkeit, sondern aus Klugheit so gehandelt, so darf ich erwarten, daß Sie in Zukunft in gleicher Weise klug sein und also einsehen werden, daß Hinterlist Sie nur in Schaden bringen kann. Sähe ich, daß Sie mich oder einen meiner Gefährten schädigen wollten, so würde ich Sie keinen Augenblick länger schonen. So, nun wissen wir gegenseitig, woran wir miteinander sind. Jetzt kommen Sie mit mir an das Feuer!“

Wir hatten erst leise, dann aber lauter gesprochen und waren also am Feuer gehört worden. Die drei anderen Posten hatten sich dort eingestellt, und so waren, als wir hinkamen, alle versammelt.

Was der Sendador in diesem Augenblicke fühlte, ob Scham, ob etwas anderes, das war ihm jetzt nicht anzusehen. Er trat erhobenen Hauptes zu den Leuten und sagte in beinahe stolzem Tone:

„Hier bin ich. Sie sehen, daß ich Wort gehalten habe, und so erwarte ich, daß auch Sie dasselbe thun. Wir wollen uns bis nach beendigtem Geschäft in der Pampa de Salinas vertragen; dann aber kann es jeder halten, wie es ihm beliebt. Sind Sie damit einverstanden?“

„Ja!“ ertönte es ringsum.

Nur Gomarra schwieg, Sein Auge ruhte mit einem glühenden, haßerfüllten Blicke auf dem Sendador, welcher fortfuhr:

„Sie haben geahnt, daß ich jetzt Indianer bei mir habe, und diese Voraussetzung hat Sie nicht getäuscht. Das sage ich Ihnen, um zu zeigen, daß ich mich nicht hilflos in Ihren Händen befinde.“

„Was für Rote sind es?“ fragte der Bruder.

„Sie werden sie sehen.“

„Sehen? Sollen wir etwa mit ihnen zusammentreffen?“

„Ja; denn sie werden mich bis zur Pampa de Salinas begleiten, damit ich dann, wenn unser jetziger Waffenstillstand abläuft, mich nicht so vielen gegenüber allein befinde.“

„Und ob wir uns die Gesellschaft dieser Leute gefallen lassen wollen, das fragen Sie nicht?“

„Nein, denn Sie brauchen sie sich nicht gefallen zu lassen. Niemand wird Sie zwingen, mit den Roten zu verkehren. Ich bleibe bei ihnen, und Sie können sich für sich halten. So gehen wir in zwei Abteilungen in die Berge, und keine braucht der andern beschwerlich zu fallen.“

„Ah so! Sie wollen jetzt nicht bei uns bleiben?“

„Nein. Ich komme nur, um Ihnen zu zeigen, daß Sie sich auf mein Wort verlassen können, und mit Ihnen den Weg zu besprechen, welchen wir einschlagen werden. Dann gehe ich zu meinen Indianern, werde Ihnen aber mit denselben während des Zuges so nahe bleiben, daß Sie mich zu jeder Zeit sehen und auch sprechen können, natürlich unter denjenigen Vorsichtsmaßregeln, welche ich meiner Sicherheit schuldig bin!“

Gomarra hielt die Hand an den Mund und hustete. Das klang so unnatürlich, daß ich ihn noch schärfer als vorher ins Auge nahm.

„Das ist aber doch gegen die Verabredung!“ sagte Pena. „Sie haben bei uns zu bleiben, und von Indianern ist erst recht keine Rede gewesen.“

„Das ist mir gleich. Ich bleibe bei Ihnen, aber nicht so, daß Sie mich jeden beliebigen Augenblick mit der Hand fassen können. Und nun muß ich mir natürlich auch meine Waffen ausbitten.“

„Sie sollen Ihr Gewehr bekommen,“ sagte ich, „falls Sie versprechen, es gegen keinen von uns zu gebrauchen.“

„Ich werde mich desselben nur gegen den bedienen, welcher mich angreift.“

„Das genügt.“

„Nein, das genügt nicht!“ schrie Pena. „Ich verlange, daß – – –“

„Schweigen Sie!“ unterbrach ihn der Bruder in sehr ernstem Tone. „Sie erhöhen und vervielfältigen nur die bereits vorhandenen Schwierigkeiten. Wenn wir den Sendador nicht mehr als Gefangenen betrachten, so haben wir auch kein Recht, ihm sein Eigentum vorzuenthalten.“

„Ich betrachte ihn aber noch als gefangen und dulde nicht, daß ein anderer so eigenmächtig wie bisher handelt und etwas ohne meine Einwilligung thut!“

„Pena,“ antwortete ich ihm, „meinen Sie mich?“

„Ja, Sie!“

„So sage ich Ihnen, daß ich den Teufel nach dem frage, was Sie dulden wollen oder nicht. Hier liegt das Gewehr, und ich – – –“

Die Flinte lag da, wo ich geschlafen hatte. Ich trat hin und bückte mich nieder, um sie aufzuheben, während ich sprach. Ich konnte aber meine Rede nicht vollenden, denn Gomarra schrie wütend auf:

„Das Gewehr soll er bekommen? Und bei den Indianern will er bleiben, die ihn beschützen werden? Soll er mir abermals entkommen? Nein! Hier, stirb, du Teufel, du!“

Ich fuhr aus meiner gebückten Haltung auf, die Flinte in der Hand, und drehte mich um. Gomarra drang auf Sabuco ein, und zwar so blitzesschnell, daß der Bedrohte nicht rasch genug ausweichen konnte. Das Messer des Wütenden fuhr ihm zwar nicht in die Brust, aber doch in den Arm. Gomarra holte von neuem aus, aber ich auch, der ich seitwärts von ihm stand. Noch ehe er zu stoßen vermochte, traf ich ihn mit dem Gewehrkolben auf den Kopf, daß er zusammenbrach.

„Steht es so?“ donnerte der Sendador, indem er die rechte Hand auf die blutende Stelle des linken Oberarmes legte. „Da fällt es mir nicht ein, zu bleiben. Aber wir sehen uns wieder, und zwar bald, ihr Lügner und wortbrüchigen Halunken!“

Er wendete sich ab und sprang, um nicht festgehalten zu werden, in eiligem Laufe davon.

„Sennor Sabuco, bleiben Sie, bleiben Sie!“ rief ich ihm nach, aber es fiel ihm nicht ein, dieser Aufforderung Folge zu leisten.

„Da rennt der Hund davon!“ rief Pena wütend. „Aber ich hole ihn zurück, und folgt er mir nicht gutwillig, so schieße ich ihn über den Haufen!“

Er griff sein Gewehr vom Boden auf und rannte dem Sendador nach. Der Bruder wollte ihm folgen, um ihn zurückzuhalten; ich bat ihn aber:

„Bleiben Sie! Die beiden sind einmal toll, Gomarra und Pena, und so mögen sie die Folgen tragen. Leider müssen wir dieselben mit erleiden. Der Sendador hat es wirklich ehrlich gemeint, um so größer muß jetzt sein Ärger sein.“

„Hatten Sie sich von seiner Ehrlichkeit überzeugt?“ fragte Monteso.

, „Ja. Er gestand mir aufrichtig, daß Indianer in der Nähe seien und daß er das Messer von einem derselben erhalten habe. Das brauchte er nicht zu sagen. Er hätte uns in einen Hinterhalt locken können. Er ist ein Bösewicht, aber daß ihm heute seine ehrliche Stunde mit dem Messer belohnt worden ist, das thut mir leid, und das wird uns großen Schaden machen.“

Der Bruder kniete bei Gomarra nieder, um ihn zu untersuchen.

Dios!“ rief er erschrocken aus. „Sie haben ihn erschlagen!“

„Immerhin! Ich habe ihn gewarnt. Wir befinden uns im Gran Chaco, aber nicht in einem Damenboudoir. Übrigens pflegt solches Ungeziefer zähes Leben zu besitzen. Ist die Hirnschale entzwei?“

„Nein.“

„Nun, so wird er wohl noch leben. Ich werde, um weitere Scenen zu vermeiden, seinem Erwachen aus dem Wege gehen und einmal rekognoszieren. Stellen Sie indessen wieder Posten aus und seien Sie vorsichtig! Ich glaube zwar nicht, daß der Sendador sogleich zur Rache schreitet, aber möglich ist es doch, daß ihn die Wut und der Anblick seines Blutes dazu hinreißen.“

Ich ging bis an den Busch, hinter dem ich vorher gelegen hatte, und dann weiter, immer der Fährte nach. Nichts war zu sehen und nichts zu hören. Ich bediente mich der größten Vorsicht, um nicht bemerkt zu werden, und hatte schließlich die zwischen unserm Feuer und dem Walde liegende Strecke über die Hälfte zurückgelegt. Weiter durfte ich mich dem letzteren nicht nähern. Ich kauerte mich nieder und strengte das Gehör an, um ein Geräusch zu vernehmen, doch vergeblich.

Schon hatte ich vielleicht zehn Minuten so gelauscht, da hörte ich etwas. Aber das war kein Geräusch, sondern ein Geheul, als ob tausend Teufel losgelassen worden wären. Das Lager wurde überfallen. Ich fuhr auf und rannte demselben zu, indem ich die Revolver aus dem Gürtel zog; ein Gewehr hatte ich nicht mitgenommen.

Als ich in die Nähe kam, erblickte ich eine unbeschreiblich wilde Scene. Eine Menge roter Kerls, die ich so schnell nicht einmal taxieren, noch viel weniger aber zählen konnte, lag mit meinen Gefährten im Kampfe. Es waren ihrer so viele, daß immer zehn oder fünfzehn Rote an einem Weißen hingen. Die ersteren waren so schnell über die letzteren gekommen, daß diese gar keine Zeit gefunden hatten, sich ihrer Schußwaffen zu bedienen. Die meisten waren schon niedergerissen. Ich sah nur noch den Bruder und den Steuermann stehen, jeder inmitten eines ganzen Haufens von Indianern, die an ihren Körpern hingen und sich Mühe gaben, sie niederzureißen.

Eine Waffe sah ich bei keinem der Roten. Rechts, außerhalb des Tumultes, stand ein Mann, welcher mit lauter, gebieterischer Stimme wiederholt einige Worte einer mir fremden, unverständlichen Sprache rief.

Ich weiß nicht, wie es kam, aber der Umstand, daß die Roten sich nur ihrer Hände bedienten, hatte zur Folge, daß ich unwillkürlich die Revolver wieder einsteckte und mich mit den Fäusten auf die Gruppe warf, in welcher der Bruder steckte. Ich schlug zu, riß die Kerle nach rechts und links auseinander, um bis zum Bruder durchzudringen. Das gelang mir auch, aber hinter mir schloß sich der Kreis sofort wieder. Andere Indianer, welche ihre Weißen schon überwältigt hatten, kamen hinzu. Ich wurde von hinten und vorn, von beiden Seiten gepackt. Man wollte mir die Arme halten; man wollte mich niederzerren. Ich spreizte die Beine aus, um fester zu stehen und wehrte mich nach Leibeskräften.

jetzt lag der Bruder an der Erde. Vier, sechs, acht Indianer banden ihn und schleppten ihn fort. Ich sah den riesigen Steuermann noch fest stehen. Er arbeitete mit seinen Fäusten, daß es eine Lust war. Jetzt hatte er, was er sich so sehnlich gewünscht hatte; aber es waren zu viele über ihm; man sah, daß er unterliegen müsse.

jetzt sah ich ein, daß ich eine Dummheit begangen hatte. Ich hätte, sobald ich die Übermacht sah, welcher wir unbedingt nicht gewachsen waren, da die Überrumpelung so gut gelungen war, mich fernhalten sollen. War ich frei, so konnte ich für die Gefährten etwas besseres thun, als mich mit ihnen festnehmen lassen. Darum trachtete ich jetzt, mich durchzuschlagen.

UM dies zu erreichen, bedurfte es besserer Waffen als der bloßen Fäuste. Ich griff nach dem Gürtel. Das Messer und die Revolver waren fort. Während ich mit den Armen arbeitete, hatte man sie mir entrissen. Ganz dasselbe war jedenfalls auch bei den Kameraden geschehen, denn ich sah keinen verwundeten oder toten Indianer.

Nun war es gewiß, daß ich nicht fort konnte. Drüben sank jetzt der Steuermann nieder. Der Anführer, welcher die fremden Befehle gerufen hatte, kam näher. Es war der Sendador.

„Sennor, ergeben Sie sich!“ rief er mir zu. „Ich verspreche Ihnen, daß Ihnen nichts geschehen wird. Ihr Widerstand ist doch vergeblich; das müssen Sie sehen!“

Er hatte recht. Ich ließ die Arme sinken und wurde zur Erde gerissen, wo mir die Kerls die Hände und die Füße banden. Die Roten erhoben ein unbeschreibliches Triumphgeheul. Man konnte es gewiß eine Stunde weit hören. Der Sendador kam zu mir. Er hatte den Arm verbunden. Es schien schon vorher verabredet worden zu sein, was alles gethan werden Solle, denn auf einen Wink von ihm nahmen zwei Rote meinen Hut, welcher mir entfallen war, richteten mich zum Sitzen auf, stülpten mir den Hut über die Augen, so daß ich nichts sehen konnte, und banden ihn dort fest.

Das Geheul war verstummt. Ich wurde aufgehoben und fortgetragen. Um einen Maßstab zu haben, versuchte ich, die Schritte zu zählen, welche meine Träger machten, bevor sie mich niederlegten; es waren ihrer über zwölfhundert.

Dann verging eine lange, lange Zeit, gewiß mehrere Stunden, bis ich hörte, daß Männer kamen, welche Pferde brachten. Der Sendador war dabei, denn ich erkannte seine Stimme, als er sagte:

„Sennor, ich habe Ihnen versprochen, daß Ihnen nichts geschehen soll, und ich werde Wort halten, wenn Sie sich in Ihre Lage finden. Machen Sie aber den geringsten Fluchtversuch, so ersteche ich Sie!“

„Wo sind meine Freunde?“ fragte ich ihn.

„Gut aufgehoben!“

„Also leben sie noch?“

„Gut aufgehoben ist nur der, welcher fertig mit dem Dasein ist; sie sind gerichtet, da sie mich richten wollten.“

„Scheusal!“

„Schimpfen Sie nicht! Sie befinden sich in meiner Gewalt.“

„Wenn Sie mich nicht auch ermorden, so werde ich sie rächen. Darauf verlassen Sie sich!“

„Pah!“ lachte er. „Ich werde schon dafür sorgen, daß Sie das nicht können. Jetzt geht es fort von hier. Wir werden Sie auf ein Pferd binden. Fügen Sie sich ohne Widerstand, welcher Ihnen doch nichts nützen, sondern Ihre Lage nur verschlimmern würde.“

„Nehmen Sie mir den Hut aus dem Gesicht!“

„Daß ich ein Narr wäre! Sie dürfen nicht wissen, durch welche Gegend wir reiten.“

Man löste mir die Beinfesseln und half mir auf das Pferd, um dann meine Füße wieder durch einen Riemen zu verbinden. Dann begann der Ritt.

Ich merkte sehr bald, daß ich nicht auf meinem Braunen saß; den hatte der Sendador jedenfalls für sich genommen. Nach welcher Richtung es ging, das konnte ich nicht sehen, doch beobachtete ich alle, auch die kleinsten Anzeichen und schloß aus ihnen, daß wir erst durch einen Wald, dann über eine Ebene mit tiefem Sande ritten und nachher auf grasigen Boden kamen. Später begann die Sonne zu brennen; sie traf meine linke Seite mehr als die rechte; also ritten wir westwärts. Dann wurde in einem Walde gehalten. Man bot mir Fleisch und Wasser an, und ich nahm beides, obgleich das letztere brackig schmeckte und ich es aus einem nach Schweiß stinkenden Hute trinken mußte. Nach kurzer Zeit ging es weiter.

Wir kamen wieder über freies Land; aber die Sonne war nicht mehr zu fühlen, obgleich es nicht viel über Mittag sein konnte. Es wurde empfindlich kalt, und die Luft traf schneidend meine Hände und den entblößten Teil meines Gesichtes.

Wie viele Männer bei mir waren, das wußte ich nicht. Aus dem Pferdegetrappel konnte ich auf so viele schließen, als wir Pferde bei uns gehabt hatten; aber ich bemerkte, daß auch Fußgänger bei uns waren. Wir kamen weiter und immer weiter, erreichten wieder Wald und hielten in demselben an. Die Füße wurden mir losgebunden; ich mußte absteigen und wurde durch ein Gebüsch geführt. Dort fesselte man mir die Füße wieder, setzte mich nieder, band mir die Hände auf, zog sie nach hinten um einen dünnen Baumstamm, an welchen man mich lehnte, und band sie mir dort wieder zusammen. Die Männer unterhielten sich miteinander in der fremden Sprache; ich hörte ein Feuer knistern; dann wurde mir der Hut losgebunden und aus den Augen gerückt; ich durfte wieder sehen.

Mitten zwischen den Bäumen und Büschen lag ein kleiner, freier Platz, welcher gerade Raum genug für das Feuer und die zwanzig Indianer bot, welche mit dem Sendador an demselben saßen. Sie hatten die bekannten nichtssagenden Gesichter der südlichen Indianer und waren kaum halb bekleidet. Ihre Waffen bestanden in Messern, Bogen, Blasrohren und Pfeilen.

Der Sendador hatte sich ganz in meine Nähe gesetzt. Neben ihm lagen meine beiden Gewehre, meine Revolver und auch mein Messer. Er sah, daß mein Blick darauf fiel, und sagte:

„Diese schönen Dinge gehören nun mir. Ärgert Sie das nicht?“

„Sie werden Ihnen nicht viel nützen. Lernen Sie erst mit solchen Gewehren umzugehen!“

„Oho! Nur nicht grob werden, sonst spreche ich auch in einem anderen Tone! Zur Strafe werden Sie heute abend kein Essen bekommen und während der Nacht nicht liegen dürfen. Sie bleiben gefesselt wie jetzt. Daß ich es gut gemeint habe, wird Ihnen dadurch bewiesen, daß Sie nicht vollständig ausgeraubt worden sind, wie die Roten es wollten. Ob ich ihnen nicht doch noch die Erlaubnis dazu gebe, das kommt darauf an, ob Sie höflich und gehorsam sind!“

„Rechnen Sie ja nicht darauf, daß ich es sein werde!“

„Schön! Sie sind natürlich bei schlechter Laune. Morgen mache ich Ihnen meine Vorschläge, und dann werden Sie wohl andere Ansichten bekommen.“

Er wendete sich ab und richtete das Wort nicht wieder an mich. Die Roten brieten Fleisch, und als sie es gegessen hatten, legten sie sich nieder, außer zweien, welche jedenfalls wachen sollten.

Der Sendador untersuchte meine Fesseln, und als er sie in Ordnung gefunden hatte, richtete er einige Worte an die Wächter, sie wohl zur Vorsicht mahnend, und streckte sich dann auch zum Schlafe aus. Die Waffen lagen noch zwischen mir und ihm. Hätte ich doch eine Hand frei gehabt!

Das Feuer wurde nun nicht mehr so fleißig genährt wie vorher; es sank nieder und bildete eine nur kleine Flamme, welche tausenderlei gespenstige Schatten warf.

Stunde um Stunde verging. Die Wächter hatten erst leise miteinander geplaudert; nun saßen sie still und mit gesenkten Augenlidern da; vielleicht schliefen sie. Da hörte ich ein leises, leises Rascheln hinter mir. Ich glaubte, es rühre von irgend einem kleinen Tierchen her; aber nach wenigen Augenblicken hörte ich die ganz leise in deutscher Sprache geflüsterte Frage:

„Schlafen Sie?“

Es durchzuckte mich ein Wonneschauer. Ich schüttelte den Kopf. Hinter mir flüsterte es weiter:

„Ich bin es – Pena. Ich zerschneide jetzt Ihre Handfessel. Dann nehmen Sie Ihr Messer und zerschneiden die Riemen, mit denen Ihre Füße gebunden sind. Nachher raffen Sie Ihre Gewehre auf, während ich die Revolver ergreife, und folgen mir.“

Ich drehte den Kopf möglichst weit zur Seite und fragte leise:

„Wohin?“

„Gerade nach der Richtung, wohin Sie jetzt den Rücken wenden.“

„Wo sind die Pferde?“

„Ich weiß es nicht.“

„Jammerschade! Es wird ein entsetzliches Hallo geben. Es ist finster, und wir rennen uns die Köpfe an den Bäumen wund. Ich will einmal sehen, ob die Wächter schlafen.“

Ich räusperte mich; ich hob die gefesselten Füße empor – keiner der beiden Indianer bewegte sich. Sie schliefen wirklich. Da fühlte ich die Bewegungen des Messers zwischen meinen Händen. So bald ich sie frei hatte, griff ich nach dem meinigen. Ich zerschnitt den Fußriemen, steckte das Messer und die Revolver in den Gürtel, hing die Gewehre langsam über, zog den Hut fest an, daß das Gesträuch ihn mir nicht nehmen konnte, und stand leise und langsam auf.

Nun war ich gerettet, außer es traf mich ein vergifteter Pfeil.

Zoll um Zoll verließ ich meinen Platz. Pena ergriff meine Hand und zog mich fort. Das that er so unvorsichtig, daß die Büsche raschelten. Davon erwachten die Wächter; aber wir befanden uns schon außerhalb ihres Gesichtskreises. Zwei Schreie erschallten.

„Kommen Sie! Schnell, schnell! Ich weiß den Weg. Halten Sie den Hut fest!“

Bei diesen Worten riß Pena mich mit sich fort. Ja, er wußte den Weg, denn wir rannten an keinen Baum. Der Weg war überhaupt kurz. Schon nach kaum mehr als zwanzig Schritten hatten wir die Bäume hinter uns und befanden uns auf der freien Pampa, während hinter uns im Walde die Indianer brüllten, daß mir die Ohren gellten.

„Nun fort! Immer geradeaus!“ sagte Pena. „Sie sollen uns gewiß nicht ergreifen.“

„Aber die Pferde, die Pferde!“

„Lassen Sie die um Gottes willen, sonst werden Sie wieder gefangen. Ich weiß nicht, wo sie sind, und zum Suchen ist keine Zeit.“

Er hatte recht. Wir rannten im völligen Galopp über die Pampa hin, wohl eine Viertelstunde lang; dann mäßigten wir unsere Eile zu einem Traben, bis wir so außer Atem waren, daß wir im Schritte gehen mußten.

„Vor allen Dingen, wohin führen Sie mich?“ fragte ich Pena.

„Nach dem Unglücksplatze natürlich.“

„Kennen Sie den Weg?“

„Ja; ich bin ja gekommen, immer hinter Ihnen her. Alle Wetter, war das ein unglückseliger Abend!“

„Nur infolge Ihrer und Gomarras Dummheit. Doch das ist vorüber. Sie haben es wieder gut gemacht.“

„Ja, das habe ich! Ich lief dem Sendador nach, bekam ihn aber nicht zu sehen. Ich schlich mich tollkühn nach dem Walde, in welchem die Roten sich aber schon nicht mehr befanden. Da hörte ich den Lärm des Überfalles und eilte zurück. Ich kam gerade recht, um zu sehen, daß Sie niedergerissen wurden. Natürlich blieb ich da im Verborgenen. Sie wurden fortgetragen, bis in die Nähe des Waldes; ich suchte nach Ihnen, konnte Sie aber nicht finden. Darum kehrte ich heimlich bis hart an das Lager zurück. Dort wurde lange Zeit Beratung gehalten. Dann entfernte sich der Sendador mit zwanzig Männern und den Pferden, und ich folgte ihnen, denn ich dachte, daß es Ihnen gelte. Ich hatte mich nicht geirrt, denn ich lag ziemlich nahe auf der Erde und sah, daß man Sie aufs Pferd setzte und dann fortritt. Ich folgte. Die Indianer mußten langsam reiten, da die Hälfte von ihnen zum Gehen gezwungen war; so konnte ich ihnen gut folgen. Ich hielt mich so weit hinter ihnen, daß ich sie wohl als hohe Reiter, sie mich aber nicht als niedrigen Fußgänger sehen konnten. So ging es fort, bis sie in ihr Versteck einbogen und ich warten mußte, bis es ganz dunkel war und sie schliefen.“

„Und über das Schicksal unserer Gefährten wissen Sie nichts?“

„Kein Wort. Es wäre mir unmöglich gewesen, sie alle zu befreien, und keiner von ihnen hätte dann das Geschick gehabt, Sie mit zu befreien. Darum wollte ich erst Sie los haben und dann mit Ihnen versuchen, die andern zu finden.“

„Der Sendador sagte, sie seien getötet worden. Ich hoffe aber, daß das eine Unwahrheit ist. Verfolgen wird er uns beide nicht. Er hatte mir die Augen verbunden und glaubt also, daß ich nicht weiß, wo ich mich befinde. Darum wird er den Morgen abwarten, um meine Spur zu suchen. Bis dahin haben wir eine weite Strecke hinter uns. Eilen wir möglichst, wenn Sie nicht gar zu ermüdet sind!“

Das war alles, was wir sprachen. Wir schritten aus, als ob wir dem Tode entrinnen wollten; zuweilen wurde ein Trab oder sogar ein Galopp gemacht. Wir waren kaum zwei Stunden unterwegs, so begann es zu regnen, und zwar so, wie es in jenen Gegenden immer regnet, nämlich gießt. Wir wateten oft bis über die Knöchel im Schlamme und fast bis an die Knie im Wasser. Aber es ging trotzdem rüstig vorwärts. Es war fast ein Wunder, daß Pena sich nicht verirrte.

Gegen Morgen hörte der Regen auf, um nach einer Stunde wieder zu beginnen und gerade dann aufzuhören, als wir aus dem dichten Walde traten, in welchem die Indianer gelegen hatten, und nun die Unglücksstätte vor uns sahen. Aber hier fanden wir keine Spur. Wir schlugen mehrere Kreise, weiter und weiter um die Gegend, durch den Wald, über das Camp, den Sand und die Pampa – es war nicht ein einziger Fußeindruck zu sehen. Der Regen hatte die Fährten ausgefüllt und verwischt. Als wir uns am Abende so überangestrengt hatten, daß wir uns da niederlegten, wo wir uns gerade befanden, mußten wir alle Hoffnung aufgeben, die Gefährten zu entdecken.

„Giebt es denn gar keine Möglichkeit, sie zu finden, falls sie noch leben?“ fragte Pena.

„Eine einzige. Wir müssen wieder dorthin, von wo wir dem Sendador entwichen sind. Da er mich nicht mehr hat, wird er nun die Gefährten aufsuchen – falls er sie eben nicht schon ermorden ließ.“

„So schlafen wir jetzt einige Stunden und machen uns dann auf die Wanderung!“

Das geschah. Der Körper verlangte Ruhe, aber die Sorge raubte sie ihm. Schon um Mitternacht brachen wir wieder auf. Als es helle geworden war, sahen wir, daß auch unsere gestrigen Spuren vollständig verwaschen waren.

„Das ist sehr gut,“ sagte Pena, „denn da hat der Sendador nicht erfahren, wohin wir sind.“

„Nein, das ist nicht gut,“ entgegnete ich, „denn da werden wir auch nicht sehen, wohin er sich gewendet hat. Seine Spuren sind ebenso verwischt wie die unsrigen.“

„Aber er ist doch später aufgebrochen. Ich holte Sie noch lange vor Mitternacht ein, während er erst am Morgen hat suchen können.“

„Es hat bis Mittag mit nur einer kurzen Unterbrechung geregnet. Da ist kein Fußeindruck mehr zu finden.“

Es zeigte sich, daß meine Vermutung die richtige war. Als wir uns der Gegend näherten, in welcher ich als Gefangener bei den Indianern gesessen hatte, mußten wir uns außerordentlich in acht nehmen, weil der Sendador sich ja hier befinden konnte. Wir drangen nur unter Anwendung aller Westmannsfinessen vor, was uns viel Zeit kostete, und als wir endlich an der Stelle anlangten, wo die Indianer gelagert hatten, fanden wir sogar das niedergedrückte Moos und Gras wieder aufgerichtet. Nach langem Suchen entdeckten wir den Ort, an welchem die Pferde angebunden gewesen waren. Wir erkannten das an den vielen abgefressenen Zweigen.

Wir begannen nun auch hier Kreise zu schlagen, fanden aber, um den Ausdruck zu gebrauchen, nicht die Spur von einer Spur. Als wir dann am Abende traurig und bis zum Tode ermüdet bei einander lagen, fragte Pena:

„Was nun? Ich bin am Rande meiner Klugheit angelangt.“

„Ich ebenso.“

„Aber wir können doch nicht bis an unser sanftseliges Ende hier sitzen bleiben!“

„Das beabsichtige ich keineswegs. Wir schlafen uns aus und suchen morgen früh noch einmal. Vielleicht entdecken wir doch einen kleinen, wenn auch noch so winzigen Anhalt.“

„Ich habe alle Hoffnung schon längst aufgegeben. Unsere Gefährten sind tot. Denken Sie den Haß, den der Sendador auf Gomarra hatte!“

„Zeigen Sie mir ihre Leichname. So lange ich diese nicht sehe, bin ich von ihrem Tode noch nicht überzeugt. Der Sendador war ein Freund der Yerbateros. Warum soll er sie ermorden? Warum den Bruder, den Kapitän und den Steuermann? Vielleicht hat er Gomarra ausgelöscht. Hätte er aber den Befehl gegeben, auch den andern das Leben zu nehmen, so wäre er kein Bösewicht mehr, sondern geradezu ein Teufel.“

„Das ist er auch. Ich bin des Suchens müde und möchte am liebsten heim.“

„Ohne den Tod unserer Genossen gerächt zu haben?“

„Wir wissen doch nicht, wo der Sendador ist! Wir haben seine Spur verloren!“

„Das ist richtig; aber wir werden sie wiederfinden auf dem Wege nach der Pampa de Salinas.“

„Sie glauben, daß er dorthin geht?“

„Ganz gewiß thut er das.“

„Es hat doch keinen Zweck mehr, da Sie ihm entwischt sind, und er nun niemand hat, der ihm seine Geheimnisse entziffern kann.“

„Aber ich kenne den Ort, an welchem er die Flasche vergraben hat, ziemlich genau. Das weiß er, und so muß er annehmen, daß ich nun hingehen werde, um sie mir zu holen. Meinen Sie nicht, daß dies eine hinreichende Veranlassung für ihn ist, möglichst schnell nach der Pampa zu gehen, um mir vorzukommen?“

„Kann mir eigentlich gleich sein. Ich möchte heim, um meine Sachen zu ordnen und dann nach der Estanzia del Yerbatero zu gehen, wo ich meine Nichte finde.“

„Und vorher brannten Sie förmlich vor Haß und Rache gegen den Sendador! Wo bleibt da die Konsequenz! Nur fort von hier, bis dahin, wo wir Menschen finden. Vielleicht erfahren wir da etwas, was uns nützlich ist. Wir nehmen die Richtung nach den Anden und halten unterwegs die Augen offen. Ich zweifle nicht daran, daß uns der Himmel einen Fingerzeig giebt, der uns auf den richtigen Weg leitet!“ – –

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