Zehntes Capitel

Beim Kreuzen im Archipel.

Die »Syphanta«, eine Corvette zweiter Classe, führte in der Batterie zweiundzwanzig Vierpfünder und auf Deck – damals eine Seltenheit für diese Schiffsclasse – sechs zwölfpfündige Karonaden. Mit ihrem scharfen Vordersteven und sein gebautem Achter, sowie der wohlberechneten Schwimmlinie konnte dieselbe mit den besten Fahrzeugen jener Zeit recht gut in die Schranken treten. Bei keiner Bewegung besonders stark arbeitend, sanft im Rollen und scharf am Winde segelnd, wie sonst nur die besten Schiffe, wäre sie nicht verhindert gewesen, selbst bei stärkerem Winde das volle Segelwerk beizubehalten. Ihr Befehlshaber konnte, wenn er sonst ein unerschrockener Seemann war, immer unter Segel bleiben, ohne davon etwas fürchten zu müssen. Die »Syphanta« wäre deshalb gewiß ebensowenig gekentert, wie ein Fregattschiff, und wahrscheinlich würden eher die Masten derselben gebrochen sein, als daß sie unter Segel zugrunde gegangen wäre. Das gestattete also, ihr, selbst bei sehr schwerem Seegange, doch immer eine große Geschwindigkeit zu verleihen, und damit vergrößerte sich auch nur die Aussicht auf Erfolg bei der abenteuerlichen Kreuzfahrt, für welche sie ihre, gegen die Piraten des Archipels vereinigten Rheder ausgerüstet hatten.

Obwohl die »Syphanta« eigentlich kein wirkliches Kriegsschiff zu nennen war, weil dieselbe nicht einem anerkannten Staate, sondern einfachen Privatleuten angehörte, so war der Dienst auf derselben doch vollständig militärisch organisirt. Ihre Officiere wie die Besatzung hätten dem Orlogsschiffe jeder anderen Seemacht Ehre gemacht. Sowohl während der Fahrt, wie während der Ruhe im Hafen, hätte man hier dasselbe gleichmäßige Manövriren, dieselbe Disciplin an Bord beobachten können. Hier zeigte sich nichts von dem Sichgehenlassen der Leute eines überhastet ausgerüsteten Schiffes, wo die Thätigkeit derselben meist nicht so nach strengen Vorschriften geregelt ist, wie der Befehlshaber eines Fahrzeugs der Kriegsmarine das verlangen müßte.

Die »Syphanta« führte in ihrer Musterungsrolle zweihundertfünfzig Mann auf, zur größeren Hälfte Matrosen aus den westlichen Küstenländern, Franzosen, Provençalen, zur anderen kleineren Engländer, Griechen und Korfioten. Es waren gewandte Leute in der Bedienung des Segelwerkes, verläßliche Streiter im Kampf, Seeleute mit Leib und Seele, auf welche man rechnen konnte Alle hatten dafür schon hinlängliche Proben abgelegt. Schiemänner, zweite und erste Bootsleute waren ihrer Functionen als vermittelnde Glieder zwischen Mannschaft und Officierscorps völlig würdig. Der Stab selbst bestand aus vier Lieutenants, acht Schiffsfähnrichen, von korslötischer, englischer und französischer Herkunft, und einem zweiten Befehlshaber. Letzterer, der Capitän Todros, war ein alter Seemann aus dem Archipel, und also genau bekannt mit den Gewässern, deren versteckteste Straßen und Schlupfwinkel die Corvette absuchen sollte. Da gab es keine Insel, von der ihm nicht alle Baien, Golfe, Buchten und Schlupfhäfen bekannt gewesen wären; nicht ein Eiland, dessen hydrographische Lage er nicht bei Gelegenheit früherer Fahrten bestimmt hätte; keine Wassertiefe, die er nicht ebenso sicher im Kopfe hatte, als wenn die Seekarte vor ihm läge.

Dieser Officier, der jetzt wenig über fünfzig Jahre zählte und ein Grieche aus Hydra war, auch schon früher unter dem Befehle Canaris‘ und Tomasis‘ gedient hatte, mußte für den Befehlshaber der »Syphanta« ein höchst werthvoller Helfer sein.

Den ersten Theil ihrer Kreuzfahrt im Archipel hatte die Corvette unter dem Oberbefehl des Capitäns Stradena ausgeführt, und die ersten Wochen auf See waren, wie erwähnt, sehr glücklich verlaufen. Die Vernichtung verschiedener Seeräuberschiffe und die Aufbringung werthvoller Prisen, das verdiente wohl den Namen eines günstigen Anfangs. Die weitere Fahrt brachte aber doch sehr empfindliche Verluste an Mannschaft und Officieren mit sich. Daß man eine Zeit lang ohne Nachrichten von der »Syphanta« geblieben war, lag daran, daß diese am 27. Februar unweit Lemnos einen hitzigen Kampf gegen eine ganze Flottille von Piratenschiffen zu bestehen gehabt hatte.

Dieser Kampf hatte nicht allein vierzig Mann an Todten und Verwundeten gekostet, sondern es war dabei auch der Commandant Stradena, auf seinem Posten von einer Kugel tödtlich getroffen, gefallen.

Darauf übernahm damals der Capitän Todros das Commando der Corvette; dann war er, nachdem er den Sieg über die Seeräuber nach Kräften ausgenützt, in den Hafen von Aegina eingelaufen, um höchst nothwendige Reparaturen an Rumpf und Takelage vornehmen zu lassen.

Wenige Tage nach dem Eintreffen der »Syphanta« daselbst hörte man zu nicht geringem Erstaunen, daß das Schiff zu sehr hohem Preise für Rechnung eines Banquiers in Ragusa gekauft worden war, dessen Bevollmächtigter nach Aegina kam, um die Umschreibung der Schiffspapiere vornehmen zu lassen. Alles das vollzog sich, ohne daß dagegen eine Einrede hätte erhoben werden können, und es stand nun unbestreitbar fest, daß die Corvette ihren früheren Eigenthümern, der korfiotischen Rhederei, welche bei dem Wiederverkauf noch ein sehr gutes Geschäft gemacht hatte, nicht mehr angehörte.

Wenn die »Syphanta« aber auch in andere Hände übergegangen war, so blieb ihre Bestimmung doch ganz dieselbe. Sie verfolgte das Ziel, den Archipel von den ihm so lästigen Seeräubern zu befreien, wenn sich Gelegenheit dazu bot, etwaige befreite Gefangene nach der Heimat zurückzubefördern und jedenfalls ihre Bemühungen nicht eher aufzugeben, als bis sie diese Meere von dem verwegensten, blutgierigsten Schurken, dem Piraten Sacratif, erlöst hatte. Nach Vollendung der Ausbesserungen ging dem zweiten Officier der Befehl zu, im Norden der Insel Scio zu kreuzen, wo sich der neue Capitän einfinden werde, der bestimmt war, an Bord »der Nächste nach Gott« zu werden.

Zur selben Zeit war es, wo Henry d’Albaret das höchst lakonische Billet erhielt, durch welches er benachrichtigt wurde, daß im Stabe der Corvette »Syphanta« für ihn ein Platz frei sei.

Wie wir wissen, nahm er das Anerbieten an, ohne sich darum zu kümmern, ja, ohne zu ahnen, daß diese Stellung die des Befehlshabers sein sollte. Deshalb aber geschah es, daß der zweite Befehlshaber, die Officiere und die Mannschaften, sobald er den Fuß auf’s Deck gesetzt, sich seinem Oberbefehle unterordneten, während die Kanonen die Flagge Korfus begrüßten.

Alles das erfuhr Henry d’Albaret erst durch ein Gespräch, welches er mit dem Capitän Todros hatte. Der Vertrag, durch welchen er mit der Führung der Corvette betraut wurde, war völlig rechtsgiltig aufgesetzt, es konnte also Niemand die Machtvollkommenheit des jungen Officiers in Zweifel ziehen, und es geschah das auch von keiner Seite. Uebrigens kannten ihn auch mehrere Officiere des Schiffes schon von früher; sie wußten, daß er zwar einer der jüngsten, aber auch einer der befähigtesten Schiffslieutenants der französischen Marine gewesen war.

Der Antheil ferner, den er an dem Unabhängigkeitskampfe genommen, hatte ihm die verdiente Achtung verliehen. Bei der ersten Revue, die er an Bord der »Syphanta« abnahm, wurde sein Name mit lebhaften Beifallsrufen begrüßt.

»Officiere und Matrosen! sagte Henry d’Albaret in seiner einfachen Ansprache, ich weiß, welche Aufgabe der »Syphanta« gestellt worden ist. Wir werden derselben, wenn es Gott gefällt, nach allen Seiten gerecht werden! Ehre unserem alten Commandanten Stradena, der auf seinem Posten einen ehrenvollen Tod fand. Ich zähle auf Euch! Zählt Ihr auf mich! – Tretet ab!…«

Am nächsten Tage, den 2. März, verlor die Corvette beizeiten die Küsten von Scio, bald darauf auch den dieselben beherrschenden Gipfel des Elias-Berges aus dem Gesicht und schlug eine Richtung nach dem Norden des Archipels ein.

Ein Seemann braucht nur einen Blick und nur einen halben Tag Segelfahrt, um den Werth seines Schiffes beurtheilen zu können. Der Wind blies eben ziemlich frisch aus Nordwesten, ohne daß es nöthig geworden wäre, die Segelfläche zu vermindern. Der Befehlshaber Henry d’Albaret kam also sehr bald in die Lage, die ausgezeichneten nautischen Eigenschaften der Corvette kennen und schätzen zu lernen.

»Sie würde gewiß vor keinem anderen Schiffe der vereinigten Flotten die Segel streichen, sagte ihm der Capitän Todros, und dieselben sogar noch bei steifem Zweireefwind beibehalten.«

Das bedeutet aber in der Vorstellung des wackeren Seemanns zwei Dinge; erstens, daß kein anderer Segler im Stande sein würde, die »Syphanta« an Schnelligkeit zu übertreffen, und ferner, daß ihre solide Takelage und ihre Stabilität auf dem Meere ihr noch gestatten würden, das volle Segelwerk beizubehalten bei einem Wetter, das jedes andere Schiff genöthigt haben würde, dasselbe zu vermindern, wenn es vor dem Untergange sicher sein wollte. Dicht am Winde und mit Steuerbordhalsen hielt die »Syphanta« ihren Curs nach Norden ein, wobei sie im Osten die Insel Metelin oder Lesbos, eine der größten des Archipels, liegen ließ.

Am folgenden Morgen kam die Corvette seewärts von dieser Insel vorüber, wo die Griechen im Anfange des Krieges, 1821, große Vortheile über die ottomanische Flotte errangen.

»Ich war mit dabei, erzählte der Capitän Todros dem Commandanten d’Albaret. Es war im Mai. Wir waren sechzig Briggs, um fünf türkische Linienschiffe, vier Fregatten und vier Corvetten zu verfolgen, die nach dem Hafen von Metelin flüchteten. Ein Schiff von vierundsiebenzig Kanonen trennte sich von dem Geschwader, um aus Constantinopel Hilfe herbeizurufen. Wir blieben ihm aber auf den Fersen, und zuletzt sprang es mit neunhundertfünfzig Matrosen in die Luft. Ja, ich war mit dabei, und ich bin’s gewesen, der selbst die Schwefel- und Pechsäcke anzündete, die wir am Rumpf desselben angebracht hatten. Das waren gute Hemden, welche warm hielten, Herr Commandant, und die ich Ihnen vorkommenden Falles empfehle… für die Herren Piraten!«

Man mußte den Capitän Todros so seine Kriegsthaten erzählen hören mit der frohen Laune eines Matrosen vom Vordercastell; doch was der zweite Officier der »Syphanta« hier berichtete, das beruhte auch Alles auf Wahrheit

Nicht ohne triftigen Grund hatte Henry d’Albaret, nachdem er die Führung der Corvette übernommen, einen Curs nach Norden eingeschlagen. Nur wenige Tage vor seinem Aufbruch aus Scio waren in der Nähe von Lemnos und Samothrake verdächtige Fahrzeuge gemeldet worden.

Einige levantinische Küstenfahrer waren fast an der Küste der europäischen Türkei beraubt und zerstört worden. Vielleicht hielten es die Piraten, seitdem die »Syphanta« sie so hartnäckig verfolgte, für angezeigt, sich mehr nach den nördlichen Theilen des Archipels zurückzuziehen.

Von ihrer Seite konnte man das nur klug gehandelt nennen.

In den Gewässern bei Metelin war nichts zu entdecken. Hier traf man nur einige Handelsfahrzeuge, welche sich mit der Corvette selbst in Verbindung setzten, da sie sich durch ihre Anwesenheit für geschützt ansahen.

Während einer Zeit von vierzehn Tagen erfüllte die »Syphanta«, obgleich sie von dem schlechten Wetter der Tag- und Nachtgleiche nicht wenig zu leiden hatte, gewissenhaft ihre Mission.

Bei zwei oder drei sehr heftigen Böen, welche sie nöthigten, nur unter Sturmsegel zu laufen, konnte Henry d’Albaret sich nicht allein weiter über ihre Eigenschaften, wie über die seiner Mannschaft belehren. Die Anderen lernten auch ihn dabei kennen, und er strafte den Ruf nicht Lügen, den die Officiere der französischen Marine schon von jeher genießen, gewandte Seeleute bei schwerstem Wetter zu sein. Ueber seine Anlagen als Taktiker bei einem Seegefecht würde man sich später ein Urtheil bilden können; dagegen bezweifelte schon jetzt Niemand seinen Muth im Feuer.

Unter den schwierigsten Umständen erwies sich der junge Befehlshaber ebenso bewandert in der Theorie wie in der Praxis. Er besaß einen kühnen Charakter, große Seelenstärke, unerschütterliche Kaltblütigkeit und war stets bereit, alle Ereignisse vorauszusehen und zu beherrschen, mit einem Wort, er war ein Seemann, wie er sein soll, damit ist genug gesagt.

In der zweiten Hälfte des Monats beschäftigte sich die Corvette damit, das Landgebiet von Lemnos von der Seeseite zu besichtigen.

Diese Insel, die größte auf dieser Seite des ägäischen Meeres, welche bei fünfzehn Lieues in der Länge, fünf bis sechs in der Breite mißt, war ebenso wie das benachbarte Imbro von dem eigentlichen Unabhängigkeitskampfe noch nicht berührt worden, wiederholt hatten sich hier dagegen Seeräuber eingestellt, welche selbst vom Eingang zur Rhede Handelsschiffe mit frecher Hand wegzuführen wagten. Um frischen Proviant einzunehmen, ging die Corvette in dem damals stark überfüllten Hafen vor Anker. Zu jener Zeit baute man nämlich in Lemnos viele Schiffe, und wenn die, welche noch auf den Werften lagen, aus Furcht vor den Seeräubern nicht vollendet wurden, so wagten sich die bereits fertiggestellten nicht auszulaufen. Daher diese Ueberfüllung.

Diese Nachrichten, welche der Commandant d’Albaret hier auf der Insel erhielt, konnten ihn nur bestimmen, seine Fahrt nach dem Norden des Archipels fortzusetzen. Wiederholt wurde nämlich sogar der Name Sacratif’s sowohl ihm als seinen Officieren gegenüber erwähnt.

»Ah, rief der Capitän Todros, ich wäre wirklich begierig, mich einmal Auge in Auge gegenüber diesem Schurken zu befinden, der mir etwas sagenhaft erscheint. Das würde mir wenigstens den Beweis liefern, daß er überhaupt existirt.

– Stellen Sie seine Existenz in Zweifel? fragte Henry d’Albaret mit Interesse.

– Auf mein Wort, Herr Commandant, erwiderte Todros, wenn Sie meine offene Meinung hören wollen, muß ich Ihnen sagen, daß ich an jenen Sacratif gar nicht glaube, und ich wüßte nicht, daß irgend Jemand sich rühmen könnte, ihn jemals gesehen zu haben. Vielleicht ist das nur ein Kriegsname, den die Piraten Einer nach dem Anderen annehmen. Meiner Meinung nach wird sich schon so Mancher unter diesem Namen auf einem Schiffsdeck geschaukelt haben; doch, das thut nichts! Die Hauptsache bleibt, daß diese Spitzbuben gehenkt werden, und das soll ihnen nicht erspart bleiben.

– Was Sie da gesagt haben, ist Alles in Allem ja möglich, Capitän Todros, antwortete Henry d’Albaret, und das erklärte wenigstens die Allgegenwart, deren Jener sich zu erfreuen scheint.

– Sie haben ganz Recht, Herr Commandant, setzte ein französischer Officier hinzu. Wenn Sacratif, wie die Leute behaupten, gleichzeitig an mehreren Punkten gesehen worden ist, so deutet das unleugbar darauf hin, daß dieser Name unter allen Umständen gleichmäßig von verschiedenen jener Piraten geführt wird.

– Und wenn Sie das thun, geschieht es nur, um Andere, die sie verfolgen, auf falsche Fährte zu leiten, meinte der Capitän Todros. Doch ich wiederhole, es gibt ein ganz sicheres Mittel, diesen Namen auszumerzen – Alle, welche denselben tragen, müssen eben gefangen und gehangen werden… und sogar alle Die, welche ihn je geführt haben. Auf diese Weise wird der wahre Sacratif, wenn es überhaupt einen solchen gibt, dem mit Recht verdienten Stricke ja nicht entgehen.«

Der Capitän Todros hatte wohl ganz Recht, die Frage blieb aber immer, diesen unfaßbaren Uebelthäter erst sicher in die Hand zu bekommen.

»Capitän Todros, fragte Henry d’Albaret, haben Sie während der ersten Kreuzfahrt der »Syphanta«, oder auch schon bei früheren Fahrten nicht etwa eine Sacoleve von gegen hundert Tonnen kennen gelernt, welche den Namen »Karysta« führte?

– Niemals, erklärte der zweite Officier.

– Und Sie, meine Herren?« fuhr der Commandant fort, sich an seine Officiere wendend.

Kein Einziger derselben hatte je von der Sacoleve reden gehört, obwohl die Meisten von ihnen auf den Meeren des Archipels seit dem Anfange des Unabhängigkeitskrieges in Dienst gewesen waren.

»Der Name eines gewissen Nicolas Starkos, des Capitäns jener »Karysta«, wäre niemals bis zu Ihnen gedrungen?« fragte Henry d’Albaret noch einmal nachdrücklicher. Der betreffende Name war den Officieren der Corvette völlig unbekannt. Darüber konnte sich übrigens Niemand besonders wundern, da es sich nur um den Patron eines einfachen Handelsfahrzeuges handelte, wie man deren zu Hunderten an den Stapelplätzen der Levante begegnet.

Todros glaubte sich aber doch unklar zu erinnern, den Namen eines Nicolas Starkos einmal aussprechen gehört zu haben, als er im Hafen von Arkadia in Messenien vor Anker lag. Es sollte das der Name eines jener Schmugglercapitäne sein, welche die von der ottomanischen Behörde gekauften Gefangenen nach den Barbareskenküsten überführten.

»Ja, das kann aber kaum der Starkos sein, den Sie meinen, fügte er hinzu. Dieser, sagen Sie, war der Patron einer Sacoleve, und eine Sacoleve kann unmöglich den Bedürfnissen eines solchen Schleichhandels genügen.

– Freilich nicht!« antwortete Henry d’Albaret und ließ dieses Gespräch vorläufig fallen. Wenn er aber fortwährend an Nicolas Starkos dachte, kam das daher, daß ihm das undurchdringliche Geheimniß des Verschwindens Hadjine Elizundo’s und auch Andronikas kaum je aus dem Sinne kam, denn jetzt verknüpften sich diese beiden Namen stets in seiner Erinnerung.

Gegen den 25. März befand sich die »Syphanta« auf der Höhe der Insel Samothrake, sechzig Lieues im Norden von Scio. Betrachtet man die auf den zurück gelegten Weg verwendete Zeit, so ergibt sich, daß hier alle möglichen Schlupfwinkel gewiß mit aller Sorgfalt durchsucht worden waren, und was die Corvette in den tief in’s Land eindringenden Buchten wegen Mangels an Wassertiefe nicht selbst ausführen konnte, das übernahmen dann die Boote derselben. Bisher waren jedoch alle derartigen Nachforschungen völlig ohne Erfolg geblieben.

Die Insel Samothrake war während des Krieges grausam verwüstet worden, und die Türken hielten sie noch immer unter ihrem Joche. Es ließ sich also annehmen, daß die Seeräuber hier in den zahlreichen Buchten derselben – da ein eigentlicher Hafen nicht vorhanden war – sichere Zuflucht suchen und finden würden. Der Berg Saoce überragt diese Insel um fünf- bis sechstausend Fuß, und von dieser Höhe ist es für einen Wachtposten leicht, jedes verdächtig erscheinende Schiff zeitig genug wahrzunehmen und zu signalisiren. Die vorher gewarnten Piraten gewannen Zeit zu entfliehen, bevor sie blockirt werden konnten. Jedenfalls waren solche Schiffe hier verborgen gewesen, denn die »Syphanta« traf kein einziges derselben auf dem jetzt fast ganz öden Gewässer.

Henry d’Albaret schlug nun einen Curs nach Nordwesten ein, um die Insel Thasos anzulaufen, welche einige zwanzig Lieues von Samothrake entfernt liegt. Da die Windrichtung eine entgegengesetzte war, mußte die Corvette bei ziemlich steifer Brise laviren, sie fand jedoch bald Schutz vom Land und folglich ruhigeres Meer, wo die Fahrt leichter und angenehmer von Statten ging.

Welch‘ eigenthümliches Schicksal haben doch die Inseln des Archipels gehabt! Während Scio und Samothrake so schwer von Seiten der Türken zu leiden hatten, entgingen Thasos ebenso wie Lemnos und Imbro fast ganz den Verheerungen des Krieges. In Thasos ist die ganze Bevölkerung griechischen Ursprungs; hier herrschen noch die Sitten der Väter, Männer und Frauen haben noch die frühere Tracht bewahrt und erscheinen in Kleidung und Haartracht noch in der vollen Grazie des Alterthums. Die türkischen Machthaber, denen die Insel seit Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts unterworfen ist, hätten hier also nach Gefallen plündern können, ohne auf ernsten Widerstand zu stoßen. Auf wirklich unerklärliche Weise blieb derselben jedoch, obgleich der Reichthum ihrer Bewohner wohl die Habgier der gewissenlosen Barbaren zu erregen geeignet schien, bisher alles Ungemach erspart.

Ohne die Ankunft der »Syphanta« hätte Thasos freilich über kurz oder lang alle Greuel der Plünderung zu erfahren gehabt.

Am 2. April nämlich war der Hafen im Norden der Insel, der heutzutage Port Pyrgo genannt wird, von einer Landung zahlreicher Piraten bedroht. Fünf bis sechs Schiffe derselben, Mistiken und Djermen in Begleitung einer Brigantine, welche etwa ein Dutzend Kanonen führte, erschienen damals in Sicht der Stadt. Der Ueberfall jener Banditen, inmitten einer des Kampfes völlig ungewohnten Bevölkerung, hätte mit schrecklicher Verwüstung enden müssen, denn die Insel besaß nirgends hinreichende Streitkräfte, jenen Widerstand zu leisten.

Da erschien zur rechten Zeit die Corvette auf der Rhede, und sobald dieselbe durch einen, am Großmast der Brigantine gehißten Wimpel signalisirt worden war, stellten sich alle jene Fahrzeuge in Schlachtordnung, was von ihrer Seite immerhin eine ungewöhnliche Kühnheit verrieth.

»Sollten sie gar einen Angriff wagen? rief der Capitän Todros, der sich auf die Commandobrücke in die Nähe des Befehlshabers begeben hatte.

– Wer weiß, ob sie uns angreifen oder sich nur vertheidigen wollen, erwiderte Henry d’Albaret, den diese Haltung der Seeräuber überraschte.

– Zum Teufel, ich hätte eher erwartet, die Schufte mit Beisetzung aller Segel entfliehen zu sehen.

– Im Gegentheil, mögen sie nur Widerstand leisten, Capitän Todros… am liebsten selbst angreifen! Wenn sie die Flucht ergriffen, würde es doch Einem und dem Andern gelingen, uns zu entwischen. Commandiren Sie »Klar zum Gefecht!«

Der Befehl des Commandanten wurde sofort aufgeführt. In der Batterie erhielten die Kanonen ihre Ladung, die Lunten wurden zurecht gelegt und die Geschosse herbeigeschafft, so daß sie der Bedienung bequem lagen, auf dem Verdeck machte man die Corvette zum Kampfe fertig und vertheilte die Waffen, Musketen, Pistolen, Säbel und Enterhaken. Die Mastwächter standen bereit, ihre Pflicht zu thun, und zwar ebenso bei einem Kampf an Ort und Stelle, wie wenn es sich um Verfolgung von Flüchtlingen gehandelt hätte. Alles das geschah in einer solchen Ordnung und Schnelligkeit, als ob die »Syphanta« ein wirkliches Kriegsschiff gewesen wäre.

Inzwischen näherte sich die Corvette der Flottille, bereit zum Angriff überzugehen oder einen solchen abzuschlagen. Die Absicht des Befehlshabers ging dahin, direct auf die Brigantine loszusteuern, sie mit einer Breitseite zu begrüßen, welche sie wohl kampfunfähig machen konnte, dann sie anlaufen und seine Mannschaft dieselbe erstürmen zu lassen.

Immerhin war es möglich, daß die Piraten, noch während sie sich zum Kampfe vorbereiteten, doch nur daran dachten, zu entfliehen. Wenn sie es nicht früher gethan hatten, lag das wohl daran, daß die plötzliche Ankunft der Corvette, welche die Rhede vor ihnen beherrschte, sie überrascht hatte. Es blieb nun also kaum etwas Anderes übrig, als der Versuch, sich mit Gewalt einen Durchgang zu erzwingen.

Die Brigantine war es, welche das Feuer eröffnete. Sie richtete ihre Kugeln so, um die Corvette womöglich eines ihrer Masten zu berauben. Wenn ihr das gelang, befand sie sich sofort in weit günstigeren Verhältnissen, der Verfolgung des gefährlichen Gegners zu entgehen.

Die Geschosse flogen etwa sieben bis acht Fuß über dem Deck der »Syphanta« hinweg, zerrissen einige Drissen und Schooten und zertrümmerten einige kleinere Raaen, zersprengten auch einen Theil anderer Reservestücke und verwundeten drei oder vier Matrosen, zum Glück aber nicht schwer. Alles in Allem war die Beschädigung des Schiffes keine bedeutende zu nennen.

Henry d’Albaret antwortete nicht unmittelbar. Er steuerte noch weiter und ließ eine Breitenlage vom Steuerbord nicht eher abgeben, als bis der Dampf von den ersten Schüssen sich verzogen hatte.

Zum Glück für die Brigantine hatte deren Capitän unter Benützung der Brise eine Wendung machen können und erhielt so nur zwei oder drei Kugeln in den Schiffsrumpf oberhalb der Schwimmlinie. Wenn dadurch auch einige Mann getödtet wurden, so war das Schiff damit doch nicht außer Gefecht gesetzt.

Die Projectile der Corvette, welche fehl gingen, waren deshalb doch noch nicht verloren. Die Mistike, welche durch die Wendung der Brigantine sichtbar geworden war, erhielt einen guten Theil derselben in die Backbordwand, und zwar so unglücklich für sie, daß dieselbe Wasser zu schöpfen begann.

»Na, ist’s nicht die Brigantine, so ist’s doch deren Begleiterin, welche ein Gericht eiserner Bohnen in den Magen bekommen hat, rief einer der Matrosen, die auf dem Vordercastell der »Syphanta« standen.

– Meine Ration Wein, daß sie binnen fünf Minuten sinkt!

– Binnen drei Minuten!

– Ich halte die Wette, und wünsche nur, daß mir Dein Wein ebenso leicht die Kehle hinunterläuft, wie ihr das Wasser durch die Löcher in den Rumpf eindringt!

– Sie sinkt!… Sie sinkt!…

– Da sitzt sie schon bis zur Schanzkleidung drin…. Der Rumpf wird nicht mehr lange über Wasser bleiben.

– Und die Teufelskerle darauf springen kopfüber in’s Meer und retten sich durch Schwimmen…

– Nun sie ziehen eben einen Strick um den Hals dem Ertrinken im Wasser vor, dabei wollen wir sie nicht stören!«

In der That sank die Mistike immer mehr und mehr. Ehe das Wasser aber die Reeling erreichte, hatte die Besatzung derselben einen Sprung in’s Meer gewagt, um irgend ein anderes Fahrzeug der Flottille zu erreichen.

Die Leute auf diesen hatten freilich ganz anderes zu thun, als sich mit der Rettung der Ueberlebenden von der Mistike zu beschäftigen Sie dachten jetzt nur noch an die Flucht. So fanden die Unglücklichen Alle den Tod in den Wellen, ohne daß ihnen nur ein Tauende zugeworfen worden wäre, um sie an Bord zu ziehen.

Die zweite Breitlage der »Syphanta« wurde dieses Mal auf eine der Djermen abgefeuert, welche quer gegen jene lag, und setzte dieselbe vollständig außer Gefecht; es bedurfte auch keiner weiteren Mühe, sie ganz zu vernichten. Bald verschwand die Djerme in aufwirbelnden Flammen, welche ein halbes Dutzend glühende Kugeln auf dem Deck derselben entzündet hatten.

Als sie diesen Ausgang sahen, begriffen die anderen kleineren Schiffe, daß es ihnen doch nicht gelingen würde, sich gegen das grobe Geschütz der Corvette zu vertheidigen. Freilich, wenn sie die Flucht ergriffen, hatten sie auch nicht große Aussicht, einem größeren schnellsegelnden Schiffe zu entgehen.

Der Capitän der Brigantine griff also zu der einzigen Maßregel, die ihm übrig blieb, wenn er deren Mannschaft retten wollte. Er ließ sie durch ein Signal zusammenrufen, und binnen wenigen Minuten hatten sich die Piraten an seinen Bord geflüchtet, nachdem sie eine Mistike und eine Djerme verlassen, welche sie vorher selbst in Brand setzten und die auch bald darauf in die Luft sprangen.

Die Besatzung der Brigantine befand sich jetzt, nachdem sie eine Verstärkung von gegen hundert Mann erhalten, in bester Lage, einem directen Sturme von Seite des Feindes die Spitze zu bieten, wenn es ihr nicht gelang, zu entkommen.

Wenn die Mannschaft derselben jetzt aber an Zahl der der Corvette gleich war, blieb es für sie immer noch das Beste, ihr Heil in der Flucht zu suchen. Sie zögerten denn auch nicht, die größere Schnelligkeit, welche dem Schiffe eigen war, sich zu nutze zu machen, um an der türkischen Küste Zuflucht zu finden. Dort wäre ihr Capitän im Stande gewesen, sich so sicher zwischen den Felsen des Uferlandes zu verbergen, daß die Corvette ihn weder finden, noch, wenn sie ihn fand, ihn verfolgen konnte.

Die Brise hatte wesentlich aufgefrischt. Die Brigantine zögerte indeß nicht, alles Segelwerk, was sie nur führen konnte, beizusetzen, selbst auf die Gefahr hin, die Masten zu zerbrechen, und begann sich von der »Syphanta« zu entfernen.

»Schön, rief der Capitän Todros, es sollte mich doch wundern, wenn ihre Beine ebenso lang wären, wie die unserer Corvette!«

Er wandte sich nach dem Commandanten um, dessen Befehl er erwartete.

In diesem Augenblicke wurde aber die Aufmerksamkeit Henry d’Albaret’s nach einer ganz anderen Seite hingelenkt. Er sah die Brigantine gar nicht mehr. Das Fernrohr auf den Hafen von Thasos gerichtet, beobachtete er ein leichtes Fahrzeug, das mit aller Kraft der Segel das Weite zu gewinnen sachte.

Es war eine Sacoleve Getrieben von einer steifen Nordwestbrise, welche ihr gestattete, alle Segel beizusetzen, war sie in die südliche Ausgangsstraße des Hafens eingesteuert, zu der ihr geringer Tiefgang ihr den Eingang ermöglichte.

Henry d’Albaret legte, nachdem er scharf nach derselben ausgelugt, das Fernrohr hastig bei Seite.

»Die »Karysta«! rief er.

– Wie, das wäre jene Sacoleve, von der Sie mit mir gesprochen haben? fragte der Capitän Todros.

– Sie selbst; ich gäbe etwas darum, sie einzuholen….«

Henry d’Albaret vollendete den Satz nicht. Zwischen der Brigantine, auf der sich eine zahlreiche, aus Seeräubern bestehende Mannschaft befand, und der »Karysta« durfte er, obgleich letztere jedenfalls von Nicolas Starkos befehligt wurde, keinen Augenblick wählen. Gewiß hätte er, wenn er die Verfolgung der Brigantine aufgab und sich nach dem Eingang der seichten Wasserstraße begab, der Sacoleve den Weg abschneiden können, er konnte sie erreichen und sich ihrer bemächtigen. Damit hätte er freilich das allgemeine Interesse seinem eigenen persönlichen Vortheile geopfert. Das durfte er nicht. Seine Pflicht gebot ihm, ohne einen Augenblick zu verlieren, der Brigantine nachzueilen, den Versuch zu machen, diese abzufangen, um sie zu zerstören, und dazu entschloß er sich denn auch sofort. Noch einen letzten Blick warf er auf die »Karysta«, die sich durch die offenliegende Wasserstraße mit großer Schnelligkeit aus dem Staube machte, und ertheilte dann die nöthigen Befehle, auf das Piratenschiff Jagd zu machen, das sich schon in entgegengesetzter Richtung entfernte.

Mit allen Segeln steuerte die »Syphanta«, so schnell sie konnte, im Kielwasser der Brigantine hin. Gleichzeitig wurden ihre Jagdgeschütze in Position gebracht, und da die beiden Schiffe jetzt nur noch ein Zwischenraum von einer halben Seemeile trennte, begann die Corvette ihren ehernen Mund aufzuthun.

Was sie da sagte, schien gar nicht besonders nach dem Geschmacke der Brigantine zu sein. Diese fiel möglichst schnell zwei Viertel ab und versuchte, ob es ihr nicht bei dieser neuen Fahrtrichtung möglich sein würde, vor dem Gegner einen Vorsprung zu gewinnen.

Das erwies sich jedoch als Täuschung. Der Steuermann der »Syphantadrehte ebenfalls ein wenig bei, und die Corvette wechselte auch ihrerseits den Curs.

Etwa eine Stunde lang wurde die Verfolgung unter diesen Verhältnissen fortgesetzt. Die Piraten verloren offenbar an Weg, und es schien gar nicht zweifelhaft, daß man dieselben noch vor Mitternacht einholen würde. Der zu erwartende Kampf zwischen den beiden Fahrzeugen sollte aber auf ganz andere Weise ein Ende finden.

Durch einen glücklichen Schuß beraubte eine Paßkugel von der »Syphanta« die Brigantine ihres Fockmastes. Sofort unterlag das Schiff der Wirkung des Windes, und die Corvette brauchte nur zu brassen und abzuwarten, um sich eine Viertelstunde später derselben quer gegenüber zu befinden.

Da rollte ein furchtbarer Geschützdonner über das Wasser hin. Auf weniger als eine halbe Kabellänge hatte die »Syphanta« vom Steuerbord eine ganze Breitseite abgegeben. Die Brigantine wurde durch diese Lawine von Eisen fast in die Höhe gehoben, doch war nur der über das Wasser aufragende Theil des Rumpfes getroffen worden, und sie sank deshalb noch nicht.

Der Capitän, dessen Mannschaft durch diese letzte Salve noch einmal decimirt worden war, sah nun wohl ein, daß er nicht länger Widerstand leisten konnte, und strich also die Flagge.

Binnen wenigen Minuten schon stießen die Boote der Corvette an die Brigantine und holten die noch Ueberlebenden von derselben ab. Dann setzte man das Schiff in Flammen und es brannte hellauf bis hinunter zur Schwimmlinie.

Erst als das Feuer diese erreicht, versank es lautlos in den Fluten.

Die »Syphanta«hatte hiermit ein gutes und nützliches Werk gethan. Wer der Anführer dieser Flottille war, wie er hieß, woher er stamme und was er früher getrieben, das sollte man niemals erfahren, denn er verweigerte es hartnäckig, auf die Fragen Antwort zu geben, die man bezüglich dieser Verhältnisse an ihn stellte. Auch seine Leute bewahrten ein beharrliches Schweigen, und vielleicht wußten diese, wie es damals öfters vorzukommen pflegte, nicht einmal selbst etwas von dem Vorleben dessen, der sie befehligte. Daß sie jedoch Seeräuber waren, daran konnte ein Zweifel nicht aufkommen, und so ließ man denn der Gerechtigkeit ihren Lauf.

Das Erscheinen und Verschwinden der Sacoleve hatte in Henry d’Albaret doch ganz eigenthümliche Gedanken wachgerufen. Die Umstände, unter welchen sie eben den Hafen von Thasos verließ, mußten sie ihm erst recht verdächtig erscheinen lassen, da sie allem Anscheine nach sich das eben im Gange befindliche Gefecht zunutze gemacht hatte, um sicherer zu entkommen. Jedenfalls fürchtete sie, in die Nähe der »Syphanta« zu kommen, die sie wohl erkannt haben mochte. Ein ehrbares Schiff wäre da ganz ruhig im Hafen geblieben, da die Piraten sich von demselben jetzt ja nur zu entfernen trachteten. Diese »Karysta« dagegen hatte sich, selbst auf die Gefahr hin, jenen in die Hände zu fallen, beeilt, den Anker zu lichten und in See zu stechen. Zweideutiger hätte sie gar nicht verfahren können, und man durfte sich gewiß fragen, ob sie mit den Seeräubern nicht in geheimem Bunde stand. Den Commandanten Henry d’Albaret hätte es in der That gar nicht verwundert, Nicolas Starkos als einen Spießgesellen derselben zu erkennen. Leider konnte er jetzt, dessen Spuren wiederzufinden, nur noch auf einen glücklichen Zufall rechnen. Allmählich sank die Nacht herab und die »Syphanta« verlor, da sie einen mehr südlichen Curs einhielt, alle Aussicht, die Sacoleve noch einmal zu treffen. So sehr es Henry d’Albaret auch bedauerte, sich diese Gelegenheit, Nicolas Starkos zum Gefangenen zu machen, haben entgehen zu lassen, so mußte er doch wohl darauf verzichten, aber er hatte ja seine Pflicht gethan. Der Erfolg dieses Kampfes bei Thasos bestand in der Zerstörung von fünf Fahrzeugen, ohne daß die Besatzung der Corvette dabei besonders Schaden gelitten hatte. Vielleicht war durch denselben wenigstens für einige Zeit die allgemeine Sicherheit in dem nördlichen Theile des Archipels gewährleistet.